Update Unternehmensrecht - Die GmbH-Rundschau
Update Unternehmensrecht - Die GmbH-Rundschau Update Unternehmensrecht - Die GmbH-Rundschau
Aufsätze Heft 1 1. Januar 2011 S. 1–56 PVSt 6012 Prof. Dr. Karlheinz Küting/Prof. Dr. Peter Lorson/Raphael Eichenlaub/Dr. Marc Toebe – Die Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs.8 HGB 1 Dr. Gottfried E. Breuninger/Dr. Magnus Müller – Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach BilMoG. Steuerrechtliche Behandlung – Chaos perfekt? 10 Steffen Kögel – Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma einer GmbH 16 GmbH-Beratung Reinhard Stockum/Marc Sälzer – Kaufpreisraten bei Unternehmenskäufen. Das Abzinsungsgebot als steuerliches Minenfeld? 20 GmbHReport Dr. Götz Tobias Wiese – Wichtige Themen des Unternehmenssteuerrechts im Jahr 2011 – ein Ausblick R1 Rechtsprechung Haftung des Geschäftsführers: Darlegungsund Beweislast hinsichtlich Überschuldung bei Inanspruchnahme wegen Insolvenzverschleppung (BGH v. 18.10.2010 – Fleischgroßhandel – mit Komm. Dr. Jochen Blöse, MBA) 25 Anmeldung: Versicherung eines Geschäftsführers hinsichtlich eines Fehlens des Ausschlussgrundes der Betreuung (OLG Hamm v. 29.9.2010) 30 Organschaft: Kein ordnungsgemäß durchgeführter Ergebnisabführungsvertrag bei „vergessener“ Verrechnung mit vororganschaftlichen Verlusten (BFH v. 21.10.2010 mit Komm. Dr. Wolfgang Walter) 40 Doppelbesteuerung: Umqualifizierung von Zinsen in vGA als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot im DBA-Schweiz (BFH v. 8.9.2010) 46 Verwaltungsanweisungen Gewinnermittlung: Steuerermäßigung nach §35 EStG bei mehrstöckigen Personengesellschaften (BMF v. 25.11.2010) 55
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Aufsätze<br />
Heft 1<br />
1. Januar 2011<br />
S. 1–56<br />
PVSt 6012<br />
Prof. Dr. Karlheinz Küting/Prof. Dr. Peter Lorson/Raphael<br />
Eichenlaub/Dr. Marc Toebe –<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen<br />
Bilanzrecht nach §268 Abs.8 HGB 1<br />
Dr. Gottfried E. Breuninger/Dr. Magnus Müller<br />
– Erwerb und Veräußerung eigener Anteile<br />
nach BilMoG. Steuerrechtliche Behandlung –<br />
Chaos perfekt? 10<br />
Steffen Kögel – Zulässigkeit von Fremdnamen<br />
und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma<br />
einer <strong>GmbH</strong> 16<br />
<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />
Reinhard Stockum/Marc Sälzer – Kaufpreisraten<br />
bei Unternehmenskäufen. Das Abzinsungsgebot<br />
als steuerliches Minenfeld? 20<br />
<strong>GmbH</strong>Report<br />
Dr. Götz Tobias Wiese – Wichtige Themen des<br />
Unternehmenssteuerrechts im Jahr 2011 – ein<br />
Ausblick R1<br />
Rechtsprechung<br />
Haftung des Geschäftsführers: Darlegungsund<br />
Beweislast hinsichtlich Überschuldung bei<br />
Inanspruchnahme wegen Insolvenzverschleppung<br />
(BGH v. 18.10.2010 – Fleischgroßhandel –<br />
mit Komm. Dr. Jochen Blöse, MBA) 25<br />
Anmeldung: Versicherung eines Geschäftsführers<br />
hinsichtlich eines Fehlens des Ausschlussgrundes<br />
der Betreuung (OLG Hamm v.<br />
29.9.2010) 30<br />
Organschaft: Kein ordnungsgemäß durchgeführter<br />
Ergebnisabführungsvertrag bei „vergessener“<br />
Verrechnung mit vororganschaftlichen<br />
Verlusten (BFH v. 21.10.2010 mit Komm. Dr. Wolfgang<br />
Walter) 40<br />
Doppelbesteuerung: Umqualifizierung von<br />
Zinsen in vGA als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot<br />
im DBA-Schweiz (BFH v.<br />
8.9.2010) 46<br />
Verwaltungsanweisungen<br />
Gewinnermittlung: Steuerermäßigung nach<br />
§35 EStG bei mehrstöckigen Personengesellschaften<br />
(BMF v. 25.11.2010) 55
Vordenker<br />
Nach der Jahrhundertreform des<br />
<strong>GmbH</strong>-Rechts durch das MoMiG<br />
werden sich Praktiker aller Berufsgruppen<br />
die Antworten auf die<br />
vielen neuen Rechtsfragen<br />
wieder aus diesem Kommentar<br />
holen. Seit über einem halben<br />
Jahrhundert ist er das Standardwerk,<br />
mit dem man in jedem Fall<br />
schnell und sicher zu einer<br />
fundierten Entscheidung kommt.<br />
Kompakt im Umfang, umfassend<br />
in der Problembehandlung:<br />
Unstreitiges in Kürze, offene<br />
Rechtsfragen werden mit der<br />
gebotenen Ausführlichkeit diskutiert<br />
und mit wissenschaftlicher<br />
Präzision wegweisend gelöst.<br />
<strong>Die</strong> angesehenen Autoren<br />
haben das jetzt geltende Recht<br />
komplett neu kommentiert,<br />
dabei auch jüngere Gesetze wie<br />
Lutter/Hommelhoff <strong>GmbH</strong>-Gesetz Kommentar. Von<br />
Prof. Dr. Walter Bayer, Prof. Dr. Dres. h.c. Peter Hommelhoff,<br />
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das BilMoG an allen einschlägigen<br />
Stellen eingearbeitet und damit<br />
den Umfang um ein Drittel ausgedehnt.<br />
Sie haben darüber hinaus zahlreiche<br />
BGH-Entscheidungen verarbeitet,<br />
die Kernbereiche der<br />
<strong>GmbH</strong> betreffen: zum Beispiel die<br />
Gründerhaftung, die Durchgriffshaftung,<br />
die Anteilsveräußerung,<br />
die verdeckte Gewinnausschüttung<br />
und die verdeckte Einlage.<br />
Neben kritischen Anmerkungen<br />
geben sie wertvolle Empfehlungen<br />
für die Gestaltungsberatung.<br />
Bestechend an diesem weit<br />
verbreiteten Kommentarwerk ist<br />
die Zuverlässigkeit, mit der es die<br />
künftige Rechtsentwicklung oft<br />
genug vorweggenommen hat.<br />
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✁
<strong>Die</strong> Modernisierung des Steuerrechts<br />
hin zu einem international wettbewerbsfähigenUnternehmenssteuerrecht,<br />
die Erleichterung von Umstrukturierungen<br />
und die Verbesserung<br />
der Standortattraktivität Deutschlands<br />
stehen erklärtermaßen auf dem Programm<br />
der Bundesregierung. Ist hier<br />
schon genügend getan worden? Das<br />
ist natürlich eine rhetorische Frage.<br />
Viele Themenbereiche harren der Bearbeitung:<br />
Mit den Stichworten Europäisierung<br />
und Internationalisierung<br />
des Steuerrechts, Konsistenz des Unternehmenssteuerrechts,Rechtsformneutralität,<br />
Steuervereinfachung, modernes<br />
Gruppenbesteuerungssystem<br />
und Gemeindefinanzreform sind nur<br />
einige Themen beschrieben. 2010<br />
wurden mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz<br />
einzelne Maßnahmen<br />
zum Schutz von krisengeschüttelten<br />
Unternehmen ergriffen.<br />
2011 stehen weitere Themen an,<br />
um die Investitionsbedingungen in<br />
Deutschland aus steuerlicher Sicht zu<br />
verbessern. Ansatzpunkte hierfür sind<br />
das Jahressteuergesetz 2010, der in<br />
Arbeit befindliche neue Umwandlungssteuererlass<br />
des BMF, der soeben<br />
veröffentlichte Ländererlass zu<br />
§6a GrEStG und die beabsichtigte<br />
Neuordnung der Gemeindefinanzen.<br />
Auch sie sog. „Mängelliste des deutschen<br />
Steuerrechts“ des BDI mag im<br />
Neuen Jahr für neue Impulse sorgen.<br />
Jahressteuergesetz 2010<br />
Das Jahressteuergesetz 2010, das<br />
am 26.11.2010 vom Bundesrat gebilligt<br />
und am 13.12.2010 verkündet worden<br />
ist (BGBl. I 2010, 1768), enthält<br />
eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen.<br />
Hierunter fallen redaktionelle Änderungen<br />
und Anpassungen, aber auch<br />
* LATHAM & WATKINS LLP. Der Autor ist Mitglied des<br />
Herausgeber-Beirats der <strong>GmbH</strong>-<strong>Rundschau</strong>.<br />
gesetzliche Klarstellungen und Neuerungen.<br />
Einzelne Änderungen sind<br />
auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben<br />
zurückzuführen, andere wiederum<br />
auf die Rechtsprechung des<br />
BFH. Auf dem Gebiet des Unternehmenssteuerrechts<br />
sind folgende<br />
Maßnahmen hervorzuheben:<br />
– Nach Aufgabe der finalen Entnahmetheorie<br />
durch den BFH werden<br />
die allgemeinen Entstrickungsregelungen<br />
der §4 Abs.1 EStG,<br />
§12 Abs.1 KStG jeweils um einen<br />
Satz erweitert, der in der Form<br />
eines Regelbeispiels anordnet,<br />
dass eine Besteuerung der stillen<br />
Reserven von Wirtschaftsgütern<br />
insbesondere dann erfolgt, wenn<br />
diese innerhalb eines Unternehmens<br />
nicht mehr einer inländischen,<br />
sondern einer ausländischen<br />
Betriebsstätte zugeordnet<br />
werden. Hiermit wird die bisherige,<br />
im Betriebsstättenerlass niedergelegte<br />
Verwaltungsauffassung, der<br />
der BFH im Sommer 2008 widersprochen<br />
hatte, gesetzlich festgeschrieben.<br />
<strong>Die</strong> Neuregelung soll<br />
eine Besteuerung der stillen Reserven<br />
bei einer Überführung<br />
oder Zuweisung von einzelnen<br />
Wirtschaftsgütern, Teilbetrieben,<br />
Mitunternehmeranteilen und ganzen<br />
Betrieben ins Ausland sicherstellen.<br />
Ob diese Besteuerung einen<br />
Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlicheNiederlassungsfreiheit<br />
darstellt, wird durch den<br />
EuGH zu beurteilen sein.<br />
– In diesem Kontext wurde zudem<br />
ein neuer §16 Abs.3a EStG eingeführt,<br />
wonach stille Reserven in<br />
einem Betrieb auch ohne dessen<br />
Aufgabe aufzudecken und zu besteuern<br />
sind, wenn ein bisher im<br />
Inland ansässiger Betrieb vollständig<br />
in einen ausländischen Staat<br />
1/2011x R1<br />
Dr. Götz Tobias Wiese, Rechtsanwalt und Steuerberater, Hamburg*<br />
Wichtige Themen des Unternehmenssteuerrechts<br />
im Jahr 2011 – ein Ausblick<br />
verlegt und von dort aus fortgeführt<br />
wird. <strong>Die</strong>s kann als gesetzgeberische<br />
Reaktion auf die Aufgabe<br />
der finalen Betriebsaufgabetheorie<br />
durch den BFH im Herbst<br />
2009 verstanden werden. Hiermit<br />
möchte der Gesetzgeber ebenfalls<br />
eine Besteuerung der in<br />
Deutschland entstandenen stillen<br />
Reserven sicherstellen.<br />
Bei diesen beiden Maßnahmen handelt<br />
es sich um Vorschriften, die auf<br />
eine krisenbedingte Umstrukturierung<br />
mit Auslandsbezug nachteilig wirken.<br />
Zwar besteht im Fall der Auslandsverlagerung<br />
des gesamten Betriebs die<br />
Möglichkeit, die festgesetzte Steuer<br />
zinslos in fünf gleichen Jahresraten<br />
zu entrichten (§36 Abs.5 EStG). <strong>Die</strong>s<br />
ist allerdings nur ein schwacher Trost,<br />
und in der Gestaltungsberatung wird<br />
mit geeigneten Maßnahmen reagiert<br />
werden müssen.<br />
– <strong>Die</strong> „Stille-Reserven-Klausel“ im<br />
Rahmen der Verlustabzugsbeschränkung<br />
beim Beteiligungserwerb<br />
nach §8c KStG wird dahingehend<br />
geändert, dass auch<br />
ausländisches Betriebsvermögen,<br />
das im Inland steuerpflichtig ist, bei<br />
der Berechnung der stillen Reserven<br />
zukünftig berücksichtigt wird.<br />
<strong>Die</strong>s kann dazu führen, dass die<br />
Summe der stillen Reserven aufgrund<br />
der Berücksichtigung des<br />
ausländischen Betriebsvermögens<br />
größer ist, so dass ein bisher<br />
nicht genutzter Verlust nun in einem<br />
größeren Umfang, nämlich in<br />
Höhe der zusätzlich zu berücksichtigenden<br />
ausländischen stillen Reserven,<br />
abgezogen werden kann.<br />
Mit dieser Maßnahme wird das<br />
Ziel der Erleichterung von Umstrukturierungen<br />
gefördert, wobei<br />
sicherlich eine noch beherztere<br />
Umgestaltung des §8c KStG, wie
durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz<br />
begonnen, wünschenswert<br />
gewesen wäre.<br />
– Auf verfahrensrechtlicher Ebene ist<br />
die Änderung des §146 Abs.2a<br />
AO zu erwähnen, die die Voraussetzungen<br />
der Verlagerung der<br />
Buchführung ins Ausland erheblich<br />
vereinfacht. Erfreulich ist insbesondere,<br />
dass die Möglichkeit der<br />
Verlagerung nicht nur auf Staaten<br />
der EU bzw. des EWR beschränkt<br />
ist, sondern auch in andere Staaten<br />
ermöglicht wird.<br />
Koordinierter Ländererlass zu § 6a<br />
GrEStG vom 1.12.2010<br />
Während der Drucklegung dieser<br />
Ausgabe ist der mit hoher Spannung<br />
erwartete koordinierte Ländererlass<br />
zu der sog. Konzernklausel des §6a<br />
GrEStG erschienen. Nach dieser<br />
Klausel wird bei bestimmten grunderwerbsteuerlichen<br />
Erwerbsvorgängen<br />
im Zuge von bestimmten Umwandlungen<br />
und unter ausschließlicher<br />
Beteiligung von herrschenden Unternehmen<br />
und abhängigen Gesellschaften<br />
die Grunderwerbsteuer nicht<br />
erhoben. Durch den Erlass ist insbesondere<br />
die konkrete Ausgestaltung<br />
der einzuhaltenden Vor- und Nachbehaltensfrist<br />
geklärt worden. Zustimmung<br />
verdient die Finanzverwaltung<br />
in ihrer Entscheidung, dass nun auch<br />
eine Personengesellschaft als abhängige<br />
Gesellschaft i.S.d. §6a GrEStG in<br />
Betracht kommt. Eine ausführliche<br />
Besprechung dieses Erlasses samt<br />
der praktischen Konsequenzen soll<br />
alsbald an dieser Stelle erfolgen.<br />
Geplanter Umwandlungssteuererlass<br />
2011<br />
Mit großer Spannung wartet die Praxis<br />
bereits seit langem auf die Veröffentlichung<br />
des neuen Umwandlungssteuererlasses<br />
durch das Bundesfinanzministerium.<br />
Der Erlass ist<br />
aufgrund der umfassenden Änderungen<br />
des Umwandlungssteuergesetzes<br />
durch das SEStEG vom Dezember<br />
2006 dringend erforderlich. <strong>Die</strong><br />
Verwaltung tut sich – insbesondere in<br />
der internen Abstimmung – mit diesem<br />
Thema nicht leicht. <strong>Die</strong> Rechtsunsicherheit<br />
zeigt sich in der Praxis<br />
insbesondere darin, dass vor der Veröffentlichung<br />
des Erlasses in wichtigen<br />
Teilbereichen keine verbindlichen<br />
Auskünfte durch die Finanzverwaltung<br />
erteilt werden. <strong>Die</strong>s ist erstaun-<br />
lich: Vier Jahre nach Inkrafttreten des<br />
SEStEG ist es schwer zu definieren,<br />
was seinerzeit in dem von der Verwaltung<br />
vorbereiteten Gesetzentwurf gewollt<br />
war und geregelt sein sollte. Einzelthemen<br />
dringen bereits nach außen:<br />
Thematisch sind Entstrickungsfragen<br />
bei grenzüberschreitenden<br />
Umwandlungen von großer Relevanz.<br />
<strong>Die</strong> Frage, wer bei welchem Finanzamt<br />
und bis wann den Antrag auf<br />
Buch- und Zwischenwertansatz im<br />
Rahmen der §§3, 11, 20, 24 UmwStG<br />
gestellt haben muss, wird intensiv diskutiert.<br />
Das gleiche gilt für den Zeitpunkt,<br />
zu dem bestimmte tatbestandliche<br />
Voraussetzungen vorgelegen<br />
haben müssen, um steuerliche Rückwirkung<br />
in Anspruch zu nehmen. Hier<br />
scheint die Verwaltung sogar vom jetzigen<br />
Erlass abweichen zu wollen,<br />
obgleich das Gesetz in diesem Punkt<br />
gar nicht geändert wurde. Eine Übergangsregelung<br />
wird damit erforderlich.<br />
Wird der Umwandlungssteuererlass<br />
„das“ steuerliche Thema des<br />
Jahres 2011? Wohl ja, denn der Erlassentwurf<br />
dürfte voraussichtlich im<br />
Frühjahr an die Verbände gehen, und<br />
dann ist die Diskussion in vollem<br />
Gang.<br />
Neuordnung der Gemeindefinanzierung<br />
Wie im Koalitionsvertrag der Bundesregierung<br />
vereinbart, wurde am<br />
24.2.2010 eine Kommission zur Erarbeitung<br />
von Vorschlägen zur Neuordnung<br />
der Gemeindefinanzierung eingesetzt.<br />
Bekanntermaßen weist das<br />
kommunale Finanzsystem gravierende<br />
Schwächen auf, und die Kommunen<br />
waren von der Finanz-, Wirtschafts-<br />
und Arbeitsmarktkrise besonders<br />
hart betroffen. Zwar konnten vorübergehende<br />
finanzielle Engpässe<br />
mit den Mitteln aus dem Konjunkturpaket<br />
II überbrückt werden. Dennoch<br />
ist das System weiterhin fragil, so<br />
dass eine Reform unentbehrlich ist.<br />
Potentielle zukünftige Ansatzpunkte<br />
für eine Reform sind der aufkommensneutrale<br />
Ersatz der Gewerbesteuer<br />
durch einen höheren Anteil an<br />
der Umsatzsteuer, ein kommunaler<br />
Zuschlag auf die Einkommen- und<br />
Körperschaftsteuer mit eigenem Hebesatz<br />
sowie eine Beteiligung der<br />
Gemeinden am Lohnsteueraufkommen.<br />
Bei alledem sollte der Schwerpunkt<br />
stets auf der Förderung von Unternehmensumstrukturierungen<br />
und<br />
der Erweiterung der Handlungsspiel-<br />
1/2011x R2<br />
räume der Gemeinden liegen, denn<br />
nur dann sind diese in der Lage, eine<br />
unternehmensfreundliche Standortpolitik<br />
zu betreiben. Eine zeitnahe Erarbeitung<br />
von Reformvorschlägen im<br />
Jahr 2011 wäre hierbei erstrebenswert.<br />
Jedoch: Der Beobachter bleibt<br />
skeptisch.<br />
Moderne Gruppenbesteuerung<br />
<strong>Die</strong> im Koalitionsvertrag vereinbarte<br />
Einführung einer modernen Gruppenbesteuerung<br />
anstelle der bisherigen<br />
Organschaft ist durch den Gesetzgeber<br />
auch noch nicht umgesetzt worden.<br />
Leitbild für eine solche Gruppenbesteuerung<br />
sollte die Organisationsbzw.<br />
Konzernneutralität der Besteuerung<br />
sein. Eine gute Orientierung bieten<br />
dabei die Ergebnisse des<br />
CCCTB-Projekts der EU-Kommission<br />
(Common Consolidated Corporate<br />
Tax Base Working Group), und natürlich<br />
kommt den Entscheidungen des<br />
BFH zu Betriebsstättenverlusten gesteigerte<br />
Bedeutung zu. <strong>Die</strong> eingerichtete<br />
Arbeitsgruppe der Finanzverwaltung<br />
wird sich denn auch zugleich<br />
mit der im Koalitionsvertrag<br />
vereinbarten Neuordnung der Verlustverrechnung<br />
befassen. Der Druck<br />
wird sich hier noch erhöhen, wenn<br />
der BFH sich zur Übernahme von<br />
endgültigen Verlusten von Tochtergesellschaften<br />
in der EU äußert. Natürlich<br />
ist die Konzernbesteuerung ein<br />
wichtiger steuerlicher Standortfaktor,<br />
und Deutschland sollte, insbesondere<br />
unter Beachtung der internationalen<br />
Entwicklung, zeitnah in diesem Bereich<br />
tätig werden.<br />
Ausblick<br />
Alles in allem: Ansatzpunkte für eine<br />
Verbesserung der Standortbedingungen<br />
für Unternehmen aus steuerlicher<br />
Sicht sind erkennbar. Der große Wurf<br />
steht indes aus. Möglicherweise wird<br />
hier der Austausch zwischen Finanzverwaltung<br />
und Industrie auf Grundlage<br />
einer konsolidierten und gewichteten<br />
Mängelliste des BDI noch einmal<br />
intensiviert. Zudem steht die Umsetzung<br />
der jüngst vom Koalitionsausschuss<br />
angekündigten Maßnahmen<br />
zur Steuervereinfachung und zur Bürokratieentlastung<br />
an. Und schließlich<br />
sind Gruppenbesteuerung und Gemeindefinanzreform<br />
so wichtige Projekte,<br />
dass sie im Jahr 2011 angepackt<br />
werden sollten, damit sie in dieser<br />
Legislaturperiode noch erfolgreich<br />
bewältigt werden können.
Aufsätze und Beiträge<br />
Prof. Dr. Karlheinz Küting/Prof. Dr. Peter Lorson /<br />
Raphael Eichenlaub/ Dr. Marc Toebe<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen<br />
Bilanzrecht nach § 268 Abs.8 HGB 1<br />
Dr. Gottfried E. Breuninger/Dr. Magnus Müller<br />
Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach Bil-<br />
MoG. Steuerrechtliche Behandlung – Chaos perfekt? 10<br />
Steffen Kögel<br />
Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen<br />
in der Firma einer <strong>GmbH</strong> 16<br />
<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />
Reinhard Stockum /Marc Sälzer<br />
Kaufpreisraten bei Unternehmenskäufen. Das Abzinsungsgebot<br />
als steuerliches Minenfeld? 20<br />
Rechtsprechung Gesellschaftsrecht<br />
Haftung des Geschäftsführers: Darlegungs- und Beweislast<br />
hinsichtlich Überschuldung bei Inanspruchnahme<br />
wegen Insolvenzverschleppung (BGH v.<br />
18.10.2010 – II ZR 151/09 – Fleischgroßhandel)<br />
Der <strong>GmbH</strong>R-Kommentar<br />
25<br />
von Dr. Jochen Blöse, MBA<br />
Haftung des Geschäftsführers: Restriktive Anwendung<br />
des Instituts des faktischen Geschäftsführers bei<br />
bloßen Konsolidierungs-/Rettungsmaßnahmen in der<br />
27<br />
Krise (OLG München v. 8.9.2010 – 7 U 2568/10 [LS])<br />
Anmeldung: Elektronische Übermittlung eines Gesellschafterbeschlusses<br />
über eine Geschäftsführerbestellung<br />
in Urschrift (OLG Thüringen v. 9.9.2010 –<br />
28<br />
6W144/10)<br />
Anmeldung: Eintragung eines weiteren Geschäfts-<br />
28<br />
führers in das Handelsregister (OLG Hamm v.<br />
7.9.2010 – I-15 W 253/10)<br />
Anmeldung: Versicherung eines Geschäftsführers<br />
hinsichtlich eines Fehlens des Ausschlussgrundes<br />
der Betreuung (OLG Hamm v. 29.9.2010 – I-15 W<br />
29<br />
460/10) 30<br />
Anmeldung: „c/o“-Adresse als inländische Geschäftsanschrift<br />
einer <strong>GmbH</strong> (OLG Rostock v.<br />
31.5.2010–1W6/10) 30<br />
Geschäftsführer: Anmeldung der Amtsniederlegung<br />
beim Registergericht (OLG Thüringen v.<br />
29.7.2010–6W91/10) 31<br />
Inhalt<br />
102. Jahrgang<br />
Heft 1/2011<br />
Gesellschafterliste: Keine Absicherung einer aufschiebend<br />
bedingten Anteilsabtretung durch Eintragung<br />
eines Vermerks (OLG Hamburg v. 12.7.2010 –<br />
11 W 51/10)<br />
Informationsrechte: Geltendmachung eines Auskunfts-<br />
und Einsichtsrechts nur im Wege der freiwilligen<br />
Gerichtsbarkeit (OLG Saarbrücken v. 21.9.2010<br />
32<br />
– 8 W 215/10 - 36)<br />
Eigenkapitalersatz: Anwendung der Kapitalersatzregeln<br />
auf eine Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz<br />
in anderem EU-Mitgliedstaat (OLG Köln v. 28.9.2010<br />
33<br />
–18U3/10)<br />
Liquidation: Bekanntmachung des Schlusses der Liquidation<br />
auch in den Publikationsorganen gemäß Gesell-<br />
35<br />
schaftsvertrag (OLG Stuttgart v. 12.11.2010 – 8 W 444/10)<br />
Liquidation: Keine notwendige Eintragung eines<br />
38<br />
Nachtragsliquidators bei nur einzelnen Abwicklungsmaßnahmen<br />
(OLG München v. 21.10.2010 –<br />
31 Wx 127/10) 39<br />
Rechtsprechung Steuerrecht<br />
Organschaft: Kein ordnungsgemäß durchgeführter<br />
Ergebnisabführungsvertrag bei „vergessener“ Verrechnung<br />
mit vororganschaftlichen Verlusten (BFH<br />
v. 21.10.2010 – IV R 21/07)<br />
Der <strong>GmbH</strong>R-Kommentar<br />
40<br />
von Dr. Wolfgang Walter<br />
Organschaft: Rückwirkende finanzielle Eingliederung<br />
bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft<br />
43<br />
(BFH v. 28.7.2010 – I R 111/09)<br />
Doppelbesteuerung: Umqualifizierung von Zinsen<br />
in vGA als Verstoß gegen das Diskriminierungsver-<br />
44<br />
bot im DBA-Schweiz (BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09) 46<br />
Doppelbesteuerung: Abkommensrechtliche Behandlung<br />
von Lizenzzahlungen als Sondervergütungen(BFHv.8.9.2010–IR74/09)<br />
Doppelbesteuerung: Abzugsteuer auf Gewinnbe-<br />
50<br />
teiligung i.S.d. DBA-Österreich 2000 (BFH v.<br />
26.8.2010 – I R 53/09) 53<br />
Verwaltungsanweisungen<br />
1/2011x R3<br />
Gewinnermittlung: Steuerermäßigung nach § 35<br />
EStG bei mehrstöckigen Personengesellschaften<br />
(BMF v. 25.11.2010 – IV C 6 - S 2296-a/09/10001 –<br />
DOK 2010/0912228)<br />
Doppelbesteuerung: Deutsch-norwegisches Dop-<br />
55<br />
pelbesteuerungsabkommen (DBA-NOR); Anwendung<br />
des Schachtelprivilegs (BMF v. 10.11.2010 –<br />
IV B 3 - S 1301-NOR/0-04 – DOK 2010/0866801) 56
Inhalt<br />
IM BLICKPUNKT<br />
Dr.GötzTobiasWiese,Hamburg<br />
Wichtige Themen des Unternehmenssteuerrechts<br />
imJahr2011–einAusblick R1<br />
<strong>Unternehmensrecht</strong><br />
Wie genau muss der Unternehmensgegenstand einer<br />
<strong>GmbH</strong> bezeichnet werden? R 5<br />
Hürden bei der Handelsregisteranmeldung einer<br />
<strong>GmbH</strong> & Co. KG: Vertretung ja oder nein? R 5<br />
„Limited“ nach dem Gründungsrecht der Isle of Man<br />
wird in Deutschland als GbR behandelt R 6<br />
Steuer- & Bilanzrecht<br />
Aktienbezugsrechte an Arbeitnehmer kein Lohnaufwand<br />
bei bedingter Kapitalerhöhung R 6<br />
Gewerbesteuerliche Hinzurechnung für Dauerschuldzinsen<br />
bei „Asset-Backed-Securities“ R 8<br />
Arbeits- & Sozialrecht<br />
Einsicht in die Personalakte nach Beendigung des<br />
Arbeitsverhältnisses R 8<br />
Fristlose Kündigung wegen des Verdachts des<br />
Pfandbonmissbrauchs R10<br />
Europa-Praxis<br />
EuGH stellt erneut Verstoß gegen Kapitalverkehrsfreiheit<br />
durch „Golden Shares“ fest R10<br />
1/2011x R4<br />
Offenlegung des Engagements in Umwelt- und sozialen<br />
Bereichen im Lagebericht<br />
EU-Kommission will Anlegerschutz beim Kauf von<br />
R 11<br />
Kleinanlegerprodukten verbessern<br />
Kompromiss zur Sprachenfrage beim EU-Patent er-<br />
R 11<br />
neut gescheitert R 11<br />
EU-Parlament beurteilt ACTA-Abkommen positiv<br />
EU-Kommission veröffentlicht Strategie zur Überar-<br />
R 11<br />
beitung der EG-Datenschutz-Richtlinie<br />
Stellungnahme des EU-Parlaments zur Umsetzung<br />
R 12<br />
des Stockholmer Programms R 12<br />
Konsultation zur Versicherungsvermittlerrichtlinie<br />
(IMD II) R 13<br />
Wirtschafts-Praxis<br />
Eigenkapitalquoten der österreichischen Mittelständler<br />
R 13<br />
Geschäftsführer-Demografie 2010 R 13<br />
Zeitschriftenspiegel R14<br />
Tagungshinweise<br />
Kolloquium „Aktuelle Rechtsfragen der Gesellschafterliste“<br />
R15<br />
Hamburger Forum für Unternehmensteuerrecht<br />
2011 R15<br />
IMPRESSUM R16<br />
<strong>Die</strong>ser Ausgabe liegen folgende Prospekte bei: „Aktuelle Vertragsgestaltung in der <strong>GmbH</strong>“ und „Beratung im Internationalen Steuerrecht“, Centrale<br />
für <strong>GmbH</strong> Dr. Otto Schmidt KG sowie „Oppenländer/Trölitzsch, Praxishandbuch der <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführung“, Verlag C.H. Beck. Wir bitten<br />
unsere Leser um freundliche Beachtung.<br />
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<strong>Unternehmensrecht</strong><br />
Dr. Stephan Ulrich, Rechtsanwalt,<br />
Simmons & Simmons, Düsseldorf<br />
Wie genau muss der Unternehmensgegenstand<br />
einer <strong>GmbH</strong> bezeichnet werden?<br />
Das OLG Düsseldorf hat in seinem bereits in <strong>GmbH</strong>R 23/<br />
2010 veröffentlichten Urteil von Anfang Oktober 2010 (OLG<br />
Düsseldorf v. 3.10.2010 – I-3 Wx 231/10, <strong>GmbH</strong>R 2010, 1261)<br />
die Eintragung einer neugegründeten <strong>GmbH</strong> zurückgewiesen,<br />
da der Gegenstand des Unternehmens zu generisch<br />
und weit gefasst angegeben worden war. Dazu ist aus der<br />
jüngsten <strong>GmbH</strong>-Rechtsgeschichte anzumerken, dass uns<br />
der Gesetzgeber beinahe solche allgemeinen und nicht<br />
aussagekräftigen Unternehmensgegenstände vorgeschrieben<br />
hätte. Sah doch der Regierungsentwurf zum MoMiG<br />
noch z.B. bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)<br />
gerade drei generische und zwingend vorgeschriebene<br />
Standardunternehmensgegenstände vor („... der<br />
Handel mit Waren, ... die Produktion von Waren, ... <strong>Die</strong>nstleistungen“).<br />
Damit hätte sich der mit der Konkretisierung und<br />
Individualisierung verfolgte Zweck erledigt. <strong>Die</strong>s ist zu Recht<br />
nicht geltendes Recht geworden, so dass nach wie vor<br />
– wie das OLG Düsseldorf ausführt – individualisierte Unternehmensgegenstände<br />
anzugeben sind. „Handel mit Waren<br />
aller Art, soweit der Handel nicht einer besonderen behördlichen<br />
Erlaubnis bedarf“ fand daher keine Gnade vor dem<br />
OLG, genauso wenig wie „Handel und Vertrieb von Verbrauchs-<br />
und Konsumgütern, soweit der Handel nicht einer<br />
besonderen Erlaubnis bedarf“. Zwar schweigt das Gesetz<br />
auch nach dem MoMiG zu der Frage, wie genau der Unternehmensgegenstand<br />
zu beschreiben ist. <strong>Die</strong> Gerichte haben<br />
sich in der Vergangenheit – und so auch jetzt das OLG<br />
Düsseldorf – am Zweck der Vorschrift orientiert. Konkrete<br />
und individuelle Vorgaben sollen es den beteiligten Verkehrskreisen<br />
ermöglichen, sich ein Bild vom Schwerpunkt<br />
der Tätigkeit der Gesellschaft zu machen (vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />
<strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009, §3 Rz.5ff.). <strong>Die</strong> Beratungspraxis<br />
wird hier nach wie vor auf größtmögliche Konkretisierung<br />
hinwirken müssen, um Probleme bei der Gründung<br />
zu vermeiden.<br />
1/2011x R5<br />
Hürden bei der Handelsregisteranmeldung<br />
einer <strong>GmbH</strong> & Co. KG: Vertretung ja oder nein?<br />
Wie sich aus der Vorschrift des §12 Abs.1 S.2 HGB ergibt,<br />
kann die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister<br />
auch durch einen hierzu bevollmächtigten Vertreter vorgenommen<br />
werden. Bei einer <strong>GmbH</strong> & Co. KG mit einem größeren<br />
Kreis von Kommanditisten oder gar bei einer Publikums-KG<br />
ist es für die vernünftige Handhabung der Gesellschaft<br />
hilfreich, wenn nicht sogar Voraussetzung, dass solche<br />
Vollmachten beim Beitritt des Kommanditisten eingeholt werden.<br />
An die Auslegung einer solchen Handelsregistervollmacht<br />
sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen (OLG<br />
Frankfurt a.M. v. 3.5.2010 – 20 W 143/10). Insbesondere muss<br />
die Vollmacht aus sich selbst heraus verständlich sein und<br />
ist einer Auslegung über den Wortlaut hinaus nicht zugänglich.<br />
Unklarheiten führen dazu, dass im Zweifel vom geringeren<br />
Umfang der Vollmacht auszugehen ist, denn anders als<br />
im rechtsgeschäftlichen Verkehr unter Privaten sollen im<br />
Handelsregister eingetragene Tatsachen einem hohen Anspruch<br />
an die Richtigkeit der angemeldeten Tatsachen genügen.<br />
Raum für Zweifel darf dort nicht bleiben, und deshalb<br />
wird dann zu Lasten der Anmeldenden entschieden. Aber<br />
auch eine zweite Hürde muss der Anmeldende bei der Anmeldung<br />
der Übertragung eines Kommanditanteils an einer<br />
<strong>GmbH</strong> & Co. KG im Wege der Sonderrechtsnachfolge noch<br />
nehmen. Denn die Rechtsprechung nimmt immer wieder an,<br />
dass die dabei durch den persönlich haftenden Gesellschafter<br />
und den ausscheidenden Kommanditisten abzugebende<br />
negative Abfindungsversicherung eine persönliche Erklärung<br />
sei, die nicht durch gewillkürte Stellvertretung kraft Vollmacht<br />
möglich sei (so auch KG Berlin v. 28.4.2009 – 1 W 389/<br />
08, ZIP 2009, 1571). Ob dies richtig ist, kann mit guten Gründen<br />
bezweifelt werden (vgl. die Hinweise bei Krafka in<br />
Münch.Komm.HGB, 3.Aufl. 2010, §12 Rn.36); schon der Hinweis<br />
des KG Berlin auf BGH v. 19.9.2005 – II ZB 11/04, NJW-<br />
RR 2006, 107 (109) zeigt, auf welch schwachen Füßen diese<br />
Rechtsauffassung steht, denn dort wird diese Rechtsansicht<br />
jedenfalls auch mit dem Gesichtspunkt der Kontinuität der<br />
Rechtsprechung gerechtfertigt. <strong>Die</strong>s heißt mit anderen Worten,<br />
dass die tradierte Entscheidungskette mittlerweile ihre<br />
Rechtfertigung in sich selbst trägt. <strong>Die</strong>s kann nicht befriedigen,<br />
und so lässt auch das KG Berlin gelten, dass es Fälle<br />
geben kann, in denen eine Bevollmächtigung möglich ist.<br />
<strong>Die</strong> Beratungspraxis wird weiterhin handwerklich saubere<br />
Anmeldungen erstellen und die höchstrichterliche Rechtsprechung<br />
berücksichtigen müssen, um Schwierigkeiten<br />
bei der Eintragung zu vermeiden.
„Limited“ nach dem Gründungsrecht der Isle of<br />
Man wird in Deutschland als GbR behandelt<br />
Werden Gesellschaften mit ausländischer Rechtsform in<br />
Deutschland geschäftlich tätig, stellt sich immer wieder die<br />
Frage, wie sie rechtlich zu behandeln sind. Für eine juristische<br />
Person mit Haftungsbeschränkung, die nach dem<br />
Recht der Isle of Man gegründet wurde – sog. company limited<br />
by shares („Limited“) – gelangte das AmtsG Hagen<br />
mit guten Gründen zur Anwendbarkeit des deutschen<br />
Rechts der GbR (AmtsG Hagen v. 17.6.2010 – 10 C 155/09).<br />
<strong>Die</strong> „Limited“ hatte in Deutschland ein Grundstück erworben<br />
und war auch unter ihrer namentlichen Bezeichnung<br />
sowie mit dem Zusatz „Ltd.“ in das entsprechende Grundbuch<br />
eingetragen worden. Bei der Vermietung der auf dem<br />
Grundstück befindlichen Geschäftsräume hatte sie in der<br />
Folgezeit mehrere verschiedene Verwaltungsgesellschaften<br />
zwischengeschaltet. Sowohl das Auftreten dieser Verwaltungsgesellschaften,<br />
als auch der klagenden Gesellschaft<br />
selbst, erschienen dem beklagten Mieter wenig vertrauenswürdig,<br />
so dass er die Zahlung der Miete aus Unsicherheit<br />
über den richtigen Empfänger zeitweise aussetzte.<br />
Das AmtsG Hagen ist grundsätzlich davon ausgegangen,<br />
dass eine Gesellschaft, die weder unter das europäische<br />
Recht der Niederlassungsfreiheit noch unter andere Freizügigkeitsabkommen<br />
oder Staatsverträge fällt – wie hier eben<br />
die Gesellschaft nach dem Recht der Isle of Man – in<br />
Deutschland als GbR gemäß §§705ff. BGB zu behandeln<br />
ist.<br />
Hinsichtlich der offenen Mietzahlungen stellte das AmtsG<br />
auf den mehrfachen Wechsel der zwischengeschalteten<br />
Verwaltungsgesellschaften sowie auf die ausländische<br />
Rechtsform der Eigentümerin ab: der Beklagte habe zu<br />
Recht an der Existenz und der Berechtigung der Gesellschaft<br />
als Anspruchsstellerin zweifeln dürfen. <strong>Die</strong>s wirke<br />
sich auch auf den Eintritt des Zahlungsverzuges wegen<br />
der ausstehenden Miete aus: ein inländischer Geschäftspartner<br />
einer Gesellschaft, die nach einem „sehr speziellen<br />
Sonderstatut“ gegründet sei, gelange erst dann in Verzug,<br />
wenn ihm die Rechtsverhältnisse der Gläubigergesellschaft<br />
nachvollziehbar und prüffähig auf Deutsch erläutert<br />
worden seien. Eine vorherige Nichtzahlung sei aufgrund<br />
der großen Ungewissheit nicht verzugsbegründend.<br />
Aus Sicht der inländischen Beteiligten am Geschäftsverkehr<br />
ist die Entscheidung nachvollziehbar. Offen bleibt<br />
aber die Frage, welche weiteren Rechtsordnungen außer<br />
dem Recht der Isle of Man aus deutscher Sicht auch ein<br />
„sehr spezielles Sonderstatut“ darstellen. In der Praxis wird<br />
die Bitte um Erläuterung der relevanten Rechtsverhältnisse<br />
anzuraten sein, sofern eine Gesellschaft einem unbekannten<br />
oder außergewöhnlichen Gründungsstatut unterliegt.<br />
Steuer- & Bilanzrecht<br />
Redaktion <strong>GmbH</strong>-<strong>Rundschau</strong>, Köln<br />
1/2011x R6<br />
Aktienbezugsrechte an Arbeitnehmer kein<br />
Lohnaufwand bei bedingter Kapitalerhöhung<br />
Der I. Senat des BFH hat mit Urteil vom 25.8.2010 – I R 103/<br />
09 zur Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen<br />
die Einräumung von Aktienoptionen zu Lohnaufwand<br />
führt. Dem Streitfall lag ein Sachverhalt zugrunde,<br />
nach dem in der Hauptversammlung der Klägerin, einer<br />
börsennotierten AG, am 6.6.2001 beschlossen wurde, das<br />
Grundkapital um bis zu 420.0003 durch Ausgabe von bis<br />
zu 140.000 neuer Inhaberaktien bedingt zu erhöhen. <strong>Die</strong>se<br />
Kapitalerhöhung sollte nur insoweit durchgeführt werden,<br />
als die Inhaber der ausgegebenen Bezugsrechte von ihrem<br />
Bezugsrecht Gebrauch machen würden (bedingte Kapitalerhöhung<br />
gemäß §192 Abs.2 Nr.3 AktG); sie diente<br />
ausschließlich der Gewährung von Bezugsrechten an Vorstandsmitglieder<br />
und Arbeitnehmer der Gesellschaft sowie<br />
an Mitglieder der Geschäftsführung und Arbeitnehmer verbundener<br />
Unternehmen. Im Rahmen dieses Aktienoptionsprogramms<br />
wurden in 2001 und 2002 in zwei Tranchen Aktienoptionen<br />
ausgegeben. Gegenstand der zugrunde liegenden<br />
Vereinbarung war, dass die Gewährung der Bezugsrechte<br />
unentgeltlich erfolgt, die Bezugsrechte eine<br />
Laufzeit von vier Jahren haben und von dem Inhaber frühestens<br />
nach einer Wartefrist von zwei Jahren ausgeübt<br />
werden können. Außerdem musste zwischen dem Zeitpunkt<br />
der Zuteilung der Bezugsrechte und dem Ablauf der<br />
zweijährigen Wartefrist die Wertentwicklung der Aktie mindestens<br />
20% betragen haben und der Berechtigte zum<br />
Zeitpunkt der Bezugserklärung in einem ungekündigtem<br />
Arbeitsverhältnis bei der Klägerin oder einem verbundenen<br />
Unternehmen stehen. Der bei der Ausübung des Bezugsrechts<br />
zu entrichtende Bezugspreis betrug 50% des<br />
Durchschnittskurses der Aktie. <strong>Die</strong> Klägerin behandelte die<br />
Einräumung der Bezugsrechte in ihrem Jahresabschluss<br />
zum 31.12.2001 in der Weise, dass sie den Gesamtwert der<br />
gewährten Optionen, der mit 162.0003 angesetzt wurde,<br />
gleichmäßig auf die Wartezeit von zwei Jahren verteilte,<br />
und dabei den entsprechenden Betrag als Personalaufwand<br />
erfasste und im gleichen Umfang der Kapitalrücklage<br />
zuführte (Buchung: Personalaufwand an Kapitalrücklage).<br />
Dem folgte der I.Senat des BFH nicht. <strong>Die</strong> Ausgabe von Aktienoptionen<br />
an Mitarbeiter durch eine AG (Stock Options)<br />
im Rahmen eines Aktienoptionsplans, der mit einer bedingten<br />
Kapitalerhöhung verbunden sei, führe im Zeitpunkt<br />
der Einräumung der unentgeltlich gewährten Bezugsrechte<br />
nicht zu einem gewinnwirksamen Personalaufwand: Es<br />
fehle bei der Ausgabe von Aktienoptionen aber an einer<br />
einlagefähigen Zuwendung an die AG durch die „Altgesellschafter“<br />
oder die Optionszeichner, die einem Aufgeld bei<br />
der Ausgabe von Optionsanleihen vergleichbar sei. Der<br />
Geschäftsvorfall sei für das Unternehmen erfolgsneutral zu<br />
behandeln. <strong>Die</strong> Ausgabe der Optionen wirke sich allein als
Neu entwickelt,<br />
weit über dem Standard<br />
Rund um die <strong>GmbH</strong><br />
Das neu entwickelte „Formularbuch <strong>GmbH</strong>-<br />
Recht“ enthält über 200 ausführliche<br />
Vertragsmuster und Formulare rund um<br />
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hohe Bedeutung haben, jedoch nur selten<br />
dargestellt und kommentiert werden. Dabei<br />
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der Anwaltspraxis enthalten.<br />
Bietet insbesondere Muster zu:<br />
Gründung I Organe I Rechtsbeziehungen<br />
zwischen der Gesellschaft und den einzelnen<br />
Gesellschaftern I Verfügungen über den<br />
Geschäftsanteil I Änderungen des Gesellschaftsvertrags<br />
I Finanzierung / Sanierung<br />
I Internationale Finanzierungen I Konzernrecht<br />
I Ausscheiden von Gesellschaftern<br />
I Auflösung und Liqidation.<br />
„State of the Art“ des<br />
<strong>GmbH</strong>-Rechts nach MoMiG<br />
Alle Muster reflektieren den „State of the<br />
Art” des <strong>GmbH</strong>-Rechts nach MoMiG. Ihnen<br />
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stehende Rechtslage und Verweise auf<br />
weiterführende Literatur beigestellt. Für<br />
die gängigen Situationen sind diese Muster<br />
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Muster und Formulare sind auch in elektronischer<br />
Form verfügbar.<br />
I Haftungsfallen vermeiden<br />
I zuverlässige und interessengerechte<br />
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Vermögensverlust bei den Altaktionären als sog. Verwässerung<br />
des Werts der bisher vorhandenen Aktien aus. Eine<br />
der Aufwandsbuchung korrespondierend gegenüberstehende<br />
Zuführung des Betrags zur Kapitalrücklage gemäß<br />
§272 Abs.2 Nr.2 HGB liege nicht vor. Unerheblich sei<br />
auch, dass nach den International Financial Reporting<br />
Standards (IFRS) gemäß IFRS 2 („Share Based Payments“)<br />
Optionen als Vergütungsbestandteil der Berechtigten angesehen<br />
würden und je nachdem, ob die Option für erbrachte<br />
oder für noch zu erbringende Arbeitsleistung gewährt<br />
werde, der Wert der absolvierten Arbeitsleistung in einem<br />
Betrag bzw. der Wert der zukünftigen Arbeitsleistung<br />
ratierlich in die Gesellschaft eingelegt werde. <strong>Die</strong> IFRS bestimmten<br />
die steuerrechtliche Gewinnermittlung nicht.<br />
Gewerbesteuerliche Hinzurechnung für Dauerschuldzinsen<br />
bei „Asset-Backed-Securities“<br />
Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer<br />
war dem Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß §8<br />
Nr.1 GewStG a.F. ein Teil der sog. Dauerschuldentgelte hinzuzurechnen.<br />
Der BFH hat durch Urteil vom 26.8.2010 – I R<br />
17/09 zur alten Rechtslage entschieden, dass das sog. Asset-Backed-Securities-Modell<br />
als Variante des Forderungsverkaufs<br />
– um einer gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung<br />
gemäß §8 Nr.1 GewStG zu entgehen – nicht erfolgreich<br />
sei, wenn das wirtschaftliche Eigentum an den Forderungen<br />
beim Forderungsverkäufer verbleibe.<br />
Nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt<br />
wurden Forderungen der Klägerin an eine (ausländische)<br />
Zweckgesellschaft verkauft. <strong>Die</strong> Zweckgesellschaft<br />
refinanzierte den Ankauf durch die Ausgabe von Wertpapieren<br />
(„securities“), die wiederum aus den Eingängen auf<br />
die übertragenen Forderungen bedient werden sollen („asset<br />
backed“). Als Kaufpreis der Forderungen wurde von der<br />
Klägerin mit der Zweckgesellschaft der Nennwert abzüglich<br />
eines Bonitätsabschlags vereinbart; dieser Abschlag<br />
stand der Klägerin aber über ein Ausgleichskonto (Reservekonto)<br />
wieder zur Verfügung, wenn die Forderung vom Kunden<br />
beglichen werden sollte. Der Forderungseinzug sollte<br />
dabei (ohne Offenlegung der Abtretung) weiterhin durch<br />
die Klägerin erfolgen. Zum 31.12.2003 belief sich das Volumen<br />
der abgetretenen Forderungen auf 35.485.5663. <strong>Die</strong><br />
Klägerin wies in ihren Bilanzen nicht die Forderungen, sondern<br />
die ihr von der Zweckgesellschaft ausgezahlten Kaufpreise<br />
(92,5% des Nennwerts der abgetretenen Forderungen)<br />
aus. Ferner aktivierte die Klägerin i.H.d. Differenzbetrags<br />
(7,5%) die Zugänge auf den bei der Zweckgesellschaft<br />
geführten Reservekonten. Eine Gewinnminderung<br />
wies sie erst in dem Zeitpunkt aus, in dem tatsächlich ein<br />
Forderungsausfall eingetreten war.<br />
Das FA war der Ansicht, G hätte die Forderungen aktivieren<br />
müssen, weil das Bonitätsrisiko und deshalb das wirtschaftliche<br />
Eigentum nicht vollständig auf die Zweckgesellschaft<br />
übergegangen sei. Wenn es sich aber um ein Darlehensverhältnis<br />
handele, müsse die Klägerin die Forderungen<br />
aktivieren und die von der Zweckgesellschaft erhaltenen<br />
Mittel als Darlehensverbindlichkeit passivieren. 50%<br />
der an die Zweckgesellschaft gezahlten laufenden Entgelte<br />
(i.H.v. 1.381.1183 [2002] bzw. 1.105.0243 [2003]) seien dem<br />
Gewinn aus Gewerbebetrieb nach als sog. Dauerschuldentgelte<br />
hinzuzurechnen.<br />
Der I.Senat qualifizierte die Vereinbarung zwischen Klägerin<br />
und Zweckgesellschaft in dem Sinne, dass das wirtschaftliche<br />
Eigentum an den Forderungen bei der Klägerin verblieben<br />
sei, da sie trotz der Abtretung weiterhin wirtschaftlich<br />
das Risiko des Forderungsausfalls (Bonitätsrisikos) zu<br />
tragen gehabt habe. <strong>Die</strong>s sei der Fall, weil die Zweckgesellschaft<br />
als Forderungskäuferin bei der Kaufpreisbemessung<br />
einen Risikoeinbehalt vorgenommen habe, der den erwartbaren<br />
Forderungsausfall deutlich überstiegen habe, aber<br />
nach Maßgabe des tatsächlichen Forderungseingangs zugunsten<br />
der Klägerin erstattungsfähig gewesen sei. <strong>Die</strong><br />
Vereinbarung stelle sich so dar, dass es sich um eine (darlehensweise)<br />
Vorfinanzierung der Lieferungs- und Leistungserlöse<br />
der Klägerin durch die Zweckgesellschaft gehandelt<br />
habe. Demzufolge stellten die an die Zweckgesellschaft<br />
geleisteten „Gebühren“ Entgelte für Schulden i.S.d.<br />
§8 Nr.1 GewStG 2002 dar, wenn der Vorfinanzierungsbetrag<br />
dem Forderungsverkäufer (hier der Klägerin) für mindestens<br />
ein Jahr zur Verfügung stehe.<br />
<strong>Die</strong> Entscheidung des BFH betrifft ausgelaufenes Recht,<br />
soweit es um §8 Nr.1 GewStG a.F. geht. Sie hat gleichwohl<br />
auch für die neue Rechtslage (§8 Nr.1 GewStG i.d.F. des<br />
UntStRefG 2008) Bedeutung, da nunmehr von der Vorschrift<br />
alle „Entgelte für Schulden“ erfasst werden, unabhängig<br />
davon, ob eine „Dauerschuld“ vorliegt. <strong>Die</strong> Ausführungen<br />
des BFH zur Abgrenzung des wirtschaftlichen Eigentums<br />
beim Forderungsverkauf anhand des Umstands, wer<br />
das Bonitätsrisiko zu tragen hat, sind ebenfalls uneingeschränkt<br />
anzuwenden.<br />
Arbeits- & Sozialrecht<br />
1/2011x R8<br />
Claudia Kothe-Heggemann, Fachanwältin für Arbeitsrecht,<br />
Ulrich Weber & Partner GbR, Köln<br />
Einsicht in die Personalakte nach Beendigung<br />
des Arbeitsverhältnisses<br />
Das BAG hatte sich in seiner Entscheidung vom 16.11.2010<br />
– 9 AZR 573/09 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein<br />
Arbeitnehmer auch nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses<br />
Einsicht in seine Personalakte verlangen kann.<br />
Der Kläger war als Schadensbüroleiter bei der Beklagten,<br />
einem Versicherungsunternehmen, vom 1.1.2006 bis zum<br />
30.6.2007 tätig. Nach dem Ausscheiden des Klägers führte<br />
die Beklagte dessen Personalakte weiter. Im Rahmen einer<br />
Zeugnisauseinandersetzung zwischen den Parteien teilte<br />
nach Vertragsende eine Personalbearbeiterin der Beklagten<br />
dem Kläger mit, dass Gründe vorhanden seien, die auf<br />
eine mangelnde Loyalität des Klägers schließen ließen. Daraufhin<br />
verlangte dieser Einsicht in seine Personalakte, welche<br />
die Beklagte mit dem Hinweis darauf verweigerte, dass
Prof. Dr. Karlheinz Küting / Prof. Dr. Peter Lorson /<br />
Raphael Eichenlaub / Dr. Marc Toebe *<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs.8 HGB<br />
Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG<br />
hat der deutsche Gesetzgeber die außerbilanzielle Ausschüttungssperre<br />
erstmalig in einer gesonderten Gesetzesvorschrift<br />
in § 268 Abs. 8 HGB kodifiziert und damit<br />
die gestiegene Bedeutung der Ausschüttungssperre<br />
betont. Hintergrund dieser Regelung ist der vom Gesetzgeber<br />
neuerdings versuchte Spagat zwischen der Aufrechterhaltung<br />
der klassischen Prinzipien des deutschen<br />
Bilanzrechts und dem angelsächsisch geprägten Grund-<br />
I. Einleitung<br />
Der handelsrechtliche Jahresabschluss verfolgt als wichtiges<br />
Ziel auch die Selbstinformation des Kaufmanns über<br />
den unbedenklich entziehbaren Periodenerfolg. Ermittelt<br />
wird dieser Periodenerfolg vereinfachend unter Beachtung<br />
der interagierenden Prinzipien des Gläubigerschutzes, der<br />
Vorsicht und der Objektivierung1. Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz<br />
– BilMoG2 verfolgt der deutsche<br />
Gesetzgeber nun erstmalig zusätzlich auch das Ziel, das<br />
HGB-Bilanzrecht zu einer vollwertigen Alternative zu den<br />
IFRS – vor allem zu den IFRS für KMU – auszubauen3. Prägend für das Bilanzverständnis nach IFRS ist aber das<br />
* Prof. Dr. Karlheinz Küting ist Direktor des Centrums für Bilanzierung<br />
und Prüfung (CBP) an der Universität des Saarlandes,<br />
Saarbrücken. Prof. Dr. Peter Lorson ist Inhaber des Lehrstuhls<br />
für Unternehmensrechnung und Controlling an der Universität<br />
Rostock. Dipl.-Kfm. Raphael Eichenlaub ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Centrum für Bilanzierung und Prüfung an der<br />
Universität des Saarlandes, Saarbrücken. Dr. Marc Toebe ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Lehrstuhl für Unternehmensrechnung<br />
und Controlling an der Universität Rostock.<br />
1 Vgl. Berndt, Wahrheits- und Fairnesskonzeptionen in der Rechnungslegung,<br />
2005.<br />
2 BGBl. I 2009, 1102 ff.<br />
3 Vgl. Ernst/Naumann, Das neue Bilanzrecht, 2009, S. 2.<br />
4 Vgl. Pellens u.a., Internationale Rechnungslegung, 7. Aufl.<br />
2008, S. 112f.<br />
5 Vgl. Küting/Weber, Der Konzernabschluss, 12. Aufl. 2010,<br />
S. 99f.<br />
6 Vgl. BT-Drucks. 10067/16, S.35, 50; Adler/Düring/Schmaltz,<br />
Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995,<br />
§ 269 HGB Rz. 21. Kritisch hierzu Hoffmann/Lüdenbach, NWB<br />
Kommentierung Bilanzierung, 2. Aufl. 2011, §268 HGB<br />
Rz. 124.<br />
102. Jahrgang<br />
Heft 1/2011<br />
Seite 1<br />
gedanken, durch den Jahresabschluss entscheidungsnützliche<br />
Informationen bereitzustellen. <strong>Die</strong> Ausschüttungssperre<br />
bezieht sich auf drei bilanzielle Sachverhalte, zwei<br />
wahlweise ansetzbare Aktivposten sowie über die<br />
Anschaffungskosten bewertete Vermögensgegenstände.<br />
Der Beitrag beleuchtet die Gesetzesvorschrift, deckt<br />
dabei konzeptionelle Schwächen auf und bietet potentielle<br />
Lösungen an.<br />
Informationsprinzip in der Fassung, dass ein IFRS-Abschluss<br />
entscheidungsnützliche Informationen 4 zur Verfügung<br />
stellen soll. Dabei sind sowohl – rein formal betrachtet<br />
– die für einen potentiellen Einzelabschluss relevanten<br />
Normen als auch diejenigen für Konzernabschlüsse frei<br />
von jeglicher Zahlungsbemessungsfunktion. <strong>Die</strong>ses Ziel<br />
wird von den IFRS explizit auch gar nicht verfolgt. Faktisch<br />
dient der Konzernabschluss nach IFRS aber auch der<br />
Zahlungsbemessung, da sich z.B. die Dividendenausschüttung<br />
oder die Vergütung des Managements ebenfalls an<br />
dem Konzernergebnis orientiert 5.<br />
<strong>Die</strong> These ist allgemein anerkannt, dass der Zweck einer<br />
Rechnung deren Inhalt bestimmt. Folglich hätte der Gesetzgeber<br />
auch zwei Bilanzen (bzw. Jahresabschlüsse) nach divergierenden<br />
Normen fordern müssen, wenn er zwei (annähernd)<br />
gleichrangige Bilanzzwecke verfolgt: eine Ausschüttungsbilanz<br />
und eine Informationsbilanz. Stattdessen unternimmt<br />
der Gesetzgeber mit dem BilMoG den fragwürdigen<br />
Versuch, divergierende Zwecke gleichzeitig in einem einzigen<br />
Rechenwerk zu vereinen. Teil des versuchten – und<br />
gleichermaßen gewagten – Spagats zwischen einer Aufrechterhaltung<br />
der bewährten Prinzipien des deutschen Bilanzrechts<br />
(wie z.B. Vorsichtsprinzip, Realisationsprinzip<br />
und Imparitätsprinzip) und der Stärkung der – angelsächsisch<br />
geprägten – Informationsfunktion sind die hier zu betrachtenden<br />
Ausschüttungs- und Abführungssperren, die<br />
laut Regierungsbegründung dem Gläubigerschutz dienen<br />
sollen 6. Ihre Funktion besteht darin, ausgewählte – mit der<br />
Intention der Stärkung der Informationsfunktion unternommene<br />
– Verstöße gegen die bewährten Prinzipien des klassischen<br />
deutschen Bilanzrechts zu heilen. Allerdings ist spätestens<br />
seit Stützel bekannt, dass „die Bilanztheorie heute<br />
notwendig von dem Vorurteil ausgehen [muss, d.Verf.], dass<br />
jedem Zweck seine eigene Bewertung, jedem Bilanzzweck
2<br />
Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />
seine eigene Bilanz entspricht“ 7. Entsprechend kann eine<br />
Bilanz, die als alleiniges Ziel die Information (potentieller)<br />
Investoren kennt, nicht zugleich auch dem Zweckkonglomerat<br />
einer deutschen Handelsbilanz gerecht werden. Sie<br />
kann es nicht und soll es auch nicht8. Allerdings stellt weder das Institut der Ausschüttungssperren<br />
für das deutsche Handelsbilanzrecht eine neue Thematik<br />
dar noch ist dessen Nutzung im Kontext der Internationalisierung<br />
des deutschen Bilanzrechts überraschend. So war<br />
z.B. bereits im HGB a.F. vorgeschrieben, bei wahlweiser<br />
Aktivierung von Aufwendungen für die Ingangsetzung und<br />
Erweiterung des Geschäftsbetriebs eine Bilanzierungshilfe<br />
nach §269 HGB a.F. zu bilden, die einer Ausschüttungssperre<br />
unterlag9. Gleiches galt für die in §274 Abs.2 S.3<br />
HGB a.F. kodifizierte Ausschüttungssperre bezüglich aktiver<br />
latenter Steuern. Zudem wurde dem Gesetzgeber bereits<br />
seit Jahren empfohlen, die Informationsfunktion zu stärken<br />
und die Zulassung der damit verbundenen Fremdkörper im<br />
deutschen Bilanzrecht durch Ausschüttungssperren zu kompensieren,<br />
um die Zahlungsbemessungsfunktion nicht zu<br />
gefährden10. Neben den handelsrechtlichen Ausschüttungssperren<br />
existieren auch gesellschaftsrechtliche Ausschüttungssperren.<br />
Hier ist insbesondere die in §30 <strong>GmbH</strong>G normierte<br />
Ausschüttungssperre zu nennen11. <strong>Die</strong> Ausschüttungssperre wurde im Rahmen des BilMoG<br />
erstmalig in einer gesonderten Gesetzesvorschrift in §268<br />
Abs.8 HGB kodifiziert und besitzt damit ihre Gültigkeit<br />
für Kapitalgesellschaften und Kapital & Co. Gesellschaften12.<br />
Von dieser Vorschrift erfasst sind die nach den klassischen<br />
Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung noch<br />
nicht realisierten Erträge aus der Bilanzierung bestimmter<br />
Aktiva. In Höhe dieser Beträge, abzüglich hierfür gebildeter<br />
passiver latenter Steuern, sind Ausschüttungen frei verfügbarer<br />
Eigenkapitalbestandteile unzulässig. <strong>Die</strong> Ausschüttungssperren<br />
verhindern damit, dass die aus dem Ansatz<br />
respektive der Bewertung der Posten resultierenden<br />
und mit Unsicherheit behafteten Erträge ausgeschüttet<br />
werden. Explizit erstreckt sich der Regelungsbereich von<br />
§268 Abs.8 HGB auf wahlweise aktivierte selbst geschaffene<br />
Vermögensgegenstände des immateriellen Anlagevermögens,<br />
das Deckungsvermögen von Pensionsverpflichtungen<br />
sowie aktive latente Steuern. Damit dient die<br />
Ausschüttungssperre konkret der „Bestimmung der Grenze<br />
der Gewinnausschüttung [in, d.Verf.] dergestalt, dass<br />
die ohne die Inanspruchnahme der Aktivierungswahlrechte<br />
oder ohne die Existenz zweckgebundener Vermögensgegenstände<br />
des §246 Abs.2 S.2 HGB maximal zulässigen<br />
ausschüttbaren Gewinne ermittelt werden“ 13. Zudem<br />
kennt das HGB auch eine als rechnungslegungsausgewiesene<br />
Ausschüttungssperre für Anteile an einem herrschenden<br />
oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen14, die allerdings<br />
nicht ausdrücklich in §268 Abs.8 HGB genannt<br />
wird. Demnach muss für Anteile an einem herrschenden<br />
oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen eine Rücklage<br />
bereits bei der Aufstellung der Bilanz gebildet werden.<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre nach §268 Abs.8 HGB stellt<br />
eine bilanzorientierte Ausschüttungssperre dar. <strong>Die</strong>se richtet<br />
sich grundsätzlich – im Gegensatz zu der im RegE vorgesehenen<br />
erfolgsorientierten Ausschüttungssperre, die<br />
sich an der Gewinn- und Verlustrechnung orientierte15 –<br />
nach den jeweiligen Bilanzansätzen und teilt somit das<br />
Schicksal der entsprechenden Posten in den Folgeperioden.<br />
Es erfolgt eine bilanzielle Betrachtungsweise, indem<br />
die noch aktivierten, unrealisierten Erträge der Ausschüttungs-<br />
und Abführungssperre unterliegen.<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
Ziel dieses Beitrags ist es, den Regelungsinhalt der Ausschüttungssperre<br />
zu erläutern. <strong>Die</strong>s beinhaltet neben der<br />
ausführlichen Erörterung der von der Ausschüttung betroffenen<br />
Posten (und der aufgrund des Gesetzestexts resultierenden<br />
Schwächen) ebenso die Bestimmung des Ausschüttungspotenzials<br />
sowie die in diesem Kontext zu tätigen<br />
Anhangangaben und die Rechtsfolgen bei einer Nichtbeachtung.<br />
Da die Wirkung der handelsrechtlichen Ausschüttungssperre<br />
im Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen<br />
Regelungen zur Bestimmung des potentiellen<br />
Ausschüttungsbetrags steht, wird unter III. auf die<br />
Interdependenzen zwischen diesen Regelungen eingegangen.<br />
Zum Abschluss erfolgen Anregungen zur Nutzung<br />
von Ausschüttungssperren im Rahmen von variablen Vergütungssystemen.<br />
II. Ausschüttungssperren gemäß § 268 Abs. 8 HGB<br />
1. Regelungsinhalt<br />
Für Kapitalgesellschaften ist in §268 Abs.8 HGB eine<br />
Ausschüttungssperre für<br />
– in der Bilanz ausgewiesene selbst geschaffene immaterielle<br />
Vermögensgegenstände des Anlagevermögens abzüglich<br />
der hierfür gebildeten passiven latenten Steuern,<br />
– den Betrag, um den die aktiven latenten Steuern die passiven<br />
latenten Steuern übersteigen (Aktivüberhang), sowie<br />
– die Differenz aus (höherem) Zeitwert und Anschaffungskosten<br />
der zur Deckung der Altersversorgungsverpflichtungen<br />
nach §246 Abs.2 S.2 HGB vorhandenen<br />
Vermögensgegenstände abzüglich der hierfür gebildeten<br />
passiven latenten Steuern<br />
kodifiziert. <strong>Die</strong> Höhe der Ausschüttungssperre ermittelt<br />
sich demnach grundsätzlich nach dem bilanziellen Ansatz<br />
der Vermögensgegenstände oder Sonderposten, da es sich<br />
um eine bilanzorientierte Ausschüttungssperre handelt16. Das deutsche Steuerrecht kennt keine Ausschüttungssperre.<br />
<strong>Die</strong> handelsrechtlichen Ausschüttungssperren gemäß<br />
§268 Abs.8 HGB führen zu keinen steuerbilanziellen<br />
Konsequenzen17. 7 Stützel, ZfB 1967, 320ff.<br />
8 Vgl. Küting/Kaiser, Corporate Finance 2010, S.386.<br />
9 Vgl. ausführlich hierzu Commandeur in Küting/Pfitzer/Weber<br />
(Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss,<br />
5.Aufl. 1995 ff., §269 HGB Rz. 1ff.<br />
10 Vgl. Kahle, Internationale Rechnungslegung und ihre Auswirkungen<br />
auf Handels- und Steuerbilanz, 2002, S.255; Ballwieser,<br />
KoR 2001, 160ff.; Schulze-Osterloh, Harmonisierung der<br />
Rechnungslegung und Kapitalschutz, in Schruff (Hrsg.), Bilanzrecht<br />
unter dem Einfluß internationaler Reformzwänge,<br />
1996, S. 121–134.<br />
11 Vgl. unten III.2.<br />
12 Für die Anwendung bei Kommanditgesellschaften vgl. unten<br />
II.5.<br />
13 Marx/Dallmann in Baetge/Kirsch/Thiele (Hrsg.), Bilanzrecht<br />
Kommentar, 2002, §268 HGB Rz. 111 (2009).<br />
14 Vgl. §266 Abs. 3 Nr. A.III.2. HGB i.V.m. §272 Abs. 4 HGB.<br />
15 Vgl. zu dieser Entwicklung ausführlich Keßler, Pensionsverpflichtungen<br />
nach neuem HGB und IFRS, in Küting/Weber/<br />
Kußmaul (Hrsg.), Bilanz-, Prüfungs- und Steuerwesen Band<br />
16, 2010, S.243 ff.<br />
16 Vgl. oben I.<br />
17 Zu den potentiellen Auswirkungen auf die steuerliche Organschaft<br />
vgl. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 629 (634f.).
Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 3<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />
a) Ausschüttungssperre aus der Aktivierung selbst<br />
geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände<br />
des Anlagevermögens<br />
Der Gesetzgeber hat im Zuge des BilMoG in §248 Abs.2<br />
S.1 HGB ein Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene<br />
immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens<br />
verankert, nachdem zuvor im HGB ein Aktivierungsverbot<br />
gegeben war18. Das Aktivierungswahlrecht<br />
ermöglicht Unternehmen selbst geschaffene immaterielle<br />
Vermögensgegenstände des Anlagevermögens19 aktivisch<br />
abzugrenzen, dann allerdings verbunden mit einem erheblichen<br />
Dokumentationserfordernis20. <strong>Die</strong> Aktivierung von<br />
selbst geschaffenen Marken, Drucktiteln, Verlagsrechten<br />
sowie ähnlichen Werten und Rechten ist gemäß §248<br />
Abs.2 S.2 HGB – analog zu IAS 38 – verboten.<br />
Bei Ausübung des Aktivierungswahlrechts bestimmen<br />
sich die Herstellungskosten des immateriellen Vermögensgegenstands<br />
nach §255 Abs.2a HGB i.V.m. §255<br />
Abs.2 HGB21. Als Herstellungskosten des selbst geschaffenen<br />
Vermögensgegenstands gelten die bei dessen Entwicklung<br />
anfallenden Aufwendungen. <strong>Die</strong> Entwicklungskosten<br />
stellen daher die spezifischen Herstellungskosten<br />
von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen<br />
des Anlagevermögens dar.<br />
Generell ist festzuhalten, dass eine Ausschüttungssperre<br />
im IFRS-Bilanzrecht nicht bekannt ist. Im Gegensatz zum<br />
deutschen Bilanzrecht ist somit die Aktivierung von selbst<br />
erstellten immateriellen Vermögensgegenständen nach<br />
IFRS nicht mit einer Ausschüttungssperre versehen. Da<br />
den selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen<br />
„nur schwer ein objektiver Wert“ 22 zugewiesen<br />
werden kann, ist im deutschen Bilanzrecht bei der Aktivierung<br />
von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen<br />
die Ausschüttungssperre nach §268<br />
Abs.8 S.1 HGB („Werden selbst geschaffene immaterielle<br />
18 Vgl. Baetge/Fey/Weber/Sommerhoff in Küting/Pfitzer/Weber<br />
(Hrsg.), Handbuch der Rechungslegung – Einzelabschluss,<br />
5.Aufl. 1995 ff., §248 HGB Rz. 17ff. (2010).<br />
19 Eine bedeutende Rolle spielen die selbst geschaffenen immateriellen<br />
Vermögenswerte insbesondere in der Automobil- und<br />
Maschinenbauindustrie. Vgl. zu einer empirischen Untersuchung<br />
zur Aktivierung von selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenständen<br />
deutscher IFRS-Bilanzierer Küting, PiR<br />
2008, 315 ff.<br />
20 Vgl. BR-Drucks. 344/08, S.7f.; vgl. auch Laubach/Kraus/<br />
Bornhofen, DB Beilage 5/2009, S.19.<br />
21 Vgl. ausführlich zu den Herstellungskosten selbst geschaffener<br />
immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens<br />
Küting/Ellmann in Küting/Pfitzer/Weber (Hrsg.), Handbuch<br />
der Rechnungslegung – Einzelabschluss, 5.Aufl. 1995ff.,<br />
§ 255 HGB Rz. 389ff. (2010).<br />
22 BR-Drucks. 344/08, S.106.<br />
23 Vgl. dazu auch II.1.b).<br />
24 Vgl. § 253 Abs.3 S. 3 HGB; vgl. ausführlich hierzu Brösel/<br />
Olbrich in Küting/Pfitzer/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung<br />
– Einzelabschluss, 5. Aufl. 1995 ff., §253 HGB<br />
Rz. 571ff. (2010).<br />
25 Vgl. ausführlich zur Diskussion wann ein immaterieller VG einem<br />
Wertverzehr unterliegt Küting/Ellmann, Immaterielles<br />
Vermögen, in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht,<br />
2. Aufl. 2009, S. 277f.<br />
26 Vgl. zu den Gründen Deutsches Rechnungslegungs Standards<br />
Committee e.V. (2008): Regierungsentwurf eines Gesetzes zur<br />
Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz<br />
– BilMoG) v. 21.5.2008, – URL: http://<br />
www.standardsetter.de/drsc/docs/press_releases/080807_SN_<br />
BilMoG-RegE.pdf – Stand: 15.4.2009.<br />
Vermögensgegenstände des Anlagevermögens in der Bilanz<br />
ausgewiesen, so dürfen Gewinne nur ausgeschüttet<br />
werden, wenn [...]“) zu berücksichtigen. <strong>Die</strong> Problematik<br />
der Zuweisung eines objektiven Werts liegt in den mit der<br />
Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen<br />
verbundenen Bilanzierungsentscheidungen,<br />
die von Ermessensspielräumen geprägt sind: Neben<br />
der Trennung von der Forschungs- und der Entwicklungsphase<br />
ist eine Entscheidung hinsichtlich des Aktivierungszeitpunkts<br />
innerhalb der Entwicklungsphase durch<br />
den Bilanzierenden vorzunehmen. Beide Bilanzierungsentscheidungen<br />
besitzen eine Auswirkung auf die Höhe<br />
des Wertansatzes des immateriellen Vermögensgegenstands.<br />
Indem die Aktivierung der selbst geschaffenen immateriellen<br />
Vermögensgegenstände mit einer Ausschüttungssperre<br />
belegt wird, wird der Problematik der objektiven<br />
Wertermittlung und der schweren Nachvollziehbarkeit<br />
der Werthaltigkeit dieses Bilanzpostens durch den deutschen<br />
Gesetzgeber Ausdruck verliehen.<br />
<strong>Die</strong> Höhe der Ausschüttungssperre auf selbst geschaffene<br />
immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens<br />
gemäß §268 Abs.8 S.1 HGB bezieht sich nicht auf den vollen<br />
Betrag der aktivierten Vermögensgegenstände, sondern<br />
bestimmt sich aus der Differenz zwischen dem Bilanzwert<br />
selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände<br />
und den darauf abgegrenzten passiven latenten Steuern.<br />
Denn nach §5 Abs.2 EStG ist die Aktivierung von selbst geschaffenen<br />
immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagenvermögens<br />
nicht zulässig. Auf die dadurch entstehende<br />
Wertdifferenz zwischen Handels- und Steuerbilanz sind<br />
(ergebnismindernd) passive latente Steuern abzugrenzen.<br />
Eine Saldierung des aktivierten immateriellen Vermögensgegenstands<br />
mit den darauf gebildeten passiven latenten<br />
Steuern ist wegen der rein bilanzbezogenen Ermittlung<br />
der Höhe der Ausschüttungssperre systematisch korrekt,<br />
da die Bildung der passiven latenten Steuern in der Gewinn-<br />
und Verlustrechnung gerade zu einer teilweisen<br />
Kompensation der durch Aktivierung der Posten entstandenen<br />
Erträge führt. <strong>Die</strong>se Systematik führt allerdings im<br />
Falle eines Überhangs an aktiven latenten Steuern, der gemäß<br />
§268 Abs.8 S.2 HGB (aktive latente Steuern passive<br />
latente Steuern) selbst ausschüttungsgesperrt ist, zu einer<br />
zweifachen Erfassung der (bereits) auf die aktivierten<br />
immateriellen Vermögensgegenstände gebildeten passiven<br />
latenten Steuern. Im Ergebnis wird damit ein Betrag ausschüttungsgesperrt,<br />
der sich aus Gläubigerschutzgesichtspunkten<br />
als zu niedrig erweist23. Da die Höhe der Ausschüttungssperre von dem bilanziellen<br />
Buchwert der selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände<br />
(abzüglich der darauf gebildeten passiven<br />
latenten Steuern) abhängt, teilt die Ausschüttungssperre<br />
(wie die passiven latenten Steuern) das Schicksal<br />
der Wertentwicklung des Vermögensgegenstands im Zeitablauf.<br />
Der Buchwert eines zeitlich begrenzt nutzbaren<br />
immateriellen Vermögensgegenstands wird durch planmäßige<br />
und außerplanmäßige Abschreibungen (§253 Abs.3<br />
S.1 bis 3 HGB) gemindert. Dementsprechend ist auch die<br />
Höhe der Ausschüttungssperre in den Folgeperioden anzupassen.<br />
Vermögensgegenstände, deren Nutzung zeitlich<br />
nicht begrenzt ist, sind lediglich außerplanmäßig abzuschreiben24.<br />
Liegt eine dauerhafte Wertminderung für diese<br />
Vermögensgegenstände vor, ist die Höhe der Ausschüttungssperre<br />
anzupassen25. <strong>Die</strong> Forderung des DRSC,<br />
selbst geschaffene Vermögensgegenstände des Anlagevermögens<br />
mit einem Wertaufholungsverbot zu versehen26,
4<br />
Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />
hat der Gesetzgeber im Zuge des BilMoG nicht umgesetzt.<br />
Folglich wirkt sich die durch eine Wertaufholung gemäß<br />
§253 Abs.5 S.1 HGB vorgenommene Zuschreibung<br />
gleichzeitig erhöhend auf den ausschüttungsgesperrten<br />
Betrag aus 27.<br />
Wird der selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstand<br />
des Anlagevermögens veräußert, entfällt die Ursache<br />
für den auf den immateriellen Vermögensgegenstand<br />
entfallenden ausschüttungsgesperrten Betrag gemäß<br />
§268 Abs.8 S.1 HGB, so dass der ausschüttungsgesperrte<br />
Betrag i.S.d. §268 Abs.8 HGB in Höhe des Abgangswerts<br />
des immateriellen Vermögensgegenstands – abzüglich der<br />
darauf gebildeten passiven latenten Steuer – vermindert<br />
wird 28.<br />
Zu einer beispielhaften Veranschaulichung der Funktionsweise<br />
der Ausschüttungssperre bei der Aktivierung von<br />
selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen<br />
des Anlagevermögens wird auf den nächsten Gliederungspunkt<br />
verwiesen. Dort wird auch noch einmal das<br />
Problem der Doppelerfassung passiver latenter Steuern bei<br />
der Ermittlung der Ausschüttungssperre aufgegriffen.<br />
b) Ausschüttungssperre aus dem Ansatz aktiver<br />
latenter Steuern<br />
Im Zusammenhang mit dem Ansatz von aktiven latenten<br />
Steuern greift – wie unter II.1. aufgeführt – die Ausschüttungssperre<br />
i.S.v. §268 Abs.8 HGB29. Dabeiistesunerheblich,<br />
ob die Bildung der latenten Steuern erfolgswirksam<br />
oder erfolgsneutral, wie es im Rahmen der Übergangsregelungen<br />
(Art.67 Abs.6 S.1 EGHGB) bzw. in<br />
Ausnahmefällen im Zugangszeitpunkt möglich ist, erfolgt30.<br />
<strong>Die</strong>s geht allein schon aus dem Wortlaut des §268<br />
Abs.8 HGB hervor, wonach eine bilanzorientierte Betrachtung<br />
vorzunehmen ist. Der bilanzielle Charakter der<br />
aktiven latenten Steuern als Sonderposten eigener Art<br />
bringt bereits die damit verbundene Unsicherheit hinsichtlich<br />
eines zukünftigen Nutzenpotentials zum Ausdruck.<br />
<strong>Die</strong>s gilt umso mehr, als nun auch aktive latente Steuern<br />
auf steuerliche Verlustvorträge zu bilden sind31. Umzu<br />
gewährleisten, dass die unsicheren unrealisierten Eigenkapitalbestandteile<br />
an das Unternehmen gebunden bleiben<br />
und dem Gläubigerschutzprinzip Rechnung getragen wird,<br />
obliegt der Betrag, um den die aktiven latenten Steuern<br />
die passiven latenten Steuern übersteigen, nach §268<br />
Abs.8 S.2 HGB der Ausschüttungssperre.<br />
Bei der Bestimmung des Ausschüttungssperrbetrags ist<br />
insbesondere Folgendes zu beachten:<br />
Einerseits erlaubt es das Saldierungswahlrecht des §274<br />
Abs.1 S.3 HGB, die aktiven und passiven latenten<br />
Steuern entweder in einer Größe saldiert oder jeweils unverrechnet<br />
als letzte Position im Bilanzgliederungsschema<br />
nach §266 HGB auszuweisen. Für die Beurteilung der<br />
Ausschüttungssperre ist es allerdings unerheblich, ob der<br />
Ausweis des Aktivüberhangs in der Bilanz saldiert oder<br />
unsaldiert erfolgt32. Andererseits wird nach der beschriebenen gesetzlichen<br />
Systematik zur Ermittlung der Ausschüttungssperre durch<br />
die Doppelberücksichtigung der passiven latenten Steuern<br />
ein zu niedriger Betrag der Ausschüttung entzogen. Denn<br />
die passiven latenten Steuern, die bei den selbst geschaffenen<br />
immateriellen Vermögensgegenständen oder den nach<br />
§246 Abs.2 HGB zum Zeitwert bewerteten Vermögensgegenständen<br />
zu berücksichtigen sind, sollen nach dem<br />
Wortlaut des Gesetzes auch in die Ermittlung des Aus-<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
schüttungssperrbetrags einbezogen werden, der für bilanziell<br />
angesetzte aktive latente Steuern zu ermitteln ist. In<br />
Höhe der auf die beiden erstgenannten Posten gebildeten<br />
passiven latenten Steuern besteht folglich eine „Ausschüttungsentsperrung“.<br />
<strong>Die</strong> Problematik wird anhand des nachfolgenden Sachverhalts<br />
beispielhaft dargestellt.<br />
Beispiel: In der betrachteten Periode wurde ein selbst<br />
geschaffener immaterieller Vermögensgegenstand i.H.v.<br />
80 GE aktiviert. Darauf wurden, bei einem angenommenen<br />
Steuersatz von 20%, passive latente Steuern von 16<br />
GE abgegrenzt.<br />
Fall a): Es bestehen aktive latente Steuern i.H.v. 100<br />
GE und passive latente Steuern von insgesamt 36 GE.<br />
Fall b): Wie a), jedoch ohne Ausweis des bestehenden<br />
Aktivüberhangs an aktiven latenten Steuern.<br />
Fall c): Es bestehen aktive latente Steuern i.H.v. 100<br />
GE und passive latente Steuern von insgesamt 105 GE.<br />
Lösung:<br />
Fall a): Der Ausschüttungssperrbetrag, der auf den selbst<br />
geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstand entfällt,<br />
beträgt 64 GE (80 ./. 16).<br />
Nach §268 Abs.8 S.2 HGB ist auch der Betrag ausschüttungsgesperrt,<br />
„um den die aktiven latenten Steuern die<br />
passiven latenten Steuern übersteigen“. Der übersteigende<br />
Betrag beläuft sich im konkreten Fall auf 64 GE (100 ./.<br />
36). In der Summe ergibt sich somit ein Ausschüttungssperrbetrag<br />
von 128 GE (64 + 64). Nach dieser Vorgehensweise<br />
werden jedoch die auf die selbst geschaffenen<br />
immateriellen Vermögensgegenstände gebildeten passiven<br />
latenten Steuern doppelt, nämlich auch bei der Ermittlung<br />
des die passiven latenten Steuern übersteigenden Betrags<br />
an aktiven latenten Steuern, berücksichtigt. Ohne diese<br />
Doppelberücksichtigung ergibt sich ein um 16 GE höherer<br />
ausschüttungsgesperrter Betrag von 144 GE (64 + 80). Damit<br />
korrespondierend ist auch der aus den vorgenannten<br />
Sachverhalten resultierte Ergebnis- bzw. Eigenkapitaleffekt.<br />
<strong>Die</strong> Aktivierung des selbstgeschaffenen immateriellen<br />
Vermögensgegenstands führt zu einer Ergebniserhöhung<br />
von 80 GE. Der Ansatz des Aktivüberhangs an latenten<br />
Steuern führt zu einem Steuerertrag von netto 64 GE<br />
(+ 100 ./. 36). Daraus resultiert ein Ergebnis- bzw. Eigenkapitaleffekt<br />
i.H.v. insgesamt 144 GE (80 + 64). Nach gesetzlicher<br />
Vorgehensweise läge folglich eine zu niedrige<br />
Ausschüttungssperre von 16 GE (144 ./. 128) vor.<br />
27 Vgl. zu diesem Absatz Gelhausen/Fey/Kämpfer, Ausschüttungssperre,<br />
in Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz,<br />
Düsseldorf 2009, Rz. 26; für<br />
eine beispielhafte Darstellung vgl. Küting/Ellmann, aaO<br />
(Fn.21), Rz. 394.<br />
28 Vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer, aaO (Fn.27), Rz. 27.<br />
29 Vgl. ausführlich zur bilanziellen Behandlung latenter Steuern<br />
Küting/Seel, Latente Steuern, in Küting/Pfitzer/Weber, Das<br />
neue deutsche Bilanzrecht, 2.Aufl. 2009, S. 499ff.; Spanheimer/Simlacher<br />
in Küting/Pfitzer/Weber (Hrsg.), Handbuch der<br />
Rechnungslegung – Einzelabschluss, 5.Aufl. 1995ff., § 274<br />
HGB Rz. 1ff. (2010).<br />
30 Vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer, aaO (Fn. 27), Rz. 27, 47; Kaya/<br />
Borgwardt, StuB 2010, 727 (730).<br />
31 Vgl. hierzu Küting/Seel, aaO (Fn. 29), S. 508ff.<br />
32 Vgl. BT-Drucks. 16/12407, S.113.
Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 5<br />
Hergestellte<br />
immaterielle<br />
Anlagegüter<br />
Angepasster<br />
Aktivüberhang<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />
Aktiva Passive<br />
latente<br />
Steuern<br />
Summe<br />
80 16 64<br />
80<br />
(64 + 16)<br />
Ausschüttungssperre 144<br />
Eine teilweise Ausschüttungsentsperrung unsicherer Erträge<br />
aus dem Ansatz aktiver latenter Steuern ist systematisch<br />
unbegründet und verfehlt den mit der Ausschüttungssperre<br />
verbundenen Zweck. Daher ist die Berücksichtigung<br />
von passiven latenten Steuern, die mit ausschüttungsgesperrten<br />
Posten gemäß §268 Abs.8 S.1 u. 3 HGB<br />
in Verbindung stehen, bei der Bestimmung der Höhe des<br />
Ausschüttungssperrbetrags eines aktivischen Überhangs<br />
latenter Steuern entgegen dem Wortlaut der Vorschrift<br />
nicht zulässig33. Fall b): Sofern von dem Ansatzwahlrecht gemäß §274<br />
Abs.1 S.2 HGB kein Gebrauch gemacht und daher der<br />
Aktivüberhang nicht angesetzt wird, ist bei dem selbst geschaffenen<br />
immateriellen Vermögensgegenstand auch keine<br />
passive latente Steuer mehr zu berücksichtigen. Der<br />
mit seiner Bildung in Zusammenhang stehende gegenläufige<br />
Ergebniseffekt wurde durch die Saldierung mit aktiven<br />
latenten Steuern bereits neutralisiert. Folglich bezieht<br />
sich die Ausschüttungssperre auf die vollen (Brutto-)Beträge.<br />
Aktiva Passive<br />
latente<br />
Steuern<br />
Hergestellte immaterielle Anlagegüter 80 –<br />
Ausschüttungssperre 80<br />
Der ausschüttungsfähige Betrag der Periode bleibt – im<br />
Vergleich zu Fall a) – unberührt, da ein höherer steuerlicher<br />
Ertrag aus der Berücksichtigung des Aktivüberhangs<br />
an latenten Steuern (100 GE ./. 36 GE = 64 GE) in voller<br />
Höhe ausschüttungsgesperrt wäre. Sowohl der Ergebniseffekt<br />
als auch der Ausschüttungssperrbetrag sind daher im<br />
Vergleich zum Fall a) um 64 GE niedriger.<br />
Damit ist die oben dargestellte Ermittlungsmethode konsistent<br />
mit solchen Fällen, in denen das Aktivierungswahlrecht<br />
für einen Aktivüberhang an latenten Steuern nicht in<br />
Anspruch genommen wird34. Fall c): Nach dem Wortlaut §268 Abs.8 HGB beträgt die<br />
Ausschüttungssperre insgesamt 64 GE (80 ./. 16), da ein<br />
Passivüberhang an latenten Steuern besteht. <strong>Die</strong> doppelte<br />
33 Vgl. ebenso Zülch/Hoffmann, DB 2010, 909 (910); Ellrott/Huber<br />
in Budde u.a. (Hrsg.), Beck’scher Bilanz-Komm., 7. Aufl.<br />
2010, § 268 HGB Rz. 143, m.w.N.<br />
34 A.A. Hoffmann/Lüdenbach, aaO (Fn. 6), Rz. 132b.<br />
35 Vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer, aaO (Fn.27), Rz. 51.<br />
36 Vgl. ausführlich hierzu Keßler, aaO (Fn. 15), S.235ff.<br />
37 Vgl. § 268 Abs. 8 S.3 HGB.<br />
38 D.h. Zeitwert ./. Anschaffungskosten. Bei den Anschaffungskosten<br />
handelt es sich um die historischen Anschaffungskosten.<br />
Vgl. hierzu Gelhausen/Fey/Kämpfer, aaO (Fn. 27),<br />
Rz. 33ff.<br />
39 Vgl. BT-Drucks. 16/12407, S.87; Gelhausen/Fey/Kämpfer,<br />
aaO (Fn. 27), Rz. 30; Ellrott/Huber aaO (Fn. 33), Rz. 140.<br />
80<br />
Berücksichtigung der passiven latenten Steuer, die in Zusammenhang<br />
mit dem selbst geschaffenen immateriellen<br />
Vermögensgegenstand steht, führt auch in diesem Fall zu<br />
einem den Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechenden<br />
Ergebnis. Denn bei nur einmaliger Berücksichtigung<br />
der Entsperrungswirkung des auf den selbst geschaffenen<br />
immateriellen Vermögensgegenstand entfallenden passiven<br />
latenten Steuerbetrags ergibt sich eine um 11 GE höhere<br />
Ausschüttungssperre von 75 GE (64 + 100 ./. [105 ./.<br />
16]).<br />
Hergestellte<br />
immaterielle<br />
Anlagegüter<br />
Angepasste latente<br />
Steuern<br />
Aktiva Passive<br />
latente<br />
Steuern<br />
Summe<br />
80 16 64<br />
100 89<br />
(105 ./. 16)<br />
Ausschüttungssperre 75<br />
Zu diesem Grenzfall kann es jedoch nur dann kommen,<br />
sofern der Passivüberhang latenter Steuern kleiner ist als<br />
die Summe der passiven latenten Steuern, die mit ausschüttungsgesperrten<br />
Posten gemäß §268 Abs.8 S.1 u. 3<br />
HGB in Verbindung stehen. Da es in diesem Fall faktisch<br />
zu einem der in §268 Abs.8 HGB genannten Fällen<br />
– nämlich einem ausschüttungsgesperrten Aktivüberhang –<br />
kommt, ist die partielle doppelte Berücksichtigung entgegen<br />
des Gesetzeswortlauts auch hier nicht als zulässig zu<br />
erachten.<br />
In den Folgeperioden folgt die Höhe der Ausschüttungssperre<br />
grundsätzlich dem Schicksal des jeweiligen Bilanzpostens.<br />
Bezüglich der Steuerlatenz richten sich die ausschüttungsgesperrten<br />
Beträge nach dem bilanziellen Ansatz<br />
der aktiven Steuerlatenz abzüglich der passiven latenten<br />
Steuern. Da es jedoch bei dieser Verrechnung zu der<br />
oben dargestellten systematisch inkorrekten doppelten Erfassung<br />
kommen kann, reicht eine einseitige Betrachtung<br />
des saldierten Betrags nicht aus 35. So ist neben dem Aktivüberhang<br />
ebenso der Entwicklung der passiven latenten<br />
Steuern, die bereits mit anderen ausschüttungsgesperrten<br />
Beträgen (§268 Abs.8 S.1 u. 3 HGB) verrechnet wurden,<br />
Rechnung zu tragen und entsprechend – nach dem Sinn<br />
und Zweck dieser Vorschrift – keine erneute (doppelte)<br />
Berücksichtigung vorzunehmen.<br />
c) Ausschüttungssperre aus der Bewertung des<br />
Deckungsvermögens von Pensionsverpflichtungen<br />
<strong>Die</strong> Beträge bezüglich des Zweckvermögens von Pensionsverpflichtungen<br />
nach §253 Abs.1 S.4 HGB36 unterliegen<br />
gemäß §268 Abs.8 S.3 HGB der Ausschüttungssperre,<br />
sofern die am Bilanzstichtag ermittelten Wertansätze<br />
die Anschaffungskosten übersteigen. Dabei handelt<br />
es sich um unrealisierte Erträge der Periode oder vorangegangener<br />
Perioden, die durch eine gesetzlich geregelte<br />
Ausnahme gegen das Anschaffungskostenprinzip verstoßen.<br />
In diesem Kontext gebildete passive latente Steuern<br />
gemäß §274 Abs.1 HGB sind vom Sperrbetrag abzuziehen37.<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre bezieht sich auf den Betrag,<br />
der die Anschaffungskosten übersteigt38 (abzüglich<br />
hierfür gebildeter passive latente Steuern) und hängt folglich<br />
nicht von einem ausgewiesenen Aktivüberhang ab39. Bei der Ermittlung des ausschüttungsgesperrten Betrags<br />
verbietet der Einzelbewertungsgrundsatz die Aufrechnung<br />
11
6<br />
der Erträge aus der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert<br />
mit den Aufwendungen aus außerplanmäßigen Abschreibungen<br />
anderer Vermögensgegenstände i.S.d. §246<br />
Abs.2 S.2 HGB40. Der Einzelbewertungsgrundsatz grenzt<br />
den Geltungsbereich des Imparitäts- und des Realisationsprinzips<br />
ab, um die Wirksamkeit der Ausschüttungssperre<br />
sicherzustellen. Anhand eines Beispiels soll die Wirkung<br />
der Ausschüttungssperre und des Einzelbewertungsgrundsatzes<br />
verdeutlicht werden.<br />
Beispiel: Im Jahr t1 steigt der beizulegende Zeitwert<br />
des VG 1 (Teil des Deckungsvermögens) von den bilanzierten<br />
Anschaffungs- oder Herstellungskosten i.H.v. 70<br />
GE auf 100 GE. Ein zweiter Vermögensgegenstand des<br />
Deckungsvermögens wird aufgrund gleichbleibenden<br />
Werts weiterhin mit den ursprünglichen Anschaffungsoder<br />
Herstellungskosten von 80 GE ausgewiesen. Der<br />
Wertansatz der Pensionsverpflichtung beträgt 160 GE.<br />
Im Jahr t2 steigt der beizulegende Zeitwert von VG 1<br />
auf 110, während gleichzeitig VG 2 um 10 GE abgeschrieben<br />
wird. Der Wertansatz der Pensionsverpflichtung<br />
steigt auf 165 GE. Der angenommene Steuersatz<br />
beträgt 30%.<br />
Berechnung:<br />
Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />
Periode VG1 VG2 Passive Pensi-<br />
latente onsver<br />
Steuern pflich<br />
gemäß<br />
§274<br />
HGB<br />
tungAnschaffungskosten<br />
70 80<br />
t1 Zeitwert<br />
(= Buchwert)<br />
Ausschüttungs-<br />
100 80 9 160<br />
sperre gemäß<br />
§ 268 Abs. 8<br />
HGB<br />
100 ./. 70 ./. 9 = 21<br />
t2 Zeitwert<br />
(= Buchwert)<br />
Ausschüttungs-<br />
110 70 12 165<br />
sperre gemäß<br />
§ 268 Abs. 8<br />
HGB<br />
110 ./. 70 ./. 12 = 28<br />
Das bilanzierende Unternehmen weist im Jahr t1 einen<br />
ausschüttungsgesperrten Betrag i.H.v. 21 GE auf. In der<br />
Periode t2 wird zwar – unter Außerachtlassung weiterer<br />
Geschäftsvorfälle – ein Gesamtjahresfehlbetrag von 8 GE<br />
(+ 10 ./.10 ./. 3 ./. 5) erzielt. Gleichzeitig steigt aber die<br />
Ausschüttungssperre gemäß §268 Abs.8 HGB um 7 GE.<br />
Auch bei dem Zweckvermögen i.S.d. §246 Abs.2 S.2 HGB<br />
folgt die Höhe des ausschüttungsgesperrten Betrags dem jeweiligen<br />
Buchwert des Zweckvermögens, so dass gestiegene<br />
(bzw. gesunkene) Zeitwerte den gesperrten Betrag erhöhen<br />
(bzw. verringern), so lange sie über den Anschaffungskosten<br />
liegen. <strong>Die</strong> Ausschüttungssperre bezüglich des<br />
Zweckvermögens kann somit zum einen durch einen Zeitwert,<br />
der kleiner oder gleich den Anschaffungskosten ist,<br />
entfallen oder zum anderen, wenn die im Zweckvermögen<br />
enthaltenen Gewinne realisiert sind. In der Höhe des gewinnrealisierten<br />
Betrags ist es nicht gerechtfertigt, das Vermögen<br />
des Bilanzierenden vor einer Auszehrung durch<br />
Ausschüttung zu schützen, da der Ertrag durch einen Umsatzakt<br />
bestätigt ist. Entsteht beispielsweise durch die Wert-<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
steigerung eines börsennotierten Wertpapiers über seine Anschaffungskosten<br />
ein Ertrag und wird dieser in den Folgejahren<br />
durch Verkauf und Reinvestition des Wertpapiers in<br />
einem anderen Vermögensgegenstand realisiert 41, entfällt<br />
die Ausschüttungssperre 42.<br />
2. Ausschüttungspotential<br />
Das Ausschüttungspotential umfasst die Gewinne, die unter<br />
Berücksichtigung der Ausschüttungssperren höchstens<br />
ausgekehrt werden dürfen. <strong>Die</strong> Ausschüttungsobergrenze<br />
einer Periode bestimmt sich daher nach dem Überschuss<br />
der verbleibenden frei verfügbaren Rücklagen zuzüglich<br />
eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags<br />
(analoges Vorgehen für Jahresüberschüsse respektive Jahresfehlbeträge)<br />
über diejenigen angesetzten Beträge, für<br />
die eine Ausschüttungssperre verhängt wird, unter Berücksichtigung<br />
passiver latenter Steuern, die aufgrund der Aktivierung<br />
selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände<br />
des Anlagevermögens bzw. der Neubewertung<br />
der Vermögensgegenstände eines Planvermögens über ihre<br />
Anschaffungskosten hinaus gebildet wurden43. Der Begriff der „frei verfügbaren Rücklagen“ bringt zum<br />
Ausdruck, dass eine Beschränkung auf „Gewinnrücklagen“<br />
zu eng ist. Der bereits vor BilMoG in der Praxis nahezu<br />
einhelligen Auffassung folgend, sind nunmehr<br />
grundsätzlich auch sämtliche frei verfügbaren Kapitalrücklagen<br />
zu berücksichtigen44. Frei verfügbar sind Rücklagen<br />
dann, wenn sie weder gesetzlich noch gesellschaftsvertraglich<br />
verwendungs- bzw. ausschüttungsbeschränkt<br />
sind. Zu den „frei verfügbaren Rücklagen“ zählen bei Aktiengesellschaften<br />
insbesondere die satzungsmäßigen und<br />
die anderen Gewinnrücklagen (§266 Abs.3 A.III. 3., 4.<br />
HGB) sowie die Kapitalrücklage gemäß §272 Abs.2 Nr.4<br />
HGB, die nicht den Verwendungsbeschränkungen des<br />
§150 Abs.3 u. 4 AktG unterliegen45. Bei der <strong>GmbH</strong> sind<br />
in der Regel die Gewinnrücklagen frei verfügbar. Grundsätzlich<br />
gilt dies ebenso für die Kapitalrücklagen. Allerdings<br />
nicht für solche, die aus einer vereinfachten Kapitalherabsetzung<br />
oder aus „Eingeforderten Nachschüssen“<br />
nach §42 Abs.2 S.2 u. 3 <strong>GmbH</strong>G resultieren46. Darüber<br />
hinaus ist bei der <strong>GmbH</strong> die gesellschaftsrechtliche Ausschüttungssperre<br />
zu berücksichtigen47. Das Ausschüttungspotential ermittelt sich wie folgt:<br />
(a) Jahresüberschuss/-fehlbetrag der Periode<br />
+ (b) frei verfügbare Rücklagen<br />
+ (c) Gewinnvortrag<br />
./. (d) Verlustvortrag<br />
./. Ausschüttungssperre §268 Abs.8 HGB48<br />
= max. zulässige Ausschüttung der Periode.<br />
40 Gl.A. Gelhausen/Fey/Kämpfer, aaO (Fn. 27), Rz. 32.<br />
41 Ein praktisches Problem kann hierbei die Informationsbeschaffung<br />
darstellen.<br />
42 Vgl. Küting/Kessler/Keßler, Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen,<br />
in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht,<br />
2. Aufl. 2009, S.356f.<br />
43 Zur Berücksichtigung latenter Steuern vgl. ausführlich oben<br />
II.1.b).<br />
44 Vgl. BT-Drucks. 10067/16, S.64.<br />
45 Vgl. auch Lanfermann/Röhricht, DStR 2009, 1216ff.<br />
46 Vgl. Schildbach, Der handelsrechtliche Jahresabschluss,<br />
9.Aufl. 2009, S.134.<br />
47 Vgl. unten III.1.<br />
48 Unter der Berücksichtigung latenter Steuern. Vgl. ausführlich<br />
hierzu oben II.1.b).
Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 7<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />
Konkret bedeutet dies, dass die Wertsumme der Eigenkapitalbestandteile<br />
(a) bis (d) nach einer Ausschüttung mindestens<br />
der Summe der gemäß §268 Abs.8 HGB ermittelten<br />
Sperrbeträge entsprechen muss. Umgekehrt formuliert:<br />
<strong>Die</strong> maximale Ausschüttungshöhe darf die Summe aus (a)<br />
bis (d) abzüglich der Ausschüttungssperrbeträge nicht<br />
übertreffen. Wird dabei ein Betrag kleiner oder gleich<br />
Null ermittelt, müssen Ausschüttungen gemäß §268<br />
Abs.8 HGB unterbleiben. Ausgewiesene Gewinne sind<br />
dann zu thesaurieren.<br />
3. Anhangangaben<br />
<strong>Die</strong> Anhangangabe nach §285 Nr.28 HGB soll in erster<br />
Linie dem Gläubigerschutz dienen49. Sie verpflichtet den<br />
Bilanzierenden zur Angabe des Gesamtbetrags der Beträge<br />
i.S.d. §268 Abs.8 HGB. Dabei ist eine Aufschlüsselung<br />
in folgende drei Kategorien vorzunehmen:<br />
– Beträge aus der Aktivierung selbst geschaffener immaterieller<br />
Vermögenswerte des Anlagevermögens,<br />
– Beträge aus der Aktivierung latenter Steuern,<br />
– Beträge aus der Aktivierung von Vermögensgegenständen<br />
zum beizulegenden Zeitwert i.S.d. §246 Abs.2 S.2<br />
HGB,<br />
jeweils abzüglich der hierfür gebildeten passiven latenten<br />
Steuern. Durch den Abzug der für die jeweiligen Posten<br />
gebildeten passiven latenten Steuern erfolgt ein Nettoausweis<br />
im Anhang50. Dem Abschlussadressaten wird damit transparent gemacht,<br />
in welcher Höhe frei verwendbare Eigenkapitalbestandteile51<br />
mindestens in der Bilanz verbleiben müssen. Es darf<br />
also nur dann ausgeschüttet werden, wenn im Unternehmen<br />
jederzeit frei verwendbare Eigenkapitalbestandteile vorhanden<br />
sind, die den gesperrten Betrag übersteigen.<br />
Es wird allerdings nicht ersichtlich, ob der ausgewiesene Bilanzgewinn<br />
tatsächlich ganz oder teilweise ausschüttungsgesperrt<br />
ist. Erforderlich dafür sind Angaben über die Beträge<br />
der frei verfügbaren Eigenkapitalbestandteile, die nach<br />
den derzeitigen Regelungen aber nicht gefordert werden.<br />
Vor diesem Hintergrund ist es insbesondere aus Gründen<br />
der Informationsvermittlung für zweckmäßig zu erachten,<br />
den Gesamtbetrag der ausschüttungsgesperrten Beträge in<br />
Beziehung zu den freien Rücklagen zu setzen52. Erfolgt<br />
eine Gegenüberstellung der frei verwendbaren Eigenkapitalbestandteile<br />
mit dem aus §268 Abs.8 HGB resultierenden<br />
Gesamtbetrag, wird für den externen Leser ersichtlich,<br />
inwiefern sich die Ausschüttungssperre auf den Bilanzgewinn<br />
auswirkt.<br />
Folgende Darstellung wäre z.B. zur Ergänzung vorstellbar53:<br />
Gesamtbetrag ausschüttungsgesperrter Beträge<br />
./. frei verfügbare Eigenkapitalbestandteile<br />
– Kapitalrücklagen i.S.d. §272 Abs.2 Nr.4<br />
49 Vgl. BR-Drucks. 344/08, S. 163.<br />
50 Vgl. Kaya/Borgwardt, StuB 2010, 727 (731).<br />
51 Darunter ist die Summe aus den Posten (a) bis (d) in oben II.2.<br />
zu verstehen.<br />
52 Gl.A. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (591).<br />
53 Vgl. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (591).<br />
54 Vgl. § 331 Abs. 1 Nr. 1d HGB.<br />
55 Vgl. § 322 Abs. 4 HGB.<br />
56 Vgl. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (590), m.w.N.<br />
57 Vgl. § 172 Abs. 4 HGB.<br />
– andere Gewinnrücklagen<br />
– Gewinnvortrag (bzw. ./. Verlustvortrag) aus dem Vorjahr<br />
– Jahresüberschuss<br />
= ausschüttungsgesperrter Betrag i.S.d. §268 Abs.8 HGB, der<br />
nicht durch frei verfügbare Eigenkapitalteile gedeckt ist.<br />
Nach diesem Schema kann (darf) keine Ausschüttung vorgenommen<br />
werden, wenn der so ermittelte Betrag größer<br />
oder gleich Null ist, d.h. mögliche Gewinne müssen thesauriert<br />
werden. Ein negativer Betrag hingegen stellt das<br />
Ausschüttungspotential dar.<br />
Beispiel: In einem Unternehmen wird ein Ausschüttungssperrbetrag<br />
i.H.v. 140 GE ermittelt. Zur Deckung<br />
dieses Betrags stehen die Kapitalrücklage i.S.d. §272<br />
HGB von 40 GE, andere Gewinnrücklagen von 30 GE,<br />
ein Verlustvortrag von 5 GE und ein Jahresüberschuss<br />
des abgelaufenen Geschäftsjahrs von 40 GE zur Verfügung.<br />
Demnach beträgt der ausschüttungsgesperrte Betrag,<br />
der nicht durch frei verfügbare Eigenkapitalteile<br />
gedeckt ist, 35 GE (140 ./. (40 + 30 ./. 5 + 40).<br />
4. Rechtsfolgen einer Verletzung der Ausschüttungssperre<br />
Hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Verletzung von Vorschriften<br />
zur Ausschüttungssperre ist zu unterscheiden<br />
zwischen Verstößen gegen Rechnungslegungsgrundsätze<br />
und einer Verletzung der Behandlung der ausschüttungsgesperrten<br />
Beträge.<br />
Fehlende oder falsche Anhangangaben stellen einen Verstoß<br />
gegen Vorschriften zum Jahresabschluss dar und sind<br />
mit einem Bußgeld bedroht54. Außerdem ist ein Mitglied<br />
des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats<br />
mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit<br />
Geldstrafe bedroht, wenn die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft<br />
im Jahresabschluss unrichtig wiedergegeben<br />
oder verschleiert werden. Je nach Schwere des Verstoßes<br />
ist zudem der Bestätigungsvermerk zum Jahresabschluss<br />
einzuschränken55. <strong>Die</strong> Ausschüttungssperre von mit Unsicherheit behafteten<br />
Erträgen dient dem Gläubigerschutz. Gewinnverwendungsbeschlüsse<br />
bei Aktiengesellschaften sind daher gemäß<br />
§241 Nr.3 AktG insoweit nichtig, als eine beschlossene<br />
Ausschüttung auch die nach §268 Abs.8 HGB ausschüttungsgesperrten<br />
Beträge umfasst. Gleiches gilt für<br />
die <strong>GmbH</strong>, wobei jedoch auch (zulässige) Entnahmebeschlüsse<br />
entsprechend teilnichtig sein können56. §268 Abs.8 HGB ist ein Schutzgesetz i.S.v. §823 Abs.3<br />
BGB, so dass die Ausschüttung von ausschüttungsgesperrten<br />
Beträgen zu persönlichen Regresspflichten führen kann.<br />
5. Haftungsregelung für Kommanditisten<br />
Einlagen von Kommanditisten gelten den Gläubigern gegenüber<br />
unter bestimmten Bedingungen als nicht geleistet.<br />
Als nicht geleistet gelten solche Einlagen, die an den<br />
Kommanditisten zurückbezahlt werden oder aber die<br />
durch Entnahmen den Betrag des Kapitalanteils unter den<br />
Betrag der geleisteten Einlage herabmindern. <strong>Die</strong>s gilt<br />
auch, wenn ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt,<br />
obgleich sein Kapitalanteil durch Verluste unter den Betrag<br />
der geleisteten Einlage herabgemindert wird. Dem<br />
Zweck der Ausschüttungssperre folgend, sind bei der Berechnung<br />
des entsprechenden Kapitalanteils die Beträge<br />
i.S.d. §268 Abs.8 HGB nicht zu berücksichtigen57.
8<br />
Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />
III. Gesellschaftsrechtliche Besonderheiten<br />
1. Ausschüttungssperre und Gewinnverwendung<br />
Das Institut der Ausschüttungssperre schränkt als lex specialis<br />
die nach gesellschaftsrechtlichen Regelungen zulässigen<br />
Gewinnausschüttungen (§§57 Abs.3,174 AktG;<br />
§29 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G) oder aber Entnahmen ein, führt jedoch<br />
bei Aktiengesellschaften nicht zu Änderungen hinsichtlich<br />
der Thesaurierungskompetenz der Verwaltung.<br />
Ausgehend vom Jahresergebnis, gemindert um einen Verlustvortrag,<br />
nicht jedoch um ausschüttungsgesperrte Beträge,<br />
sind zunächst die gesetzliche und die etwaige satzungsmäßige<br />
Rücklage zu dotieren58. Aucheinemögliche<br />
Dotierung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden<br />
oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen59 (vor Berücksichtigung<br />
der satzungsmäßigen Rücklage) erfolgt<br />
ohne Einfluss von Ausschüttungssperrbeträgen. Ein ausschüttungsgesperrter<br />
Teilbetrag des Jahresüberschusses ist<br />
daher unabhängig vom konkreten Verwendungsvorschlag<br />
grundsätzlich auf die Thesaurierungskompetenz der Verwaltung<br />
anzurechnen60. <strong>Die</strong> Vorgehensweise illustriert nachstehendes Beispiel:<br />
Ausgangssituation:<br />
– freie Rücklagen 5 GE<br />
– Verlustvortrag 20 GE<br />
– Jahresüberschuss 200 GE<br />
– Anschaffungskosten für Anteile an einem herrschenden oder<br />
mit Mehrheit beteiligten Unternehmen 10 GE<br />
– satzungsmäßige Rücklagenzuführung bis zu 50% möglich<br />
(soll erfolgen)<br />
– ausschüttungsgesperrter Betrag 50 GE<br />
Hieraus wären folgende Konsequenzen für die Dotierung<br />
der Rücklagen zu ziehen:<br />
– Einstellung in die gesetzliche Rücklage: 5% von (200 ./. 20) =<br />
9GE<br />
– Dotierung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden<br />
oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen: 5 (freie Rücklage)<br />
+ 5 (Jahresergebnis) = 10 GE<br />
– Einstellung in die satzungsmäßige Rücklage: 50% von (200 ./.<br />
20 ./. 9 ./. 5) = 83 GE<br />
Im Ergebnis übersteigt der Betrag der frei verfügbaren<br />
Rücklagen (83 GE) den ausschüttungsgesperrten Betrag<br />
von 50 GE, so dass der verbleibende Bilanzgewinn von 83<br />
GE der Gewinnverwendungsentscheidung der Hauptversammlung<br />
unterliegt.<br />
Beläuft sich abweichend dazu der ausschüttungsgesperrte<br />
Betrag auf 100 GE, so unterliegt der Bilanzgewinn von 83<br />
GE einer Ausschüttungsbegrenzung von 66 GE (83 ./.<br />
[100 ./. 83]); die Hauptversammlung kann lediglich über<br />
eine Ausschüttung i.H.v. 66 GE beschließen. Dabei kann<br />
der Restbetrag von 17 GE vorgetragen oder durch Beschluss<br />
der Hauptversammlung in die anderen Gewinnrücklagen<br />
eingestellt werden. Bei der Einstellung in die<br />
Gewinnrücklagen ist zu beachten, dass aktienrechtlich keine<br />
Grundlage besteht, aufgrund derer eine Entnahmekompetenz<br />
der Aktionäre in den Folgeperioden hergeleitet<br />
werden könnte. Im <strong>GmbH</strong>-Recht stellt sich diese Problematik<br />
– unbeschadet des §30 <strong>GmbH</strong>G – nicht, da die Gesellschafter<br />
grundsätzlich auch auf die in Vorjahren gebildeten,<br />
frei gewordenen Rücklagen zugreifen können61. <strong>Die</strong> Kompetenz der Verwaltung, den ausschüttungsgesperrten<br />
Betrag vorab in die Gewinnrücklagen einzustellen,<br />
kann hingegen gesetzlich nicht hergeleitet werden.<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
2. Ausschüttungssperre nach § 30 <strong>GmbH</strong>G<br />
Neben der handelsrechtlichen Ausschüttungssperre existiert<br />
im Gesellschaftsrecht eine weitere unmittelbare Ausschüttungssperre<br />
in §30 <strong>GmbH</strong>G. <strong>Die</strong>se Vorschrift stellt<br />
die zentrale Gläubigerschutzbestimmung zur Erhaltung<br />
des Stammkapitals im <strong>GmbH</strong>-Recht dar62 und „ist als<br />
wichtigste Grundlage der Kapitalerhaltung wesentlich für<br />
den das ganze <strong>GmbH</strong>-Recht beherrschenden Grundsatz<br />
der Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals“ 63.<br />
Demnach soll eine Schmälerung des Stammkapitals verhindert<br />
werden, das von den Gesellschaftern zu erbringen<br />
und der <strong>GmbH</strong> zu erhalten ist64. Für dieses Kapital ist in<br />
§30 Abs.1 S.1 <strong>GmbH</strong>G ein grundsätzliches Auszahlungsverbot<br />
kodifiziert, sofern es zur Deckung des Stammkapitals<br />
benötigt wird. Umgekehrt formuliert kann also derjenige<br />
Teil des Reinvermögens ausgekehrt werden, der den<br />
Betrag des Stammkapitals übersteigt65. Von dieser Regelung<br />
explizit ausgenommen sind die Sachverhalte in §30<br />
Abs.1 S.2 u. 3 <strong>GmbH</strong>G. Demgemäß ist die Anwendung<br />
des Auszahlungsverbots ausgeschlossen für Leistungen<br />
bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags66<br />
sowie dessen Berücksichtigung auf die<br />
Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen67. Geschützt<br />
i.S.d. §30 <strong>GmbH</strong>G ist dagegen nicht die Verwirtschaftung<br />
des Stammkapitals. Abzugrenzen hiervon sind Verluste,<br />
die von der Geschäftsführung verursacht wurden und nicht<br />
im Interesse der <strong>GmbH</strong> liegen68. Einedazuparalleleaktienrechtliche<br />
Vorschrift besteht nicht, da hier deutlich<br />
restriktivere Bestimmungen zu der Ausschüttung existieren.<br />
So kann eine Ausschüttung nach §57 Abs.3 AktG lediglich<br />
in Höhe des ausgewiesenen Bilanzgewinns vorgenommen<br />
werden69. Dadurch wirken sich indirekt die Beschränkungen<br />
auf das Grundkapital, die Kapitalrücklage<br />
und die gesetzliche Rücklage aus70. 3. Abführungssperre und Gewinnabführungsverträge<br />
(§301 S. 1 AktG)<br />
Besteht zwischen zwei Gesellschaften ein Gewinnabführungsvertrag,<br />
so darf eine Gesellschaft, gleichgültig welche<br />
Vereinbarungen über die Berechnung des abzuführenden<br />
Gewinns getroffen worden sind, als ihren Gewinn<br />
höchstens den ohne die Gewinnabführung entstehenden<br />
Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustvortrag,<br />
den Zuführungsbetrag zur gesetzlichen Rücklage und den<br />
nach §268 Abs.8 HGB ausschüttungsgesperrten Betrag,<br />
abführen. Demgegenüber hat die Ausschüttungssperre gemäß<br />
§30 <strong>GmbH</strong>G keine Auswirkungen auf einen Gewinnabführungsvertrag71.<br />
58 Vgl. §58 Abs. 1 AktG.<br />
59 Vgl. §272 Abs. 4 HGB.<br />
60 Vgl. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (589); Simon, NZG<br />
2009, 1081 (1085).<br />
61 Vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer, aaO (Fn.27), Rz. 58.<br />
62 Vgl. hierzu Joost, <strong>GmbH</strong>R 1983, 285ff.<br />
63 Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19. Aufl. 2010,<br />
§30 Rz. 1.<br />
64 Vgl. ausführlich hierzu Altmeppen in Roth/Altmeppen,<br />
<strong>GmbH</strong>G, 6.Aufl. 2009, §30 Rz. 1ff.<br />
65 Vgl. Altmeppen, aaO (Fn. 64), §30 Rz. 9.<br />
66 Vgl. ausführlich Winter, DStR 2007, 1484ff.<br />
67 Vgl. Hueck/Fastrich, aaO (Fn. 63), §30 Rz. 2.<br />
68 Vgl. Altmeppen, aaO (Fn. 64), §30 Rz. 6.<br />
69 Vgl. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (585).<br />
70 Vgl. oben II.2.<br />
71 Vgl. §30 Abs. 1 S.2 <strong>GmbH</strong>G.
Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 9<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />
Eine Gewinnabführungsbeschränkung tritt nicht ein, wenn<br />
die freien Rücklagen der abführungspflichtigen Gesellschaft<br />
ausreichend hoch dotiert sind. Der abführbare Betrag<br />
ermittelt sich wie folgt 72:<br />
Jahresüberschuss<br />
– Verlustvortrag aus dem Vorjahr<br />
– Einstellung in die gesetzliche Rücklage<br />
+ Gewinnvortrag/während der Vertragsdauer gebildete Gewinnrücklagen<br />
– Ausschüttungssperrbetrag (Gesamtbetrag nach §268 Abs.8<br />
HGB abzüglich freie Rücklagen)<br />
= maximal abführbarer Betrag.<br />
Zu den frei verfügbaren Rücklagen zählen während der<br />
Vertragslaufzeit gebildete Gewinnrücklagen bzw. vorgetragene<br />
Gewinne sowie andere Gewinnrücklagen oder ein<br />
Gewinnvortrag aus der Zeit vor Abschluss des Gewinnabführungsvertrags,<br />
so dass diese, soweit nach §268 Abs.8<br />
HGB ausschüttungsgesperrt, nicht aufgelöst und anschließend<br />
ausgeschüttet werden dürfen.<br />
Wurden in Vorjahren ausschüttungsgesperrte Beträge in<br />
andere Gewinnrücklagen eingestellt, so können diese Beträge<br />
in Folgejahren entgegen dem Wortlaut von §301 S.2<br />
AktG dann nicht als Gewinn abgeführt werden, wenn die<br />
Ausschüttungssperre greift.<br />
Verlustübernahmen gemäß § 302 Abs.2 AktG sind nicht<br />
zu modifizieren, auch wenn der Verlustübernahmebetrag<br />
durch Sachverhalte, die unter §268 Abs.8 HGB fallen, gemindert<br />
wird. Fraglich ist hingegen, ob während der Vertragsdauer<br />
gebildete andere Gewinnrücklagen zum Ausgleich<br />
entstandener Jahresfehlbeträge verwendet werden<br />
dürfen, wenn sie durch eine Ausschüttungssperre belegt<br />
sind. <strong>Die</strong>s ist zweifelhaft, weil eine Minderung der Verlustausgleichsverpflichtung<br />
des Vertragspartners durch<br />
Rücklagenverwendung im Ergebnis der Abführung eigentlich<br />
abführungsgesperrter Gewinnrücklagen gleichkommt.<br />
Hier wird die Auffassung vertreten, dass beide Ansichten<br />
durchaus plausibel sind.<br />
IV. Berücksichtigung von Ausschüttungssperren im<br />
Rahmen von variablen Vergütungssystemen<br />
Anteilseignern steht nur der um die Ausschüttungssperre<br />
nach §268 Abs.8 HGB gekürzte Betrag des frei verwendbaren<br />
Eigenkapitals für Ausschüttungen zur Verfügung.<br />
Sperrbeträge sollten daher auch bei der Bemessung von<br />
erfolgsabhängigen Vergütungen von z.B. Geschäftsbereichsleitern<br />
Berücksichtigung finden, soweit Bilanzierungsspielräume<br />
bewusst genutzt werden. Ziel ist eine<br />
„Neutralisierung“ der Auswirkungen bewusster Bilanzpolitik,<br />
die erfolgsabhängig Vergütete begünstigen, nicht hingegen<br />
die Anteilseigner. Beispielhaft dafür ist die Aktivierung<br />
selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände,<br />
die unter Zugrundelegung der Kennzahlen EBIT73, Jahresüberschuss oder Eigenkapitalrendite zu entsprechenden<br />
Vergütungseffekten führen, ohne dass sich das Ausschüttungspotential<br />
erhöht. Abhilfe schaffen solche Kenn-<br />
72 Vgl. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (589).<br />
73 Vgl. ausführlich hierzu Heiden, Pro-forma-Berichterstattung,<br />
in Küting/Weber/Kußmaul (Hrsg.), Bilanz-, Prüfungs- und<br />
Steuerwesen Band 1, 2006; Küting/Weber, <strong>Die</strong> Bilanzanalyse,<br />
9.Aufl. 2009, S.333 ff.<br />
74 Vgl. dazu Kempe/Zimmermann, Accounting 2009, S. 6ff.<br />
75 Vgl. auch Fall c) im Beispiel oben II.1.b).<br />
76 Vgl. oben II.1.b).<br />
zahlen, die Veränderungen von Ausschüttungssperrbeträgen<br />
berücksichtigen, z.B. „Jahresüberschuss nach Anpassungen<br />
an Veränderungen der Ausschüttungssperrbeträge“<br />
74.<br />
V. Fazit<br />
Der deutsche Gesetzgeber hat im Zuge des BilMoG die<br />
Ausschüttungssperre erstmalig in einer gesonderten Gesetzesvorschrift<br />
in §268 Abs.8 HGB kodifiziert und damit<br />
die gestiegene Bedeutung der Ausschüttungssperre betont.<br />
Hintergrund dieser Regelung ist der vom Gesetzgeber neuerdings<br />
versuchte Spagat zwischen der Aufrechterhaltung<br />
der klassischen Prinzipien des deutschen Bilanzrechts<br />
(wie Vorsichtsprinzip, Realisationsprinzip und Imparitätsprinzip)<br />
und dem angelsächsisch geprägten Grundgedanken,<br />
durch den Jahresabschluss entscheidungsnützliche Informationen<br />
bereit zu stellen. <strong>Die</strong> Ausschüttungssperre<br />
dient dem Zweck, den konträren Jahresabschlusszielen gerecht<br />
zu werden. Konkret spiegelt sich die Stärkung der<br />
Informationsfunktion insbesondere in drei Sachverhalten<br />
wieder: wahlweise aktivierte selbst geschaffene Vermögensgegenstände<br />
des immateriellen Anlagevermögens, das<br />
Deckungsvermögen von Pensionsverpflichtungen sowie<br />
das Wahlrecht zum Ansatz eines Aktivüberhangs latenter<br />
Steuern. Da der handelsrechtliche Jahresabschluss weiterhin<br />
als Ausschüttungsbemessungsgrundlage fungiert, wird<br />
bei der Aktivierung solcher mit Unsicherheit behafteter<br />
Aktivposten die Notwendigkeit einer Ausschüttungssperre<br />
ersichtlich. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, inwieweit<br />
die Ausschüttungssperre, die dem Gläubigerschutz<br />
dienen soll, die Abkehr von den klassischen handelsrechtlichen<br />
Aktivierungs- und Bewertungsprinzipien heilen<br />
kann. Denn die in §268 Abs.8 HGB angeführten Sachverhalte<br />
stellen keine bzw. zu hoch bewertete Vermögensgegenstände<br />
dar.<br />
Neben dieser grundsätzlichen Kritik an den Gründen, aus<br />
denen die Ausschüttungssperre resultiert, bestehen darüber<br />
hinaus konzeptionelle Schwächen im Rahmen der Ermittlung<br />
des ausschüttungsgesperrten Betrags. Denn die<br />
passiven latenten Steuern, die bei den selbst geschaffenen<br />
immateriellen Vermögensgegenständen oder den nach<br />
§246 Abs.2 HGB zum Zeitwert bewerteten Vermögensgegenständen<br />
zu berücksichtigen sind, gehen auch in die<br />
Ermittlung des Aktivüberhangs an latenten Steuern ein75. <strong>Die</strong>se systematisch unbegründete teilweise Ausschüttungsentsperrung<br />
unsicherer Erträge aus dem Ansatz aktiver<br />
latenter Steuern spricht gegen den Sinn und Zweck,<br />
der mit der Ausschüttungssperre verbunden ist. <strong>Die</strong> Berücksichtigung<br />
von passiven latenten Steuern, die mit ausschüttungsgesperrten<br />
Posten gemäß §268 Abs.8 S.1 u. 3<br />
HGB in Verbindung stehen, ist bei der Bestimmung der<br />
Höhe des Ausschüttungssperrbetrags in Folge eines aktivischen<br />
Überhangs latenter Steuern entgegen dem Wortlaut<br />
der Vorschrift nicht zulässig76. Weiter sollte durch eine Vorschrift, die im Sinne des Gläubigerschutzes<br />
steht, ersichtlich sein, ob bzw. welcher Teil<br />
des Bilanzgewinns tatsächlich ausgekehrt werden darf.<br />
Durch die Anhangangabe in §285 Nr.28 HGB wird jedoch<br />
lediglich ersichtlich, in welcher Höhe frei verwendbare<br />
Eigenkapitalbestandteile mindestens in der Bilanz<br />
verbleiben müssen. Aus diesem Grund sollte die Anhangangabe<br />
in der Weise erweitert werden, dass die ausschüttungsgesperrten<br />
Beträge i.S.d. §268 Abs.8 HGB den frei<br />
verwendbaren Eigenkapitalbestandteilen gegenübergestellt<br />
werden und damit ersichtlich wird, ob die Ausschüt-
10<br />
Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />
<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />
tungssperre einen Einfluss auf die Ausschüttung des Bilanzgewinns<br />
hat. Für den Ausweis des ausschüttungsgesperrten<br />
Betrags existiert keine Regelung, so dass der<br />
nicht zur Ausschüttung verwendete Betrag entweder als<br />
Gewinn vorgetragen oder in die Rücklagen der Gesellschaft<br />
eingestellt werden kann 77.<br />
Für den Bilanzierenden bedeutet die Ausschüttungssperre<br />
einen erheblichen Mehraufwand, da er im Kontext der<br />
Ausschüttungspolitik neben der Eigenkapitalstruktur und<br />
den spezifischen gesellschaftsrechtlichen Normen auch<br />
die relevanten handelsbilanziellen Normen berücksichtigen<br />
muss. Darüber hinaus müssen Konzernunternehmen<br />
im Falle einer Gewinnabführung die mögliche Veränderung<br />
der Berechnung des Höchstbetrags beachten. <strong>Die</strong><br />
Notwendigkeit einer Erweiterung der Ausschüttungssperre<br />
verdeutlicht damit nicht nur den Bruch mit den klassischen<br />
Prinzipien des deutschen Bilanzrechts, sondern<br />
führt zu einem weiteren Anstieg der Kosten und den Anforderungen<br />
bei der Erstellung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses.<br />
Dr. Gottfried E. Breuninger/Dr. Magnus Müller *<br />
Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />
– Steuerrechtliche Behandlung – Chaos perfekt? –<br />
<strong>Die</strong> handelsbilanzielle Behandlung eigener Anteile ist<br />
durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG<br />
gesetzlich neu geregelt worden. <strong>Die</strong> Folgen dieser Neuregelung<br />
für die steuerrechtliche Behandlung des Erwerbs<br />
eigener Anteile werden derzeit kontrovers diskutiert. Aus<br />
steuerrechtlicher Sicht stellen sich nicht zuletzt auch<br />
nach der Aufhebung des BMF-Schreibens aus dem Jahr<br />
1998 zur steuerlichen Behandlung des Erwerbs eigener<br />
I. Problemstellung<br />
Der Erwerb eigener Anteile ist seit jeher Gegenstand eines<br />
Streits über die „zwitterhafte“ Rechtsnatur eigener Anteile<br />
gewesen1. Während die Vertreter der „Wirtschaftsguts-<br />
Auffassung“ eigene Anteile im Hinblick auf die jederzeitige<br />
Veräußerbarkeit als Wirtschaftsgut und damit den Erwerb<br />
als Anschaffung der Gesellschaft und als Veräußerung<br />
durch den bisherigen Gesellschafter angesehen haben2,<br />
geht eine andere Auffassung von einer Teilliquidation<br />
aus3. Danach ist bei der Gesellschaft der Erwerb eigener<br />
Anteile ähnlich einer Kapitalherabsetzung und die<br />
Veräußerung der eigenen Anteile als Kapitalerhöhung zu<br />
behandeln. Der Streit rührt auch teilweise von der besonderen<br />
gesellschaftsrechtlichen und bilanziellen Behandlung,<br />
wonach in Bezug auf eigene Anteile die Stimmrechte<br />
und das Gewinnbezugsrecht ruhen4. Außerdem war<br />
nach bisherigem Recht gemäß §272 Abs.4 HGB a.F. 5<br />
eine Rücklage für eigene Anteile zu bilden, welche zu einer<br />
Ausschüttungssperre führte. Besondere Fragen ergeben<br />
sich bei einer sog. Keinmann-<strong>GmbH</strong>, bei der alle Anteile<br />
durch die <strong>GmbH</strong> erworben werden6, im Aktienrecht<br />
sind besondere Beschränkungen bzgl. des Erwerbs eigener<br />
Aktien geregelt7. Durch die Neuregelung der Behandlung<br />
eigener Anteile durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz<br />
– BilMoG8 stellen sich diese Fragen sozusagen in einem<br />
neuen Kontext (s. unten III.).<br />
Zur Verdeutlichung soll folgender Beispielsfall dienen:<br />
Zum 1.1.2009 beträgt das gezeichnete Kapital der A-<br />
<strong>GmbH</strong> 100T. und die Kapitalrücklage 900T.. ImJahr<br />
2009 erwirbt die A-<strong>GmbH</strong> 5% eigene Anteile zum fair<br />
market value von 200T.. Am1.1.2010stelltdieA-<br />
<strong>GmbH</strong> ihre Bilanz auf das BiMoG um. Im Jahr 2010<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
77 Damit verbundene Auswirkungen auf die Ergebnisverwendung<br />
der Folgejahre sind allerdings zu berücksichtigen. Vgl. hierzu<br />
oben III.1.<br />
Aktien durch das BMF-Schreiben vom 10.8.2010 zahlreiche<br />
offene und ungeklärte Fragen. <strong>Die</strong> Autoren geben im<br />
Lichte der bisherigen steuerlichen Behandlung eigener<br />
Anteile einen Überblick über die steuerrechtlichen Implikationen<br />
der Neuregelung, erläutern anhand eines Beispielsfalls<br />
deren handels- und steuerrechtliche Konsequenzen<br />
und entwickeln daraus ein steuerrechtlich<br />
stimmiges Konzept.<br />
erwirbt die A-<strong>GmbH</strong> weitere 5% eigene Anteile zum<br />
fair market value von ebenfalls 200T.. Ende 2010 veräußert<br />
die A-<strong>GmbH</strong> sämtliche eigene Anteile zu einem<br />
Kaufpreis von 500T..<br />
Es soll dabei von folgender Bilanz der A-<strong>GmbH</strong> zum<br />
1.1.2009 ausgegangen werden:<br />
* Dr. Gottfried E. Breuninger ist Rechtsanwalt und Partner, Dr.<br />
Magnus Müller ist Rechtsanwalt und Associate bei Allen &<br />
Overy LLP, München.<br />
1 Der Streit um die Doppelnatur beinhaltete die Frage, ob eigene<br />
Anteile als Wirtschaftsgut qualifizieren oder als bloßer Korrekturposten<br />
zum Eigenkapital.<br />
2 Vgl. z.B. Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1080);<br />
Breuninger, DStZ 1991, 420 (424); Ebling in Blümich, EStG/<br />
KStG/GewStG, §17 EStG Rz. 147; Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach,<br />
EStG/KStG, §17 EStG Rz. 91; Frotscher,<br />
EStG, §17 Rz. 66; Prinz/v.Freeden, FR 2005, 533 (534); Rödder/Wochinger,<br />
DStR 2006, 684 (688).<br />
3 Vgl. Thiel, FS L. Schmidt, 1993, S. 569f.; Thiel, DB 1998,<br />
1583 ff.<br />
4 Für die AG vgl. §71b AktG, für die <strong>GmbH</strong> allgemeine Meinung;<br />
vgl. nur BGH v. 30.1.1995 – II ZR 45/94, <strong>GmbH</strong>R 1995,<br />
291.<br />
5 Letztmalig anzuwenden auf Jahres- und Konzernabschlüsse für<br />
das vor dem 1.1.2010 beginnende Geschäftsjahr, vgl. Art. 66<br />
Abs. 3 EGHGB.<br />
6 Vgl. dazu Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G,<br />
19. Aufl. 2010, §33 Rz. 19.<br />
7 Vgl. §§71ff. AktG mit einer grundsätzlichen Beschränkung auf<br />
10 % des Grundkapitals.<br />
8 BGBl. I 2009, 1102 ff.
Dr. Gottfried E. Breuninger / Dr. Magnus Müller<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 11<br />
Ausgangsbilanz der A-<strong>GmbH</strong><br />
Bank 1,000.00<br />
Sonstige Aktiva 1,000.00<br />
Summe Aktiva 2,000.00<br />
Gezeichnetes Kapital 100.00<br />
Kapitalrücklage 900.00<br />
Gewinnrücklage 1,000.00<br />
Summe Passiva 2,000.00<br />
II. Rückkauf von eigenen Anteilen nach alter<br />
Rechtslage vor Anwendung des BilMoG in 2009<br />
1. Behandlung als Anschaffungsvorgang bei erwerbender<br />
Körperschaft und Veräußerung bei der<br />
veräußernden Körperschaft<br />
a) Handelsbilanzielle Behandlung<br />
Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />
Nach bisher geltendem Recht vor Inkrafttreten des<br />
BilMoG wurden eigene Anteile auf der Aktivseite der Bilanz<br />
als Umlaufvermögen (§266 Abs.2 B.III. Nr.2 HGB<br />
a.F.) erfasst. Auf der Passivseite war zwingend ein entsprechender<br />
Posten in Form einer Rücklage für eigene Anteile<br />
zu bilden (§274 Abs.4 S.1–3 HGB a.F.). Handelsbilanzrechtlich<br />
waren eigene Anteile vor Inkrafttreten des<br />
BilMoG als Vermögensgegenstände anzusehen (§265<br />
Abs.3 S.2 i.V.m. §266 Abs.2 B.III. Nr.2, §272 Abs.4 S.1<br />
HGB a.F.).<br />
9 BMF v. 2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I 1998,<br />
1509.<br />
10 BFH v. 23.2.2005 – I R 44/04, BStBl. II 2005, 522 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2005, 783 m. Komm. Mildner; v. 6.12.1995 – I R 51/95,<br />
BStBl. II 1998, 781 = <strong>GmbH</strong>R 1996, 304; v. 16.7.1965 – VI<br />
71/64U, BStBl. III 1965, 618; v. 28.10.1964 – IV 208/64U,<br />
BStBl. III 1965, 59.<br />
11 Vgl. Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1080); Breuninger,<br />
DStZ 1991, 420 (424); Ebling in Blümich, EStG/KStG/<br />
GewStG, § 17 EStG Rz. 147; Eilers/R. Schmidt in Herrmann/<br />
Heuer/Raupach, EStG/KStG, §17 EStG Rz. 91; Frotscher,<br />
EStG, § 17 Rz. 66; Prinz/v.Freeden, FR 2005, 533 (534); Rödder/Wochinger,<br />
DStR 2006, 684 (688); Schulte in Ernst &<br />
Young, KStG, § 17 EStG Rz. 85; Wassermeyer, FS L. Schmidt,<br />
1993, S. 623f.<br />
12 BMF v. 2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I 1998,<br />
1509.<br />
13 Vgl. Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1080); Gosch,<br />
KStG, 2. Aufl. 2009, §8 Rz. 576 Fn.3, a.E.; Mayer, Ubg 2008,<br />
779 (781); Prinz/v.Freeden, FR 2005, 533 (534); Winkler in<br />
Ernst & Young, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte<br />
Einlagen, Fach 4 „Eigene Anteile“ Rz. 10.<br />
14 BFH v. 27.3.1979 – VIII R 95/76, BStBl. II 1979, 553 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 1979, 189; v. 18.4.1989 – VIII R 329/84, BFH/NV<br />
1990, 27; v. 16.2.1954 – I 13/53 U, BStBl. III 1954, 201.<br />
15 BFH v. 6.12.1995 – I R 51/95, BStBl. II 1998, 781 = <strong>GmbH</strong>R<br />
1996, 304.<br />
16 Vgl. Thiel, FS L. Schmidt, 1993, S. 569f.; Thiel, DB 1998,<br />
1583; s. auch Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die<br />
AG, 2002, Rz. 54f.<br />
17 § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. §5 Abs. 1 EStG.<br />
18 So auch BFH v. 23.2.2005 – I R 44/04, BStBl II 2005, 522 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 2005, 783 m. Komm. Mildner.<br />
19 Vgl. Prinz/v.Freeden, FR 2005, 533 (534).<br />
20 Prinz/v.Freeden, FR 2005, 533 (534).<br />
21 Vgl. BMF v. 2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I<br />
1998, 1509, Tz. 19; Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079<br />
(1080).<br />
22 BFH v. 27.3.1979 – VIII R 95/76, BStBl. II 1979, 553 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 1979, 189. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde,<br />
bei dem alle Gesellschafter einer <strong>GmbH</strong> gleiche Teile<br />
ihrer Geschäftsanteile auf diese übertrugen.<br />
Nach altem Recht stellt sich die Handelsbilanz der A-<br />
<strong>GmbH</strong> nach Erwerb der eigenen Anteile in 2009 wie folgt<br />
dar:<br />
Erwerb 5% eigener Anteile in 2009<br />
Bank 800.00<br />
Eigene Anteile* 200.00<br />
Sonstige Aktiva 1,000.00<br />
Summe Aktiva 2,000.00<br />
* Vgl. § 266 Abs.2 B. III. Nr. 2 HGB a.F.<br />
Gezeichnetes Kapital 100.00<br />
Rücklage für eigene<br />
Anteile* 200.00<br />
Kapitalrücklage 900.00<br />
Gewinnrücklage* 800.00<br />
Summe Passiva 2,000.00<br />
* Vgl. § 272 Abs.4 S. 1 HGB a.F.<br />
* Vgl. § 272 Abs.4 S. 6 HGB a.F.<br />
b) Steuerliche Behandlung<br />
Steuerlich war der Erwerb der eigenen Anteile durch die<br />
A-<strong>GmbH</strong> im Jahr 2009 nach ganz h.A. als Anschaffungsvorgang<br />
zu qualifizieren. <strong>Die</strong> Finanzverwaltung9, die neuere<br />
Rechtsprechung10 und die h.M. in der Literatur11 gingen<br />
nach alter Rechtslage bislang einhellig davon aus,<br />
dass der Erwerb eigener Anteile steuerrechtlich einen Anschaffungsvorgang<br />
darstellt. Soweit die Finanzverwaltung<br />
bislang in dem insoweit einschlägigen BMF-Schreiben12 nur den Erwerb eigener Aktien behandelte, wird allgemein<br />
davon ausgegangen, dass diese Ausführungen auch<br />
für den Erwerb eigener <strong>GmbH</strong>-Anteile galten13. Frühere BFH-Urteile, in welchen der BFH den Erwerb eigener<br />
Anteile als Einlagenrückgewähr qualifizierte14, hatten<br />
keine Fragen bilanzrechtlicher Art zum Gegenstand15 und sollten demnach der Qualifikation als Anschaffungsvorgang<br />
nicht entgegenstehen.<br />
Soweit einzelne Stimmen in der Literatur16 in dem Erwerb<br />
eigener Anteile eine Teilliquidation sehen, ist diese Auffassung<br />
u.E. überholt. Da die eigenen Anteile handelsbilanzrechtlich<br />
vor Inkrafttreten des BilMoG als Vermögensgegenstände<br />
anzusehen waren, galt dies nach dem<br />
Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz auch für<br />
die Steuerbilanz17, so dass eigene Anteile bilanzsteuerrechtlich<br />
Wirtschaftsgüter darstellten18. <strong>Die</strong> erworbenen Anteile waren somit in der Handels- und<br />
Steuerbilanz mit den Anschaffungskosten im Umlaufvermögen<br />
zu aktivieren, es sei denn die Anteile waren zur<br />
Einziehung erworben worden19. SoweitdieAnteilezur<br />
Einziehung erworben wurden, schied eine Aktivierung<br />
aus, die Anteile waren dann vom Eigenkapital einschließlich<br />
der Gewinnrücklagen abzusetzen20. Der Erwerb eigener<br />
Anteile wurde danach beim veräußernden Gesellschafter<br />
auch steuerrechtlich als Veräußerung angesehen und es<br />
wurde insbesondere auch keine Ausschüttung von der Gesellschaft<br />
an den veräußernden Gesellschafter angenommen21.<br />
<strong>Die</strong> Annahme eines Erwerbs- bzw. Veräußerungsvorgangs<br />
sollte u.E. auch in dem Fall zutreffend sein, bei dem die<br />
eigenen Anteile vom Alleingesellschafter der erwerbenden<br />
Gesellschaft erworben werden. Auch insoweit ist die Entscheidung<br />
des BFH vom 27.3.197922, welche den Erwerb<br />
eigener Anteile als Einlagenrückgewähr darstellt, überholt.<br />
Denn in seiner neueren Rechtsprechung hat der BFH<br />
ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei dem Erwerb eigener<br />
Anteile um einen Anschaffungsvorgang handelt und<br />
entsprechend auf Seiten des Veräußerers steuerlich von ei-
12<br />
ner Veräußerung auszugehen ist 23. Überdies erscheint die<br />
Annahme einer Ausschüttung in der Entscheidung des<br />
BFH aus dem Jahre 1979 24 auch sehr zweifelhaft im Hinblick<br />
auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung<br />
(GoB) 25. Danach wäre bilanziell grundsätzlich eine Veräußerung<br />
abzubilden und dementsprechend unter Anwendung<br />
des Realisationsprinzips buchungstechnisch der Veräußerungspreis<br />
als Forderung einzubuchen und der anteilige<br />
Buchwert der Beteiligung auszubuchen. <strong>Die</strong> Auffassung<br />
des BFH im Urteil aus dem Jahre 1979 26 hätte dagegen<br />
zur Folge, dass bei zum Betriebsvermögen des veräußernden<br />
Gesellschafters gehörenden Anteilen trotz der<br />
Veräußerung der Beteiligungsansatz unverändert bliebe<br />
und der Gegenwert als außerordentlicher Ertrag auszuweisen<br />
wäre. Es würde damit eine Beteiligung ausgewiesen,<br />
die der Gesellschafter gar nicht mehr innehat. <strong>Die</strong>s wird<br />
spätestens bei der Weiterveräußerung der Beteiligung<br />
durch die Gesellschaft evident. Eine solche „Nicht-Abbildung“<br />
des Abgangs eines Buchwerts würde daher auch<br />
den GoB widersprechen.<br />
2. BMF-Schreiben vom 10.8.2010 – Abkehr von den<br />
bisherigen Grundsätzen?<br />
Nach Inkrafttreten des BilMoG hat das BMF mit Schreiben<br />
vom 10.8.201027 das frühere Schreiben vom<br />
2.12.199828 aufgehoben und die darin enthaltenen Grundsätze<br />
für alle offenen Fälle, die unter das Halbeinkünfteverfahren<br />
fallen, für nicht mehr anwendbar erklärt. Als<br />
Begründung hierfür führt das BMF an, dass die bislang<br />
geltenden Grundsätze auf das damalige Vollanrechnungsverfahren<br />
zugeschnitten waren und aufgrund zwischenzeitlich<br />
erfolgter Gesetzesänderungen im Steuer- und Gesellschaftsrecht<br />
überholt seien. Weitergehende Hinweise<br />
darauf, wie der Erwerb eigener Anteile im Anwendungsbereich<br />
des BilMoG nach Ansicht der Finanzverwaltung<br />
steuerlich zu behandeln ist, ergeben sich aus dem Schreiben<br />
nicht. Dem Vernehmen nach ist eine Neufassung des<br />
Schreibens in Arbeit. Es stellt sich vor diesem Hintergrund<br />
die Frage, ob die Finanzverwaltung nunmehr geänderte<br />
steuerliche Folgen bzgl. des Erwerbs eigener Anteile<br />
für offene Fälle nach bisherigem Recht ziehen möchte.<br />
U.E. gibt es keine Grundlage für eine Abweichung von<br />
der bisherigen steuerlichen Behandlung, wie sie vorstehend<br />
unter II.1.b) dargestellt ist.<br />
III. Handelsrechtliche und steuerliche Behandlung<br />
des Erwerbs eigener Anteile nach BilMoG<br />
1. Handelsbilanzielle Behandlung des Erwerbs<br />
eigener Anteile nach dem BilMoG<br />
Das BilMoG regelt die Behandlung eigener Anteile dahingehend<br />
neu, dass nun zwingend eine passivische Kürzung<br />
vom Eigenkapital vorgenommen werden muss und der aktivische<br />
Ausweis eigener Anteile damit abgeschafft wird.<br />
Außerdem entfällt die Verpflichtung zur Bildung einer<br />
„Rücklage für eigene Anteile“. Mit der Gesetzesänderung<br />
soll die „Bilanzierung eigener Anteile vereinfacht“ und<br />
„dem wirtschaftlichen Gehalt des Rückkaufs beziehungsweise der<br />
Veräußerung eigener Anteile als Auskehrung frei verfügbarer<br />
Rücklagen an die Anteilseigner beziehungsweise wirtschaftlicher<br />
Kapitalerhöhung handelsbilanziell Rechnung getragen werden“29.<br />
Es erfolgt eine Annäherung des HGB an IFRS30. Bei einem Erwerb von weiteren 5% eigenen Anteilen im<br />
Jahre 2010 durch die A-<strong>GmbH</strong> findet die Neuregelung des<br />
Dr. Gottfried E. Breuninger / Dr. Magnus Müller<br />
Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />
§272 Abs.1a HGB i.d.F. BilMoG Anwendung. <strong>Die</strong> neue<br />
Regelung hat folgenden Wortlaut:<br />
„Der Nennbetrag oder, falls ein solcher nicht vorhanden ist, der<br />
rechnerische Wert von erworbenen eigenen Anteilen ist in der<br />
Vorspalte offen von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ abzusetzen.<br />
Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennbetrag oder dem<br />
rechnerischen Wert und den Anschaffungskosten der eigenen Anteile<br />
ist mit den frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen. Aufwendungen,<br />
die Anschaffungsnebenkosten sind, sind Aufwand<br />
des Geschäftsjahres.“<br />
<strong>Die</strong> Neuregelung behandelt damit den Fall des Erwerbs eigener<br />
Anteile als eigenkapitalmindernd. <strong>Die</strong>s gilt unabhängig<br />
von dem Zweck des Erwerbs. Spiegelbildlich zum<br />
Erwerb eigener Anteile wird jede Wiederveräußerung von<br />
eigenen Anteilen wirtschaftlich als Kapitalerhöhung begriffen:<br />
„Nach der Veräußerung der eigenen Anteile entfällt der Ausweis<br />
nach Abs.1a S.1. Ein den Nennbetrag oder den rechnerischen<br />
Wert übersteigender Differenzbetrag aus dem Veräußerungserlös<br />
ist bis zur Höhe des mit den frei verfügbaren Rücklagen verrechneten<br />
Betrages in die jeweiligen Rücklagen einzustellen. Ein darüber<br />
hinaus gehender Differenzbetrag ist in die Kapitalrücklage<br />
gemäß Abs.2 Nr.1 einzustellen. <strong>Die</strong> Nebenkosten der Veräußerung<br />
sind Aufwand des Geschäftsjahres“ (§272 Abs.1b HGB<br />
i.d.F. BilMoG).<br />
Damit wird der Erwerb eigener Anteile bei der erwerbenden<br />
Gesellschaft bilanziell nicht mehr als Anschaffungsgeschäft<br />
behandelt. <strong>Die</strong> erworbenen Anteile werden nicht<br />
mehr als Wirtschaftsgüter bilanziell erfasst.<br />
Mit Übergang auf das BilMoG zum 1.1.2010 31 ist der Ausweis<br />
der zu diesem Zeitpunkt von der A-<strong>GmbH</strong> gehaltenen<br />
eigenen Anteile nicht mehr zulässig. <strong>Die</strong> Bilanz der A-<br />
<strong>GmbH</strong> ist in der Weise anzupassen, dass die Rücklage für<br />
eigene Anteile von 200T. aufgelöst wird. <strong>Die</strong>ser Betrag ist<br />
in die frei verfügbaren Rücklagen (andere Gewinnrücklagen<br />
und frei verfügbare Kapitalrücklagen) einzustellen, d.h.<br />
es findet zunächst eine Erhöhung statt. Das gezeichnete Kapital<br />
ist um den Nennbetrag der eigenen Anteile zu kürzen<br />
(hier 5T.), der darüber hinausgehende Betrag wird mit den<br />
frei verfügbaren Rücklagen verrechnet. Auf der Aktivseite<br />
sind die eigenen Anteile auszubuchen.<br />
<strong>Die</strong> Umstellung der Bilanz der A-<strong>GmbH</strong> am 1.1.2010 reflektiert<br />
diese Neuregelungen des BilMoG wie folgt:<br />
„BilMoG Überleitungsbilanz“ zum 1.1.2010<br />
Bank 800.00<br />
Sonstige Aktiva 1,000.00<br />
Summe Aktiva 1,800.00<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
Gezeichnetes Kapital 95.00<br />
Kapitalrücklage 705.00<br />
Gewinnrücklage 1,000.00<br />
Summe Passiva 1,800.00<br />
23 BFH v. 6.12.1995 – I R 51/95, BStBl. II 1998, 781 = <strong>GmbH</strong>R<br />
1996, 304.<br />
24 BFH v. 27.3.1979 – VIII R 95/76, BStBl. II 1979, 553 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 1979, 189.<br />
25 Vgl. Raupach, JBFfSt 1980/1981, S.263 (268).<br />
26 BFH v. 27.3.1979 – VIII R 95/76, BStBl. II 1979, 553 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 1979, 189.<br />
27 BMF v. 10.8.2010 – IV C 2-S 2742/07/10009 – DOK 2010/<br />
0573786, BStBl. I 2010, 659.<br />
28 BMF v. 2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I 1998,<br />
1509.<br />
29 BilMoG RegE, BT-Drucks. 16/10067, S.65.<br />
30 Vgl. dazu Küting/Reuter, BB 2008, 658ff.; Hüttemann, FS<br />
Herzig, 2010, S.595 (600).<br />
31 Zu einer „BilMoG Überleitungsbilanz“ vgl. Melcher/Tonas,<br />
KoR 2010, 50f.
