Update Unternehmensrecht - Die GmbH-Rundschau

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14.12.2012 Aufrufe

Aufsätze Heft 1 1. Januar 2011 S. 1–56 PVSt 6012 Prof. Dr. Karlheinz Küting/Prof. Dr. Peter Lorson/Raphael Eichenlaub/Dr. Marc Toebe – Die Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs.8 HGB 1 Dr. Gottfried E. Breuninger/Dr. Magnus Müller – Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach BilMoG. Steuerrechtliche Behandlung – Chaos perfekt? 10 Steffen Kögel – Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma einer GmbH 16 GmbH-Beratung Reinhard Stockum/Marc Sälzer – Kaufpreisraten bei Unternehmenskäufen. Das Abzinsungsgebot als steuerliches Minenfeld? 20 GmbHReport Dr. Götz Tobias Wiese – Wichtige Themen des Unternehmenssteuerrechts im Jahr 2011 – ein Ausblick R1 Rechtsprechung Haftung des Geschäftsführers: Darlegungsund Beweislast hinsichtlich Überschuldung bei Inanspruchnahme wegen Insolvenzverschleppung (BGH v. 18.10.2010 – Fleischgroßhandel – mit Komm. Dr. Jochen Blöse, MBA) 25 Anmeldung: Versicherung eines Geschäftsführers hinsichtlich eines Fehlens des Ausschlussgrundes der Betreuung (OLG Hamm v. 29.9.2010) 30 Organschaft: Kein ordnungsgemäß durchgeführter Ergebnisabführungsvertrag bei „vergessener“ Verrechnung mit vororganschaftlichen Verlusten (BFH v. 21.10.2010 mit Komm. Dr. Wolfgang Walter) 40 Doppelbesteuerung: Umqualifizierung von Zinsen in vGA als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot im DBA-Schweiz (BFH v. 8.9.2010) 46 Verwaltungsanweisungen Gewinnermittlung: Steuerermäßigung nach §35 EStG bei mehrstöckigen Personengesellschaften (BMF v. 25.11.2010) 55

Aufsätze<br />

Heft 1<br />

1. Januar 2011<br />

S. 1–56<br />

PVSt 6012<br />

Prof. Dr. Karlheinz Küting/Prof. Dr. Peter Lorson/Raphael<br />

Eichenlaub/Dr. Marc Toebe –<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen<br />

Bilanzrecht nach §268 Abs.8 HGB 1<br />

Dr. Gottfried E. Breuninger/Dr. Magnus Müller<br />

– Erwerb und Veräußerung eigener Anteile<br />

nach BilMoG. Steuerrechtliche Behandlung –<br />

Chaos perfekt? 10<br />

Steffen Kögel – Zulässigkeit von Fremdnamen<br />

und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma<br />

einer <strong>GmbH</strong> 16<br />

<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />

Reinhard Stockum/Marc Sälzer – Kaufpreisraten<br />

bei Unternehmenskäufen. Das Abzinsungsgebot<br />

als steuerliches Minenfeld? 20<br />

<strong>GmbH</strong>Report<br />

Dr. Götz Tobias Wiese – Wichtige Themen des<br />

Unternehmenssteuerrechts im Jahr 2011 – ein<br />

Ausblick R1<br />

Rechtsprechung<br />

Haftung des Geschäftsführers: Darlegungsund<br />

Beweislast hinsichtlich Überschuldung bei<br />

Inanspruchnahme wegen Insolvenzverschleppung<br />

(BGH v. 18.10.2010 – Fleischgroßhandel –<br />

mit Komm. Dr. Jochen Blöse, MBA) 25<br />

Anmeldung: Versicherung eines Geschäftsführers<br />

hinsichtlich eines Fehlens des Ausschlussgrundes<br />

der Betreuung (OLG Hamm v.<br />

29.9.2010) 30<br />

Organschaft: Kein ordnungsgemäß durchgeführter<br />

Ergebnisabführungsvertrag bei „vergessener“<br />

Verrechnung mit vororganschaftlichen<br />

Verlusten (BFH v. 21.10.2010 mit Komm. Dr. Wolfgang<br />

Walter) 40<br />

Doppelbesteuerung: Umqualifizierung von<br />

Zinsen in vGA als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot<br />

im DBA-Schweiz (BFH v.<br />

8.9.2010) 46<br />

Verwaltungsanweisungen<br />

Gewinnermittlung: Steuerermäßigung nach<br />

§35 EStG bei mehrstöckigen Personengesellschaften<br />

(BMF v. 25.11.2010) 55


Vordenker<br />

Nach der Jahrhundertreform des<br />

<strong>GmbH</strong>-Rechts durch das MoMiG<br />

werden sich Praktiker aller Berufsgruppen<br />

die Antworten auf die<br />

vielen neuen Rechtsfragen<br />

wieder aus diesem Kommentar<br />

holen. Seit über einem halben<br />

Jahrhundert ist er das Standardwerk,<br />

mit dem man in jedem Fall<br />

schnell und sicher zu einer<br />

fundierten Entscheidung kommt.<br />

Kompakt im Umfang, umfassend<br />

in der Problembehandlung:<br />

Unstreitiges in Kürze, offene<br />

Rechtsfragen werden mit der<br />

gebotenen Ausführlichkeit diskutiert<br />

und mit wissenschaftlicher<br />

Präzision wegweisend gelöst.<br />

<strong>Die</strong> angesehenen Autoren<br />

haben das jetzt geltende Recht<br />

komplett neu kommentiert,<br />

dabei auch jüngere Gesetze wie<br />

Lutter/Hommelhoff <strong>GmbH</strong>-Gesetz Kommentar. Von<br />

Prof. Dr. Walter Bayer, Prof. Dr. Dres. h.c. Peter Hommelhoff,<br />

Prof. Dr. Detlef Keindiek und Prof. Dr. Dr. h.c.<br />

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das BilMoG an allen einschlägigen<br />

Stellen eingearbeitet und damit<br />

den Umfang um ein Drittel ausgedehnt.<br />

Sie haben darüber hinaus zahlreiche<br />

BGH-Entscheidungen verarbeitet,<br />

die Kernbereiche der<br />

<strong>GmbH</strong> betreffen: zum Beispiel die<br />

Gründerhaftung, die Durchgriffshaftung,<br />

die Anteilsveräußerung,<br />

die verdeckte Gewinnausschüttung<br />

und die verdeckte Einlage.<br />

Neben kritischen Anmerkungen<br />

geben sie wertvolle Empfehlungen<br />

für die Gestaltungsberatung.<br />

Bestechend an diesem weit<br />

verbreiteten Kommentarwerk ist<br />

die Zuverlässigkeit, mit der es die<br />

künftige Rechtsentwicklung oft<br />

genug vorweggenommen hat.<br />

Wir empfehlen Ihnen deshalb<br />

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<strong>Die</strong> Modernisierung des Steuerrechts<br />

hin zu einem international wettbewerbsfähigenUnternehmenssteuerrecht,<br />

die Erleichterung von Umstrukturierungen<br />

und die Verbesserung<br />

der Standortattraktivität Deutschlands<br />

stehen erklärtermaßen auf dem Programm<br />

der Bundesregierung. Ist hier<br />

schon genügend getan worden? Das<br />

ist natürlich eine rhetorische Frage.<br />

Viele Themenbereiche harren der Bearbeitung:<br />

Mit den Stichworten Europäisierung<br />

und Internationalisierung<br />

des Steuerrechts, Konsistenz des Unternehmenssteuerrechts,Rechtsformneutralität,<br />

Steuervereinfachung, modernes<br />

Gruppenbesteuerungssystem<br />

und Gemeindefinanzreform sind nur<br />

einige Themen beschrieben. 2010<br />

wurden mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz<br />

einzelne Maßnahmen<br />

zum Schutz von krisengeschüttelten<br />

Unternehmen ergriffen.<br />

2011 stehen weitere Themen an,<br />

um die Investitionsbedingungen in<br />

Deutschland aus steuerlicher Sicht zu<br />

verbessern. Ansatzpunkte hierfür sind<br />

das Jahressteuergesetz 2010, der in<br />

Arbeit befindliche neue Umwandlungssteuererlass<br />

des BMF, der soeben<br />

veröffentlichte Ländererlass zu<br />

§6a GrEStG und die beabsichtigte<br />

Neuordnung der Gemeindefinanzen.<br />

Auch sie sog. „Mängelliste des deutschen<br />

Steuerrechts“ des BDI mag im<br />

Neuen Jahr für neue Impulse sorgen.<br />

Jahressteuergesetz 2010<br />

Das Jahressteuergesetz 2010, das<br />

am 26.11.2010 vom Bundesrat gebilligt<br />

und am 13.12.2010 verkündet worden<br />

ist (BGBl. I 2010, 1768), enthält<br />

eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen.<br />

Hierunter fallen redaktionelle Änderungen<br />

und Anpassungen, aber auch<br />

* LATHAM & WATKINS LLP. Der Autor ist Mitglied des<br />

Herausgeber-Beirats der <strong>GmbH</strong>-<strong>Rundschau</strong>.<br />

gesetzliche Klarstellungen und Neuerungen.<br />

Einzelne Änderungen sind<br />

auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben<br />

zurückzuführen, andere wiederum<br />

auf die Rechtsprechung des<br />

BFH. Auf dem Gebiet des Unternehmenssteuerrechts<br />

sind folgende<br />

Maßnahmen hervorzuheben:<br />

– Nach Aufgabe der finalen Entnahmetheorie<br />

durch den BFH werden<br />

die allgemeinen Entstrickungsregelungen<br />

der §4 Abs.1 EStG,<br />

§12 Abs.1 KStG jeweils um einen<br />

Satz erweitert, der in der Form<br />

eines Regelbeispiels anordnet,<br />

dass eine Besteuerung der stillen<br />

Reserven von Wirtschaftsgütern<br />

insbesondere dann erfolgt, wenn<br />

diese innerhalb eines Unternehmens<br />

nicht mehr einer inländischen,<br />

sondern einer ausländischen<br />

Betriebsstätte zugeordnet<br />

werden. Hiermit wird die bisherige,<br />

im Betriebsstättenerlass niedergelegte<br />

Verwaltungsauffassung, der<br />

der BFH im Sommer 2008 widersprochen<br />

hatte, gesetzlich festgeschrieben.<br />

<strong>Die</strong> Neuregelung soll<br />

eine Besteuerung der stillen Reserven<br />

bei einer Überführung<br />

oder Zuweisung von einzelnen<br />

Wirtschaftsgütern, Teilbetrieben,<br />

Mitunternehmeranteilen und ganzen<br />

Betrieben ins Ausland sicherstellen.<br />

Ob diese Besteuerung einen<br />

Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlicheNiederlassungsfreiheit<br />

darstellt, wird durch den<br />

EuGH zu beurteilen sein.<br />

– In diesem Kontext wurde zudem<br />

ein neuer §16 Abs.3a EStG eingeführt,<br />

wonach stille Reserven in<br />

einem Betrieb auch ohne dessen<br />

Aufgabe aufzudecken und zu besteuern<br />

sind, wenn ein bisher im<br />

Inland ansässiger Betrieb vollständig<br />

in einen ausländischen Staat<br />

1/2011x R1<br />

Dr. Götz Tobias Wiese, Rechtsanwalt und Steuerberater, Hamburg*<br />

Wichtige Themen des Unternehmenssteuerrechts<br />

im Jahr 2011 – ein Ausblick<br />

verlegt und von dort aus fortgeführt<br />

wird. <strong>Die</strong>s kann als gesetzgeberische<br />

Reaktion auf die Aufgabe<br />

der finalen Betriebsaufgabetheorie<br />

durch den BFH im Herbst<br />

2009 verstanden werden. Hiermit<br />

möchte der Gesetzgeber ebenfalls<br />

eine Besteuerung der in<br />

Deutschland entstandenen stillen<br />

Reserven sicherstellen.<br />

Bei diesen beiden Maßnahmen handelt<br />

es sich um Vorschriften, die auf<br />

eine krisenbedingte Umstrukturierung<br />

mit Auslandsbezug nachteilig wirken.<br />

Zwar besteht im Fall der Auslandsverlagerung<br />

des gesamten Betriebs die<br />

Möglichkeit, die festgesetzte Steuer<br />

zinslos in fünf gleichen Jahresraten<br />

zu entrichten (§36 Abs.5 EStG). <strong>Die</strong>s<br />

ist allerdings nur ein schwacher Trost,<br />

und in der Gestaltungsberatung wird<br />

mit geeigneten Maßnahmen reagiert<br />

werden müssen.<br />

– <strong>Die</strong> „Stille-Reserven-Klausel“ im<br />

Rahmen der Verlustabzugsbeschränkung<br />

beim Beteiligungserwerb<br />

nach §8c KStG wird dahingehend<br />

geändert, dass auch<br />

ausländisches Betriebsvermögen,<br />

das im Inland steuerpflichtig ist, bei<br />

der Berechnung der stillen Reserven<br />

zukünftig berücksichtigt wird.<br />

<strong>Die</strong>s kann dazu führen, dass die<br />

Summe der stillen Reserven aufgrund<br />

der Berücksichtigung des<br />

ausländischen Betriebsvermögens<br />

größer ist, so dass ein bisher<br />

nicht genutzter Verlust nun in einem<br />

größeren Umfang, nämlich in<br />

Höhe der zusätzlich zu berücksichtigenden<br />

ausländischen stillen Reserven,<br />

abgezogen werden kann.<br />

Mit dieser Maßnahme wird das<br />

Ziel der Erleichterung von Umstrukturierungen<br />

gefördert, wobei<br />

sicherlich eine noch beherztere<br />

Umgestaltung des §8c KStG, wie


durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz<br />

begonnen, wünschenswert<br />

gewesen wäre.<br />

– Auf verfahrensrechtlicher Ebene ist<br />

die Änderung des §146 Abs.2a<br />

AO zu erwähnen, die die Voraussetzungen<br />

der Verlagerung der<br />

Buchführung ins Ausland erheblich<br />

vereinfacht. Erfreulich ist insbesondere,<br />

dass die Möglichkeit der<br />

Verlagerung nicht nur auf Staaten<br />

der EU bzw. des EWR beschränkt<br />

ist, sondern auch in andere Staaten<br />

ermöglicht wird.<br />

Koordinierter Ländererlass zu § 6a<br />

GrEStG vom 1.12.2010<br />

Während der Drucklegung dieser<br />

Ausgabe ist der mit hoher Spannung<br />

erwartete koordinierte Ländererlass<br />

zu der sog. Konzernklausel des §6a<br />

GrEStG erschienen. Nach dieser<br />

Klausel wird bei bestimmten grunderwerbsteuerlichen<br />

Erwerbsvorgängen<br />

im Zuge von bestimmten Umwandlungen<br />

und unter ausschließlicher<br />

Beteiligung von herrschenden Unternehmen<br />

und abhängigen Gesellschaften<br />

die Grunderwerbsteuer nicht<br />

erhoben. Durch den Erlass ist insbesondere<br />

die konkrete Ausgestaltung<br />

der einzuhaltenden Vor- und Nachbehaltensfrist<br />

geklärt worden. Zustimmung<br />

verdient die Finanzverwaltung<br />

in ihrer Entscheidung, dass nun auch<br />

eine Personengesellschaft als abhängige<br />

Gesellschaft i.S.d. §6a GrEStG in<br />

Betracht kommt. Eine ausführliche<br />

Besprechung dieses Erlasses samt<br />

der praktischen Konsequenzen soll<br />

alsbald an dieser Stelle erfolgen.<br />

Geplanter Umwandlungssteuererlass<br />

2011<br />

Mit großer Spannung wartet die Praxis<br />

bereits seit langem auf die Veröffentlichung<br />

des neuen Umwandlungssteuererlasses<br />

durch das Bundesfinanzministerium.<br />

Der Erlass ist<br />

aufgrund der umfassenden Änderungen<br />

des Umwandlungssteuergesetzes<br />

durch das SEStEG vom Dezember<br />

2006 dringend erforderlich. <strong>Die</strong><br />

Verwaltung tut sich – insbesondere in<br />

der internen Abstimmung – mit diesem<br />

Thema nicht leicht. <strong>Die</strong> Rechtsunsicherheit<br />

zeigt sich in der Praxis<br />

insbesondere darin, dass vor der Veröffentlichung<br />

des Erlasses in wichtigen<br />

Teilbereichen keine verbindlichen<br />

Auskünfte durch die Finanzverwaltung<br />

erteilt werden. <strong>Die</strong>s ist erstaun-<br />

lich: Vier Jahre nach Inkrafttreten des<br />

SEStEG ist es schwer zu definieren,<br />

was seinerzeit in dem von der Verwaltung<br />

vorbereiteten Gesetzentwurf gewollt<br />

war und geregelt sein sollte. Einzelthemen<br />

dringen bereits nach außen:<br />

Thematisch sind Entstrickungsfragen<br />

bei grenzüberschreitenden<br />

Umwandlungen von großer Relevanz.<br />

<strong>Die</strong> Frage, wer bei welchem Finanzamt<br />

und bis wann den Antrag auf<br />

Buch- und Zwischenwertansatz im<br />

Rahmen der §§3, 11, 20, 24 UmwStG<br />

gestellt haben muss, wird intensiv diskutiert.<br />

Das gleiche gilt für den Zeitpunkt,<br />

zu dem bestimmte tatbestandliche<br />

Voraussetzungen vorgelegen<br />

haben müssen, um steuerliche Rückwirkung<br />

in Anspruch zu nehmen. Hier<br />

scheint die Verwaltung sogar vom jetzigen<br />

Erlass abweichen zu wollen,<br />

obgleich das Gesetz in diesem Punkt<br />

gar nicht geändert wurde. Eine Übergangsregelung<br />

wird damit erforderlich.<br />

Wird der Umwandlungssteuererlass<br />

„das“ steuerliche Thema des<br />

Jahres 2011? Wohl ja, denn der Erlassentwurf<br />

dürfte voraussichtlich im<br />

Frühjahr an die Verbände gehen, und<br />

dann ist die Diskussion in vollem<br />

Gang.<br />

Neuordnung der Gemeindefinanzierung<br />

Wie im Koalitionsvertrag der Bundesregierung<br />

vereinbart, wurde am<br />

24.2.2010 eine Kommission zur Erarbeitung<br />

von Vorschlägen zur Neuordnung<br />

der Gemeindefinanzierung eingesetzt.<br />

Bekanntermaßen weist das<br />

kommunale Finanzsystem gravierende<br />

Schwächen auf, und die Kommunen<br />

waren von der Finanz-, Wirtschafts-<br />

und Arbeitsmarktkrise besonders<br />

hart betroffen. Zwar konnten vorübergehende<br />

finanzielle Engpässe<br />

mit den Mitteln aus dem Konjunkturpaket<br />

II überbrückt werden. Dennoch<br />

ist das System weiterhin fragil, so<br />

dass eine Reform unentbehrlich ist.<br />

Potentielle zukünftige Ansatzpunkte<br />

für eine Reform sind der aufkommensneutrale<br />

Ersatz der Gewerbesteuer<br />

durch einen höheren Anteil an<br />

der Umsatzsteuer, ein kommunaler<br />

Zuschlag auf die Einkommen- und<br />

Körperschaftsteuer mit eigenem Hebesatz<br />

sowie eine Beteiligung der<br />

Gemeinden am Lohnsteueraufkommen.<br />

Bei alledem sollte der Schwerpunkt<br />

stets auf der Förderung von Unternehmensumstrukturierungen<br />

und<br />

der Erweiterung der Handlungsspiel-<br />

1/2011x R2<br />

räume der Gemeinden liegen, denn<br />

nur dann sind diese in der Lage, eine<br />

unternehmensfreundliche Standortpolitik<br />

zu betreiben. Eine zeitnahe Erarbeitung<br />

von Reformvorschlägen im<br />

Jahr 2011 wäre hierbei erstrebenswert.<br />

Jedoch: Der Beobachter bleibt<br />

skeptisch.<br />

Moderne Gruppenbesteuerung<br />

<strong>Die</strong> im Koalitionsvertrag vereinbarte<br />

Einführung einer modernen Gruppenbesteuerung<br />

anstelle der bisherigen<br />

Organschaft ist durch den Gesetzgeber<br />

auch noch nicht umgesetzt worden.<br />

Leitbild für eine solche Gruppenbesteuerung<br />

sollte die Organisationsbzw.<br />

Konzernneutralität der Besteuerung<br />

sein. Eine gute Orientierung bieten<br />

dabei die Ergebnisse des<br />

CCCTB-Projekts der EU-Kommission<br />

(Common Consolidated Corporate<br />

Tax Base Working Group), und natürlich<br />

kommt den Entscheidungen des<br />

BFH zu Betriebsstättenverlusten gesteigerte<br />

Bedeutung zu. <strong>Die</strong> eingerichtete<br />

Arbeitsgruppe der Finanzverwaltung<br />

wird sich denn auch zugleich<br />

mit der im Koalitionsvertrag<br />

vereinbarten Neuordnung der Verlustverrechnung<br />

befassen. Der Druck<br />

wird sich hier noch erhöhen, wenn<br />

der BFH sich zur Übernahme von<br />

endgültigen Verlusten von Tochtergesellschaften<br />

in der EU äußert. Natürlich<br />

ist die Konzernbesteuerung ein<br />

wichtiger steuerlicher Standortfaktor,<br />

und Deutschland sollte, insbesondere<br />

unter Beachtung der internationalen<br />

Entwicklung, zeitnah in diesem Bereich<br />

tätig werden.<br />

Ausblick<br />

Alles in allem: Ansatzpunkte für eine<br />

Verbesserung der Standortbedingungen<br />

für Unternehmen aus steuerlicher<br />

Sicht sind erkennbar. Der große Wurf<br />

steht indes aus. Möglicherweise wird<br />

hier der Austausch zwischen Finanzverwaltung<br />

und Industrie auf Grundlage<br />

einer konsolidierten und gewichteten<br />

Mängelliste des BDI noch einmal<br />

intensiviert. Zudem steht die Umsetzung<br />

der jüngst vom Koalitionsausschuss<br />

angekündigten Maßnahmen<br />

zur Steuervereinfachung und zur Bürokratieentlastung<br />

an. Und schließlich<br />

sind Gruppenbesteuerung und Gemeindefinanzreform<br />

so wichtige Projekte,<br />

dass sie im Jahr 2011 angepackt<br />

werden sollten, damit sie in dieser<br />

Legislaturperiode noch erfolgreich<br />

bewältigt werden können.


Aufsätze und Beiträge<br />

Prof. Dr. Karlheinz Küting/Prof. Dr. Peter Lorson /<br />

Raphael Eichenlaub/ Dr. Marc Toebe<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen<br />

Bilanzrecht nach § 268 Abs.8 HGB 1<br />

Dr. Gottfried E. Breuninger/Dr. Magnus Müller<br />

Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach Bil-<br />

MoG. Steuerrechtliche Behandlung – Chaos perfekt? 10<br />

Steffen Kögel<br />

Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen<br />

in der Firma einer <strong>GmbH</strong> 16<br />

<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />

Reinhard Stockum /Marc Sälzer<br />

Kaufpreisraten bei Unternehmenskäufen. Das Abzinsungsgebot<br />

als steuerliches Minenfeld? 20<br />

Rechtsprechung Gesellschaftsrecht<br />

Haftung des Geschäftsführers: Darlegungs- und Beweislast<br />

hinsichtlich Überschuldung bei Inanspruchnahme<br />

wegen Insolvenzverschleppung (BGH v.<br />

18.10.2010 – II ZR 151/09 – Fleischgroßhandel)<br />

Der <strong>GmbH</strong>R-Kommentar<br />

25<br />

von Dr. Jochen Blöse, MBA<br />

Haftung des Geschäftsführers: Restriktive Anwendung<br />

des Instituts des faktischen Geschäftsführers bei<br />

bloßen Konsolidierungs-/Rettungsmaßnahmen in der<br />

27<br />

Krise (OLG München v. 8.9.2010 – 7 U 2568/10 [LS])<br />

Anmeldung: Elektronische Übermittlung eines Gesellschafterbeschlusses<br />

über eine Geschäftsführerbestellung<br />

in Urschrift (OLG Thüringen v. 9.9.2010 –<br />

28<br />

6W144/10)<br />

Anmeldung: Eintragung eines weiteren Geschäfts-<br />

28<br />

führers in das Handelsregister (OLG Hamm v.<br />

7.9.2010 – I-15 W 253/10)<br />

Anmeldung: Versicherung eines Geschäftsführers<br />

hinsichtlich eines Fehlens des Ausschlussgrundes<br />

der Betreuung (OLG Hamm v. 29.9.2010 – I-15 W<br />

29<br />

460/10) 30<br />

Anmeldung: „c/o“-Adresse als inländische Geschäftsanschrift<br />

einer <strong>GmbH</strong> (OLG Rostock v.<br />

31.5.2010–1W6/10) 30<br />

Geschäftsführer: Anmeldung der Amtsniederlegung<br />

beim Registergericht (OLG Thüringen v.<br />

29.7.2010–6W91/10) 31<br />

Inhalt<br />

102. Jahrgang<br />

Heft 1/2011<br />

Gesellschafterliste: Keine Absicherung einer aufschiebend<br />

bedingten Anteilsabtretung durch Eintragung<br />

eines Vermerks (OLG Hamburg v. 12.7.2010 –<br />

11 W 51/10)<br />

Informationsrechte: Geltendmachung eines Auskunfts-<br />

und Einsichtsrechts nur im Wege der freiwilligen<br />

Gerichtsbarkeit (OLG Saarbrücken v. 21.9.2010<br />

32<br />

– 8 W 215/10 - 36)<br />

Eigenkapitalersatz: Anwendung der Kapitalersatzregeln<br />

auf eine Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz<br />

in anderem EU-Mitgliedstaat (OLG Köln v. 28.9.2010<br />

33<br />

–18U3/10)<br />

Liquidation: Bekanntmachung des Schlusses der Liquidation<br />

auch in den Publikationsorganen gemäß Gesell-<br />

35<br />

schaftsvertrag (OLG Stuttgart v. 12.11.2010 – 8 W 444/10)<br />

Liquidation: Keine notwendige Eintragung eines<br />

38<br />

Nachtragsliquidators bei nur einzelnen Abwicklungsmaßnahmen<br />

(OLG München v. 21.10.2010 –<br />

31 Wx 127/10) 39<br />

Rechtsprechung Steuerrecht<br />

Organschaft: Kein ordnungsgemäß durchgeführter<br />

Ergebnisabführungsvertrag bei „vergessener“ Verrechnung<br />

mit vororganschaftlichen Verlusten (BFH<br />

v. 21.10.2010 – IV R 21/07)<br />

Der <strong>GmbH</strong>R-Kommentar<br />

40<br />

von Dr. Wolfgang Walter<br />

Organschaft: Rückwirkende finanzielle Eingliederung<br />

bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft<br />

43<br />

(BFH v. 28.7.2010 – I R 111/09)<br />

Doppelbesteuerung: Umqualifizierung von Zinsen<br />

in vGA als Verstoß gegen das Diskriminierungsver-<br />

44<br />

bot im DBA-Schweiz (BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09) 46<br />