Dr. Gottfried E. Breuninger / Dr. Magnus Müller<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 13<br />
Es stellt sich die Frage, ob bereits diese Umstellung der<br />
Handelsbilanz auf das BilMoG steuerliche Auswirkungen<br />
nach sich zieht. Im Ergebnis wird durch die Überleitungsbilanz<br />
eine handelsbilanzielle Behandlung hergestellt, wie<br />
sie gewesen wäre, wenn der Erwerb eigener Anteile schon<br />
nach neuem Recht erfolgt wäre. U.E. sollte die „Umgliederung“<br />
zur Anpassung der Bilanz auf das BilMoG im Ergebnis<br />
steuerlich neutral zu behandeln sein. Es stellt sich<br />
nachfolgend diskutierte Frage des Direktzugriffs auf das<br />
steuerliche Einlagekonto 32. Hier würde eine Ablehnung<br />
eines Direktzugriffs auf das steuerliche Einlagekonto mit<br />
der möglichen Folge einer Kapitalertragsteuerpflicht noch<br />
sehr viel frappierender erscheinen, da die bloße Umgliederung<br />
auf einmal eine Steuerbelastung (ohne jegliche<br />
Rechtsgrundlage) auslösen würde. Daher muss es bei der<br />
steuerneutralen Behandlung bleiben.<br />
Der Erwerb eigener Anteile Ende 2010 ist dementsprechend<br />
in der Handelsbilanz der A-<strong>GmbH</strong> wie folgt zu erfassen:<br />
Erwerb weiterer 5 % eigener Anteile in 2010<br />
Bank 600.00<br />
Sonstige Aktiva 1,000.00<br />
Summe Aktiva 1,600.00<br />
Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />
Gezeichnetes Kapital 90.00<br />
Kapitalrücklage 510.00<br />
Gewinnrücklage 1,000.00<br />
Summe Passiva 1,600.00<br />
2. Steuerliche Behandlung des Erwerbs eigener<br />
Anteile nach dem BilMoG<br />
a) Eigene Anteile als Wirtschaftsgüter im<br />
steuerrechtlichen Sinn?<br />
<strong>Die</strong> handelsrechtlich durch das BilMoG getroffene Wertung,<br />
dass die erworbenen Anteile nicht mehr als Vermögensgegenstände<br />
erfasst werden, schlägt nach h.M. über<br />
§5 Abs.1 EStG grundsätzlich auch auf das Steuerrecht<br />
durch33. Allerdings könnte man hinterfragen, ob es sich<br />
bei §272 Abs.1a u. b HGB als rechtsformspezifische Vorschriften<br />
überhaupt um GoB handelt34. Darüber hinaus<br />
könnte gegen eine Maßgeblichkeit auch sprechen, dass die<br />
vorgenannten Vorschriften sich auf die Bilanzpositionen<br />
„Gezeichnetes Kapital“ und „Rücklagen“ beziehen und<br />
der Maßgeblichkeitsgrundsatz sich stattdessen auf das relevante<br />
Betriebsvermögen bezieht, während es sich beim<br />
Eigenkapital um eine Saldogröße und kein Wirtschaftsgut<br />
handelt. <strong>Die</strong> h.M. begründet die Anwendung der Maßgeblichkeit<br />
damit, dass auch in der gesetzlichen Anordnung<br />
32 Zu dieser Problematik s. nachstehend III.2.b.<br />
33 Vgl. z.B. Mayer, Ubg 2008, 779 (782), Blumenberg/Roßner,<br />
<strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1082).<br />
34 S. hierzu Lechner/Haisch, Ubg 2010, 691 (693). Schmidtmann,<br />
StuW 2010, 286 (291 f.), geht davon aus, dass sich der Begriff<br />
des Vermögensgegenstands nach dem Aktivierungsgrundsatz<br />
als nicht kodifizierten GoB richte, und gelangt auf dieser<br />
Grundlage bei Differenzierung zwischen abstrakter und konkreter<br />
Aktivierungsfähigkeit zu dem Ergebnis, dass eigene Anteile<br />
mangels konkreter handelsrechtlicher Aktivierungsfähigkeit<br />
wegen des Maßgeblichkeitsprinzips in der Steuerbilanz<br />
nicht als Wirtschaftsgut aktiviert werden können.<br />
35 Vgl. hierzu Lechner/Haisch, Ubg 2010, 691 (693), m.w.N.<br />
36 BMF v. 2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I 1998,<br />
1509.<br />
37 S. auch Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer,<br />
§ 27 KStG Tz. 69f.<br />
die eigenen Anteile nicht als Vermögensgegenstände auszuweisen<br />
seien und die Vorschriften sich nicht nur auf die<br />
Kapitalseite der Bilanz beziehen sollen 35. Letztlich ist damit<br />
aber noch nicht entschieden, ob die gesetzliche Änderung<br />
zwingend dazu führt, dass eigene Anteile, die in der<br />
Hand des veräußernden Gesellschafters unzweifelhaft<br />
Wirtschaftsgüter waren, diese Eigenschaft mit dem Erwerb<br />
eigener Anteile verlieren oder ob §272 Abs.1a u. b<br />
HGB nicht als bloße Regelung des Ausweises der Anteile<br />
und nicht als Entscheidung über die Qualität als Vermögensgegenstand<br />
in der Handelsbilanz bzw. als Wirtschaftsgut<br />
in der Steuerbilanz anzusehen ist. Es stellt sich damit<br />
die Frage, ob diese Änderung auch eine Änderung der bisherigen<br />
steuerrechtlichen Behandlung nach sich zieht.<br />
U.E. sind eigene Anteile auch weiterhin als Wirtschaftsgüter<br />
anzusehen. Denn die geänderte handelsbilanzielle Behandlung<br />
bedeutet kein Abgehen von dem bisher geltenden<br />
Grundsatz, dass die erwerbende Kapitalgesellschaft<br />
einen Vermögensgegenstand bzw. ein Wirtschaftsgut erwirbt.<br />
<strong>Die</strong> Anteile sind weiterhin einer selbständigen Bewertung<br />
zugänglich und können weiterhin erworben und<br />
veräußert werden. Allein die Anordnung des bilanziellen<br />
Ausweises der eigenen Anteile auf der Passivseite unter<br />
dem Eigenkapital kann u.E. grundsätzlich nicht die Entscheidung<br />
über die Wirtschaftsgutqualität eigener Anteile<br />
beeinflussen. <strong>Die</strong>s ist von erheblicher Bedeutung für die<br />
steuerliche Behandlung der Veräußerung eigener Anteile<br />
(s. dazu unten V.). Es wäre daher auch denkbar, dass man<br />
die eigenen Anteile in der Steuerbilanz weiterhin als Wirtschaftsgüter<br />
mit den Anschaffungskosten ausweist. Allerdings<br />
erscheint es im Hinblick auf die Maßgeblichkeit gemäß<br />
§5 Abs.1 EStG wohl zutreffender, dass man auch in<br />
der Steuerbilanz die eigenen Anteile „mit Null“ ausweist.<br />
Hierdurch stellt sich die Frage der steuerrechtlichen Behandlung<br />
dieser Verminderung des Eigenkapitals.<br />
b) Auswirkungen auf das steuerliche Einlagekonto<br />
Daher ist zu untersuchen, welche Auswirkungen der Erwerb<br />
eigener Anteile auf das steuerliche Einlagekonto gemäß<br />
§27 KStG hat. Es zeigt sich, dass die Neuregelung<br />
des BilMoG mit der Regelung in §§27, 28 KStG nicht abgestimmt<br />
worden ist. Nach der bisherigen Behandlung des<br />
Erwerbs eigener Anteile nach altem Recht hatte sich die<br />
Frage überhaupt nicht gestellt, da es sich unstreitig um<br />
den Erwerb eines Wirtschaftsguts mit den Anschaffungskosten<br />
gehandelt hat, bei dem die Frage einer Kapitalherabsetzung<br />
oder -erhöhung nicht relevant war.<br />
Nach bisherigem Recht war nach dem BMF-Schreiben<br />
vom 2.12.199836 zum Erwerb eigener Aktien nur beim Erwerb<br />
eigener Anteile zur Einziehung der Anteil des Kaufpreises,<br />
der den Nennwert der Anteile übersteigt, vom<br />
EK04 (heute steuerliches Einlagekonto) abzuziehen37. Das EK04 konnte dabei auch negativ werden. Eigene Anteile,<br />
die nicht zum Zwecke der Einziehung erworben<br />
wurden, waren als Umlaufvermögen zu aktivieren und ein<br />
solcher Anteilserwerb wirkte sich nicht auf das steuerliche<br />
Einlagekonto (ehemaliges EK04) aus.<br />
Ob diese Handhabung auch nach dem Wechsel vom Anrechnungs-<br />
zum Halb-/Teileinkünfteverfahren noch gilt,<br />
ist nicht zuletzt nach der Aufhebung des BMF-Schreibens<br />
fraglich. Da nunmehr nach BilMoG unabhängig vom Erwerbszweck<br />
der Erwerb eigener Anteile handelsrechtlich<br />
auf Ebene der erwerbenden Körperschaft als Kapitalherabsetzung<br />
behandelt wird, stellt sich die Frage, ob die zum
14<br />
alten Recht geltenden Grundsätze hinsichtlich der Einziehung<br />
nun insgesamt für den Erwerb eigener Anteile in Bezug<br />
auf das steuerliche Einlagekonto in der Weise Anwendung<br />
finden, dass wie bei der früheren Behandlung der<br />
Einziehung der Teil der Anschaffungskosten der erworbenen<br />
Anteile, der den Betrag der Kapitalherabsetzung übersteigt,<br />
vom steuerlichen Einlagekonto in Abzug zu bringen<br />
ist bzw. bei späterer Weiterveräußerung der eigenen<br />
Anteile der Differenzbetrag i.S.v. §272 Abs.1b S.2 HGB<br />
das Einlagekonto erhöht.<br />
Mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Regelung<br />
des §27 KStG werden im Schrifttum insoweit Bedenken<br />
geäußert. <strong>Die</strong>se stützen sich einerseits darauf, dass ein<br />
Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto nur noch in<br />
den dort aufgezählten Fällen (organschaftliche Mehrabführungen,<br />
Rückzahlung von Nennkapital nach vorangegangenen<br />
Kapitalerhöhungen aus Rücklagen) erlaubt ist38. Andererseits setzt eine Verringerung des steuerlichen Einlagekontos<br />
eine Leistung i.S.v. §27 Abs.1 S.3KStG voraus,<br />
also eine Auskehrung, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis<br />
hat und beim Anteilseigner zu Kapitaleinkünften<br />
(§20 Abs.1 Nr.1, 2, 9 oder 10 EStG) führt.<br />
Zur Vermeidung einer Besteuerung von Einlagenrückzahlungen<br />
beim Anteilseigner werden jedoch Bezüge ausgenommen,<br />
die aus Ausschüttungen einer Körperschaft<br />
stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto<br />
i.S.d. §27 KStG als verwendet gelten (vgl. §20<br />
Abs.1 Nr.1 S.3 EStG). Vor diesem Hintergrund wird das<br />
Vorliegen einer Leistung i.S.v. §27 KStG verneint39. Gegen<br />
die Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos bei Weiterveräußerung<br />
der eigenen Anteile führen Dötsch/Pung40 die Überlegung an, dass dies die Leistung einer Einlage<br />
durch den Erwerber voraussetze, es sich aber aus dessen<br />
Sicht bei dem gezahlten Erwerbspreis nicht um eine unentgeltliche<br />
Zuwendung handele, sondern um eine Gegenleistung<br />
für den Erwerb der Anteile und damit einen entgeltlichen<br />
Vorgang.<br />
Überwiegend wird im Schrifttum davon ausgegangen,<br />
dass ein Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto zuzulassen<br />
sei. <strong>Die</strong> Begründungen hierfür sind unterschiedlich.<br />
Förster/Schmidtmann41 gehen davon aus, dass die<br />
Zahlung des Erwerbspreises wie bei einer Kapitalherabsetzung<br />
als Leistung i.S.v. §27 KStG anzusehen sei, für die<br />
gemäß §28 Abs.2 KStG vorrangig das um das Nennkapital<br />
der erworbenen eigenen Anteile erhöhte steuerliche<br />
Einlagenkonto als verwendet gelten würde (fiktive Auskehrung<br />
als Leistung). Auch Mayer42 geht von einem Direktzugriff<br />
auf das steuerliche Einlagenkonto mit einem<br />
möglichen Negativbestand aus, da der Erwerb eigener Anteile<br />
keine Leistung gemäß §27 Abs.1 S.3 KStG darstellt.<br />
Lechner/Haisch43 nehmen eine planwidrige Regelungslücke<br />
bei §27 KStG an, die sich aufgrund der Neukonzeption<br />
des §272 HGB ergeben habe und durch die Zulassung<br />
eines Direktzugriffs auf das steuerliche Einlagekonto<br />
(notfalls mit Negativwerden) zu schließen sei.<br />
U.E. ist die Annahme eines Direktzugriffs auf das steuerliche<br />
Einlagekonto gemäß §27 Abs.1 S.2 KStG zutreffend.<br />
Denn nur diese Handhabung erreicht den erforderlichen<br />
Gleichklang mit der möglichen Wiederveräußerung<br />
der eigenen Anteile, welche zu einer folgerichtigen Erhöhung<br />
des Einlagekontos führt. <strong>Die</strong> handelsrechtliche Behandlung<br />
des Erwerbs eigener Anteile als Kapitalherabsetzung<br />
und die Weiterveräußerung als Kapitalerhöhung sollte<br />
u.E. auch steuerlich durch Verringerung bzw. Erhöhung<br />
des steuerlichen Einlagekontos nachvollzogen werden.<br />
Dr. Gottfried E. Breuninger / Dr. Magnus Müller<br />
Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
Nur eine solche Handhabung setzt die intendierte steuerrechtliche<br />
Neutralität des BilMoG 44 auch entsprechend<br />
um. Hier sollte eine Klarstellung durch den Gesetzgeber<br />
erfolgen. Bei der Neuregelung der §§27 u. 28 KStG beim<br />
Übergang vom Anrechnungs- zum Halb-/Teileinkünfteverfahren<br />
konnte die geänderte Behandlung von eigenen<br />
Anteilen durch das BilMoG natürlich noch nicht antizipiert<br />
werden. Insoweit ist es zutreffend, dass eine planwidrige<br />
Gesetzeslücke vorliegt, die entsprechend auszufüllen<br />
ist.<br />
IV. Steuerliche Behandlung auf Ebene des<br />
veräußernden Gesellschafters<br />
Analog der Behandlung als Anschaffungsvorgang bei der<br />
erwerbenden Kapitalgesellschaft ist sowohl nach bisheriger<br />
Ansicht der Finanzverwaltung als auch der h.M. in der<br />
Literatur45 die Übertragung der Anteile durch den Gesellschafter<br />
zumindest dann46 als Veräußerung zu qualifizieren,<br />
wenn die Anteile nicht zur Einziehung erworben werden.<br />
<strong>Die</strong> Finanzverwaltung bejahte in dem BMF-Schreiben<br />
aus dem Jahr 1998 einen Veräußerungsvorgang durch<br />
den Gesellschafter unabhängig davon, ob die erworbenen<br />
Aktien bei der Kapitalgesellschaft aktivierungsfähig sind<br />
oder nicht47. Eine verdeckte Gewinnausschüttung sollte<br />
danach allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die eigenen<br />
Anteile zu einem unangemessen hohen Kaufpreis<br />
veräußert werden48. An diesen Grundsätzen sollte sich auch nach Inkrafttreten<br />
des BilMoG und nach der Aufhebung des BMF-Schreibens<br />
vom 2.12.1998 nichts geändert haben. Bei der veräußernden<br />
Gesellschaft ist – wie bisher – die Veräußerung<br />
der Anteile als normaler Veräußerungsvorgang zu behandeln.<br />
Dementsprechend wäre auch eine Verpflichtung der<br />
erwerbenden Gesellschaft zum Kapitalertragsteuereinbehalt<br />
nicht konsistent. Bei der veräußernden Gesellschaft<br />
besteht auch keine Steuerpflicht von Einkünften aus Kapitalvermögen<br />
gemäß §20 Abs.1 Nr.2 EStG aufgrund einer<br />
Kapitalherabsetzung oder aufgrund einer Liquidation, da<br />
weder die Voraussetzungen einer Teilliquidation noch einer<br />
ordnungsgemäßen Kapitalherabsetzung erfüllt sind49. <strong>Die</strong> allein handelsbilanzielle Neuregelung kann keine gesellschaftsrechtliche<br />
Behandlung als Kapitalherabsetzung<br />
oder Liquidation nach sich ziehen. Insoweit ist allein auf<br />
38 Vgl. Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer,<br />
§27 KStG Tz. 69f.; Schmidtmann, StuW 2010, 286 (293).<br />
39 Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer, § 27<br />
KStG Tz. 69f., der hinsichtlich des an den Anteilseigner gezahlten<br />
Veräußerungspreises für die zur Einziehung erworbenen<br />
eigenen Anteile eine Leistung i.S.v. §27 KStG ablehnt.<br />
40 Vgl. Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer,<br />
§8b KStG Tz. 72.<br />
41 Förster/Schmidtmann, BB 2009, 1342 (1344).<br />
42 Mayer, Ubg 2008, 779 (784).<br />
43 Lechner/Haisch, Ubg 2010, 691 (695).<br />
44 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, S.41.<br />
45 Vgl. die Nachw. unter II.1.<br />
46 So Breuninger, DStZ 1991, 420 (424); Weber-Grellet in<br />
Schmidt, EStG, 29.Aufl. 2010, §17 Rz. 102.<br />
47 BMF v. 2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I 1998,<br />
1509, Tz. 24.<br />
48 Vgl. Wassermeyer in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20<br />
EStG Rz. C77; Rose, <strong>GmbH</strong>R 1999, 374 (377); BMF v.<br />
2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I 1998, 1509,<br />
Tz. 20.<br />
49 So auch Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1083);<br />
Lechner/Haisch, Ubg 2010, 691 (696).
Dr. Gottfried E. Breuninger / Dr. Magnus Müller<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 15<br />
Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />
die Perspektive der veräußernden Gesellschaft abzustellen,<br />
eine zwingende Korrespondenz mit der Behandlung des<br />
Erwerbs eigener Anteile bei der erwerbenden Gesellschaft<br />
besteht nicht. Es bleibt daher bei einem Veräußerungsvorgang.<br />
V. Weiterveräußerung der eigenen Anteile durch die<br />
A-<strong>GmbH</strong><br />
1. Handelsbilanzielle Behandlung nach BilMoG<br />
Der relevante Unterschied zum bisher geltenden Recht ergibt<br />
sich aus der bisherigen bilanziellen Erfassung eigener<br />
Anteile auf der Aktivseite der Bilanz als Umlaufvermögen<br />
(§266 Abs.2 B.III. Nr.2 HGB a.F.) und der zwingenden<br />
Bildung eines entsprechenden Passivpostens in Form einer<br />
Rücklage für eigene Anteile (§274 Abs.4 S.1–3 HGB<br />
a.F.).<br />
Bei der Veräußerung der eigenen Anteile entfällt handelsbilanziell<br />
nach §272 Abs.1b S.1 HGB in einem ersten<br />
Schritt der Ausweis nach §272 Abs.1a S.1 HGB (offener<br />
Absatz des Nennbetrags bzw. rechnerischen Werts der eigenen<br />
Anteile vom Posten „Gezeichnetes Kapital“). Dabei<br />
ist danach zu unterscheiden, ob der Veräußerungserlös den<br />
Nennbetrag bzw. rechnerischen Wert übersteigt oder unterschreitet.<br />
Im ersten Fall findet eine Rückgängigmachung<br />
des offenen Absatzes des Nennbetrags bzw. rechnerischen<br />
Werts der eigenen Anteile statt. Der den Nennbetrag<br />
übersteigende Betrag des Veräußerungserlöses fällt<br />
unter §272 Abs.1b S.2 u. 3 HGB. Im zweiten Fall entfällt<br />
der offene Absatz des Nennbetrags bzw. rechnerischen<br />
Werts vom Posten „Gezeichnetes Kapital“ in Höhe des<br />
Veräußerungserlöses. Hinsichtlich des hinter dem Nennbetrag<br />
bzw. rechnerischen Wert zurückbleibenden Betrags<br />
des Veräußerungserlöses ist fraglich, ob dies zu einem<br />
Verlustausweis führt oder ob es zu einer Minderung der<br />
frei verfügbaren Rücklagen kommt.<br />
In einem zweiten Schritt ist gemäß §272 Abs.1b S.2<br />
HGB der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennbetrag<br />
bzw. rechnerischem Wert und den ursprünglichen Anschaffungskosten<br />
der eigenen Anteile mit den frei verwendbaren<br />
Rücklagen zu verrechnen. Ist der Veräußerungserlös<br />
höher als der Erwerbspreis, werden die frei verwendbaren<br />
Gewinn- und Kapitalrücklagen bis zu ihrem<br />
ursprünglichen Wert erhöht. Der darüber hinaus gehende<br />
Betrag ist nach §272 Abs.1b S.3 HGB zwingend in die<br />
Kapitalrücklage nach §272 Abs.2 Nr.1 HGB einzustellen.<br />
In der Handelsbilanz der A-<strong>GmbH</strong> lässt sich die Weiterveräußerung<br />
der eigenen Anteile zum Preis von 500T.<br />
durch die A-<strong>GmbH</strong> wie folgt abbilden:<br />
50 So Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1080); Bruckmeier/Zwirner/Künkele,<br />
DStR 2010, 1640 (1642); Hohage, DB<br />
2009, 1033 (1033, 1034); Mayer, Ubg 2008, 779 (782).<br />
51 So Dörfler/Adrian, DB 2009, Beil. 5, S. 58; Herzig/Briesemeister,<br />
WPg 2010, 63 (75); a.A. Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/<br />
Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer, §8b KStG Tz. 72.<br />
52 <strong>Die</strong>s deshalb, weil ein unvollständiger Ausweis des Veräußerungsgewinns<br />
in der Kapitalrücklage gemäß §272 Abs. 2 Nr. 1<br />
HGB bei der AG als erwerbende Gesellschaft einen Nichtigkeitsgrund<br />
für den Jahresabschluss nach §256 Abs.1 Nr. 1 u. 4<br />
AktG darstellen könnte, vgl. Lechner/Haisch, Ubg 2010, 691<br />
(695).<br />
53 Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1082); Herzig/Briesemeister,<br />
WPg 2010, 63 (75); ablehnend Dötsch in Dötsch/<br />
Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer, §8b KStG Rz. 72.<br />
54 S. dazu Frotscher, KStG, §8b Rz. 58c.<br />
Verkauf sämtlicher eigener Anteile Ende 2010<br />
Bank 1,100.00<br />
Sonstige Aktiva 1,000.00<br />
Summe Aktiva 2,100.00<br />
Gezeichnetes Kapital 100.00<br />
Kapitalrücklage 1,000.00<br />
Gewinnrücklage 1,000.00<br />
Summe Passiva 2,100.00<br />
2. Steuerliche Behandlung der Weiterveräußerung<br />
Nach der h.M. ist die handelsbilanziell eigenkapitalmindernd<br />
behandelte Transaktion steuerrechtlich im Ergebnis<br />
neutral zu behandeln 50. Zur Begründung der erfolgsneutralen<br />
Behandlung für Ertragsteuerzwecke wird – wie<br />
oben dargelegt – das Maßgeblichkeitsprinzip nach §5<br />
Abs.1 EStG angeführt, wonach die handelsrechtlich erfolgsneutrale<br />
Behandlung des Erwerbs eigener Anteile<br />
zwingend auf die steuerliche Gewinnermittlung durchschlägt.<br />
<strong>Die</strong> handelsrechtlich nach BilMoG als Kapitalerhöhung<br />
bilanziell abzubildende Wiederveräußerung von<br />
eigenen Anteilen wäre danach neutral und dürfte nicht zu<br />
einer Anwendung von §8b Abs.2 KStG auf der Ebene der<br />
Gesellschaft führen, da insoweit nicht von einem Veräußerungsvorgang<br />
auszugehen ist 51.<br />
Nach der oben vertretenen Meinung, wonach der Maßgeblichkeitsgrundsatz<br />
nicht zu einem Entfallen der Wirtschaftsgutsqualität<br />
in der Steuerbilanz – sondern nur zum<br />
Ausweis mit Null – führen sollte, kommt es hier sozusagen<br />
zum Schwur: Liegt bei der Veräußerung eigener Anteile<br />
weiterhin die Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft<br />
i.S.d. §8b Abs.2 KStG vor oder sind die<br />
§272 Abs.1a u. b HGB auch steuerrechtlich nachzuvollziehen,<br />
in dem die Veräußerung neutral zu behandeln ist?<br />
Wendet man §8b Abs.2 (oder sogar ggf. Abs.7 in besonderen<br />
Fällen) KStG an, stellt sich die Frage der bilanziellen<br />
Behandlung der hier entstehenden Steuerbelastung, da<br />
handelsrechtlich der Veräußerungsgewinn zwingend ohne<br />
Kürzung um die Ertragsteuern in die Kapitalrücklage gemäß<br />
§272 Abs.2 Nr.1 HGB einzustellen ist. Hier zeigt<br />
sich eine Diskrepanz zwischen der Anerkennung eigener<br />
Anteile als Wirtschaftsgüter im steuerlichen Sinne, die an<br />
sich Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs sein können<br />
(s. oben) und damit auch die Anwendbarkeit von §8b<br />
KStG begründen könnten. Dennoch sollte die für die Veräußerung<br />
eigener Anteile handelsrechtlich angeordnete<br />
Behandlung als Kapitalerhöhung für steuerliche Zwecke<br />
nachvollzogen werden, da ansonsten zumindest bei einer<br />
AG im Falle eines geschmälerten Ausweises des Veräußerungsgewinns<br />
die Gefahr einer Nichtigkeit des Jahresabschlusses<br />
bestehen könnte 52. Für §8b KStG bliebe insoweit<br />
kein Anwendungsbereich mehr. Insoweit führen<br />
§272 Abs.1 u. 2 HGB zu einer Suspendierung der Qualifizierung<br />
als Veräußerung und damit auch der Anwendung<br />
von §8b KStG, die auch steuerrechtlich zu beachten ist.<br />
Weitere Folge wäre, dass auch der Ansatz und die Besteuerung<br />
fiktiver nicht abziehbarer Betriebsausgaben<br />
i.H.v. 5% des Veräußerungsgewinns nach §8b Abs.3 S.1<br />
KStG entfiele und etwaige Veräußerungsnebenkosten in<br />
vollem Umfang steuerlich wirksam würden 53. Insoweit<br />
dürfte auch §8b Abs.3 S.3 KStG dem steuerlichen Abzug<br />
von Anschaffungsnebenkosten als laufende Betriebsausgaben<br />
nicht entgegenstehen, da die Vorschrift nur Substanzverluste,<br />
nicht auch laufende Betriebsausgaben erfasst 54.
16<br />
VI. Ergebnis<br />
Das BilMoG regelt die Behandlung eigener Anteile dahingehend<br />
neu, dass nun zwingend eine passivische Kürzung<br />
vom Eigenkapital vorgenommen werden muss und der aktivische<br />
Ausweis eigener Anteile damit abgeschafft wird. Außerdem<br />
entfällt die Verpflichtung zur Bildung einer „Rücklage<br />
für eigene Anteile“. In steuerrechtlicher Hinsicht ist die<br />
entscheidende Frage, ob diese Änderung auf das Steuerrecht<br />
„durchschlägt“ und der Erwerb eigener Anteile – abweichend<br />
zur bisherigen Behandlung als Veräußerung/Anschaffungsvorgang<br />
– zu einer Ausschüttung führen kann,<br />
wodurch die Steuerneutralität nicht mehr gegeben wäre.<br />
Hinzu kommt bei der Problematik, dass bei der veräußernden<br />
Gesellschaft weiterhin von einer Veräußerung auszugehen<br />
ist. Entscheidende Frage ist dabei die Auswirkung des<br />
Erwerbs eigener Anteile auf das steuerliche Einlagekonto.<br />
U.E. ist die Annahme eines Direktzugriffs auf das steuerliche<br />
Einlagekonto gemäß §27 Abs.1 S.2 KStG zutreffend.<br />
Sie steht im Einklang mit der Behandlung als Veräußerung<br />
bei der veräußernden Gesellschaft und gewährleistet die<br />
durch das BilMoG bezweckte Steuerneutralität.<br />
Steffen Kögel *<br />
Nach Aufhebung des BMF-Schreibens aus dem Jahr 1998<br />
zur steuerrechtlichen Behandlung des Erwerbs eigener<br />
Anteile bleibt abzuwarten, wie sich die Finanzverwaltung<br />
zu den offenen Fragen positionieren wird und möglicherweise<br />
eine Abkehr von den bisher anerkannten Grundsätzen<br />
vollzieht. Es bleibt bis dahin in der Schwebe, ob die<br />
handelsbilanziellen Änderungen nach Ansicht der Finanzverwaltung<br />
entweder unter Fortschreibung der bislang anerkannten<br />
Grundsätze als bloße Änderung des Bilanzausweises<br />
oder als vollständiger Methodenwechsel verstanden<br />
werden. Gleiches gilt für offene Altfälle vor Inkrafttreten<br />
des BilMoG. U.E. führt allerdings die steuerliche<br />
Seite des Themenbereichs in Bezug auf die offenen<br />
Fragen gerade nicht ins „Nirwana“ 55, sondern lässt sich<br />
überzeugend lösen. Es wäre trotzdem zu begrüßen, wenn<br />
der Gesetzgeber die zurzeit bestehenden Unklarheiten beseitigen<br />
würde.<br />
Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen<br />
in der Firma einer <strong>GmbH</strong><br />
Der Firmenname ist ein Informations- und Werbeträger.<br />
Er ist das wichtigste Mittel, durch das sich der dadurch<br />
bezeichnete Rechtsträger seine Identität wahrt. <strong>Die</strong> Auswahl<br />
des Firmennamens ist deshalb ein ernst zu nehmender<br />
Imagefaktor. <strong>Die</strong> Wahlfreiheit bewegt sich in den<br />
Grenzen des Firmenrechts. Firmenrecht ist Ordnungsrecht.<br />
Es ist Aufgabe des Staats – verkörpert durch die<br />
Registergerichte – sicherzustellen, dass im Interesse des<br />
I. Problemstellung<br />
Rund hundert Jahre lang, nämlich vom Inkrafttreten des<br />
HGB im Jahr 1897 bis zur großen HGB-Reform im Jahr<br />
1998, war eine Personenfirma unstreitig nur zulässig,<br />
wenn ein entsprechender Inhaber bzw. Gesellschafter im<br />
Zeitpunkt der Namensgebung unmittelbar beteiligt war.<br />
<strong>Die</strong> Verwendung anderer Namen als der Inhaber oder Gesellschafter<br />
zur Bildung einer Personenfirma war zum Teil<br />
gesetzlich ausdrücklich ausgeschlossen. <strong>Die</strong>se Regelung<br />
wurde aus dem Grundsatz der Firmenwahrheit abgeleitet.<br />
Heute gilt der Grundsatz der Firmenwahrheit nach wie<br />
vor, allerdings in abgeschwächter Form: Eine Firma darf<br />
keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche<br />
Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise<br />
wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor<br />
dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur<br />
berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist (§18 Abs.2 HGB).<br />
Vor diesem Hintergrund hat sich in den vergangenen Jahren<br />
ein Meinungsstreit darüber entwickelt, ob auch Familiennamen<br />
zur Firmierung benutzt werden können, die zu<br />
dem konkreten Unternehmen keinerlei Bezug haben. Neuere<br />
Meinungen in Literatur und Rechtsprechung wollen<br />
dies weitgehend zulassen. Im nachfolgenden geht es um<br />
eine Auseinandersetzung mit den Argumenten der Befürworter<br />
und möglichen Konsequenzen.<br />
Dr. Gottfried E. Breuninger / Dr. Magnus Müller<br />
Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
55 So Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer,<br />
§27 KStG Rz. 69e.<br />
Wirtschaftsverkehrs die bei der Firmenbildung geltenden<br />
Spielregeln eingehalten werden. Dabei kollidiert immer<br />
wieder das Interesse der Unternehmen an einer möglichst<br />
beeindruckenden Firmenbezeichnung mit dem Interesse<br />
der Allgemeinheit, dass die Vorspiegelung falscher<br />
Tatsachen unterbleibt. Bei der Grenzziehung scheiden<br />
sich häufig die Geister. Im Moment wird die Verwendung<br />
fremder Familiennamen kontrovers diskutiert.<br />
II. Abgrenzung Personen-/Phantasiefirma<br />
Bei der Wahl eines Firmennamens stehen drei Gestaltungsmöglichkeiten<br />
zur Auswahl, nämlich Personenfirmen,<br />
Phantasiefirmen und Sachfirmen. Hier sind die beiden<br />
erstgenannten Varianten betroffen. <strong>Die</strong> konkrete Bildung<br />
einer Personenfirma ist im Gesetz nicht (mehr) näher<br />
geregelt. Allerdings hatte der Gesetzgeber diesbezüglich<br />
durchaus klare Vorstellungen, die zumindest in der Begründung<br />
des Gesetzentwurfs auch ihren Niederschlag gefunden<br />
haben. Dort heißt es nämlich:<br />
„... Das geltende Recht lässt für den Einzelkaufmann – unbeschadet<br />
der Zulässigkeit von Sach- und Phantasiebezeichnungen als<br />
Zusätze – ausschließlich eine Personenfirma zu, bestehend aus<br />
Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen.<br />
<strong>Die</strong> Neufassung ... verlangt dagegen nur noch, dass die Firma<br />
Kennzeichnungsfähigkeit und Unterscheidungskraft besitzen,<br />
das heißt also vor allem die Namensfunktion im geschäftlichen<br />
Verkehr erfüllen muss. Dafür kommen – neben dem bürgerlichen<br />
Namen des Kaufmanns – grundsätzlich auch Sachbezeichnungen<br />
oder Phantasieangaben in Betracht ...“1.<br />
* Steffen Kögel ist Leiter des Referats Recht und Berufsbildung<br />
der Bezirkskammer Rems-Murr der Industrie- und Handelskammer<br />
Region Stuttgart.<br />
1 BT-Drucks. 13/8444 v. 29.8.1997, S.52.
Steffen Kögel<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 17<br />
Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma einer <strong>GmbH</strong><br />
Aus diesem Hinweis ergibt sich, dass der Gesetzgeber davon<br />
ausging, dass eine Personenfirma – unabhängig von<br />
der Rechtsform – aus dem bürgerlichen Namen des Kaufmanns,<br />
erweitert gesprochen aus den bürgerlichen Namen<br />
von Gesellschaftern, gebildet wird. Es finden sich aber<br />
keine Anhaltspunkte, aus denen hervorgehen würde, dass<br />
der Gesetzgeber die Bildung der Personenfirma selbst neu<br />
regeln und Familiennamen zur beliebigen Verwendung<br />
freigeben wollte. Vielmehr ging es um eine Erweiterung<br />
der Firmenbildungsvorschriften durch zusätzliche Alternativen<br />
für alle Rechtsformen. Ausgehend von diesen Umständen<br />
ist eine Personenfirma – aus einem oder mehreren<br />
– (Vor-) und Zunamen natürlicher Personen zu bilden 2.<br />
Das ist z.B. dann der Fall, wenn ein Gesellschafter namens<br />
„Kettner“ seinen Namen in die Firmenbezeichnung<br />
einbringt und diese entsprechend „Kettner <strong>GmbH</strong>“ lautet.<br />
Seit der HGB-Reform wird überwiegend nicht mehr zwingend<br />
auf den Inhaber- oder Gesellschafterstatus abgestellt.<br />
<strong>Die</strong> h.M. 3 lässt es genügen, wenn eine Kommanditistenoder<br />
Geschäftsführerstellung vorliegt. Teilweise wird nur<br />
noch ein Bezug zu dem Unternehmen verlangt 4, was einen<br />
ziemlich vagen Maßstab darstellt. Es kann aber festgehalten<br />
werden, dass eine Personenfirma begrifflich nur dann<br />
vorliegt, wenn es eine real existierende Person gibt, aus<br />
deren Namen sich die Firmenbezeichnung ableitet. Ist der<br />
Namenszug dagegen ein frei gewählter Kunstbegriff, also<br />
in dem Fall, dass es eine Person „Ortwin Zemmler“ nicht<br />
oder irgendwo rein zufällig gibt, so ist eine zum Handelsregister<br />
angemeldete „Ortwin Zemmler <strong>GmbH</strong>“ nicht als<br />
Personenfirma, sondern als Phantasiefirma zu qualifizieren.<br />
<strong>Die</strong>se Differenzierung wird hier deshalb betont, weil<br />
sie in manchen Kommentierungen verwischt wird.<br />
III. Meinungsstand<br />
<strong>Die</strong> Frage, ob eine Firma aus fremden Personennamen gebildet<br />
werden kann, ist bisher nicht eindeutig beantwortet.<br />
Eine im Vordringen befindliche, befürwortende Auffassung<br />
stellt auf drei Hauptargumente ab. Zum einen wird<br />
angeführt, die Firma sei bei der Verwendung von Fremdnamen<br />
zwar ersichtlich unwahr. Es fehle aber an einer Irreführungseignung.<br />
Denn ein Name sei kein Faktor, der<br />
geschäftliche Verhältnisse betreffe, die für die Verkehrskreise<br />
wesentlich seien. Des weiteren hebt diese Meinung<br />
darauf ab, dass sich der Rechtsverkehr bei Personenfirmen<br />
2 <strong>Die</strong> Möglichkeit, die Firma eines anderen Rechtsträgers zu verwenden,<br />
spielt für die vorliegende Betrachtung keine Rolle.<br />
3 OLG Saarbrücken v. 25.2.2006 – 5 W 42/06 - 14, DB 2006,<br />
1002; Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Hdb. <strong>GmbH</strong> & Co.<br />
KG, 20. Aufl. 2009, §3 Rz. 67; Koller/Roth/Morck, HGB,<br />
6. Aufl. 2007, § 18 Rz. 15; einschränkend Schlinghoff in Oetker,<br />
HGB, 2009, § 18 Rz. 26 sowie Ruß in Heidelb.Komm.HGB,<br />
7. Aufl. 2007, § 18 Rz. 16.<br />
4 Krafka/Willer, Registerrecht, 7. Aufl. 2007, Rz. 235 m.w.N.; einschränkend<br />
aber für Firmennamen von Personenunternehmen.<br />
Dort wird eine regelmäßige Irreführungseignung fremder Familiennamen<br />
angenommen.<br />
5 Heidinger, DB 2005, 815 ff., m.w.N.; Heidinger in<br />
Münch.Komm.HGB, 2.Aufl. 2005, §18 Rz. 169.<br />
6 OLG Thüringen v. 22.6.2010 – 6 W 30/10, <strong>GmbH</strong>R 2010, 1094.<br />
7 OLG Karlsruhe v. 24.2.2010 – 11 Wx 15/09, <strong>GmbH</strong>R 2010,<br />
1096.<br />
8 LG MünchenI v. 26.10.2006 – 17 HK T 16920/06, MittBayNot<br />
2007, 71; ähnlich LG Wiesbaden v. 7.4.2004 – 12 T 3/04, NJW-<br />
RR 2004, 1106.<br />
9 LG Frankfurt/Oder v. 16.5.2002 – 32 T 3/02, <strong>GmbH</strong>R 2002, 966<br />
mit zust. Komm. Möller.<br />
generell nicht auf eine Verbindung zwischen Name und<br />
Unternehmen verlassen dürfe, da der Grundsatz der Firmenwahrheit<br />
durch den Grundsatz der Firmenbeständigkeit,<br />
also das Recht, Familiennamen nach dem Ausscheiden<br />
der Namensträger in der Firma beizubehalten, ausgehebelt<br />
werde. Niemand könne erwarten, dass der Namensträger<br />
noch zu dem so bezeichneten Unternehmen gehöre.<br />
Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass man durch<br />
kurzfristige Beteiligungen stets zum gewünschten Ergebnis<br />
der ins Auge gefassten Personenfirma kommen könne,<br />
was letztendlich eine legale Umgehungsmöglichkeit sei5. Ausgehend von diesen Überlegungen hat im Juni 2010 das<br />
OLG Thüringen6 die Eintragungsfähigkeit einer Firma,<br />
die aus dem Namen einer erfundenen und damit fiktiven<br />
Person „Obermüller“ gebildet wurde, bejaht. In der Begründung<br />
heißt es: „Der Name Obermüller ist zwar nicht<br />
als Phantasiebezeichnung erkennbar, vielmehr handelt es<br />
sich um einen tatsächlich existierenden und nicht selten<br />
vorkommenden Nachnamen“. Das Gericht führt aus, die<br />
Firmierung verstoße nicht gegen §4 <strong>GmbH</strong>G, weil dieser<br />
eine Personenfirma ohne Gesellschafterbezug nicht mehr<br />
explizit ausschließe. Auch §18 Abs.2 HGB werde nicht<br />
verletzt, da es an einer wesentlichen Bedeutung einer Beteiligung<br />
des Namensträgers für die wirtschaftliche Entscheidung<br />
der angesprochenen Verkehrskreise fehle. Es<br />
habe deshalb keine Relevanz, ob der Name einer fiktiven<br />
Person verwendet werde. Kunden werde es im Regelfall<br />
gleichgültig sein, wer Gesellschafter einer Gesellschaft<br />
sei. Im Übrigen dürften die betroffenen Verkehrskreise in<br />
die Gesellschaftereigenschaft oder den Einfluss des Namensgebers<br />
grundsätzlich kein Vertrauen haben. Wenige<br />
Monate zuvor hatte das OLG Karlsruhe7 entschieden, dass<br />
die Firma einer Personenhandelsgesellschaft grundsätzlich<br />
aus Namen auch von Nichtgesellschaftern gebildet werden<br />
könne und darauf hingewiesen, dies sei eine Konsequenz<br />
des Liberalisierungsgedankens. „Allerdings“, so das Gericht,<br />
„darf man sich auch der lebensnahen Betrachtung<br />
nicht verschließen, dass dann, wenn bei der Firmenbildung<br />
der Name einer Person verwendet wird, die keinen<br />
Bezug zum Unternehmen hat, der Verdacht nahe liegt,<br />
dass – unzulässig – Wettbewerbsvorteile erstrebt werden<br />
und die Firma irreführend ist. Und es ist trotz der Reduzierung<br />
des Prüfungsumfangs durch §18 Abs.2 HGB n.F. auf<br />
ersichtliche Irreführung gemäß §12 FGG bzw. §26<br />
FamFG Sache des Registergerichts, einen solchen Verdacht<br />
zu prüfen“. Es ist allerdings fraglich, ob solche wettbewerbsrechtliche<br />
Aspekte wirklich ins Registerverfahren<br />
gehören. <strong>Die</strong> Möglichkeiten für diesbezügliche Recherchen<br />
sind dort beschränkt. Auch andere Gerichte gehen<br />
davon aus, dass es einem Kunden egal sei, wer an dem<br />
Unternehmen, mit dem er ein Geschäft abschließe, beteiligt<br />
sei8. Dagegen steht das LG Frankfurt/Oder9 auf dem<br />
Standpunkt, dass dann, wenn die Firma aus einem Personennamen<br />
gebildet wird, der eine reale Person dieses Namens<br />
vermuten lässt, die Verkehrskreise, die mit diesem<br />
Unternehmen geschäftlich verkehren, in der Regel davon<br />
ausgehen würden, die namentlich genannte Person bestimme<br />
die Geschicke der Gesellschaft an maßgeblicher Stelle.<br />
Existiere diese Person nicht oder sei sie nicht in einer<br />
das Unternehmen bestimmenden Position tätig, sei grundsätzlich<br />
von einer Irreführung der betroffenen Verkehrskreise<br />
auszugehen.<br />
Literatur und Rechtsprechung haben noch keine klare Linie<br />
gefunden. Häufig wird die Auffassung vertreten, dass<br />
es auf die Haftungsstruktur ankomme und deswegen Kapitalgesellschaften<br />
einschließlich Personenhandelsgesell-
18<br />
schaften, bei denen keine natürliche Person haftet, anders<br />
zu behandeln seien als OHG und KG bzw. Einzelunternehmen.<br />
Für andere ist die Rechtsform nicht ausschlaggebend<br />
10. Teilweise wird die Eintragungsfähigkeit davon abhängig<br />
gemacht, ob es sich um den Namen einer Phantasieperson<br />
oder eine den angesprochenen Verkehrskreisen<br />
bekannte Person handelt 11. Andere stellen darauf ab, ob es<br />
sich um den Namen einer fremden existierenden Person<br />
handelt oder um den Namen einer nichtexistenten Person<br />
12 (s. dazu nachfolgend unter IV.).<br />
IV. Stellungnahme<br />
Zunächst fällt auf, dass das Thema bislang in einzelnen<br />
Facetten, nicht aber in seiner ganzen Breite wahrgenommen<br />
und diskutiert wird. Soweit erkennbar geht es immer<br />
um die Frage der Verwendbarkeit eines einzelnen fremden<br />
Familiennamens. <strong>Die</strong> grundsätzliche Fragestellung geht<br />
aber weit darüber hinaus. Schließt man sich der Meinung<br />
an, dass eine Firma „Rößler <strong>GmbH</strong>“ zulässig ist, auch<br />
wenn es keine entsprechende Bezugsperson gibt, und zwar<br />
zulässig aus dem Grund, weil der Familienname für die<br />
Verkehrsteilnehmer irrelevant sein soll, dann müssten mit<br />
derselben Argumentation auch andere Fallkonstellationen<br />
akzeptiert werden, die die Diskussion bislang ausklammert.<br />
Gründet also ein Herr Misirioglu eine „Müller &<br />
Schwarz <strong>GmbH</strong>“, eine „Bayer & Sohn <strong>GmbH</strong>“ oder eine<br />
„Schlagenhauf & Co. <strong>GmbH</strong>“, so müssten konsequenterweise<br />
mit demselben Argument alle diese Eintragungsanträge<br />
beim Registergericht durchgehen. Denn wenn man<br />
sich auf den Standpunkt stellt, dass Familiennamen bedeutungslos<br />
sind, wäre es auch gleichgültig, ob einer oder<br />
mehrere davon im Firmennamen erscheinen. Auch Familiennamen<br />
ersetzende Zusätzen wie „& Co.“ etc. kommt<br />
keine stärkere Bedeutung zu als einem Familiennamen<br />
selbst. Darüber hinaus müsste es – entgegen der früheren<br />
Rechtsprechung und aktuellen Kommentarmeinungen13 –<br />
zulässig sein, den bürgerlichen Namen des Gesellschafters<br />
zu verkürzen, zu verfremden oder nur teilweise zu benutzen.<br />
Ebenso könnte von einem Doppelnamen14 nur ein<br />
Teil verwendet oder anstatt des Familiennamens der Geburtsname<br />
angegeben werden. Dasselbe würde für die in<br />
der Vergangenheit teilweise abgelehnte Verkürzung von<br />
Vornamen gelten. Grundsätzlich wäre dann wohl auch die<br />
Verwendung von Phantasienamen mit Titeln möglich15. Obiger Herr Misirioglu hätte also die Möglichkeit, eine<br />
<strong>GmbH</strong> unter der (Phantasie-)Firma „Dr. Fischer Textilien<br />
<strong>GmbH</strong>“ zu gründen, da dem Dr.-Titel in diesem Geschäftszweig<br />
unstreitig keine wesentliche Irreführungseignung<br />
anhaftet16. Als eine weitere Folge würde der Grundsatz<br />
der Firmenidentität außer Kraft gesetzt wird. <strong>Die</strong>ser<br />
besagt, dass bei der Verwendung von Firmenbezeichnungen<br />
zur Bildung einer anderen Firma diese vollständig und<br />
nicht nur in Teilen zu verwenden sind. Er wird auch nach<br />
der HGB-Reform noch als gültig angesehen17. <strong>Die</strong> Firmenidentität<br />
des Namensgebers muss gewahrt werden, um<br />
diesen identifizieren zu können. Gründet also eine „Müller<br />
& Schwarz AG“ eine Tochtergesellschaft, so müsste diese<br />
demnach z.B. „Müller & Schwarz Verwaltungs-<strong>GmbH</strong>“<br />
oder ähnlich lauten, nicht aber „Müllers Verwaltungsgesellschaft<br />
mbH“. Unter Zugrundlegung obiger Maßstäbe<br />
wäre dieser Grundsatz ebenfalls obsolet. <strong>Die</strong> Tochtergesellschaft<br />
könnte dann „Fritz Fröhlich <strong>GmbH</strong>“,<br />
„M. Schwarz Verwaltungs-<strong>GmbH</strong>“ oder wie auch immer<br />
lauten. <strong>Die</strong> vorgenannten Fälle wären als Personenfirma<br />
allesamt problematisch, könnten bzw. müssten aber als<br />
Steffen Kögel<br />
Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma einer <strong>GmbH</strong><br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
Phantasiefirmen durchgehen. Denn es kann nicht sein,<br />
dass die Antragsteller in diesen Fällen schlechter gestellt<br />
werden, weil sie Formalien unterworfen werden, die bei<br />
der Wahl einer Phantasiefirma keine Beachtung zu finden<br />
brauchen18. Man kann es auch anders formulieren: Über<br />
das Konstrukt der Phantasiefirma könnten alle diese Ergebnisse<br />
herbeigeführt werden.<br />
Das Gesagte gilt nicht nur für Ersteintragungen. Über die<br />
uneingeschränkt zulässige, aus Fremdnamen gebildete<br />
Phantasiefirma würden Literatur und Rechtsprechung zur<br />
abgeleiteten Firma in weiten Teilen hinfällig. Allerdings<br />
ist der Wortlaut der §§22, 24 HGB – von redaktionellen<br />
Klarstellungen abgesehen – durch die HGB-Reform nicht<br />
angetastet worden. Bei der Anwendung dieser Vorschriften<br />
wird nach wie vor auf die Fortführung der „bisherigen“<br />
Firma abgestellt. Somit darf eine Firma nach ganz<br />
h.M. im Wesentlichen nur unverändert fortgeführt werden,<br />
da sie nur insoweit als schutzwürdig angesehen wird. Das<br />
gilt insbesondere für den Firmenkern, der das Erscheinungsbild<br />
bestimmend prägt, wie etwa Familiennamen<br />
und vergleichbare Bestandteile19. <strong>Die</strong>se Einschränkung<br />
wäre aber ein Widerspruch zu der Annahme, dass Personennamen<br />
frei wählbar sein sollen. Entsprechende Änderungen<br />
müssten dann konsequenterweise als zulässige<br />
Neufirmierung durch Bildung einer Phantasiefirma eingestuft<br />
werden. Für Restriktionen wäre kein Raum mehr,<br />
vielmehr wären abgeleitete Firmen frei veränderbar, die<br />
§§22, 24 HGB damit überflüssig. Um auch hier ein Beispiel<br />
zu bilden: Drei Gesellschafter gründen eine <strong>GmbH</strong><br />
unter der Firmenbezeichnung „Schwarzmüller, Weber &<br />
Co. <strong>GmbH</strong>“. Scheidet Herr Weber aus der Gesellschaft<br />
aus, handelt es sich um eine abgeleitete Firma, deren Firmenkern<br />
gemäß §24 HGB nur unverändert beibehalten<br />
werden darf. Lässt man Personennamen als Phantasiebegriffe<br />
zu, könnte die Firma aber eben doch beliebig geändert<br />
werden, etwa in „Weber und Co. <strong>GmbH</strong>“. Selbstverständlich<br />
können auf der Basis dieser Theorie auch übernommene<br />
Vornamen als Teil des Firmenkerns problemlos<br />
gestrichen werden20 (immer die Auffassung unterstellend,<br />
dass in Firmen enthaltene Familiennamen für den Rechtsverkehr<br />
unwesentlich sind). Das Dilemma ist damit skizziert;<br />
hier soll nun nochmals ein frischer Blick auf die Ar-<br />
10 Grundsätzlich ablehnend Emmerich in Scholz, <strong>GmbH</strong>G,<br />
10.Aufl. 2006, §4 Rz. 24 u. 32, m.w.N.<br />
11 OLG Brandenburg v. 21.10.2002 – 8 Wx 23/02, Mittdtsch-<br />
PatAnw 2005, 176.<br />
12 Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl.<br />
2008, §18 Rz. 11.<br />
13 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, §19 Rz. 6,<br />
m.w.N.<br />
14 So ausdrücklich Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn,<br />
HGB, 2. Aufl. 2008, §18 Rz. 10.<br />
15 Unklar Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB,<br />
2.Aufl. 2008, §18 Rz. 13.<br />
16 BGH v. 5.4.1990 – I ZR 19/88, NJW 1991, 752; OLG Frankfurt<br />
a. M. v. 15.3.1977 – 20 W 114/77, <strong>GmbH</strong>R 1977, 202<br />
(LS); a.A. Ammon/Ries in Röhricht/Graf von Westphalen,<br />
HGB, 3. Aufl. 2008, §18 Rz. 44.<br />
17 Bokelmann, Das Recht der Firmen und Geschäftsbezeichnungen,<br />
5. Aufl. 1999, Rz. 308ff., m.w.N.<br />
18 So in der Tendenz konsequent Steitz in Ensthaler, HGB,<br />
7.Aufl. 2007, §19 Rz. 24.<br />
19 Clausnitzer, DNotZ 2010, 345ff.; Steitz in Ensthaler, HGB,<br />
7.Aufl. 2007, §22 Rz. 7.<br />
20 Von der ganz h.M. wird diese Option als unzulässige, da wesentliche<br />
Änderung abgelehnt, s. Ammon/Ries in Röhricht/Graf<br />
von Westphalen, HGB, 3.Aufl. 2008, §22 Rz. 44, m.w.N.
Steffen Kögel<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 19<br />
Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma einer <strong>GmbH</strong><br />
gumentation der aktuellen Rechtsprechung und der sie<br />
stützenden Literaturmeinungen geworfen werden:<br />
Wie schon erwähnt geht die Begründung der Bundesregierung<br />
zum Entwurf des HRefG davon aus, dass eine Personenfirma<br />
aus dem bürgerlichen Namen des Kaufmanns<br />
gebildet wird. Auf die Idee, dass Vor- und Zuname als<br />
Phantasiebezeichnung bewertet werden könnten, scheint<br />
man dabei nicht gekommen zu sein. Jedenfalls ist aufgrund<br />
dieser klaren Formulierung im Gesetzesentwurf<br />
nicht anzunehmen, dass durch die Streichung des Verbots<br />
der Verwendung von Fremdnamen diese gleichzeitig zulässig<br />
werden sollten. Es spricht einiges dafür, dass dieses<br />
schlicht als überflüssig angesehen wurde, weil es eine<br />
Selbstverständlichkeit zum Ausdruck brachte, die auch<br />
ohne ausdrückliche Regelung klar zu sein schien. Manche<br />
Schlussfolgerungen gehen indes in eine andere Richtung<br />
und leiten daraus bzw. aus den fehlenden konkreten Firmenbildungsregeln<br />
die Zulässigkeit unwahrer Personenfirmen<br />
als Phantasiefirma ab 21. Einschränkungen werden bezüglich<br />
der Verwendung von Namen bekannter Personen,<br />
die keinen unmittelbaren Bezug zum Unternehmen haben,<br />
gemacht. <strong>Die</strong>se werden als unzulässig angesehen, weil bekannten<br />
Namen ein „gewisses Vertrauen“ entgegen gebracht<br />
werde. Folglich sei die Unternehmensträgerschaft<br />
hier von wesentlicher Bedeutung für die wirtschaftliche<br />
Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise. <strong>Die</strong> Firma<br />
sei dann ersichtlich zur Irreführung geeignet und unzulässig<br />
22. <strong>Die</strong> Begründung dafür, wodurch ein solches „gewisses<br />
Vertrauen“ bei bekannten Personen gerechtfertigt<br />
sein soll und warum ein „gewisses Vertrauen“ als so stark<br />
und gewichtig angesehen wird, dass es als wesentlich für<br />
die wirtschaftliche Entscheidung angesehen wird, bleibt<br />
aber offen. Andere ziehen den Kreis noch weiter und meinen,<br />
dass auch bei bekannten Personen zumindest bei den<br />
Kapitalgesellschaften eine Täuschungseignung fern liege.<br />
Eine Irreführungseignung könne nur bei Personenunternehmen<br />
wegen der persönlichen Haftung angenommen<br />
werden. Denn bei einer konkret den angesprochenen Verkehrskreisen<br />
bekannten Person liege die Gefahr einer<br />
eventuellen Täuschung über die persönlich haftende Stellung<br />
vor, die für die angesprochenen Verkehrskreise auch<br />
wesentlich sei (wobei die Verkehrswesentlichkeit zu Recht<br />
auf den Sachbereich eingeschränkt wird, für den die jeweilige<br />
Person bekannt ist) 23. Abgesehen davon, dass derartige<br />
Fälle rein wissenschaftlichen Betrachtungswert haben,<br />
da sich die Namensträger realiter erfolgreich gegen<br />
diesen „Namensklau“ wehren könnten, ist die Aussage,<br />
derartige Angaben seien geeignet, über geschäftliche Verhältnisse,<br />
die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich<br />
sind, irrezuführen, nur eine Annahme. Es wird<br />
nicht wirklich dargelegt, warum diesbezüglich eine Ausnahme<br />
gemacht wird und worin die wesentliche Täuschung<br />
bzw. Fehlvorstellung konkret bestehen soll, es sei<br />
denn, man unterstellt die fragwürdige These, dass bekann-<br />
21 Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073 ff.<br />
22 Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073 ff.; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />
<strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009, §4 Rz. 35.<br />
23 Heidinger, DB 2005, 815ff., m.w.N.; Heidinger in<br />
Münch.Komm.HGB, 2.Aufl. 2005, §18 Rz. 169.<br />
24 Steitz in Ensthaler, HGB, 7. Aufl. 2007, §19 Rz. 1.<br />
25 Zu Details kann auf die einschlägige Literatur verwiesen werden,<br />
s. Tillmann/Mohr, <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführer, 9.Aufl. 2009,<br />
Rz. 450ff.; Schiessl in Münch.Hdb.GesR, Bd. 3: <strong>GmbH</strong>,<br />
3.Aufl. 2009, § 35 Rz. 1ff; Lutter in Lutter/Hommelhoff,<br />
<strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009, §13 Rz. 11ff.<br />
te Personen grundsätzlich besser wirtschaftlich situiert<br />
sind als andere. Das alles sind irrationale Faktoren, die hypothetisch<br />
bleiben.<br />
<strong>Die</strong> bekannten Namen sind nun allerdings nicht die Regel,<br />
sondern die Ausnahme. Oben wurde ausgeführt, dass eine<br />
Firma, die aus einem Familiennamen gebildet wird, ohne<br />
dass ein entsprechender Namensträger als Gesellschafter<br />
oder Geschäftsführer involviert ist, keine Personenfirma,<br />
sondern eine Phantasiefirma ist. Es stellt sich die Frage,<br />
ob (fremde) Familiennamen überhaupt als Phantasiebegriffe<br />
zu qualifizieren sind. Phantasiebegriffe sind Wortgebilde,<br />
die entweder als solche nicht im allgemeinen<br />
Sprachschatz vorkommen oder in einen sachfremden Zusammenhang<br />
gestellt werden. Dazu zählen z.B. Firmenlogos<br />
wie „ELPO“, Buchstabenkombinationen wie „ANT“<br />
oder Begriffe, die als Zusatz ihre eigentliche Bedeutung<br />
verlieren wie „Paradies Bettwaren <strong>GmbH</strong>“ o.ä. Ob Personennamen<br />
damit gleichgesetzt werden können erscheint<br />
fraglich, auch wenn im Einzelfall die Abgrenzung zwischen<br />
(seltenem) Familienname und individueller kreativer<br />
Wortschöpfung schwierig sein mag. Niemand wird auf<br />
die Idee kommen, Familiennamen als Phantasiebegriffe zu<br />
bezeichnen, eher als eigenständige Wortgruppe. <strong>Die</strong> Befürworter<br />
der Zulässigkeit von Fremdnamen verzichten<br />
auf derartige Definitionsversuche. Sie stellen darauf ab,<br />
dass Familiennamen keine Angaben seien, die geeignet<br />
seien, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen<br />
Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen.<br />
<strong>Die</strong>ser Annahme kann aus folgenden Gründen nicht uneingeschränkt<br />
zugestimmt werden: Ein Kunde wird, um<br />
ein Beispiel zu bilden, den Firmenbestandteil „Carstensen“<br />
nicht als Phantasiebegriff, sondern als Familienname<br />
auffassen. Sofern er sich Gedanken dazu macht, wird er<br />
sich überlegen, was dadurch, dass der Familienname in<br />
der Firma geführt wird, mitgeteilt werden soll. Und ihn<br />
naheliegender weise als Aussage einordnen, die sich auf<br />
geschäftliche Verhältnisse bezieht – ein anderer Sinn ist<br />
nicht herleitbar – und zwar entweder auf einen ehemaligen<br />
oder aktuellen (Mit-)Inhaber des Betriebs oder eine<br />
sonst maßgebliche Person. Das ist unter Haftungsgesichtspunkten<br />
auch nicht irrelevant. Spätestens im Schadensfall<br />
wird er überprüfen, wer dieser Namensträger ist und ob<br />
dort noch „etwas zu holen“ ist. Entpuppt sich der Name<br />
als leere Hülse, wird sich der geschädigte Geschäftspartner<br />
subjektiv betrogen vorkommen – das passt dann ins<br />
Bild. <strong>Die</strong> Information über die Haftungsverhältnisse ist<br />
die zentrale Aussage des Firmennamens. Deswegen besteht<br />
die einzig positive Firmenbildungsregel in der Verpflichtung<br />
zur Aufnahme des konkreten Rechtsformzusatzes24.<br />
<strong>Die</strong> Haftung trifft in erster Linie die Inhaber und<br />
Gesellschafter. Das gilt in besonderem Maße im Bereich<br />
der Personenunternehmen. Aber auch im Bereich der Kapitalgesellschaften<br />
sind sowohl gesetzlich als auch von Literatur-<br />
und Rechtsprechung Haftungskonstellationen geschaffen<br />
worden, die sich teilweise selbst auf die Geschäftsführer<br />
erstrecken, und sei es erst in der Insolvenz25. Es kann unterstellt werden, dass diese Umstände sowohl<br />
allgemein bekannt als auch im Geschäftsverkehr von Relevanz<br />
sind. Ob die im Firmennamen genannten Personen<br />
letztendlich tatsächlich zur Kasse gebeten werden können,<br />
ist ein anderer Punkt. Man kann aus der Ungewissheit diese<br />
Frage aber nicht zwingend deren Unwesentlichkeit herleiten.<br />
Es steht damit das Interesse der Unternehmen an<br />
einer flexiblen Firmierung einerseits und das Interesse der<br />
Wirtschaftsteilnehmer an einem ausreichenden Schutz vor<br />
Irreführungen andererseits im Raum. <strong>Die</strong>se sind gegenei-
20<br />
nander abzuwägen. Ein legitimes Interesse von Unternehmen,<br />
sich fremder Familiennamen zur Bildung einer<br />
Phantasiefirma zu bedienen, ist schwer begründbar. Wenn<br />
man davon ausgeht, dass nicht nur die Namen von Inhabern<br />
und Gesellschaftern zur Firmenbildung verwendet<br />
werden können, sondern auch die Namen von Geschäftsführern<br />
und anderen Personen, die nachweislich die Geschicke<br />
des Unternehmens maßgeblich beeinflussen, sind<br />
darüber hinausreichende Fallkonstellationen in aller Regel<br />
im Bereich des Missbrauchs anzusiedeln. Dadurch werden<br />
schlicht falsche Verhältnisse vorgespiegelt, für die es keine<br />
Rechtfertigung gibt. Das zeigen insbesondere die oben<br />
aufgeführten Beispiele, also dass etwa bei einer Einpersonen-<strong>GmbH</strong><br />
die Firma durch mehrere Phantasiegesellschafter<br />
oder Gesellschaftszusätze wie „& Co.“ bereichert werden<br />
soll. In den meisten dieser Fälle geht es darum, einen<br />
besonderen, aber objektiv unrichtigen Anschein zu wecken.<br />
Unterstützung verdient dies nicht. Stellt man dem<br />
die Interessen des Rechtsverkehrs und der angesprochenen<br />
Verkehrskreise gegenüber, so ist festzustellen, dass jeder<br />
Verkehrsteilnehmer bisher davon ausgehen konnte, dass<br />
die in einem Firmennamen genannten Personen – zumindest<br />
potentielle – Haftungsträger sind. Bei der <strong>GmbH</strong> umfasst<br />
dies unter anderem die Haftung für ausstehende<br />
Stammeinlagen oder sonstige (Regress-)Ansprüche der<br />
Gesellschaft gegenüber Gesellschaftern, die von Gläubigern<br />
im Wege der Zwangsvollstreckung verwertet werden<br />
können. <strong>Die</strong> möglichen Konstellationen sind bekannt und<br />
durchaus vielfältig, bis hin zur Konzernhaftung. Bei Personenunternehmen<br />
kommt bei abgeleiteten Firmen die<br />
Haftung der ausgeschiedenen Inhaber und Gesellschafter<br />
gemäß §§25, 26 HGB hinzu. <strong>Die</strong>ser Hintergrund nährt<br />
Zweifel, ob man wirklich davon ausgehen kann, dass in<br />
Firmenbezeichnungen enthaltene Eigennamen im Geschäftsverkehr<br />
als unwesentlich erachtet werden. Der<br />
Weg, bezuglose Familiennamen nicht als bewusste Falschaussagen,<br />
sondern als Phantasiebegriffe einzustufen, sollte<br />
deshalb mit Vorsicht gegangen werden. Vielleicht würde<br />
das auch im 21. Jahrhundert noch ein Stück weit das Prinzip<br />
des ehrbaren Kaufmanns widerspiegeln.<br />
V. Fazit<br />
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass zur Bildung einer<br />
Personenfirma der bürgerliche Name des Kaufmanns bzw.<br />
die bürgerlichen Namen von Gesellschaftern verwendet<br />
werden. Firmenbezeichnungen, die aus fremden Personennamen<br />
gebildet werden, sind nicht als Personenfirma, sondern<br />
als Phantasiefirma zu werten. Sie werden in der Regel<br />
von den angesprochenen Verkehrskreisen allerdings<br />
als Hinweis auf die geschäftlichen Verhältnisse, nämlich<br />
einen aktuellen bzw. früheren (Mit-)Inhaber oder eine<br />
sonst das Unternehmen maßgeblich beeinflussende Person<br />
aufgefasst. Sowohl bei den Personenunternehmen als auch<br />
bei den Kapitalgesellschaften gibt es Haftungssituationen,<br />
die der Zulässigkeit unwahrer Familiennamen entgegenstehen.<br />
<strong>Die</strong> Verwendung fremder Familiennamen ist als<br />
Missbrauch zu bewerten. Eine andere Handhabung hätte<br />
zur Folge, dass nicht nur einzelne, sondern auch mehrere<br />
Familiennamen oder personenersetzende Gesellschaftszusätze<br />
beliebig Verwendung finden könnten. Auch die<br />
Grundsätze der Firmenidentität und der Firmenbeständigkeit<br />
würden dadurch faktisch außer Kraft gesetzt.<br />
Steffen Kögel<br />
Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma einer <strong>GmbH</strong><br />
<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
Reinhard Stockum/Marc Sälzer *<br />
Kaufpreisraten bei Unternehmenskäufen<br />
– Das Abzinsungsgebot als steuerliches<br />
Minenfeld? –<br />
Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wurde<br />
erstmalig ein steuerliches Abzinsungsgebot für unverzinsliche<br />
längerfristige Verbindlichkeiten eingeführt.<br />
Obwohl dieses Abzinsungsgebot in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3<br />
EStG bereits seit dem 1.1.1999 in Kraft ist, bestehen<br />
zahlreiche Risiken in der praktischen Anwendung, die<br />
bisher nicht vollumfänglich gewürdigt werden. <strong>Die</strong>ser<br />
Beitrag soll die Problematik des Abzinsungsgebots im<br />
Rahmen von Unternehmenskäufen darlegen, bei denen<br />
zumindest zwei Kaufpreisraten vereinbart werden. <strong>Die</strong>s<br />
kann zu erheblichen steuerlichen Konsequenzen – vor<br />
allem beim Erwerber – führen.<br />
I. Einleitung<br />
<strong>Die</strong> Ausgestaltung des Kaufpreises und des Kaufpreismechanismus<br />
sind wesentliche Bestandteile der Vertragsverhandlungen<br />
bei Unternehmenskäufen. Unabhängig von<br />
der Art der Gegenleistung wird in zeitlicher Hinsicht oftmals<br />
vereinbart, dass der Kaufpreis nicht sofort in vollem<br />
Umfang beim Vollzug (Closing) des Unternehmenskaufvertrags<br />
fällig ist. Fallen Vollzug und Kaufpreisfälligkeit<br />
zeitlich auseinander, stellt sich die Frage der Verzinsung<br />
der Kaufpreisverbindlichkeit.<br />
Wurde z.B. auf Verlangen des Verkäufers keine Verzinsung<br />
der Kaufpreisraten vereinbart, besteht die Gefahr,<br />
dass das steuerliche Abzinsungsgebot des §6 Abs.1 S.1<br />
Nr.3 EStG eingreift. <strong>Die</strong> unverzinsliche Kaufpreisverbindlichkeit<br />
wird beim Erwerber mit einem Zinssatz i.H.v.<br />
5,5% p.a. abgezinst, wenn die Verbindlichkeit am steuerlichen<br />
Bilanzstichtag des Erwerbers erst in zwölf Monaten<br />
oder zu einem späteren Zeitpunkt fällig ist. <strong>Die</strong> Abzinsung<br />
der Kaufpreisverbindlichkeit erfolgt nur in der Steuerbilanz,<br />
nicht aber in der Handelsbilanz. <strong>Die</strong> steuerliche Abzinsung<br />
der Kaufpreisverbindlichkeit führt zu einem Abzinsungsgewinn<br />
beim Erwerber, der im Jahr der Abzinsung<br />
bei diesem steuerpflichtig ist. Der Erwerber trägt somit<br />
das Risiko, im Jahr der Abzinsung für einen Ertrag<br />
steuerpflichtig zu sein, bei dem es sich um einen reinen<br />
Buchgewinn handelt. Dabei kann dieser steuerpflichtige<br />
Ertrag in den darauf folgenden Jahren durch die Abzugsfähigkeit<br />
eines korrespondierenden Aufwands aufgrund der<br />
späteren Aufzinsung wieder ausgeglichen werden.<br />
Aus Gründen der Rechtssicherheit für beide Parteien wird<br />
daher häufig eine Verzinsung der Kaufpreisraten zwischen<br />
dem Erwerber und dem Veräußerer ausdrücklich vereinbart.<br />
Der vereinbarte Zinsanteil ist beim Erwerber steuerlich<br />
als Zinsaufwand und beim Veräußerer als Zinsertrag<br />
zu behandeln. In diesem Fall entfällt die Anwendung des<br />
§6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG.<br />
* Reinhard Stockum ist Steuerberater und Partner Tax, Marc Sälzer<br />
ist Rechtsanwalt und Associate, beide bei Shearman & Sterling<br />
LLP in Frankfurt a.M.