Doppelbesteuerung: Abkommensrechtliche Behandlung<br />

von Lizenzzahlungen als Sondervergütungen(BFHv.8.9.2010–IR74/09)<br />

Doppelbesteuerung: Abzugsteuer auf Gewinnbe-<br />

50<br />

teiligung i.S.d. DBA-Österreich 2000 (BFH v.<br />

26.8.2010 – I R 53/09) 53<br />

Verwaltungsanweisungen<br />

1/2011x R3<br />

Gewinnermittlung: Steuerermäßigung nach § 35<br />

EStG bei mehrstöckigen Personengesellschaften<br />

(BMF v. 25.11.2010 – IV C 6 - S 2296-a/09/10001 –<br />

DOK 2010/0912228)<br />

Doppelbesteuerung: Deutsch-norwegisches Dop-<br />

55<br />

pelbesteuerungsabkommen (DBA-NOR); Anwendung<br />

des Schachtelprivilegs (BMF v. 10.11.2010 –<br />

IV B 3 - S 1301-NOR/0-04 – DOK 2010/0866801) 56


Inhalt<br />

IM BLICKPUNKT<br />

Dr.GötzTobiasWiese,Hamburg<br />

Wichtige Themen des Unternehmenssteuerrechts<br />

imJahr2011–einAusblick R1<br />

<strong>Unternehmensrecht</strong><br />

Wie genau muss der Unternehmensgegenstand einer<br />

<strong>GmbH</strong> bezeichnet werden? R 5<br />

Hürden bei der Handelsregisteranmeldung einer<br />

<strong>GmbH</strong> & Co. KG: Vertretung ja oder nein? R 5<br />

„Limited“ nach dem Gründungsrecht der Isle of Man<br />

wird in Deutschland als GbR behandelt R 6<br />

Steuer- & Bilanzrecht<br />

Aktienbezugsrechte an Arbeitnehmer kein Lohnaufwand<br />

bei bedingter Kapitalerhöhung R 6<br />

Gewerbesteuerliche Hinzurechnung für Dauerschuldzinsen<br />

bei „Asset-Backed-Securities“ R 8<br />

Arbeits- & Sozialrecht<br />

Einsicht in die Personalakte nach Beendigung des<br />

Arbeitsverhältnisses R 8<br />

Fristlose Kündigung wegen des Verdachts des<br />

Pfandbonmissbrauchs R10<br />

Europa-Praxis<br />

EuGH stellt erneut Verstoß gegen Kapitalverkehrsfreiheit<br />

durch „Golden Shares“ fest R10<br />

1/2011x R4<br />

Offenlegung des Engagements in Umwelt- und sozialen<br />

Bereichen im Lagebericht<br />

EU-Kommission will Anlegerschutz beim Kauf von<br />

R 11<br />

Kleinanlegerprodukten verbessern<br />

Kompromiss zur Sprachenfrage beim EU-Patent er-<br />

R 11<br />

neut gescheitert R 11<br />

EU-Parlament beurteilt ACTA-Abkommen positiv<br />

EU-Kommission veröffentlicht Strategie zur Überar-<br />

R 11<br />

beitung der EG-Datenschutz-Richtlinie<br />

Stellungnahme des EU-Parlaments zur Umsetzung<br />

R 12<br />

des Stockholmer Programms R 12<br />

Konsultation zur Versicherungsvermittlerrichtlinie<br />

(IMD II) R 13<br />

Wirtschafts-Praxis<br />

Eigenkapitalquoten der österreichischen Mittelständler<br />

R 13<br />

Geschäftsführer-Demografie 2010 R 13<br />

Zeitschriftenspiegel R14<br />

Tagungshinweise<br />

Kolloquium „Aktuelle Rechtsfragen der Gesellschafterliste“<br />

R15<br />

Hamburger Forum für Unternehmensteuerrecht<br />

2011 R15<br />

IMPRESSUM R16<br />

<strong>Die</strong>ser Ausgabe liegen folgende Prospekte bei: „Aktuelle Vertragsgestaltung in der <strong>GmbH</strong>“ und „Beratung im Internationalen Steuerrecht“, Centrale<br />

für <strong>GmbH</strong> Dr. Otto Schmidt KG sowie „Oppenländer/Trölitzsch, Praxishandbuch der <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführung“, Verlag C.H. Beck. Wir bitten<br />

unsere Leser um freundliche Beachtung.<br />

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<strong>Unternehmensrecht</strong><br />

Dr. Stephan Ulrich, Rechtsanwalt,<br />

Simmons & Simmons, Düsseldorf<br />

Wie genau muss der Unternehmensgegenstand<br />

einer <strong>GmbH</strong> bezeichnet werden?<br />

Das OLG Düsseldorf hat in seinem bereits in <strong>GmbH</strong>R 23/<br />

2010 veröffentlichten Urteil von Anfang Oktober 2010 (OLG<br />

Düsseldorf v. 3.10.2010 – I-3 Wx 231/10, <strong>GmbH</strong>R 2010, 1261)<br />

die Eintragung einer neugegründeten <strong>GmbH</strong> zurückgewiesen,<br />

da der Gegenstand des Unternehmens zu generisch<br />

und weit gefasst angegeben worden war. Dazu ist aus der<br />

jüngsten <strong>GmbH</strong>-Rechtsgeschichte anzumerken, dass uns<br />

der Gesetzgeber beinahe solche allgemeinen und nicht<br />

aussagekräftigen Unternehmensgegenstände vorgeschrieben<br />

hätte. Sah doch der Regierungsentwurf zum MoMiG<br />

noch z.B. bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)<br />

gerade drei generische und zwingend vorgeschriebene<br />

Standardunternehmensgegenstände vor („... der<br />

Handel mit Waren, ... die Produktion von Waren, ... <strong>Die</strong>nstleistungen“).<br />

Damit hätte sich der mit der Konkretisierung und<br />

Individualisierung verfolgte Zweck erledigt. <strong>Die</strong>s ist zu Recht<br />

nicht geltendes Recht geworden, so dass nach wie vor<br />

– wie das OLG Düsseldorf ausführt – individualisierte Unternehmensgegenstände<br />

anzugeben sind. „Handel mit Waren<br />

aller Art, soweit der Handel nicht einer besonderen behördlichen<br />

Erlaubnis bedarf“ fand daher keine Gnade vor dem<br />

OLG, genauso wenig wie „Handel und Vertrieb von Verbrauchs-<br />

und Konsumgütern, soweit der Handel nicht einer<br />

besonderen Erlaubnis bedarf“. Zwar schweigt das Gesetz<br />

auch nach dem MoMiG zu der Frage, wie genau der Unternehmensgegenstand<br />

zu beschreiben ist. <strong>Die</strong> Gerichte haben<br />

sich in der Vergangenheit – und so auch jetzt das OLG<br />

Düsseldorf – am Zweck der Vorschrift orientiert. Konkrete<br />

und individuelle Vorgaben sollen es den beteiligten Verkehrskreisen<br />

ermöglichen, sich ein Bild vom Schwerpunkt<br />

der Tätigkeit der Gesellschaft zu machen (vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

<strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009, §3 Rz.5ff.). <strong>Die</strong> Beratungspraxis<br />

wird hier nach wie vor auf größtmögliche Konkretisierung<br />

hinwirken müssen, um Probleme bei der Gründung<br />

zu vermeiden.<br />

1/2011x R5<br />

Hürden bei der Handelsregisteranmeldung<br />

einer <strong>GmbH</strong> & Co. KG: Vertretung ja oder nein?<br />

Wie sich aus der Vorschrift des §12 Abs.1 S.2 HGB ergibt,<br />

kann die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister<br />

auch durch einen hierzu bevollmächtigten Vertreter vorgenommen<br />

werden. Bei einer <strong>GmbH</strong> & Co. KG mit einem größeren<br />

Kreis von Kommanditisten oder gar bei einer Publikums-KG<br />

ist es für die vernünftige Handhabung der Gesellschaft<br />

hilfreich, wenn nicht sogar Voraussetzung, dass solche<br />

Vollmachten beim Beitritt des Kommanditisten eingeholt werden.<br />

An die Auslegung einer solchen Handelsregistervollmacht<br />

sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen (OLG<br />

Frankfurt a.M. v. 3.5.2010 – 20 W 143/10). Insbesondere muss<br />

die Vollmacht aus sich selbst heraus verständlich sein und<br />

ist einer Auslegung über den Wortlaut hinaus nicht zugänglich.<br />

Unklarheiten führen dazu, dass im Zweifel vom geringeren<br />

Umfang der Vollmacht auszugehen ist, denn anders als<br />

im rechtsgeschäftlichen Verkehr unter Privaten sollen im<br />

Handelsregister eingetragene Tatsachen einem hohen Anspruch<br />

an die Richtigkeit der angemeldeten Tatsachen genügen.<br />

Raum für Zweifel darf dort nicht bleiben, und deshalb<br />

wird dann zu Lasten der Anmeldenden entschieden. Aber<br />

auch eine zweite Hürde muss der Anmeldende bei der Anmeldung<br />

der Übertragung eines Kommanditanteils an einer<br />

<strong>GmbH</strong> & Co. KG im Wege der Sonderrechtsnachfolge noch<br />

nehmen. Denn die Rechtsprechung nimmt immer wieder an,<br />

dass die dabei durch den persönlich haftenden Gesellschafter<br />

und den ausscheidenden Kommanditisten abzugebende<br />

negative Abfindungsversicherung eine persönliche Erklärung<br />

sei, die nicht durch gewillkürte Stellvertretung kraft Vollmacht<br />

möglich sei (so auch KG Berlin v. 28.4.2009 – 1 W 389/<br />

08, ZIP 2009, 1571). Ob dies richtig ist, kann mit guten Gründen<br />

bezweifelt werden (vgl. die Hinweise bei Krafka in<br />

Münch.Komm.HGB, 3.Aufl. 2010, §12 Rn.36); schon der Hinweis<br />

des KG Berlin auf BGH v. 19.9.2005 – II ZB 11/04, NJW-<br />

RR 2006, 107 (109) zeigt, auf welch schwachen Füßen diese<br />

Rechtsauffassung steht, denn dort wird diese Rechtsansicht<br />

jedenfalls auch mit dem Gesichtspunkt der Kontinuität der<br />

Rechtsprechung gerechtfertigt. <strong>Die</strong>s heißt mit anderen Worten,<br />

dass die tradierte Entscheidungskette mittlerweile ihre<br />

Rechtfertigung in sich selbst trägt. <strong>Die</strong>s kann nicht befriedigen,<br />

und so lässt auch das KG Berlin gelten, dass es Fälle<br />

geben kann, in denen eine Bevollmächtigung möglich ist.<br />

<strong>Die</strong> Beratungspraxis wird weiterhin handwerklich saubere<br />

Anmeldungen erstellen und die höchstrichterliche Rechtsprechung<br />

berücksichtigen müssen, um Schwierigkeiten<br />

bei der Eintragung zu vermeiden.


„Limited“ nach dem Gründungsrecht der Isle of<br />

Man wird in Deutschland als GbR behandelt<br />

Werden Gesellschaften mit ausländischer Rechtsform in<br />

Deutschland geschäftlich tätig, stellt sich immer wieder die<br />

Frage, wie sie rechtlich zu behandeln sind. Für eine juristische<br />

Person mit Haftungsbeschränkung, die nach dem<br />

Recht der Isle of Man gegründet wurde – sog. company limited<br />

by shares („Limited“) – gelangte das AmtsG Hagen<br />

mit guten Gründen zur Anwendbarkeit des deutschen<br />

Rechts der GbR (AmtsG Hagen v. 17.6.2010 – 10 C 155/09).<br />

<strong>Die</strong> „Limited“ hatte in Deutschland ein Grundstück erworben<br />

und war auch unter ihrer namentlichen Bezeichnung<br />

sowie mit dem Zusatz „Ltd.“ in das entsprechende Grundbuch<br />

eingetragen worden. Bei der Vermietung der auf dem<br />

Grundstück befindlichen Geschäftsräume hatte sie in der<br />

Folgezeit mehrere verschiedene Verwaltungsgesellschaften<br />

zwischengeschaltet. Sowohl das Auftreten dieser Verwaltungsgesellschaften,<br />

als auch der klagenden Gesellschaft<br />

selbst, erschienen dem beklagten Mieter wenig vertrauenswürdig,<br />

so dass er die Zahlung der Miete aus Unsicherheit<br />

über den richtigen Empfänger zeitweise aussetzte.<br />

Das AmtsG Hagen ist grundsätzlich davon ausgegangen,<br />

dass eine Gesellschaft, die weder unter das europäische<br />

Recht der Niederlassungsfreiheit noch unter andere Freizügigkeitsabkommen<br />

oder Staatsverträge fällt – wie hier eben<br />

die Gesellschaft nach dem Recht der Isle of Man – in<br />

Deutschland als GbR gemäß §§705ff. BGB zu behandeln<br />

ist.<br />

Hinsichtlich der offenen Mietzahlungen stellte das AmtsG<br />

auf den mehrfachen Wechsel der zwischengeschalteten<br />

Verwaltungsgesellschaften sowie auf die ausländische<br />

Rechtsform der Eigentümerin ab: der Beklagte habe zu<br />

Recht an der Existenz und der Berechtigung der Gesellschaft<br />

als Anspruchsstellerin zweifeln dürfen. <strong>Die</strong>s wirke<br />

sich auch auf den Eintritt des Zahlungsverzuges wegen<br />

der ausstehenden Miete aus: ein inländischer Geschäftspartner<br />

einer Gesellschaft, die nach einem „sehr speziellen<br />

Sonderstatut“ gegründet sei, gelange erst dann in Verzug,<br />

wenn ihm die Rechtsverhältnisse der Gläubigergesellschaft<br />

nachvollziehbar und prüffähig auf Deutsch erläutert<br />

worden seien. Eine vorherige Nichtzahlung sei aufgrund<br />

der großen Ungewissheit nicht verzugsbegründend.<br />

Aus Sicht der inländischen Beteiligten am Geschäftsverkehr<br />

ist die Entscheidung nachvollziehbar. Offen bleibt<br />

aber die Frage, welche weiteren Rechtsordnungen außer<br />

dem Recht der Isle of Man aus deutscher Sicht auch ein<br />

„sehr spezielles Sonderstatut“ darstellen. In der Praxis wird<br />

die Bitte um Erläuterung der relevanten Rechtsverhältnisse<br />

anzuraten sein, sofern eine Gesellschaft einem unbekannten<br />

oder außergewöhnlichen Gründungsstatut unterliegt.<br />

Steuer- & Bilanzrecht<br />

Redaktion <strong>GmbH</strong>-<strong>Rundschau</strong>, Köln<br />

1/2011x R6<br />

Aktienbezugsrechte an Arbeitnehmer kein<br />

Lohnaufwand bei bedingter Kapitalerhöhung<br />

Der I. Senat des BFH hat mit Urteil vom 25.8.2010 – I R 103/<br />

09 zur Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen<br />

die Einräumung von Aktienoptionen zu Lohnaufwand<br />

führt. Dem Streitfall lag ein Sachverhalt zugrunde,<br />

nach dem in der Hauptversammlung der Klägerin, einer<br />

börsennotierten AG, am 6.6.2001 beschlossen wurde, das<br />

Grundkapital um bis zu 420.0003 durch Ausgabe von bis<br />

zu 140.000 neuer Inhaberaktien bedingt zu erhöhen. <strong>Die</strong>se<br />

Kapitalerhöhung sollte nur insoweit durchgeführt werden,<br />

als die Inhaber der ausgegebenen Bezugsrechte von ihrem<br />

Bezugsrecht Gebrauch machen würden (bedingte Kapitalerhöhung<br />

gemäß §192 Abs.2 Nr.3 AktG); sie diente<br />

ausschließlich der Gewährung von Bezugsrechten an Vorstandsmitglieder<br />

und Arbeitnehmer der Gesellschaft sowie<br />

an Mitglieder der Geschäftsführung und Arbeitnehmer verbundener<br />

Unternehmen. Im Rahmen dieses Aktienoptionsprogramms<br />

wurden in 2001 und 2002 in zwei Tranchen Aktienoptionen<br />

ausgegeben. Gegenstand der zugrunde liegenden<br />

Vereinbarung war, dass die Gewährung der Bezugsrechte<br />

unentgeltlich erfolgt, die Bezugsrechte eine<br />

Laufzeit von vier Jahren haben und von dem Inhaber frühestens<br />

nach einer Wartefrist von zwei Jahren ausgeübt<br />

werden können. Außerdem musste zwischen dem Zeitpunkt<br />

der Zuteilung der Bezugsrechte und dem Ablauf der<br />

zweijährigen Wartefrist die Wertentwicklung der Aktie mindestens<br />

20% betragen haben und der Berechtigte zum<br />

Zeitpunkt der Bezugserklärung in einem ungekündigtem<br />

Arbeitsverhältnis bei der Klägerin oder einem verbundenen<br />

Unternehmen stehen. Der bei der Ausübung des Bezugsrechts<br />

zu entrichtende Bezugspreis betrug 50% des<br />

Durchschnittskurses der Aktie. <strong>Die</strong> Klägerin behandelte die<br />

Einräumung der Bezugsrechte in ihrem Jahresabschluss<br />

zum 31.12.2001 in der Weise, dass sie den Gesamtwert der<br />

gewährten Optionen, der mit 162.0003 angesetzt wurde,<br />

gleichmäßig auf die Wartezeit von zwei Jahren verteilte,<br />

und dabei den entsprechenden Betrag als Personalaufwand<br />

erfasste und im gleichen Umfang der Kapitalrücklage<br />

zuführte (Buchung: Personalaufwand an Kapitalrücklage).<br />

Dem folgte der I.Senat des BFH nicht. <strong>Die</strong> Ausgabe von Aktienoptionen<br />

an Mitarbeiter durch eine AG (Stock Options)<br />

im Rahmen eines Aktienoptionsplans, der mit einer bedingten<br />

Kapitalerhöhung verbunden sei, führe im Zeitpunkt<br />

der Einräumung der unentgeltlich gewährten Bezugsrechte<br />

nicht zu einem gewinnwirksamen Personalaufwand: Es<br />

fehle bei der Ausgabe von Aktienoptionen aber an einer<br />

einlagefähigen Zuwendung an die AG durch die „Altgesellschafter“<br />

oder die Optionszeichner, die einem Aufgeld bei<br />

der Ausgabe von Optionsanleihen vergleichbar sei. Der<br />

Geschäftsvorfall sei für das Unternehmen erfolgsneutral zu<br />

behandeln. <strong>Die</strong> Ausgabe der Optionen wirke sich allein als


Neu entwickelt,<br />

weit über dem Standard<br />

Rund um die <strong>GmbH</strong><br />

Das neu entwickelte „Formularbuch <strong>GmbH</strong>-<br />

Recht“ enthält über 200 ausführliche<br />

Vertragsmuster und Formulare rund um<br />

die <strong>GmbH</strong>. Darunter auch Muster solcher<br />

Gestaltungen, die zwar in der Praxis eine<br />

hohe Bedeutung haben, jedoch nur selten<br />

dargestellt und kommentiert werden. Dabei<br />

sind Muster der notariellen Praxis als auch<br />

der Anwaltspraxis enthalten.<br />

Bietet insbesondere Muster zu:<br />

Gründung I Organe I Rechtsbeziehungen<br />

zwischen der Gesellschaft und den einzelnen<br />

Gesellschaftern I Verfügungen über den<br />

Geschäftsanteil I Änderungen des Gesellschaftsvertrags<br />

I Finanzierung / Sanierung<br />

I Internationale Finanzierungen I Konzernrecht<br />

I Ausscheiden von Gesellschaftern<br />

I Auflösung und Liqidation.<br />

„State of the Art“ des<br />

<strong>GmbH</strong>-Rechts nach MoMiG<br />

Alle Muster reflektieren den „State of the<br />

Art” des <strong>GmbH</strong>-Rechts nach MoMiG. Ihnen<br />

sind ausführliche Erläuterungen mit Hinweisen<br />

auf die hinter den jeweiligen Vorschlägen<br />

stehende Rechtslage und Verweise auf<br />

weiterführende Literatur beigestellt. Für<br />

die gängigen Situationen sind diese Muster<br />

um prozessuale Muster ergänzt. Sämtliche<br />

Muster und Formulare sind auch in elektronischer<br />

Form verfügbar.<br />

I Haftungsfallen vermeiden<br />

I zuverlässige und interessengerechte<br />

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I die Rechtslage einer <strong>GmbH</strong><br />

zu jeder Zeit richtig einschätzen<br />

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Vermögensverlust bei den Altaktionären als sog. Verwässerung<br />

des Werts der bisher vorhandenen Aktien aus. Eine<br />

der Aufwandsbuchung korrespondierend gegenüberstehende<br />

Zuführung des Betrags zur Kapitalrücklage gemäß<br />

§272 Abs.2 Nr.2 HGB liege nicht vor. Unerheblich sei<br />

auch, dass nach den International Financial Reporting<br />

Standards (IFRS) gemäß IFRS 2 („Share Based Payments“)<br />

Optionen als Vergütungsbestandteil der Berechtigten angesehen<br />

würden und je nachdem, ob die Option für erbrachte<br />

oder für noch zu erbringende Arbeitsleistung gewährt<br />

werde, der Wert der absolvierten Arbeitsleistung in einem<br />

Betrag bzw. der Wert der zukünftigen Arbeitsleistung<br />

ratierlich in die Gesellschaft eingelegt werde. <strong>Die</strong> IFRS bestimmten<br />

die steuerrechtliche Gewinnermittlung nicht.<br />

Gewerbesteuerliche Hinzurechnung für Dauerschuldzinsen<br />

bei „Asset-Backed-Securities“<br />

Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer<br />

war dem Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß §8<br />

Nr.1 GewStG a.F. ein Teil der sog. Dauerschuldentgelte hinzuzurechnen.<br />

Der BFH hat durch Urteil vom 26.8.2010 – I R<br />

17/09 zur alten Rechtslage entschieden, dass das sog. Asset-Backed-Securities-Modell<br />

als Variante des Forderungsverkaufs<br />

– um einer gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung<br />

gemäß §8 Nr.1 GewStG zu entgehen – nicht erfolgreich<br />

sei, wenn das wirtschaftliche Eigentum an den Forderungen<br />

beim Forderungsverkäufer verbleibe.<br />

Nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt<br />

wurden Forderungen der Klägerin an eine (ausländische)<br />

Zweckgesellschaft verkauft. <strong>Die</strong> Zweckgesellschaft<br />

refinanzierte den Ankauf durch die Ausgabe von Wertpapieren<br />

(„securities“), die wiederum aus den Eingängen auf<br />

die übertragenen Forderungen bedient werden sollen („asset<br />

backed“). Als Kaufpreis der Forderungen wurde von der<br />

Klägerin mit der Zweckgesellschaft der Nennwert abzüglich<br />

eines Bonitätsabschlags vereinbart; dieser Abschlag<br />

stand der Klägerin aber über ein Ausgleichskonto (Reservekonto)<br />

wieder zur Verfügung, wenn die Forderung vom Kunden<br />

beglichen werden sollte. Der Forderungseinzug sollte<br />

dabei (ohne Offenlegung der Abtretung) weiterhin durch<br />

die Klägerin erfolgen. Zum 31.12.2003 belief sich das Volumen<br />

der abgetretenen Forderungen auf 35.485.5663. <strong>Die</strong><br />

Klägerin wies in ihren Bilanzen nicht die Forderungen, sondern<br />

die ihr von der Zweckgesellschaft ausgezahlten Kaufpreise<br />

(92,5% des Nennwerts der abgetretenen Forderungen)<br />

aus. Ferner aktivierte die Klägerin i.H.d. Differenzbetrags<br />

(7,5%) die Zugänge auf den bei der Zweckgesellschaft<br />

geführten Reservekonten. Eine Gewinnminderung<br />

wies sie erst in dem Zeitpunkt aus, in dem tatsächlich ein<br />

Forderungsausfall eingetreten war.<br />

Das FA war der Ansicht, G hätte die Forderungen aktivieren<br />

müssen, weil das Bonitätsrisiko und deshalb das wirtschaftliche<br />

Eigentum nicht vollständig auf die Zweckgesellschaft<br />

übergegangen sei. Wenn es sich aber um ein Darlehensverhältnis<br />

handele, müsse die Klägerin die Forderungen<br />

aktivieren und die von der Zweckgesellschaft erhaltenen<br />

Mittel als Darlehensverbindlichkeit passivieren. 50%<br />

der an die Zweckgesellschaft gezahlten laufenden Entgelte<br />

(i.H.v. 1.381.1183 [2002] bzw. 1.105.0243 [2003]) seien dem<br />

Gewinn aus Gewerbebetrieb nach als sog. Dauerschuldentgelte<br />

hinzuzurechnen.<br />

Der I.Senat qualifizierte die Vereinbarung zwischen Klägerin<br />

und Zweckgesellschaft in dem Sinne, dass das wirtschaftliche<br />

Eigentum an den Forderungen bei der Klägerin verblieben<br />

sei, da sie trotz der Abtretung weiterhin wirtschaftlich<br />

das Risiko des Forderungsausfalls (Bonitätsrisikos) zu<br />

tragen gehabt habe. <strong>Die</strong>s sei der Fall, weil die Zweckgesellschaft<br />

als Forderungskäuferin bei der Kaufpreisbemessung<br />

einen Risikoeinbehalt vorgenommen habe, der den erwartbaren<br />

Forderungsausfall deutlich überstiegen habe, aber<br />

nach Maßgabe des tatsächlichen Forderungseingangs zugunsten<br />

der Klägerin erstattungsfähig gewesen sei. <strong>Die</strong><br />

Vereinbarung stelle sich so dar, dass es sich um eine (darlehensweise)<br />

Vorfinanzierung der Lieferungs- und Leistungserlöse<br />

der Klägerin durch die Zweckgesellschaft gehandelt<br />

habe. Demzufolge stellten die an die Zweckgesellschaft<br />

geleisteten „Gebühren“ Entgelte für Schulden i.S.d.<br />

§8 Nr.1 GewStG 2002 dar, wenn der Vorfinanzierungsbetrag<br />

dem Forderungsverkäufer (hier der Klägerin) für mindestens<br />

ein Jahr zur Verfügung stehe.<br />

<strong>Die</strong> Entscheidung des BFH betrifft ausgelaufenes Recht,<br />

soweit es um §8 Nr.1 GewStG a.F. geht. Sie hat gleichwohl<br />

auch für die neue Rechtslage (§8 Nr.1 GewStG i.d.F. des<br />

UntStRefG 2008) Bedeutung, da nunmehr von der Vorschrift<br />

alle „Entgelte für Schulden“ erfasst werden, unabhängig<br />

davon, ob eine „Dauerschuld“ vorliegt. <strong>Die</strong> Ausführungen<br />

des BFH zur Abgrenzung des wirtschaftlichen Eigentums<br />

beim Forderungsverkauf anhand des Umstands, wer<br />

das Bonitätsrisiko zu tragen hat, sind ebenfalls uneingeschränkt<br />

anzuwenden.<br />

Arbeits- & Sozialrecht<br />

1/2011x R8<br />

Claudia Kothe-Heggemann, Fachanwältin für Arbeitsrecht,<br />

Ulrich Weber & Partner GbR, Köln<br />

Einsicht in die Personalakte nach Beendigung<br />

des Arbeitsverhältnisses<br />

Das BAG hatte sich in seiner Entscheidung vom 16.11.2010<br />

– 9 AZR 573/09 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein<br />

Arbeitnehmer auch nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses<br />

Einsicht in seine Personalakte verlangen kann.<br />

Der Kläger war als Schadensbüroleiter bei der Beklagten,<br />

einem Versicherungsunternehmen, vom 1.1.2006 bis zum<br />

30.6.2007 tätig. Nach dem Ausscheiden des Klägers führte<br />

die Beklagte dessen Personalakte weiter. Im Rahmen einer<br />

Zeugnisauseinandersetzung zwischen den Parteien teilte<br />

nach Vertragsende eine Personalbearbeiterin der Beklagten<br />

dem Kläger mit, dass Gründe vorhanden seien, die auf<br />

eine mangelnde Loyalität des Klägers schließen ließen. Daraufhin<br />

verlangte dieser Einsicht in seine Personalakte, welche<br />

die Beklagte mit dem Hinweis darauf verweigerte, dass


Prof. Dr. Karlheinz Küting / Prof. Dr. Peter Lorson /<br />

Raphael Eichenlaub / Dr. Marc Toebe *<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs.8 HGB<br />

Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG<br />

hat der deutsche Gesetzgeber die außerbilanzielle Ausschüttungssperre<br />

erstmalig in einer gesonderten Gesetzesvorschrift<br />

in § 268 Abs. 8 HGB kodifiziert und damit<br />

die gestiegene Bedeutung der Ausschüttungssperre<br />

betont. Hintergrund dieser Regelung ist der vom Gesetzgeber<br />

neuerdings versuchte Spagat zwischen der Aufrechterhaltung<br />

der klassischen Prinzipien des deutschen<br />

Bilanzrechts und dem angelsächsisch geprägten Grund-<br />

I. Einleitung<br />

Der handelsrechtliche Jahresabschluss verfolgt als wichtiges<br />

Ziel auch die Selbstinformation des Kaufmanns über<br />

den unbedenklich entziehbaren Periodenerfolg. Ermittelt<br />

wird dieser Periodenerfolg vereinfachend unter Beachtung<br />

der interagierenden Prinzipien des Gläubigerschutzes, der<br />

Vorsicht und der Objektivierung1. Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz<br />