<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 21<br />
Im Folgenden sollen die möglichen Risiken aufgezeigt<br />
werden, wenn bei einem Unternehmenskauf mit vereinbarter<br />
Ratenzahlung eine Verzinsung zwischen den Parteien<br />
nicht ausdrücklich vereinbart wird.<br />
II. Steuerliches Abzinsungsgebot<br />
1. Sinn und Zweck des steuerlichen Abzinsungsgebots<br />
<strong>Die</strong> Abzinsung in der Steuerbilanz mit einem Zinssatz<br />
i.H.v. 5,5% p.a. gemäß §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG wurde<br />
nicht zur Verteilung effektiver Zinserträge und Zinsaufwendungen<br />
eingeführt. Sie soll vielmehr den Marktwert<br />
von Verbindlichkeiten reflektieren. Der Vorteil des<br />
Schuldners, eine unverzinsliche Verbindlichkeit unter dem<br />
Nennwert an einen Übernehmer „wegschaffen“ zu können,<br />
soll steuerlich erfasst werden1. Nach dem Gesetzeszweck<br />
beruht die Abzinsung auf der typisierenden Vorstellung,<br />
dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verbindlichkeit<br />
den Schuldner weniger belastet als eine sofortige<br />
Leistungspflicht2. Daher führt die Abzinsung im ersten<br />
Jahr der Passivierung der Kaufpreisverbindlichkeit zu<br />
einem außerordentlichen Ertrag beim Schuldner, der erst<br />
durch den außerordentlichen Aufwand aufgrund der nachfolgenden<br />
Aufzinsung ausgeglichen wird3. 2. Tatbestand des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr.3 EStG<br />
<strong>Die</strong> Abzinsung in der Steuerbilanz setzt eine unverzinsliche<br />
Verbindlichkeit voraus, deren Restlaufzeit am steuerlichen<br />
Bilanzstichtag des Schuldners zwölf Monate oder<br />
länger beträgt. Nach der Vorschrift des §6 Abs.1 S.1 Nr.3<br />
EStG sind Verbindlichkeiten vom Abzinsungsgebot ausgenommen,<br />
die eine Restlaufzeit von weniger als zwölf Monaten<br />
am steuerlichen Bilanzstichtag des Schuldners haben<br />
oder die verzinslich sind oder die auf einer Anzahlung<br />
oder Vorausleistung beruhen.<br />
Das Abzinsungsgebot könnte daher auf Kaufpreisverbindlichkeiten<br />
bei einem Unternehmenskauf nur angewendet<br />
werden, wenn eine vereinbarte Kaufpreisrate am steuerlichen<br />
Bilanzstichtag des Erwerbers eine Restlaufzeit von<br />
zwölf Monaten oder länger hat.<br />
1 Vgl. Groh, DB 2007, 2275 (2275).<br />
2 BFH v. 6.10.2009 – I R 4/08, BStBl. II 2010, 177 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2010, 102; v. 27.1.2010 – I R 35/09, BStBl. II 2010, 478 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 2010, 438; BT-Drucks. 14/23, S.171.<br />
3 BMF v. 26.5.2005 – IV B 2 - S 2175 - 7/05, BStBl. I 2005, 699,<br />
Rz. 41; vgl. BFH v. 25.8.2010 – I R 102/09, <strong>GmbH</strong>R 2010,<br />
1270, Rz. 11, 12.<br />
4 BMF v. 26.5.2005 – IV B 2 - S 2175 - 7/05, BStBl. I 2005, 699,<br />
Rz. 13.<br />
5 BMF v. 23.8.1999 – IV C 2 - S 2175 - 25/99, DStR 1999, 1401.<br />
6 Zusammenfassend bei Beiser, DB 2001, 296 ff.<br />
7 BFH v. 6.10.2009 – I R 4/08, BStBl. II 2010, 177 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2010, 102; v. 27.1.2010 – I R 35/09, BStBl. II 2010, 478 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 2010, 438.<br />
8 Kulosa in Schmidt, EStG, 29. Aufl. 2010, §6 Rz. 454; Hoffmann<br />
in Littmann/Bitz/Pust, EStG (Stand: 87. Erg.-Lfg. Mai 2010),<br />
§ 6 Rz. 681; Groh, DB 2007, 2275 (2278).<br />
9 Der BFH hat in seinem Urteil über die Abzinsung von unverzinslichen<br />
Gesellschafterdarlehen ausdrücklich mit dem Wortlaut<br />
von § 6 Abs.1 S. 1 Nr. 3 EStG argumentiert und entschieden,<br />
dass dieser keine weiteren Einschränkungen vorsieht; s.BFH v.<br />
27.1.2010 – I R 35/09, BStBl. II 2010, 478 = <strong>GmbH</strong>R 2010,<br />
438.<br />
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist das Abzinsungsgebot<br />
nach §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG nicht einschlägig,<br />
wenn eine Verzinsung mit einem Zinssatz von mehr<br />
als 0% p.a. zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer<br />
vereinbart ist 4. Hierbei ist zu beachten, dass nach Auffassung<br />
der Finanzverwaltung die Vereinbarung eines Zinssatzes<br />
nahe 0% p.a. im Einzelfall als missbräuchliche Gestaltung<br />
i.S.d. §42 AO beurteilt werden könnte 5. U.E.<br />
dürfte ein Zinssatz i.H.v. mindestens 1% jedenfalls nicht<br />
rechtsmissbräuchlich sein.<br />
Das Gesetz und die Finanzverwaltung lassen allerdings offen,<br />
wann eine Verzinsung als vereinbart gilt. Unzweifelhaft<br />
liegt eine Verzinsung vor, wenn beide Parteien einen<br />
Teil des Kaufpreises als Zinsanteil ausdrücklich vereinbaren.<br />
In vielen Fällen wird der Zinsanteil allerdings „verdeckt“<br />
im Kaufpreis einkalkuliert sein. Ein verdeckter<br />
Zinsanteil ist zum Beispiel anzunehmen, wenn der Kaufpreis<br />
über dem Wert des erworbenen Unternehmens liegt<br />
und der Kaufpreis über einen langen Zeitraum gestreckt<br />
wird oder eine Reduzierung des Kaufpreises bei vorzeitiger<br />
Tilgung durch den Erwerber vereinbart ist. In solchen<br />
Fällen wird von einer Verzinslichkeit der Verbindlichkeit<br />
i.S.d. §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG auszugehen sein.<br />
3. Verfassungsmäßigkeit des steuerlichen<br />
Abzinsungsgebots<br />
In der Literatur werden verfassungsrechtliche Bedenken gegen<br />
das steuerliche Abzinsungsgebot vorgebracht. <strong>Die</strong> Besteuerung<br />
eines fiktiven Abzinsungsgewinns stelle hiernach<br />
einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Prinzip der<br />
Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen<br />
dar, weil in Höhe des Abzinsungsgewinns kein tatsächlich<br />
erzieltes Einkommen, welches die Leistungsfähigkeit<br />
des Kaufpreisschuldners steigert, der Besteuerung unterworfen<br />
wird6. Der BFH teilt diese verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken nicht. Das Abzinsungsgebot des §6 Abs.1 S.1<br />
Nr.3 EStG ist vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers<br />
gedeckt. <strong>Die</strong> steuerliche Abzinsung dient der Verteilung des<br />
Zinsaufwands nach Maßgabe der wirtschaftlichen Zuordnung<br />
im Sinne einer periodengerechten Gewinnabgrenzung,<br />
auch wenn die Aufzinsungsaufwendungen den vorherigen<br />
Abzinsungsgewinn nicht ausgleichen sollten7. 4. Anwendbarkeit des steuerlichen Abzinsungsgebots<br />
bei Ratenzahlungen<br />
In der Literatur wird die Auffassung vertreten, das Abzinsungsgebot<br />
nach §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG sei bei vereinbarter<br />
Ratenzahlung nicht anzuwenden, da die vereinbarte<br />
Ratenzahlung zwingend einen verdeckten Zinsanteil in<br />
sich trägt8. Hierbei wird allerdings offen gelassen, ob dies<br />
eine unwiderlegbare Vermutung sein sollte. <strong>Die</strong> steuerliche<br />
Abzinsung soll aber nicht eingreifen, da eine verzinsliche<br />
Verbindlichkeit i.S.d. §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG anzunehmen<br />
wäre.<br />
Es besteht jedoch ein Risiko, dass das steuerliche Abzinsungsgebot<br />
auch auf Kaufpreisverbindlichkeiten mit vereinbarter<br />
Ratenzahlung angewendet werden kann, soweit<br />
keine objektiv feststellbaren Umstände für das Vorliegen<br />
eines offenen oder verdeckten Zinsanteils sprechen, wie<br />
z.B. wenn der in Ratenzahlung vereinbarte Kaufpreis über<br />
dem Wert des erworbenen Unternehmens liegt oder eine<br />
Kaufpreisreduzierung für den Fall einer vorzeitigen Tilgung<br />
vereinbart ist. Auch wenn keine aktuelle BFH-<br />
Rechtsprechung9 oder Stellungnahmen der Finanzverwal-
22<br />
tung 10 vorliegen, wurde in vergleichbaren Fällen offenbar<br />
das steuerliche Abzinsungsgebot von der Finanzverwaltung<br />
angewendet 11.<br />
<strong>Die</strong> oben erwähnte Ansicht in der Literatur sieht eine Ausnahme<br />
für das steuerliche Abzinsungsgebot vor, welche<br />
sich nicht ausdrücklich im Wortlaut des §6 Abs.1 S.1<br />
Nr.3 EStG wiederfindet. Sie beruft sich insbesondere auf<br />
eine BFH-Rechtsprechung, welche eine Aufteilung in Tilgungs-<br />
und Zinsanteil bei Kaufpreisverbindlichkeiten mit<br />
Ratenzahlungen vorsieht, wenn eine Verzinsung nicht vereinbart<br />
oder durch die Parteien sogar ausdrücklich ausgeschlossen<br />
worden ist 12. Jedoch erging diese Rechtsprechung<br />
zur Rechtslage vor Inkrafttreten des §6 Abs.1 S.1<br />
Nr.3 EStG (i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/<br />
2000/2002). Sie beruht vor allem auf der fehlenden gesetzlichen<br />
Regelung im Einkommensteuerrecht im Hinblick<br />
auf die steuerliche Abzinsung einer Verbindlichkeit für<br />
den Zeitraum vor dem 1.1.1999. <strong>Die</strong> Rechtsprechung basiert<br />
deshalb insbesondere auf allgemeinen Vorschriften<br />
des Bewertungsrechts 13. Aufgrund der Einführung des<br />
Abzinsungsgebots in das Einkommensteuergesetz verbleibt<br />
allerdings eine Unsicherheit, dass man sich wegen<br />
der Änderung der gesetzlichen Grundlage nicht mehr uneingeschränkt<br />
auf die in der Vergangenheit beständige<br />
Rechtsprechung des BFH berufen kann.<br />
Jedoch vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass<br />
das Vorliegen einer verzinslichen Verbindlichkeit aus einer<br />
wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu beurteilen ist 14.<br />
Hieraus könnte gefolgert werden, dass aus wirtschaftlicher<br />
Sicht bei vereinbarten Kaufpreisraten, die über einen Zeitraum<br />
von mehr als zwölf Monaten gestreckt werden, eine<br />
Vermutung zugunsten des Steuerpflichtigen für die Verzinslichkeit<br />
dieser Verbindlichkeit besteht. Leider ist es<br />
von der Finanzverwaltung bislang versäumt worden, in<br />
diesem Punkt Klarheit zu schaffen.<br />
Es bleibt abzuwarten, ob der BFH aufgrund der seit dem<br />
1.1.1999 geänderten Rechtslage an seiner bisherigen<br />
Rechtsprechung festhalten wird, dass bei vereinbarter<br />
Kaufpreisratenzahlung immer ein verdeckter Zinsanteil<br />
anzunehmen ist und somit stets das steuerliche Abzinsungsgebot<br />
wegen des Vorliegens einer verzinslichen<br />
Kaufpreisverbindlichkeit ausscheidet.<br />
III. Folgen beim Erwerber<br />
Eine mögliche Anwendung des steuerlichen Abzinsungsgebots<br />
bei vereinbarten Kaufpreisraten könnte zu erheblichen<br />
handels- und steuerbilanziellen bzw. ertragsteuerlichen<br />
Auswirkungen beim Erwerber führen.<br />
1. Handelsbilanzielle Auswirkungen<br />
In der Handelsbilanz des Erwerbers ist die Beteiligung am<br />
erworbenen Unternehmen mit den Anschaffungskosten zu<br />
aktivieren (§253 Abs.1 S.1 HGB) und die unverzinsliche<br />
Kaufpreisverbindlichkeit mit dem Erfüllungsbetrag(§253<br />
Abs.1 S.2 HGB), d.h. mit dem Nennwert und nicht dem<br />
abgezinsten Barwert15, zu passivieren. Eine ertragswirksame<br />
Abzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit ist in der Handelsbilanz<br />
nicht zulässig. Allerdings ist die Kaufpreisverbindlichkeit<br />
in der Handelsbilanz in einen Kapital- und<br />
Zinsschuldanteil aufzuteilen, wenn die Unverzinslichkeit<br />
nur formal besteht und in der Kaufpreisverbindlichkeit ein<br />
verdeckter Zinsanteil zu sehen ist16. Verdeckte Zinszahlungen<br />
liegen nur vor, wenn die Beteiligten objektiv ein<br />
<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
Kreditgeschäft beabsichtigt haben. <strong>Die</strong>s ist bei vereinbarter<br />
Ratenzahlung aber nur der Fall, wenn die zu zahlenden<br />
Raten über dem Wert des erworbenen Unternehmens liegen<br />
17.<br />
2. Steuerbilanzielle Auswirkungen<br />
In der Steuerbilanz des Erwerbers ist die Beteiligung am<br />
erworbenen Unternehmen als Wirtschaftsgut mit den Anschaffungskosten<br />
zu aktivieren (§6 Abs.1 S.1 Nr.1<br />
EStG), was dem Nennwert der Kaufpreisverbindlichkeit<br />
entspricht18. Bei der Kaufpreisverbindlichkeit könnte §6<br />
Abs.1 S.1 Nr.3 EStG eingreifen. <strong>Die</strong> Verbindlichkeit<br />
wäre, soweit die Fälligkeit am steuerlichen Bilanzstichtag<br />
zwölf Monate oder länger in der Zukunft liegt, mit dem<br />
Nennwert abgezinst i.H.v. 5,5% p.a. zu passivieren. Das<br />
Abzinsungsgebot nach §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG setzt gerade<br />
nicht wie bei der Handelsbilanz das Vorliegen eines<br />
verdeckten Zinsanteils in der Verbindlichkeit voraus.<br />
In der Literatur wird teilweise vertreten, dass sowohl die<br />
Kaufpreisverbindlichkeit als auch die Beteiligung am erworbenen<br />
Unternehmen beim Erwerber nur mit dem abgezinsten<br />
Barwert zu passivieren bzw. zu aktivieren sei19. <strong>Die</strong>se Ansicht wird mit dem Grundsatz der Neutralität des<br />
Anschaffungsvorgangs begründet20. Hiernachwürdekein<br />
Abzinsungsgewinn entstehen. Der Aufwand aufgrund der<br />
späteren Aufzinsung soll durch die Aktivierung nachträglicher<br />
Anschaffungskosten auf die Beteiligung am erworbenen<br />
Unternehmen erfolgsneutral ausgeglichen werden21.<br />
Somit wäre auch die Entstehung des Aufzinsungsaufwands<br />
vermieden und das steuerliche Abzinsungsgebot<br />
nach §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG hätte insgesamt keine erfolgswirksamen<br />
Folgen beim Erwerber.<br />
10 Das Schr. des BMF v. 26.5.2005 – IV B 2 - S 2175 - 7/05,<br />
BStBl. I 2005, 699 beinhaltet keine ausdrücklichen Anmerkungen<br />
zu einer Nichtanwendbarkeit des §6 Abs.1 S. 1 Nr.3 EStG<br />
bei Verbindlichkeiten mit Ratenzahlungen.<br />
11 Vgl. FG Berlin-Brandenburg v. 15.2.2010 – 12 V 12153/09,<br />
DStRE 2010, 782. Der dem Beschluss des FG Berlin-Brandenburg<br />
zugrunde liegende Sachverhalt zeigt, dass die Finanzverwaltung<br />
das steuerliche Abzinsungsgebot nach §6 Abs.1 S. 1<br />
Nr.3 EStG wohl auch bei Verzug der Kaufpreiszahlung durch<br />
den Erwerber anwendet. Folglich hat die Finanzverwaltung<br />
beim Erwerber im Jahr des Beteiligungserwerbs den steuerpflichtigen<br />
Gewinn um den entsprechenden Abzinsungsertrag<br />
erhöht.<br />
12 BFH v. 25.6.1974 – VIII R 163/71, BStBl. II 1975, 431; v.<br />
25.2.1975 – VIII R 19/70, BStBl. II 1975, 647; v. 7.7.1983 –<br />
IV R 47/80, BStBl. II, 1983, 753; v. 11.12.1986 – IV R 222/84,<br />
BStBl. II 1987, 553 = <strong>GmbH</strong>R 1987, 489; v. 26.1.1999 – VIII<br />
R 32/96, <strong>GmbH</strong>R 1999, 728.<br />
13 Vgl. BFH v. 25.6.1974 – VIII R 163/71, BStBl. II 1975, 431.<br />
14 BMF v. 26.5.2005 – IV B 2 - S 2175 - 7/05, BStBl. I 2005,<br />
699, Rz. 16.<br />
15 Vgl. Ehmcke in Blümich, EStG (EL 106, Stand: Mai 2010), § 6<br />
Rz. 956a.<br />
16 Kozikowski/Schubert in Beck’scher Bilanz-Komm., 7. Aufl.<br />
2010, §253 Rz. 66.<br />
17 Kozikowski/Schubert in Beck’scher Bilanz-Komm., 7. Aufl.<br />
2010, §253 Rz. 66, 67.<br />
18 Vgl. Groh, DB 2007, 2275 (2277).<br />
19 Viskorf, DB 2006, 1231ff.; Kulosa in Schmidt, EStG, 29. Aufl.<br />
2010, §6 Rz. 454.<br />
20 So Ehmcke in Blümich, EStG (EL 105, Stand: März 2010), § 6<br />
Rz. 281; Viskorf, DB 2006, 1231 (1232).<br />
21 Viskorf, DB 2006, 1231 (1233). Das FG Berlin-Brandenburg<br />
hatte in seinem Beschl. v. 15.2.2010 – 12 V 12153/09, DStRE<br />
2010, 782 über die Frage der steuerlichen Abzinsung bei Ver-
<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 23<br />
Gegen diese Auffassung wird in Literatur vorgebracht,<br />
dass die Vermeidung eines Abzinsungsgewinns durch<br />
Minderung der Anschaffungskosten für die Beteiligung<br />
am erworbenen Unternehmen sowie die Vermeidung eines<br />
Aufzinsungsverlusts durch die Aktivierung nachträglicher<br />
Anschaffungskosten auf diese Beteiligung einen Widerspruch<br />
zum Sinn und Zweck des Abzinsungsgebots nach<br />
§6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG darstellt 22. <strong>Die</strong> steuerliche Abzinsung<br />
soll gerade den Zinsvorteil vorwegnehmen, um<br />
eine periodengerechte Gewinnermittlung sicherzustellen<br />
23. <strong>Die</strong> Beteiligung am erworbenen Unternehmen ist<br />
folglich beim Erwerber mit dem Nennwert zu aktivieren.<br />
Durch die Abzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit auf der<br />
Passivseite entsteht ein außerordentlicher Ertrag beim Erwerber<br />
– wie es durch §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG beabsichtigt<br />
ist.<br />
<strong>Die</strong> Auffassung, dass die Anschaffungskosten der Beteiligung<br />
am erworbenen Unternehmen nur mit dem abgezinsten<br />
Barwert – wie in der früheren BFH-Rechtsprechung 24<br />
und in Teilen der Literatur 25 vertreten – aktiviert werden<br />
soll, stößt auf Widerstand, da diese Ansicht keine Grundlage<br />
im Gesetz findet. <strong>Die</strong> Möglichkeit einer mit §6<br />
Abs.1 S.1 Nr.3 EStG verknüpften korrespondierenden<br />
Teilwertabschreibung der Beteiligung am erworbenen Unternehmen<br />
sieht das Gesetz nicht vor und würde auch der<br />
Systematik des Abzinsungsgebots nach §6 Abs.1 S.1<br />
Nr.3 EStG widersprechen, welche gerade bewusst eine erfolgswirksame<br />
Abzinsung vorsieht 26.<br />
Eine erfolgsneutrale Gestaltung der steuerlichen Abzinsung<br />
27 könnte zudem gegen das Saldierungsverbot verstoßen.<br />
Nach dem handelsrechtlichen Saldierungsverbot,<br />
welches auch für die Steuerbilanz anzuwenden ist, dürfen<br />
Posten der Aktivseite und Posten der Passivseite nicht miteinander<br />
verrechnet werden (§246 Abs.1 S.1 HGB). Eine<br />
zug der Kaufpreiszahlung durch den Schuldner bzw. Erwerber<br />
zu entscheiden. Hierbei verwarf das FG die Auffassung des Erwerbers,<br />
dass die steuerliche Abzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit<br />
zu einer Verminderung des Ansatzes der erworbenen<br />
Anteile führe und somit steuerneutral zu erfassen sei. <strong>Die</strong>ser<br />
Beschluss ist lediglich für den Fall des Zahlungsverzugs und<br />
nicht für den Fall einer vereinbarten Ratenzahlung ergangen.<br />
Allerdings zeigt der Beschluss, dass das FG Berlin-Brandenburg<br />
der Ansicht einer grundsätzlichen erfolgsneutralen Gestaltung<br />
des steuerlichen Abzinsungsgebots nicht folgt.<br />
22 Groh, DB 2007, 2275 (2277).<br />
23 Vgl. Groh, DB 2007, 2275 (2277).<br />
24 BFH v. 26.1.1999 – VIII R 32/96, <strong>GmbH</strong>R 1999, 728.<br />
25 Ehmcke in Blümich, EStG (EL 105, Stand: März 2010), §6<br />
Rz. 281; Kulosa in Schmidt, EStG, 29. Aufl. 2010, §6 Rz. 81,<br />
454; Viskorf, DB 2006, 1231 (1232).<br />
26 Vgl. Hoffmann, StuB 2010, 1 (2).<br />
27 Viskorf, DB 2006, 1231 (1233).<br />
28 So Ehmcke in Blümich, EStG (EL 105, Stand: März 2010), §6<br />
Rz. 281; Viskorf, DB 2006, 1231 (1232).<br />
29 Vgl. Glanegger in Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, §6 Rz. 404.<br />
30 Groh, DB 2007, 2275 (2277).<br />
31 BFH v. 29.11.1983 – VIII R 231/80, BStBl. II 1984, 109; v.<br />
9.2.1994 – IX R 110/90, BStBl. II 1995, 47; Ehmcke in Blümich,<br />
EStG (EL 105, Stand: März 2010), §6 Rz. 322; Werndl<br />
in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG (185. Akt., Stand: Mai<br />
2008), § 6 Rz. B 125.<br />
32 BFH v. 26.1.1999 – VIII R 32/96, <strong>GmbH</strong>R 1999, 728.<br />
33 BFH v. 29.11.1983 – VIII R 231/80, BStBl. II 1984, 109; v.<br />
9.2.1994 – IX R 110/90, BStBl. II 1995, 47; Ehmcke in Blümich,<br />
EStG (EL 105, Stand: März 2010), §6 Rz. 322; Werndl<br />
in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG (185. Akt., Stand: Mai<br />
2008), § 6 Rz. B 125.<br />
unmittelbare Verrechnung des Betrags der Abzinsung der<br />
Kaufpreisverbindlichkeit auf der Passivseite mit dem Betrag<br />
aus der Abzinsung des erworbenen Unternehmens auf<br />
der Aktivseite in der Steuerbilanz des Erwerbers könnte<br />
als einen Verstoß gegen das Saldierungsverbot angesehen<br />
werden, der nicht durch eine Ausnahme im Gesetz gedeckt<br />
ist.<br />
<strong>Die</strong> Ansicht, welche sowohl die Beteiligung am erworbenen<br />
Unternehmen als auch die Kaufpreisverbindlichkeit<br />
mit abgezinstem Barwert aktivieren bzw. passivieren<br />
möchte, nimmt für sich das Argument in Anspruch, den<br />
Grundsatz der Neutralität des Anschaffungsvorgangs zu<br />
wahren28. <strong>Die</strong>sem Argument könnte entgegengehalten<br />
werden, dass der Anschaffungsvorgang und die steuerliche<br />
Abzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit zwei verschiedene<br />
Vorgänge sind29. Zunächst wird die Beteiligung am erworbenen<br />
Unternehmen und die Kaufpreisverbindlichkeit<br />
zu deren jeweiligem Nennwert aktiviert bzw. passiviert,<br />
welches an sich ein neutraler Vorgang ist. Hiervon ist die<br />
erfolgswirksame Abzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit<br />
als weiterer Vorgang unabhängig. <strong>Die</strong>ser Ablauf würde<br />
dem Sinn und Zweck des Abzinsungsgebots sowie dem<br />
Wortlaut als auch der systematischen Stellung von §6<br />
Abs.1 S.1 Nr.3 EStG im Gesetz als Bewertungsvorschrift<br />
entsprechen.<br />
Neben der Problematik um eine erfolgsneutrale Abzinsung<br />
ist zu beachten, dass eine erfolgsneutrale Gestaltung<br />
der später folgenden Aufzinsung – durch Aktivierung<br />
nachträglicher Anschaffungskosten auf die Beteiligung am<br />
erworbenen Unternehmen, sobald die Kaufpreisverbindlichkeit<br />
aufgezinst wird – gegen den Grundsatz verstoßen<br />
könnte, dass die Entwicklung der Verbindlichkeit keinen<br />
Einfluss auf den Anschaffungsvorgang hat30. <strong>Die</strong>Beteiligung<br />
am erworbenen Unternehmen und die Kaufpreisverbindlichkeit<br />
sind nach dem Anschaffungszeitpunkt zwei<br />
getrennte Wirtschaftsgüter, deren weiteres Schicksal unabhängig<br />
voneinander verläuft. Eine nachträgliche Veränderung<br />
der Kaufpreisverbindlichkeit durch die spätere Aufzinsung<br />
kann hiernach nicht zu einer nachträglichen Veränderung<br />
der Anschaffungskosten für die Beteiligung am<br />
erworbenen Unternehmen führen31. Als weitere Ansicht könnte eine erfolgsneutrale Abzinsung<br />
der Kaufpreisverbindlichkeit, welcher eine spätere<br />
erfolgswirksame Aufzinsung folgt, in Erwägung gezogen<br />
werden. <strong>Die</strong> erfolgsneutrale Abzinsung würde durch die<br />
jeweils mit dem abgezinsten Barwert vorgenommene Aktivierung<br />
der Beteiligung am erworbenen Unternehmen<br />
und Passivierung der Kaufpreisverbindlichkeit geschehen,<br />
was die frühere BFH-Rechtsprechung zur Aktivierung der<br />
Anschaffungskosten mit dem abgezinsten Barwert respektieren<br />
würde32. <strong>Die</strong> spätere Aufzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit<br />
könnte erfolgswirksam vollzogen werden,<br />
wenn keine nachträglichen Anschaffungskosten für die<br />
Beteiligung am erworbenen Unternehmen aktiviert werden.<br />
<strong>Die</strong>s würde den Grundsatz berücksichtigen, dass die<br />
Kaufpreisverbindlichkeit und die Beteiligung am erworbenen<br />
Unternehmen nach dem Anschaffungsvorgang zwei<br />
unabhängige Wirtschaftsgüter sind33. <strong>Die</strong>ser Auffassung könnte allerdings entgegengehalten<br />
werden, dass dem beim Erwerber entstehenden Aufzinsungsaufwand<br />
kein (Zins-)Gewinn beim Verkäufer gegenüberstehen<br />
würde. In der steuerlichen Gesamtbetrachtung<br />
wäre somit ein Aufwand beim Erwerber realisiert, mit<br />
dem kein steuerpflichtiger Ertrag – weder beim Erwerber<br />
noch beim Verkäufer – korrespondiert. <strong>Die</strong>se steuerliche
24<br />
Begünstigung wird der Gesetzgeber wohl kaum mit der<br />
Einführung des steuerlichen Abzinsungsgebots beabsichtigt<br />
haben. Zudem würde eine solche Ansicht bedeutet,<br />
dass aufgrund der steuerlichen Abzinsung lediglich ein effektiver<br />
Zinsanteil dem Erwerber zugeteilt wird. <strong>Die</strong>s widerspricht<br />
aber gerade dem Sinn und Zweck der Einführung<br />
des §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG, welche beabsichtigt<br />
den Vorteil des Schuldners aufgrund einer nicht sofort fälligen<br />
Verbindlichkeit steuerlich zu erfassen 34.<br />
Der unübersichtliche Meinungsstreit in der Literatur ist<br />
entstanden, da der Gesetzgeber mit der Einführung des<br />
steuerlichen Abzinsungsgebots in §6 Abs.1 S.1 Nr.3<br />
EStG ein Systemwechsel vollzogen hat, der mit der ständigen<br />
BFH-Rechtsprechung zur Verzinsung eines verdeckten<br />
Zinsanteil nicht harmonisiert. Solange dies nicht durch<br />
die Finanzverwaltung oder den BFH eindeutig geklärt ist,<br />
kann die aus dem oben dargestellten Meinungsstreit resultierende<br />
Rechtsunsicherheit für den Erwerber nur durch<br />
einen zweifelsfreien Ausschluss der steuerlichen Abzinsung<br />
in Form einer ausdrücklichen Verzinsung der Kaufpreisraten<br />
vermieden werden.<br />
3. Ertragsteuerliche Auswirkungen<br />
Nach der Systematik des steuerlichen Abzinsungsgebots<br />
könnte der Gewinn aus der Abzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit<br />
bzw. der Kaufpreisraten beim Erwerber als<br />
außerordentlicher Ertrag steuerpflichtig sein und der Verlust<br />
aus der späteren Aufzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit<br />
als außerordentlicher Aufwand korrespondierend<br />
steuermindernd zu berücksichtigen sein35. <strong>Die</strong>s würde<br />
beim Erwerber grundsätzlich im Jahr der Abzinsung einen<br />
höheren steuerlichen Gewinn und eine höhere Ertragsteuerbelastung<br />
verursachen. <strong>Die</strong>se Ertragsteuerbelastung<br />
könnte systematisch zwar grundsätzlich in den folgenden<br />
Jahren durch die korrespondierenden Aufzinsungsaufwendungen<br />
ausgeglichen und neutralisiert werden, so dass<br />
sich die Abzinsung lediglich in Gestalt der Aufwendungen<br />
für die Vorfinanzierung der Ertragsteuer auswirken würde.<br />
Allerdings kann die Situation eintreten, dass etwa aufgrund<br />
einer schlechten Ertragssituation beim Erwerber die<br />
nachfolgenden Aufzinsungsaufwendungen möglicherweise<br />
nicht effektiv steuermindernd berücksichtigt werden<br />
könnten.<br />
Im Bereich der Körperschaftsteuer könnte diese Auswirkung<br />
durch die Möglichkeit eines Verlustrücktrags abgemildert<br />
werden (§10d EStG i.V.m. §8 KStG). Bei einem<br />
Abzinsungsertrag, dem in darauf folgenden Veranlagungszeitraum<br />
ein Aufzinsungsaufwand in gleicher Höhe gegenübersteht,<br />
entstünde im Fall eines Verlustrücktrags<br />
beim Erwerber grundsätzlich kein steuerlicher Nachteil.<br />
<strong>Die</strong>s gilt jedoch bereits dann nicht mehr, wenn sich die<br />
Aufzinsung über mehrere Veranlagungszeiträume erstrecken<br />
würde. Außerdem ist zu beachten, dass die Gewerbesteuer<br />
gerade keinen gesonderten Verlustrücktrag kennt.<br />
<strong>Die</strong> Ab- und Aufzinsung von Verbindlichkeiten würde<br />
beim Erwerber auch zu Zinserträgen bzw. Zinsaufwendungen<br />
im Sinne der Zinsschranke führen (§4 h Abs. 3 S.4<br />
EStG). Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist allerdings<br />
der Ertrag aus der erstmaligen Abzinsung kein Zins-<br />
<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
ertrag im Sinne der Zinsschranke 36. <strong>Die</strong>s hätte zur Folge,<br />
dass Aufzinsungsaufwendungen des Erwerbers möglicherweise<br />
den Beschränkungen der Zinsschranke unterliegen,<br />
die Abzinsungserträge hingegen nicht im Rahmen der<br />
Zinsschranke durch den Erwerber berücksichtigt werden<br />
könnten.<br />
IV. Handlungsempfehlungen für den steuerlichen<br />
Berater des Erwerbers<br />
<strong>Die</strong> steuerlichen Auswirkungen sowohl beim Erwerber als<br />
auch beim Verkäufer sind wichtige Parameter für die Verhandlungen<br />
von Unternehmenskäufen und der Ausgestaltung<br />
des Kaufpreismechanismus. Der Verkäufer möchte<br />
regelmäßig eine (vereinbarte oder verdeckte) Verzinsung<br />
verhindern, weil der Zinsanteil nicht von der Steuerbefreiung<br />
nach §8b Abs.2 u. 3 KStG bzw. §3 Nr.40 EStG privilegiert<br />
ist. Ein vereinbarter oder verdeckter Zinsanteil<br />
würde beim Verkäufer vielmehr zu einem Ertrag führen,<br />
der vollständig steuerpflichtig wäre. Andererseits wäre<br />
eine (vereinbarte oder verdeckte) Verzinsung regelmäßig<br />
im Interesse des Erwerbers. Der Zinsanteil könnte beim<br />
Erwerber als Zinsaufwand – unter Vorbehalt der Einschränkungen<br />
im Rahmen der Zinsschranke – abzugsfähig<br />
sein. Zudem könnte der Erwerber durch die (offene oder<br />
verdeckte) Verzinsung das unübersichtliche Minenfeld der<br />
steuerlichen Abzinsung nach §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG<br />
vermeiden. <strong>Die</strong> Nachteile des Erwerbers liegen unter anderem<br />
in der ungewissen Situation, wie das Abzinsungsgebot<br />
steuerbilanziell zu erfassen ist. <strong>Die</strong> Besteuerung eines<br />
möglichen fiktiven Abzinsungsgewinns würde die Ertragsteuerlast<br />
des Erwerbers erhöhen und möglicherweise<br />
bei schlechter Ertragslage nicht in den Folgejahren durch<br />
die Aufzinsungsaufwendungen steuerlich ausgeglichen<br />
werden kann – vor allem wegen des fehlenden Verlustrücktrags<br />
bei der Gewerbesteuer. Zudem ist zu beachten,<br />
dass die Aufzinsungsaufwendungen des Erwerbers aufgrund<br />
der Zinsschranke möglicherweise nur beschränkt<br />
abzugsfähig sein können, ohne dass der Abzinsungsertrag<br />
zuvor bei der Zinsschranke als Zinsertrag berücksichtigt<br />
worden ist.<br />
U.E. besteht derzeit ein Risiko, ob die bisherige BFH-<br />
Rechtsprechung zum verdeckten Zinsanteil bei Ratenzahlungen<br />
auch im Geltungsbereich des §6 Abs.1 S.1 Nr.3<br />
EStG unverändert fortbestehen wird. Es ist daher grundsätzlich<br />
zu empfehlen, dass der steuerliche Berater des Erwerbers<br />
auf eine ausdrückliche Verzinsung (ggf. zu einem<br />
niedrigen Zinssatz unter dem allgemeinen Marktzinssatz)<br />
eines auf Raten abgeschlossenen Kaufpreises hinwirkt, damit<br />
Risiken einer möglichen steuerlichen Abzinsung beim<br />
Erwerber von vornherein ausgeschlossen werden.<br />
34 BFH v. 6.10.2009 – I R 4/08, BStBl. II 2010, 177 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2010, 102; v. 27.1.2010 – I R 35/09, BStBl. II 2010, 478 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 2010, 438; BT-Drucks. 14/23, S.171.<br />
35 BMF v. 26.5.2005 – IV B 2 - S 2175 - 7/05, BStBl. I 2005,<br />
699, Rz. 41; vgl. BFH v. 25.8.2010 – I R 102/09, <strong>GmbH</strong>R<br />
2010, 1270, Rz. 11, 12.<br />
36 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 – DOK 2008/<br />
0336202, <strong>GmbH</strong>R 2008, 887, Rz. 27.
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 25<br />
Rechtsprechung<br />
Gesellschaftsrecht<br />
Haftung des Geschäftsführers: Darlegungs- und<br />
Beweislast hinsichtlich Überschuldung bei<br />
Inanspruchnahme wegen Insolvenzverschleppung<br />
InsO §19 a.F.; <strong>GmbH</strong>G §64 Abs.2 a.F.<br />
1. Macht der Insolvenzverwalter gegen den Geschäftsführer<br />
einer <strong>GmbH</strong> einen Ersatzanspruch nach §64 Abs.2<br />
<strong>GmbH</strong>G a.F. (= §64 S.1 <strong>GmbH</strong>G n.F.) geltend und beruft er<br />
sich dabei auf eine Überschuldung der Gesellschaft i.S.d.<br />
§19 InsO in der bis zum 17.10.2008 geltenden Fassung, hat<br />
er lediglich die rechnerische Überschuldung anhand von Liquidationswerten<br />
darzulegen. <strong>Die</strong> Darlegungs- und Beweislast<br />
für eine positive Fortführungsprognose – mit der Folge<br />
einer Bewertung des Vermögens zu Fortführungswerten –<br />
obliegt dem Geschäftsführer (Bestätigung von BGH v.<br />
9.10.2006 – II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 = <strong>GmbH</strong>R 2006,<br />
1334, Rz.3; v. 27.4.2009 – II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 2009, 817 m. Komm. Blöse, Rz.11).<br />
2. <strong>Die</strong> Aktivierung eines Anspruchs auf Rückzahlung einer<br />
Mietkaution in der Überschuldungsbilanz setzt voraus, dass<br />
der Anspruch einen realisierbaren Vermögenswert darstellt.<br />
BGH, Urt. v. 18.10.2010 – II ZR 151/09 Fleischgroßhandel<br />
n Aus dem Tatbestand:<br />
[1] Der Kläger (Kl.) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen<br />
der D-Fleischgroßhandel <strong>GmbH</strong> (nachfolgend:<br />
Schuldnerin). Der Beklagte (Bekl.) ist Alleingesellschafter<br />
und Alleingeschäftsführer der Schuldnerin. Das Insolvenzverfahren<br />
wurde am 24.10.2007 auf Eigenantrag vom<br />
28.9.2007 eröffnet.<br />
[2] Der Kl. begehrt von dem Bekl. gemäß §64 Abs.2<br />
<strong>GmbH</strong>G a.F. Ersatz für Zahlungen in einer Gesamthöhe<br />
von 118.280,01 . zzgl. Zinsen, die der Bekl. im Zeitraum<br />
vom 1.7.2007 bis zum 13.9.2007 vom Geschäftskonto<br />
(29.258,72 .) und aus Kassenbeständen (89.021,29 .) der<br />
Schuldnerin geleistet hat.<br />
[3] <strong>Die</strong> Parteien streiten um die Frage, ob die Schuldnerin<br />
ab dem 1.7.2007 überschuldet war. Während Einigkeit darüber<br />
besteht, dass die Verbindlichkeiten der Schuldnerin per<br />
1.7.2007 jedenfalls 60.967,13 . betrugen, ist umstritten, ob<br />
Verbindlichkeiten aus einem langfristigen Mietvertrag der<br />
Schuldnerin ebenfalls – zumindest teilweise – zu passivieren<br />
sind. Kein Einvernehmen herrscht weiter über die Aktiva<br />
der Schuldnerin zum Stichtag 1.7.2007, und zwar zum<br />
einen über den Umfang der Forderungen aus Lieferung/<br />
Leistung sowie zum anderen darüber, ob ein Betriebskostenguthaben<br />
i.H.v. 2.436 . sowie eine Mietkaution i.H.v.<br />
9.400 . im Überschuldungsstatus zu aktivieren sind.<br />
[4] Das LG hat den Bekl. unter Vorbehalt seiner Rechte im<br />
Insolvenzverfahren antragsgemäß verurteilt [LG Hamburg<br />
v. 26.1.2009 – 419 O 35/08]. Das OLG hat die Klage abgewiesen<br />
[OLG Hamburg v. 29.5.2009 – 11 U 40/09]. ...<br />
n Aus den Entscheidungsgründen:<br />
[5] <strong>Die</strong> Revision des Kl. hat Erfolg und führt zur Aufhebung<br />
des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung<br />
der Sache an das OLG.<br />
I. ... II. Haftung wegen Insolvenzverschleppung?<br />
[8] ... [9] Das OLG ist sowohl bei der Verneinung einer<br />
Überschuldung i.S.d. §19 InsO in der bis zum 17.10.2008<br />
geltenden Fassung (nachfolgend: InsO a.F.; zur Anwendbarkeit<br />
auf Altfälle vgl. BGH v. 16.3.2009 – II ZR 280/07,<br />
ZIP 2009, 860 Rz.10) als auch bei den Feststellungen<br />
zum Verschulden des Bekl. von einer unzutreffenden Verteilung<br />
der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen.<br />
1. Vorliegen einer Überschuldung?<br />
[10] Das OLG hat zu Unrecht angenommen, der Kl. habe<br />
die Überschuldung zum 1.7.2007 nicht dargetan.<br />
[11] a) Gemäß §19 Abs.2 InsO a.F. liegt eine Überschuldung<br />
vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden<br />
Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung<br />
des Vermögens des Schuldners ist jedoch die<br />
Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn<br />
diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich<br />
ist. Aus dem Aufbau des §19 Abs.2 InsO a.F. folgt ohne<br />
weiteres, dass die Überschuldungsprüfung nach Liquidationswerten<br />
in S.1 den Regelfall und die nach Fortführungswerten<br />
in S.2, der eine positive Fortführungsprognose<br />
voraussetzt, den Ausnahmefall darstellt. Im Haftungsprozess<br />
wegen verbotener Zahlungen nach §64 Abs.2<br />
<strong>GmbH</strong>G a.F. hat die Geschäftsleitung daher die Umstände<br />
darzulegen und notfalls zu beweisen, aus denen sich eine<br />
günstige Prognose für den fraglichen Zeitraum ergibt<br />
(BGH v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 2006, 1334, Rz.3; zur Insolvenzverschleppungshaftung<br />
nach §823 Abs.2 BGB i.V.m. §64 Abs.1<br />
<strong>GmbH</strong>G a.F. vgl. BGH v. 27.4.2009 – II ZR 253/07, ZIP<br />
2009, 1220 = <strong>GmbH</strong>R 2009, 817 m. Komm. Blöse,<br />
Rz.11).<br />
[12] b) Das OLG hat rechtsfehlerhaft die Darlegungsund<br />
Beweislast insoweit dem Kl. auferlegt. Zwar ist es im<br />
Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass es<br />
von der Fortführungsprognose abhängen kann, ob Verbindlichkeiten<br />
aus schwebenden – d.h. zum Stichtag der<br />
Überschuldungsbilanz noch von keiner Vertragspartei<br />
vollständig erfüllten – Verträgen, zu denen insbesondere<br />
auch Mietverträge gehören können (Uhlenbruck in Uhlenbruck,<br />
InsO, 13.Aufl., §19 Rz.98; K.Schmidt/Bitter in<br />
Scholz, <strong>GmbH</strong>G, 10.Aufl., Vor §64 Rz.43), im Überschuldungsstatus<br />
zu passivieren sind (vgl. K.Schmidt/Bitter<br />
in Scholz, <strong>GmbH</strong>G, 10.Aufl., Vor §64 Rz.43; Uhlenbruck<br />
in Uhlenbruck, InsO, 13.Aufl., §19 Rz.125, Temme,<br />
<strong>Die</strong> Eröffnungsgründe der Insolvenzordnung, 1997,<br />
S.173f., m.w.N.; Ulmer in Hachenburg, <strong>GmbH</strong>G, 8.Aufl.,<br />
§63 Rz.45). Das OLG ist jedoch der Frage, ob die noch<br />
nicht fälligen Verbindlichkeiten aus dem laufenden Mietvertrag<br />
der Schuldnerin in einer Höhe von insgesamt<br />
196.800 . zumindest teilweise zu passivieren seien, mit<br />
der unzutreffenden Begründung nicht weiter nachgegangen,<br />
der Kl. habe nicht dargelegt, dass zum 1.7.2007 keine<br />
günstige Fortführungsprognose mehr bestanden habe.<br />
[13] c) Der darlegungs- und beweisbelastete Bekl. hat<br />
bislang nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass<br />
per 1.7.2007 eine positive Fortführungsprognose bestand,<br />
so dass die Entscheidung des OLG sich insoweit auch<br />
nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§561<br />
ZPO). Dem Vorbringen des Bekl. ist nicht zu entnehmen,<br />
dass er subjektiv den Willen zur Fortführung des Unternehmens<br />
der Schuldnerin hatte und objektiv einen Ertrags-<br />
und Finanzplan mit einem schlüssigen und realisier-
26<br />
baren Unternehmenskonzept für einen angemessenen<br />
Prognosezeitraum aufgestellt hatte (BGH v. 9.10.2006 – II<br />
ZR 303/05, ZIP 2006 = <strong>GmbH</strong>R 2006, 1334, 2171, Rz.3;<br />
Haas in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §64<br />
Rz.44ff., m.w.N.). Es sind auch im Übrigen keine Umstände<br />
vorgetragen oder sonst ersichtlich, die in Bezug auf<br />
den Stichtag eine positive Fortführungsprognose rechtfertigen<br />
könnten. Vielmehr hat der Kl. vorgetragen, dass die<br />
Schuldnerin im gesamten Zeitraum seit jedenfalls dem<br />
1.7.2007 „von der Hand in den Mund“ gelebt, d.h. die nur<br />
geringen Umsatzerlöse sofort dazu verwendet habe, neue<br />
Waren zu kaufen und einen Teil ihrer drängendsten Verbindlichkeiten<br />
zu bezahlen. Es habe weder einen Liquiditätsplan<br />
noch eine Gewinn- und Verlustrechnung noch ein<br />
Sanierungskonzept gegeben, auch keine Sanierungsbemühungen<br />
oder Sanierungsaussichten. Dem ist der Bekl.<br />
nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat vielmehr konkludent<br />
zugestanden, keinen Sanierungsplan gehabt zu haben,<br />
indem er geltend gemacht hat, solche Pläne würden<br />
von Wirtschaftsprüfern oder Wirtschaftsberatern erstellt,<br />
kosteten mindestens zwischen zehn- und zwanzigtausend<br />
Euro und seien nicht auf Knopfdruck innerhalb von drei<br />
Wochen zu haben gewesen. Der Bekl. hat im Übrigen<br />
ohne Angabe von Einzelheiten nur pauschal behauptet, ab<br />
Mitte August, als ihm die Erkenntnis gekommen sei, „dass<br />
es nicht mehr weitergehe“, Verhandlungen mit Gläubigern<br />
geführt zu haben, um eine Zahlungsvereinbarung zustande<br />
zu bringen. Außerdem habe er eine Darlehenszusage aus<br />
dem Kreise der Familie über 30.000 . unter der Voraussetzung<br />
erhalten, dass auch die Gläubiger in einen teilweisen<br />
Forderungsverzicht einwilligen würden. In der Berufungsverhandlung<br />
hat er dagegen geltend gemacht, es sei bereits<br />
im Mai oder Juni klar gewesen, dass es nicht zu einem<br />
Vergleich mit einem Großgläubiger kommen würde.<br />
Aus dem Schreiben der G-<strong>GmbH</strong> & Co. KG ergibt sich<br />
lediglich, dass dieser Gläubiger (erst) am 1.10.2007 einem<br />
Vergleichsvorschlag zugestimmt hat. Im Übrigen hat der<br />
Bekl. lediglich „bestritten“, dass „keine Sanierungsbemühungen<br />
stattgefunden hätten“.<br />
2. Verschulden des Beklagten?<br />
[14] Das OLG hat weiter zu Unrecht offengelassen, ob<br />
die nach seinen Feststellungen per 1.7.2007 bestehende<br />
rechnerische Unterdeckung i.H.v. 1.169,98 . bei zutreffender<br />
Bewertung des Mietkautionsguthabens beseitigt wird.<br />
<strong>Die</strong> Begründung, es könne dem Bekl. jedenfalls nicht vorgeworfen<br />
werden, wenn er die von ihm geleistete Mietsicherheit<br />
i.H.v. 9.400 . jedenfalls mit einem geringen Teil<br />
als Vermögen der Schuldnerin angesetzt habe, weil er am<br />
1.7.2007 nicht damit habe rechnen müssen, dass „die Insolvenz<br />
in Zukunft wegen einer unbefriedigenden Geschäftslage<br />
unabänderlich eintreten und das Kautionsguthaben<br />
dann durch Verrechnung mit offenen Mieten vollständig<br />
aufgezehrt werden würde“, verkennt wiederum die<br />
Darlegungs- und Beweislast. So genügt für den subjektiven<br />
Tatbestand des §64 Abs.1 u. 2 <strong>GmbH</strong>G a.F. die Erkennbarkeit<br />
der Insolvenzreife für den Geschäftsführer,<br />
wobei ein Verschulden vermutet wird (BGH v. 20.11.1999<br />
– II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 [185] = <strong>GmbH</strong>R 2000,<br />
182 m. Komm. Frings, m.w.N.; v. 14.5.2007 – II ZR 48/<br />
06, ZIP 2007, 1265 = <strong>GmbH</strong>R 2007, 757 m. Komm.<br />
Chr.Schröder, Rz.15). Entsprechende Feststellungen, die<br />
eine Widerlegung der Verschuldensvermutung rechtfertigen<br />
könnten, hat das OLG nicht getroffen. Es hat vielmehr<br />
seiner Entscheidung den unzutreffenden Rechtssatz zu-<br />
Rechtsprechung<br />
Gesellschaftsrecht<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
grunde gelegt, der klagende Insolvenzverwalter müsse<br />
darlegen und beweisen, dass der Bekl. mit dem unabänderlichen<br />
Eintritt der Insolvenz wegen einer unbefriedigenden<br />
Geschäftslage, mithin mit einer negativen Fortführungsprognose<br />
habe rechnen müssen.<br />
III. Keine Entscheidungsreife und weitere Hinweise<br />
[15] Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene<br />
Urteil aufzuheben und die Sache an das OLG zurückzuverweisen<br />
(§562 Abs.1, §563 Abs.1 ZPO).<br />
[16] In dem neu eröffneten Berufungsverfahren werden<br />
– nach ergänzendem Vortrag der Parteien – die noch fehlenden<br />
Feststellungen zur Fortführungsprognose und den<br />
dementsprechend im Überschuldungsstatus zu aktivierenden<br />
und zu passivierenden Positionen, zum Verschulden<br />
des Bekl. sowie – soweit erheblich – zur noch zwischen<br />
den Parteien als Zahlung umstrittenen Position i.H.v.<br />
694,45 . zu treffen sein.<br />
[17] Für das weitere Berufungsverfahren weist der Senat<br />
auf Folgendes hin:<br />
[18] 1. Im Hinblick auf das Mietkautionsguthaben ist zu<br />
beachten, dass die Aktivierung einer Forderung in der<br />
Überschuldungsbilanz voraussetzt, dass diese durchsetzbar<br />
ist, sie muss einen realisierbaren Vermögenswert darstellen<br />
(Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13.Aufl., §19<br />
Rz.77, 80). Daran fehlt es jedenfalls – wie das OLG im<br />
Ausgangspunkt richtig erkannt hat –, wenn eine positive<br />
Fortführungsprognose nicht besteht. Das hat der Bekl.,<br />
wie oben ausgeführt, nicht dargelegt.<br />
[19] 2. Wenn im weiteren Berufungsverfahren von einer<br />
negativen Fortführungsprognose auszugehen ist, stellt sich<br />
die Frage, in welcher Höhe die zukünftig fällig werdenden<br />
Mietforderungen zu passivieren sind. In diesem Zusammenhang<br />
wird das OLG zu prüfen haben, ob die bis zum<br />
Ende der festen Laufzeit des Mietvertrags (30.6.2011) anfallende<br />
Miete anzusetzen ist oder aber – wie es der Kl.<br />
selbst vertritt – nur eine Rückstellung mit einem Teilwert<br />
angemessen ist. Für die Erforderlichkeit eines Abschlags<br />
könnte sprechen, dass wegen einer ggf. fehlenden Fortführungsmöglichkeit<br />
letztlich nur eine Kündigung durch den<br />
Insolvenzverwalter gemäß §109 Abs.1 S.1 InsO realistisch<br />
war, mithin Rückstellungen für einen Schadensersatzanspruch<br />
des Vermieters zu bilden waren. Insoweit<br />
wäre zu prüfen, ob damit gerechnet werden konnte, dass<br />
der Vermieter einen Nachmieter gefunden hätte (vgl. auch<br />
Wegener in Uhlenbruck, InsO, 13.Aufl., §109 Rz.11).<br />
[20] 3. Soweit die Revision als Verstoß gegen §138<br />
Abs.1 ZPO rügt, dass das OLG die vom Bekl. handschriftlich<br />
erstellte Forderungsaufstellung als genügende Darlegung<br />
des Forderungsbestands der Schuldnerin angesehen<br />
hat, sind Rechtsfehler des OLG nicht ersichtlich. Es hat<br />
zutreffend ausgeführt, dass die Aufstellung jedenfalls hinreichend<br />
substantiiert ist, um den grundsätzlich für den<br />
Nachweis einer Überschuldung darlegungs- und beweisbelasteten<br />
Kl. in die Lage zu versetzen, seinerseits die bei<br />
ihm befindlichen Geschäftsunterlagen durchzusehen und<br />
zu den Angaben des Bekl. im Einzelnen Stellung zu nehmen.<br />
Der Bekl. hat unwidersprochen vorgetragen, dass die<br />
Aufstellung nach einer Einsichtnahme in die beim Kl. befindlichen<br />
Bank- und Kassenunterlagen gefertigt wurde.<br />
<strong>Die</strong>s hat auch das OLG festgestellt. Es obliegt deshalb<br />
dem Kl., diese Geschäftsunterlagen zu sichten und substantiiert<br />
vorzutragen, welche von dem Bekl. aufgelisteten
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 27<br />
Forderungen keine Grundlage in den Geschäftsunterlagen<br />
haben.<br />
[21] 4. Zu Recht hat das OLG erkannt, dass eine teleologische<br />
Korrektur des Zahlungsbegriffs des §64 Abs.2<br />
<strong>GmbH</strong>G a.F. dahingehend, dass es auf einen Vergleich des<br />
Vermögens der Schuldnerin bei Eintritt der Insolvenzverschleppung<br />
und deren Ende ankommt, nicht der Rspr. des<br />
Senats entspricht. Allenfalls dann, wenn mit den vom Geschäftsführer<br />
bewirkten Zahlungen ein Gegenwert in das<br />
Gesellschaftsvermögen gelangt und dort verblieben ist,<br />
kann erwogen werden, eine Massekürzung und damit einen<br />
Erstattungsanspruch gegen das Organmitglied zu verneinen,<br />
weil dann der Sache nach lediglich ein Aktiventausch<br />
vorliegt (BGH v. 31.3.2003 – II ZR 150/02, ZIP<br />
2003, 1005 [1006] = <strong>GmbH</strong>R 2003, 664, m.w.N.). Dass<br />
diese Voraussetzungen, insbesondere der Verbleib eines<br />
Gegenwerts im Vermögen der Schuldnerin hier gegeben<br />
sind, ist nicht festgestellt.<br />
Der <strong>GmbH</strong>R-Kommentar<br />
Zentrales Thema der vorstehend abgedruckten Entscheidung<br />
des BGH v. 18.10.2010 – II ZR 151/09 ist die Frage<br />
der Darlegungs- und Beweislast bei Ansprüchen gegen<br />
einen Geschäftsführer aus §64 Abs. 2 <strong>GmbH</strong>G a.F. und<br />
konkret die weitere Frage, wer im Rahmen der Feststellung<br />
einer Überschuldung einerseits die rechnerische<br />
Überschuldung und andererseits das Vorliegen einer positiven<br />
Fortbestehensprognose darlegen und beweisen<br />
muss.<br />
I. Kernaussage der Entscheidung<br />
Der der Entscheidung zugrundeliegende Überschuldungsbegriff<br />
entstammt §19 Abs. 2 InsO a.F., der nach<br />
derzeitiger Gesetzeslage auch wieder ab dem 1.1.2014<br />
maßgebend sein wird. Auf Grundlage dieses Überschuldungsverständnisses<br />
folgt aus dem Ergebnis der Fortbestehensprognose<br />
die Bewertungsprämisse für den Ansatz<br />
der Vermögenswerte im Überschuldungsstatus; die Fortbestehensprognose<br />
stellt hingegen – anders als im derzeit<br />
gültigen Überschuldungsverständnis – kein eigenständiges<br />
Tatbestandsmerkmal einer insolvenzrechtlichen<br />
Überschuldung dar.<br />
Dafür, dass im Überschuldungsstatus Fortführungswerte<br />
angesetzt werden dürfen, trifft nach Ansicht des BGH<br />
den Geschäftsführer die Darlegungs- und Beweislast.<br />
<strong>Die</strong>s entnimmt das Gericht der grammatikalischen Auslegung<br />
des § 19 Abs. 2 InsO a.F., da nach dessen Fassung<br />
der Ansatz von Zerschlagungswerten der Regelfall und<br />
der Ansatz von Fortführungswerten nach §19 Abs. 2 S. 2<br />
InsO a.F. der Ausnahmefall sei.<br />
Es fragt sich, welche Konsequenz sich daraus in Zusammenschau<br />
mit der Rechtsprechung des BGH zur Darlegungs-<br />
und Beweislast im Zusammenhang mit der rechnerischen<br />
Überschuldung ergibt. In der Entscheidung des<br />
BGH v. 27.4.2009 – II ZR 253/07, <strong>GmbH</strong>R 2009, 817 m.<br />
Komm. Blöse wurde ausgeführt, dass ein Gläubiger, der<br />
einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1<br />
<strong>GmbH</strong>G a.F. – jetzt: § 15a Abs. 1 InsO – geltend macht,<br />
seiner Darlegungs- und Beweislast genügt, wenn er eine<br />
Handelsbilanz vorlegt, die einen nicht durch Eigenkapital<br />
gedeckten Fehlbetrag ausweist und vorträgt, dass in<br />
den Vermögensgegenständen der Gesellschaft keine stillen<br />
Reserven vorhanden sind und dass keine Vermögenswerte<br />
existieren, die nicht bilanziert sind. Sache des be-<br />
Gesellschaftsrecht<br />
klagten Geschäftsführers sei es dann, vorzutragen und zu<br />
beweisen, dass doch stille Reserven vorhanden sind und<br />
nicht bilanzierte Vermögensgegenstände existieren.<br />
Bei der Aufstellung der Handelsbilanz bedarf es ebenso<br />
wie für den Überschuldungsstatus einer Bewertungsprämisse.<br />
Nach §252 Abs. 1 Nr.2 HGB ist dabei von der<br />
Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern<br />
dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten<br />
entgegenstehen. Das Regel-/Ausnahmeverhältnis dieser<br />
Vorschrift ist also das im Vergleich zu §19 Abs. 2<br />
InsO a.F. umgekehrte (s. i.Ü. zur Fortführungsprognose<br />
für handelsbilanzielle Zwecke den Prüfungsstandard des<br />
Instituts der Wirtschaftsprüfer PS 270).<br />
Ergibt sich aus einer unter Fortführungsgesichtspunkten<br />
aufgestellten Handelsbilanz ein nicht durch Eigenkapital<br />
gedeckter Fehlbetrag, so bedeutet dies, dass es nach dem<br />
früheren und auch künftigen Überschuldungsbegriff auf<br />
die Fortbestehensprognose im insolvenzrechtlichen Sinn<br />
nur dann ankommen kann, wenn unter Fortführungsprognose<br />
i.S.d. §252 HGB und Fortbestehensprognose i.S.d.<br />
§19 Abs.2 InsO ein Unterschied zu machen ist. Verbreitet<br />
werden diese Begriffe in der Rechtsprechung jedoch synonym<br />
verwandt (s. z.B. OLG Schleswig-Holstein v.<br />
11.2.2010 – 5 U 60/09, <strong>GmbH</strong>R 2010, 864 m. Komm. Blöse;<br />
OLG Hamm v. 2.12.2009 – 11 U 151/08, ZInsO 2010,<br />
527; OLG Frankfurt a.M. v. 20.3.2009 – 10 U 148/08, zitiert<br />
nach juris). In der Literatur wird teilweise eine scharfe<br />
Unterscheidung zwischen insolvenzrechtlicher Fortbestehensprognose<br />
und handelsrechtlicher Fortführungsprognose<br />
vorgenommen (so Groß/Amen, DB 2005, 1861 [1864]),<br />
teilweise aber auch wie in der Rechtsprechung ein synonymes<br />
Begriffsverständnis vertreten (so Dahl/Schmitz, NZG<br />
2009, 567 [568]). Legt man insbesondere im Anschluss an<br />
die Rechtsprechung ein synonymes Verständnis zugrunde,<br />
so reduziert sich bei einer unter Fortführungsgesichtspunkten<br />
aufgestellten Handelsbilanz, die einen nicht durch Eigenkapital<br />
gedeckten Fehlbetrag ausweist, die Verteidigungsmöglichkeit<br />
des Geschäftsführers in den hier besprochenen<br />
Fällen darauf, darzutun, dass wegen der im Rahmen<br />
des Überschuldungsstatus nicht anzuwenden handelsrechtlichen<br />
Ansatz- und Bewertungsvorschriften bei der<br />
insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung eine Überdeckung<br />
der Schulden durch das Vermögen auszuweisen<br />
ist. Mit anderen Worten: Es ist das Vorhandensein stiller<br />
Reserven bzw. die Existenz nicht bilanzierter Vermögenswerte<br />
darzutun und zu beweisen. Dabei hat der zweitgenannte<br />
Gesichtspunkt für die Zukunft an Bedeutung verloren,<br />
da durch das BilMoG das Aktivierungsverbot für<br />
selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände<br />
des Anlagevermögens in §248 HGB gestrichen wurde und<br />
nun gemäß §248 Abs.2 S.1 HGB ein Ansatzwahlrecht besteht.<br />
II. Derzeitige Relevanz<br />
Es fragt sich weiter, welche Bedeutung die Entscheidung<br />
auf Grundlage des aktuellen Überschuldungsbegriffs hat.<br />
Das Regel-/Ausnahmeverhältnis zwischen der Annahme<br />
einer negativen und einer positiven Fortbestehensprognose<br />
entspricht hier dem aus § 19 Abs. 2 InsO a.F. Eine insolvenzrechtliche<br />
Überschuldung ergibt sich aus der<br />
rechnerischen Überschuldung, „es sei denn“ es ist eine<br />
positive Fortbestehensprognose zu stellen.<br />
Auf Grundlage dieses Regel-/Ausnahmeverhältnisses gilt<br />
für die Darlegungs- und Beweislast des Geschäftsführers
28<br />
im Zusammenhang mit gegen ihn geltend gemachten Ansprüchen<br />
aus § 64 S.1 <strong>GmbH</strong>G n.F. nichts anderes, als<br />
auch schon im Zusammenhang mit § 64 Abs. 2 <strong>GmbH</strong>G<br />
a.F. und §19 Abs. 2 InsO in seiner alten und zukünftigen<br />
Fassung.<br />
III. Fazit<br />
Der Entscheidung des BGH ist im Hinblick auf den klaren<br />
Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 2 InsO sowohl in seiner<br />
früheren und zukünftigen als auch in seiner aktuellen<br />
Fassung zuzustimmen. In Zusammenschau mit der<br />
Rechtsprechung des BGH zur Darlegungs- und Beweislast<br />
im Rahmen der rechnerischen Überschuldung sind<br />
die Verteidigungsmöglichkeiten eines Geschäftsführers<br />
gegen die Inanspruchnahme aus § 64 Abs. 2 <strong>GmbH</strong>G a.F.<br />
und § 64 S. 1 <strong>GmbH</strong>G n.F. stark eingeschränkt.<br />
Dr. Jochen Blöse, MBA, Rechtsanwalt, Fachanwalt für<br />
Handels- und Gesellschaftsrecht und Mediator (CfM),<br />
Köln (Kanzlei Jacobs & Dr. Blöse)<br />
Haftung des Geschäftsführers: Restriktive Anwendung<br />
des Instituts des faktischen Geschäftsführers<br />
bei bloßen Konsolidierungs-/Rettungsmaßnahmen<br />
in der Krise<br />
<strong>GmbH</strong>G §43, §64 Abs.2<br />
Das Institut der faktischen Geschäftsführung und die sich<br />
hieraus ergebenden Haftungsfolgen sind restriktiv bei Fallkonstellationen<br />
anzuwenden, in denen wenig eigenes, nach<br />
außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung<br />
zuzurechnendes Handeln des Betroffenen vorliegt, welches<br />
aber zum Zwecke der Konsolidierung/Rettung eines finanziell<br />
angeschlagenen Unternehmens vorgenommen wird.<br />
OLG München, Urt. v. 8.9.2010 – 7 U 2568/10<br />
(ZIP 2010, 2295)<br />
Anmeldung: Elektronische Übermittlung eines<br />
Gesellschafterbeschlusses über eine Geschäftsführerbestellung<br />
in Urschrift<br />
<strong>GmbH</strong>G §39 Abs.2; HGB §12 Abs.2 S.2 Halbs.1<br />
Für die Übermittlung der nach §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G in Urschrift<br />
oder öffentlich beglaubigter Abschrift einzureichenden<br />
Urkunden ist in §12 Abs.2 S.2 Halbs.1 HGB geregelt,<br />
dass bei Einreichung einer Urschrift die Übermittlung einer<br />
elektronischen Aufzeichnung genügt. Verlangt wird eine<br />
„elektronische Fotokopie“ des Dokuments. Papierdokumente<br />
werden zu diesem Zweck eingescannt und als einfaches<br />
gescanntes Dokument eingereicht.<br />
OLG Thüringen, Beschl. v. 9.9.2010 – 6 W 144/10<br />
n Aus den Gründen:<br />
I.<br />
Unter dem 15.3.2010 meldete die Antragstellerin (Ast.)<br />
zur Eintragung in das Handelsregister an, dass AB zum<br />
weiteren Geschäftsführer bestellt sei; die Anmeldung wurde<br />
elektronisch in öffentlich beglaubigter Form eingereicht<br />
(...). Der Anmeldung beigefügt war die – einfach<br />
gescannte – „25. Niederschrift über eine außerordentliche<br />
Rechtsprechung<br />
Gesellschaftsrecht<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
Gesellschafterversammlung der B-<strong>GmbH</strong>“, in der zu<br />
Punkt2) „einstimmig beschlossen“ wurde: „Herr Dipl.-<br />
Ing. AB, (...), wird mit sofortiger Wirkung (bis 31.1.2013)<br />
zum nebenamtlichen kommissarischen Geschäftsführer der<br />
Gesellschaft bestellt.“<br />
<strong>Die</strong> vom verfahrensbevollmächtigten Notar am 15.3.2010<br />
eingereichte Anmeldung hat das RegG mit Zwischenverfügung<br />
v. 22.3.2010 beanstandet (...). Es hat u.a. die Auffassung<br />
vertreten, der Beschluss bzw. das Protokoll sei<br />
nicht als einfache elektronische Aufzeichnung (Scan), sondern<br />
als elektronische beglaubigte Abschrift einzureichen<br />
(§39a BeurkG).<br />
Unter anderem dagegen richtet sich die Beschwerde der<br />
Ast. v. 24.3.2010 (...). Zur Begründung trägt sie (insoweit)<br />
vor, der eingereichte privatschriftliche Gesellschafterbeschluss<br />
sei nur in einfacher Abschrift vorzulegen, denn es<br />
liege ein Fall des §12 Abs.2 S.1 Halbs.1 HGB vor.<br />
Das RegG hat der Beschwerde teilweise abgeholfen, jedoch<br />
nicht hinsichtlich der Einreichungsform eines Gesellschafterbeschlusses<br />
über eine Geschäftsführerbestellung.<br />
Insoweit hat das RegG die Beschwerde dem Senat zur<br />
Entscheidung vorgelegt (...).<br />
Das RegG ist der Auffassung, in Zeiten des elektronischen<br />
Rechtsverkehrs sei die Vorlage einer Urschrift des Gesellschafterbeschlusses<br />
(vgl. §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G) i.d.R. nicht<br />
möglich, da dieser nicht als elektronisches Dokument vorliege.<br />
Der Beschluss müsse erst in ein elektronisches Dokument<br />
transferiert werden. Mangels Vorlagemöglichkeit<br />
einer Urschrift sei eine öffentlich beglaubigte Abschrift<br />
des Gesellschafterbeschlusses einzureichen. Gemäß §12<br />
Abs.2 S.2 Halbs.2 HGB müsse die öffentlich beglaubigte<br />
Abschrift mit einem einfachen elektronischen Zeugnis<br />
nach §39a BeurkG sowie einer elektronischen qualifizierten<br />
Signatur versehen sein.<br />
II.<br />
<strong>Die</strong> Beschwerde ist ... begründet. Sie führt zur Anweisung<br />
an das AmtsG, über den Antrag der Ast. über die Eintragung<br />
des Geschäftsführers B in das Handelsregister v.<br />
15.3.2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats<br />
neu zu entscheiden.<br />
Das RegG hat mit seiner Zwischenverfügung v. 22.3.2010<br />
die begehrte Eintragung zu Unrecht davon abhängig gemacht,<br />
dass der Gesellschafterbeschluss über die Geschäftsführerbestellung<br />
in öffentlich beglaubigter Form<br />
vorzuliegen habe und mit einem einfachen elektronischen<br />
Zeugnis (§39a BeurkG) zu übermitteln sei.<br />
Nach §39 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G ist jede Änderung in den Personen<br />
der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis<br />
eines Geschäftsführers zur Eintragung in<br />
das Handelsregister anzumelden. Der Anmeldung sind<br />
nach §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G die Urkunden über die Bestellung<br />
der Geschäftsführer oder über die Beendigung der<br />
Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter<br />
Abschrift beizufügen. Nach §12 Abs.2 S.1 HGB<br />
sind Dokumente elektronisch einzureichen. Es muss<br />
– dies verkennt das RegG in seiner Zwischenverfügung –<br />
unterschieden werden zwischen der Form, in der das einzureichende<br />
Dokument vorliegen muss, und der Form, in<br />
der es elektronisch übermittelt wird (Oetker/Preuß, HGB,<br />
2009, §13 Rz.73). Für die Übermittlung der nach §39<br />
Abs.2 <strong>GmbH</strong>G in Urschrift oder öffentlich beglaubigter<br />
Abschrift einzureichenden Urkunden ist in §12 Abs.2 S.2<br />
Halbs.1 HGB geregelt, dass bei Einreichung einer Ur-
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 29<br />
schrift die Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung<br />
genügt (so auch Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht,<br />
8.Aufl. 2010, Rz.132; Sikora/Schwab, MittBayNot 2007,<br />
1 [4f.]). Verlangt wird eine „elektronische Fotokopie“ des<br />
Dokuments. Papierdokumente werden zu diesem Zweck<br />
eingescannt (Oetker/Preuß, HGB, 2009, §13 Rz.74; Sikora/Schwab,<br />
MittBayNot 2007, 1 [4]) und als einfaches gescanntes<br />
Dokument eingereicht (Jeep/Wiedemann, NJW<br />
2007, 2439 [2445]).<br />
Der von der Ast. elektronisch eingereichte Gesellschafterbeschluss<br />
genügt diesen Anforderungen. Der Ast. lag eine<br />
Urschrift des Gesellschafterbeschlusses vor. <strong>Die</strong>se Form<br />
ist – entgegen der Auffassung des RegG – aus den o.g.<br />
Gründen nicht zu beanstanden. Der von der Ast. eingereichte<br />
Gesellschafterbeschluss genügt auch hinsichtlich<br />
der Form, in der er elektronisch übermittelt wurde, den gesetzlichen<br />
Anforderungen. <strong>Die</strong> Ast. hat die Urschrift des<br />
Gesellschafterbeschlusses als einfaches gescanntes Dokument<br />
eingereicht. ...<br />
Anmeldung: Eintragung eines weiteren Geschäftsführers<br />
in das Handelsregister<br />
<strong>GmbH</strong>G §39; FamFG §26<br />
1. Ist eine BGB-Gesellschaft alleinige Gesellschafterin einer<br />
<strong>GmbH</strong>, kann die Anmeldung der Bestellung eines Geschäftsführers<br />
nicht mit der Begründung zurückgewiesen<br />
werden, zum Nachweis der Wirksamkeit des zugrunde liegenden<br />
Gesellschafterbeschlusses müsse der Gesellschaftsvertrag<br />
der BGB-Gesellschaft in notariell beurkundeter<br />
Form vorgelegt werden.<br />
2. Solange nach der Sachlage keine konkreten Zweifel angebracht<br />
sind, ist vielmehr ein privatschriftlicher Gesellschaftsvertrag<br />
ausreichend, der auch die Vertretungsbefugnis<br />
erkennen lässt.<br />
OLG Hamm, Beschl. v. 7.9.2010 – I-15 W 253/10<br />
n Aus den Gründen:<br />
I.<br />
Alleinige Gesellschafterin der beteiligten Gesellschaft ist<br />
die C3-GbR in I2. <strong>Die</strong>se hielt am 16.12.2009 durch ihre<br />
Gesellschafter Dr. I und F eine Gesellschafterversammlung<br />
der Beteiligten ab, in der Dr. L mit Wirkung zum<br />
1.1.2010 zum weiteren Geschäftsführer bestellt wurde.<br />
<strong>Die</strong>ser erklärte am 16.12.2009 die Anmeldung seiner Geschäftsführerbestellung<br />
nebst der nach §39 Abs.3 S.1<br />
<strong>GmbH</strong>G notwendigen Versicherung. <strong>Die</strong> beglaubigte Anmeldung<br />
sowie den Gesellschafterbeschluss reichte der<br />
Notar K in I2 sodann bei dem AmtsG zur Eintragung in<br />
das Handelsregister ein.<br />
Das AmtsG beanstandete den fehlenden Nachweis der<br />
ordnungsgemäßen Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung<br />
am 16.12.2009. Denn die Vertretungsmacht<br />
der GbR-Gesellschafter Dr. I und F zur Vertretung der C3-<br />
GbR als Gesellschafterin der Beteiligten sei nicht nachgewiesen.<br />
Der Nachweis könne nur durch eine notarielle<br />
Gründungsurkunde der GbR und einer darin enthaltenen<br />
Bevollmächtigung erbracht werden. Mit Beschl. v.<br />
31.3.2010 wies das AmtsG nach Ablauf der zur Behebung<br />
der Beanstandung gesetzten Frist den Eintragungsantrag<br />
mit dieser Begründung zurück [AG Bad Oeynhausen v.<br />
31.3.2010 – HRB 9935]....<br />
Gesellschaftsrecht<br />
Das AmtsG hat der Beschwerde mit Beschl. v. 6.5.2010<br />
nicht abgeholfen und sie dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.<br />
II.<br />
<strong>Die</strong> ... Beschwerde ist begründet.<br />
Nach §39 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G ist jede Änderung in den Personen<br />
der Geschäftsführer zur Eintragung in das Handelsregister<br />
anzumelden. Es handelt sich um eine deklaratorische<br />
Eintragung, die der Kundbarmachung von Tatsachen<br />
oder Rechtsverhältnissen dient, die unabhängig von der<br />
Eintragung bestehen. <strong>Die</strong> Frage, ob und in welchem Umfang<br />
dem RegG bei der Anmeldung ein Prüfungsrecht zusteht,<br />
ist umstritten (zum Meinungsstand Zöllner/Noack in<br />
Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §39 Rz.19; Altmeppen<br />
in Roth/Altmeppen, <strong>GmbH</strong>G, 6.Aufl., §39<br />
Rz.15ff.). Zum Schutz des Rechtverkehrs (vgl. §15 HGB)<br />
sollen unrichtige Eintragungen in das Handelsregister jedoch<br />
möglichst vermieden werden (BayObLG v.<br />
18.7.1991 – BReg. 3 Z 133/90, <strong>GmbH</strong>R 1992, 304 [305];<br />
Heinemann in Keidel, FamFG, 16.Aufl., §374 Rz.50,<br />
m.w.N.). Da die Eintragung eines neuen Geschäftsführers<br />
aufgrund eines der Anmeldung in Urschrift oder öffentlich<br />
beglaubigter Abschrift beizufügenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung<br />
(§39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G) vorzunehmen<br />
ist, hat das RegG deshalb jedenfalls zu prüfen, ob die<br />
angemeldete Bestellung des Geschäftsführers durch die<br />
vorgelegte Niederschrift über den Gesellschafterbeschluss<br />
nachgewiesen ist (vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 6.11.2008 –<br />
20 W 385/08, FGPrax 2009, 81 = <strong>GmbH</strong>R 2009, 378 =<br />
Rpfleger 2009, 321). Denn die eingereichten Urkunden<br />
müssen die beantragte Eintragung rechtfertigen. In diesem<br />
Zusammenhang fällt die Prüfung, ob ein die Eintragung<br />
rechtfertigender Gesellschafterbeschluss ordnungsgemäß<br />
zustande gekommen ist, grundsätzlich in die Prüfungskompetenz<br />
des RegG (OLG Köln v. 21.12.2001 – 2 Wx<br />
59/01, <strong>GmbH</strong>R 2002, 621 = Rpfleger 2002, 318; OLG<br />
Hamm v. 10.7.2001 – 15 W 81/01, <strong>GmbH</strong>R 2001, 920 =<br />
Rpfleger 2002, 32). Ob das RegG auf dieser Grundlage zu<br />
einer Prüfung der angemeldeten Tatsachen stets oder – bei<br />
deklaratorischen Eintragungen – nur dann verpflichtet ist,<br />
wenn begründete Zweifel an der Richtigkeit der einzutragenden<br />
Tatsache bestehen (vgl. dazu OLG Hamm v.<br />
30.1.1996 – 15 W 20/96, <strong>GmbH</strong>R 1996, 614 = Rpfleger<br />
1997, 71), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.<br />
<strong>Die</strong> Befugnis der GbR-Gesellschafter Dr. I und F zur Vertretung<br />
der C3-GbR als Gesellschafterin der Beteiligten<br />
folgt aus §7 Abs.1 des in Ablichtung vorliegenden Gesellschaftsvertrags<br />
der GbR v. 18.12.2006. Danach sind zur<br />
Geschäftsführung und Vertretung jeweils zwei Gesellschafter<br />
gemeinsam berechtigt. <strong>Die</strong> vertragliche Bestimmung<br />
gewährt – hier den Gesellschaftern Dr. I und F – die<br />
gemeinsame Rechtsmacht zur Vertretung der GbR. <strong>Die</strong>se<br />
ist personenidentisch mit der C-GbRI, die in die im Handelsregister<br />
aufgenommene Gesellschafterliste v.<br />
22.12.2005 als alleinige Gesellschafterin (§16 Abs.1 S.1<br />
<strong>GmbH</strong>G) der Beteiligten eingetragen ist. <strong>Die</strong> Namensänderung<br />
der GbR ist durch Vorlage einer Ablichtung des<br />
Gesellschafterbeschlusses v. 18.12.2006 dargelegt. Danach<br />
war zunächst die erforderliche Vertretungsmacht für<br />
die GbR als Gesellschafterin der Beteiligten unzweifelhaft<br />
gegeben. Bedenken können folglich nur darin begründet<br />
sein, dass die Gesellschafter Dr. I und F im Zeitpunkt des<br />
am 16.12.2009 gefassten Beschlusses nicht mehr vertretungsberechtigte<br />
Gesellschafter der GbR waren, sie also
30<br />
entweder als Gesellschafter ausgeschieden waren oder<br />
eine Bestimmung i.S.d. §7 Abs.1 in dem Gesellschaftsvertrag<br />
der GbR nicht mehr vorhanden war.<br />
Dahingehende Anhaltspunkte, die Anlass zu entsprechenden<br />
Ermittlungen des RegG geben könnten, sind vorliegend<br />
jedoch nicht gegeben. Insoweit ist zu berücksichtigen,<br />
dass der Umfang der nach §26 FamFG gebotenen Ermittlungen<br />
nicht unbegrenzt ist. Vielmehr stellt §26<br />
FamFG durch das Wort „erforderlich“ klar, dass die einzuleitenden<br />
und durchzuführenden Ermittlungen, und insoweit<br />
auch die zu verlangenden Nachweise, nur so weit<br />
auszudehnen sind, wie es die Sachlage im jeweiligen Einzelfall<br />
erfordert. Es besteht – auch im Registerverfahren –<br />
keine Amtsermittlungspflicht ins Blaue hinein (Sternal in<br />
Keidel, FamFG, 16.Aufl., §26 Rz.16, m.w.N.). Vorliegend<br />
enthält der Gesellschafterbeschluss v. 16.12.2009<br />
eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Vertretungsregelung<br />
des §7 Abs.1 des Gesellschaftsvertrags der GbR.<br />
Dass diese Regelung infolge einer Änderung des Vertrages<br />
keinen Bestand hat, ist nicht ersichtlich und insbesondere<br />
nicht allein dem seit Abschluss des Gesellschaftsvertrags<br />
eingetretenen Zeitablauf zu entnehmen. Auch ist<br />
nicht zu verkennen, dass die Anmeldung zur Eintragung<br />
in das Handelsregister nicht nur einen Antrag auf Vornahme<br />
einer bestimmten Eintragung darstellt, sondern, jedenfalls<br />
bei deklaratorischen Eintragungen wie hier, zugleich<br />
der Glaubhaftmachung der einzutragenden Tatsache dient<br />
(vgl. BayObLG v. 18.7.1991 – BReg. 3 Z 133/90,<br />
<strong>GmbH</strong>R 1992, 304 [305]; v. 19.6.1973 – BReg. 2 Z 21/73,<br />
BayObLGZ 1973, 158 [159f.] = <strong>GmbH</strong>R 1973, 199).<br />
Dass die für die GbR handelnden Dr. I und F weiterhin die<br />
nach §7 Abs.1 des Gesellschaftsvertrags gemeinsam vertretungsberechtigten<br />
Gesellschafter der GbR sind, ist in<br />
dem Gesellschafterbeschluss der Beteiligten v. 16.12.2009<br />
ausdrücklich erklärt. Im Anschluss daran ist im vorliegenden<br />
Falle nicht davon auszugehen, dass die Vertretungsmacht<br />
für die GbR als Gesellschafterin der Beteiligten tatsächlich<br />
nicht mehr besteht, die Erklärung mithin – bewusst<br />
– unrichtig abgegeben wurde.<br />
Da sonstige Bedenken gegen die Anmeldung nicht ersichtlich<br />
sind, hatte der Senat das AmtsG zur Vornahme der<br />
angemeldeten Eintragung anzuweisen. ...<br />
Anmeldung: Versicherung eines Geschäftsführers<br />
hinsichtlich eines Fehlens des Ausschlussgrundes<br />
der Betreuung<br />
<strong>GmbH</strong>G §6 Abs.2 S.2 Nr.1, §8 Abs.3<br />
<strong>Die</strong> persönliche Versicherungserklärung des Geschäftsführers<br />
hat sich nicht auf das Nichtvorliegen des Ausschlussgrundes<br />
nach §6 Abs.2 S.2 Nr.1 <strong>GmbH</strong>G (keine Bestellung<br />
eines Betreuers mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge<br />
mit Einwilligungsvorbehalt) zu erstrecken.<br />
OLG Hamm, Beschl. v. 29.9.2010 – I-15 W 460/10<br />
n Aus den Gründen:<br />
<strong>Die</strong> ... Beschwerde gegen die Zwischenverfügung [AmtsG<br />
Bad Oeynhausen v. 5.8.2010 – HRB 12007] ist begründet.<br />
<strong>Die</strong> vom Geschäftsführer abgegebene Erklärung ist nicht<br />
ergänzungsbedürftig.<br />
Nach §8 Abs.3 S.1 <strong>GmbH</strong>G haben die Geschäftsführer in<br />
der Anmeldung zu versichern, dass keine Umstände vor-<br />
Rechtsprechung<br />
Gesellschaftsrecht<br />
liegen, die ihrer Bestellung nach §6 Abs.2 S.2 Nr.2 u. 3<br />
sowie S.3 <strong>GmbH</strong>G entgegenstehen, und dass sie über ihre<br />
unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht<br />
belehrt worden sind. <strong>Die</strong>sen Anforderungen entspricht die<br />
dem RegG vorgelegte Erklärung.<br />
§6 Abs.2 S.2 Nr.1 <strong>GmbH</strong>G, wonach Geschäftsführer<br />
nicht sein kann, wer als Betreuter bei der Besorgung seiner<br />
Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem<br />
Einwilligungsvorbehalt nach §1903 BGB unterliegt, ist<br />
nach §8 Abs.3 <strong>GmbH</strong>G nicht in der persönlichen Versicherungserklärung<br />
des Geschäftsführers aufzunehmen (so<br />
auch OLG München v. 22.4.2009 – 31 Wx 40/09, NJW-<br />
RR 2009, 970 = <strong>GmbH</strong>R 2009, 830, das sogar ein Redaktionsversehen<br />
des Gesetzgebers darin gesehen hat, dass<br />
bei der Anmeldung eines Liquidators die nach §67 Abs.3<br />
S.1 <strong>GmbH</strong>G abzugebende Versicherung sich auch auf den<br />
Ausschlusstatbestand des §6 Abs.2 S.2 Nr.1 <strong>GmbH</strong>G zu<br />
erstrecken hat, obwohl eine solche Versicherung bei der<br />
Anmeldung eines Geschäftsführers nicht erforderlich sei.<br />
Daher darf das RegG diese Versicherung nicht zusätzlich<br />
fordern. Das Gesetz geht davon aus, dass die Geschäftsführer<br />
bei der Abgabe von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen<br />
in Vermögensangelegenheiten nicht nach<br />
§1903 BGB beschränkt sind. Tritt der Ausschlussgrund<br />
des §6 Abs.2 S.2 Nr.1 <strong>GmbH</strong>G zu einem späteren Zeitpunkt<br />
ein, ist diese Änderung nach §39 <strong>GmbH</strong>G anzumelden,<br />
weil der Geschäftsführer hierdurch seine Geschäftsführerstellung<br />
verliert.<br />
Anmeldung: „c/o“-Adresse als inländische<br />
Geschäftsanschrift einer <strong>GmbH</strong><br />
EG<strong>GmbH</strong>G §3 Abs.1 S.1; <strong>GmbH</strong>G §8 Abs.4 Nr.1<br />
1. <strong>Die</strong> Angabe einer c/o-Adresse genügt nur dann als inländische<br />
Geschäftsanschrift einer <strong>GmbH</strong>, wenn eine sichere<br />
und zuverlässige Zustellung an diese Adresse erfolgen kann;<br />
das ist nicht der Fall bei einer juristischen Person, deren Geschäftsbetrieb<br />
im Ankauf, der Sanierung und Abwicklung<br />
insolvenzbedrohter <strong>GmbH</strong> besteht.<br />
2. Auch eine c/o-Anschrift bei einer anderen juristischen<br />
Person kann als inländische Geschäftsanschrift einer <strong>GmbH</strong><br />
ausreichen, wenn unter dieser Anschrift sichere und zuverlässige<br />
Zustellungen an die Gesellschaft erfolgen können;<br />
das ist z.B. der Fall, wenn die <strong>GmbH</strong> unter der c/o-Anschrift<br />
einen Geschäftsraum unterhält oder es sich um die Wohnanschrift<br />
eines gesetzlichen Vertreters oder eines Zustellungsbevollmächtigten<br />
handelt, nicht aber bei einer juristischen<br />
Person, deren Geschäftsbetrieb im Ankauf, der Sanierung<br />
und Abwicklung insolvenzbedrohter Gesellschaften besteht.<br />
OLG Rostock, Beschl. v. 31.5.2010 – 1 W 6/10<br />
(rechtskräftig; NotBZ 2010, 316)<br />
n Aus den Gründen:<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
I.<br />
<strong>Die</strong> Beschwerdeführerin ist seit dem 2.7.1998 im Handelsregister<br />
... unter HRB ... eingetragen und befindet sich seit<br />
dem 1.7.2006 in Liquidation. Alleingesellschafter und Liquidator<br />
ist BW. <strong>Die</strong>ser hat am 22.6.2009 seine Geschäftsanteile<br />
an der PBE-<strong>GmbH</strong> an die BEB-Ltd. durch Abtretungsvertrag,<br />
UR 337/2009 des Notars B v. 22.6.2009, abgetreten.<br />
Der Verwaltungssitz der BEB-Ltd. befindet sich
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 31<br />
in England unter der Adresse ... . <strong>Die</strong> inländische Geschäftsanschrift<br />
lautet c/o A-Wirtschaftsdienste <strong>GmbH</strong>, ...<br />
B.<br />
Am 22.6.2009 erfolgte die Anmeldung einer neuen inländischen<br />
Geschäftsanschrift der PBE-<strong>GmbH</strong>, UR 338/09<br />
des Notars B, gemeinsam mit der Einreichung einer aktualisierten,<br />
notarbescheinigten Gesellschafterliste. Als inländische<br />
Geschäftsanschrift der PBE <strong>GmbH</strong> soll c/o A-Wirtschaftsdienste<br />
<strong>GmbH</strong>, ... B, eingetragen werden, somit die<br />
mit der der BEB identische Anschrift. <strong>Die</strong> Anmeldung<br />
wurde vom AmtsG Stralsund mit Beschl. v. 24.9.2009 zurückgewiesen.<br />
...<br />
II.<br />
1. ... 2.<br />
<strong>Die</strong> Beschwerde ist unbegründet. Das RegG hat die beantragte<br />
Handelsregistereintragung zu Recht abgelehnt.<br />
a) Mit dem Antrag v. 22.6.2009 auf Eintragung der inländischen<br />
Geschäftsanschrift kommt die Antragstellerin<br />
der gesetzlichen Verpflichtung aus §3 Abs.1 S.1<br />
EG<strong>GmbH</strong>G i.V.m. §8 Abs.4 Nr.1 <strong>GmbH</strong>G nach. §3<br />
Abs.1 S.1 EG<strong>GmbH</strong>G i.V.m. §8 Abs.4 Nr.1 <strong>GmbH</strong>G<br />
verpflichten auch Altgesellschaften, d.h. solche Gesellschaften,<br />
die bereits vor dem Inkrafttreten des MoMiG<br />
(BGBl. I 2008, 2026) am 1.11.2008 gegründet und eingetragen<br />
waren, eine inländische Geschäftsanschrift ins Handelsregister<br />
eintragen zu lassen. Mit dem Antrag v.<br />
22.6.2009 wird auch die zeitliche Vorgabe des<br />
EG<strong>GmbH</strong>G eingehalten, denn die Anmeldung einer inländischen<br />
Geschäftsanschrift hatte mit der ersten, die Gesellschaft<br />
betreffenden Registeranmeldung, spätestens<br />
aber bis zum 31.10.2009 zu erfolgen, was §3 Abs.1 S.2<br />
EG<strong>GmbH</strong>G festlegt. Zweck der Eintragung einer inländischen<br />
Geschäftsanschrift ist laut Begründung zum Regierungsentwurf<br />
des MoMiG die Beseitigung von in der Vergangenheit<br />
aufgetretenen Zustellungsproblemen zu Lasten<br />
von Gesellschaftsgläubigern. Mit der Regelung wird erreicht,<br />
dass auch bei juristischen Personen eine Fixierung<br />
einer in einem öffentlichen Register einsehbaren Anschrift<br />
erfolgt (Begr. RegE MoMiG v. 25.7.2007, BT-Drucks.16/<br />
6140, S.35). Somit kann jeder Dritte diese Anschrift jederzeit<br />
– auch online – einsehen (Begr. RegE MoMiG v.<br />
25.7.2007, BT-Drucks. 16/6140, S.36). Mit Hilfe der inländischen<br />
Geschäftsanschrift soll vor allem im Fall der<br />
Führungslosigkeit der Gesellschaft ihr Verstecken oder<br />
eine stille „Beerdigung“ erschwert werden (Roth in Roth/<br />
Altmeppen, <strong>GmbH</strong>G, 6.Aufl. 2009, §8 Rz.32).<br />
b) <strong>Die</strong> angegebene c/o-Anschrift genügt den Anforderungen<br />
an eine inländische Geschäftsanschrift nicht. Zwar<br />
kann grundsätzlich auch eine c/o-Anschrift bei einer anderen<br />
juristischen Person als inländische Geschäftsanschrift<br />
einer <strong>GmbH</strong> ausreichen. Voraussetzung dafür ist aber,<br />
dass unter dieser Anschrift sicher zuverlässige Zustellungen<br />
und Ersatzzustellungen an die Gesellschaft erfolgen<br />
können. Das ist z.B. dann der Fall, wenn die betreffende<br />
<strong>GmbH</strong> unter der c/o-Anschrift einen Geschäftsraum unterhält<br />
(„ansässig“ ist, wie im vom OLG Naumburg v.<br />
8.5.2009 – 5 Wx 4/09, <strong>GmbH</strong>R 2009, 832 [833] zu entscheidenden<br />
Fall) oder es sich um die Wohnanschrift eines<br />
gesetzlichen Vertreters oder eines Zustellungsbevollmächtigen<br />
handelt. <strong>Die</strong>se Anforderungen erfüllt die A-Wirtschaftsdienste<br />
<strong>GmbH</strong> im vorliegenden Fall nicht. Zum einen<br />
handelt es sich bei der A-Wirtschaftsdienste <strong>GmbH</strong>,<br />
Gesellschaftsrecht<br />
... B als inländischer Geschäftsanschrift weder um den Ort<br />
des Geschäftslokals gem. §170 Abs.1, §178 Abs.1 Nr.2<br />
ZPO, dem des Sitzes der Hauptverwaltung oder des maßgeblichen<br />
Betriebs noch um die Wohnanschrift des Geschäftsführers<br />
oder die inländische Anschrift eines als Zustellungsbevollmächtigten<br />
eingesetzten Vertreters. Zwar<br />
ist die c/o-Anschrift mit der inländischen Geschäftsanschrift<br />
des im Ausland ansässigen Alleingesellschafters<br />
identisch, doch spricht insbesondere der Zweck der A-<br />
Wirtschaftsdienste <strong>GmbH</strong> gegen eine sichere und zuverlässige<br />
Zustellung bzw. Ersatzzustellung von Schriftstücken<br />
an eine einzelne <strong>GmbH</strong>. Der Geschäftsbetrieb der A-<br />
Wirtschaftsdienste <strong>GmbH</strong> umfasst den Ankauf, die Sanierung<br />
und Abwicklung insolvenzbedrohter <strong>GmbH</strong>. Hinter<br />
der ... Geschäftsanschrift verbirgt sich somit eine unbekannte<br />
Vielzahl von Gesellschaften, die regelmäßig – so<br />
das Geschäftsmodell der A-Wirtschaftsdienste <strong>GmbH</strong> –<br />
insolvenzbedroht sind. Gerade bei einer solchen <strong>GmbH</strong> ist<br />
es aber für Gläubiger von Bedeutung, dass Schriftstücke<br />
wirksam und zuverlässig zugestellt werden bzw. eine Ersatzzustellung<br />
zuverlässig erfolgen kann. Eine zuverlässige<br />
Zustellung von Schriftstücken nach den Vorschriften<br />
der ZPO ist im konkreten Fall nicht sichergestellt. <strong>Die</strong>ser<br />
Auffassung steht auch nicht der Beschluss des OLG<br />
Naumburg entgegen, da dieses für die Verwendung einer<br />
c/o-Anschrift ebenfalls die zuverlässig wirksame Zustellung<br />
von Schriftstücken verlangt (OLG Naumburg v.<br />
8.5.2009 – 5 Wx 4/09, <strong>GmbH</strong>R 2009, 832 (833). Eine inländische<br />
Geschäftsanschrift – auch in Form einer c/o-Anschrift<br />
– ist nur solange frei wählbar als sichergestellt<br />
wird, dass Zustellungen im Interesse der Gläubiger zuverlässig<br />
erfolgen können (Hueck/Fastrich in Baumbach/<br />
Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl. 2010, §8 Rz.17). Der vom Gesetzgeber<br />
angestrebte Gläubigerschutzzweck kann hier<br />
mit dieser Geschäftsanschrift nicht zuverlässig erreicht<br />
werden. ...<br />
Geschäftsführer: Anmeldung der Amtsniederlegung<br />
beim Registergericht<br />
<strong>GmbH</strong>G §39 Abs.2<br />
Bei der Amtsniederlegung eines <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführers ist<br />
nicht nur die Willensbildung des <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführers,<br />
sondern auch der Zugang dieser Willensbildung bei dem zuständigen<br />
Organ in der Form des §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G nachzuweisen.<br />
OLG Thüringen, Beschl. v. 29.7.2010 – 6 W 91/10<br />
n Aus den Gründen:<br />
I.<br />
Alleingesellschafterin der Antragstellerin (Ast.) ist die<br />
Sch-AG.<br />
Unter dem 1.2.2010 meldete die Ast. zur Eintragung in<br />
das Handelsregister an, dass ... nicht mehr Geschäftsführer<br />
sei. Der Anmeldung beigefügt war die Abschrift eines<br />
Schreibens des Geschäftsführers an die Alleingesellschafterin<br />
der Ast., in dem er erklärt, zum Ablauf des 4.12.2009<br />
sein Amt als Geschäftsführer der Ast. niederzulegen. Auf<br />
dem Schreiben befindet sich ein Stempelaufdruck mit folgenden<br />
Angaben:<br />
S-AG<br />
1.12.2009
32<br />
<strong>Die</strong> vom verfahrensbevollmächtigten Notar am 22.2.2010<br />
eingereichte Anmeldung (...) hat das RegG mit Zwischenverfügung<br />
v. 24.2.2010 beanstandet. Es hat die Auffassung<br />
vertreten, die wirksame Beendigung des Anstellungsverhältnisses<br />
sei nicht nachgewiesen. Sie sei durch Vorlage<br />
der Niederlegungserklärung und Nachweis ihres Zugangs<br />
an den Gesellschafter zu belegen. Das RegG habe<br />
sodann zu prüfen, ob die der Anmeldung zugrunde liegende<br />
Amtsniederlegung formell ordnungsgemäß entgegengenommen<br />
worden sei. <strong>Die</strong> Organvertretungsmacht für<br />
die S-AG sei nicht durch öffentliche Urkunden nachgewiesen.<br />
...<br />
Das RegG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie<br />
dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.<br />
II.<br />
<strong>Die</strong> Beschwerde ist ... begründet. Sie führt zur Anweisung<br />
an das AmtsG, über den Antrag der Ast. über die Eintragung<br />
der Beendigung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers<br />
... in das Handelsregister v. 1.2.2010 unter<br />
Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.<br />
Das RegG hat mit seiner Zwischenverfügung v. 24.2.2010<br />
die begehrte Eintragung zu Unrecht davon abhängig gemacht,<br />
dass die Ast. den ordnungsgemäßen Zugang des<br />
Amtsniederlegungsschreibens durch weitere Belege nachzuweisen<br />
habe.<br />
Nach §39 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G ist jede Änderung in den Personen<br />
der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis<br />
eines Geschäftsführers zur Eintragung in<br />
das Handelsregister anzumelden. Der Anmeldung sind<br />
nach §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G die Urkunden über die Bestellung<br />
der Geschäftsführer oder über die Beendigung der<br />
Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter<br />
Abschrift beizufügen. Das RegG hat zu prüfen, ob<br />
die Urkunden die beantragte Eintragung rechtfertigen<br />
(OLG Naumburg v. 28.2.2001 – 7 Wx 5/00, NJW-RR<br />
2001, 1183 = <strong>GmbH</strong>R 2001, 569 = NZG 2001, 853 =<br />
RNotZ 2001, 349; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff,<br />
<strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009, §39 Rz.10).<br />
Das von der Ast. der Anmeldung beigefügte Schreiben, in<br />
dem der Geschäftsführer die Amtsniederlegung erklärt,<br />
rechtfertigt die Eintragung der Beendigung der Vertretungsbefugnis;<br />
weitere Belege waren nicht beizufügen.<br />
<strong>Die</strong> Amtsniederlegung eines <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführers erfolgt<br />
durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung<br />
gegenüber dem für die Geschäftsführerbestellung zuständigen<br />
Organ (BGH v. 17.9.2001 – II ZR 378/99,<br />
BGHZ 149, 28 = MDR 2002, 161 = <strong>GmbH</strong>R 2002, 26;<br />
Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, <strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009,<br />
§38 Rz.47); dies ist i.d.R. die Gesellschafterversammlung,<br />
§46 Nr.5 <strong>GmbH</strong>G.<br />
Bei der Amtsniederlegung eines <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführers<br />
ist nach der in der Rspr. und von Teilen der Literatur vertretenen<br />
Auffassung, der sich der Senat nach eigener Prüfung<br />
anschließt, nicht nur die Willensbildung des <strong>GmbH</strong>-<br />
Geschäftsführers, sondern auch der Zugang dieser Willensbildung<br />
bei dem zuständigen Organ in der Form des<br />
§39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G nachzuweisen (OLG Düsseldorf v.<br />
10.8.2004 – I-3 Wx 177/04, <strong>GmbH</strong>R 2004, 1532 = NZG<br />
2004, 1068 = FGPrax 2004, 300 = ZNotP 2005, 31; OLG<br />
Hamm v. 26.9.2002 – 15 W 321/02, NZG 2002, 131<br />
= <strong>GmbH</strong>R 2002, 111; OLG Naumburg v. 28.2.2001 – 7<br />
Wx 5/00, NJW-RR 2001, 1183 = <strong>GmbH</strong>R 2001, 569 =<br />
Rechtsprechung<br />
Gesellschaftsrecht<br />
NZG 2001, 853 = RNotZ 2001, 349; Schmidt in Achilles/<br />
Ensthaler/Schmidt, <strong>GmbH</strong>G, 2005, §39 Rz.8; Krafka/Willer/Kühn,<br />
Registerrecht, 8.Aufl. 2010, Rz.1092; a.A. [der<br />
Zugang sei nicht nachzuweisen]: Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck,<br />
<strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl. 2010, §39 Rz.16; Altmeppen<br />
in Altmeppen/Roth, <strong>GmbH</strong>G, 6.Aufl. 2009, §39<br />
Rz.12; Uwe H. Schneider in Scholz, <strong>GmbH</strong>G, 10.Aufl.<br />
2007, §39 Rz.18; Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter,<br />
<strong>GmbH</strong>G, 2006, §39 Rz.32). Dem ist die Ast. nachgekommen.<br />
Mit der Vorlage des Schreibens, in dem der Geschäftsführer<br />
die Amtsniederlegung erklärt, hat die Ast. – entgegen<br />
der Auffassung des RegG – auch den Zugang der Erklärung<br />
bei der Alleingesellschafterin der Ast. in der Form<br />
des §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G nachgewiesen. Eine Erklärung<br />
unter Abwesenden wird in dem Zeitpunkt wirksam, in<br />
dem sie dem Empfänger zugeht (§130 Abs.1 S.1 BGB).<br />
Für den Zugang einer Erklärung bei einer Behörde genügt<br />
es, dass die Sendung bei der hierfür eingerichteten Stelle<br />
angelangt ist, die Weiterleitung an den zuständigen Amtsträger<br />
ist nicht entscheidend (BGH v. 14.7.2000 – V ZR<br />
320/98, BGHZ 145, 45 [52] = ZIP 2000, 1481); dies gilt<br />
für den Zugang einer Erklärung bei einem Unternehmen<br />
entsprechend (Ellenberger in Palandt, BGB, 69.Aufl.<br />
2010, §130 Rz.6). Das Schreiben, in dem der Geschäftsführer<br />
die Amtsniederlegung erklärt, ist auf der Poststelle<br />
der Alleingesellschafterin der Ast. eingegangen. Auf dem<br />
Schreiben befindet sich ein Stempelaufdruck mit der Firma<br />
der Alleingesellschafterin und dem Datum<br />
„1.12.2009“. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Aufdruck<br />
(nach seiner Form oder seinem Inhalt) nicht der Eingangsstempel<br />
der S-AG ist bzw. dass eine dazu nicht befugte<br />
Person den Stempel aufgedruckt hat, sind für den Senat<br />
nicht ersichtlich. ...<br />
Gesellschafterliste: Keine Absicherung einer<br />
aufschiebend bedingten Anteilsabtretung durch<br />
Eintragung eines Vermerks<br />
<strong>GmbH</strong>G §15 Abs.3, §16 Abs.3, §40; BGB §161 Abs.3<br />
Das Registergericht kann eine Gesellschafterliste zurückweisen,<br />
wenn diese keine bereits eingetretene Veränderung im<br />
Gesellschafterbestand aufweist; steht die Abtretung eines<br />
<strong>GmbH</strong>-Anteils unter einer aufschiebenden Bedingung, darf<br />
die Einreichung der bescheinigten Gesellschafterliste erst<br />
nach Eintritt der Bedingung erfolgen.*<br />
OLG Hamburg, Beschl. v. 12.7.2010 – 11 W 51/10<br />
(nicht rechtskräftig)<br />
n Aus den Gründen:<br />
I.<br />
Unter dem 30.3.2010 hat der Beschwerdeführer beim<br />
Handelsregister eine Liste der Gesellschafter und Geschäftsanteile<br />
der K-<strong>GmbH</strong> eingereicht, in der in der Spalte<br />
„Veränderungen“ bei dem Gesellschaftsanteil der Gesellschafterin<br />
KN vermerkt ist: „aufschiebend bedingt abgetreten“.<br />
Das RegG hat unter dem Datum des 31.3.2010 den Beschwerdeführer<br />
darauf hingewiesen, dass die zum Register<br />
* Leitsatz der Redaktion.<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 33<br />
gereichte Liste nicht angenommen werden könne, da sie<br />
keine bereits eingetretene Veränderung enthalte.<br />
Der Beschwerdeführer hat daraufhin mit Schreiben vom<br />
2.6.2010 an seinem Begehren festgehalten und dabei auf<br />
die Möglichkeit eines gutgläubigen Zwischenerwerbs hingewiesen,<br />
falls die aufschiebend bedingte Abtretung nicht<br />
in die Gesellschafterliste aufgenommen werde.<br />
Daraufhin hat das RegG ... die Freigabe der eingereichten<br />
Liste abgelehnt [AmtsG Hamburg v. 23.6.2010 – 66 HRB<br />
106071]. ... Das RegG hat der Beschwerde nicht abgeholfen<br />
und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.<br />
II.<br />
<strong>Die</strong> Beschwerde ist ... nicht begründet; zu Recht hat das<br />
RegG es abgelehnt, die eingereichte Liste in den Registerordner<br />
aufzunehmen.<br />
Das RegG hat zu prüfen, ob die für eine Gesellschafterliste<br />
geltenden formalen Voraussetzungen vorliegen. Eine<br />
Gesellschafterliste, die nicht den Anforderungen des §40<br />
Abs.1 u. 2 <strong>GmbH</strong>G entspricht, hat das RegG zurückzuweisen.<br />
Das RegG hat zu Recht die Aufnahme der am 30.3.2010<br />
von Notar Dr. J eingereichten Liste abgelehnt, weil diese<br />
keine bereits eingetretene Veränderung im Gesellschafterbestand<br />
aufweist. Steht – wie vorliegend – die gemäß §15<br />
Abs.3 <strong>GmbH</strong>G erfolgte Abtretung eines <strong>GmbH</strong>-Anteils<br />
unter einer aufschiebenden Bedingung, darf die Einreichung<br />
der bescheinigten Gesellschafterliste erst nach Eintritt<br />
der Bedingung erfolgen (vgl. OLG München v.<br />
8.9.2009 – 31 Wx 82/09, DNotZ 2009, 869 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2009, 1211 m. Komm. Riemenschneider; ebenso: Oppermann,<br />
DB 2009, 2306; Weigl, NZG 2009, 1173; kritisch<br />
Wicke, DNotZ 2009, 871).<br />
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er müsse im<br />
Hinblick auf einen gemäß §161 Abs.3 BGB, §16 Abs.3<br />
<strong>GmbH</strong>G möglichen zwischenzeitigen Gutglaubenserwerb<br />
durch einen Dritten das Recht haben, auf die aufschiebend<br />
bedingte Abtretung hinweisen zu können, vermag der Senat<br />
dem nicht zu folgen. Denn schon die Annahme des<br />
Beschwerdeführers, dass ein gutgläubiger Erwerb des<br />
Zweitkäufers infolge von §161 Abs.3 BGB i.V.m. §16<br />
Abs.3 <strong>GmbH</strong>G möglich sei, trifft nicht zu. Infolge des<br />
Wortlauts des §40 Abs.1 S.1 <strong>GmbH</strong>G ist eine Gesellschafterliste<br />
erst nach dem Wirksamwerden einer Veränderung<br />
in der Person eines Gesellschafters oder des Umfangs<br />
seiner Beteiligung einzureichen; dies gilt entsprechend<br />
für den an solchen Veränderungen mitwirkenden<br />
Notar. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die bloße Belastung<br />
eines Geschäftsanteils den mitwirkenden Notar<br />
zur Einreichung einer Gesellschafterliste nicht verpflichtet.<br />
Besteht aber keine gesetzliche Verpflichtung zur Einreichung<br />
einer geänderten Gesellschafterliste, so kann der<br />
Rechtsverkehr nicht darauf vertrauen, der von ihm erworbene<br />
Anteil sei lastenfrei. Hierin liegt der entscheidende<br />
Unterschied zum Grundbuch, bei dem Verfügungen nur<br />
mit ihrer Eintragung wirksam werden (§873 BGB); aufgrund<br />
dieses Eintragungszwangs wird der Rechtsverkehr<br />
gemäß §892 BGB dahingehend geschützt, dass der Inhalt<br />
des Grundbuchs als richtig gilt. Da §40 <strong>GmbH</strong>G nur bei<br />
„Veränderungen“ zur Einreichung einer neuen Liste<br />
zwingt, resultiert daraus ein im Vergleich zum Grundbuch<br />
deutlich geringerer Rechtsschein der Gesellschafterliste.<br />
Kommt dem Register im Hinblick auf lediglich aufschiebend<br />
bedingte Abtretungen aber kein Rechtsschein zu, so<br />
Gesellschaftsrecht<br />
bedarf es auch keiner Einreichung einer neuen Liste; die<br />
bisherige Liste ist nicht „unrichtig“. Unrichtig wird die<br />
bisherige Gesellschafterliste erst durch den Bedingungseintritt,<br />
so dass (erst) von diesem Zeitpunkt an ein gutgläubiger<br />
Erwerb gemäß §16 Abs.3 <strong>GmbH</strong>G möglich wäre.<br />
Bis zur Aufnahme der neuen Liste, die der Notar bei<br />
Kenntnis vom Bedingungseintritt einzureichen hat, ist der<br />
Erstkäufer durch das Erfordernis einer mehr als dreijährigen<br />
Unrichtigkeit der im Handelsregister aufgenommenen<br />
alten Liste ausreichend geschützt. ...<br />
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß §70 FamFG<br />
zugelassen, da die Frage, ob eine aufschiebend bedingte<br />
Abtretung eines <strong>GmbH</strong>-Anteil als Veränderung i.S.d. §40<br />
<strong>GmbH</strong>G zum Handelsregister aufzunehmen ist, höchstrichterlich<br />
bisher nicht geklärt ist und die Entscheidung<br />
des OLG München in der Literatur teilweise kritisiert wird<br />
(vgl. etwa Wicke, DNotZ 2009, 871).<br />
Anm. der Redaktion: <strong>Die</strong> Rechtsbeschwerde ist anhängig<br />
beim BGH unter dem Az. II ZB 17/10.<br />
Informationsrechte: Geltendmachung eines<br />
Auskunfts- und Einsichtsrechts nur im Wege der<br />
freiwilligen Gerichtsbarkeit<br />
<strong>GmbH</strong>G §51a, §51b; AktG §99 Abs.1, §132 Abs.1,<br />
§132 Abs.2; BGB §810<br />
1. Der Gesellschafter einer <strong>GmbH</strong> kann sein Auskunftsund<br />
Einsichtsrecht nach §51a <strong>GmbH</strong>G ausschließlich im<br />
Wege der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß §51b<br />
<strong>GmbH</strong>G, §132 Abs.1, Abs.3 S.1, §99 Abs.1 AktG geltend<br />
machen, nicht jedoch – gestützt auf §810 BGB – in einem<br />
Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit.<br />
2. Demjenigen, der als Geschäftsführer einer <strong>GmbH</strong> ausgeschieden<br />
ist, steht das Einsichtsrecht in die Geschäftsunterlagen<br />
der <strong>GmbH</strong> nach §810 BGB auch dann nicht zu, wenn<br />
er weiterhin als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen<br />
ist.<br />
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.9.2010 – 8 W 215/10 - 36<br />
(rechtskräftig)<br />
n Aus den Gründen:<br />
I.<br />
Der Verfügungskläger und der Verfügungsbeklagte zu2)<br />
sind Gesellschafter der Verfügungsbeklagten zu1), einer<br />
<strong>GmbH</strong> (nachfolgend: Kl. bzw. Bekl.). Der Bekl. zu2) ist<br />
darüber hinaus deren Geschäftsführer. Bei Gründung der<br />
Gesellschaft war daneben auch der Kl. zum Geschäftsführer<br />
der Bekl. zu1) bestellt worden. <strong>Die</strong> nunmehrigen Prozessbevollmächtigten<br />
des Kl. erklärten mit an die jetzigen<br />
Prozessbevollmächtigten der Beklagten gerichtetem vorprozessualen<br />
Schreiben v. 31.8.2006 (...) Folgendes:<br />
„Namens und in Vollmacht unseres Mandanten erklären<br />
wir hiermit, dass er das Geschäftsführeramt niederlegt,<br />
das Anstellungsverhältnis damit beendet ist und dieser auf<br />
sämtliche Lohn- und Gehaltszahlungen verzichtet.“ In der<br />
Folgezeit führte der Bekl. zu2) die Geschäfte der Bekl.<br />
zu1) allein. Allerdings ist der Kl. nach wie vor neben dem<br />
Bekl. zu2) als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen.<br />
Der Kl. hat die Beklagten im Wege eines Antrags auf Erlass<br />
einer einstweiligen Verfügung auf Erteilung der Ein-
34<br />
sicht in – im Einzelnen näher bezeichnete – Geschäftsunterlagen<br />
der Bekl. zu1) in Anspruch genommen. In dem<br />
vom LG daraufhin anberaumten Termin zur mündlichen<br />
Verhandlung haben die Parteien einen Vergleich geschlossen,<br />
nach dessen Ziff.1. sich die Bekl. zu1) verpflichtet<br />
hat, dem Kl. die Einsichtnahme in ihre Geschäftsunterlagen<br />
gemäß Ziff.1.a) bis d) der Antragsschrift zu im Einzelnen<br />
näher bezeichneten Modalitäten zu gewähren, und<br />
nach dessen Ziff.2. über die Kosten des Verfahrens das<br />
Gericht entscheiden soll.<br />
Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG die Kosten<br />
des Verfahrens gegeneinander aufgehoben [LG Saarbrücken<br />
v. 2.8.2010 – 14 O 211/10]....<br />
II.<br />
<strong>Die</strong> ... sofortige Beschwerde der Beklagten ... ist begründet.<br />
...<br />
1. ... 2.<br />
Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind im vorliegenden<br />
Fall dem Kl. die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens<br />
aufzuerlegen, da dieser im Falle einer streitigen<br />
Entscheidung voraussichtlich unterlegen gewesen wäre<br />
und deshalb gemäß §91 Abs.1 S.1 ZPO ebenfalls die<br />
Kosten zu tragen gehabt hätte.<br />
a) Entgegen der Auffassung des LG kann ein Anspruch<br />
des Kl. auf Gewährung der begehrten Einsicht in die Geschäftsunterlagen<br />
der Bekl. zu1) nicht auf §810 BGB gestützt<br />
werden.<br />
aa) Das LG hat im Rahmen seiner Prüfung dieser Anspruchsgrundlage<br />
nicht danach differenziert, ob der Kl.<br />
das von ihm geltend gemachte Einsichtsrecht aus seiner<br />
Stellung als Gesellschafter der Bekl. zu1) herleiten kann<br />
oder ob ihm dieses Recht als Geschäftsführer der Bekl.<br />
zu1) zusteht. Vielmehr hat das LG nicht geprüft, ob der<br />
Kl. noch Geschäftsführer der Bekl. zu1) ist, und offensichtlich<br />
allein aufgrund dessen Stellung als Gesellschafter<br />
der Bekl. zu1) angenommen, ihm stehe ein Wahlrecht<br />
zwischen dem Weg der freiwilligen Gerichtsbarkeit und<br />
dem beschrittenen Weg eines Erkenntnisverfahrens nach<br />
der ZPO zu. Das ist nicht richtig.<br />
bb) Soweit es um den Informationsanspruch (Auskunftsund<br />
Einsichtsrecht) des Gesellschafters einer <strong>GmbH</strong> geht,<br />
kann dieser ausschließlich im Verfahren der freiwilligen<br />
Gerichtsbarkeit gemäß §51b <strong>GmbH</strong>G, §132 Abs.1,<br />
Abs.3 S.1, §99 Abs.1 AktG geltend gemacht werden. Insbesondere<br />
besteht für den Gesellschafter keine Möglichkeit,<br />
Informationsansprüche aus §51a <strong>GmbH</strong>G wahlweise<br />
in einem Verfahren der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit<br />
durchzusetzen (vgl. BGH v. 22.5.1995 – II ZB 2/<br />
95, NJW-RR 1995, 1183f. = <strong>GmbH</strong>R 1995, 905, Tz. 12,<br />
zit.nachjuris;OLGSaarbrückenv.3.12.1993–4U16/<br />
93, <strong>GmbH</strong>R 1994, 474f.; OLG Schleswig v. 29.2.2008 – 5<br />
W 68/07, <strong>GmbH</strong>R 2008, 434 [435]; K.Schmidt in Scholz,<br />
<strong>GmbH</strong>G, 10.Aufl., §51b Rz.9; Lutter in Lutter/Hommelhoff,<br />
<strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl., §51b Rz.14). Das geht auch<br />
nicht im Wege des Austauschs der Anspruchsgrundlage<br />
(§810 BGB statt §51a <strong>GmbH</strong>G) bei gleichbleibendem<br />
Streitgegenstand, nämlich dem Informationsanspruch des<br />
Gesellschafters einer <strong>GmbH</strong>. Ein auf §810 BGB gestütztes<br />
Informationsrecht kann lediglich dem aus einer <strong>GmbH</strong><br />
ausgeschiedenen Gesellschafter zustehen (vgl. Sprau in<br />
Palandt, BGB, 67.Aufl., §810 Rz.4, 7), da dieser sein In-<br />
Rechtsprechung<br />
Gesellschaftsrecht<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
formationsrecht aus §51a <strong>GmbH</strong>G mit dem Ausscheiden<br />
aus der Gesellschaft verliert. Ist zum Zeitpunkt seines<br />
Ausscheidens aus der Gesellschaft aber bereits ein Verfahren<br />
nach §51b <strong>GmbH</strong>G anhängig, so kann dieses nicht<br />
– nunmehr gestützt auf §810 BGB – fortgesetzt werden.<br />
Dem steht die Verschiedenheit der Verfahren zur Durchsetzung<br />
der Rechte nach §51a <strong>GmbH</strong>G einerseits und<br />
§ 810 BGB andererseits entgegen (vgl. OLG Karlsruhe v.<br />
30.12.1999 – 15 W 13/98, NJW-RR 2000, 626f., Tz. 10f.,<br />
16f., zit. nach juris; OLG Schleswig v. 29.2.2008 – 5 W<br />
68/07, <strong>GmbH</strong>R 2008, 434f.; K.Schmidt in Scholz,<br />
<strong>GmbH</strong>G, 10.Aufl., §51b Rz.13). Auch hieraus folgt, dass<br />
das Informationsrecht des Gesellschafters einer <strong>GmbH</strong><br />
nicht wahlweise auf §51a <strong>GmbH</strong>G und §810 BGB gestützt<br />
werden kann. Soweit sich der von dem Kl. geltend<br />
gemachte und aus seiner Stellung als Gesellschafter der<br />
Bekl. zu1) hergleitete Anspruch auf Gewährung von Einsicht<br />
in die Geschäftsunterlagen der Bekl. zu1) auch gegen<br />
den Bekl. zu2) gerichtet hat, fehlt es darüber hinaus<br />
im Hinblick auf die Möglichkeit eines Auskunftserzwingungsverfahrens<br />
gegen die Bekl. zu1) nach §51b<br />
<strong>GmbH</strong>G, §132 Abs.1, Abs.3 S.1, §99 Abs.1 AktG an<br />
dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (vgl. OLG<br />
Saarbrücken v. 3.12.1993 – 4 U 16/93, <strong>GmbH</strong>R 1994, 474<br />
[475]).<br />
cc) Ebenso wenig kann das von dem Kl. geltend gemachte<br />
Recht auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Bekl.<br />
zu1) aus seiner Stellung als deren Geschäftsführer hergeleitet<br />
werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob §810<br />
BGB die richtige Anspruchsgrundlage wäre, wenn der Kl.<br />
Geschäftsführer der Bekl. zu1) wäre. Denn nach dem unstreitigen<br />
Sachvortrag der Parteien war der Kl. bereits zum<br />
Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens und auch bei Abschluss<br />
des Vergleichs zwischen den Parteien nicht mehr<br />
Geschäftsführer der Bekl. zu1).<br />
(1) Das folgt bereits aus der in dem Schreiben der nunmehrigen<br />
Prozessbevollmächtigten des Kl. v. 31.8.2006 in<br />
dessen Namen und aufgrund einer entsprechenden Bevollmächtigung<br />
erklärten Niederlegung des Geschäftsführeramts.<br />
<strong>Die</strong>se Erklärung bezog sich entgegen der Auffassung<br />
des Kl. nicht lediglich auf sein Anstellungsverhältnis<br />
zu der Bekl. zu1). Vielmehr hat der Kl. durch diese Erklärung<br />
sein Amt als Geschäftsführer mit körperschaftlicher<br />
Wirkung niedergelegt, was mangels einer – wie hier – anderweitigen<br />
Regelung im Gesellschaftsvertrag jederzeit<br />
möglich ist, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund erforderlich<br />
wäre (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck,<br />
<strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §38 Rz.86). Das ergibt sich aus der<br />
für die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen<br />
maßgebenden, anhand der Verständnismöglichkeit des<br />
Empfängers zu bestimmenden objektiven Bedeutung dieser<br />
Erklärung (vgl. Heinrichs/Ellenberger in Palandt,<br />
BGB, 67.Aufl., §133 Rz.9). Danach kann die Erklärung,<br />
„das Geschäftsführeramt“ werde niedergelegt, nur dahin<br />
verstanden werden, dass die eingeräumte Organstellung<br />
niedergelegt werde. Dem steht auch nicht entgegen, dass<br />
sich die anschließenden Ausführungen in dem Schreiben<br />
v. 31.8.2006 auf das Anstellungsverhältnis des Kl. beziehen.<br />
Hätte der Kl. lediglich seinen Anstellungsvertrag<br />
kündigen, seine Organstellung als Geschäftsführer der<br />
Bekl. zu1) jedoch beibehalten wollen, so hätte es – gerade<br />
im Hinblick auf die anwaltliche Vertretung des Kl. – nahegelegen,<br />
ausdrücklich nur den Anstellungsvertrag zu kündigen.<br />
Darauf, ob – wie der Kl. behauptet – die Niederlegung<br />
des Geschäftsführeramts als Organ nicht gewollt
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 35<br />
war, dies also nicht dem inneren Willen des Kl. entsprochen<br />
hat, kommt es nicht an. Unerheblich ist auch, dass<br />
die Bekl. zu1) den Kl. mit Schreiben v. 7.6.2010 (...) um<br />
Unterzeichnung eines auf den 12.1.2006 datierten Schreibens<br />
(...), in dem der Kl. die Niederlegung seines Amts als<br />
Geschäftsführer der Bekl. zu1) mit Wirkung vom<br />
31.1.2006 bestätigen sollte, gebeten hat. Denn damit sollte<br />
– wie aus dem Anschreiben der Bekl. zu1) ersichtlich –<br />
lediglich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass<br />
der Anmeldung der Amtsniederlegung eines Geschäftsführers<br />
zum Handelsregister eine Urkunde in der Form<br />
des §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G über den Zugang der Amtsniederlegungserklärung<br />
beigefügt werden muss (vgl. Zöllner/<br />
Noack in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §38<br />
Rz.86).<br />
(2) Darüber hinaus haben der Kl. und der Bekl. zu2) unstreitig<br />
in einer Gesellschafterversammlung der Bekl.<br />
zu1) v. 21.3.2007 beschlossen, dass der Kl. mit sofortiger<br />
Wirkung kein Geschäftsführer der Bekl. zu1) mehr ist.<br />
Auch ein solcher Widerruf der Geschäftsführerbestellung<br />
ist gemäß §38 <strong>GmbH</strong>G mangels anderweitiger Regelung<br />
im Gesellschaftsvertrag jederzeit ohne wichtigen Grund<br />
möglich. Zwar haben die Bekl. ... eingeräumt, dass das<br />
Datum des von ihnen ... vorgelegten Protokolls (...) aufgrund<br />
einer nachträglichen Rekonstruktion der Ereignisse<br />
eingefügt worden sei. Das ändert jedoch nichts daran, dass<br />
es unstreitig ist, dass der Kl. und der Bekl. zu2) am<br />
21.3.2007 im Rahmen einer Gesellschafterversammlung<br />
der Bekl. zu1) beschlossen haben, dass der Kl. nicht mehr<br />
deren Geschäftsführer ist. Denn der Kl. macht insoweit lediglich<br />
geltend, es sei ihm nicht mehr erinnerlich gewesen,<br />
eine solche Erklärung unterschrieben zu haben (...).<br />
(3) Der Wirksamkeit der Amtsniederlegung bzw. des Widerrufs<br />
der Bestellung zum Geschäftsführer steht auch<br />
nicht entgegen, dass der Kl. noch als Geschäftsführer der<br />
Bekl. zu1) im Handelsregister eingetragen ist, die Bekl.<br />
zu1) also der ihr nach §39 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G obliegenden<br />
Meldepflicht nicht nachgekommen ist (vgl. Zöllner/Noack<br />
in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §38 Rz.99, §39<br />
Rz.8f.). <strong>Die</strong>s hat gemäß §15 Abs.1 HGB lediglich zur<br />
Folge, dass die Bekl. zu1) einem Dritten im Zweifel nicht<br />
entgegenhalten könnte, dass der Kl. nicht mehr ihr Geschäftsführer<br />
und daher nicht mehr gemäß §35 <strong>GmbH</strong>G<br />
vertretungsbefugt ist (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/<br />
Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §38 Rz.99, 101).<br />
dd) Da ein ausgeschiedener Geschäftsführer zur Stellung<br />
eines Insolvenzantrags nach §15a InsO weder berechtigt<br />
noch verpflichtet ist und auch keine dahingehende Einwirkungspflicht<br />
des ausgeschiedenen Geschäftsführers auf<br />
den amtierenden Geschäftsführer besteht (vgl. Zöllner/<br />
Noack in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §38<br />
Rz.101), kann das von dem Kl. geltend gemachte Einsichtsrecht<br />
auch nicht allein auf den Umstand, dass er<br />
noch als Geschäftsführer der Bekl. zu1) im Handelsregister<br />
eingetragen ist, gestützt werden. Ein berechtigtes Interesse<br />
des Kl. an der begehrten Akteneinsicht lässt sich<br />
auch nicht daraus herleiten, dass er gemäß §34 Abs.1 AO<br />
als Geschäftsführer für die Erfüllung der steuerlichen<br />
Pflichten der Bekl. zu1) zu sorgen hatte und sein Ausscheiden<br />
als Geschäftsführer diese Verpflichtung gemäß<br />
§36 AO unberührt ließ, soweit sie den Zeitraum betrifft,<br />
in dem er Geschäftführer war. Es fehlen schon jedwede<br />
Anhaltspunkte dafür, dass die Bekl. zu1) ihre bis zum<br />
31.8.2006 bestehenden Steuerschulden nicht beglichen<br />
hat. Erst Recht würde es an einem diesbezüglichen Verfü-<br />
Gesellschaftsrecht<br />
gungsgrund fehlen, nachdem der Kl. mit seinem Akteneinsichtsbegehren<br />
nahezu vier Jahre nach seinem Ausscheiden<br />
als Geschäftsführer der Bekl. zu1) zugewartet hat.<br />
ee) Gegen den Bekl. zu2) als gesetzlichen Vertreter der<br />
Bekl. zu1) könnte sich – wie bereits das LG zutreffend<br />
ausgeführt hat – ein auf §810 BGB gestützter Anspruch<br />
auf Gewährung von Einsicht in die Geschäftsunterlagen<br />
der Bekl. zu1) unabhängig von den vorstehenden Erwägungen<br />
von vornherein nicht richten, da allein die Bekl.<br />
zu1) als juristische Person, nicht jedoch der Bekl. zu2) als<br />
deren gesetzlicher Vertreter sich im Besitz der Geschäftsunterlagen<br />
befindet (vgl. Sprau in Palandt, BGB, 67.Aufl.,<br />
§809 Rz.8; Bassenge in Palandt, aaO, § 854 Rz.10).<br />
b) Der das Verfahren einleitende Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten<br />
Kl. v. 1.7.2010 kann auch nicht als Antrag<br />
auf Durchführung eines Verfahrens der freiwilligen<br />
Gerichtsbarkeit ausgelegt werden (vgl. hierzu BGH v.<br />
22.5.1995 – II ZB 2/95, NJW-RR 1995, 1183f. = <strong>GmbH</strong>R<br />
1995, 905, Tz. 12ff., zit. nach juris). Gegen eine solche<br />
Auslegung spricht schon die ausdrückliche Bezeichnung<br />
dieses Schriftsatzes als „Antrag auf Erlass einer einstweiligen<br />
Verfügung“, die lediglich in §§935ff. ZPO, nicht jedoch<br />
in dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen<br />
und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit<br />
(FamFG) vorgesehen ist; nach letzterem besteht lediglich<br />
die Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung<br />
(§§49ff. FamFG). Hinzu kommt, dass der Kl.<br />
das geltend gemachte Einsichtsrecht bereits in der Antragsschrift<br />
– im Hinblick auf die von ihm angenommene<br />
Organstellung als Geschäftsführer der Bekl. zu1) – ausdrücklich<br />
auch auf §810 BGB gestützt hat, was wiederum<br />
nur im Verfahren der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit<br />
möglich ist. Ob der bislang wohl h.A., wonach im<br />
Verfahren nach §51b ZPO einstweiliger Rechtsschutz<br />
nicht möglich und daher ein dahingehender Antrag unzulässig<br />
ist (vgl. Zöllner in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G,<br />
19.Aufl., §51b Rz.10; K.Schmidt in Scholz, <strong>GmbH</strong>G,<br />
10.Aufl., §51b Rz.32; a.A. Emde, ZIP 2001, 820ff.; Vollkommer<br />
in Zöller, ZPO, 27.Aufl., §940 Rz.8 Stichwort<br />
„Auskunft, Einsichtsgewährung“), im Hinblick auf die<br />
nunmehrigen Regelungen der §§49ff. FamFG zuzustimmen<br />
ist, kann daher dahingestellt bleiben. ...<br />
Eigenkapitalersatz: Anwendung der Kapitalersatzregeln<br />
auf eine Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz<br />
in anderem EU-Mitgliedstaat<br />
<strong>GmbH</strong>G §32; InsO §39; EulnsVO Art.4<br />
<strong>Die</strong> Regelungen über die Nachrangigkeit kapitalersetzender<br />
Gesellschafterdarlehen gemäß §§32a, 32b <strong>GmbH</strong>G a.F.,<br />
§39 Abs.1 Nr.5 InsO a.F. gehören zum deutschen Insolvenzrecht.<br />
Sie finden deshalb auch auf ein im Inland durchgeführtes<br />
Insolvenzverfahren einer Gesellschaft mit Satzungssitz<br />
in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union<br />
Anwendung.<br />
OLG Köln, Urt. v. 28.9.2010 – 18 U 3/10<br />
(nicht rechtskräftig)<br />
n Aus den Gründen:<br />
I.<br />
<strong>Die</strong> Parteien streiten über die Frage, ob der Beklagte<br />
(Bekl.) verpflichtet ist, Darlehensforderungen der Kläge-
36<br />
rin (Kl.in) gegen die Schuldnerin in einer Gesamthöhe von<br />
über 80Mio. . zur Tabelle festzustellen.<br />
<strong>Die</strong> Schuldnerin wurde im Jahre 2005 als Gesellschaft luxemburgischen<br />
Rechts (Société anonyme) gegründet. Ihren<br />
Satzungssitz hat sie in M/Luxemburg. Dort befand<br />
sich zunächst auch ihre Verwaltung. <strong>Die</strong> Schuldnerin ist<br />
als Holdinggesellschaft an einer Vielzahl von Gesellschaften<br />
in Deutschland beteiligt, die Post- und Logistikdienstleistungen<br />
erbringen (PIN-Group). Das Gesellschaftskapital<br />
beläuft sich auf 28.657.082,50 .; Hauptgesellschafterin<br />
der Schuldnerin mit einem Anteil von 63,7% ist die Klin.<br />
Im November 2007 hatte die Bundesregierung beschlossen,<br />
im Briefzustellbereich einen gesetzlichen Mindestlohn<br />
einzuführen. <strong>Die</strong>s nahm die Schuldnerin Anfang Dezember<br />
2007 zum Anlass, die Unternehmensberatungsgesellschaft<br />
... mit der Prüfung der Frage zu beauftragen,<br />
welche Folgerungen sich hieraus für sie ergeben würden.<br />
<strong>Die</strong> Beratungsgesellschaft kam zu dem Ergebnis, dass<br />
eine erfolgversprechende Fortführung des Unternehmens<br />
weitere Investitionen in einer Größenordnung von<br />
320Mio. . erfordere (...). <strong>Die</strong> Kl.in war nicht bereit, diese<br />
Mittel aufzubringen, was den damaligen delegierten Verwaltungsrat<br />
(CEO) der Schuldnerin zum Rücktritt veranlasste.<br />
<strong>Die</strong> Gesellschafter der Schuldnerin bestellten daraufhin<br />
Rechtsanwalt Q und Herrn A zu neuen delegierten<br />
Verwaltungsräten und übertrugen diesen die Geschäftsführung.<br />
<strong>Die</strong>se wurde fortan aus den Kölner Büroräumen der<br />
Unternehmensberatung ... heraus ausgeübt. Am 25.1.2008<br />
stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag beim AmtsG Köln.<br />
<strong>Die</strong>ser führte durch Beschl. v. 15.2.2008 – 73 IE 1/08 zur<br />
Insolvenzeröffnung und Bestellung des Bekl. zum Insolvenzverwalter;<br />
zwischenzeitlich wurde darüber hinaus in<br />
Luxemburg ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet.<br />
<strong>Die</strong> Kl.in hat der Schuldnerin in der Zeit zwischen März<br />
2007 und dem 13.12.2007 Darlehen i.H.v. insgesamt<br />
79.020.000 . gewährt. ... Während das erste Darlehen über<br />
15Mio. . unbefristet war, waren alle weiteren Darlehen<br />
bis zum 31.12.2007 befristet. Eine Rückzahlung erfolgte<br />
zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht, vielmehr vereinbarten<br />
die Kl.in und die Schuldnerin am 28.12.2007/9.1.2008 die<br />
Stundung der Rückzahlung bis zum 15.1.2008 (...). Darüber<br />
hinaus wurde folgende Vereinbarung getroffen:<br />
„<strong>Die</strong> Stundung endet, falls die Schuldnerin vor dem 15.1.2008<br />
Insolvenzantrag stellt.“<br />
Mit Vereinbarung v. 15.1.2008 wurde die Stundung unter<br />
Einbeziehung eines entsprechenden Vorbehalts durch Vereinbarung<br />
v. 15.1.2008 bis zum 31.1.2008 verlängert (...).<br />
Am 22.4.2008 hat die Kl.in gegenüber dem Bekl. die aus<br />
vorstehenden Darlehen resultierenden Rückzahlungs- und<br />
Zinsansprüche in einer Gesamthöhe von 81.449.048,97 .<br />
angemeldet (...). Der Bekl. hat die Forderungen nicht zur<br />
Tabelle festgestellt, sondern in voller Höhe bestritten, weil<br />
sie als kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen nur nachrangig<br />
zu befriedigen seien (...).<br />
<strong>Die</strong> Kl.in ist der Auffassung, dass ihre Darlehensrückzahlungsansprüche<br />
nicht nachrangig seien, weil auf die<br />
Schuldnerin als Gesellschaft luxemburgischen Rechts die<br />
deutschen Regelungen über das Kapitalersatzrecht keine<br />
Anwendung fänden. <strong>Die</strong>se seien gesellschaftsrechtlicher<br />
und nicht insolvenzrechtlicher Natur. <strong>Die</strong> Darlehen hätten<br />
aber auch keinen eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt,<br />
weil die Schuldnerin zu keinem Zeitpunkt kreditunwürdig<br />
gewesen sei. <strong>Die</strong> bestehenden, nicht voll ausgeschöpften<br />
Kreditlinien hätten bis zuletzt fortbestanden.<br />
Rechtsprechung<br />
Gesellschaftsrecht<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
Der Bekl. meint dagegen, dass die Kl.in gemäß §39<br />
Abs.1 Nr.5 InsO nur nachrangige Befriedigung verlangen<br />
könne. <strong>Die</strong> deutschen Kapitalersatzregeln seien insolvenzrechtlicher<br />
Natur und deshalb im inländischen Insolvenzverfahren<br />
anwendbar.<br />
Das LG ist der Rechtsauffassung des Bekl. gefolgt und hat<br />
die Klage dementsprechend abgewiesen [LG Köln v.<br />
4.12.2009 – 87 O 209/08]. Es hat die Auffassung vertreten,<br />
dass §32a <strong>GmbH</strong>G eine insolvenzrechtliche und<br />
nicht eine gesellschaftsrechtliche Bestimmung sei, die<br />
auch auf Auslandsgesellschaften anzuwenden sei. ...<br />
II.<br />
<strong>Die</strong> Berufung ist zulässig, aber nicht begründet, denn das<br />
LG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Darlehensforderungen<br />
der Kl.in gegen die Schuldnerin nachrangig<br />
sind.<br />
1. Anwendung des deutschen Insolvenzrechts<br />
<strong>Die</strong> Nachrangigkeit kapitalersetzender Gesellschafterforderungen<br />
ergibt sich sowohl aus §39 Abs.1 Nr.5 InsO a.F.<br />
als auch aus §32a <strong>GmbH</strong>G a.F. Bei beiden Bestimmungen<br />
handelt es sich ungeachtet ihres jeweiligen Standorts<br />
materiell um Regelungen des deutschen Insolvenzrechts,<br />
das auf die Schuldnerin Anwendung findet.<br />
a) Das für die Schuldnerin maßgebliche Insolvenzstatut ist<br />
das deutsche Recht. <strong>Die</strong>s ergibt sich aus Art.4 EuInsVO,<br />
denn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der<br />
Schuldnerin wurde von einem deutschen Gericht eröffnet.<br />
Dessen Zuständigkeit für die Schuldnerin als Gesellschaft<br />
luxemburgischen Rechts ergab sich aus Art.3 Abs.1<br />
EuInsVO, weil diese seit der Übertragung der Geschäftsführung<br />
auf Q und A den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen<br />
Interessen (...) in L hatte. ...<br />
Das Gesellschaftsstatut der Schuldnerin richtet sich dagegen<br />
nach dem Gründungsstatut, also nach luxemburgischem<br />
Recht. Es ist infolge der Entscheidung des EuGH v.<br />
30.9.2003 – Rs. C-167/01, NJW 2003, 3331 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2003, 1260 m. Komm. W. Meilicke im Fall „Inspire Art“<br />
inzwischen Konsens in Deutschland, dass sich das Gesellschaftsstatut<br />
– jedenfalls solcher Gesellschaften, die in einem<br />
Mitgliedsstaat der Europäischen Union gegründet<br />
wurden – nicht nach dem Sitz, sondern nach dem Gründungsort<br />
richtet, weil nur so die europarechtlich verbürgte<br />
Niederlassungsfreiheit gewahrt werden kann (vgl. Thorn<br />
in Palandt, BGB, 69.Aufl. 2010, Anh. Art.12 Rz.6ff.,<br />
m.w.N.).<br />
b) <strong>Die</strong> Frage der Qualifikation der Regelungen über die<br />
Nachrangigkeit kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen,<br />
die sich bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung<br />
des <strong>GmbH</strong>-Rechts und der Bekämpfung von Missbräuchen<br />
(MoMiG) am 1.11.2008 in §§32a, 32b<br />
<strong>GmbH</strong>G, §39 Abs.1 Nr.5 InsO befanden und seitdem in<br />
§§39, 135 InsO finden, ist seit geraumer Zeit im Schrifttum<br />
umstritten; ober- oder höchstrichterliche Entscheidungen<br />
liegen hierzu bislang nicht vor.<br />
aa) Das AmtsG Hamburg (AmtsG Hamburg v.<br />
26.11.2008 – 67g IN 352/08, IPRax 2010, 253, dazu Behrens,<br />
IPRax 2010, 230ff.) hat für das neue ab November<br />
2008 geltende Recht entschieden, dass es sich bei dem Kapitalersatzrecht<br />
um Insolvenzrecht handelt, weil diese Bestimmungen<br />
nunmehr in der Insolvenzordnung stehen.<br />
<strong>Die</strong>se Begründung ist jedoch nicht tragfähig, denn schon
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 37<br />
zum früheren Recht bestand Einigkeit darüber, dass die<br />
Qualifikation einer Norm nicht entscheidend von dem Gesetz<br />
abhängt, in dem sie steht; maßgeblich ist vielmehr der<br />
materielle Gehalt der Bestimmung. Deshalb bleibt etwa<br />
§84 <strong>GmbH</strong>G eine strafrechtliche Bestimmung, obwohl sie<br />
in einem gesellschaftsrechtlichen Gesetz steht (vgl. Behrens,<br />
IPrax 2010, 230 [231]; Goette, ZIP 2006, 541 [546]).<br />
Es wäre auch nicht einleuchtend, eine Norm mit identischem<br />
Regelungsgehalt anders zu qualifizieren, nur weil<br />
der Gesetzgeber sie in ein anderes Gesetz „verschoben“<br />
hat.<br />
Der BGH hat die von ihm entwickelten Rspr.-Regeln dem<br />
Gesellschaftsstatut zugeordnet (BGH v. 25.6.2001 – II ZR<br />
38/99, NJW 2001, 3123 = <strong>GmbH</strong>R 2001, 771 m. Komm.<br />
Harnier). Demgegenüber wurden die Novellenregelungen<br />
der §§32a, 32b <strong>GmbH</strong>G aber eher insolvenzrechtlich verstanden:<br />
(„konkurs- und anfechtungsrechtrechtliche Lösung<br />
der Novelle“). In diesem Sinne versteht der Senat<br />
auch eine Stellungnahme von Goette, wonach zwischen<br />
den Rspr.-Regeln und den Novellenregeln durchaus Unterschiede<br />
bestehen, die eine unterschiedliche Qualifikation<br />
rechtfertigen könnten (Goette, ZIP 2006, 541 [546]).<br />
bb) Ein Teil des Schrifttums (vgl. auch noch K.Schmidt<br />
in Scholz, <strong>GmbH</strong>G, 10.Aufl. 2006 §§32a, 32b Rz.8; Nerlich<br />
in Nerlich/Römermann, InsO, Art.4 EuInsVO Rz.45;<br />
Haß/Herweg in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff, EuInsVO,<br />
2005, Art.4 Rz.41; Geyrhalter/Gänßler, NZG 2003, 409<br />
[411f.]; Borges, ZIP 2004, 733 [743]) versteht das Kapitalerhaltungsrecht<br />
als Gesellschaftsrecht. Das wesentliche<br />
Argument hierfür ist, dass Anknüpfungspunkt die sich aus<br />
der Gesellschafterstellung ergebende Finanzierungsverantwortung<br />
sei (Müller, NZG 2003, 415 [417]; Zimmer, NJW<br />
2003, 3585 [3589]; Riedemann, <strong>GmbH</strong>R 2004, 345 [349];<br />
Behrens, IPrax 2010, 230 [231]).<br />
cc) Nach a.A. (vgl. auch noch Stodolkowitz/Bergmann in<br />
Münch.Komm.InsO, 2.Aufl. 2008, §135 Rz.5; Huber in<br />
Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland,<br />
2005, S.131 [172ff.]; Haas, NZI 2002, 457 [466]) handelt<br />
es sich dagegen bei den Regelungen über die Nachrangigkeit<br />
kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz<br />
um Insolvenzrecht. Anders als die Rspr.-Regeln<br />
knüpften die §§32a, 32b <strong>GmbH</strong>G nicht an eine bestimmte<br />
Mindestkapitalausstattung der Gesellschaft an und seien<br />
deshalb rechtsformunabhängig (Fischer, ZIP 2004, 1476<br />
[1480]). Das Kapitalersatzrecht der Novellenregeln werde<br />
auch – anders als die Rspr.-Regeln – erst und ausschließlich<br />
in der Insolvenz bedeutsam (Ulmer, NJW 2004, 1201<br />
[1207]). Außerdem gehe es beim Eigenkapitalersatzrecht<br />
nur um die Bestimmung des Rangs in der Insolvenz und<br />
dafür sehe Art.4 Abs.2 lit.i) EuInsVO gerade die Geltung<br />
des Insolvenzstatuts vor (Paulus, ZIP 2002, 729 [734]).<br />
dd) <strong>Die</strong> insolvenzrechtliche Qualifikation der Bestimmungen<br />
über eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen<br />
entspricht auch der Auffassung, von der der Gesetzgeber<br />
des MoMiG ausgegangen ist:<br />
„<strong>Die</strong> Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen werden in das<br />
Insolvenzrecht verlagert, wo sie systematisch hingehören.“ (BT-<br />
Drucks. 16/6140, S.101)<br />
ee) Der Senat teilt diese Ansicht – und zwar auch für die<br />
Zeit vor dem Inkrafttreten des MoMiG. §39 Abs.1 Nr.5<br />
InsO a.F. ist – ebenso wie §39 Abs.1 Nr.5 InsO n.F. –<br />
schon wegen der darin angeordneten Rechtsfolge der<br />
Nachrangigkeit von (kapitalersetzenden) Gesellschafterdarlehen<br />
im Insolvenzrecht. Es handelt sich hierbei um<br />
eine ureigene insolvenzrechtliche Materie, deren rechtli-<br />
Gesellschaftsrecht<br />
che Charakterisierung durch die Anknüpfung einzelner<br />
tatbestandlicher Voraussetzungen an Normen und Erkenntnisse<br />
des Gesellschaftsrechts nicht beeinflusst wird.<br />
Gleiches ergibt sich aus Art.4 Abs.2 lit.i) EuInsVO, in<br />
dem ausdrücklich geregelt wird, dass u.a. für den Rang<br />
der Forderungen das Recht des Insolvenzstaats maßgeblich<br />
ist. Dasselbe gilt aber auch für das Kapitalersatzrecht<br />
der §§32a, 32b <strong>GmbH</strong>G a.F. Sowohl §32a <strong>GmbH</strong>G als<br />
auch §32b <strong>GmbH</strong>G kommen überhaupt nur in der Insolvenz<br />
der Gesellschaft zum Tragen, nicht dagegen im Vorfeld<br />
einer Insolvenz und auch nicht, wenn eine Insolvenzeröffnung<br />
mangels Masse unterbleibt. Aus den Regelungen<br />
ergibt sich auch nicht etwa eine Verpflichtung, die Gesellschaft<br />
mit einem bestimmten Mindestkapital auszustatten.<br />
Es bleibt den Gesellschaftern vielmehr unbenommen,<br />
eine materiell unterkapitalisierte Gesellschaft zu gründen<br />
und fortzuführen.<br />
Des Weiteren sind die Kapitalersatzregeln rechtsformunabhängig.<br />
Gesetzliche Regelungen gab es in §§32a, 32b<br />
<strong>GmbH</strong>G für die <strong>GmbH</strong> und in §129a HGB für Personenhandelsgesellschaften.<br />
Entsprechende Anwendung fanden<br />
diese Bestimmungen aber auch auf die AG (BGH v.<br />
9.5.2005 – II ZR 66/03, NZG 2005, 712 [713]; v.<br />
26.4.2010 – II ZR 60/09, NZG 2010, 905).<br />
<strong>Die</strong> Regelungen knüpfen auch nicht an eine bestimmte<br />
– rechtsformspezifische – Mindestkapitalausstattung an,<br />
sondern an die Diskrepanz zwischen Kapitalbedarf und<br />
der Möglichkeit der Kapitalbeschaffung auf dem Kapitalmarkt<br />
ausgedrückt durch den nicht gesellschaftsrechtlich<br />
belegten Begriff der Krise. <strong>Die</strong> Krise, die nichts anderes<br />
ist als die Gefahr einer Insolvenz, soll nicht durch die Zurverfügungstellung<br />
von Fremdkapital künstlich verlängert<br />
werden, was für Drittgläubiger die Gefahr mit sich bringt,<br />
im Falle einer späteren Insolvenz mit ihren Forderungen<br />
jedenfalls in einem höheren Maße auszufallen als bei einer<br />
früheren Insolvenzantragstellung. <strong>Die</strong> Fortführung einer<br />
krisenbehafteten Gesellschaft ist für die anderen Teilnehmer<br />
am Rechtsverkehr mit besonderen Risiken verbunden,<br />
denn im Zweifel steigt mit zunehmender Dauer der<br />
Krise die Zahl der Gesellschaftsgläubiger, während das<br />
Gesellschaftsvermögen abnimmt, so dass die Insolvenzquote<br />
entsprechend sinkt. <strong>Die</strong> Anknüpfung an die Krisensituation<br />
der Gesellschaft wird auch dadurch deutlich,<br />
dass mit Überwindung der Krise die Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln<br />
entfällt, selbst wenn es dann später<br />
doch noch – aufgrund einer neuen Krise – zu einer Insolvenz<br />
der Gesellschaft kommt. Auch das Sanierungsprivileg<br />
des §32a Abs.3 S.3 <strong>GmbH</strong>G a.F. bzw. §39 Abs.4 S.2<br />
InsO n.F. unterstreicht die spezifisch insolvenzrechtliche<br />
Bedeutung dieser Norm. Hierdurch soll eine Sanierung<br />
zur Vermeidung einer Insolvenz erleichtert werden.<br />
Schutzzweck der Regelung ist schließlich nicht die Erhaltung<br />
des Kapitals der Gesellschaft, damit diese damit arbeiten<br />
kann, sondern die Erhaltung einer möglichst umfangreichen<br />
Insolvenzmasse für die Fremdgläubiger der<br />
Gesellschaft. Regelungen, die der Erhaltung und Mehrung<br />
der Insolvenzmasse dienen, sind aber spezifisch insolvenzrechtlicher<br />
Natur wie sich aus Art.4 Abs.2 lit.i) und m)<br />
EuInsVO ergibt.<br />
ff) <strong>Die</strong> Anwendung deutschen Kapitalersatzrechts auf Auslandsgesellschaften<br />
verstößt entgegen der von der Kl.in im<br />
Anschluss an entsprechende Stellungnahmen im Schrifttum<br />
(z.B. Borges, ZIP 2004, 733 [743]; Riedemann, <strong>GmbH</strong>R<br />
2004, 345 [349]) auch nicht gegen die Niederlassungsfreiheit<br />
(Art.49 AEUV). Geht man nämlich von der insolvenz-
38<br />
rechtlichen Qualifikation der Kapitalersatzregeln aus, ergibt<br />
sich deren Anwendung auf ausländische Gesellschaften im<br />
Rahmen einer Inlandsinsolvenz ohne weiteres bereits aus<br />
europäischem Recht (Art.4 EuInsVO). <strong>Die</strong> Frage, ob diese<br />
Qualifikation zutreffend ist, betrifft aber nicht die Niederlassungsfreiheit.<br />
<strong>Die</strong>se kann deshalb auch kein Grund dafür<br />
sein, die Frage der gesellschafts- oder insolvenzrechtlichen<br />
Qualifikation abweichend zu beurteilen.<br />
2. Umqualifizierung der Darlehen in Kapitalersatz<br />
<strong>Die</strong> der Schuldnerin von der Kl.in zur Verfügung gestellten<br />
Darlehen erfüllen auch die Voraussetzungen des Eigenkapitalersatzes<br />
i.S.d. §§32a <strong>GmbH</strong>Ga.F., 39 Abs.1<br />
Nr.5 InsO a.F., die auf die Insolvenz der Schuldnerin gemäß<br />
§106d EGInsO Anwendung finden. <strong>Die</strong>s gilt jedenfalls<br />
für die Zeit ab dem 1.1.2008, so dass es nicht darauf<br />
ankommt, ob diese Darlehen der Schuldnerin bereits in einer<br />
Krisensituation zur Verfügung gestellt worden sind.<br />
a) <strong>Die</strong> Darlehen waren nach der vertraglichen Vereinbarung<br />
sämtlich zum Ende des Jahres 2007 fällig bzw. hätten<br />
durch Kündigung fällig gestellt werden können. Es ist offensichtlich,<br />
dass die Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt nicht<br />
(mehr) in der Lage gewesen wäre, die Darlehen zurückzuführen.<br />
Über eigenes liquides Vermögen in dieser Größenordnung<br />
verfügte sie nicht. Es kann aus folgenden Gründen<br />
auch als ausgeschlossen angesehen werden, dass die<br />
Schuldnerin in der Lage gewesen wäre, sich das zur Rückzahlung<br />
der Darlehen erforderliche Kapital zu marktüblichen<br />