– BilMoG2 verfolgt der deutsche<br />

Gesetzgeber nun erstmalig zusätzlich auch das Ziel, das<br />

HGB-Bilanzrecht zu einer vollwertigen Alternative zu den<br />

IFRS – vor allem zu den IFRS für KMU – auszubauen3. Prägend für das Bilanzverständnis nach IFRS ist aber das<br />

* Prof. Dr. Karlheinz Küting ist Direktor des Centrums für Bilanzierung<br />

und Prüfung (CBP) an der Universität des Saarlandes,<br />

Saarbrücken. Prof. Dr. Peter Lorson ist Inhaber des Lehrstuhls<br />

für Unternehmensrechnung und Controlling an der Universität<br />

Rostock. Dipl.-Kfm. Raphael Eichenlaub ist wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Centrum für Bilanzierung und Prüfung an der<br />

Universität des Saarlandes, Saarbrücken. Dr. Marc Toebe ist wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Lehrstuhl für Unternehmensrechnung<br />

und Controlling an der Universität Rostock.<br />

1 Vgl. Berndt, Wahrheits- und Fairnesskonzeptionen in der Rechnungslegung,<br />

2005.<br />

2 BGBl. I 2009, 1102 ff.<br />

3 Vgl. Ernst/Naumann, Das neue Bilanzrecht, 2009, S. 2.<br />

4 Vgl. Pellens u.a., Internationale Rechnungslegung, 7. Aufl.<br />

2008, S. 112f.<br />

5 Vgl. Küting/Weber, Der Konzernabschluss, 12. Aufl. 2010,<br />

S. 99f.<br />

6 Vgl. BT-Drucks. 10067/16, S.35, 50; Adler/Düring/Schmaltz,<br />

Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995,<br />

§ 269 HGB Rz. 21. Kritisch hierzu Hoffmann/Lüdenbach, NWB<br />

Kommentierung Bilanzierung, 2. Aufl. 2011, §268 HGB<br />

Rz. 124.<br />

102. Jahrgang<br />

Heft 1/2011<br />

Seite 1<br />

gedanken, durch den Jahresabschluss entscheidungsnützliche<br />

Informationen bereitzustellen. <strong>Die</strong> Ausschüttungssperre<br />

bezieht sich auf drei bilanzielle Sachverhalte, zwei<br />

wahlweise ansetzbare Aktivposten sowie über die<br />

Anschaffungskosten bewertete Vermögensgegenstände.<br />

Der Beitrag beleuchtet die Gesetzesvorschrift, deckt<br />

dabei konzeptionelle Schwächen auf und bietet potentielle<br />

Lösungen an.<br />

Informationsprinzip in der Fassung, dass ein IFRS-Abschluss<br />

entscheidungsnützliche Informationen 4 zur Verfügung<br />

stellen soll. Dabei sind sowohl – rein formal betrachtet<br />

– die für einen potentiellen Einzelabschluss relevanten<br />

Normen als auch diejenigen für Konzernabschlüsse frei<br />

von jeglicher Zahlungsbemessungsfunktion. <strong>Die</strong>ses Ziel<br />

wird von den IFRS explizit auch gar nicht verfolgt. Faktisch<br />

dient der Konzernabschluss nach IFRS aber auch der<br />

Zahlungsbemessung, da sich z.B. die Dividendenausschüttung<br />

oder die Vergütung des Managements ebenfalls an<br />

dem Konzernergebnis orientiert 5.<br />

<strong>Die</strong> These ist allgemein anerkannt, dass der Zweck einer<br />

Rechnung deren Inhalt bestimmt. Folglich hätte der Gesetzgeber<br />

auch zwei Bilanzen (bzw. Jahresabschlüsse) nach divergierenden<br />

Normen fordern müssen, wenn er zwei (annähernd)<br />

gleichrangige Bilanzzwecke verfolgt: eine Ausschüttungsbilanz<br />

und eine Informationsbilanz. Stattdessen unternimmt<br />

der Gesetzgeber mit dem BilMoG den fragwürdigen<br />

Versuch, divergierende Zwecke gleichzeitig in einem einzigen<br />

Rechenwerk zu vereinen. Teil des versuchten – und<br />

gleichermaßen gewagten – Spagats zwischen einer Aufrechterhaltung<br />

der bewährten Prinzipien des deutschen Bilanzrechts<br />

(wie z.B. Vorsichtsprinzip, Realisationsprinzip<br />

und Imparitätsprinzip) und der Stärkung der – angelsächsisch<br />

geprägten – Informationsfunktion sind die hier zu betrachtenden<br />

Ausschüttungs- und Abführungssperren, die<br />

laut Regierungsbegründung dem Gläubigerschutz dienen<br />

sollen 6. Ihre Funktion besteht darin, ausgewählte – mit der<br />

Intention der Stärkung der Informationsfunktion unternommene<br />

– Verstöße gegen die bewährten Prinzipien des klassischen<br />

deutschen Bilanzrechts zu heilen. Allerdings ist spätestens<br />

seit Stützel bekannt, dass „die Bilanztheorie heute<br />

notwendig von dem Vorurteil ausgehen [muss, d.Verf.], dass<br />

jedem Zweck seine eigene Bewertung, jedem Bilanzzweck


2<br />

Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />

seine eigene Bilanz entspricht“ 7. Entsprechend kann eine<br />

Bilanz, die als alleiniges Ziel die Information (potentieller)<br />

Investoren kennt, nicht zugleich auch dem Zweckkonglomerat<br />

einer deutschen Handelsbilanz gerecht werden. Sie<br />

kann es nicht und soll es auch nicht8. Allerdings stellt weder das Institut der Ausschüttungssperren<br />

für das deutsche Handelsbilanzrecht eine neue Thematik<br />

dar noch ist dessen Nutzung im Kontext der Internationalisierung<br />

des deutschen Bilanzrechts überraschend. So war<br />

z.B. bereits im HGB a.F. vorgeschrieben, bei wahlweiser<br />

Aktivierung von Aufwendungen für die Ingangsetzung und<br />

Erweiterung des Geschäftsbetriebs eine Bilanzierungshilfe<br />

nach §269 HGB a.F. zu bilden, die einer Ausschüttungssperre<br />

unterlag9. Gleiches galt für die in §274 Abs.2 S.3<br />

HGB a.F. kodifizierte Ausschüttungssperre bezüglich aktiver<br />

latenter Steuern. Zudem wurde dem Gesetzgeber bereits<br />

seit Jahren empfohlen, die Informationsfunktion zu stärken<br />

und die Zulassung der damit verbundenen Fremdkörper im<br />

deutschen Bilanzrecht durch Ausschüttungssperren zu kompensieren,<br />

um die Zahlungsbemessungsfunktion nicht zu<br />

gefährden10. Neben den handelsrechtlichen Ausschüttungssperren<br />

existieren auch gesellschaftsrechtliche Ausschüttungssperren.<br />

Hier ist insbesondere die in §30 <strong>GmbH</strong>G normierte<br />

Ausschüttungssperre zu nennen11. <strong>Die</strong> Ausschüttungssperre wurde im Rahmen des BilMoG<br />

erstmalig in einer gesonderten Gesetzesvorschrift in §268<br />

Abs.8 HGB kodifiziert und besitzt damit ihre Gültigkeit<br />

für Kapitalgesellschaften und Kapital & Co. Gesellschaften12.<br />

Von dieser Vorschrift erfasst sind die nach den klassischen<br />

Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung noch<br />

nicht realisierten Erträge aus der Bilanzierung bestimmter<br />

Aktiva. In Höhe dieser Beträge, abzüglich hierfür gebildeter<br />

passiver latenter Steuern, sind Ausschüttungen frei verfügbarer<br />

Eigenkapitalbestandteile unzulässig. <strong>Die</strong> Ausschüttungssperren<br />

verhindern damit, dass die aus dem Ansatz<br />

respektive der Bewertung der Posten resultierenden<br />

und mit Unsicherheit behafteten Erträge ausgeschüttet<br />

werden. Explizit erstreckt sich der Regelungsbereich von<br />

§268 Abs.8 HGB auf wahlweise aktivierte selbst geschaffene<br />

Vermögensgegenstände des immateriellen Anlagevermögens,<br />

das Deckungsvermögen von Pensionsverpflichtungen<br />

sowie aktive latente Steuern. Damit dient die<br />

Ausschüttungssperre konkret der „Bestimmung der Grenze<br />

der Gewinnausschüttung [in, d.Verf.] dergestalt, dass<br />

die ohne die Inanspruchnahme der Aktivierungswahlrechte<br />

oder ohne die Existenz zweckgebundener Vermögensgegenstände<br />

des §246 Abs.2 S.2 HGB maximal zulässigen<br />

ausschüttbaren Gewinne ermittelt werden“ 13. Zudem<br />

kennt das HGB auch eine als rechnungslegungsausgewiesene<br />

Ausschüttungssperre für Anteile an einem herrschenden<br />

oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen14, die allerdings<br />

nicht ausdrücklich in §268 Abs.8 HGB genannt<br />

wird. Demnach muss für Anteile an einem herrschenden<br />

oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen eine Rücklage<br />

bereits bei der Aufstellung der Bilanz gebildet werden.<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre nach §268 Abs.8 HGB stellt<br />

eine bilanzorientierte Ausschüttungssperre dar. <strong>Die</strong>se richtet<br />

sich grundsätzlich – im Gegensatz zu der im RegE vorgesehenen<br />

erfolgsorientierten Ausschüttungssperre, die<br />

sich an der Gewinn- und Verlustrechnung orientierte15 –<br />

nach den jeweiligen Bilanzansätzen und teilt somit das<br />

Schicksal der entsprechenden Posten in den Folgeperioden.<br />

Es erfolgt eine bilanzielle Betrachtungsweise, indem<br />

die noch aktivierten, unrealisierten Erträge der Ausschüttungs-<br />

und Abführungssperre unterliegen.<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

Ziel dieses Beitrags ist es, den Regelungsinhalt der Ausschüttungssperre<br />

zu erläutern. <strong>Die</strong>s beinhaltet neben der<br />

ausführlichen Erörterung der von der Ausschüttung betroffenen<br />

Posten (und der aufgrund des Gesetzestexts resultierenden<br />

Schwächen) ebenso die Bestimmung des Ausschüttungspotenzials<br />

sowie die in diesem Kontext zu tätigen<br />

Anhangangaben und die Rechtsfolgen bei einer Nichtbeachtung.<br />

Da die Wirkung der handelsrechtlichen Ausschüttungssperre<br />

im Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen<br />

Regelungen zur Bestimmung des potentiellen<br />

Ausschüttungsbetrags steht, wird unter III. auf die<br />

Interdependenzen zwischen diesen Regelungen eingegangen.<br />

Zum Abschluss erfolgen Anregungen zur Nutzung<br />

von Ausschüttungssperren im Rahmen von variablen Vergütungssystemen.<br />

II. Ausschüttungssperren gemäß § 268 Abs. 8 HGB<br />

1. Regelungsinhalt<br />

Für Kapitalgesellschaften ist in §268 Abs.8 HGB eine<br />

Ausschüttungssperre für<br />

– in der Bilanz ausgewiesene selbst geschaffene immaterielle<br />

Vermögensgegenstände des Anlagevermögens abzüglich<br />

der hierfür gebildeten passiven latenten Steuern,<br />

– den Betrag, um den die aktiven latenten Steuern die passiven<br />

latenten Steuern übersteigen (Aktivüberhang), sowie<br />

– die Differenz aus (höherem) Zeitwert und Anschaffungskosten<br />

der zur Deckung der Altersversorgungsverpflichtungen<br />

nach §246 Abs.2 S.2 HGB vorhandenen<br />

Vermögensgegenstände abzüglich der hierfür gebildeten<br />

passiven latenten Steuern<br />

kodifiziert. <strong>Die</strong> Höhe der Ausschüttungssperre ermittelt<br />

sich demnach grundsätzlich nach dem bilanziellen Ansatz<br />

der Vermögensgegenstände oder Sonderposten, da es sich<br />

um eine bilanzorientierte Ausschüttungssperre handelt16. Das deutsche Steuerrecht kennt keine Ausschüttungssperre.<br />

<strong>Die</strong> handelsrechtlichen Ausschüttungssperren gemäß<br />

§268 Abs.8 HGB führen zu keinen steuerbilanziellen<br />

Konsequenzen17. 7 Stützel, ZfB 1967, 320ff.<br />

8 Vgl. Küting/Kaiser, Corporate Finance 2010, S.386.<br />

9 Vgl. ausführlich hierzu Commandeur in Küting/Pfitzer/Weber<br />

(Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss,<br />

5.Aufl. 1995 ff., §269 HGB Rz. 1ff.<br />

10 Vgl. Kahle, Internationale Rechnungslegung und ihre Auswirkungen<br />

auf Handels- und Steuerbilanz, 2002, S.255; Ballwieser,<br />

KoR 2001, 160ff.; Schulze-Osterloh, Harmonisierung der<br />

Rechnungslegung und Kapitalschutz, in Schruff (Hrsg.), Bilanzrecht<br />

unter dem Einfluß internationaler Reformzwänge,<br />

1996, S. 121–134.<br />

11 Vgl. unten III.2.<br />

12 Für die Anwendung bei Kommanditgesellschaften vgl. unten<br />

II.5.<br />

13 Marx/Dallmann in Baetge/Kirsch/Thiele (Hrsg.), Bilanzrecht<br />

Kommentar, 2002, §268 HGB Rz. 111 (2009).<br />

14 Vgl. §266 Abs. 3 Nr. A.III.2. HGB i.V.m. §272 Abs. 4 HGB.<br />

15 Vgl. zu dieser Entwicklung ausführlich Keßler, Pensionsverpflichtungen<br />

nach neuem HGB und IFRS, in Küting/Weber/<br />

Kußmaul (Hrsg.), Bilanz-, Prüfungs- und Steuerwesen Band<br />

16, 2010, S.243 ff.<br />

16 Vgl. oben I.<br />

17 Zu den potentiellen Auswirkungen auf die steuerliche Organschaft<br />

vgl. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 629 (634f.).


Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 3<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />

a) Ausschüttungssperre aus der Aktivierung selbst<br />

geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände<br />

des Anlagevermögens<br />

Der Gesetzgeber hat im Zuge des BilMoG in §248 Abs.2<br />

S.1 HGB ein Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene<br />

immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens<br />

verankert, nachdem zuvor im HGB ein Aktivierungsverbot<br />

gegeben war18. Das Aktivierungswahlrecht<br />

ermöglicht Unternehmen selbst geschaffene immaterielle<br />

Vermögensgegenstände des Anlagevermögens19 aktivisch<br />

abzugrenzen, dann allerdings verbunden mit einem erheblichen<br />

Dokumentationserfordernis20. <strong>Die</strong> Aktivierung von<br />

selbst geschaffenen Marken, Drucktiteln, Verlagsrechten<br />

sowie ähnlichen Werten und Rechten ist gemäß §248<br />

Abs.2 S.2 HGB – analog zu IAS 38 – verboten.<br />

Bei Ausübung des Aktivierungswahlrechts bestimmen<br />

sich die Herstellungskosten des immateriellen Vermögensgegenstands<br />

nach §255 Abs.2a HGB i.V.m. §255<br />

Abs.2 HGB21. Als Herstellungskosten des selbst geschaffenen<br />

Vermögensgegenstands gelten die bei dessen Entwicklung<br />

anfallenden Aufwendungen. <strong>Die</strong> Entwicklungskosten<br />

stellen daher die spezifischen Herstellungskosten<br />

von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen<br />

des Anlagevermögens dar.<br />

Generell ist festzuhalten, dass eine Ausschüttungssperre<br />

im IFRS-Bilanzrecht nicht bekannt ist. Im Gegensatz zum<br />

deutschen Bilanzrecht ist somit die Aktivierung von selbst<br />

erstellten immateriellen Vermögensgegenständen nach<br />

IFRS nicht mit einer Ausschüttungssperre versehen. Da<br />

den selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen<br />

„nur schwer ein objektiver Wert“ 22 zugewiesen<br />

werden kann, ist im deutschen Bilanzrecht bei der Aktivierung<br />

von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen<br />

die Ausschüttungssperre nach §268<br />

Abs.8 S.1 HGB („Werden selbst geschaffene immaterielle<br />

18 Vgl. Baetge/Fey/Weber/Sommerhoff in Küting/Pfitzer/Weber<br />

(Hrsg.), Handbuch der Rechungslegung – Einzelabschluss,<br />

5.Aufl. 1995 ff., §248 HGB Rz. 17ff. (2010).<br />

19 Eine bedeutende Rolle spielen die selbst geschaffenen immateriellen<br />

Vermögenswerte insbesondere in der Automobil- und<br />

Maschinenbauindustrie. Vgl. zu einer empirischen Untersuchung<br />

zur Aktivierung von selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenständen<br />

deutscher IFRS-Bilanzierer Küting, PiR<br />

2008, 315 ff.<br />

20 Vgl. BR-Drucks. 344/08, S.7f.; vgl. auch Laubach/Kraus/<br />

Bornhofen, DB Beilage 5/2009, S.19.<br />

21 Vgl. ausführlich zu den Herstellungskosten selbst geschaffener<br />

immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens<br />

Küting/Ellmann in Küting/Pfitzer/Weber (Hrsg.), Handbuch<br />

der Rechnungslegung – Einzelabschluss, 5.Aufl. 1995ff.,<br />

§ 255 HGB Rz. 389ff. (2010).<br />

22 BR-Drucks. 344/08, S.106.<br />

23 Vgl. dazu auch II.1.b).<br />

24 Vgl. § 253 Abs.3 S. 3 HGB; vgl. ausführlich hierzu Brösel/<br />

Olbrich in Küting/Pfitzer/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung<br />

– Einzelabschluss, 5. Aufl. 1995 ff., §253 HGB<br />

Rz. 571ff. (2010).<br />

25 Vgl. ausführlich zur Diskussion wann ein immaterieller VG einem<br />

Wertverzehr unterliegt Küting/Ellmann, Immaterielles<br />

Vermögen, in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht,<br />

2. Aufl. 2009, S. 277f.<br />

26 Vgl. zu den Gründen Deutsches Rechnungslegungs Standards<br />

Committee e.V. (2008): Regierungsentwurf eines Gesetzes zur<br />

Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz<br />

– BilMoG) v. 21.5.2008, – URL: http://<br />

www.standardsetter.de/drsc/docs/press_releases/080807_SN_<br />

BilMoG-RegE.pdf – Stand: 15.4.2009.<br />

Vermögensgegenstände des Anlagevermögens in der Bilanz<br />

ausgewiesen, so dürfen Gewinne nur ausgeschüttet<br />

werden, wenn [...]“) zu berücksichtigen. <strong>Die</strong> Problematik<br />

der Zuweisung eines objektiven Werts liegt in den mit der<br />

Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen<br />

verbundenen Bilanzierungsentscheidungen,<br />

die von Ermessensspielräumen geprägt sind: Neben<br />

der Trennung von der Forschungs- und der Entwicklungsphase<br />

ist eine Entscheidung hinsichtlich des Aktivierungszeitpunkts<br />

innerhalb der Entwicklungsphase durch<br />

den Bilanzierenden vorzunehmen. Beide Bilanzierungsentscheidungen<br />

besitzen eine Auswirkung auf die Höhe<br />

des Wertansatzes des immateriellen Vermögensgegenstands.<br />

Indem die Aktivierung der selbst geschaffenen immateriellen<br />

Vermögensgegenstände mit einer Ausschüttungssperre<br />

belegt wird, wird der Problematik der objektiven<br />

Wertermittlung und der schweren Nachvollziehbarkeit<br />

der Werthaltigkeit dieses Bilanzpostens durch den deutschen<br />

Gesetzgeber Ausdruck verliehen.<br />

<strong>Die</strong> Höhe der Ausschüttungssperre auf selbst geschaffene<br />

immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens<br />

gemäß §268 Abs.8 S.1 HGB bezieht sich nicht auf den vollen<br />

Betrag der aktivierten Vermögensgegenstände, sondern<br />

bestimmt sich aus der Differenz zwischen dem Bilanzwert<br />

selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände<br />

und den darauf abgegrenzten passiven latenten Steuern.<br />

Denn nach §5 Abs.2 EStG ist die Aktivierung von selbst geschaffenen<br />

immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagenvermögens<br />

nicht zulässig. Auf die dadurch entstehende<br />

Wertdifferenz zwischen Handels- und Steuerbilanz sind<br />

(ergebnismindernd) passive latente Steuern abzugrenzen.<br />

Eine Saldierung des aktivierten immateriellen Vermögensgegenstands<br />

mit den darauf gebildeten passiven latenten<br />

Steuern ist wegen der rein bilanzbezogenen Ermittlung<br />

der Höhe der Ausschüttungssperre systematisch korrekt,<br />

da die Bildung der passiven latenten Steuern in der Gewinn-<br />

und Verlustrechnung gerade zu einer teilweisen<br />

Kompensation der durch Aktivierung der Posten entstandenen<br />

Erträge führt. <strong>Die</strong>se Systematik führt allerdings im<br />

Falle eines Überhangs an aktiven latenten Steuern, der gemäß<br />

§268 Abs.8 S.2 HGB (aktive latente Steuern passive<br />

latente Steuern) selbst ausschüttungsgesperrt ist, zu einer<br />

zweifachen Erfassung der (bereits) auf die aktivierten<br />

immateriellen Vermögensgegenstände gebildeten passiven<br />

latenten Steuern. Im Ergebnis wird damit ein Betrag ausschüttungsgesperrt,<br />

der sich aus Gläubigerschutzgesichtspunkten<br />

als zu niedrig erweist23. Da die Höhe der Ausschüttungssperre von dem bilanziellen<br />

Buchwert der selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände<br />

(abzüglich der darauf gebildeten passiven<br />

latenten Steuern) abhängt, teilt die Ausschüttungssperre<br />

(wie die passiven latenten Steuern) das Schicksal<br />

der Wertentwicklung des Vermögensgegenstands im Zeitablauf.<br />

Der Buchwert eines zeitlich begrenzt nutzbaren<br />

immateriellen Vermögensgegenstands wird durch planmäßige<br />

und außerplanmäßige Abschreibungen (§253 Abs.3<br />

S.1 bis 3 HGB) gemindert. Dementsprechend ist auch die<br />

Höhe der Ausschüttungssperre in den Folgeperioden anzupassen.<br />

Vermögensgegenstände, deren Nutzung zeitlich<br />

nicht begrenzt ist, sind lediglich außerplanmäßig abzuschreiben24.<br />

Liegt eine dauerhafte Wertminderung für diese<br />

Vermögensgegenstände vor, ist die Höhe der Ausschüttungssperre<br />

anzupassen25. <strong>Die</strong> Forderung des DRSC,<br />

selbst geschaffene Vermögensgegenstände des Anlagevermögens<br />

mit einem Wertaufholungsverbot zu versehen26,


4<br />

Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />

hat der Gesetzgeber im Zuge des BilMoG nicht umgesetzt.<br />

Folglich wirkt sich die durch eine Wertaufholung gemäß<br />

§253 Abs.5 S.1 HGB vorgenommene Zuschreibung<br />

gleichzeitig erhöhend auf den ausschüttungsgesperrten<br />

Betrag aus 27.<br />

Wird der selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstand<br />

des Anlagevermögens veräußert, entfällt die Ursache<br />

für den auf den immateriellen Vermögensgegenstand<br />

entfallenden ausschüttungsgesperrten Betrag gemäß<br />

§268 Abs.8 S.1 HGB, so dass der ausschüttungsgesperrte<br />

Betrag i.S.d. §268 Abs.8 HGB in Höhe des Abgangswerts<br />

des immateriellen Vermögensgegenstands – abzüglich der<br />

darauf gebildeten passiven latenten Steuer – vermindert<br />

wird 28.<br />

Zu einer beispielhaften Veranschaulichung der Funktionsweise<br />

der Ausschüttungssperre bei der Aktivierung von<br />

selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen<br />

des Anlagevermögens wird auf den nächsten Gliederungspunkt<br />

verwiesen. Dort wird auch noch einmal das<br />

Problem der Doppelerfassung passiver latenter Steuern bei<br />

der Ermittlung der Ausschüttungssperre aufgegriffen.<br />

b) Ausschüttungssperre aus dem Ansatz aktiver<br />

latenter Steuern<br />

Im Zusammenhang mit dem Ansatz von aktiven latenten<br />

Steuern greift – wie unter II.1. aufgeführt – die Ausschüttungssperre<br />

i.S.v. §268 Abs.8 HGB29. Dabeiistesunerheblich,<br />

ob die Bildung der latenten Steuern erfolgswirksam<br />

oder erfolgsneutral, wie es im Rahmen der Übergangsregelungen<br />

(Art.67 Abs.6 S.1 EGHGB) bzw. in<br />

Ausnahmefällen im Zugangszeitpunkt möglich ist, erfolgt30.<br />

<strong>Die</strong>s geht allein schon aus dem Wortlaut des §268<br />

Abs.8 HGB hervor, wonach eine bilanzorientierte Betrachtung<br />

vorzunehmen ist. Der bilanzielle Charakter der<br />

aktiven latenten Steuern als Sonderposten eigener Art<br />

bringt bereits die damit verbundene Unsicherheit hinsichtlich<br />

eines zukünftigen Nutzenpotentials zum Ausdruck.<br />

<strong>Die</strong>s gilt umso mehr, als nun auch aktive latente Steuern<br />

auf steuerliche Verlustvorträge zu bilden sind31. Umzu<br />

gewährleisten, dass die unsicheren unrealisierten Eigenkapitalbestandteile<br />

an das Unternehmen gebunden bleiben<br />

und dem Gläubigerschutzprinzip Rechnung getragen wird,<br />

obliegt der Betrag, um den die aktiven latenten Steuern<br />

die passiven latenten Steuern übersteigen, nach §268<br />

Abs.8 S.2 HGB der Ausschüttungssperre.<br />

Bei der Bestimmung des Ausschüttungssperrbetrags ist<br />

insbesondere Folgendes zu beachten:<br />

Einerseits erlaubt es das Saldierungswahlrecht des §274<br />

Abs.1 S.3 HGB, die aktiven und passiven latenten<br />

Steuern entweder in einer Größe saldiert oder jeweils unverrechnet<br />

als letzte Position im Bilanzgliederungsschema<br />

nach §266 HGB auszuweisen. Für die Beurteilung der<br />

Ausschüttungssperre ist es allerdings unerheblich, ob der<br />

Ausweis des Aktivüberhangs in der Bilanz saldiert oder<br />

unsaldiert erfolgt32. Andererseits wird nach der beschriebenen gesetzlichen<br />

Systematik zur Ermittlung der Ausschüttungssperre durch<br />

die Doppelberücksichtigung der passiven latenten Steuern<br />

ein zu niedriger Betrag der Ausschüttung entzogen. Denn<br />

die passiven latenten Steuern, die bei den selbst geschaffenen<br />

immateriellen Vermögensgegenständen oder den nach<br />

§246 Abs.2 HGB zum Zeitwert bewerteten Vermögensgegenständen<br />

zu berücksichtigen sind, sollen nach dem<br />

Wortlaut des Gesetzes auch in die Ermittlung des Aus-<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

schüttungssperrbetrags einbezogen werden, der für bilanziell<br />

angesetzte aktive latente Steuern zu ermitteln ist. In<br />

Höhe der auf die beiden erstgenannten Posten gebildeten<br />

passiven latenten Steuern besteht folglich eine „Ausschüttungsentsperrung“.<br />