Konditionen auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen:<br />
<strong>Die</strong> Schuldnerin war überschuldet. Der Insolvenzverwalter<br />
kommt in seinem Bericht für die Gläubigerversammlung<br />
v. 23.5.2008 (...) per 3.3.2008 zu einem Fortführungswert<br />
des Unternehmens i.H.v. ca. 81Mio. . (...), dem Verbindlichkeiten<br />
gegenüber Drittgläubigern i.H.v. ca. 84Mio. .<br />
und gegenüber Gesellschaftern i.H.v. über 113Mio. . gegenüberstehen<br />
(...). Dafür, dass die wirtschaftliche Situation<br />
der Schuldnerin drei Monate davor wesentlich anders<br />
gewesen sein könnte, bestehen keine Anhaltspunkte; angesichts<br />
des Umfangs allein der Gesellschafterdarlehen erscheint<br />
dies auch fernliegend.<br />
Eine Rückführung der Darlehen der Schuldnerin gegenüber<br />
der Kl.in durch Aufnahme entsprechender Darlehen<br />
auf dem Kapitalmarkt hätte bedeutet, dass zusätzlich zu<br />
dem von der Unternehmensberatung ... ermittelten Kapitalbedarf<br />
von 320Mio. . ein weiterer Kapitalbedarf von<br />
ca. 80Mio. . entstanden wäre, so dass insgesamt<br />
400Mio. . zu finanzieren gewesen wären. Auf dem Kapitalmarkt<br />
wäre ein solche Betrag bei der Situation der<br />
Schuldnerin, die bislang nur hohe Verluste erwirtschaftet<br />
hatte und deren Geschäftsmodell wegen der Einführung<br />
des Mindestlohns mit zusätzlichen Risiken behaftet war,<br />
allenfalls gegen Stellung entsprechend werthaltiger Sicherheiten<br />
zu erlangen gewesen. Über derartige Sicherheiten<br />
verfügte die Schuldnerin aber nicht.<br />
Dementsprechend hatten die Gesellschafter auch bereits<br />
hinsichtlich des erforderlichen weiteren Kapitals von<br />
320Mio. . nur eine Finanzierung durch weitere Darlehen<br />
der Kl.in, die dazu allerdings nicht bereit war, nicht aber<br />
über den Kapitalmarkt in Erwägung gezogen (...).<br />
Für die krisenhafte Zuspitzung der Situation spricht auch<br />
der Umstand, dass die Geschäftsführung der Schuldnerin<br />
im Dezember 2007 ausgewechselt wurde. Mit Rechtsanwalt<br />
Q trat gerade ein ausgewiesener Sanierungs- und Insolvenzrechtsexperte<br />
in die Geschäftsführung ein.<br />
Rechtsprechung<br />
Gesellschaftsrecht<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
Schließlich stand der Kl.in das hohe Insolvenzrisiko der<br />
Schuldnerin Ende 2007 auch klar vor Augen. <strong>Die</strong>s ergibt<br />
sich ohne weiteres daraus, dass in die jeweils nur vierzehntägige<br />
Stundung der Vorbehalt aufgenommen wurde,<br />
dass die Stundung unwirksam wird, wenn vor Ablauf der<br />
Frist Insolvenz angemeldet wird. <strong>Die</strong>s zeigt, dass auch die<br />
Kl.in ernsthaft mit einer kurzfristigen – innerhalb von Tagen<br />
– Insolvenzanmeldung gerechnet hat.<br />
b) Entgegen der von der Kl.in zuletzt noch vertretenen<br />
Auffassung kann auch nicht davon ausgegangen werden,<br />
dass die Eigenkapitalersatzregeln deshalb keine Anwendung<br />
finden, weil es sich beim Stehenlassen der Darlehen<br />
Anfang 2008 um eine kurzfristige Überbrückungsfinanzierung<br />
gehandelt habe. Das war nämlich nicht der Fall. Von<br />
einer kurzfristigen Überbrückungsfinanzierung, auf die<br />
die Eigenkapitalersatzregeln keine Anwendung finden, ist<br />
nach der Rspr. des BGH nur ganz ausnahmsweise auszugehen.<br />
Voraussetzung dafür ist, dass das Kapital für nicht<br />
länger als drei Wochen zur Verfügung gestellt wird und<br />
objektiv mit der Rückführung gerechnet werden kann<br />
(BGH v. 26.4.2010 – II ZR 60/09, NZG 2010, 905, Rz.17,<br />
m.w.N.). Beides ist hier aber nicht der Fall gewesen. [wird<br />
ausgeführt]<br />
3. Keine Feststellung als nachrangige Forderungen<br />
Ein Anspruch auf Feststellung der Forderungen als nachrangige<br />
Forderungen besteht zumindest so lange nicht,<br />
wie es noch nicht zu einer Aufforderung des Gerichts zur<br />
Anmeldung nachrangiger Forderungen gekommen ist<br />
(§174 Abs.3 InsO).<br />
III. ... IV. Zulassung der Revision<br />
<strong>Die</strong> Voraussetzungen, unter denen die Revision gemäß<br />
§543 Abs.2 ZPO zuzulassen ist, liegen vor. <strong>Die</strong> im<br />
Schrifttum umstrittene Frage der gesellschafts- oder insolvenzrechtlichen<br />
Qualifikation der Eigenkapitalersatzregeln<br />
ist weder für das frühere Recht noch für das neue<br />
Recht bislang höchstrichterlich geklärt. Ein Klärungsbedarf<br />
besteht aber für eine Vielzahl von Fällen, weil aufgrund<br />
der Rspr. des EuGH zur Fortgeltung des Gründungsstatuts<br />
bei Sitzverlegung innerhalb der Europäischen<br />
Union zunehmend in Deutschland mit Insolvenzverfahren<br />
gegen Gesellschaften mit ausländischer Rechtsform gerechnet<br />
werden muss. ...<br />
Anm. der Redaktion: <strong>Die</strong> Revision ist beim BGH anhängig<br />
unter dem Az. IX ZR 185/10.<br />
Liquidation: Bekanntmachung des Schlusses der<br />
Liquidation auch in den Publikationsorganen<br />
gemäß Gesellschaftsvertrag<br />
<strong>GmbH</strong>G §12<br />
1. <strong>Die</strong> Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger<br />
ersetzt nicht die Bekanntmachung durch andere Medien,<br />
wenn diese in der Satzung der Gesellschaft vorgesehen ist.<br />
2. §12 S.3 <strong>GmbH</strong>G beinhaltet lediglich eine Klarstellung<br />
dahingehend, dass die Bekanntmachung im elektronischen<br />
Bundesanzeiger vorzunehmen ist, wenn die Gesellschaft in<br />
ihrer Satzung eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger vorsieht.<br />
OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.11.2010 – 8 W 444/10<br />
(rechtskräftig)
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 39<br />
n Aus den Gründen:<br />
I.<br />
Nach Beendigung der Liquidation der ... <strong>GmbH</strong> meldete<br />
der Liquidator am 21.9.2010 diese zur Eintragung ins<br />
Handelsregister an. Mit Zwischenverfügung vom<br />
22.9.2010 machte die Rechtspflegerin beim AmtsG Ulm<br />
– RegG – folgende Beanstandungen:<br />
– Gemäß §18 des Gesellschaftsvertrags hat die Bekanntmachung<br />
zur Auflösung mit Gläubigeraufruf im Staatsanzeiger<br />
des Landes Baden-Württemberg zu erfolgen.<br />
Vorliegend erfolgte lediglich die nach §12 <strong>GmbH</strong>G erforderliche<br />
Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger.<br />
– Es fehlt der Nachweis, dass das nach §73 Abs.1<br />
<strong>GmbH</strong>G vorgesehene Sperrjahr eingehalten worden ist.<br />
<strong>Die</strong> Belege der Veröffentlichung im Staatsanzeiger sind<br />
nachzureichen.<br />
... <strong>Die</strong> Rechtspflegerin half der Beschwerde mit Beschl. v.<br />
7.10.2010 nicht ab und legte die Akten dem OLG Stuttgart<br />
zur Entscheidung vor.<br />
II.<br />
<strong>Die</strong> Beschwerde des Liquidators ... ist ... nicht begründet.<br />
Das RegG hat in zutreffender Anwendung von §12 S.2<br />
<strong>GmbH</strong>G beanstandet, dass die Bekanntmachung des<br />
Schlusses der Liquidation nach §74 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G nicht<br />
auch im Staatsanzeiger Baden-Württemberg erfolgt ist,<br />
obgleich der Gesellschaftsvertrag der ... <strong>GmbH</strong> v.<br />
18.11.1993 dies in seinem §18 vorsieht.<br />
Der Ansicht des Beschwerdeführers, nach der Neufassung<br />
von §12 <strong>GmbH</strong>G mit Wirkung ab 1.4.2005 ersetze die Bekanntmachung<br />
im elektronischen Bundesanzeiger die Bekanntmachung<br />
durch alle anderen Medien, kann nicht gefolgt<br />
werden. Der Senat folgt der in der Literatur ganz<br />
h.M. (Bayer in Lutter/Hommelhoff, <strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl.,<br />
§12Rz.7; Rühland in Michalski, 2.Aufl., §12 Rz.12; Wicke,<br />
<strong>GmbH</strong>G, §12 Rz.4), wonach aus Gründen des Schutzes<br />
des Rechtsverkehrs die Bekanntmachung außer im<br />
elektronischen Bundesanzeiger auch in den Publikationsorganen<br />
zu erfolgen hat, welche in der Satzung der Gesellschaft<br />
bestimmt wurden. §12 S.3 <strong>GmbH</strong>G beinhaltet lediglich<br />
eine Klarstellung dahingehend, dass wenn die Gesellschaft<br />
in ihrer Satzung eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger<br />
vorsieht, die Bekanntmachung im elektronischen<br />
Bundesanzeiger vorzunehmen ist. Eine gegenteilige<br />
Auffassung ist auch im Gesetzgebungsverfahren des Justizkommunikationsgesetzes<br />
nicht geäußert worden. <strong>Die</strong><br />
vom Beschwerdeführer herangezogene Stelle in BT-<br />
Drucks. 15/4067, S.56 betrifft die Frage, wie zu verfahren<br />
ist, wenn die Satzung der Gesellschaft den Bundesanzeiger<br />
als Veröffentlichungsblatt bestimmt. Dann gilt, dass<br />
die Bekanntmachungen der Gesellschaft zwingend im<br />
elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen sind<br />
und nicht in dessen in gedruckter Form (LG Darmstadt v.<br />
7.12.2005 – 18 T 28/05, NotBZ 2006, 63). So liegen die<br />
Verhältnisse im vorliegenden Fall jedoch nicht. <strong>Die</strong> Möglichkeit,<br />
dass die Satzung ein anderes (weiteres) Veröffentlichungsmedium<br />
vorsieht und dem ebenfalls zu folgen<br />
ist, wird ausdrücklich nicht ausgeschlossen.<br />
<strong>Die</strong> Beschwerde war demgemäß aus den zutreffenden<br />
Gründen der angefochtenen Entscheidung in Verbindung<br />
mit dem Nichtabhilfebeschluss als unbegründet zurückzuweisen.<br />
...<br />
Gesellschaftsrecht<br />
<strong>Die</strong> Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde<br />
gemäß §§70ff. FamFG liegen nicht vor.<br />
Liquidation: Keine notwendige Eintragung eines<br />
Nachtragsliquidators bei nur einzelnen Abwicklungsmaßnahmen<br />
<strong>GmbH</strong>G §66 Abs.5<br />
Das Registergericht kann in Ausübung seines pflichtgemäßen<br />
Ermessens von der Eintragung des von ihm bestellten<br />
(Nachtrags-)Liquidators einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten<br />
Gesellschaft in das Handelsregister absehen, wenn<br />
die zu erwartende Abwicklungstätigkeit im Hinblick auf deren<br />
Inhalt und Umfang eine solche nicht erfordert (Ergänzung<br />
zu OLG München v. 7.5.2008 – 31 Wx 28/08, <strong>GmbH</strong>R<br />
2008, 821).<br />
OLG München, Beschl. v. 21.10.2010 – 31 Wx 127/10<br />
(rechtskräftig)<br />
n Aus den Gründen:<br />
I.<br />
<strong>Die</strong> Beteiligte (<strong>GmbH</strong>) wurde mit Vfg. v. 2.2.2009, eingetragen<br />
im Handelsregister am 19.2.2009, aufgrund Vermögenslosigkeit<br />
von Amts wegen gelöscht. Mit Schreiben v.<br />
28.12.2009 beantragte der alleinige Gesellschafter unter<br />
Vorlage der Einverständniserklärung des B diesen zum Liquidator<br />
zu bestellen. <strong>Die</strong> Gesellschaft habe derzeit noch<br />
Vermögen in Form eines Bankkontos mit einem Guthaben<br />
i.H.v. derzeit (24.11.2009) 7.625,97 .. Des Weiteren habe<br />
die Gesellschaft im Jahr 2008 einen Pkw käuflich erworben;<br />
die Verbindlichkeiten aus dem ratenweise zu zahlenden<br />
Kaufvertrag i.H.v. 355,78 . monatlich würden aus der<br />
wirtschaftlichen Aktivität der Gesellschaft bedient. Darüber<br />
hinaus sei die Gesellschaft aus zwei Leasingverträgen<br />
verpflichtet, deren Verbindlichkeiten im Jahre 2008, 2009<br />
bedient worden seien.<br />
Mit Beschl. v. 21.5.2010 wurde – wie beantragt – B als<br />
Nachtragsliquidator der am 19.2.2009 gelöschten Firma<br />
bestimmt. Von einer Eintragung im Handelsregister hat<br />
das RegG abgesehen [AmtsG München 21.5.2010 – HRB<br />
74499 (Fall 9)]. Hiergegen richtet sich die Beschwerde<br />
der Beteiligten. Nach ihrer Auffassung ist eine solche Eintragung<br />
erforderlich, da die Gesellschaft noch über Vermögen<br />
verfüge und sie zudem noch werblich tätig sei, insbesondere<br />
müssten laufend Steuererklärungen gegenüber<br />
den Finanzbehörden abgegeben werden. Das RegG hat<br />
mit Beschl. v. 22.6.2010 der Beschwerde nicht abgeholfen<br />
und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.<br />
II.<br />
1. <strong>Die</strong> Beschwerde ist ... nicht begründet.<br />
Ein Nachtragsliquidator ist grundsätzlich von Amts wegen<br />
in das Handelsregister einzutragen (vgl. §67 <strong>GmbH</strong>G), es<br />
sei denn, die Nachtragsliquidation beschränkt sich auf einzelne<br />
genau zu bezeichnende Rechtshandlungen (Krafka/<br />
Willer/Kühn, Registerrecht, 8.Aufl., Rz.1153; Haas in<br />
Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §66 Rz.38). Soweit<br />
nur einzelne Abwicklungsmaßnahmen erforderlich<br />
sind, kann nach pflichtgemäßen Ermessen des Registergerichts<br />
die Wiedereintragung der Gesellschaft und die Eintragung<br />
der Liquidatoren im Handelsregister unterbleiben
40<br />
(Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8.Aufl., Rz.1153;<br />
Krafka in Münch.Komm.ZPO, 2010, §375 FamFG<br />
Rz.39), da der Vertretungsnachweis durch die Ausfertigung<br />
des (Bestellungs-)Beschlusses geführt werden kann,<br />
auf dessen Wirksamkeit Dritte gemäß §47 FamFG vertrauen<br />
dürfen (Keidel/Heinemann, FamFG, §375 Rz.63;<br />
Krafka in Münch.Komm.ZPO, 2010, §375 FamFG<br />
Rz.39).<br />
Letzteres ist hier der Fall. <strong>Die</strong> vom Liquidator vorliegend<br />
durchzuführenden Abwicklungsmaßnahmen betreffen lediglich<br />
das noch bestehende Konto der <strong>GmbH</strong>, drei abgeschlossene<br />
Verträge sowie die Abgabe von (noch) anfallenden<br />
Steuererklärungen gegenüber dem Finanzamt. Der<br />
dabei zu erwartende Umfang der (Abwicklungs-)Tätigkeiten<br />
gebietet daher weder im Hinblick auf den Inhalt der<br />
abzuwickelnden Geschäfts- bzw. Behördenbeziehungen<br />
noch im Hinblick auf deren Anzahl die Eintragung des Liquidators<br />
im Handelsregister. Vielmehr kann sein Vertretungsnachweis<br />
bei solch einem überschaubaren Tätigkeitsbereich<br />
allein durch Vorlage einer Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses<br />
geführt werden.<br />
Unmaßgeblich ist hingegen, dass die Gesellschaft werbend<br />
tätig ist. Denn hierauf erstreckt sich der Aufgabenbereich<br />
des Liquidators von vornherein nicht, es sei denn,<br />
dass die neuen Geschäfte der Beendigung schwebender<br />
Geschäfte dienen (vgl. §70 S.2 <strong>GmbH</strong>G). Für diesen<br />
Zweck ist aber angesichts der hier zu beendenden Rechtsbeziehungen<br />
als Vertretungsnachweis die Vorlage des Bestellungsbeschlusses<br />
ausreichend.<br />
2. ... 3. <strong>Die</strong> Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil<br />
die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§70<br />
FamFG).<br />
Rechtsprechung<br />
Steuerrecht<br />
Organschaft: Kein ordnungsgemäß durchgeführter<br />
Ergebnisabführungsvertrag bei „vergessener“<br />
Verrechnung mit vororganschaftlichen Verlusten<br />
KStG 1998 §14 Nr.4 S.2; AktG §301 S.1<br />
Ein Ergebnisabführungsvertrag ist nicht tatsächlich durchgeführt,<br />
wenn der Jahresüberschuss der Organgesellschaft<br />
nicht mit einem vororganschaftlichen Verlustvortrag verrechnet,<br />
sondern an den Organträger abgeführt wird.<br />
BFH, Urt. v. 21.10.2010 – IV R 21/07<br />
n Aus den Gründen:<br />
I.<br />
[1] <strong>Die</strong> Klägerin (Kl.in), eine KG, war im Streitjahr 1998<br />
u.a. an der U-<strong>GmbH</strong> und der B-<strong>GmbH</strong> beteiligt. Mit beiden<br />
Gesellschaften hatte die Kl.in als Organträgerin einen<br />
Ergebnisabführungsvertrag (EAV) geschlossen.<br />
[2] U-<strong>GmbH</strong><br />
[3] Der EAV mit der U-<strong>GmbH</strong> datiert v. 16.12.1998. Unter<br />
diesem Datum wurde zunächst das Stammkapital der<br />
U-<strong>GmbH</strong>, das bis auf 500DM von der Kl.in gehalten wurde,<br />
auf 14Mio.DM erhöht. Zugleich kam es zum Ab-<br />
Rechtsprechung<br />
Gesellschaftsrecht<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
schluss des EAV, der rückwirkend zum 1.1.1998 Geltung<br />
haben sollte und im Januar 1999 ins Handelsregister eingetragen<br />
wurde. In §2 des Vertrags, der Regelungen zur<br />
Gewinnabführung enthält, heißt es: „Abzuführen ist – vorbehaltlich<br />
der Bildung oder Auflösung von Rücklagen<br />
nach Abs.2 – der ohne die Gewinnabführung entstehende<br />
Jahresüberschuss, vermindert um einen etwaigen Verlustvortrag<br />
aus dem Vorjahr.“<br />
[4] Zum 1.1.1998 wies die Bilanz der U-<strong>GmbH</strong> einen<br />
Verlustvortrag von 5.567.000DM aus. Im Jahr 1998 erwirtschaftete<br />
die U-<strong>GmbH</strong> einen weiteren Verlust von<br />
2.615.000DM.<br />
[5] Im Jahr 1999 erzielte die U-<strong>GmbH</strong> einen Gewinn von<br />
2.756.632DM. In der Gewinn- und Verlustrechnung des<br />
am 12.5.2000 unterzeichneten Jahresabschlusses 1999<br />
wies die U-<strong>GmbH</strong> aber ein Ergebnis von 0DM aus, weil<br />
aufgrund des Gewinnabführungsvertrags mit der Kl.in ein<br />
Betrag von 2.756.632DM „abgeführt“ worden sei. Der<br />
Betrag war dem Verrechnungskonto der Kl.in bei der<br />
U-<strong>GmbH</strong> gutgeschrieben worden, das auch nach der Gutschrift<br />
noch immer einen Sollsaldo von 1.841.695,57DM<br />
auswies. <strong>Die</strong>ser war in der Bilanz der U-<strong>GmbH</strong> als Forderung<br />
aktiviert.<br />
[6] Durch Vertrag v. 22.8.2000 veräußerte die Kl.in mit<br />
Wirkung zum 1.1.2000 Anteile am Stammkapital der<br />
U-<strong>GmbH</strong> im Nennwert von 6.999.500DM an die<br />
W-<strong>GmbH</strong>. Der Vertrag sah vor, dass Gewinne des Jahres<br />
1999 und etwaige noch nicht ausgeschüttete Gewinne früherer<br />
Jahre der Kl.in zustehen sollten.<br />
[7] Mit demselben Vertrag v. 22.8.2000 wurde die<br />
U-<strong>GmbH</strong> rückwirkend auf den 1.1.2000 in eine <strong>GmbH</strong> &<br />
Co. KG (U-KG) umgewandelt. <strong>Die</strong> Kl.in und die<br />
W-<strong>GmbH</strong> übernahmen Kommanditeinlagen i.H.v. je<br />
4 Mio.DM durch Verrechnung mit dem Eigenkapital der<br />
U-<strong>GmbH</strong> auf den 31.12.1999.<br />
[8] In einer Gesellschafterversammlung der U-KG v.<br />
25.8.2000 wurde der Jahresabschluss 1999 i.d.F. v.<br />
12.5.2000 festgestellt; die Kl.in übernahm das Jahresergebnis.<br />
Am 30.8.2000 wurde der EAV zwischen der Kl.in<br />
und der U-KG gekündigt (Eintragung im Handelsregister<br />
am 12.9.2000).<br />
[9] Am 27.8.2001 kam es zu einer Gesellschafterversammlung<br />
der U-KG. In dem Protokoll dazu heißt es:<br />
[10] „Im Frühjahr 2000 ist der gesamte im Geschäftsjahr 1999 bei<br />
der U-<strong>GmbH</strong> angefallene Gewinn an die damalige Alleingesellschafterin<br />
[Kl.in] ausgeschüttet worden. Zu diesem Zeitpunkt<br />
stand bereits fest, dass die [Kl.in] 50% der Anteile an<br />
der U-<strong>GmbH</strong> an die W-<strong>GmbH</strong> veräußern würde und im Zusammenhang<br />
mit der Veräußerung die U-<strong>GmbH</strong> mit wirtschaftlicher<br />
Rückwirkung zum 1.1.2000 in eine KG unter der<br />
Firma U-KG mit einem im Verhältnis zur U-<strong>GmbH</strong> um 6<br />
Mio.DM reduzierten Gesellschaftskapital (Kommanditkapital)<br />
umgewandelt werden würde. Im Unternehmenskaufvertrag<br />
ist zwischen der [Kl.in] und der W-<strong>GmbH</strong> vereinbart<br />
worden, dass der Gewinn für das Geschäftsjahr 1999 im Innenverhältnis<br />
allein der [Kl.in] zusteht ...<br />
[11] Für den Fall, dass die [Kl.in] verpflichtet gewesen sein sollte,<br />
den an sie ausgeschütteten Gewinn der U-<strong>GmbH</strong> zurückzuzahlen,<br />
ist dieser etwaige Anspruch durch den auf den<br />
1.1.2000 rückwirkend erfolgten Formwechsel in eine KG unter<br />
gleichzeitiger Herabsetzung des Haftkapitals um<br />
6Mio.DM auf 8Mio.DM Festkommanditkapital und wegen<br />
der fristlosen Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags<br />
obsolet geworden.<br />
[12] Sollte dies nicht der Fall sein, sind sich sämtliche Gesellschafter<br />
der U-KG darüber einig, dass aufgrund der im Unterneh-
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 41<br />
menskaufvertrag getroffenen Vereinbarung, dass der Gewinn<br />
des Geschäftsjahres 1999 allein der [Kl.in] zusteht, ein eventuell<br />
von der [Kl.in] zurückgezahlter Betrag anschließend sofort<br />
an die [Kl.in] von der U-KG zurückzuzahlen ist.<br />
[13] <strong>Die</strong> Gesellschafter stellen fest, dass demgemäß einer etwa bestehenden<br />
Forderung der U-KG auf Rückzahlung des im Jahre<br />
2000 ... ausgezahlten Gewinns ... der Anspruch der [Kl.in]<br />
auf diesen Gewinn aus dem Unternehmenskaufvertrag entgegensteht.<br />
Sie beschließen daher, dass ein evtl. Rückzahlungsanspruch<br />
... nicht geltend gemacht wird ...“<br />
[14] Nach einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung,<br />
die Organschaft sei wegen einer dem EAV widersprechenden<br />
Ergebnisverwendung nicht durchgeführt worden<br />
und deshalb nicht anzuerkennen. Daraufhin legten die<br />
steuerlichen Berater der U-KG eine berichtigte Bilanz auf<br />
den 31.12.1999 vor und nahmen dazu Bezug auf das Protokoll<br />
einer Gesellschafterversammlung der U-KG vom<br />
7.4.2004, in dem es heißt:<br />
[15] „Der Jahresabschluss der U-KG, vormals U-<strong>GmbH</strong>, für das<br />
Geschäftsjahr 1999 wird hiermit gem. AnlageA1 dahingehend<br />
berichtigt, dass der Jahresüberschuss i.H.v.<br />
2.756.632,33DM mit dem bestehenden Verlustvortrag zum<br />
1.1.1999 i.H.v. 5.566.773,95DM verrechnet wird. Der verbleibende<br />
Verlust von 2.810.141,62DM wird auf neue Rechnung<br />
vorgetragen. Der Gesellschafterbeschluss v. 27.8.2001<br />
wird durch die vorgenannten Beschlüsse nicht berührt, sondern<br />
bleibt inhaltlich vollständig bestehen und wird hiermit<br />
bestätigt.“<br />
[16] In der berichtigten Bilanz werden eine (weitere) Forderung<br />
i.H.v. 2.756.632,33DM und ein gleich hoher Jahresüberschuss<br />
ausgewiesen.<br />
[17] Das FA folgte gleichwohl der Auffassung des Prüfers<br />
und erließ geänderte Körperschaftsteuerbescheide 1998<br />
und 1999 für die U-<strong>GmbH</strong>, in denen die Organschaft nicht<br />
mehr berücksichtigt wurde. Eine nach erfolglosem Einspruchsverfahren<br />
zunächst erhobene Klage wurde später<br />
zurückgenommen.<br />
[18] Ebenfalls ergingen am 19.7.2004 geänderte Gewinnfeststellungsbescheide<br />
1998 und 1999 gegenüber der<br />
Kl.in, in denen das Organschaftsverhältnis nicht mehr berücksichtigt<br />
wurde.<br />
[19] B-<strong>GmbH</strong><br />
[20] Das Organschaftsverhältnis mit der B-<strong>GmbH</strong> ist<br />
demgegenüber unstreitig. Streit besteht über Wertberichtigungen<br />
auf Forderungen gegenüber der L-<strong>GmbH</strong> & Co.<br />
KG (L-KG), die die B-<strong>GmbH</strong> in ihrer Bilanz auf den<br />
31.12.1998 vorgenommen hat.<br />
[21] <strong>Die</strong> B-<strong>GmbH</strong> hatte für die L-KG Bauvorhaben<br />
durchgeführt, darunter die Bauvorhaben K, B, WM und<br />
WE. Im Jahr 1998 hatte die B-<strong>GmbH</strong> Restforderungen<br />
aus dem Projekt K i.H.v. 1.080.346,99DM brutto und aus<br />
dem Projekt B i.H.v. 860.569,45DM brutto eingeklagt.<br />
Wegen der Restforderungen aus den Bauvorhaben WM<br />
i.H.v. 828.128,22DM brutto und WE von<br />
2.141.814,41DM brutto waren im Jahr 1998 Beweissicherungsverfahren<br />
von der L-KG angestrengt worden. Alle<br />
Verfahren dauerten am 31.12.1998 noch an. <strong>Die</strong> L-KG<br />
hatte jeweils Abweisung der Klage beantragt und dies<br />
zum Teil mit Baumängeln, zum Teil aber auch mit der<br />
Aufrechnungsmöglichkeit aufgrund eigener Gegenansprüche<br />
begründet.<br />
[22] In ihrer Bilanz auf den 31.12.1997 hatte die B-<br />
<strong>GmbH</strong> bereits Wertberichtigungen auf die Forderungen<br />
aus dem Bauvorhaben K i.H.v. 147.000DM, dem Bauvorhaben<br />
B i.H.v. 85.000DM und dem Bauvorhaben WM<br />
Steuerrecht<br />
i.H.v. 310.000DM vorgenommen. <strong>Die</strong>se wurden in der Bilanz<br />
auf den 31.12.1998 beibehalten.<br />
[23] In einem Vergleich vom 11.12.2000, der auch noch<br />
andere Bauvorhaben betraf und an dem neben der B-<br />
<strong>GmbH</strong> auch die SF-<strong>GmbH</strong> beteiligt war, verpflichteten<br />
sich die Leistungsempfänger zur Zahlung eines Bruttobetrags<br />
von 2.600.000DM zur Abgeltung aller Ansprüche.<br />
B-<strong>GmbH</strong> und SF-<strong>GmbH</strong> vereinbarten anschließend, dass<br />
der B-<strong>GmbH</strong> davon 341.194,26DM zustehen sollten. <strong>Die</strong><br />
darüber hinausgehenden Beträge buchte die B-<strong>GmbH</strong> zum<br />
31.12.2000 aus.<br />
[24] Im Einspruchsverfahren gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid<br />
1998 v. 19.7.2004 beantragte<br />
die Kl.in erstmals, den Verlust aus der organschaftlich veranlassten<br />
Übernahme des Ergebnisses der B-<strong>GmbH</strong> um<br />
1.978.425,52DM zu erhöhen, weil die Forderungen der B-<br />
<strong>GmbH</strong> gegen die L-KG bereits zum 31.12.1998 um diesen<br />
Betrag hätten abgeschrieben werden müssen. Der Bilanzansatz<br />
der Forderungen sei nicht nur objektiv, sondern<br />
auch subjektiv falsch gewesen, weshalb es sich um eine<br />
Bilanzberichtigung und nicht nur um eine Bilanzänderung<br />
handele. Auf offene Forderungen i.H.v. 4.270.312,24DM<br />
seien im Jahr 2000 nur 296.690,97DM gezahlt worden.<br />
<strong>Die</strong>s sei ein Indiz dafür, dass zum 31.12.1998 eine weitere<br />
Wertberichtigung i.H.v. ca. 2Mio.DM hätte vorgenommen<br />
werden müssen.<br />
[25] Mit beiden Einwendungen gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid<br />
1998 v. 19.7.2004 hatte die<br />
Kl.in im Einspruchsverfahren keinen Erfolg.<br />
[26] Der dagegen erhobenen Klage gab das FG nur insoweit<br />
statt, als es weitere Verluste aus dem Organschaftsverhältnis<br />
mit der B-<strong>GmbH</strong> i.H.v. insgesamt<br />
1.334.195DM anerkannte. Darin enthalten ist eine Gewinnminderung<br />
i.H.v. 981.279DM aufgrund einer vom<br />
FG geschätzten Minderung des Teilwerts der Forderung<br />
aus dem Bauvorhaben WM. Hierzu hatte die Kl.in vor<br />
dem FG vorgetragen, es müsse eine noch weiter gehende<br />
Teilwertabschreibung auf 500.000DM vorgenommen werden.<br />
Denn die Anwälte, die die Chancen und Risiken eines<br />
Klageverfahrens gegen die L-KG untersucht hätten,<br />
wären mit einem Schreiben v. 8.2.1999 zu dem Ergebnis<br />
gekommen, dass für das Objekt WM höchstens<br />
500.000DM realisiert werden könnten. Das FG war diesem<br />
Vorbringen nicht gefolgt. In den Entscheidungsgründen<br />
seines Urteils führte es aus, die Anwälte hätten nur<br />
sehr grob geschätzt; die Kl.in habe keine Fakten vorgetragen,<br />
die eine Teilwertabschreibung auf 500.000DM belegten.<br />
Insbesondere aus dem späteren Vergleich könne kein<br />
Rückschluss gezogen werden. Stattdessen schätzte das FG<br />
griffweise einen auf 50% der Nettoforderung gesunkenen<br />
Teilwert von 1.291.279DM (FG Düsseldorf v. 27.3.2007 –<br />
3 K 4024/05F, EFG 2007, 1104). ...<br />
II.<br />
[31] <strong>Die</strong> Revision ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.<br />
1. ... 2. Keine tatsächliche Durchführung des EAV<br />
[33] Der Kl.in ist das Einkommen der U-<strong>GmbH</strong> im Streitjahr<br />
1998 nach §14 KStG in der für das Streitjahr geltenden<br />
Fassung (KStG 1998) nicht zuzurechnen.<br />
[34] a) Verpflichtet sich eine <strong>GmbH</strong> durch einen Gewinnabführungsvertrag<br />
i.S.d. §291 Abs.1 AktG, ihren
42<br />
ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen<br />
abzuführen, so ist das Einkommen der <strong>GmbH</strong><br />
(Organgesellschaft) dem Träger des Unternehmens (Organträger)<br />
nach §14 i.V.m. §17 KStG 1998 zuzurechnen,<br />
wenn die Voraussetzungen des §14 Nr.1 bis 5 KStG 1998<br />
erfüllt sind.<br />
[35] Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht sämtlich<br />
erfüllt. Es fehlt, wie das FG zutreffend entschieden<br />
hat, an einer Durchführung des EAV i.S.d. §14 Nr.4 S.2<br />
KStG 1998. Nach dieser Regelung muss der EAV während<br />
seiner ganzen Geltungsdauer von mindestens fünf<br />
Jahren tatsächlich durchgeführt werden. Wird er in einem<br />
dieser Jahre nicht tatsächlich durchgeführt, fehlt es damit<br />
ggf. auch rückwirkend von Anfang an an den Voraussetzungen<br />
für eine Zurechnung des Einkommens beim Organträger.<br />
[36] Tatsächlich durchgeführt wird ein EAV i.S.d. §14<br />
Nr.4 S.2 KStG 1998, wenn er entsprechend den vertraglichen<br />
Vereinbarungen vollzogen wird, also die nach den<br />
Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten<br />
Gewinne tatsächlich vertragsgemäß an den Organträger<br />
abgeführt werden (BFH v. 5.4.1995 – I R 156/93, BFHE<br />
177, 429 = <strong>GmbH</strong>R 1995, 602). Der tatsächlichen Durchführung<br />
steht dabei nicht entgegen, wenn Meinungsverschiedenheiten<br />
zwischen der Finanzverwaltung und dem<br />
Unternehmen über den Ansatz oder die Bewertung von<br />
Bilanzposten entstehen und es später zu Mehrergebnissen<br />
aufgrund einer Betriebsprüfung kommt (BFH v. 5.4.1995<br />
– I R 156/93, BFHE 177, 429 = <strong>GmbH</strong>R 1995, 602).<br />
[37] Nicht als vertragsgemäße Abführung kann es aber<br />
angesehen werden, wenn die Organgesellschaft einen höheren<br />
als den in §301 AktG vorgesehenen und im EAV<br />
vereinbarten Gewinn an den Organträger abführt. Soweit<br />
hierzu im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten<br />
wird, es handele sich bei dem „Vergessen“ der Verrechnung<br />
mit einem Verlustvortrag um einen geringfügigen<br />
und danach unbeachtlichen Verstoß gegen eine Nebenpflicht<br />
(so Walter in Ernst & Young, KStG, §14<br />
Rz.680.2), kann der Senat sich dieser Auffassung schon<br />
dem Grunde nach und damit unabhängig von der Höhe<br />
des Verlustvortrags nicht anschließen (gl.A. Dötsch in<br />
Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG,<br />
§14 KStG, Rz.181; Neumann in Gosch, KStG, 2.Aufl.,<br />
§14 Rz.310).<br />
[38] Nach §2 des hier vereinbarten EAV wird in Übereinstimmung<br />
mit §301 AktG geregelt, dass der ohne die Gewinnabführung<br />
entstehende Jahresüberschuss vermindert<br />
um einen etwaigen Verlustvortrag aus dem Vorjahr abzuführen<br />
sei. Im Jahr 1999 entsprach die Gewinnabführung<br />
nicht diesen Regelungen. In ihrem Jahresabschluss für das<br />
Jahr 1999 schrieb die U-<strong>GmbH</strong> den Jahresüberschuss von<br />
2.756.632DM dem Verrechnungskonto der Kl.in bei der<br />
U-<strong>GmbH</strong> gut, so dass sich der Sollsaldo des Kontos verminderte.<br />
Eine Verrechnung mit dem Verlustvortrag des<br />
Vorjahres unterblieb.<br />
[39] An der fehlerhaften Durchführung des Vertrags ändert<br />
sich nichts dadurch, dass erst im August 2001 in einer<br />
Gesellschafterversammlung der U-KG beschlossen wurde,<br />
der Kl.in solle der gesamte Gewinn des Jahres 1999 zustehen,<br />
eine etwaige Rückzahlungspflicht der Kl.in habe sich<br />
im Zusammenhang mit der zwischenzeitlichen Umwandlung<br />
erledigt, jedenfalls würden keine Rückzahlungsansprüche<br />
geltend gemacht. <strong>Die</strong>ser Beschluss lässt das Ergebnis<br />
der fehlerhaften Gewinnabführung vielmehr ausdrücklich<br />
bestehen.<br />
Rechtsprechung<br />
Steuerrecht<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
[40] <strong>Die</strong> fehlerhafte Durchführung konnte auch nicht<br />
durch die Aufstellung einer sog. berichtigten Bilanz im<br />
April 2004 geheilt werden. Zwar schließt die Bilanz mit<br />
einem Jahresüberschuss und dem Vortrag des Verlusts auf<br />
weitere Rechnung ab. Sie enthält aber nicht die erforderliche<br />
Verrechnung mit dem Verlustvortrag. Vielmehr ergibt<br />
sich aus dem Gesellschafterbeschluss über die berichtigte<br />
Bilanz, dass der frühere Gesellschafterbeschluss vom August<br />
2001 unberührt und inhaltlich vollständig bestehen<br />
bleiben solle. <strong>Die</strong> „Berichtigung“ der Bilanz stellt sich danach<br />
als rein formaler Akt dar, aus dem keine materiellen<br />
Folgen gezogen werden. Daran, dass das Vermögen der<br />
Kl.in um einen Betrag i.H. des Jahresüberschusses von<br />
2.756.632DM vermehrt worden ist, obwohl ihr dieser Betrag<br />
infolge des bestehenden Verlustvortrags nicht zustand,<br />
ändert die „berichtigte“ Bilanz nichts. Es bleibt damit<br />
auch unter Berücksichtigung dieser Bilanz dabei, dass<br />
der EAV nicht vertragsgemäß durchgeführt worden ist.<br />
[41] b) Auf die von den Beteiligten und dem FG erörterte<br />
Frage, ob die Bilanz wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung<br />
für die U-<strong>GmbH</strong> noch mit steuerlicher Wirkung<br />
berichtigt werden konnte, kommt es danach für die Entscheidung<br />
des Rechtsstreits nicht an. Nicht entscheidungserheblich<br />
ist zudem, ob eine formelle und materielle Korrektur<br />
der fehlerhaften Gewinnabführung zu einem späteren<br />
Zeitpunkt den Mangel der tatsächlichen Durchführung<br />
des EAV rückwirkend überhaupt beseitigen kann (bejahend<br />
etwa Berger, DB 2005, 903).<br />
3. Schätzung der Minderung des Teilwerts<br />
[42] Ohne Erfolg macht die Revision geltend, dass das<br />
der Kl.in zuzurechnende Einkommen der B-<strong>GmbH</strong> niedriger<br />
sei als vom FG angesetzt.<br />
[43] <strong>Die</strong> Schätzung des FG, wonach der Teilwert der Forderung<br />
der B-<strong>GmbH</strong> gegen die L-KG aus dem Bauvorhaben<br />
WM zum Bilanzstichtag 1.291.279DM betragen<br />
habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit<br />
die Kl.in unter Hinweis auf ... BFH v. 20.8.2003 – I R 49/<br />
02, BFHE 203, 319 = BStBl. II 2003, 941 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2004, 134 die Auffassung vertritt, das FG habe keine eigene<br />
Schätzungsbefugnis gehabt, sondern sei an den im<br />
Wege einer Bilanzberichtigung von der B-<strong>GmbH</strong> herabgesetzten<br />
Wert von 500.000DM gebunden, kann der Senat<br />
dem nicht folgen.<br />
[44] Zwar kommt dem Ermessen des Kaufmanns bei der<br />
Schätzung einer Wertminderung besondere Bedeutung zu.<br />
Maßgebend ist, ob ein vorsichtig bewertender Kaufmann<br />
nach der allgemeinen Lebenserfahrung aus den jeweiligen<br />
Umständen des Einzelfalls die Annahme eines – teilweisen<br />
– Forderungsausfalls herleiten darf (BFH v. 20.8.2003<br />
– I R 49/02, BFHE 203, 319 = BStBl. II 2003, 941<br />
= <strong>GmbH</strong>R 2004, 134). <strong>Die</strong>ser Sichtweise kommt eine Befriedungsfunktion<br />
zu, weil sie einerseits verhindert, dass<br />
der Steuerpflichtige seine ursprünglichen Einschätzungen<br />
in Bezug auf für die Bilanzierung erforderliche Prognosen,<br />
Schätzungen oder Beurteilungen von hypothetischen<br />
Kausalverläufen nachträglich – je nach Opportunität – revidieren<br />
kann. Andererseits bewahrt sie den Steuerpflichtigen<br />
davor, dass die Finanzverwaltung durch nachträgliche<br />
Ermittlungen versucht, die Tatsachengrundlage der Bilanz<br />
zu erschüttern (BFH v. 7.4.2010 – I R 77/08, BFHE 228,<br />
533 = BStBl. II 2010, 739). Eine solche Bindung an die<br />
Schätzung des Kaufmanns setzt aber voraus, dass die<br />
Schätzung auf der erkennbaren und nachvollziehbaren
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 43<br />
Auswertung aller für den Kaufmann verfügbaren Tatsachen<br />
beruht und diese Tatsachen einen Schluss auf den geschätzten<br />
Wert zulassen.<br />
[45] Unstreitig beruht die erstmals im Einspruchsverfahren<br />
geltend gemachte Schätzung des Teilwerts von<br />
500.000DM allein auf der Schätzung der Anwälte im<br />
Schreiben v. 8.2.1999 über die Chancen und Risiken der<br />
seinerzeit anhängigen Zivilprozesse. Eine nachvollziehbare<br />
Begründung, warum die Forderung gerade i.H. eines<br />
Betrags von 500.000DM werthaltig gewesen sein sollte,<br />
wurde in dem Schreiben nicht gegeben. Das Anwaltsschreiben<br />
war die einzige Erkenntnisquelle der Kl.in; weitere<br />
Tatsachen wurden nicht ermittelt oder ausgewertet.<br />
[46] Daraus hat das FG zu Recht gefolgert, dass eine Bindung<br />
an die subjektive Einschätzung der Kl.in nicht bestand.<br />
Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass das FG<br />
eine eigene Schätzungsbefugnis angenommen hat. Es<br />
konnte auch dem Grunde nach eine griffweise Schätzung<br />
vornehmen, weil geeignete Tatsachen, an die für die<br />
Schätzung betragsmäßig hätte angeknüpft werden können,<br />
nicht erkennbar waren. Ob die Schätzung der Höhe nach<br />
zutreffend war, kann der Senat revisionsrechtlich nicht<br />
überprüfen. <strong>Die</strong> mit der Schätzung verbundenen Unsicherheiten<br />
gehen zu Lasten der Kl.in, die die Feststellungslast<br />
für eine höhere Wertminderung zu tragen hat.<br />
Der <strong>GmbH</strong>R-Kommentar<br />
Der IV. Senat des BFH hat mit dem vorstehend abgedruckten<br />
Urteil vom 21.10.2010 – IV R 21/07 entschieden,<br />
dass bei unterlassenem Abzug des Verlustvortrags<br />
die Organschaft mangels tatsächlichen Vollzugs des Ergebnisabführungsvertrags<br />
scheitert.<br />
I. Häufiges Vergessen des Verlustabzugs<br />
<strong>Die</strong> Fälle des unterlassenen Verlustabzugs kommen in<br />
der Praxis erstaunlich häufig vor. Erst allmählich wurde<br />
klar, wie es dazu kommt: Der Beginn eines Organschaftszeitraums<br />
stellt einen Einschnitt in die bisherige Bilanzierungspraxis<br />
und die steuerliche Situation der neuen<br />
Organgesellschaft dar. <strong>Die</strong> steuerlichen vororganschaftlichen<br />
Verlustvorträge werden mit Beginn der Organschaft<br />
nach § 15 S.1 Nr. 1 KStG eingefroren und stehen erst<br />
wieder nach deren Beendigung zur Verrechnung zur Verfügung.<br />
Zivilrechtlich ist hingegen nach § 301 S.1 AktG<br />
der handelsbilanzielle Verlustvortrag aus dem Vorjahr<br />
von dem Jahresüberschuss vor Gewinnabführung abzuziehen,<br />
was über §17 S. 2 Nr. 1 KStG auch die <strong>GmbH</strong>-<br />
Organgesellschaft gilt, letztlich auch, um bei einer<br />
<strong>GmbH</strong> einen Verstoß gegen die Verpflichtung zum Erhalt<br />
des Stammkapitals zu vermeiden. Da ein Ergebnisabführungsvertrag<br />
(EAV) nahezu ausschließlich aus steuerlichen<br />
Gründen abgeschlossen wird, ist der Blick bei Bilanzerstellung<br />
und Wirtschaftprüfung auf die steuerliche<br />
Situation und die angestrebte steuerliche Ergebniskonsoldierung<br />
im Organkreis gerichtet (vgl. Walter in Ernst &<br />
Young (Hrsg.), KStG, §14 Rz. 680.1). Sowohl der erfahrene<br />
Bilanzersteller wie auch der Wirtschaftsprüfer übertragen<br />
die steuerrechtliche Handhabung manches Mal<br />
ohne weitere Überprüfung auf die Handelsbilanz (ebenso<br />
Pyszka/Hahn, Status:Recht 06/2009, 147), insbesondere<br />
wenn es sich um Kleinbeträge handelt, die unter jeglicher<br />
Aufgriffsgrenze der Wirtschaftsprüfung liegen, häufig im<br />
Bereich von nur wenigen Hundert oder Tausend Euro.<br />
<strong>Die</strong> Gefahr, dass vergessen wird, den Verlustvortrag von<br />
Steuerrecht<br />
der Gewinnabführung abzuziehen, ist besonders groß,<br />
wenn die Organgesellschaft erst einige Jahre nach Beginn<br />
der Organschaft Gewinne erzielt.<br />
II. Das Urteil des BFH<br />
In dem Fall, der dem Urteil des BFH zugrunde lag, betrug<br />
der handelsbilanzielle Verlustvortrag hingegen ca.<br />
5,5Mio. . und hätte wegen eines weiteren Verlustes der<br />
Organgesellschaft im ersten Organschaftsjahr erst mit einem<br />
ca. halb so hohen Jahresüberschuss der Organgesellschaft<br />
vor Gewinnabführung im zweiten Organschaftsjahr<br />
verrechnet werden können. Da mag ein „Vergessen“<br />
schon etwas schwerer gefallen sein, zumal der Urteilssachverhalt<br />
durchaus ein Interesse des Organträgers an<br />
einem Mittelzufluss durch Gewinnabführung zum Abbau<br />
eines Schuldsaldos nahelegt.<br />
Bereits verfahrensrechtlich ist das Urteil des für Personengesellschaften<br />
zuständigen IV. Senats interessant.<br />
Nachdem eine Außenprüfung die Organschaft nicht anerkannt<br />
hatte, waren die KSt.-Bescheide der (vermeintlichen)<br />
Organgesellschaft nach Rücknahme der Klage bestandkräftig<br />
geworden und Festsetzungsverjährung war<br />
eingetreten. Erst danach war versucht worden, den Jahresabschluss<br />
der Gesellschaft für das zweite gewünschte<br />
Organschaftsjahr zu berichtigen. Man hätte erwartet,<br />
dass damit der Fall erledigt gewesen und keine höchstrichterliche<br />
Klärung erfolgt wäre.<br />
Doch die klagende Organträgerin (eine KG) hatte noch<br />
eine zweite Tochtergesellschaft, deren Organschaftsverhältnis<br />
als solches unstreitig war. Man hatte sich aber wegen<br />
Wertberichtigungen auf Forderungen gestritten. Im<br />
Zuge des Rechtsstreits wegen des Gewinnfeststellungsbescheids<br />
der KG musste dann der BFH auch über das<br />
auf Ebene der anderen Tochtergesellschaft bereits bestandskräftig<br />
abgelehnte Organschaftsverhältnis nochmals<br />
befinden. Auf der Grundlage der lt. BFH fehlenden<br />
Grundlagenfunktion des KSt.-Bescheids einer Organgesellschaft<br />
ist dies verfahrensrechtlich konsequent (BFH<br />
v. 28.1.2004 – I R 84/03, BStBl. II 2004, 539 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2004, 979; v. 6.3.2008 – IV R 74/05, <strong>GmbH</strong>R 2008, 838;<br />
a.A. Walter in Ernst & Young (Hrsg.), KStG, § 14<br />
Rz. 805). So also kam der IV. Senat dazu, in der Sache<br />
und nicht nur obiter dictum über die tatsächliche Durchführung<br />
des EAV zu befinden.<br />
Der IV. Senat betont, dass es für die tatsächliche Durchführung<br />
des EAV nach §14 S. 1 Nr. 3 S. 1 Halbs.2 KStG<br />
(so die heute geltende insoweit wörtlich mit dem Streitjahr<br />
übereinstimmende Gesetzesfassung) erforderlich ist,<br />
nur den in §301 AktG vorgesehenen Gewinn abzuführen<br />
und nicht einen höheren wegen des unterbliebenen Abzugs<br />
des vororganschaftlichen Verlustvortrags. Andernfalls<br />
scheitere die Organschaft mangels tatsächlicher<br />
Durchführung des EAV. <strong>Die</strong>s stimmt insoweit mit der<br />
einhelligen Rechtsmeinung überein.<br />
Allerdings lehnt es der IV. Senat des BFH ausdrücklich<br />
bereits dem Grunde nach (und ohne Rücksicht auf die<br />
Höhe des Verlustvortrags) und ohne weitere Begründung<br />
ab, das „Vergessen“ der vorgängigen Verrechnung der<br />
Gewinnabführung mit einem Verlustvortrag als einen geringfügigen<br />
und deswegen unbeachtlichen Verstoß gegen<br />
eine Nebenpflicht des EAV zu behandeln (Walter in Ernst<br />
& Young (Hrsg.), KStG, §14 Rz. 680.2; Olbing in Streck,<br />
KStG, 7. Aufl. 2008, § 14 Rz. 122; Baldamus, Ubg 2009,<br />
484 [486]; wohl auch Rohrer/v. Goldacker/Huber, DB
44<br />
2009, 360 f.; a.A. [wie der BFH] Dötsch in Dötsch/Jost/<br />
Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 181;<br />
Dötsch, Der Konzern 2010, 99 f.; Neumann in Gosch,<br />
KStG, 2. Aufl. 2009, § 14 Rz. 310; Schneider/Hinz, Ubg<br />
2009, 738 [745]; vgl. aber Dötsch, Der Konzern 2009,<br />
171 f., re. Sp., der bei einem geringfügigen Betrag des<br />
nicht aktivierten KSt.-Guthabens nicht mehr von einem<br />
Scheitern der Organschaft ausgeht). <strong>Die</strong>s ist – soweit erkennbar<br />
– die erste gerichtliche Äußerung zu der Frage,<br />
ob es steuerlich unbeachtliche Verstöße gegen Nebenpflichten<br />
des Unternehmensvertrags geben kann.<br />
Der BFH lehnt im Urteilsfall aber auch eine Heilung der<br />
Organschaft durch rückwirkende Bilanzberichtigung ab.<br />
Auf den ersten Blick erschreckt diese Aussage. Bei näherem<br />
Hinsehen wird jedoch erkennbar, dass die beabsichtigte<br />
Bilanzberichtigung nach Auffassung des BFH hier<br />
bereits deswegen gescheitert war, weil der entsprechende<br />
Gesellschafterbeschluss im Ergebnis nicht zur erforderlichen<br />
Verrechnung mit dem Verlustvortrag geführt habe,<br />
da das Vermögen der klagenden KG weiterhin um einen<br />
Betrag in Höhe des (abgeführten) Jahresüberschusses gemehrt<br />
geblieben sei. <strong>Die</strong> Berichtigung der Bilanz habe<br />
sich als rein formaler Akt dargestellt, aus der keine materiellen<br />
Folgen gezogen worden seien. Auf die Frage, ob<br />
die Bilanz nach Eintritt der Festsetzungsverjährung überhaupt<br />
noch geändert werden konnte, kam es für den BFH<br />
danach im Gegensatz zur Vorinstanz (FG Düsseldorf v.<br />
27.3.2007 – 3 K 4024/05F, EFG 2007, 1104) nicht mehr<br />
an.<br />
III. Folgerungen für die Praxis<br />
Zwar erscheint diese Beurteilung der versuchten Bilanzberichtigung<br />
im Urteilsfall nicht zwingend, da die beanstandete<br />
Vermögensmehrung auch als auf anderer<br />
Rechtsgrundlage beruhend betrachtet werden könnte,<br />
doch kommt es für die Beurteilung der Aussagen des Urteils<br />
zur Organschaft darauf nicht an.<br />
Das Urteil bestätigt zunächst die einhellige Rechtsauffassung,<br />
dass die tatsächliche Durchführung des EAV auch<br />
die Verrechung eines handelsbilanziellen vororganschaftlichen<br />
Verlustvortrags mit dem Jahresüberschuss vor Gewinnabführung<br />
erfordert. Das ist nicht überraschend und<br />
aus der Sicht auch des Zivilrechts folgerichtig, da in<br />
§ 301 AktG festgelegt ist, dass ein innervertraglicher Gewinn<br />
der Organgesellschaft nicht abgeführt, sondern<br />
wirtschaftlich in vorvertragliche Zeit verlagert wird<br />
(Cahn/Simon, Der Konzern 2003, 1 [6]). Dadurch wird<br />
die Organgesellschaft zusätzlich besser gestellt, um zu<br />
verhindern, dass sie andernfalls bei Beendigung des EAV<br />
mit einem Verlustvortrag dasteht, der – möglicherweise<br />
als Folge des EAV – nicht auf andere Weise neutralisiert<br />
werden konnte.<br />
Der IV. Senat des BFH lehnt es allerdings rundweg bereits<br />
dem Grunde nach und ohne weitere Auseinandersetzung<br />
mit der Problematik ab, den vergessenen Abzug des<br />
Verlustvortrags als einen unbeachtlichen geringfügigen<br />
Verstoß gegen eine vertragliche Nebenpflicht des EAV zu<br />
betrachten. Das ist zu bedauern, zumal der Grundsatz der<br />
Verhältnismäßigkeit sehr wohl Ansatzpunkte dafür bietet<br />
(Walter in Ernst & Young (Hrsg.), KStG, §14 Rz. 680.2,<br />
649 f.), eine wirtschaftliche Betrachtung anzustellen.<br />
Hier scheint die Größenordnung des „vergessenen“ Verlustvortrags<br />
im Urteilsfall eine weitere Erörterung der<br />
Problematik obsolet gemacht zu haben. Man hätte sich<br />
eine inhaltliche Äußerung zu der Frage der Nebenpflicht<br />
Rechtsprechung<br />
Steuerrecht<br />
gewünscht, zumal die Problematik im Zusammenhang<br />
mit der unterbliebenen Verzinsung des Verlustübernahmeanspruchs<br />
schon lange erörtert wird und insoweit auch<br />
die Finanzverwaltung inzwischen einen steuerlich unbeachtlichen<br />
Verstoß gegen eine Nebenpflicht anerkannt<br />
hat (BMF v. 15.10.2007 – IV B 7 - S 2770/07/0004 –<br />
DOK 2007/0449869, BStBl. I 2007, 765 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2007, 1231).<br />
Positiv ist hervorzuheben, dass eine Heilung durch rückwirkende<br />
Bilanzberichtigung mit all den Umständen<br />
(Walter in Ernst & Young (Hrsg.), KStG, §14<br />
Rz. 680.2ff.) weiterhin zulässig bleibt. Inwieweit andere<br />
Möglichkeiten einer Heilung genügen, war nicht zu erörtern.<br />
Bleibt zu hoffen, dass geringfügige Verstöße gegen die<br />
Verlustverrechnung nicht verstärkt zum Anlass genommen<br />
werden, eine Organschaft mit den teils dramatischen<br />
fiskalischen Folgen nachträglich scheitern zu lassen. Des<br />
Weiteren bleibt abzuwarten, ob der für Körperschaftsteuer<br />
zuständige I.Senat des BFH die Frage des unbeachtlichen<br />
Verstoßes gegen eine Nebenpflicht bei passender<br />
Gelegenheit noch einmal aufgreift.<br />
Dr. Wolfgang Walter, Rechtsanwalt, Steuerberater und<br />
Fachanwalt für Steuerrecht, Denkendorf/Stuttgart<br />
Organschaft: Rückwirkende finanzielle Eingliederung<br />
bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft<br />
KStG §14; UmwStG §12 Abs.3 S.1, §20 Abs.1 S.2<br />
1. <strong>Die</strong> Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft<br />
sind aufgrund der Regelung des §12 Abs.3 S.1<br />
(i.V.m. §22 Abs.1 u. §4 Abs.2 S.3) UmwStG 1995, wonach<br />
im Falle der Kapitaleinbringung die übernehmende Körperschaft<br />
in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden<br />
Körperschaft eintritt, auch bei Ausgliederung einer Mehrheitsbeteiligung<br />
mit nachfolgender erstmaliger Begründung<br />
einer Organschaft möglich, wenn seit dem Beginn des Wirtschaftsjahres<br />
eine finanzielle Eingliederung zunächst zum<br />
übertragenden Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden<br />
Rechtsträger besteht und dieses Erfordernis bis<br />
zum Ende des Wirtschaftsjahres aufrechterhalten bleibt.<br />
2. <strong>Die</strong> Frage, ob die für eine körperschaftsteuerliche Organschaft<br />
erforderliche finanzielle Eingliederung auf den fiktiven<br />
Übertragungsstichtag rückbezogen werden kann, konnte<br />
(abermals) im Ergebnis offen gelassen werden.*<br />
BFH, Urt. v. 28.7.2010 – I R 111/09<br />
n Aus den Gründen:<br />
I.<br />
[1] <strong>Die</strong> Klägerin (Kl.in) ist eine <strong>GmbH</strong>. Ihre Alleingesellschafterin<br />
war ursprünglich eine KG, die A-KG. <strong>Die</strong>se<br />
brachte die Beteiligung an der Kl.in durch „Übertragungsund<br />
Anteilsabtretungsvertrag“ v. 29.8.2005 (dem Streitjahr)<br />
mit steuerlicher Rückwirkung zum 31.12.2004 gegen<br />
Gewährung von Gesellschaftsrechten nach §20 Abs.1 S.2<br />
UmwStG 1995 zum Buchwert in eine andere Tochtergesellschaft,<br />
die (seinerzeitige) B-<strong>GmbH</strong>, ein. Zugleich<br />
schlossen die B-<strong>GmbH</strong> und die Kl.in einen Ergebnisab-<br />
* Leitsätze der Redaktion.<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 45<br />
führungsvertrag, in welchem sich die Kl.in verpflichtete,<br />
erstmals für ihr ab dem 1.1.2005 beginnendes Geschäftsjahr<br />
ihren gesamten Gewinn an die B-<strong>GmbH</strong> abzuführen.<br />
Der Vertrag sollte „rückwirkend für die Zeit vom<br />
1.1.2005, 0:00Uhr“ gelten. <strong>Die</strong> Kl.in stimmte dem Ergebnisabführungsvertrag<br />
durch Gesellschafterbeschluss zu.<br />
[2] <strong>Die</strong> Kl.in legte ihren Steuererklärungen für das Streitjahr<br />
eine körperschaftsteuer- und gewerbesteuerrechtliche<br />
Organschaft zwischen ihr und der B-<strong>GmbH</strong> zugrunde.<br />
Dem folgte das FA nicht. Er bezog sich auf das Schr. des<br />
BMF v. 26.8.2003 – IV A 2 - S 2770 - 18/03, BStBl. I<br />
2003, 437 = <strong>GmbH</strong>R 2003, 1084, Tz. 12 und ging davon<br />
aus, es fehle die erforderliche finanzielle Eingliederung.<br />
[3] <strong>Die</strong> Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide<br />
war erfolgreich (FG Baden-Württemberg v.<br />
25.11.2009 – 3 K 157/06, EFG 2010, 820 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2010, 491). ...<br />
II.<br />
[6] <strong>Die</strong> Revision ist unbegründet. <strong>Die</strong> Vorinstanz hat im<br />
Ergebnis zu Recht angenommen, die Kl.in sei im Streitjahr<br />
in die B-<strong>GmbH</strong> finanziell eingegliedert gewesen und<br />
es fehle infolgedessen nicht an einer Voraussetzung für<br />
das Vorliegen einer körperschaftsteuer- und gewerbesteuerrechtlichen<br />
Organschaft.<br />
1. Vorliegen der Eingliederungsvoraussetzungen ...<br />
[7] Verpflichtet sich eine <strong>GmbH</strong> mit Geschäftsleitung und<br />
Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag<br />
i.S.d. §291 Abs.1 AktG, ihren ganzen<br />
Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen<br />
abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft,<br />
soweit sich aus §16 KStG 2002 nichts anderes ergibt<br />
und überdies die Eingliederungsvoraussetzungen des<br />
§14 Abs.1 S.1 zweiter Satzteil Nr.1 bis 5 KStG 2002 erfüllt<br />
sind, dem Träger des Unternehmens (Organträger)<br />
zuzurechnen. Das folgt aus §14 Abs.1 S.1 erster Satzteil<br />
und §17 KStG 2002. Unter denselben Voraussetzungen<br />
gelten nach §2 Abs.2 S.2 GewStG 2002 Organgesellschaften<br />
i.S.d. §§14, 17 oder 18 KStG 2002 als Betriebsstätten<br />
des anderen Unternehmens.<br />
[8] Das alles ist nach den Feststellungen des FG, die den<br />
erkennenden Senat binden (§118 Abs.2 FGO), im Streitfall<br />
gegeben und ist unter den Beteiligten im Grundsatz<br />
auch nicht streitig.<br />
2. ... „vom Beginn des Wirtschaftsjahres“ an<br />
[9] Da der B-<strong>GmbH</strong> als Organträgerin die Mehrheit der<br />
Stimmrechte aus den Anteilen an der Kl.in als Organgesellschaft<br />
zustand, gilt Letzteres prinzipiell auch für das<br />
Erfordernis der finanziellen Eingliederung i.S.d. §14<br />
Abs.1 S.1 Nr.1 KStG 2002. Umstritten ist allerdings, ob<br />
diese Eingliederung – wie hiernach ebenfalls erforderlich<br />
– „vom Beginn ihres Wirtschaftsjahrs an ununterbrochen“<br />
bestand. <strong>Die</strong> Finanzverwaltung (vgl. BMF v. 26.8.2003 –<br />
IV A 2 - S 2770 - 18/03, BStBl. I 2003, 437 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2003, 1084, Tz. 12; OFD Frankfurt a.M. v. 21.11.2005 –<br />
S 1978 A - 19 - St II 1.02, DStR 2006, 41 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2006, 109; anders noch im sog. Umwandlungssteuererlass,<br />
BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98 / IV B 2 -<br />
S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268 = <strong>GmbH</strong>R 1998, 444,<br />
Tz. Org. 05) verneint das, weil es sich bei der gebotenen<br />
finanziellen Eingliederung um ein tatsächliches Merkmal<br />
Steuerrecht<br />
handele, das einer fiktiven Rückbeziehung nicht zugänglich<br />
sei. <strong>Die</strong> rückwirkende Begründung eines Organschaftsverhältnisses<br />
sei deswegen nicht zulässig. Das<br />
Schrifttum ist demgegenüber einhellig anderer Auffassung:<br />
<strong>Die</strong> finanzielle Eingliederung sei rechtlicher, nicht<br />
tatsächlicher Natur und könne deshalb auch auf den fiktiven<br />
Übertragungsstichtag rückbezogen werden (z.B. Neumann<br />
in Gosch, KStG, 2.Aufl., §14 Rz.159f.; Dötsch,<br />
Der Konzern 2004, 273 u. 2005, 695 [697]; Dötsch in<br />
Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer, UmwStG<br />
Anh. [SEStEG] Rz.16ff.; Patt, daselbst, §20 UmwStG<br />
[SEStEG] Rz.33; Blumenberg in Herzig [Hrsg.], Organschaft,<br />
S.250 [255]; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/<br />
vanLishaut, UmwStG, Anh.3 Rz.36ff., Rz.39; vanLishaut,<br />
daselbst, §2 Rz.40; Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach,<br />
EStG/KStG, §14 KStG Rz.116; Walter in Ernst &<br />
Young, KStG, §14 Rz.351.1, 357.1, 366; Sinewe,<strong>GmbH</strong>R<br />
2002, 481 [483]; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/<br />
GewStG/UmwStG, §14 KStG Rz.88a; Hörtnagl in<br />
Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5.Aufl., §2<br />
UmwStG Rz.86; Schmitt, daselbst, §23 UmwStG Rz.33;<br />
Bilitewski in Haritz/Menner, UmwStG, 3.Aufl., §23<br />
Rz.28; Slabon, daselbst, §2 Rz.85; Erle/Heurung in Erle/<br />
Sauter, KStG, 3.Aufl., §14 Rz.700ff., 704; Schumacher,<br />
DStR 2006, 124; Orth, Der Konzern 2005, 79 (93);<br />
Gosch, Steuerberater-Jahrbuch 2004/2005, S.325 [327ff.];<br />
Plewka/Schienke, DB 2005, 1703). Der Senat lässt im Ergebnis<br />
(abermals, s. bereits BFH v. 17.9.2003 – I R 55/02,<br />
BFHE 203, 329 = BStBl. II 2004, 534 = <strong>GmbH</strong>R 2004, 60<br />
m. Komm. Sinewe [1] u. Franz [2]) dahinstehen, welche<br />
Auffassung er für richtig hält. Er gibt der Kl.in schon aus<br />
anderen Gründen Recht:<br />
[10] a) <strong>Die</strong> Anteile an der Kl.in wurden von der A-KG als<br />
übertragender Gesellschaft gegen Gewährung von Geschäftsanteilen<br />
am 29.8.2005 in die B-<strong>GmbH</strong> eingebracht.<br />
Steuerlich wurde diese Einbringung nach §20 Abs.1 i.V.m.<br />
Abs.7 u. 8 S.1 UmwStG 1995 auf den 31.12.2004 rückbezogen,<br />
und es wurde sodann am 29.8.2005 zwischen der B-<br />
<strong>GmbH</strong> und der Kl.in mit Wirkung ab dem 1.1.2005 ein Ergebnisabführungsvertrag<br />
geschlossen. Damit wurden die<br />
Voraussetzungen für eine organschaftliche Eingliederung<br />
der Kl.in in die B-<strong>GmbH</strong> nicht erst ab dem 29.8.2005, sondern<br />
„vom Beginn des Wirtschaftsjahres“ an erfüllt.<br />
[11] b) Grund hierfür ist §12 Abs.3 S.1 (i.V.m. §22<br />
Abs.1 u. §4 Abs.2 S.3) UmwStG 1995, wonach im Falle<br />
der Kapitaleinbringung die übernehmende Körperschaft in<br />
die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft<br />
eintritt. Das gilt für jegliche Gewinnermittlungsvorschriften<br />
und damit auch (vgl. §15 KStG 2002)<br />
für die körperschaftsteuerlichen Organschaftsvoraussetzungen:<br />
<strong>Die</strong> Ausgliederung einer Mehrheitsbeteiligung<br />
mit nachfolgender erstmaliger Begründung einer Organschaft<br />
ist möglich, wenn seit dem Beginn des Wirtschaftsjahres<br />
eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragenden<br />
Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden<br />
Rechtsträger besteht und dieses Erfordernis bis<br />
zum Ende des Wirtschaftsjahres aufrechterhalten bleibt.<br />
Sind diese Voraussetzungen bei der übertragenden Körperschaft<br />
(hier: der A-KG) erfüllt, setzt sich dies für die übernehmende<br />
Körperschaft (hier: die B-<strong>GmbH</strong> als nunmehriger<br />
Organträgerin) fort. Das betrifft auch und gerade die<br />
im Streitfall in Rede stehende Anteilseinbringung, ohne<br />
dass es auf die Frage danach, ob die einzelnen Organschaftsvoraussetzungen<br />
– hier diejenige der finanziellen<br />
Eingliederung – bei isolierter Betrachtung einer Rückwir-
46<br />
kung zugänglich sind, noch ankäme. Insbesondere bedarf<br />
es keiner Begründung eines Organschaftsverhältnisses zur<br />
übertragenden Gesellschaft. <strong>Die</strong> Rechtsnachfolge der<br />
übernehmenden Körperschaft in die Position der übertragenden<br />
Körperschaft ist vielmehr eine umfassende (sog.<br />
Fußstapfentheorie).<br />
[12] c) Aus gleichem Grund ist auch dem Einwand des<br />
dem Revisionsverfahren beigetretenen BMF, die in §12<br />
Abs.3 S.1 UmwStG 1995 angeordnete Rechtsnachfolge<br />
verlange im Hinblick auf die Organschaftsvoraussetzungen<br />
des §14 Abs.1 KStG 2002 und hierbei namentlich im<br />
Hinblick auf das Merkmal der finanziellen Eingliederung<br />
ein einschränkendes Rechtsverständnis, weil jenes Eingliederungsmerkmal<br />
ein personenbezogenes, als solches<br />
nachfolgefeindliches Merkmal sei, nicht beizupflichten.<br />
Es trifft zwar zu, dass die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft<br />
eine systematische Durchbrechung des steuerlichen<br />
Subjektprinzips darstellt und deswegen von bestimmten<br />
tatbestandlichen Voraussetzungen abhängt (vgl. auch<br />
BFH v. 3.3.2010 – I R 68/09, BFH/NV 2010, 1132 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 2010, 661). Indem das Umwandlungssteuerrecht<br />
für seinen Regelungsbereich jedoch eine letztlich vorbehaltlose<br />
Rechtsnachfolge in die Position des Rechtsvorgängers<br />
gewährt, wird diese Durchbrechung und werden<br />
deren Voraussetzungen einbezogen. Dadurch, dass Umwandlungen<br />
in Anlehnung an die handelsrechtlichen Vorgaben<br />
und abweichend von den tatsächlichen Gegebenheiten<br />
zudem auch steuerlich prinzipiell rückwirkend beschlossen<br />
werden können, wird dies bestärkt. In beidem<br />
liegt gerade der Unterschied zu jener Situation der sog.<br />
Verlustvererbung nach §10d EStG, über welche der Große<br />
Senat des BFH in seinem Beschl. v. 17.12.2007 – GrS<br />
2/04, BFHE 220, 129 = BStBl. II 2008, 608 zu entscheiden<br />
hatte und auf welchen sich das BMF deshalb zu Unrecht<br />
bezieht.<br />
[13] d) Auch dass die Rückwirkungsfiktion des §2 Abs.1<br />
i.V.m. §20 Abs.7 u. 8 UmwStG 1995 beim Anteilstausch<br />
seit der Novellierung des Umwandlungssteuergesetzes<br />
durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur<br />
Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung<br />
weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006<br />
(BGBl. I 2006, 2782 = BStBl. I 2007, 4) gänzlich ausgeschlossen<br />
ist (vgl. §21 UmwStG 2006; Rabback in Rödder/<br />
Herlinghaus/vanLishaut, UmwStG, §21 Rz.52), rechtfertigt<br />
kein anderes Ergebnis. Es handelt sich hierbei um eine<br />
konstitutive Neuregelung, die im Streitjahr noch nicht galt.<br />
[14] e) <strong>Die</strong> daraus abzuleitenden Konsequenzen entsprechen<br />
gleichermaßen der (ursprünglichen) Verwaltungspraxis<br />
(im sog. Umwandlungssteuererlass in BMF v.<br />
25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98 / IV B 2 - S 1909 -<br />
33/98, BStBl. I 1998, 268 = <strong>GmbH</strong>R 1998, 444, dort<br />
Tz. Org. 08 i.V.m. Org.04) wie der zwischenzeitlich geänderten<br />
Regelungslage in §23 Abs.1 i.V.m. §4 Abs.2 S.3<br />
und §12 Abs.3 UmwStG 2006 (im Ergebnis ebenso z.B.<br />
Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/vanLishaut,<br />
UmwStG, Anh.3 Rz.39 u. 48f.; Ritzer, daselbst, §23<br />
Rz.54; Dötsch, Der Konzern 2005, 695 [698]; Dötsch in<br />
Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer, UmwStG<br />
Anh. [SEStEG] Rz.11 u. Rz.21/6; Bilitewski in Haritz/<br />
Menner, UmwStG, 3.Aufl., §23 Rz.28; Frotscher in Frotscher/Maas,<br />
KStG/GewStG/UmwStG, §14 KStG Rz.89;<br />
Mutscher, daselbst, §23 UmwStG Rz.79ff.; Plewka/<br />
Schienke, DB 2005, 1703; Schumacher, DStR 2006, 124;<br />
Erle/Heurung in Erle/Sauter, KStG, 3.Aufl., §14 Rz.708;<br />
Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG,<br />
Rechtsprechung<br />
Steuerrecht<br />
5.Aufl., §23 UmwStG Rz.33; Neumann in Gosch, KStG,<br />
2.Aufl., §14 Rz.281; im Ergebnis ebenso Widmann in<br />
Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, §23 UmwStG<br />
Rz.46). Sie sind auch im Streitfall zugrunde zu legen und<br />
bedeuten für die hier zu beurteilende Situation, dass die<br />
Kl.in wie vordem in die A-KG – vor der Einbringung der<br />
Kapitalbeteiligung – fortan in die B-<strong>GmbH</strong> – nach jener<br />
Einbringung – i.S.v. §14 Abs.1 S.1 Nr.1 KStG 2002 finanziell<br />
eingegliedert war. Das körperschaftsteuer- und<br />
gewerbesteuerrechtliche Organschaftsverhältnis zu der B-<br />
<strong>GmbH</strong> als Organträgerin bestand mithin am 1.1.2005 und<br />
dauerte während des gesamten Wirtschaftsjahres an.<br />
Doppelbesteuerung: Umqualifizierung von Zinsen<br />
in vGA als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot<br />
im DBA-Schweiz<br />
KStG 1999 a.F. §8 Abs.3 S.2, §8a Abs.1 S.1 Nr.2;<br />
KStG 1999 n.F. §8a Abs.1 S.1 Nr.2 u. Abs.1 S.2; DBA-<br />
Schweiz 1971/1992 Art.9 Abs.1, Art.11 Abs.4, Art.25,<br />
Abs.3<br />
<strong>Die</strong> Umqualifizierung von Zinsen in vGA nach §8a Abs.1<br />
S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./n.F. ist nicht mit dem Diskriminierungsverbot<br />
des Art.25 Abs.3 DBA-Schweiz 1971/1992 vereinbar.<br />
BFH, Urt. v. 8.9.2010 – I R 6/09<br />
n Aus den Gründen:<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
I.<br />
[1] <strong>Die</strong> Klägerin (Kl.in) ist eine AG Schweizer Rechts<br />
mit statutarischem Sitz in der Schweiz, die in den Streitjahren<br />
1999 bis 2001 ihre Geschäftsleitung in Deutschland<br />
hatte. Ihr alleiniger Aktionär war der in der Schweiz<br />
wohnhafte GH.<br />
[2] 1991 erwarb die Kl.in das Eigentum an einem in<br />
Deutschland belegenen Grundstück, das mit einem Hotel<br />
bebaut war. Das Hotel war zunächst an eine <strong>GmbH</strong> verpachtet.<br />
In den Monaten Januar bis April 1998 und in den Streitjahren<br />
wurde es von der Kl.in von Deutschland aus betrieben.<br />
[3] Mit zwei Verträgen v. 1.11.1991 gewährte GH der<br />
Kl.in Darlehen i.H.v. 600.000DM und 150.000DM zu einem<br />
Zinssatz i.H.v. 8v.H. <strong>Die</strong> Verträge sahen vor, dass der<br />
Darlehenszins den wirtschaftlichen Gegebenheiten zum<br />
Beginn eines jeden Jahres angepasst und der Zins nachschüssig<br />
jeweils am 15.1. eines jeden Jahres ausgezahlt<br />
werden sollte. <strong>Die</strong> Laufzeiten der Darlehen waren bis zum<br />
30.9.2001 fest vereinbart, danach sollten die Kredite in<br />
Darlehen von unbestimmter Dauer umgewandelt werden.<br />
In den Jahren 1992 bis 2001 gewährten GH (1993 bis<br />
2001) sowie die ebenfalls in dessen alleinigem Anteilsbesitz<br />
stehende H-AG, Schweiz, (1992) der Kl.in weitere,<br />
vereinbarungsgemäß jeweils mit 6v.H. zu verzinsende<br />
Darlehen i.H.v. insgesamt 2.214.623DM. <strong>Die</strong> Darlehensverträge<br />
enthalten hinsichtlich der Rückzahlungstermine<br />
die Bemerkung „gem. gegenseitiger Vereinbarung, unter<br />
Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten“. Sicherheiten<br />
wurden nicht gewährt. Eine Auszahlung der<br />
Zinsbeträge erfolgte nicht, die Zinsen wurden in den<br />
Streitjahren dem Darlehenskonto von GH am Jahresende<br />
gutgeschrieben und wieder verzinst.
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 47<br />
[4] Aufgrund von Verlusten in den Vorjahren betrug das<br />
Eigenkapital der Kl.in in den Streitjahren ./.2.338.349DM<br />
(1999), ./.2.664.318DM (2000) und ./.2.935.983DM<br />
(2001).<br />
[5] Insgesamt machte die Kl.in aus den vorgenannten<br />
Darlehen Zinsen i.H.v. 163.318DM (1999), 174.006DM<br />
(2000) und 192.865DM (2001) als Betriebsausgaben geltend.<br />
Alle Zinsen waren nach einem Zinssatz von 6v.H.<br />
berechnet.<br />
[6] Das FA behandelte die Zinsen hingegen als verdeckte<br />
Gewinnausschüttungen (vGA) und rechnete sie dem Gewinn<br />
der Kl.in gemäß §8 Abs.3 S.2 KStG 1999 außerbilanziell<br />
hinzu. Unabhängig davon seien die Darlehenszinsen<br />
ohnehin auch als Fremdkapitalvergütungen i.S.v. §8a<br />
Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./n.F. zu behandeln.<br />
[7] <strong>Die</strong> Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide<br />
war überwiegend erfolgreich. Das FG verneinte<br />
das Vorliegen einer vGA i.S.v. §8 Abs.3 S.2 KStG 1999<br />
und sah die an sich einschlägigen Vorschriften in §8a<br />
Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./n.F. als unanwendbar an,<br />
weil sie gegen Art.25 Abs.3 des Abkommens zwischen der<br />
Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen<br />
Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung<br />
auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und<br />
vom Vermögen v. 11.8.1971 (BGBl. II 1972, 1022 =<br />
BStBl. I 1972, 519) i.d.F. des Protokolls v. 21.12.1992<br />
(BGBl. II 1993, 1888 = BStBl. I 1993, 928) – DBA-<br />
Schweiz 1971/1992 – verstießen (FG Köln v. 22.10.2008<br />
– 13K1164/05, EFG 2009, 509). ...<br />
II.<br />
[11] <strong>Die</strong> Revision ist unbegründet. Das FG hat in den gewährten<br />
Zinszahlungen zu Recht keine vGA gemäß §8<br />
Abs.3 S.2 KStG 1999 gesehen (2.). Es hat auch zu Recht<br />
angenommen, dass §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./<br />
n.F. gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot<br />
in Art.25 Abs.3 DBA-Schweiz 1971/1992 verstößt<br />
und deshalb unanwendbar bleibt (3.).<br />
1. Unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht<br />
[12] Nach §1 Abs.1 Nr.1 KStG 1999 sind Kapitalgesellschaften,<br />
die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland<br />
haben, unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. <strong>Die</strong><br />
Kl.in ist nach den insoweit für den Senat bindenden Feststellungen<br />
(§118 Abs.2 FGO) eine nach Schweizer Recht<br />
errichtete Kapitalgesellschaft, deren Geschäftsleitung sich<br />
in den Streitjahren im Inland befand. Auch ausländische<br />
Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland können<br />
unbeschränkt steuerpflichtig sein (vgl. BFH v.<br />
23.6.1993 – I R 31/92, BFH/NV 1994, 661 = <strong>GmbH</strong>R<br />
1994, 900 [LS]; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BFHE 188,<br />
251 = BStBl. II 1999, 437 = <strong>GmbH</strong>R 1999, 788; v.<br />
29.1.2003 – I R 6/99, BFHE 201, 463 = BStBl. II 2004,<br />
1043 = <strong>GmbH</strong>R 2003, 722; s. auch BFH v. 23.6.1992 – IX<br />
R 182/87, BFHE 168, 285 = BStBl. II 1992, 972 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 1993, 184; Wassermeyer in Deutsche Steuerjuristische<br />
Gesellschaft, Bd.20, S.83).<br />
2. Zinszahlungen sind keine vGA<br />
[13] Unter einer vGA i.S.d. §8 Abs.3 S.2 KStG 1999 ist<br />
bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung<br />
(verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch<br />
das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die<br />
Steuerrecht<br />
Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß §4 Abs.1 S.1 EStG<br />
– i.V.m. §8 Abs.1 KStG 1999 und für die Gewerbesteuer<br />
mit §7 GewStG 1999 – auswirkt und in keinem Zusammenhang<br />
zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. z.B.<br />
BFH v. 4.9.2002 – I R 48/01, BFH/NV 2003, 347; v.<br />
22.10.2003 – I R 37/02, BFHE 204, 96 = BStBl. II 2004,<br />
121 = <strong>GmbH</strong>R 2004, 187, jeweils m.w.N.). Für den größten<br />
Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung<br />
durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen,<br />
wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen<br />
Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der<br />
Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters<br />
einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte<br />
(st.Rspr. des Senats, vgl. BFH v. 16.3.1967 – I261/63,<br />
BFHE 89, 208 = BStBl. III 1967, 626 = <strong>GmbH</strong>R 1967,<br />
237 [LS]). Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender,<br />
so kann eine vGA auch dann anzunehmen<br />
sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt,<br />
für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen,<br />
zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten<br />
Vereinbarung fehlt (st.Rspr., vgl. BFH v. 17.12.1997 – I R<br />
70/97, BFHE 185, 224 = BStBl. II 1998, 545 = <strong>GmbH</strong>R<br />
1998, 647, m.w.N.). Außerdem muss der Vorgang geeignet<br />
sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug<br />
i.S.d. §20 Abs.1 Nr.1 S.2 EStG auszulösen (BFH v.<br />
7.8.2002 – I R 2/02, BFHE 200, 197 = BStBl. II 2004,<br />
131 = <strong>GmbH</strong>R 2003, 118 m. Komm. Rohde); diese Einschränkung<br />
spielt jedoch im Streitfall keine Rolle.<br />
[14] <strong>Die</strong>sen Anforderungen, die an die Annahme einer<br />
vGA zu stellen sind, genügen die im Streitfall in Rede stehenden<br />
Darlehensverträge und die daraufhin seitens der<br />
Kl.in gezahlten Zinsen nicht. Das hat das FG erschöpfend<br />
und beanstandungsfrei ausgeführt und ist unter den Beteiligten<br />
im Kern auch nicht mehr streitig. Das beigetretene<br />
BMF macht allerdings im Revisionsverfahren geltend, die<br />
geschlossenen Verträge zwischen der Kl.in und GH seien<br />
zivilrechtlich unwirksam. <strong>Die</strong> Kl.in als Schweizer Kapitalgesellschaft<br />
sei infolge der Verlagerung des Orts ihrer tatsächlichen<br />
Geschäftsleitung von der Schweiz nach<br />
Deutschland fortan nicht als Kapitalgesellschaft, sondern<br />
als rechtsfähige Personengesellschaft anzusehen, für die –<br />
da GH Alleingesellschafter sei – die Regelungen für Einzelkaufleute<br />
gälten. Das ergebe sich aus internationalem<br />
Gesellschaftsrecht und der danach gegenüber sog. Drittstaaten<br />
– wie hier der Schweiz – fortgeltenden „Sitztheorie“<br />
(vgl. dazu BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 227/06,<br />
<strong>GmbH</strong>R 2010, 211, m.w.N.). Eine natürliche Person, wie<br />
vorliegend GH, könne aber nicht mit sich selbst wirksame<br />
Verträge abschließen. Konsequenz sei die Annahme von<br />
vGA.<br />
[15] Dem ist nicht zu folgen. <strong>Die</strong> erwähnte Indizwirkung,<br />
die zivilrechtlich unwirksamen Vereinbarungen zwischen<br />
einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter<br />
für die Annahme einer vGA i.S.v. §8 Abs.3<br />
S.2 KStG 1999 beizumessen sein kann (s. z.B. BFH v.<br />
23.10.1996 – I R 71/95, BFHE 181, 328 = BStBl. II 1999,<br />
35 = <strong>GmbH</strong>R 1997, 34; s. auch BFH v. 12.5.2009 – IX R<br />
46/08, BFHE 225, 112, zur entsprechenden Rechtslage bei<br />
sog. Angehörigenverträgen, jeweils m.w.N.), greift unter<br />
den beschriebenen Gegebenheiten des Streitfalls unabhängig<br />
davon, ob das BMF in seiner gesellschaftsrechtlichen<br />
Einschätzung richtig liegt, nicht. Denn auch dann bliebe<br />
es dabei, dass die Kl.in als Steuersubjekt existent wäre.<br />
Vereinbarungen, die sie mit ihrem Gesellschafter trifft,<br />
sind dementsprechend aus steuerlicher Sicht zu akzeptie-
48<br />
ren. Stellt man demgegenüber allein auf die gesellschaftsrechtliche<br />
Existenz und Rechtsfähigkeit der Gesellschaft<br />
und deren etwaiges Fehlen ab, entfiele andernfalls auch<br />
die Eignung des beanstandeten Vorteils, beim Empfänger<br />
eine gesellschaftlich veranlasste Zuwendung als Kapitaleinkunft<br />
i.S.v. §20 Abs.1 Nr.1 S.2 EStG auszulösen. Unabhängig<br />
davon kann es weder der Kl.in noch GH angelastet<br />
werden, die komplexe international-gesellschaftsrechtliche<br />
Regelungslage nicht im Vorwege hinreichend<br />
erkannt und durchdrungen zu haben. Auch das spricht dagegen,<br />
in einer etwaigen zivilrechtlichen Unwirksamkeit<br />
ein tragfähiges Beweisanzeichen gegen die Ernstlichkeit<br />
des Vereinbarten zu erblicken (s. auch dazu die zitierten<br />
Rspr.-Nachw.).<br />
[16] In Anbetracht dessen kann unbeantwortet bleiben, ob<br />
die besonderen Anforderungen, die steuerlich an die Leistungsbeziehung<br />
zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren<br />
beherrschenden Gesellschafter gestellt werden, möglicherweise<br />
aus abkommensrechtlichen Gründen des Art.9<br />
Abs.1 u. Art.11 Abs.6 des Musterabkommens der Organisation<br />
for Economic Cooperation and Development<br />
– OECD-MustAbk – (hier Art.9 u. Art.11 Abs.4 DBA-<br />
Schweiz 1971/1992) ohnehin nicht oder nur eingeschränkt<br />
anwendbar sind (vgl. dazu z.B. BFH v. 9.11.2005 – I R<br />
27/03, BFHE 211, 493 = BStBl. II 2006, 564 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2006, 444; FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, EFG<br />
2008, 161, jeweils m.w.N.).<br />
3. Behandlung als Fremdkapitalvergütung verstößt<br />
gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot<br />
[17] Nach §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F. (i.V.m.<br />
§8 Abs.1 KStG 1999, §7 GewStG 1999) gelten Vergütungen<br />
für Fremdkapital, das eine unbeschränkt steuerpflichtige<br />
Kapitalgesellschaft von einem nicht zur Anrechnung<br />
von Körperschaftsteuer berechtigten Anteilseigner erhalten<br />
hat, der zu einem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr wesentlich<br />
am Grund- oder Stammkapital beteiligt gewesen ist,<br />
dann als vGA, wenn eine in einem Bruchteil des Kapitals<br />
bemessene Vergütung vereinbart ist und soweit das<br />
Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahres<br />
das Dreifache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners<br />
übersteigt. <strong>Die</strong> Hinzurechnung als vGA unterbleibt,<br />
wenn die Kapitalgesellschaft dieses Fremdkapital bei<br />
sonst gleichen Umständen auch von einem fremden Dritten<br />
erhalten hätte.<br />
[18] Nach §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 n.F. (i.V.m.<br />
§8 Abs.1 KStG 1999, §7 GewStG 1999) stellen Vergütungen<br />
für Fremdkapital, das eine unbeschränkt steuerpflichtige<br />
Kapitalgesellschaft von einem Anteilseigner erhalten<br />
hat, der zu einem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr wesentlich<br />
am Grund- oder Stammkapital beteiligt gewesen<br />
ist, vGA dar, wenn eine in einem Bruchteil des Kapitals<br />
bemessene Vergütung vereinbart gewesen ist und soweit<br />
das Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahres<br />
das Eineinhalbfache des anteiligen Eigenkapitals des<br />
Anteilseigners übersteigt. Zu einer solchen Umqualifizierung<br />
kommt es auch dann, wenn die Vergütung an eine<br />
dem Anteilseigner nahe stehende Person i.S.d. §1 Abs.2<br />
AStG oder einen Dritten gezahlt worden ist, der auf den<br />
Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person hat<br />
zurückgreifen können. Auch hier unterbleibt die Hinzurechnung<br />
als vGA, wenn die Kapitalgesellschaft nachweisen<br />
kann, dass sie das Fremdkapital unter sonst gleichen<br />
Umständen auch von einem fremden Dritten erhalten hät-<br />
Rechtsprechung<br />
Steuerrecht<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
te. Nach §8a Abs.1 S.2 KStG 1999 n.F. unterbleibt eine<br />
Hinzurechnung zudem dann, wenn die Vergütung bei dem<br />
Anteilseigner im Inland im Rahmen einer Veranlagung erfasst<br />
worden ist.<br />
[19] a) <strong>Die</strong> Beteiligten gehen übereinstimmend davon<br />
aus, dass die Voraussetzungen dieser Regelungen erfüllt<br />
sind. Der Senat hat auch in diesem Punkt keine Veranlassung,<br />
etwas anderes anzunehmen. <strong>Die</strong> Zinsen, welche die<br />
Kl.in in den Streitjahren an GH gezahlt hat, waren folglich<br />
dem Gewinn der Kl.in als vGA außerbilanziell hinzuzurechnen.<br />
[20] b) Das FG hat der Klage der Kl.in dennoch entsprochen,<br />
weil es in der Umqualifizierung der Zinsen in vGA<br />
nach Maßgabe von §8a KStG 1999 in seinen jeweiligen<br />
für die Streitjahre einschlägigen Fassungen einen Verstoß<br />
gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot<br />
des Art.25 Abs.3 DBA-Schweiz 1971/1992 angenommen<br />
hat. Dem ist beizupflichten (ebenso – bezogen auf die entsprechende<br />
Regelung des Art.24 Abs.5 OECD-MustAbk –<br />
z.B. Hageböke in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA,<br />
Art.24 OECD-MA Rz.108.1; Rust in Vogel/Lehner, DBA,<br />
5.Aufl., Art.24 Rz.165a; Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung<br />
im europäischen Konzern, 2005, S.41ff.;<br />
Hirsch, Gesellschafterfremdfinanzierung inländischer Kapitalgesellschaften<br />
durch ausländische Anteilseigner,<br />
1999, S.295; Gosch, KStG, 1.Aufl., §8a Rz.29).<br />
[21] aa) <strong>Die</strong> Unternehmen eines Vertragsstaats, deren<br />
Kapital ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar, einer<br />
in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Person oder<br />
mehreren solchen Personen gehört oder ihrer Kontrolle<br />
unterliegt, dürfen nach Art.25 Abs.3 DBA-Schweiz 1971/<br />
1992 in dem erstgenannten Vertragsstaat weder einer Besteuerung<br />
noch einer damit zusammenhängenden Verpflichtung<br />
unterworfen werden, die anders oder belastender<br />
sind als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden<br />
Verpflichtungen, denen andere ähnliche Unternehmen<br />
des erstgenannten Staats unterworfen sind oder unterworfen<br />
werden können. Das ist unter den hier in Rede stehenden<br />
Gegebenheiten der Fall.<br />
[22] aaa) <strong>Die</strong> Kl.in ist ein Unternehmen eines Vertragsstaats<br />
i.S.v. Art.25 Abs.3 i.V.m. Art.3 Abs.1 Buchst.f<br />
DBA-Schweiz 1971/1992. Sie hat ihren Sitz in der<br />
Schweiz, hatte jedoch ihre Geschäftsleitung in den Streitjahren<br />
in Deutschland und war damit nach Lage der Dinge<br />
in beiden Vertragsstaaten unbeschränkt steuerpflichtig und<br />
zugleich i.S.v. Art.4 Abs.1 DBA-Schweiz 1971/1992 in<br />
beiden Vertragsstaaten ansässig. Eine derart doppelansässige<br />
Gesellschaft gilt aus Abkommenssicht als in dem<br />
Vertragsstaat ansässig, in dem sich der Mittelpunkt ihrer<br />
tatsächlichen Geschäftsleitung befindet (Art.4 Abs.8 S.1<br />
DBA-Schweiz 1971/1992). <strong>Die</strong>s war nach den tatrichterlichen<br />
Feststellungen in den Streitjahren in Deutschland.<br />
<strong>Die</strong> Kl.in kann also den Diskriminierungsschutz des<br />
Art.25 Abs.3 DBA-Schweiz 1971/1992 beanspruchen.<br />
[23] bbb) Für die der Kl.in nachteilige Umqualifizierung<br />
der geleisteten Zinsen in vGA unterscheiden sowohl §8a<br />
Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F. als auch §8a Abs.1 S.1<br />
Nr.2 i.V.m. S.2 KStG 1999 n.F. in ihren tatbestandlichen<br />
Voraussetzungen im Ergebnis danach, ob es sich um eine<br />
im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft mit<br />
einem nicht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten<br />
Anteilseigner bzw. mit einem im Inland veranlagten<br />
Anteilseigner handelt. Ist dies der Fall, unterbleibt<br />
die Umqualifizierung und Hinzurechnung. Damit werden<br />
stets und insbesondere diejenigen Unternehmen eines Ver-
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 49<br />
tragsstaats, deren Kapital ganz oder teilweise, unmittelbar<br />
oder mittelbar einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen<br />
Person oder mehreren solchen Personen gehört oder<br />
ihrer Kontrolle unterliegt, gegenüber entsprechenden Unternehmen<br />
mit im Inland ansässigen Anteilseignern steuerlich<br />
benachteiligt. Dass die tatbestandlichen Unterscheidungsmerkmale<br />
der fehlenden Anrechnungsberechtigung<br />
zur Körperschaftsteuer (in §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG<br />
1999 a.F.) bzw. der fehlenden Veranlagung (in §8a Abs.1<br />
S.1 Nr.2 i.V.m. S.2 KStG 1999 n.F.) unmittelbar nicht auf<br />
die Ansässigkeit der Anteilseigner abstellen, tut insoweit<br />
nichts zur Sache. Vielmehr ist unbeschadet aller sonstigen<br />
Unterschiede zwischen den unionsrechtlichen Diskriminierungsverboten<br />
einerseits und den abkommensrechtlichen<br />
Diskriminierungsverboten andererseits jedenfalls in<br />
diesem Punkt vollumfänglich auf die insoweit – was den<br />
Vergleichsmaßstab anbelangt – parallele gemeinschaftsrechtliche<br />
Sicht zu verweisen (s. auch BFH v. 29.1.2003 –<br />
I R 6/99, BFHE 201, 463 = BStBl. II 2004, 1043 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 2003, 722), wie sie sich aus dem Urt. des ...<br />
EuGH v. 12.12.2002 – C-324/00 – „Lankhorst-Hohorst“,<br />
Slg. 2002, I-11779 = <strong>GmbH</strong>R 2003, 44 ergibt. Ausschlaggebend<br />
ist hier wie dort, dass sowohl von der fehlenden<br />
Nichtanrechnungsberechtigung als auch von der fehlenden<br />
Veranlagungsmöglichkeit vorrangig im anderen Vertragsstaat<br />
ansässige Anteilseigner betroffen sind und dadurch<br />
im Ergebnis eine diskriminierende Ungleichbehandlung<br />
von Kapitalgesellschaften mit in- und ausländischen Anteilseignern<br />
bewirkt wird. Damit ist die steuerliche Behandlung<br />
von Inlandsgesellschaften mit in der Schweiz<br />
ansässigen Anteilseignern i.S.v. Art.25 Abs.3 DBA-<br />
Schweiz 1971/1992 – und zwar unmittelbar und nicht lediglich<br />
mittelbar – anders oder belastender als die Besteuerung,<br />
denen – nach Tätigkeit ebenso wie nach<br />
Rechtsform (vgl. dazu z.B. Rust in Vogel/Lehner, DBA,<br />
5.Aufl., Art.24 Rz.168)– „andere ähnliche Unternehmen“<br />
in Deutschland unterworfen sind oder unterworfen werden<br />
können. Der Umstand, dass §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG<br />
1999 a.F./n.F. in bestimmten Situationen gleichermaßen<br />
auch für Gesellschaften mit inländischen Anteilseignern<br />
einschlägig werden kann, tritt dahinter zurück; Zielrichtung<br />
der genannten Vorschriften zur steuerlichen Beschränkung<br />
der Gesellschafter-Fremdfinanzierung bei Kapitalgesellschaften<br />
ist nach Regelungssinn und -zweck in<br />
erster Linie und in der tatsächlichen Auswirkung die Erfassung<br />
grenzüberschreitender Sachverhalte der Gesellschafter-Fremdfinanzierung<br />
mit ausländischen Anteilseignern.<br />
Konsequenz dieser Ungleichbehandlung und des daraus<br />
abzuleitenden Verstoßes gegen Art.25 Abs.3 DBA-<br />
Schweiz 1971/1992 ist die Nichtanwendung der diskriminierenden<br />
Steuerregelungen.<br />
[24] bb) Das Vorbringen der Revision ist nicht geeignet,<br />
an diesem Ergebnis etwas zu ändern. Das betrifft namentlich<br />
das Vorbringen, eine schädliche Ungleichbehandlung<br />
scheide schon deswegen aus, weil die durch §8a KStG<br />
1999 a.F./n.F. bewirkte Rechtsfolge – die Umqualifizierung<br />
der Zinsen in vGA und deren außerbilanzielle Hinzurechnung<br />
– in Einklang mit den allgemeinen Verrechnungspreisgrundsätzen<br />
stünde, wie sie in Art.9 Abs.1 u.<br />
Art.11 Abs.6 OECD-MustAbk und in Einklang damit<br />
auch in Art.9 u. Art.11 Abs.4 DBA-Schweiz 1971/1992<br />
niedergelegt seien.<br />
[25] <strong>Die</strong>se Abkommensregelungen betreffen den sog.<br />
Fremdvergleichsgrundsatz („dealing at arm’s length“) bei<br />
Unternehmen oder Personen, die nach Maßgabe qualifi-<br />
Steuerrecht<br />
zierter, auch im Streitfall zwischen der Kl.in und der H-<br />
AG gegebener Merkmale miteinander verbunden sind<br />
(Art.9 DBA-Schweiz 1971/1992), oder Schuldner und<br />
Gläubiger, zwischen denen – wie im Streitfall zwischen<br />
der Kl.in und ihrem Alleingesellschafter GH – besondere<br />
Beziehungen bestehen (Art.11 Abs.4 DBA-Schweiz<br />
1971/1992). Sind solche miteinander verbundene Unternehmen<br />
oder Personen in ihren kaufmännischen oder finanziellen<br />
Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen<br />
gebunden, die von denen abweichen, die unabhängige<br />
Unternehmen miteinander vereinbaren würden,<br />
dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese<br />
Bedingungen erzielt hätte, wegen jener Bedingungen<br />
aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens<br />
zugerechnet oder entsprechend besteuert werden (Art.9<br />
DBA-Schweiz 1971/1992). Entsprechendes regelt Art.11<br />
Abs.4 DBA-Schweiz 1971/1992 für Schuldner und Gläubiger,<br />
zwischen denen besondere Beziehungen bestehen:<br />
Übersteigen wegen dieser Beziehungen die gezahlten Zinsen,<br />
gemessen an den zugrunde liegenden Forderungen,<br />
den Betrag, den Schuldner und Gläubiger ohne diese Beziehungen<br />
vereinbart hätten, so wird Art.11 DBA-<br />
Schweiz 1971/1992 nur auf diesen letzten Betrag angewandt<br />
(Art.11 Abs.4 S.1 DBA-Schweiz 1971/1992) und<br />
kann der übersteigende Betrag nach dem Recht jedes Vertragsstaats<br />
und unter Berücksichtigung der anderen Bestimmungen<br />
dieses Abkommens besteuert werden (Art.11<br />
Abs.4 S.2 DBA-Schweiz 1971/1992).<br />
[26] Den wiedergegebenen abkommensrechtlichen Berichtigungserlaubnissen<br />
soll nach Ansicht der Finanzverwaltung<br />
auch §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./n.F.<br />
unterfallen. Denn in Nr.3 des OECD-Musterkommentars<br />
(OECD-MustKomm) 2008 zu Art.9 OECD-MustAbk<br />
wird die Auffassung vertreten, dass „zwischen den Abkommen<br />
und den innerstaatlichen Regelungen über die<br />
Unterkapitalisierung eine Wechselwirkung (besteht), die<br />
für den Anwendungsbereich des Artikels von Bedeutung“<br />
ist. <strong>Die</strong>se Auffassung ist seit 1992 in den OECD-Musterkommentar<br />
aufgenommen worden. Es mag dahinstehen,<br />
ob sie gleichwohl auch für das ursprünglich schon im Jahre<br />
1971 vereinbarte DBA-Schweiz 1971/1992 bedeutsam<br />
ist (vgl. zu einem derartigen sog. dynamischen in Abgrenzung<br />
zu einem sog. statischen Verständnis aber auch z.B.<br />
BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BFHE 229, 322). Es mag<br />
ebenfalls dahinstehen, ob dann, wenn man dies bejahen<br />
würde, §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./n.F. infolge<br />
der in §8a Abs.1 S.2 KStG 1999 a.F./§8a Abs.1 S.3<br />
KStG 1999 n.F. enthaltenen, dem Steuerpflichtigen eingeräumten<br />
Nachweismöglichkeit, dass die Zinszahlung mit<br />
dem Fremdvergleichsmaßstab übereinstimmt, tatsächlich<br />
in Einklang mit Art.9 Abs.1 und Art.11 Abs.6 OECD-<br />
MustAbk stünde (vgl. dazu z.B. Rust in Vogel/Lehner,<br />
DBA, 5.Aufl., Art.24 Rz.147; Wassermeyer in Debatin/<br />
Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art.9 MA Rz.107;<br />
Gosch, KStG, 1.Aufl., §8a Rz.29; Köplin/Koch in Erle/<br />
Sauter, KStG, 2.Aufl., §8a KStG Rz.19ff.; ferner Wunderlich<br />
in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/<br />
USA, Art.24 Rz.42, jeweils m.w.N.). Und dahinstehen<br />
mag schließlich, ob es sich bei §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG<br />
1999 a.F./n.F. bezogen auf vorgängig abgeschlossene Abkommen<br />
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht im<br />
Ergebnis um ein faktisches sog. Treaty override handelt,<br />
dessen völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Zulässigkeit<br />
bezweifelt werden kann (vgl. auch dazu BFH v.<br />
19.5.2010 – I B 191/09, BFHE 229, 322; s. zu §8a KStG<br />
auch Knobbe-Keuk, DB 1993, 60).
50<br />
[27] Denn unabhängig davon kann von einem derartigen<br />
tatbestandlichen Vorbehalt für das DBA-Schweiz 1971/<br />
1992 keine Rede sein. Es trifft zwar zu, dass solche Regelungsvorbehalte<br />
in Art.24 Abs.4 OECD-MustAbk enthalten<br />
sind. Nach dessen S.1 sind u.a. Zinsen, die ein Unternehmen<br />
eines Vertragsstaats an eine im anderen Vertragsstaat<br />
ansässige Person zahlt, bei der Ermittlung der steuerpflichtigen<br />
Gewinne dieses Unternehmens unter den gleichen<br />
Bedingungen wie Zahlungen an eine im erstgenannten<br />
Staat ansässige Person zum Abzug zuzulassen, vorausgesetzt,<br />
es ist nicht Art.9 Abs.1, Art.11 Abs.6 oder<br />
Art.12 Abs.4 OECD-MustAbk anzuwenden. Unterstellt,<br />
§8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./n.F. ist mit Art.9<br />
Abs.1 und Art.11 Abs.6 OECD-MustAbk vereinbar, entfiele<br />
folglich auch ein Verstoß gegen Art.24 Abs.4<br />
OECD-MustAbk (s. dazu Rust, ebenda; s. auch Nr.79 u.<br />
Nr.74 OECD-MustKomm 1992/2008 zu Art.24 Abs.4<br />
OECD-MustAbk). Eine derartige Abkommensregelung,<br />
wie sie Art.24 Abs.4 OECD-MustAbk vorgibt, fehlt im<br />
DBA-Schweiz 1971/1992 indessen. Aus diesem Fehlen<br />
lässt sich jedoch keineswegs ableiten, dass hinsichtlich<br />
von Zinszahlungen ein Diskriminierungsschutz nach dem<br />
Willen der Vertragsstaaten des DBA-Schweiz 1971/1992<br />
von vornherein entzogen wäre: Das OECD-Musterabkommen<br />
stellt, wie schon das Wort „Musterabkommen“ belegt,<br />
keine zwingende inhaltliche Verständigungsvorgabe<br />
für die Vertragsstaaten dar; etwaige Abweichungen lassen<br />
mithin keinen Rückschluss auf inhaltliche Einschränkungen<br />
zu. Es gibt deshalb auch keinen Grund, Zinszahlungen<br />
vom Anwendungsbereich des Art.25 Abs.3 DBA-<br />
Schweiz 1971/1992 auszunehmen. Überdies wurde Art.24<br />
Abs.4 OECD-MustAbk erst seit 1977 Bestandteil des<br />
Musterabkommens und war darin vordem – und damit<br />
auch bei Abschluss des DBA-Schweiz 1971 in seiner ursprünglichen<br />
und insoweit maßgeblichen Fassung – nicht<br />
enthalten (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer,<br />
Doppelbesteuerung, Art.24 MA Rz.9). Auch für die<br />
Annahme eines entsprechenden – ungeschriebenen –<br />
Anwendungsvorrangs von Art.9 Abs.1 sowie Art.11<br />
Abs.6 OECD-MustAbk (hier Art.9 u. Art.11 Abs.4<br />
DBA-Schweiz 1971/1992) zum Nachteil von Art.24<br />
Abs.5 OECD-MustAbk (und hier von Art.25 Abs.3<br />
DBA-Schweiz 1971/1992) ist nicht nur vom Regelungswortlaut<br />
her „auf den ersten Blick“ (so aber neuerdings<br />
Nr.79 S.1 OECD-MustKomm 2008 zu Art.24 Abs.5<br />
OECD-MustAbk), sondern auch in historischer und systematischer<br />
Sicht nichts ersichtlich. Es verbleibt deswegen<br />
allein bei denjenigen Anforderungen an eine Abkommensgleichbehandlung,<br />
wie sie in Art.25 Abs.3 DBA-<br />
Schweiz 1971/1992 enthalten sind (ebenso zu Art.24<br />
Abs.5 OECD-MustAbk z.B. Rust in Vogel/Lehner, DBA,<br />
5.Aufl., Art.24 Rz.165a; von Pannwitz in Haase, AStG/<br />
DBA, Art.24 MA Rz.7; unklar Wassermeyer in Debatin/<br />
Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art.24 MA Rz.102).<br />
Und diese Voraussetzungen sind, wie dargestellt, hier erfüllt.<br />
Doppelbesteuerung: Abkommensrechtliche<br />
Behandlung von Lizenzzahlungen als Sondervergütungen<br />
EStG 1997/2002 §15 Abs.1 S.1 Nr.2 S.1; EStG 2002<br />
i.d.F. des JStG 2009 §50d Abs.10 S.1, §52 Abs.59a S.8;<br />
GewStG 1999/2002 §7 S.1; GewStG 2002 i.d.F. des JStG<br />
2009 §7 S.6, §36 Abs.5 S.2; DBA-USA 1989 a.F. Art.7<br />
Abs.1, Abs.2 u. Abs.6, Art.12 Abs.1 u. Abs.3<br />
Rechtsprechung<br />
Steuerrecht<br />
Erhält ein in den USA ansässiger Gesellschafter einer deutschen<br />
Personengesellschaft Lizenzvergütungen für von ihm<br />
der Gesellschaft eingeräumte Rechte, so dürfen diese Vergütungen<br />
nach Art.12 Abs.1 DBA-USA 1989 a.F. nur in den<br />
USA und nicht in Deutschland besteuert werden (Anschluss<br />
an BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BFHE 219, 518 = BStBl. II<br />
2009, 356 = <strong>GmbH</strong>R 2008, 447 [LS]). <strong>Die</strong> in §50d Abs.10<br />
S.1 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2009 angeordnete Umqualifizierung<br />
von Sondervergütungen i.S.v. §15 Abs.1 S.1 Nr.2<br />
S.1 zweiter Halbsatz EStG 1997/2002 in abkommensrechtliche<br />
Unternehmensgewinne ändert daran nichts (gegen BMF<br />
v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905<br />
= BStBl. I 2010, 354, dort Tz. 2.2.1 u. 5.1).<br />
BFH, Urt. v. 8.9.2010 – I R 74/09<br />
n Aus den Gründen:<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
I.<br />
[1] <strong>Die</strong> Klägerin (Kl.in) ist eine zum 30.6.2001 formwechselnd<br />
aus einer <strong>GmbH</strong>, der H-<strong>GmbH</strong>, entstandene<br />
KG. An ihr sind seit 10.8.2001 Wirtschaftsprüfer und<br />
Steuerberater GW mit 74,9v.H. sowie die in den USA ansässige<br />
Beigeladene, eine Inc., mit 25,1v.H. als Kommanditisten<br />
und eine <strong>GmbH</strong> als Komplementärin beteiligt.<br />
[2] Mit Vertrag v. 7.5.2001 gewährte die Beigeladene als<br />
Lizenzgeberin der H-<strong>GmbH</strong> als Lizenznehmerin die Erlaubnis,<br />
ihre Produkte zu verkaufen, zu vermarkten und zu<br />
verteilen und <strong>Die</strong>nstleistungen zu erbringen sowie die<br />
Marke und den Handelsnamen der Beigeladenen zu benutzen.<br />
Im Gegenzug verpflichtete sich die H-<strong>GmbH</strong> zur<br />
Zahlung einer Lizenzgebühr von 8v.H. auf den Jahresumsatz<br />
der H-<strong>GmbH</strong> für alle Geschäfte, die sich auf Produkte<br />
oder <strong>Die</strong>nstleistungen oder die Verbindung der Marke des<br />
Handelsnamens der Beigeladenen beziehen.<br />
[3] Das FA gelangte zu der Auffassung, dass es sich in<br />
den Streitjahren 2001 bis 2003 bei den Lizenzzahlungen<br />
der Kl.in an die an ihr als Gesellschafterin beteiligte Beigeladene<br />
um Sondervergütungen i.S.d. §15 Abs.1 S.1<br />
Nr.2 S.1 Halbs.2 EStG 1997/2002 handele, die nach §49<br />
Abs.1 Nr.2 Buchst.a EStG 1997/2002 (i.V.m. §2 Nr.1<br />
und §8 Abs.1 KStG 1999/2002) deren inländischer Betriebsstätte<br />
zuzurechnen seien. Aufgrund der Umsatzverhältnisse<br />
stehe die insoweit maßgebliche wirtschaftliche<br />
Zugehörigkeit der den Lizenzen zugrunde liegenden<br />
Rechte zum (Sonder-)Betriebsvermögen der deutschen<br />
Betriebsstätte der Beigeladenen fest. Da das Abkommen<br />
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten<br />
Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung<br />
und zur Verhinderung der Steuerverkürzung<br />
auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen<br />
und einiger anderer Steuern v. 29.8.1989 (BGBl. II<br />
1991, 355 = BStBl. I 1991, 94) – DBA-USA 1989 a.F. –<br />
die Einkünfteeinstufung nicht ausdrücklich regele, bestimme<br />
sich die Zugehörigkeit zur Betriebsstätte nach dem jeweiligen<br />
Steuerrecht des Anwendestaats. Danach sei aus<br />
deutscher Sicht maßgebend, dass diese Rechte der Tätigkeit<br />
der inländischen Betriebsstätte dienten. Aufgrund der<br />
Zuordnung der Lizenzen zur inländischen Betriebsstätte<br />
sei – abweichend von Art.12 Abs.1 DBA-USA 1989 a.F.<br />
(Lizenzgebühren), wonach Lizenzgebühren im Ansässigkeitsstaat<br />
der die Lizenzgebühren beziehenden Person<br />
(hier: den USA) zu besteuern sind – über Art.12 Abs.3<br />
DBA-USA 1989 a.F. (sog. Betriebsstättenvorbehalt) die<br />
Vorschrift des Art.7 DBA-USA 1989 a.F. (gewerbliche<br />
Gewinne) anzuwenden. Nach Art.7 Abs.1 DBA-USA
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 51<br />
1989 a.F. seien die Lizenzgebühren wegen der Zurechnung<br />
zur inländischen Betriebsstätte als gewerbliche Gewinne<br />
dem Betriebsstättenstaat (Deutschland) zuzuweisen.<br />
[4] <strong>Die</strong> Klage gegen die hiernach ergangenen Steuer- und<br />
Feststellungsbescheide war erfolglos. Das FG stützte sich<br />
zur Begründung auf die neugeschaffene Vorschrift des<br />
§50d Abs.10 EStG 2002 i.d.F. des Jahressteuergesetzes<br />
2009 (EStG 2002 n.F.), die gemäß §52 Abs.59a S.8 EStG<br />
2002 n.F., für die Gewerbesteuer gemäß §36 Abs.5 S.2<br />
i.V.m. §7 S.1 u. 6 GewStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes<br />
2009 (GewStG 2002 n.F.), rückwirkend auf noch nicht bestandskräftige<br />
Bescheide anzuwenden ist (FG München v.<br />
30.7.2009 – 1 K 1816/09, EFG 2009, 1954)<br />
[5] ... [8] Das dem Verfahren beigetretene BMF folgt in<br />
der Sache dem FA (s. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 -<br />
S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, dort Tz. 1.2.3; jetzt<br />
BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 – DOK<br />
2009/0716905 = BStBl. I 2010, 354, dort Tz. 2.2.1 u. 5.1),<br />
stellt jedoch keine eigenen Anträge.<br />
II. ... III.<br />
[10] <strong>Die</strong> Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung<br />
der angefochtenen Vorentscheidung und zur anderweitigen<br />
Steuerfestsetzung. Das FG hat zu Unrecht ein deutsches<br />
Besteuerungsrecht an den in Rede stehenden Lizenzvergütungen<br />
angenommen.<br />
1. Kein Besteuerungsrecht Deutschlands nach DBA<br />
[11] Das FG hat die Lizenzvergütungen zutreffend als Betriebsausgabe<br />
der Kl.in berücksichtigt. Es hat ebenso zutreffend<br />
angenommen, dass es sich bei den entsprechenden<br />
Vergütungen aus der Sicht der Beigeladenen um Sondervergütungen<br />
handelt, die gemäß §15 Abs.1 S.1 Nr.2<br />
EStG 1997/2002 (i.V.m. §49 Abs.1 Nr.2 Buchst.a EStG<br />
1997/2002 und §2 Nr.1, §8 Abs.1 KStG 1999/2002), für<br />
die Gewerbesteuer i.V.m. §7 S.1 GewStG 2002, den Einkünften<br />
aus Gewerbebetrieb zuzuordnen sind. Dennoch<br />
durfte es im Rahmen des angefochtenen Bescheids die Lizenzvergütungen<br />
nicht den in Deutschland zu besteuernden<br />
Einkünften der Beigeladenen zurechnen, da sie nach<br />
Art.12 Abs.1 DBA-USA 1989 a.F. nur in den USA besteuert<br />
werden dürfen.<br />
[12] a) <strong>Die</strong> Beigeladene ist in den USA ansässig. Lizenzvergütungen,<br />
die eine in einem Vertragsstaat ansässige<br />
Person als Nutzungsberechtigter bezieht, dürfen nach<br />
Art.12 Abs.1 DBA-USA 1989 a.F. nur in diesem Staat besteuert<br />
werden. <strong>Die</strong>se Regelung greift im Streitfall unbeschadet<br />
dessen ein, dass die Lizenzvergütungen nach<br />
deutschem Recht als solche aus gewerblichen Einkünften<br />
zu behandeln sind und als solche an sich den Einkünften<br />
aus gewerblichen Gewinnen nach Maßgabe von Art.7<br />
Abs.1 S.2 u. Abs.2 DBA-USA 1989 a.F. unterfallen; die<br />
speziellere abkommensrechtliche Einkunftsart des Art.12<br />
DBA-USA 1989 a.F. geht insofern infolge des Art.7<br />
Abs.6 DBA-USA 1989 a.F. und des darin angeordneten<br />
sog. Spezialitätenvorrangs vor. Im Einzelnen verweist der<br />
Senat dazu, um Wiederholungen zu vermeiden, auf sein<br />
Urt. v. 17.10.2007 – I R 5/06 (BFH v. 17.10.2007 – I R 5/<br />
06, BFHE 219, 518 = BStBl. II 2009, 356 = <strong>GmbH</strong>R<br />
2008, 447 [LS]), welches – bezogen auf Zinserträge nach<br />
Maßgabe von Art.11 Abs.1 DBA-USA 1989 a.F. – zu der<br />
vergleichbaren Situation einer Darlehensgewährung er-<br />
Steuerrecht<br />
gangen ist. <strong>Die</strong> dort aufgestellten Rechtsgrundsätze, an denen<br />
der Senat uneingeschränkt festhält, gelten hier wie<br />
dort gleichermaßen.<br />
[13] b) Ein Besteuerungsrecht Deutschlands lässt sich<br />
auch nicht aus der Rückverweisung in Art.12 Abs.3<br />
DBA-USA 1989 a.F., dem sog. Betriebsstättenvorbehalt,<br />
ableiten. Danach ist Art.12 Abs.1 DBA-USA 1989 a.F.<br />
nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige<br />
Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat eine<br />
gewerbliche Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte<br />
ausübt und die Rechte oder Vermögenswerte, für die<br />
die Lizenzgebühren gezahlt werden, Betriebsvermögen<br />
dieser Betriebsstätte sind. In diesem Fall ist Art.7 DBA-<br />
USA 1989 a.F. (gewerbliche Gewinne) anzuwenden. <strong>Die</strong>se<br />
Voraussetzung ist aber im Streitfall nicht erfüllt.<br />
[14] FA und FG sind zwar zu Recht davon ausgegangen,<br />
dass die Beigeladene im Inland eine gewerbliche Tätigkeit<br />
durch eine hier gelegene Betriebsstätte ausgeübt hat. Denn<br />
sie war Gesellschafterin der Kl.in, und die Betriebsstätten<br />
einer Personengesellschaft sind abkommensrechtlich deren<br />
Gesellschaftern als eigene zuzurechnen (vgl. dazu<br />
BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BFHE 219, 518 = BStBl. II<br />
2009, 356 = <strong>GmbH</strong>R 2008, 447 [LS], m.w.N.). <strong>Die</strong>ser<br />
Grundsatz gilt auch für Zwecke der Anwendung des<br />
DBA-USA 1989 a.F. Jedoch greift Art.12 Abs.3 DBA-<br />
USA 1989 a.F. im Streitfall deshalb nicht durch, weil die<br />
besagten Rechte oder Vermögenswerte nicht zu der deutschen<br />
Betriebsstätte gehören. Der Umstand, dass die Lizenzvergütung<br />
nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts<br />
als Sondervergütungen der Beigeladenen i.S.v. §15 Abs.1<br />
S.1 Nr.2 S.1 Halbs.2 EStG 1997/2002 anzusehen sind,<br />
welche dem Gewinn der Gesellschaft und mithin den von<br />
ihr unterhaltenen Betriebsstätten zuzuordnen sind, widerspricht<br />
dem nicht. Ausschlaggebend ist, dass die Rechte<br />
oder Vermögenswerte nur dann in der gebotenen tatsächlich-funktionalen<br />
Weise zu der Betriebsstätte gehören können,<br />
wenn sie aus der Sicht der Betriebsstätte einen Aktivposten<br />
bildet. Auch zu diesem Punkt verweist der Senat<br />
auf ... BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BFHE 219, 518 =<br />
BStBl. II 2009, 356 = <strong>GmbH</strong>R 2008, 447 [LS], und die<br />
darin gegebenen weiteren Erwägungen und Nachweise.<br />
2. Kein Besteuerungsrecht aufgrund Umqualifizierung<br />
der Sondervergütungen in Unternehmensgewinne<br />
[15] In Reaktion auf die zitierte Spruchpraxis des erkennenden<br />
Senats sowie ebenfalls jener des II.Senats des<br />
BFH (BFH v. 9.8.2006 – II R 59/05, BFHE 214, 518 =<br />
BStBl. II 2009, 758) hat der Gesetzgeber des Jahressteuergesetzes<br />
2009 allerdings mit §50d Abs.10 EStG 2002 n.F.<br />
eine Regelung geschaffen, welche darauf abzielt, das deutsche<br />
Besteuerungsrecht unbeschadet dieser Spruchpraxis<br />
sicherzustellen (vgl. BT-Drucks. 16/11108, S.23). Nach<br />
dessen S.1 gelten Vergütungen i.S.d. §15 Abs.1 S.1 Nr.2<br />
S.1 Halbs.2 u. Nr.3 Halbs.2 EStG 2002, auf die die Vorschriften<br />
eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung<br />
anzuwenden sind, das – wie das DBA-USA<br />
1989 a.F. – keine solche Vergütungen betreffende ausdrückliche<br />
Regelung enthält, für Zwecke der Anwendung<br />
des Abkommens ausschließlich als Unternehmensgewinne.<br />
§52 Abs.59a S.8 EStG 2002 n.F. bestimmt, dass die<br />
neue Regelung des §50d Abs.10 EStG 2002 n.F. in allen<br />
Fällen anzuwenden ist, in denen die Einkommen- und<br />
Körperschaftsteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt
52<br />
ist. Gleiches gilt nach §36 Abs.5 S.2 i.V.m. §7 S.6<br />
GewStG 2002 n.F. für die Gewerbesteuer.<br />
[16] a) Konsequenz dieser Neuregelungen ist, dass für<br />
Sondervergütungen im Ausgangspunkt allein Art.7 des<br />
Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation<br />
and Development (OECD-MustAbk) – und damit<br />
im Streitfall Art.7 DBA-USA 1989 a.F. – anzuwenden ist.<br />
Nach Art.7 Abs.1 S.1 DBA-USA 1989 a.F. können gewerbliche<br />
Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats<br />
nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn,<br />
das Unternehmen übt seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat<br />
durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. Übt das<br />
Unternehmen seine Tätigkeit auf diese Weise aus, so können<br />
die gewerblichen Gewinne des Unternehmens im anderen<br />
Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie<br />
dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können (Art.7<br />
Abs.1 S.2 DBA-USA 1989 a.F.). Nach Art.7 Abs.2<br />
DBA-USA 1989 a.F. werden dieser Betriebsstätte die gewerblichen<br />
Gewinne zugerechnet, die sie hätte erzielen<br />
können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter<br />
gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges<br />
und unabhängiges Unternehmen ausgeübt hätte.<br />
[17] b) Auch die Voraussetzungen des §50d Abs.10 S.1<br />
EStG 2002 n.F. erfüllt der hier zu beurteilende Sachverhalt<br />
indessen nicht. Dabei mag unbeantwortet bleiben, ob<br />
der Tatbestand der Vorschrift bezogen auf das DBA-USA<br />
1989 a.F. schon deshalb zu kurz greift, weil die Sondervergütungen<br />
in „Unternehmensgewinne“ umqualifiziert werden<br />
sollen, nicht aber – wie dies für Art.7 Abs.1 DBA-<br />
USA 1989 a.F. aber erforderlich wäre – in „gewerbliche<br />
Gewinne“. Denn in jedem Fall leidet die Absicht des Gesetzgebers,<br />
das deutsche Besteuerungsrecht unbeschadet<br />
der Abkommensvorschriften und der dazu ergangenen<br />
Rspr. mittels einer unilateral fingierten Einkunftsqualifikation<br />
durchzusetzen, in ihrer Wirkkraft daran, dass diese<br />
Fiktion tatbestandlich zu kurz greift. Sie ordnet lediglich<br />
die abkommensrechtliche Einkunftsart an, suspendiert jedoch<br />
nicht zugleich von den Erfordernissen der (abkommensrechtlichen)<br />
Existenz einer Betriebsstätte (Art.5<br />
OECD-MustAbk) sowie der (ebenfalls abkommensrechtlichen)<br />
Betriebsstättenzurechnung:<br />
[18] aa) Indem §50d Abs.10 S.1 EStG 2002 n.F. Sondervergütungen<br />
abkommensrechtlich den Unternehmensgewinnen<br />
unterwirft, kommt zwar – jedenfalls im Ausgangspunkt<br />
– Art.7 OEDC-MustAbk (hier Art.7 DBA-<br />
USA 1989 a.F.) und kommen nicht Art.10, Art.11 u.<br />
Art.12 OECD-MustAbk zum Zuge. Doch bedingt dies<br />
strenggenommen einen Zirkelschluss der Anwendung,<br />
weil dann nicht nur Art.7 Abs.1 OECD-MustAbk, sondern<br />
diese Abkommensvorschrift insgesamt anzuwenden<br />
ist, also einschließlich des sog. Spezialitätenvorrangs in<br />
Art.7 Abs.7 OECD-MustAbk (hier Art.7 Abs.6 DBA-<br />
USA 1989 a.F.), der – wenn auch seinerseits unter dem<br />
sog. Betriebsstättenvorbehalt in Art.10 Abs.4, Art.11<br />
Abs.4 u. Art.12 Abs.3 OECD-MustAbk – wiederum zu<br />
Einkünften nach den jeweils spezielleren Einkunftsarten<br />
führt. So gesehen würde der Anwendungsbefehl des §50d<br />
Abs.10 S.1 EStG 2002 n.F. schon im Ansatz unterlaufen.<br />
[19] bb) Selbst wenn man dem aber nicht folgt und lediglich<br />
Art.7 Abs.1 – und nicht zugleich Abs.7 – OECD-<br />
MustAbk für anwendbar erachtet, ändert dies nichts. Denn<br />
dann richten sich die Zuordnungsmaßstäbe infolge der<br />
unilateralen Umqualifizierung fortan zwar nicht mehr an<br />
dem tatsächlich-funktionalen Zugehören i.S.d. sog. Betriebsstättenvorbehalts<br />
(u.a. in Art.12 Abs.3 DBA-USA<br />
Rechtsprechung<br />
Steuerrecht<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
1989 a.F.) aus; vielmehr ist Art.7 Abs.1 S.2, Abs.2<br />
OECD-MustAbk, hier: Art.7 Abs.1 S.2 u. Abs.2 DBA-<br />
USA 1989 a.F., einschlägig und greifen deswegen für die<br />
Beantwortung der Zurechnungsfrage allgemeine Verursachungs-<br />
und Veranlassungsgesichtspunkte. Auch diese Gesichtspunkte<br />
orientieren sich indessen an dem „wirklich“<br />
wirtschaftlich Verwirklichten und stimmen weitgehend<br />
mit den Zurechnungsmaßstäben der genannten Betriebsstättenvorbehalte<br />
überein. Dass der Senat (BFH v.<br />
13.2.2008 – I R 63/06, BFHE 220, 415 = BStBl. II 2009,<br />
414 = <strong>GmbH</strong>R 2008, 780) insoweit bezogen auf Sonderbetriebsvermögen<br />
eine abweichende Zuordnung verfolgt<br />
hat, widerspricht dem nicht, zum einen deshalb, weil diese<br />
Zuordnung allein zu Art.13 Abs.2 OECD-MustAbk, nicht<br />
zu Art.7 Abs.1 S.2 OECD-MustAbk ergangen ist (s. auch<br />
Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art.13 OECD-<br />
MA Rz.80f.), zum anderen deshalb, weil es dort an einer<br />
anderweitigen Betriebsstätte fehlte, und schließlich deshalb,<br />
weil §50d Abs.10 S.1 EStG 2002 n.F. lediglich<br />
Sondervergütungen, aber nicht auch Sonderbetriebsvermögen<br />
fiktiv umqualifiziert. Aber auch dann, wenn man diesen<br />
Weg nicht mitgehen will und annimmt, die Frage der<br />
Betriebsstättenzurechnung nach Maßgabe von Art.7<br />
Abs.1 S.2 u. Abs.2 OECD-MustAbk beantworte sich allein<br />
nach nationalem Recht, ergäbe sich nichts anderes,<br />
weil die (nationale) Einkünftequalifikation und Zurechnungsfiktion<br />
des §15 Abs.1 S.1 Nr.2 EStG 1997/2002<br />
nichts zur (abkommensrechtlichen) Betriebsstättenzurechnung<br />
aussagt (vgl. z.B. Wassermeyer, IStR 2010, 37 [41];<br />
Wassermeyer, IStR 2010, 241; Blumers/Zillmer, BB 2010,<br />
1375 [1379]; mit abweichendem Begründungsansatz auch<br />
Kramer, IStR 2010, 239; anders Frotscher, IStR 2009,<br />
593; Mitschke, DB 2010, 303).<br />
[20] Es verbleibt mithin bei den allgemeinen Zurechnungserfordernissen<br />
des jeweiligen Abkommens zur Vermeidung<br />
der Doppelbesteuerung und es beantwortet sich<br />
die Zurechnungsfrage ihrerseits allein unter autonomer<br />
Abkommensauslegung (ebenso z.B. Hahn-Joecks in<br />
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, §50d Rz.L3; Gosch<br />
in Kirchhof, EStG, 9.Aufl., §50d Rz.45; Boller/Eilinghoff/Schmidt,<br />
IStR 2009, 109; Boller/Schmidt, IStR 2009,<br />
852; Chr.Schmidt, IStR 2010, 413; s. auch FG Nürnberg v.<br />
3.12.2009 – IV 322/2005, n.v.; anders Frotscher, IStR<br />
2009, 866; Frotscher, IStR 2009, 593).<br />
[21] c) Vor diesem Auslegungshintergrund sind im Streitfall<br />
die den Lizenzvergütungen zugrunde liegenden Rechte<br />
und Vermögenswerte der Kl.in und der durch diese ihren<br />
Gesellschaftern abkommensrechtlich vermittelten Betriebsstätten<br />
nur dann zuzurechnen, wenn sie diesen Betriebsstätten<br />
in wirtschaftlicher Hinsicht gebühren würden.<br />
Daran fehlt es. Das FG hat festgestellt, dass die Lizenzrechte<br />
in den USA verwaltet und von dort aus weltweit<br />
vermarktet werden. Damit sind sie ebenso wie die daraus<br />
generierten Gewinne aus Sicht des Art.7 Abs.1 S.2 u.<br />
Abs.2 DBA-USA 1989 a.F. dem US-amerikanischen<br />
„Stammhaus“ der Beigeladenen und nicht der Kl.in zuzurechnen.<br />
<strong>Die</strong> entgegenstehende Schlussfolgerung des FG<br />
ist nicht haltbar. Sie lässt sich insbesondere nicht darauf<br />
stützen, dass die Kl.in in den Streitjahren ihrerseits lizenzbehaftete<br />
Umsatzanteile von 86,6v.H. (2001), 98,6v.H.<br />
(2002) sowie 86,1v.H. (2003) erzielt haben mag. Ausschlaggebend<br />
für die abkommensrechtliche Gewinnzurechnung<br />
ist allein, wo und von wo aus die Lizenzrechte<br />
verwaltet und vermarktet worden sind.