<strong>Die</strong> Problematik wird anhand des nachfolgenden Sachverhalts<br />

beispielhaft dargestellt.<br />

Beispiel: In der betrachteten Periode wurde ein selbst<br />

geschaffener immaterieller Vermögensgegenstand i.H.v.<br />

80 GE aktiviert. Darauf wurden, bei einem angenommenen<br />

Steuersatz von 20%, passive latente Steuern von 16<br />

GE abgegrenzt.<br />

Fall a): Es bestehen aktive latente Steuern i.H.v. 100<br />

GE und passive latente Steuern von insgesamt 36 GE.<br />

Fall b): Wie a), jedoch ohne Ausweis des bestehenden<br />

Aktivüberhangs an aktiven latenten Steuern.<br />

Fall c): Es bestehen aktive latente Steuern i.H.v. 100<br />

GE und passive latente Steuern von insgesamt 105 GE.<br />

Lösung:<br />

Fall a): Der Ausschüttungssperrbetrag, der auf den selbst<br />

geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstand entfällt,<br />

beträgt 64 GE (80 ./. 16).<br />

Nach §268 Abs.8 S.2 HGB ist auch der Betrag ausschüttungsgesperrt,<br />

„um den die aktiven latenten Steuern die<br />

passiven latenten Steuern übersteigen“. Der übersteigende<br />

Betrag beläuft sich im konkreten Fall auf 64 GE (100 ./.<br />

36). In der Summe ergibt sich somit ein Ausschüttungssperrbetrag<br />

von 128 GE (64 + 64). Nach dieser Vorgehensweise<br />

werden jedoch die auf die selbst geschaffenen<br />

immateriellen Vermögensgegenstände gebildeten passiven<br />

latenten Steuern doppelt, nämlich auch bei der Ermittlung<br />

des die passiven latenten Steuern übersteigenden Betrags<br />

an aktiven latenten Steuern, berücksichtigt. Ohne diese<br />

Doppelberücksichtigung ergibt sich ein um 16 GE höherer<br />

ausschüttungsgesperrter Betrag von 144 GE (64 + 80). Damit<br />

korrespondierend ist auch der aus den vorgenannten<br />

Sachverhalten resultierte Ergebnis- bzw. Eigenkapitaleffekt.<br />

<strong>Die</strong> Aktivierung des selbstgeschaffenen immateriellen<br />

Vermögensgegenstands führt zu einer Ergebniserhöhung<br />

von 80 GE. Der Ansatz des Aktivüberhangs an latenten<br />

Steuern führt zu einem Steuerertrag von netto 64 GE<br />

(+ 100 ./. 36). Daraus resultiert ein Ergebnis- bzw. Eigenkapitaleffekt<br />

i.H.v. insgesamt 144 GE (80 + 64). Nach gesetzlicher<br />

Vorgehensweise läge folglich eine zu niedrige<br />

Ausschüttungssperre von 16 GE (144 ./. 128) vor.<br />

27 Vgl. zu diesem Absatz Gelhausen/Fey/Kämpfer, Ausschüttungssperre,<br />

in Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz,<br />

Düsseldorf 2009, Rz. 26; für<br />

eine beispielhafte Darstellung vgl. Küting/Ellmann, aaO<br />

(Fn.21), Rz. 394.<br />

28 Vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer, aaO (Fn.27), Rz. 27.<br />

29 Vgl. ausführlich zur bilanziellen Behandlung latenter Steuern<br />

Küting/Seel, Latente Steuern, in Küting/Pfitzer/Weber, Das<br />

neue deutsche Bilanzrecht, 2.Aufl. 2009, S. 499ff.; Spanheimer/Simlacher<br />

in Küting/Pfitzer/Weber (Hrsg.), Handbuch der<br />

Rechnungslegung – Einzelabschluss, 5.Aufl. 1995ff., § 274<br />

HGB Rz. 1ff. (2010).<br />

30 Vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer, aaO (Fn. 27), Rz. 27, 47; Kaya/<br />

Borgwardt, StuB 2010, 727 (730).<br />

31 Vgl. hierzu Küting/Seel, aaO (Fn. 29), S. 508ff.<br />

32 Vgl. BT-Drucks. 16/12407, S.113.


Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 5<br />

Hergestellte<br />

immaterielle<br />

Anlagegüter<br />

Angepasster<br />

Aktivüberhang<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />

Aktiva Passive<br />

latente<br />

Steuern<br />

Summe<br />

80 16 64<br />

80<br />

(64 + 16)<br />

Ausschüttungssperre 144<br />

Eine teilweise Ausschüttungsentsperrung unsicherer Erträge<br />

aus dem Ansatz aktiver latenter Steuern ist systematisch<br />

unbegründet und verfehlt den mit der Ausschüttungssperre<br />

verbundenen Zweck. Daher ist die Berücksichtigung<br />

von passiven latenten Steuern, die mit ausschüttungsgesperrten<br />

Posten gemäß §268 Abs.8 S.1 u. 3 HGB<br />

in Verbindung stehen, bei der Bestimmung der Höhe des<br />

Ausschüttungssperrbetrags eines aktivischen Überhangs<br />

latenter Steuern entgegen dem Wortlaut der Vorschrift<br />

nicht zulässig33. Fall b): Sofern von dem Ansatzwahlrecht gemäß §274<br />

Abs.1 S.2 HGB kein Gebrauch gemacht und daher der<br />

Aktivüberhang nicht angesetzt wird, ist bei dem selbst geschaffenen<br />

immateriellen Vermögensgegenstand auch keine<br />

passive latente Steuer mehr zu berücksichtigen. Der<br />

mit seiner Bildung in Zusammenhang stehende gegenläufige<br />

Ergebniseffekt wurde durch die Saldierung mit aktiven<br />

latenten Steuern bereits neutralisiert. Folglich bezieht<br />

sich die Ausschüttungssperre auf die vollen (Brutto-)Beträge.<br />

Aktiva Passive<br />

latente<br />

Steuern<br />

Hergestellte immaterielle Anlagegüter 80 –<br />

Ausschüttungssperre 80<br />

Der ausschüttungsfähige Betrag der Periode bleibt – im<br />

Vergleich zu Fall a) – unberührt, da ein höherer steuerlicher<br />

Ertrag aus der Berücksichtigung des Aktivüberhangs<br />

an latenten Steuern (100 GE ./. 36 GE = 64 GE) in voller<br />

Höhe ausschüttungsgesperrt wäre. Sowohl der Ergebniseffekt<br />

als auch der Ausschüttungssperrbetrag sind daher im<br />

Vergleich zum Fall a) um 64 GE niedriger.<br />

Damit ist die oben dargestellte Ermittlungsmethode konsistent<br />

mit solchen Fällen, in denen das Aktivierungswahlrecht<br />

für einen Aktivüberhang an latenten Steuern nicht in<br />

Anspruch genommen wird34. Fall c): Nach dem Wortlaut §268 Abs.8 HGB beträgt die<br />

Ausschüttungssperre insgesamt 64 GE (80 ./. 16), da ein<br />

Passivüberhang an latenten Steuern besteht. <strong>Die</strong> doppelte<br />

33 Vgl. ebenso Zülch/Hoffmann, DB 2010, 909 (910); Ellrott/Huber<br />

in Budde u.a. (Hrsg.), Beck’scher Bilanz-Komm., 7. Aufl.<br />

2010, § 268 HGB Rz. 143, m.w.N.<br />

34 A.A. Hoffmann/Lüdenbach, aaO (Fn. 6), Rz. 132b.<br />

35 Vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer, aaO (Fn.27), Rz. 51.<br />

36 Vgl. ausführlich hierzu Keßler, aaO (Fn. 15), S.235ff.<br />

37 Vgl. § 268 Abs. 8 S.3 HGB.<br />

38 D.h. Zeitwert ./. Anschaffungskosten. Bei den Anschaffungskosten<br />

handelt es sich um die historischen Anschaffungskosten.<br />

Vgl. hierzu Gelhausen/Fey/Kämpfer, aaO (Fn. 27),<br />

Rz. 33ff.<br />

39 Vgl. BT-Drucks. 16/12407, S.87; Gelhausen/Fey/Kämpfer,<br />

aaO (Fn. 27), Rz. 30; Ellrott/Huber aaO (Fn. 33), Rz. 140.<br />

80<br />

Berücksichtigung der passiven latenten Steuer, die in Zusammenhang<br />

mit dem selbst geschaffenen immateriellen<br />

Vermögensgegenstand steht, führt auch in diesem Fall zu<br />

einem den Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechenden<br />

Ergebnis. Denn bei nur einmaliger Berücksichtigung<br />

der Entsperrungswirkung des auf den selbst geschaffenen<br />

immateriellen Vermögensgegenstand entfallenden passiven<br />

latenten Steuerbetrags ergibt sich eine um 11 GE höhere<br />

Ausschüttungssperre von 75 GE (64 + 100 ./. [105 ./.<br />

16]).<br />

Hergestellte<br />

immaterielle<br />

Anlagegüter<br />

Angepasste latente<br />

Steuern<br />

Aktiva Passive<br />

latente<br />

Steuern<br />

Summe<br />

80 16 64<br />

100 89<br />

(105 ./. 16)<br />

Ausschüttungssperre 75<br />

Zu diesem Grenzfall kann es jedoch nur dann kommen,<br />

sofern der Passivüberhang latenter Steuern kleiner ist als<br />

die Summe der passiven latenten Steuern, die mit ausschüttungsgesperrten<br />

Posten gemäß §268 Abs.8 S.1 u. 3<br />

HGB in Verbindung stehen. Da es in diesem Fall faktisch<br />

zu einem der in §268 Abs.8 HGB genannten Fällen<br />

– nämlich einem ausschüttungsgesperrten Aktivüberhang –<br />

kommt, ist die partielle doppelte Berücksichtigung entgegen<br />

des Gesetzeswortlauts auch hier nicht als zulässig zu<br />

erachten.<br />

In den Folgeperioden folgt die Höhe der Ausschüttungssperre<br />

grundsätzlich dem Schicksal des jeweiligen Bilanzpostens.<br />

Bezüglich der Steuerlatenz richten sich die ausschüttungsgesperrten<br />

Beträge nach dem bilanziellen Ansatz<br />

der aktiven Steuerlatenz abzüglich der passiven latenten<br />

Steuern. Da es jedoch bei dieser Verrechnung zu der<br />

oben dargestellten systematisch inkorrekten doppelten Erfassung<br />

kommen kann, reicht eine einseitige Betrachtung<br />

des saldierten Betrags nicht aus 35. So ist neben dem Aktivüberhang<br />

ebenso der Entwicklung der passiven latenten<br />

Steuern, die bereits mit anderen ausschüttungsgesperrten<br />

Beträgen (§268 Abs.8 S.1 u. 3 HGB) verrechnet wurden,<br />

Rechnung zu tragen und entsprechend – nach dem Sinn<br />

und Zweck dieser Vorschrift – keine erneute (doppelte)<br />

Berücksichtigung vorzunehmen.<br />

c) Ausschüttungssperre aus der Bewertung des<br />

Deckungsvermögens von Pensionsverpflichtungen<br />

<strong>Die</strong> Beträge bezüglich des Zweckvermögens von Pensionsverpflichtungen<br />

nach §253 Abs.1 S.4 HGB36 unterliegen<br />

gemäß §268 Abs.8 S.3 HGB der Ausschüttungssperre,<br />

sofern die am Bilanzstichtag ermittelten Wertansätze<br />

die Anschaffungskosten übersteigen. Dabei handelt<br />

es sich um unrealisierte Erträge der Periode oder vorangegangener<br />

Perioden, die durch eine gesetzlich geregelte<br />

Ausnahme gegen das Anschaffungskostenprinzip verstoßen.<br />

In diesem Kontext gebildete passive latente Steuern<br />

gemäß §274 Abs.1 HGB sind vom Sperrbetrag abzuziehen37.<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre bezieht sich auf den Betrag,<br />

der die Anschaffungskosten übersteigt38 (abzüglich<br />

hierfür gebildeter passive latente Steuern) und hängt folglich<br />

nicht von einem ausgewiesenen Aktivüberhang ab39. Bei der Ermittlung des ausschüttungsgesperrten Betrags<br />

verbietet der Einzelbewertungsgrundsatz die Aufrechnung<br />

11


6<br />

der Erträge aus der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert<br />

mit den Aufwendungen aus außerplanmäßigen Abschreibungen<br />

anderer Vermögensgegenstände i.S.d. §246<br />

Abs.2 S.2 HGB40. Der Einzelbewertungsgrundsatz grenzt<br />

den Geltungsbereich des Imparitäts- und des Realisationsprinzips<br />

ab, um die Wirksamkeit der Ausschüttungssperre<br />

sicherzustellen. Anhand eines Beispiels soll die Wirkung<br />

der Ausschüttungssperre und des Einzelbewertungsgrundsatzes<br />

verdeutlicht werden.<br />

Beispiel: Im Jahr t1 steigt der beizulegende Zeitwert<br />

des VG 1 (Teil des Deckungsvermögens) von den bilanzierten<br />

Anschaffungs- oder Herstellungskosten i.H.v. 70<br />

GE auf 100 GE. Ein zweiter Vermögensgegenstand des<br />

Deckungsvermögens wird aufgrund gleichbleibenden<br />

Werts weiterhin mit den ursprünglichen Anschaffungsoder<br />

Herstellungskosten von 80 GE ausgewiesen. Der<br />

Wertansatz der Pensionsverpflichtung beträgt 160 GE.<br />

Im Jahr t2 steigt der beizulegende Zeitwert von VG 1<br />

auf 110, während gleichzeitig VG 2 um 10 GE abgeschrieben<br />

wird. Der Wertansatz der Pensionsverpflichtung<br />

steigt auf 165 GE. Der angenommene Steuersatz<br />

beträgt 30%.<br />

Berechnung:<br />

Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />

Periode VG1 VG2 Passive Pensi-<br />

latente onsver<br />

Steuern pflich<br />

gemäß<br />

§274<br />

HGB<br />

tungAnschaffungskosten<br />

70 80<br />

t1 Zeitwert<br />

(= Buchwert)<br />

Ausschüttungs-<br />

100 80 9 160<br />

sperre gemäß<br />

§ 268 Abs. 8<br />

HGB<br />

100 ./. 70 ./. 9 = 21<br />

t2 Zeitwert<br />

(= Buchwert)<br />

Ausschüttungs-<br />

110 70 12 165<br />

sperre gemäß<br />

§ 268 Abs. 8<br />

HGB<br />

110 ./. 70 ./. 12 = 28<br />

Das bilanzierende Unternehmen weist im Jahr t1 einen<br />

ausschüttungsgesperrten Betrag i.H.v. 21 GE auf. In der<br />

Periode t2 wird zwar – unter Außerachtlassung weiterer<br />

Geschäftsvorfälle – ein Gesamtjahresfehlbetrag von 8 GE<br />

(+ 10 ./.10 ./. 3 ./. 5) erzielt. Gleichzeitig steigt aber die<br />

Ausschüttungssperre gemäß §268 Abs.8 HGB um 7 GE.<br />

Auch bei dem Zweckvermögen i.S.d. §246 Abs.2 S.2 HGB<br />

folgt die Höhe des ausschüttungsgesperrten Betrags dem jeweiligen<br />

Buchwert des Zweckvermögens, so dass gestiegene<br />

(bzw. gesunkene) Zeitwerte den gesperrten Betrag erhöhen<br />

(bzw. verringern), so lange sie über den Anschaffungskosten<br />

liegen. <strong>Die</strong> Ausschüttungssperre bezüglich des<br />

Zweckvermögens kann somit zum einen durch einen Zeitwert,<br />

der kleiner oder gleich den Anschaffungskosten ist,<br />

entfallen oder zum anderen, wenn die im Zweckvermögen<br />

enthaltenen Gewinne realisiert sind. In der Höhe des gewinnrealisierten<br />

Betrags ist es nicht gerechtfertigt, das Vermögen<br />

des Bilanzierenden vor einer Auszehrung durch<br />

Ausschüttung zu schützen, da der Ertrag durch einen Umsatzakt<br />

bestätigt ist. Entsteht beispielsweise durch die Wert-<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