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 53<br />
3. Keine weiteren Erwägungen zur rückwirkenden<br />
Anwendung<br />
[22] Es bedarf angesichts dessen keiner weiteren Überlegungen<br />
dazu, ob die rückwirkende Anwendung von §50d<br />
Abs.10 EStG 2002 n.F. nach §52 Abs.59a S.8 EStG<br />
2002 n.F., §36 Abs.5 S.2 i.V.m. §7 S.6 GewStG 2002<br />
n.F. gegen das in Art.20 Abs.3 GG verankerte Rechtsstaatsgebot<br />
verstößt (z.B. Gosch in Kirchhof, a.a.O., §50d<br />
Rz.47; Chr.Korn, DStR 2009, 2366; Hils, DStR 2009,<br />
888; anders z.B. Frotscher, IStR 2009, 866) oder ob die<br />
Neuregelung insgesamt als sog. Treaty override völkerund<br />
verfassungsrechtswidrig ist (so z.B. Frotscher, IStR<br />
2009, 593; anders BT-Drucks. 16/11108, S.25).<br />
4. Entscheidungsreife und Ergebnis<br />
[23] <strong>Die</strong> von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung<br />
weicht von jener des erkennenden Senats ab. Ihr Urteil<br />
war aufzuheben. <strong>Die</strong> Sache ist spruchreif. <strong>Die</strong> angefochtenen<br />
Steuerbescheide sind antragsgemäß zu ändern. <strong>Die</strong> Ermittlung<br />
und Berechnung der festzusetzenden und festzustellenden<br />
Beträge wird dem FA nach Maßgabe der Gründe<br />
dieser Entscheidung überlassen (§121 S.1 i.V.m. §100<br />
Abs.2 S.2 FGO).<br />
Doppelbesteuerung: Abzugsteuer auf Gewinnbeteiligung<br />
i.S.d. DBA-Österreich 2000<br />
DBA-Österreich 2000 Art.3 Abs.2, Art.10 Abs.3, Art.11<br />
Eine Gewinnbeteiligung i.S.d. Art.11 Abs.2 DBA-Österreich<br />
2000 kann bei der Übernahme von Genussscheinen einer<br />
Bank auch darin liegen, dass die vereinbarte Ausschüttung<br />
im Falle eines Bilanzverlusts der Bank unterbleiben soll.<br />
BFH, Urt. v. 26.8.2010 – I R 53/09<br />
n Aus den Gründen:<br />
I.<br />
[1] Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin<br />
(Kl.in) die auf ihre Einkünfte aus drei Genussscheinen der<br />
L-Bank, einer deutschen Landesbank, einbehaltenen und<br />
abgeführten Abzugsteuern nach §50d EStG 2002 zu erstatten<br />
sind.<br />
[2] <strong>Die</strong> Kl.in ist eine in Österreich ansässige Bank. Sie<br />
hielt in den Jahren 2003 und 2004 drei (Namens-)Genussscheine<br />
der L-Bank mit den Nr.1, 2 u. 3, deren Laufzeit<br />
begrenzt war.<br />
[3] <strong>Die</strong> Genussscheine gewährten der Kl.in einen Anspruch<br />
auf eine auf das jeweilige Geschäftsjahr bezogene<br />
jährliche Ausschüttung i.H.v. 7,36% (Nr.1), 5,6% (Nr.2)<br />
und 5,65% (Nr.3) des Nennwerts des Genussscheins.<br />
Nach den Genussscheinbedingungen (GSB) sollte der Anspruch<br />
auf die Ausschüttung jedoch ausgeschlossen sein,<br />
wenn und soweit durch die Ausschüttung ein Bilanzverlust<br />
bei der L-Bank entstanden wäre. Sollte dementsprechend<br />
keine oder keine volle Ausschüttung vorgenommen<br />
werden können, so gewährten die Genussscheine während<br />
ihrer Laufzeit ein Nachzahlungsrecht für die folgenden<br />
Geschäftsjahre. <strong>Die</strong> Ausschüttungs- und Nachzahlungsansprüche<br />
hatten Vorrang vor einer Ausschüttung an die Gewährträger<br />
der L-Bank sowie der Dotierung von Rücklagen<br />
(§2 GSB).<br />
Steuerrecht<br />
[4] <strong>Die</strong> Rückzahlung der Genussscheine sollte grundsätzlich<br />
zum Nennwert erfolgen (§3 Abs.3 GSB). Sollte sich<br />
jedoch durch die Rückzahlung ein Bilanzverlust der L-<br />
Bank ergeben, minderte sich der Rückzahlungsanspruch<br />
jedes Genussscheininhabers in demselben Verhältnis, in<br />
dem das in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital einschließlich<br />
Genussscheinkapital durch die Tilgung des Bilanzverlusts<br />
gemindert würde. Während der Laufzeit der<br />
Genussscheine in den Folgejahren sollten in diesem Fall<br />
vorrangig vor Ausschüttungen an die Gewährträger der L-<br />
Bank und vor Dotierung von Rücklagen zunächst die verminderten<br />
Rückzahlungsansprüche wieder auf den Nennbetrag<br />
aufgefüllt und dann die ausgefallene Ausschüttung<br />
nachgeholt werden, wenn und soweit dadurch kein Bilanzverlust<br />
entstehen würde (§4 GSB).<br />
[5] <strong>Die</strong> Genussscheine verbrieften keine Teilnahme-, Mitwirkungs-<br />
und Stimmrechte in den Versammlungen der<br />
Gewährträger der L-Bank und keinen Anspruch auf Beteiligung<br />
am Liquidationserlös bei Auflösung der L-Bank.<br />
<strong>Die</strong> Ansprüche aus den Genussscheinen traten gegenüber<br />
allen nicht nachrangigen Gläubigern der L-Bank im Rang<br />
zurück und sollten daher im Falle der Liquidation oder des<br />
Konkurses der L-Bank erst nach Befriedigung aller nicht<br />
nachrangigen Gläubiger bedient werden (§5 GSB).<br />
[6] <strong>Die</strong> L-Bank behielt auf die in den Jahren 2003 und<br />
2004 erfolgten Ausschüttungen an die Kl.in Kapitalertragsteuer<br />
und Solidaritätszuschlag ein und führte die Abzugsteuern<br />
an das zuständige FA ab.<br />
[7] <strong>Die</strong> Kl.in beantragte beim ... vormaligen Bundesamt<br />
für Finanzen (seit dem 1.1.2006 Bundeszentralamt für<br />
Steuern – BZSt –) nach §50d Abs.1 EStG 2002 i.V.m.<br />
dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland<br />
und der Republik Österreich zur Vermeidung der<br />
Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen<br />
und vom Vermögen v. 24.8.2000 (BGBl. II 2002,<br />
735 = BStBl. I 2002, 584) – DBA-Österreich 2000 – u.a.<br />
die Erstattung der bei den Ausschüttungen der L-Bank<br />
einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge. <strong>Die</strong>s<br />
lehnte das BZSt ab. <strong>Die</strong> dagegen erhobene Klage blieb<br />
ohne Erfolg (FG Köln v. 30.4.2009 – 2 K 2375/06, EFG<br />
2009, 1437). ...<br />
II.<br />
[10] <strong>Die</strong> Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen<br />
(§126 Abs.2 FGO). Das FG hat zutreffend erkannt,<br />
dass die Kl.in die Erstattung der in den Jahren 2003<br />
und 2004 einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge<br />
nach den in den Ausschüttungszeitpunkten geltenden<br />
Fassungen des §50d EStG 2002 (i.V.m. Art.27 DBA-<br />
Österreich 2000) nicht mit Erfolg beanspruchen kann.<br />
1. Voraussetzungen für Erstattung der Abzugsteuer<br />
[11] Voraussetzungen einer Erstattung gemäß §50d<br />
Abs.1 S.2 EStG 2002 sind, neben der Einbehaltung und<br />
Abführung der Steuerabzugsbeträge, das Vorliegen einer<br />
Steuerentlastung gemäß §43b EStG 2002 – für die im<br />
Jahr 2004 ausgezahlten Vergütungen auch nach §50g<br />
EStG 2002 – oder eines Abkommens zur Vermeidung der<br />
Doppelbesteuerung, das Fehlen des Anspruchsausschlusses<br />
gemäß §50d Abs.3 EStG 2002 sowie ein Antrag auf<br />
amtlich vorgeschriebenem Vordruck (§50d Abs.1 S.3,<br />
S.6 EStG 2002) unter Beifügung einer Ansässigkeitsbestätigung<br />
(§50d Abs.4 S.1 EStG 2002). Ob der Schuldner
54<br />
der Kapitalerträge berechtigterweise Steuern einbehalten<br />
und abgeführt hat und ob daher überhaupt Einkünfte vorliegen,<br />
die in Deutschland steuerpflichtig oder aus anderen<br />
als den in §50d Abs.1 S.2 EStG 2002 genannten Gründen<br />
von der Besteuerung freizustellen sind, ist im Erstattungsverfahren<br />
nach §50d Abs.1 EStG 2002 nicht zu entscheiden<br />
(vgl. BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BFHE 224,<br />
556 = <strong>GmbH</strong>R 2009, 940 m. Komm. Rehm/Nagler; vgl.<br />
zum Freistellungsverfahren BFH v. 19.11.2003 – I R 22/<br />
02, BFHE 205, 37 = BStBl. II 2004, 560; v. 28.6.2005 – I<br />
R 33/04, BFHE 212, 37 = BStBl. II 2006, 489).<br />
2. Keine Erstattung der Steuerabzugsbeträge<br />
aufgrund des Quellenbesteuerungsrechts<br />
Deutschlands<br />
[12] Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob eine<br />
Steuerentlastung aufgrund des DBA-Österreich 2000 vorliegt,<br />
die dem Quellenbesteuerungsrecht Deutschlands entgegensteht.<br />
Aufgrund der den streitigen Vergütungen zugrunde<br />
liegenden Genussscheinbedingungen sind diese jedoch<br />
als Zinsen aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung<br />
i.S.d. Art.11 Abs.2 DBA-Österreich 2000 zu qualifizieren,<br />
so dass Deutschland das Quellenbesteuerungsrecht<br />
hat. Denn nach Art.11 Abs.1 DBA-Österreich 2000 dürfen<br />
zwar Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und<br />
an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt<br />
werden, wenn diese Person der Nutzungsberechtigte ist,<br />
nur im anderen Staat besteuert werden. <strong>Die</strong>ses dem Ansässigkeitsstaat<br />
zugewiesene ausschließliche Besteuerungsrecht<br />
wird jedoch – wie im Streitfall – gemäß Art.11<br />
Abs.2 DBA-Österreich 2000 u.a. für Einkünfte aus Rechten<br />
oder Forderungen mit Gewinnbeteiligungen zugunsten<br />
des Quellenstaats verdrängt. Eine Erstattung nach §50d<br />
Abs.1 S.2 EStG 2002 ist demzufolge ausgeschlossen.<br />
[13] a) <strong>Die</strong> Ausschüttungen auf das Genussscheinkapital<br />
unterfallen Art.11 des DBA-Österreich 2000, da sie Zinsen<br />
i.S.d. Art.11 Abs.3 DBA-Österreich 2000 darstellen.<br />
[14] a) Nach Art.11 Abs.3 S.1 DBA-Österreich 2000<br />
sind Zinsen grundsätzlich als Einkünfte aus Forderungen<br />
jeder Art zu verstehen. Zur Methodik der Auslegung abkommensrechtlicher<br />
Begriffe hat das FG zu Recht darauf<br />
hingewiesen, dass nach der gefestigten Rspr. des erkennenden<br />
Senats zunächst nach dem Wortlaut und den Definitionen<br />
des Abkommens, sodann nach dem Sinn und<br />
dem Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens<br />
und schließlich nach den Begriffsbestimmungen des<br />
innerstaatlichen Rechts auszulegen ist (vgl. BFH v.<br />
25.2.2004 – I R 42/02, BFHE 206, 5 = BStBl. II 2005, 14<br />
= <strong>GmbH</strong>R 2004, 1234 m. Komm. Roser, m.w.N.). Zu berücksichtigen<br />
ist zudem, dass ein im Abkommen nicht definierter<br />
Begriff nach Art.3 Abs.2 DBA-Österreich 2000,<br />
wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, die Bedeutung<br />
hat, die ihm im Anwendungszeitraum nach dem<br />
Recht dieses Staats über die Steuern zukommt, für die das<br />
Abkommen gilt, wobei die Bedeutung nach dem in diesem<br />
Staat anzuwendenden Steuerrecht den Vorrang vor einer<br />
Bedeutung hat, die der Ausdruck nach anderem Recht<br />
dieses Staats hat.<br />
[15] Obwohl das DBA-Österreich 2000 die Begriffe<br />
„Genussrecht“ oder „Genussschein“ nicht definiert, sind<br />
nach dem weiten Zinsbegriff des Art.11 Abs.3 S.1 DBA-<br />
Österreich 2000 die auf die Genussscheine gezahlten Ausschüttungen<br />
als Einkünfte aus Forderungen abkommens-<br />
Rechtsprechung<br />
Steuerrecht<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
rechtlich Zinsen. <strong>Die</strong>s wird auch von den Beteiligten nicht<br />
in Frage gestellt.<br />
[16] bb) Darüber hinaus grenzt Art.11 Abs.3 S.2 DBA-<br />
Österreich 2000 Zinsen von Dividenden ab, in dem er<br />
vorschreibt, dass zu den Zinsen nicht die in Art.10 DBA-<br />
Österreich 2000 behandelten Einkünfte (Dividenden) gehören.<br />
<strong>Die</strong>se Einschränkung des Zinsbegriffs ist im Streitfall<br />
allerdings nicht einschlägig. Nach Art.10 Abs.3 S.1<br />
DBA-Österreich 2000 werden Einkünfte aus Genussrechten<br />
oder Genussscheinen nur dann als Dividenden behandelt,<br />
wenn sie nach dem Recht, in dem die ausschüttende<br />
Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien<br />
steuerlich gleichgestellt sind. Insofern verweist das DBA-<br />
Österreich 2000 zur näheren Ausgestaltung des Dividendenbegriffs<br />
auf das nationale Recht, insbesondere §20<br />
Abs.1 Nr.1 S.1 EStG 2002. Danach gehören zu den Einkünften<br />
aus Kapitalvermögen neben den Gewinnanteilen<br />
(Dividenden), Ausbeuten und sonstigen Bezügen aus Aktien<br />
auch solche aus Genussrechten, mit denen das Recht<br />
am Gewinn und Liquidationserlös des ausschüttenden<br />
Rechtsträgers verbunden ist. Indessen gewährten die streitgegenständlichen<br />
Genussrechte (Genussscheine) gemäß<br />
§5 Abs.1 S.2 GSB ausdrücklich keinen Anspruch auf Beteiligung<br />
am Liquidationserlös bei Auflösung der L-Bank.<br />
Zugleich war der Rückzahlungsanspruch der Kl.in am<br />
Ende der Laufzeit der Genussscheine auf die Höhe des<br />
hingegebenen Genussscheinkapitals (Nennwert) begrenzt<br />
(§3 Abs.3 GSB). Demzufolge sind die Genussrechte nach<br />
innerstaatlichem Recht nicht der Besteuerung von Aktien<br />
gleichgestellt, so dass sie keine Dividenden i.S.d. Art.10<br />
Abs.3 S.1 DBA-Österreich 2000 sind.<br />
[17] Aus diesen Gründen ist auch der Dividendenbegriff<br />
des Art.10 Abs.3 S.2 DBA-Österreich 2000 nicht erfüllt.<br />
Danach werden u.a. auch Einkünfte eines stillen Gesellschafters<br />
aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter,<br />
Einkünfte aus partiarischen Darlehen, Gewinnobligationen<br />
und ähnliche Vergütungen dann als Dividenden qualifiziert,<br />
wenn sie nach dem Recht des Staates, aus dem sie<br />
stammen, bei der Ermittlung des Gewinns des Schuldners<br />
nicht abzugsfähig sind. Nach dem insoweit anwendbaren<br />
§8 Abs.3 S.2 KStG mindern nur Ausschüttungen jeder<br />
Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung<br />
am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft<br />
verbunden ist, das Einkommen nicht. Demzufolge<br />
liegen unter dem wiederum maßgebenden Gesichtspunkt<br />
der fehlenden Beteiligung am Liquidationserlös und<br />
der darauf beruhenden Abzugsfähigkeit der Vergütungen<br />
auf der Ebene des deutschen Vergütungsschuldners abkommensrechtlich<br />
Zinsen und nicht Dividenden vor. Davon<br />
gehen auch beide Beteiligte übereinstimmend aus.<br />
[18] b) Das zunächst dem Ansässigkeitsstaat der Kl.in<br />
zugewiesene Besteuerungsrecht für Zinsen wird in Art.11<br />
Abs.2 DBA-Österreich 2000 auf den Quellenstaat erweitert.<br />
Danach dürfen Einkünfte aus Rechten oder Forderungen<br />
mit Gewinnbeteiligung einschließlich der Einkünfte<br />
eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller<br />
Gesellschafter oder aus partiarischen Darlehen und Gewinnobligationen<br />
auch in dem Staat besteuert werden, aus<br />
dem sie stammen. <strong>Die</strong>se Voraussetzung ist nach den Verhältnissen<br />
im Streitfall erfüllt, da die Genussscheinbedingungen<br />
eine solche Gewinnbeteiligung vorsehen.<br />
[19] Das DBA-Österreich 2000 enthält keine Definition<br />
des Begriffs „Gewinnbeteiligung“, so dass zunächst nur<br />
auf den Wortlaut abgestellt werden kann. Ausgangspunkt<br />
für die Auslegung nach dem Wortlaut ist der allgemeine
Rechtsprechung<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011 55<br />
Sprachgebrauch (vgl. BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94,<br />
BFHE 180, 410 = BStBl. II 1997, 57; v. 29.5.1996 – I R<br />
167/94, BFHE 180, 415 = BStBl. II 1997, 60; v. 29.5.1996<br />
– I R 21/95, BFHE 180, 422 = BStBl. II 1997, 63; vgl.<br />
auch zur Heranziehung der gewöhnlichen Bedeutung des<br />
Wortes als Auslegungsmittel Art.31 Abs.1 des Wiener<br />
Übereinkommens über das Recht der Verträge –BGBl.II<br />
1985, 927 –, sowie Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer,<br />
Doppelbesteuerung, MA Art.3 Rz.78). Der allgemeine<br />
Sprachgebrauch muss im Einklang mit dem Sinn und Vorschriftenzusammenhang<br />
des Abkommens stehen.<br />
[20] Zutreffend weist die Vorinstanz darauf hin, eine Beteiligung<br />
am Gewinn liege danach ganz allgemein nur<br />
dann vor, wenn die Leistung, die der Forderungsinhaber<br />
verlangen kann, unmittelbar oder auch nur mittelbar von<br />
der Höhe des Gewinns abhängt. Für dieses weite Verständnis<br />
des Begriffs „Gewinnbeteiligung“ spricht der<br />
Vergleich mit den in Art.11 Abs.2 DBA-Österreich 2000<br />
genannten Beispielen der Einkünfte eines stillen Gesellschafters<br />
aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter<br />
oder aus partiarischen Darlehen und Gewinnobligationen.<br />
Auch diese Finanzierungsformen enthalten nicht notwendig<br />
eine unbegrenzte und unmittelbare Beteiligung am Gewinn<br />
des Unternehmens, sondern können auf einer auf einen<br />
bestimmten Prozentsatz der geleisteten Einlage bzw.<br />
des ausstehenden Darlehens begrenzten Gewinnbeteiligung<br />
beruhen. Daher bedarf es für die Annahme einer Gewinnbeteiligung<br />
i.S.d. Art.11 Abs.2 DBA-Österreich<br />
2000 keiner Orientierung am Gewinn dergestalt, dass Bezugsgröße<br />
für die Ausschüttung zwingend die Dividende<br />
der Aktionäre, der Jahresüberschuss oder eine andere Bilanzkennziffer<br />
ist. Auch wenn, worauf die Kl.in hinweist,<br />
die Höhe des Bilanzgewinns in den Grenzen des §268<br />
Abs.1 HGB durch die Bildung und Auflösung von Rücklagen<br />
gestaltbar ist, bewirkt dies nicht, dass ihr eine feste,<br />
sondern dass ihr eine in den durch die Genussscheinbedingungen<br />
vereinbarten Grenzen variable Vergütung zustand.<br />
Gewinnbeteiligungen stehen somit im Gegensatz zu solchen<br />
Vergütungen (Zinsen), die unabhängig von der Erzielung<br />
eines Gewinns, also auch im Verlustfall, zu entrichten<br />
sind. Für die Annahme einer Gewinnbeteiligung reicht<br />
daher eine bloße Gewinnabhängigkeit der geschuldeten<br />
Vergütung, die sich auch am Bilanzgewinn oder -verlust<br />
orientieren kann, aus.<br />
[21] Zwar wird im Streitfall die Vergütung selbst nach<br />
dem jeweils in §2 Abs.1 GSB vereinbarten grundsätzlich<br />
festen Prozentsatz berechnet. Sie ist aber durch die Notwendigkeit<br />
eines ausreichenden Bilanzgewinns ertragsabhängig.<br />
<strong>Die</strong> Verzinsung konnte demzufolge – je nach der<br />
Höhe des erzielten Bilanzgewinns – zwischen null und der<br />
jeweils vereinbarten höchsten Verzinsung liegen. Aus diesem<br />
Grund kann die Kl.in nicht mit Erfolg einwenden, der<br />
Annahme einer Gewinnbeteiligung stehe entgegen, dass<br />
sie nur weniger als den vereinbarten Zins, nicht aber mehr<br />
als diesen hat erzielen können.<br />
[22] Ebenso wenig scheitert das Vorliegen einer Gewinnbeteiligung<br />
daran, dass, so der Vortrag der Kl.in, eine reine<br />
Verlustbeteiligung vorliege. Denn die Verlustbeteiligung<br />
ist, worauf das FG zutreffend abstellt, nach den Genussscheinbedingungen<br />
nur eine Umschreibung des Umstands,<br />
dass die zugesagte Vergütung unter einem Ergebnisvorbehalt<br />
steht, also von der Erzielung eines Bilanzgewinns<br />
abhängig ist. Hängt damit die Höhe des auszuzahlenden<br />
Zinses von der Höhe eines etwaigen Verlusts ab,<br />
handelt es sich nicht um eine Verlustbeteiligung in Form<br />
Steuerrecht<br />
einer Nachschusspflicht. <strong>Die</strong> Stellung der Kl.in beschränkt<br />
sich auf die entgeltliche Überlassung von Kapital; sie war<br />
lediglich den Risiken des Kapitalausfalls und des Erzielens<br />
einer geringeren Vergütung als der jeweils vereinbarten<br />
(Höchst-)Verzinsung (§2 Abs.1 GSB) ausgesetzt. Angesichts<br />
dessen kann nicht davon gesprochen werden, die<br />
Verlustbeteiligung stehe im Vordergrund und trete an die<br />
Stelle der Gewinnbeteiligung.<br />
[23] Für die dargelegte Sichtweise spricht zudem, dass<br />
nach allgemeinen ökonomischen Überlegungen anzunehmen<br />
ist, dass der Kapitalgeber zur Übernahme des Risikos<br />
eines nach unten variablen Zinssatzes nur bei Vereinbarung<br />
einer entsprechend höheren Zinsobergrenze bereit ist<br />
und deshalb eine Gewinnabhängigkeit der Vergütung auch<br />
in der vereinbarten Zinshöhe zum Ausdruck kommt.<br />
[24] Das Vorliegen eines Bilanzverlusts ist schließlich<br />
auch nicht bloße Stundungsvoraussetzung im Zusammenhang<br />
mit der Fälligkeit der Festverzinsung. Bei Zinsausfall<br />
bestand ein Nachzahlungsrecht gemäß §2 Abs.3 S.1<br />
GSB beschränkt auf die Laufzeit des Genussscheins.<br />
Wäre in der jeweiligen Restlaufzeit kein ausreichender Bilanzgewinn<br />
erzielt worden, so wäre daher auch der Vergütungsanspruch<br />
ersatzlos erloschen.<br />
[25] c) Da die streitgegenständlichen Vergütungen nach<br />
abkommensautonomer Auslegung als Zinsen mit Gewinnbeteiligung<br />
zu qualifizieren sind, kommt es zum einen auf<br />
die Auslegung des Begriffs des Rechts der Beteiligung am<br />
Gewinn i.S.d. §8Abs.3 S.2 KStG (vgl. dazu auch Gosch,<br />
KStG, 2.Aufl., §8 Rz.151 mit Hinweis auf das Urt. des<br />
RFH v. 16.12.1931 – II A 394/31, RStBl. 1932, 746) und<br />
zum anderen auf die von der Kl.in vorgetragenen innerstaatlichen<br />
zivilrechtlichen Abgrenzungskriterien bei Genussscheinen<br />
im Zusammenhang mit §221 Abs.3 AktG<br />
nicht an.<br />
Verwaltungsanweisungen<br />
Gewinnermittlung: Steuerermäßigung nach § 35<br />
EStG bei mehrstöckigen Personengesellschaften<br />
BMF, Schr. v. 25.11.2010 – IV C 6 - S 2296-a/09/10001 – DOK<br />
2010/0912228<br />
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der<br />
Länder wird das BMF-Schr. zur Steuerermäßigung bei<br />
Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß §35 EStG v.<br />
24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002 – DOK 2007/<br />
0220243, BStBl I 2009, 440 = <strong>GmbH</strong>R 2009, 501 – geändert<br />
durch BMF-Schr. v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2296-a/<br />
08/10002 – DOK 2009/0862400, BStBl. I 2010, 43 =<br />
<strong>GmbH</strong>R 2010, 167 – wie folgt geändert:<br />
<strong>Die</strong> Randziffern 10, 27 und 28 werden wie folgt gefasst:<br />
[10] Sind dem Steuerpflichtigen als Einzelunternehmer<br />
oder Mitunternehmer Gewinne aus mehreren Gewerbebetrieben<br />
zuzurechnen, sind die jeweiligen GewSt.-Messbeträge<br />
für jeden Gewerbebetrieb und für jede Mitunternehmerschaft<br />
getrennt zu ermitteln, mit dem Faktor 3,8 zu<br />
vervielfältigen und auf die zu zahlende Gewerbesteuer zu<br />
begrenzen. Dabei sind bei negativen gewerblichen Einkünften<br />
eines Betriebs oder aus einer Beteiligung der<br />
– aufgrund von Hinzurechnungen entstehende – zugehörige<br />
GewSt.-Messbetrag und die zu zahlende Gewerbesteuer<br />
nicht zu berücksichtigen. <strong>Die</strong> so ermittelten Beträge
56<br />
sind zur Berechnung des Anrechnungsvolumens zusammenzufassen.<br />
Bei zusammenveranlagten Ehegatten sind<br />
die Anrechnungsvolumina der Ehegatten zusammenzufassen.<br />
Zu den Besonderheiten bei mehrstöckigen Gesellschaften<br />
vgl. Rz.27 u. 28.<br />
6.2. Besonderheiten bei mehrstöckigen<br />
Gesellschaften<br />
[27] Bei mehrstöckigen Mitunternehmerschaften sind bei<br />
der Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags nach §35<br />
EStG die Einkünfte aus der Obergesellschaft (einschließlich<br />
der Ergebnisse der Untergesellschaft) als gewerbliche Einkünfte<br />
zu berücksichtigen. Es sind zudem die anteilig auf<br />
die Obergesellschaft entfallenden GewSt.-Messbeträge<br />
sämtlicher Untergesellschaften den Gesellschaftern der<br />
Obergesellschaft nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels<br />
zuzurechnen (§35 Abs.2 S.5 EStG).<br />
<strong>Die</strong>s gilt auch für die Zurechnung eines anteiligen GewSt.-<br />
Messbetrags einer Untergesellschaft an den mittelbar beteiligten<br />
Gesellschafter, wenn sich auf der Ebene der Obergesellschaft<br />
ein negativer Gewerbeertrag und damit ein<br />
GewSt.-Messbetragvon0Euroergibt.EinGewSt.-Messbetrag<br />
der Unter- oder Obergesellschaft, dem jedoch negative<br />
Einkünfte auf Ebene der Obergesellschaft unter Berücksichtigung<br />
der Einkünfte aus der Untergesellschaft zugrunde liegen<br />
(z.B. aufgrund von Hinzurechnungen), ist nicht zu berücksichtigen<br />
(vgl. Rz.10). Für die Berücksichtigung der<br />
tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer (§35 Abs.1 S.5<br />
EStG) gelten die Sätze 1 bis 4 entsprechend.<br />
<strong>Die</strong> Berechnung der Beschränkung des Anrechnungsvolumens<br />
auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer (§35<br />
Abs.1 S.5 EStG) (Vergleich zwischen dem mit dem Faktor<br />
3,8 vervielfältigten GewSt.-Messbetrag und der tatsächlich<br />
zu zahlenden Gewerbesteuer) ist bei mehrstöckigen<br />
Mitunternehmerschaften ausschließlich in Bezug auf<br />
die (anteiligen) GewSt.-Messbeträge der Ober- und Untergesellschaft(en)<br />
und die (anteilige) tatsächlich zu zahlende<br />
Gewerbesteuer der Ober- und Untergesellschaft(en) des<br />
anrechnungsberechtigten Mitunternehmers der Obergesellschaft<br />
vorzunehmen (vgl. Rz.10).<br />
[28] Beispiel: A ist zu 70% an der <strong>GmbH</strong> & Co KGI<br />
(KGI) beteiligt, die wiederum zu 50% an der <strong>GmbH</strong><br />
& Co KGII (KGII) beteiligt ist. <strong>Die</strong> KGII erzielt einen<br />
Gewinn von 100.000 .. FürdieKGIIwirdunter<br />
Berücksichtigung von §§8 u. 9 GewStG ein GewSt.-<br />
Messbetrag von 1.000 . festgestellt; die tatsächlich<br />
zu zahlende Gewerbesteuer beträgt 3.600 .. <strong>Die</strong>s<br />
führt damit zu einem der KGI zuzurechnenden anteiligen<br />
GewSt.-Messbetrag von 500 . (50% von<br />
1.000 . entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel)<br />
und einer zuzurechnenden anteiligen<br />
tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer von<br />
1.800 . (50% von 3.600 . entsprechend dem allgemeinen<br />
Gewinnverteilungsschlüssel).<br />
Der KGI werden aus der Beteiligung an der KGII Einkünfte<br />
von 50.000 . zugewiesen. <strong>Die</strong> KGI erzielt aus<br />
dem operativen Geschäft einen Verlust von 40.000 .<br />
und somit einen negativen Gewerbeertrag. <strong>Die</strong>s führt<br />
zu einem GewSt.-Messbetrag und zu einer zu zahlenden<br />
Gewerbesteuer von 0 .. A werden aus der Beteiligung<br />
an der KGI insgesamt Einkünfte von 7.000 . zugewiesen<br />
(unter Einbezug des [anteiligen] Ergebnisanteils<br />
aus der KGII). Der aus der Beteiligung an der<br />
KGII stammende anteilige GewSt.-Messbetrag von<br />
Verwaltungsanweisungen<br />
<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />
500 . und die anteilige zu zahlende Gewerbesteuer<br />
von 1.800 . ist in die Feststellung nach §35 Abs.2<br />
EStG bei der KGI einzubeziehen und dem Gesellschafter<br />
A anteilig entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel<br />
zuzurechnen.<br />
Der auf A entfallende GewSt.-Messbetrag beträgt<br />
hiernach 350 . (70% von 500 .) und die auf A entfallende<br />
tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer 1.260 .<br />
(70% von 1.800 .). Bei A ist aufgrund seiner Beteiligung<br />
an der KGI eine Steuerermäßigung nach §35<br />
EStG i.H.d. 3,8-fachen GewSt.-Messbetrags von<br />
350 . (= 1.330 .), höchstens der Ermäßigungshöchstbetrag<br />
nach §35 Abs.1 S.2 EStG und begrenzt auf<br />
die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer von<br />
1.260 . zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung des<br />
Ermäßigungshöchstbetrags für A sind in Bezug auf<br />
die Beteiligung an der KGI positive Einkünfte aus<br />
Gewerbebetrieb von 7.000 . anzusetzen.<br />
Das Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Es<br />
wird im BStBl. I veröffentlicht.<br />
Doppelbesteuerung: Deutsch-norwegisches<br />
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-NOR);<br />
Anwendung des Schachtelprivilegs<br />
BMF, Schr. v. 10.11.2010 – IV B 3 - S 1301-NOR/0-04 – DOK<br />
2010/0866801<br />
Zur Frage, ob Beteiligungserträge nach dem DBA-NOR<br />
nur dann in Deutschland freigestellt werden können, wenn<br />
diese Erträge tatsächlich in Norwegen einer Besteuerung<br />
unterlegen haben, nehme ich wie folgt Stellung:<br />
Dividenden i.S.v. Art.10 Abs.3 DBA-NOR sind bei dem<br />
deutschen Bezieher nach Art.23 Abs.2 S.2 Buchst.a S.3<br />
i.V.m. S.1 DBA-NOR von der deutschen Besteuerung<br />
freizustellen.<br />
Art.23 Abs.2 S.2 Buchst.a S.3 i.V.m. S.1 DBA-NOR,<br />
nach dem eine Besteuerung dieser Einkünfte aus norwegischen<br />
Quellen erfordert, dass sie „nach dem Abkommen<br />
im Königreich Norwegen besteuert werden können“, der<br />
Quellenstaat Norwegen aber nach Art.10 Abs.3 DBA-<br />
NOR „keine Steuern auf Dividenden erheben“ kann, steht<br />
dem nicht entgegen.<br />
Der Ausschluss des norwegischen Quellenbesteuerungsrechts<br />
bedeutet, dass das Königreich Norwegen nach diesem<br />
Abkommen nicht die nach Deutschland ausgeschütteten<br />
Schachteldividenden besteuern darf. In diesem Sinne<br />
wird in dem vergleichbaren Fall einer nach Deutschland<br />
ausgeschütteten Schachteldividende aus französischen<br />
Quellen statt der Formulierung „kann ... keine Steuer auf<br />
Dividenden erheben“ die Formulierung gebraucht „können<br />
... nicht besteuert werden“.<br />
Nach der Rspr. des BFH (nicht im BStBl. veröffentlichtes<br />
Urt. des BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, <strong>GmbH</strong>R 2010,<br />
1004, mit Verweis auf BFH v. 29.5.1996 – I R 21/95,<br />
BStBl. II 1997, 64) stellt der Methodenartikel aber „nur<br />
auf die allgemeine Quellenbesteuerungsnorm ... und nicht<br />
auf die Sondervorschrift“ der Quellensteuerbefreiung ab.<br />
Sinn dieser Regelung ist es, bei verbundenen Unternehmen<br />
die zwischengesellschaftlichen Zahlungsflüsse weitgehend<br />
oder – wie im vorliegenden Fall – ganz von der<br />
Besteuerung freizustellen und sie auf die im Quellenstaat<br />
erzielten Einkünfte zu beschränken.<br />
<strong>Die</strong>ses Schreiben wird im BStBl. I veröffentlicht.
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das Arbeitsverhältnis bereits beendet sei. Klageweise verlangt<br />
der Kläger nun von der Beklagten Einsicht in seine<br />
Personalakte.<br />
Das BAG hat dem Antrag, entgegen den Vorinstanzen,<br />
stattgegeben, so dass die Beklagte dem Kläger Einsicht in<br />
seine Personalakte zu gewähren hatte. Der Arbeitgeber<br />
habe im Rahmen seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht<br />
(§241 Abs.2 BGB) auf das Wohl und die berechtigten<br />
Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.<br />
Hierzu zähle auch das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht<br />
des Arbeitnehmers resultierende Recht auf informationelle<br />
Selbstbestimmung. Daraus folge, dass der Arbeitnehmer<br />
auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
ein berechtigtes Interesse daran habe, den Inhalt seiner<br />
fortgeführten Personalakte auf ihren Wahrheitsgehalt zu<br />
überprüfen. <strong>Die</strong>ser Anspruch stütze sich jedoch nicht auf<br />
§32 BDSG, da die dort geregelten Ansprüche auf Auskunft<br />
und Einsicht noch nicht für nur in Papierform dokumentierte<br />
personenbezogene Daten gelte.<br />
Zurzeit befindet sich ein entsprechendes Änderungsgesetz<br />
in der parlamentarischen Beratung.<br />
– ckh –<br />
Fristlose Kündigung wegen des Verdachts des<br />
Pfandbonmissbrauchs<br />
Das ArbG Berlin hatte sich in seiner Entscheidung vom<br />
28.9.2010–1Ca5421/10miteinerfristlosenKündigungwegen<br />
des Verdachts des Pfandbonmissbrauchs auseinanderzusetzen.<br />
Nach der aktuellen sog. „Emmely-Entscheidung“<br />
des BAG vom 10.6.2010 – 2 AZR 541/09 (dazu <strong>GmbH</strong>R 2010,<br />
R218) kommt dieser Entscheidungen insoweit besondere<br />
Bedeutung zu, als zu beobachten ist, wie die Instanzgerichte<br />
mit der Entscheidung des BAG umgehen.<br />
In dem vorliegenden Fall bezichtigte die Beklagte den Kläger,<br />
einen als Verkäufer mit Kassentätigkeit seit 17 Jahren<br />
beschäftigten Arbeitnehmer, manuell Pfandbons erstellt zu<br />
haben, ohne dass dem ein tatsächlicher Kassiervorgang<br />
gegenübergestanden hätte, und das entsprechende Geld<br />
(2,003 und 4,063) durch den Kläger eingenommen worden<br />
sei.<br />
Das ArbG Berlin hat der Kündigungsschutzklage nicht<br />
stattgegeben. Das Gericht hat diesbezüglich einen dringenden<br />
Tatverdacht angenommen und u.a. darauf abgestellt,<br />
dass der Kläger gegenüber der Beklagten und auch<br />
im Prozess jeweils wechselnde Darstellungen des Sachverhalts<br />
angegeben hat. Aufgrund dessen sei sein gesamtes<br />
Vorbringen unglaubwürdig. Im Rahmen der Interessenabwägung<br />
sei zwar zugunsten des Klägers die 17-jährige<br />
Beschäftigungszeit, dies insbesondere unter Berücksichtigung<br />
der neuen Rechtsprechung des BAG, zu berücksichtigen.<br />
Jedoch habe maßgeblich gegen den Kläger gesprochen,<br />
dass er als Verkäufer mit Kassentätigkeit im originären<br />
Kernbereich seiner Tätigkeit derartige dringende Verdachtsmomente<br />
gesetzt habe. In diesem Zusammenhang<br />
könne auch der relativ geringe Schadensbetrag (2,003 und<br />
4,063) nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. <strong>Die</strong>-<br />
se Entscheidung erscheint mit der neuen Rechtsprechung<br />
des BAG vereinbar, da sie dem vom BAG aufgestellten Prüfungsschema<br />
entspricht und insbesondere eine nachvollziehbare<br />
Interessenabwägung vornimmt.<br />
– ckh –<br />
Europa-Praxis<br />
1/2011x R10<br />
Jochen Clausnitzer, Rechtsanwalt, Deutscher Industrieund<br />
Handelskammertag (DIHK), Brüssel<br />
EuGH stellt erneut Verstoß gegen Kapitalverkehrsfreiheit<br />
durch „Golden Shares“ fest<br />
<strong>Die</strong> Regelungen des portugiesischen Rechts über die Privatisierung<br />
(Lei Quadro das Privatizações) bzw.diedarauf<br />
basierenden Verordnungen verstoßen gegen Art.56 EG. Sie<br />
ermöglichen dem portugiesischen Unternehmen Energias<br />
de Portugal (EDP) Satzungsregelungen, um dem portugiesischen<br />
Staat bzw. anderer öffentlicher Einrichtungen Sonderaktien<br />
einzuräumen, die Portugal auch aufrechterhält<br />
(EuGH v. 11.11.2010 – C-543/08).<br />
<strong>Die</strong> EU-Kommission hatte das Vertragsverletzungsverfahren<br />
gegen die Portugiesische Republik eingeleitet. Das portugiesische<br />
Recht über die Privatisierung ermöglicht Satzungsregelungen<br />
für sog. „Golden Shares“, die im Eigentum<br />
des Staats stehen, in zu privatisierenden Gesellschaften.<br />
Voraussetzung hierfür sind Gründe des nationalen Interesses.<br />
<strong>Die</strong>se Sonderaktien enthalten ein Vetorecht des<br />
Staats u.a. bei Satzungsänderungen, ein Widerspruchsrecht<br />
bei der Wahl der Verwaltungsratsmitglieder und ein<br />
Recht, eine andere Person als Verwaltungsratsmitglied zu<br />
benennen. Darüber hinaus enthält die Satzung eine Begrenzung<br />
der Stimmrechte jedes Aktionärs, mit Ausnahme<br />
des Staats, auf höchstens 5%.<br />
Der EuGH sieht in der Aufrechterhaltung der Sonderrechte<br />
durch Portugal eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit:<br />
Das Vetorecht gibt Portugal bei einer Beteiligung von<br />
„nur“ 25,73% eine maßgebliche Einflussnahme bzw. Kontrollmöglichkeit.<br />
<strong>Die</strong>se könnte Wirtschaftsteilnehmer aus<br />
anderen Mitgliedstaaten von Investitionen (Direktinvestitionen,<br />
Portfolioinvestitionen) abhalten, denn sie können nicht<br />
entsprechend ihrer Beteiligung an dem Unternehmen Einfluss<br />
ausüben. <strong>Die</strong> Begrenzung der Stimmrechte auf<br />
höchstens 5% (unter Ausnahme des portugiesischen<br />
Staats) und das Recht des portugiesischen Staats, ein Verwaltungsratsmitglied<br />
zu bestimmen, schränkt die Möglichkeit<br />
anderer Aktionäre ebenfalls ein und kann Direktinvestitionen<br />
von Anlegern anderer Mitgliedstaaten unattraktiv<br />
machen. Eine Rechtfertigung ist dem EuGH zufolge nicht<br />
gegeben bzw. würde gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />
verstoßen.<br />
Im Juli hatte der EuGH bereits die Goldenen Aktien der<br />
portugiesischen Regierung an der Portugal Telecom SGPS<br />
SA für unzulässig erklärt (EuGH v. 8.7.2010 – C-171/08).<br />
Annika Böhm, Rechtsanwältin, DIHK Berlin
Offenlegung des Engagements in Umweltund<br />
sozialen Bereichen im Lagebericht<br />
<strong>Die</strong> EU-Kommission überlegt, ob die Unternehmen stärker<br />
dazu verpflichtet werden sollten, in ihren Jahresabschlüssen<br />
alle nichtfinanziellen Engagements etwa für den Umweltschutz<br />
oder soziale Belange offenzulegen. <strong>Die</strong>s soll ein<br />
nachhaltiges Wirtschaftswachstum fördern. An der Online-<br />
Konsultation der EU-Kommission kann bis zum 24.1.2011<br />
teilgenommen werden.<br />
<strong>Die</strong> EU-Kommission erwägt auf Basis der Konsultation die<br />
4. Bilanzrichtlinie zu überarbeiten. Bisher sieht die 4. Bilanzrichtlinie<br />
in Art.46 Abs.1b vor, dass der Lagebericht, soweit<br />
dies für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses<br />
oder der Lage der Gesellschaft erforderlich<br />
ist, eine Analyse beinhaltet, die die wichtigsten finanziellen<br />
und – soweit angebracht – nichtfinanziellen<br />
Leistungsindikatoren, die für die betreffende Geschäftstätigkeit<br />
von Bedeutung sind, einschließlich Informationen in<br />
Bezug auf Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, enthält.<br />
Nach der Richtlinie können die Mitgliedstaaten kleine Kapitalgesellschaften<br />
vom Lagebericht insgesamt und mittlere<br />
Gesellschaften von der Analyse der finanziellen und der<br />
nichtfinanziellen Leistungsindikatoren befreien.<br />
<strong>Die</strong> vorliegende Online-Konsultation thematisiert, ob die aktuelle<br />
Offenlegung der Untenehmen ausreichend ist bzw.<br />
erweitert werden sollte mit Informationen über Corporate<br />
Social Responsibility, Geschäftsrisiken aus Sozial- und Umweltbelangen,<br />
Informationen zu Arbeitnehmerbeschäftigung<br />
(u.a. Weiterbildungspolitik für Arbeitnehmer, Gleichstellung,<br />
Vielfalt, Kundenzufriedenheit etc.), Angaben zu Forschung<br />
und Entwicklung, Angaben zur Umweltpolitik,<br />
Wahrnehmung des Unternehmens in der Öffentlichkeit,<br />
Achtung der Menschenrechte oder über Risiken, die mit<br />
Korruption und Bestechung verbunden sind bzw. die Strategien<br />
dagegen. Zudem wird gefragt, ob die Kosten und<br />
Vorteile der aktuellen Offenlegung von ökologischen und<br />
sozialen Informationen bereits bekannt sind, welche zusätzlichen<br />
Informationen verpflichtend erfolgen bzw. für welche<br />
Unternehmen sie verpflichtend werden sollten, ob sie von<br />
Wirtschaftsprüfern geprüft werden oder auch, ob eine EU-<br />
Maßnahme über solche Informationen Grundsätze und/<br />
oder wesentliche Leistungsindikatoren enthalten sollte.<br />
Teilweise decken sich die Fragen auch mit jenen aus dem<br />
Grünbuch Wirtschaftsprüfung.<br />
Annika Böhm, Rechtsanwältin, DIHK Berlin<br />
EU-Kommission will Anlegerschutz beim Kauf<br />
von Kleinanlegerprodukten verbessern<br />
<strong>Die</strong> Generaldirektion Binnenmarkt und <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
der Europäische Kommission hat am 26.11.2010 eine Konsultation<br />
zur Verbesserung des Anlegerschutzes beim Kauf<br />
von Kleinanlegerprodukten (Packaged Retail Investment<br />
Products – PRIPs) veröffentlicht. So sollen die Regeln für<br />
Vertrieb und Information für alle Kleinanlegerprodukte vereinheitlicht<br />
werden. Bei der Konsultation soll geklärt wer-<br />
den, für welche Produkte die gleichen Bestimmungen gelten<br />
sollen. So werden z.B. Investmentfonds, strukturierte<br />
Wertpapiere, strukturierte Cash-Konten und fondsgestützte<br />
Lebensversicherungen genannt. Auch für Rentenpapiere<br />
wird diese Frage aufgeworfen.<br />
Bei den Informationspflichten will sich die Kommission an<br />
den Produktinformationsblättern (Key Investor Information<br />
Documents) der Investmentfondsrichtlinie orientieren. <strong>Die</strong><br />
Vertriebsregeln sollen im Zuge der für das 2. Quartal 2011<br />
vorgesehenen Überarbeitung der Finanzmarktrichtlinie (Mi-<br />
FID) bzw. im Rahmen der geplanten Überarbeitung der Versicherungsvermittlerrichtlinie<br />
angepasst werden.<br />
Zusammen mit der Konsultation ist auch eine Studie über<br />
Kosten und Nutzen der Einführung eines MiFID ähnlichen<br />
Regelungswerkes für den Vertrieb von bestimmten Versicherungsprodukten<br />
veröffentlicht worden. <strong>Die</strong> Kosten für<br />
die Versicherungsvermittler, Versicherungen und Banken<br />
werden auf insgesamt 350–550Mio.3 geschätzt.<br />
–jc–<br />
Kompromiss zur Sprachenfrage beim<br />
EU-Patenterneutgescheitert<br />
Spanien und Italien haben beim Wettbewerbsfähigkeitsrat<br />
am 10.11.2010 erneut ihre Position bekräftigt, auf Patentübersetzungen<br />
in ihre Sprachen zu bestehen. Sie haben damit<br />
die Verhandlungen und den Weg zu einem gemeinsamen<br />
EU-Patent (früher Gemeinschaftspatent) erneut blockiert.<br />
<strong>Die</strong> belgische Ratspräsidentschaft hatte es sich zur Aufgabe<br />
gemacht, die rechtlichen und sprachlichen Probleme<br />
für die Schaffung eines EU-Patents zu beseitigen. <strong>Die</strong> Belgier<br />
haben diesbezüglich schon mehrere Anläufe unternommen.<br />
Auch der als aussichtsreich angesehene letzte<br />
Kompromissvorschlag wurde nunmehr abgelehnt. Damit<br />
ist das Inkrafttreten der Regeln zur Schaffung EU-Patents<br />
weiter fraglich. Als nächster Schritt wird wohl eine verstärkte<br />
gemeinsame Zusammenarbeit der Staaten in dieser Frage<br />
geprüft werden müssen, die sich ein Drei-Sprachen-Regime<br />
– wie beim jetzigen europäischen Patent – vorstellen<br />
können. <strong>Die</strong>s würde bedeuten, dass mindestens neun EU-<br />
Länder ein solches Vorgehen beschließen müssten.<br />
Doris Möller, Rechtsanwältin, DIHK Berlin<br />
EU-Parlament beurteilt ACTA-Abkommen<br />
positiv<br />
1/2011x R11<br />
Am 24.11.2010 hat das Europäische Parlament auf seiner<br />
Sitzung in Straßburg eine positive Entschließung zum<br />
Übereinkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie<br />
(ACTA) abgegeben (P7_TA-PROV[2010]0432).<br />
Nach der heftigen Kritik im Vorfeld, die sich vor allem auf<br />
die Verhandlungsführung und die nicht-öffentliche Diskussion<br />
dazu konzentrierte, scheint dadurch der Weg für dieses<br />
internationale Abkommen näher gerückt. Schon vor<br />
dem Abschluss der Verhandlungen wurden durch Veröffentlichung<br />
des Verhandlungsstands die Kritiker besänftigt.
<strong>Die</strong>se befürchteten, dass der Text des Abkommens über<br />
die bestehenden europäischen Regeln hinaus reichen<br />
würde. <strong>Die</strong>s ist nicht geschehen. <strong>Die</strong> Entschließung begrüßt<br />
daher insbesondere in Ziff.4, dass das Verfahren der<br />
Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums im digitalen<br />
Umfeld vollständig dem gemeinschaftlichen Besitzstand<br />
entspricht und weder Personendurchsuchungen<br />
noch das sog. Three-Strikes-Verfahren (nach dreimaliger<br />
Verwarnung Abschaltung vom Internet) in das Abkommen<br />
Einzug hielten. Der EVP-Abgeordnete Daniel Caspary betonte<br />
in einer Pressemeldung: „ACTA sei ein Instrument zur<br />
Steigerung der Wirksamkeit der bisherigen Normen, vor allem<br />
für einen besseren Schutz vor Verstößen gegen Urheberrechte,<br />
Marken, Patente, Muster und geografische Herkunftsangaben“.<br />
Allerdings müssen auch noch die EU-Mitgliedstaaten<br />
das Abkommen billigen und ratifizieren. Ob<br />
und wie viele Staaten außerhalb der an den Verhandlungen<br />
Beteiligten das Abkommen letztlich zeichnen werden,<br />
bleibt abzuwarten. Nur wenn eine bedeutende Anzahl<br />
auch von Schwellen- und Entwicklungsländern sich mit<br />
den Regelungen einverstanden erklärt, dürfte das Ziel, europäische<br />
Unternehmen und ihre Waren weltweit besser<br />
vor Marken- und Produktpiraterie zu schützen, erreicht werden.<br />
Doris Möller, Rechtsanwältin, DIHK Berlin<br />
EU-Kommission veröffentlicht Strategie zur<br />
Überarbeitung der EG-Datenschutz-Richtlinie<br />
Am 4.11.2010 stellte die EU-Kommission ihre neue Strategie<br />
zum Schutz personenbezogener Daten in der EU<br />
(KOM[2010]609 endgültig) vor. Ein konkreter Richtlinienvorschlag<br />
ist für das nächste Jahr angekündigt. Bis zum<br />
15.1.2011 kann zu der neuen Strategie im Rahmen einer öffentlichen<br />
Konsultation Stellung genommen werden.<br />
Folgende Punkte sieht die EU-Kommission als möglichen<br />
Regelungsinhalt einer novellierten Richtlinie an:<br />
– Anpassung an neue Technologien<br />
– Verbesserung des Datentransfers in Drittländer<br />
– Stärkung der Datenschutzaufsicht<br />
– Vereinfachung von Aufsichtstätigkeiten innerhalb der<br />
EU<br />
– Vereinheitlichung des Rechtrahmens auf EU-Ebene<br />
– Erhöhung der Transparenz der Datenverarbeitung<br />
– Informationspflicht bei Verstößen<br />
– Stärkung des Rechts auf Datenzugang, Berichtigung,<br />
Sperren und Löschen<br />
– Stärkung des Grundsatzes der Datensparsamkeit/-vermeidung<br />
– „Recht auf Vergessen“<br />
– Verbesserung des Datentransports von einem Service<br />
zum einem anderen<br />
– Stärkung der Datenschutzkompetenz insbesondere bei<br />
jüngeren Menschen<br />
– Stärkung der Einwilligung<br />
– Überprüfung der Definition der sensiblen Daten<br />
– Klagerecht für die Datenschutzaufsicht und Verbände<br />
– Einführung strafrechtlicher Sanktionen, die über bisherige<br />
Buß- bzw. Ordnungsgeldvorschriften hinaus gehen<br />
– Verbesserung der Gültigkeit von aufsichtsbehördlichen<br />
Maßnahmen<br />
– Stärkung der Verbindlichkeit der aufsichtsbehördlichen<br />
Maßnahmen auf EU-Ebene<br />
– Stärkung der Verantwortlichkeit der verantwortlichen<br />
Stelle<br />
– Einführung eines Gütesiegels<br />
– Stärkung des Datenschutzes in Drittländern und Verbesserung<br />
der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen<br />
Annette Karstedt-Meierrieks, DIHK Berlin<br />
Stellungnahme des EU-Parlaments zur<br />
Umsetzung des Stockholmer Programms<br />
1/2011x R12<br />
Das Europäische Parlament hat am 23.11.2010 einen Bericht<br />
zu zivil-, handels- und familienrechtlichen Aspekten<br />
sowie zu Aspekten des internationalen Privatrechts des Aktionsplans<br />
zur Umsetzung des Stockholmer Programms<br />
verabschiedet (P7_TA-PROV[2010]0426).<br />
<strong>Die</strong> Abgeordneten beglückwünschen die Europäische<br />
Kommission zu dem Aktionsplan und nehmen u.a. zu einzelnen<br />
Aspekten im Bereich des Zivilrechts und des internationalen<br />
Privatrechts Stellung.<br />
<strong>Die</strong> Initiative der Kommission für ein europäisches Vertragsrechtsinstrument,<br />
das von Vertragsparteien auf freiwilliger<br />
Basis angewandt werden kann, wird unterstützt. Auch eine<br />
Gesetzesinitiative für eine Verordnung zur effizienteren Vollstreckung<br />
von Urteilen in der Europäischen Union betreffend<br />
die Transparenz von Schuldnervermögen und eine<br />
ähnliche Verordnung zur Kontenpfändung wird begrüßt.<br />
Außerdem solle ein eigenständiges europäisches Rechtsmittel<br />
geschaffen werden, das dem Offenlegen und/oder<br />
Einfrieren von Vermögen in grenzüberschreitenden Fällen<br />
dienen würde.<br />
<strong>Die</strong> Parlamentarier fordern die Kommission und die Mitgliedstaaten<br />
auf, für eine einheitlichere Anwendung der<br />
EU-Rechtsvorschriften zu sorgen, um das Funktionieren<br />
des Binnenmarkts und des freien Wettbewerbs zu gewährleisten.<br />
Zudem solle eine schnelle Lösung grenzüberschreitender<br />
Handelsprobleme für Verbraucherkäufe im Internet gefunden<br />
werden. Das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmer<br />
in den grenzüberschreitenden elektronischen Handel<br />
solle auch durch den verstärkten Kampf gegen Computer-
kriminalität und Fälschungen erhöht werden. Weiterhin wird<br />
die Entwicklung einer Europäischen Charta der Verbraucherrechte<br />
im Bereich der Online-<strong>Die</strong>nste und des elektronischen<br />
Geschäftsverkehrs gefordert.<br />
Mit Verweis auf das Cartesio-Urteil des EuGH vom<br />
16.12.2008 – Rs. C-210/06, <strong>GmbH</strong>R 2009, 86 m. Komm.<br />
W.Meilicke wird die Europäische Kommission aufgefordert,<br />
bestehende Lücken im Bereich des internationalen Gesellschaftsrechts<br />
zu schließen.<br />
Nachdrücklich wird die Europäische Kommission aufgefordert,<br />
das Projekt eines internationalen Gerichtsstandsübereinkommens<br />
wiederzubeleben.<br />
–jc–<br />
Konsultation zur Versicherungsvermittlerrichtlinie<br />
(IMD II)<br />
<strong>Die</strong> Europäische Kommission führt eine öffentliche Konsultation<br />
zur Revision der Versicherungsvermittlerrichtlinie (RiLi<br />
2002/92/EG) durch. Als Grundlage für die Konsultation und<br />
Diskussion hat die Generaldirektion Binnenmarkt und<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen (GD MARKT) ein Arbeitsdokument mit<br />
Vorschlägen erstellt, welches sie auf ihrer Internetseite veröffentlicht<br />
hat. <strong>Die</strong> Konsultationsfrist läuft vom 26.11.2010 bis<br />
zum 31.1.2011. Alle interessierten Gruppen, wie öffentliche<br />
Einrichtungen, Verbände und Bürger, sind eingeladen, auf<br />
die in dem Diskussionspapier dargestellten Fragen zu antworten.<br />
<strong>Die</strong> EU-Kommission hat mit dem Call for Advice vom Januar<br />
2010 den Ausschuss der europäischen Versicherungsaufsichtsbehörden<br />
(Committee of European Insurance and<br />
Occupational Pensions Supervisors – CEIOPS) um Stellungnahme<br />
zur geplanten Revision der Versicherungsvermittlerrichtlinie<br />
gebeten. Dazu wurden bei CEIOPS Unterarbeitsgruppen<br />
für die Bereiche „Rechtsrahmen/Berufsqualifikation“,<br />
„Verbraucherschutz/Konfliktmanagement“ und<br />
„Sonstiges/Notifizierungsverfahren“ eingesetzt, die Diskussionspapiere<br />
zu diesen Themen vorbereitet haben. Auf den<br />
Vorarbeiten dieser Gruppen basiert das nun veröffentlichte<br />
Arbeitsdokument.<br />
Dr. Mona Moraht, Rechtsanwältin, DIHK Berlin<br />
Wirtschafts-Praxis<br />
Marianne Gajo, Dipl.-Verw. Wiss., Spaichingen<br />
Eigenkapitalquoten der österreichischen<br />
Mittelständler<br />
<strong>Die</strong> österreichische Forschungseinrichtung im Bereich<br />
Klein- und Mittelbetriebe, die KMU Forschung Austria, hat<br />
eine Auswertung ihrer Bilanzdatenbank vorgenommen, um<br />
die Eigenkapitalausstattung der kleinen und mittleren Unternehmen<br />
(KMU) in Österreich darzustellen. Für das Jahr<br />
2008/09 (Bilanzen mit Stichtagen zwischen 1.7.2008 und<br />
30.6.2009) wurden insgesamt rund 54.800 Bilanzen von<br />
KMU und etwa 1.300 Bilanzen von Großbetrieben ausgewertet.<br />
<strong>Die</strong> Datenbankauswertung hat gezeigt, dass die Eigenkapitalquote<br />
im Bilanzjahr 2008/09 im Durchschnitt<br />
rund 25% betrug. Im Vergleich zum Vorjahr hat ein Anstieg<br />
der Eigenmittelausstattung um rund 1,3 Prozentpunkte<br />
stattgefunden. Eine Betrachtung nach Größenklassen hat<br />
ergeben, dass die Kleinstbetriebe (mit weniger als 10 Beschäftigten)<br />
2008/09 mit einer Eigenkapitalquote von rund<br />
11% deutlich unter dem Durchschnitt lagen. <strong>Die</strong> Kleinbetriebe<br />
(Unternehmen mit 10–50 Mitarbeiter) mussten zwischen<br />
2007/08 und 2008/09 im Durchschnitt einen geringen<br />
Rückgang der Eigenkapitalquote von 19,9% auf 19,4%<br />
verzeichnen. Im Segment der Mittelbetriebe (50–250 Mitarbeiter)<br />
stieg die Eigenkapitalquote dagegen von 29,6% auf<br />
31,3% an. Bei den Großbetrieben (über 250 Mitarbeiter)<br />
kam es hingegen zu einem Rückgang der Eigenkapitalausstattung<br />
um 2,8 Prozentpunkte, was das Forschungsinstitut<br />
vor allem auf die rückläufige Ertragskraft zurückführt.<br />
Rund 35% der KMU verfügten über kein Eigenkapital. Besonders<br />
häufig betroffen davon waren Kleinstunternehmen.<br />
Im längerfristigen Vergleich (seit 2004/05) hat sich gezeigt,<br />
dass der Anteil der KMU mit negativem Eigenkapital um<br />
rund 6 Prozentpunkte gesunken ist.<br />
Geschäftsführer-Demografie 2010<br />
1/2011x R13<br />
Eigenkapitalquote der österreichischen Unternehmen nach<br />
Größenklassen<br />
Eigenkapitalquote = Eigenkapital in % des Gesamtkapitals<br />
Quelle: KMU FORSCHUNG AUSTRIA, Bilanzdatenbank, Pressemitteilung<br />
vom 9.11.2010.<br />
<strong>Die</strong> Wirtschaftsauskunftei Bürgel hat eine neue Ausgabe ihrer<br />
Untersuchung zur Geschäftsführer-Demographie publiziert.<br />
Demnach arbeiten die meisten Geschäftsführer in<br />
Nordrhein-Westfalen. Das entspricht 236.882 der bundesweit<br />
insgesamt analysierten 1.020.302 Führungspersonen.<br />
Auf den weiteren Plätzen folgen Bayern (170.103), Baden-<br />
Württemberg (129.260) und Niedersachsen (86.488). Im Verhältnis<br />
zur Einwohnerdichte liegt Hamburg im Vergleich<br />
vorne. Jeder 50. Einwohner im Hamburg (2,0%) ist ein Geschäftsführer.<br />
Der Bundesdurchschnitt liegt bei 1,2%. Den<br />
geringsten Geschäftsführer-Anteil an der Bevölkerung halten<br />
Thüringen (0,8%) und Sachsen-Anhalt (0,9%).<br />
Im Durchschnitt ist der Geschäftsführer eines deutschen<br />
Unternehmens 51,1 Jahre alt. Das Durchschnittsalter bei<br />
den weiblichen Unternehmensführern liegt bei 50,6 Jahren,<br />
bei den männlichen Geschäftsführern sind es 51,3 Jahre.
Dabei finden sich in Bremen die ältesten Geschäftsführer<br />
mit einem Durchschnittsalter von 53,6 Jahren und in Berlin<br />
die jüngsten mit 49,8 Jahren. Unabhängig vom Geschlecht<br />
stellt die Gruppe der 45- bis 49-Jährigen das stärkste Geschäftsführersegment<br />
mit 183.988 Personen (18,0%). <strong>Die</strong><br />
zweitstärkste Gruppe der 40- bis 44-Jährigen umfasst<br />
15,2%. Das entspricht 155.336 Geschäftsführern. <strong>Die</strong> 18- bis<br />
24-Jährigen halten mit 4.753 Geschäftsführern lediglich einen<br />
Anteil von 0,5%. Bei den Über-75-Jährigen sind es immerhin<br />
noch 2,9% bzw. 30.032 Personen.<br />
Durchschnittsalter der Geschäftsführer (in Jahren)<br />
Quelle: Bürgel Wirtschaftsinformationen: Geschäftsführer-Demografie<br />
2010.<br />
Insgesamt gibt es fast fünfmal mehr männliche (83,2%) als<br />
weibliche Geschäftsführer. <strong>Die</strong> Bürgel-Auswertung weist<br />
insgesamt 848.866 männliche Firmenchefs aus und<br />
171.436 weibliche. Über den geringsten Geschäftsführerinnen-Anteil<br />
verfügt Bremen mit 15,2%, über den höchsten<br />
Berlin mit einer Quote von 18,8%. Während der Anteil an<br />
Firmenchefinnen in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen mit<br />
23,1% am größten ist, nimmt der Frauenanteil in jeder weiteren<br />
Altersgruppe bis hin zu den Über-75-Jährigen ab.<br />
Anteil weiblicher Führungskräfte pro Altersgruppe<br />
Quelle: Bürgel Wirtschaftsinformationen: Geschäftsführer-Demografie<br />
2010.<br />
Zeitschriftenspiegel<br />
Gesellschaftsrecht<br />
Berninger, Keine Haftung des atypisch stillen Gesellschafters<br />
im Außenverhältnis für Verbindlichkeiten des Handelsgeschäftsinhabers<br />
nach §§128,171 HGB. Zugleich eine Anmerkung<br />
zum Beschluss des BGH vom 1.3.2010 – II ZR<br />
249/08, DStR 2010, 1489 [= <strong>GmbH</strong>R 2010, 814], DStR46/<br />
2010, 2359ff.<br />
Brand/Reschke, <strong>Die</strong> Firmenbestattung im Lichte des §283<br />
Abs.1 Nr.8 StGB. Zugleich Besprechung BGH v. 24.3.2009<br />
– 5 StR 353/08, ZIP 2010, 471, ZIP 44/2010, 2134ff.<br />
Burkhardt/Costa, Vorabausschüttungen einer <strong>GmbH</strong> – Gestaltungsmöglichkeiten,<br />
BBK 23/2010,1140ff.<br />
Fleischer/Schneider, Zulässigkeit und Grenzen von Shoot-<br />
Out-Klauseln im Personengesellschafts- und <strong>GmbH</strong>-Recht,<br />
DB 49/2010, 2713ff.<br />
Priester, Wann endet das Sonderrecht der UG (haftungsbeschränkt)?<br />
Bemerkungen aus Anlass der Entscheidung<br />
OLG München v. 23.9.2010 – 31 Wx 149/10, ZIP 2010, 1991<br />
[= <strong>GmbH</strong>R 2010, 1210 m. Komm. Klose], ZIP 45/2010,<br />
2182ff.<br />
Ring/Olsen-Ring, Das neue dänische Gesellschaftsgesetz,<br />
IWB 23/2010, 865ff.<br />
Rönnau/Krezer, Darlehensverrechnungen im Cash-Pool –<br />
nach Inkrafttreten des MoMiG auch ein Untreue-Risiko<br />
(§266 StGB)?, ZIP 47/2010, 2269ff.<br />
Sernetz, Anrechnung und Bereicherung bei der verdeckten<br />
Sacheinlage, ZIP 45/2010, 2173ff.<br />
Werner, Der zwangsweise Ausschluss eines Gesellschafters<br />
aus der <strong>GmbH</strong>, NWB 47/2010, 3810ff.<br />
Steuerrecht<br />
1/2011x R14<br />
Bareis, Ordnungsmäßige Buchführung für vGA anstelle<br />
„außerbilanzieller Korrekturen“, DB 48/2010, 2637ff.<br />
Honert/Obser, Wann ist die Beteiligung an der Komplementär-<strong>GmbH</strong><br />
funktional wesentliche Betriebsgrundlage?,<br />
EStB 11/2010, 432ff.<br />
Hubertus/Fürwentsches, Das Körperschaftsteuerguthaben<br />
in der Insolvenz, DStR 47/2010, 2382ff.<br />
Janssen, Ein gefährlicher Irrtum bei Pensionszusagen –<br />
Entwarnung, NWB 49/2010, 4027ff.<br />
Lang, Aufwand auf inländische Gesellschafterdarlehen,<br />
NWB 47/2010, 3798ff.<br />
Lohr/Görges, Probleme und Zukunft der Organschaft, DB<br />
47/2010, 2576ff.<br />
Martini/Valta, Verdeckte Gewinnausschüttungen durch den<br />
Erwerb aktivierungspflichtiger Wirtschaftsgüter, DStR 46/<br />
2010, 2329ff.
Mutscher, Anwendungsbereich der fiktiven Steueranrechnung<br />
im UmwStG, IStR 22/2010, 820ff.<br />
Prinz, Steuerbilanzielle Korrekturnormen im Blickpunkt: Zur<br />
„fehlerfreien“ Gewinnermittlung, DB 48/2010, 2634ff.<br />
Richer/Heyd, <strong>Die</strong> Bedeutung des EuGH-Urteils in der Rs.<br />
Cartesio [<strong>GmbH</strong>R 2009, 86 m. Komm. W.Meilicke] für die<br />
deutsche Wegzugsbesteuerung unter besonderer Beachtung<br />
des grenzüberschreitenden Rechtsformwechsels,<br />
StuW 4/2010, 367ff.<br />
Schaumburg/Bäuml, Organschaft und Gewerbesteueranrechnung,<br />
FR 23/2010,1061ff.<br />
Scheffler/Krebs, Einfluss der Besteuerung von privaten Dividenden,<br />
Veräußerungsgewinnen und Zinsen auf die Unternehmensfinanzierung<br />
, IStR 23/2010,859ff.<br />
Spengel/Matenaer, Grenzüberschreitende Verrechnung<br />
von Betriebsstättenverlusten – ein kritischer Vergleich der<br />
EuGH-Rechtsprechung, IStR 22/2010, 817ff.<br />
Tagungshinweise<br />
Kolloquium „Aktuelle Rechtsfragen der<br />
Gesellschafterliste“<br />
Das Kolloquium des Instituts für Notarrecht an der Friedrich-Schiller-UniversitätJenafindetstattam<br />
Freitag, 28. Januar 2011, um 15:00 Uhr<br />
im Alten Schloss Dornburg, Dornburger Schlösser, Max-<br />
Krehan-Str. 4, 07778 Dornburg.<br />
Folgende Vorträge werden gehalten:<br />
– Dr. Marc Löbbe, Rechtsanwalt (SZA), Mannheim: „<strong>Die</strong><br />
Voraussetzungen der Legitimationswirkung nach §16<br />
Abs.1 S.1 <strong>GmbH</strong>G – Probleme und Perspektiven der<br />
Rechtsanwendung“<br />
– Dr. Johannes Schüßler, Hamburg: „Der gutgläubige Erwerb<br />
von <strong>GmbH</strong>-Anteilen“<br />
– Dr. Hartmut Wicke, LL.M., Notar, München: „Prüfungspflichten<br />
und Gestaltungsfragen bei der notariellen Gesellschafterliste<br />
gem. §40 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G“<br />
Information und Anmeldung: Institut für Notarrecht an der<br />
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Carl-Zeiß-Straße 3, 07743<br />
Jena; Telefon: 03641/942510, Telefax: 03641/942512; E-Mail:<br />
notarinstitut@uni-jena.de<br />
<strong>Die</strong> Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei.<br />
1/2011x R15<br />
Hamburger Forum für Unternehmensteuerrecht<br />
2011<br />
Das Hamburger Forum für Unternehmensteuerrecht 2011<br />
findet statt am<br />
Donnerstag, 17. Februar 2011, von 13.00 bis 18.30 Uhr (mit<br />
anschließendem Abendessen) und Freitag, 18. Februar<br />
2011, von 8.30 bis 17.45 Uhr<br />
in der Bucerius Law School, Jungiusstraße 6, 20355 Hamburg.<br />
<strong>Die</strong> 1,5-tägige Tagung steht unter der Schirmherrschaft von<br />
Prof.Dr.Dres.h.c.KarstenSchmidt, Präsident der Bucerius<br />
Law School, und Dr. Jan Grotheer, PräsidentdesFGHamburg<br />
a.D. Sie wird geleitet von Prof. Dr. Birgit Weitemeyer,Bucerius<br />
Law School Hamburg, Dr. Götz T. Wiese, Latham&<br />
Watkins LLP und Dr. Christian Ruoff, Freshfields Bruckhaus<br />
Deringer LLP. <strong>Die</strong> Referenten und Diskussionsteilnehmer aus<br />
der Finanzverwaltung, der Finanzgerichtsbarkeit, der Wirtschaft,<br />
der Beraterschaft und der wissenschaftlichen Lehre<br />
beschäftigen sich mit folgenden Themenblöcken:<br />
– Aktuelle Brennpunkte des nationalen und internationalen<br />
Unternehmensteuerrechts<br />
– Bilanzsteuerrecht und Besteuerung von Personengesellschaften<br />
– Körperschaft- und Umwandlungssteuerrecht<br />
Als Referenten und Diskussionsteilnehmer wirken mit:<br />
Peter Carstens (Otto <strong>GmbH</strong> & Co. KG), Dr. Andreas Herlinghaus<br />
(Richter am BFH), Prof. Dr. Ulrich Hufeld (Helmut-<br />
Schmidt-Universität der Bundeswehr), Prof. Dr. <strong>Die</strong>tmar<br />
Gosch (Vors. Richter am BFH), Dr. Christian Kaeser (Siemens<br />
AG), Dr. Andreas Körner (Volkswagen AG), Prof. Dr. Ursula<br />
Ley (Ebner Stolz Mönning Bachem), Regierungsdirektor<br />
Dr. Rolf Möhlenbrock (BMF), Dr. Helder Schnittker (Alpers<br />
& Stenger LLP), Dipl.-Finanzwirt (FH) Jan Uterhark<br />
(Richter am FG Hamburg), Prof. Dr. Christoph Urtz (Universität<br />
Salzburg), Dr. Sven-Christian Witt (Richter am FG Berlin-<br />
Brandenburg), Dipl.-Finanzwirt (FH) Torsten Zwirner (Finanzbehörde<br />
der Freien und Hansestadt Hamburg).<br />
Einzelheiten zum Programm unter:<br />
www.forum-unternehmensteuerrecht.de<br />
Tagungspreise: 4253, ermäßigter Preis für Studierende,<br />
Rechtsrefendare und Juniormitglieder 303 (begrenztes<br />
Kontingent), Tagungspreis für Mitglieder des Hamburger<br />
Forum für Unternehmensteuerrecht e.V. 3353.<br />
Information und Anmeldung: Hamburger Forum für Unternehmensteuerrecht<br />
e.V., c/o Bucerius Law School, Lehrstuhl<br />
für Steuerrecht, Frau Julia Theele, Jungiusstr. 6, 20355<br />
Hamburg. E-Mail: julia.theele@law-school.de, Tel. (040) 30<br />
706–270.
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