steigerung eines börsennotierten Wertpapiers über seine Anschaffungskosten<br />

ein Ertrag und wird dieser in den Folgejahren<br />

durch Verkauf und Reinvestition des Wertpapiers in<br />

einem anderen Vermögensgegenstand realisiert 41, entfällt<br />

die Ausschüttungssperre 42.<br />

2. Ausschüttungspotential<br />

Das Ausschüttungspotential umfasst die Gewinne, die unter<br />

Berücksichtigung der Ausschüttungssperren höchstens<br />

ausgekehrt werden dürfen. <strong>Die</strong> Ausschüttungsobergrenze<br />

einer Periode bestimmt sich daher nach dem Überschuss<br />

der verbleibenden frei verfügbaren Rücklagen zuzüglich<br />

eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags<br />

(analoges Vorgehen für Jahresüberschüsse respektive Jahresfehlbeträge)<br />

über diejenigen angesetzten Beträge, für<br />

die eine Ausschüttungssperre verhängt wird, unter Berücksichtigung<br />

passiver latenter Steuern, die aufgrund der Aktivierung<br />

selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände<br />

des Anlagevermögens bzw. der Neubewertung<br />

der Vermögensgegenstände eines Planvermögens über ihre<br />

Anschaffungskosten hinaus gebildet wurden43. Der Begriff der „frei verfügbaren Rücklagen“ bringt zum<br />

Ausdruck, dass eine Beschränkung auf „Gewinnrücklagen“<br />

zu eng ist. Der bereits vor BilMoG in der Praxis nahezu<br />

einhelligen Auffassung folgend, sind nunmehr<br />

grundsätzlich auch sämtliche frei verfügbaren Kapitalrücklagen<br />

zu berücksichtigen44. Frei verfügbar sind Rücklagen<br />

dann, wenn sie weder gesetzlich noch gesellschaftsvertraglich<br />

verwendungs- bzw. ausschüttungsbeschränkt<br />

sind. Zu den „frei verfügbaren Rücklagen“ zählen bei Aktiengesellschaften<br />

insbesondere die satzungsmäßigen und<br />

die anderen Gewinnrücklagen (§266 Abs.3 A.III. 3., 4.<br />

HGB) sowie die Kapitalrücklage gemäß §272 Abs.2 Nr.4<br />

HGB, die nicht den Verwendungsbeschränkungen des<br />

§150 Abs.3 u. 4 AktG unterliegen45. Bei der <strong>GmbH</strong> sind<br />

in der Regel die Gewinnrücklagen frei verfügbar. Grundsätzlich<br />

gilt dies ebenso für die Kapitalrücklagen. Allerdings<br />

nicht für solche, die aus einer vereinfachten Kapitalherabsetzung<br />

oder aus „Eingeforderten Nachschüssen“<br />

nach §42 Abs.2 S.2 u. 3 <strong>GmbH</strong>G resultieren46. Darüber<br />

hinaus ist bei der <strong>GmbH</strong> die gesellschaftsrechtliche Ausschüttungssperre<br />

zu berücksichtigen47. Das Ausschüttungspotential ermittelt sich wie folgt:<br />

(a) Jahresüberschuss/-fehlbetrag der Periode<br />

+ (b) frei verfügbare Rücklagen<br />

+ (c) Gewinnvortrag<br />

./. (d) Verlustvortrag<br />

./. Ausschüttungssperre §268 Abs.8 HGB48<br />

= max. zulässige Ausschüttung der Periode.<br />

40 Gl.A. Gelhausen/Fey/Kämpfer, aaO (Fn. 27), Rz. 32.<br />

41 Ein praktisches Problem kann hierbei die Informationsbeschaffung<br />

darstellen.<br />

42 Vgl. Küting/Kessler/Keßler, Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen,<br />

in Küting/Pfitzer/Weber, Das neue deutsche Bilanzrecht,<br />

2. Aufl. 2009, S.356f.<br />

43 Zur Berücksichtigung latenter Steuern vgl. ausführlich oben<br />

II.1.b).<br />

44 Vgl. BT-Drucks. 10067/16, S.64.<br />

45 Vgl. auch Lanfermann/Röhricht, DStR 2009, 1216ff.<br />

46 Vgl. Schildbach, Der handelsrechtliche Jahresabschluss,<br />

9.Aufl. 2009, S.134.<br />

47 Vgl. unten III.1.<br />

48 Unter der Berücksichtigung latenter Steuern. Vgl. ausführlich<br />

hierzu oben II.1.b).


Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 7<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />

Konkret bedeutet dies, dass die Wertsumme der Eigenkapitalbestandteile<br />

(a) bis (d) nach einer Ausschüttung mindestens<br />

der Summe der gemäß §268 Abs.8 HGB ermittelten<br />

Sperrbeträge entsprechen muss. Umgekehrt formuliert:<br />

<strong>Die</strong> maximale Ausschüttungshöhe darf die Summe aus (a)<br />

bis (d) abzüglich der Ausschüttungssperrbeträge nicht<br />

übertreffen. Wird dabei ein Betrag kleiner oder gleich<br />

Null ermittelt, müssen Ausschüttungen gemäß §268<br />

Abs.8 HGB unterbleiben. Ausgewiesene Gewinne sind<br />

dann zu thesaurieren.<br />

3. Anhangangaben<br />

<strong>Die</strong> Anhangangabe nach §285 Nr.28 HGB soll in erster<br />

Linie dem Gläubigerschutz dienen49. Sie verpflichtet den<br />

Bilanzierenden zur Angabe des Gesamtbetrags der Beträge<br />

i.S.d. §268 Abs.8 HGB. Dabei ist eine Aufschlüsselung<br />

in folgende drei Kategorien vorzunehmen:<br />

– Beträge aus der Aktivierung selbst geschaffener immaterieller<br />

Vermögenswerte des Anlagevermögens,<br />

– Beträge aus der Aktivierung latenter Steuern,<br />

– Beträge aus der Aktivierung von Vermögensgegenständen<br />

zum beizulegenden Zeitwert i.S.d. §246 Abs.2 S.2<br />

HGB,<br />

jeweils abzüglich der hierfür gebildeten passiven latenten<br />

Steuern. Durch den Abzug der für die jeweiligen Posten<br />

gebildeten passiven latenten Steuern erfolgt ein Nettoausweis<br />

im Anhang50. Dem Abschlussadressaten wird damit transparent gemacht,<br />

in welcher Höhe frei verwendbare Eigenkapitalbestandteile51<br />

mindestens in der Bilanz verbleiben müssen. Es darf<br />

also nur dann ausgeschüttet werden, wenn im Unternehmen<br />

jederzeit frei verwendbare Eigenkapitalbestandteile vorhanden<br />

sind, die den gesperrten Betrag übersteigen.<br />

Es wird allerdings nicht ersichtlich, ob der ausgewiesene Bilanzgewinn<br />

tatsächlich ganz oder teilweise ausschüttungsgesperrt<br />

ist. Erforderlich dafür sind Angaben über die Beträge<br />

der frei verfügbaren Eigenkapitalbestandteile, die nach<br />

den derzeitigen Regelungen aber nicht gefordert werden.<br />

Vor diesem Hintergrund ist es insbesondere aus Gründen<br />

der Informationsvermittlung für zweckmäßig zu erachten,<br />

den Gesamtbetrag der ausschüttungsgesperrten Beträge in<br />

Beziehung zu den freien Rücklagen zu setzen52. Erfolgt<br />

eine Gegenüberstellung der frei verwendbaren Eigenkapitalbestandteile<br />

mit dem aus §268 Abs.8 HGB resultierenden<br />

Gesamtbetrag, wird für den externen Leser ersichtlich,<br />

inwiefern sich die Ausschüttungssperre auf den Bilanzgewinn<br />

auswirkt.<br />

Folgende Darstellung wäre z.B. zur Ergänzung vorstellbar53:<br />

Gesamtbetrag ausschüttungsgesperrter Beträge<br />

./. frei verfügbare Eigenkapitalbestandteile<br />

– Kapitalrücklagen i.S.d. §272 Abs.2 Nr.4<br />

49 Vgl. BR-Drucks. 344/08, S. 163.<br />

50 Vgl. Kaya/Borgwardt, StuB 2010, 727 (731).<br />

51 Darunter ist die Summe aus den Posten (a) bis (d) in oben II.2.<br />

zu verstehen.<br />

52 Gl.A. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (591).<br />

53 Vgl. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (591).<br />

54 Vgl. § 331 Abs. 1 Nr. 1d HGB.<br />

55 Vgl. § 322 Abs. 4 HGB.<br />

56 Vgl. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (590), m.w.N.<br />

57 Vgl. § 172 Abs. 4 HGB.<br />

– andere Gewinnrücklagen<br />

– Gewinnvortrag (bzw. ./. Verlustvortrag) aus dem Vorjahr<br />

– Jahresüberschuss<br />

= ausschüttungsgesperrter Betrag i.S.d. §268 Abs.8 HGB, der<br />

nicht durch frei verfügbare Eigenkapitalteile gedeckt ist.<br />

Nach diesem Schema kann (darf) keine Ausschüttung vorgenommen<br />

werden, wenn der so ermittelte Betrag größer<br />

oder gleich Null ist, d.h. mögliche Gewinne müssen thesauriert<br />

werden. Ein negativer Betrag hingegen stellt das<br />

Ausschüttungspotential dar.<br />

Beispiel: In einem Unternehmen wird ein Ausschüttungssperrbetrag<br />

i.H.v. 140 GE ermittelt. Zur Deckung<br />

dieses Betrags stehen die Kapitalrücklage i.S.d. §272<br />

HGB von 40 GE, andere Gewinnrücklagen von 30 GE,<br />

ein Verlustvortrag von 5 GE und ein Jahresüberschuss<br />

des abgelaufenen Geschäftsjahrs von 40 GE zur Verfügung.<br />

Demnach beträgt der ausschüttungsgesperrte Betrag,<br />

der nicht durch frei verfügbare Eigenkapitalteile<br />

gedeckt ist, 35 GE (140 ./. (40 + 30 ./. 5 + 40).<br />

4. Rechtsfolgen einer Verletzung der Ausschüttungssperre<br />

Hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Verletzung von Vorschriften<br />

zur Ausschüttungssperre ist zu unterscheiden<br />

zwischen Verstößen gegen Rechnungslegungsgrundsätze<br />

und einer Verletzung der Behandlung der ausschüttungsgesperrten<br />

Beträge.<br />

Fehlende oder falsche Anhangangaben stellen einen Verstoß<br />

gegen Vorschriften zum Jahresabschluss dar und sind<br />

mit einem Bußgeld bedroht54. Außerdem ist ein Mitglied<br />

des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats<br />

mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit<br />

Geldstrafe bedroht, wenn die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft<br />

im Jahresabschluss unrichtig wiedergegeben<br />

oder verschleiert werden. Je nach Schwere des Verstoßes<br />

ist zudem der Bestätigungsvermerk zum Jahresabschluss<br />

einzuschränken55. <strong>Die</strong> Ausschüttungssperre von mit Unsicherheit behafteten<br />

Erträgen dient dem Gläubigerschutz. Gewinnverwendungsbeschlüsse<br />

bei Aktiengesellschaften sind daher gemäß<br />

§241 Nr.3 AktG insoweit nichtig, als eine beschlossene<br />

Ausschüttung auch die nach §268 Abs.8 HGB ausschüttungsgesperrten<br />

Beträge umfasst. Gleiches gilt für<br />

die <strong>GmbH</strong>, wobei jedoch auch (zulässige) Entnahmebeschlüsse<br />

entsprechend teilnichtig sein können56. §268 Abs.8 HGB ist ein Schutzgesetz i.S.v. §823 Abs.3<br />

BGB, so dass die Ausschüttung von ausschüttungsgesperrten<br />

Beträgen zu persönlichen Regresspflichten führen kann.<br />

5. Haftungsregelung für Kommanditisten<br />

Einlagen von Kommanditisten gelten den Gläubigern gegenüber<br />

unter bestimmten Bedingungen als nicht geleistet.<br />

Als nicht geleistet gelten solche Einlagen, die an den<br />

Kommanditisten zurückbezahlt werden oder aber die<br />

durch Entnahmen den Betrag des Kapitalanteils unter den<br />

Betrag der geleisteten Einlage herabmindern. <strong>Die</strong>s gilt<br />

auch, wenn ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt,<br />

obgleich sein Kapitalanteil durch Verluste unter den Betrag<br />

der geleisteten Einlage herabgemindert wird. Dem<br />

Zweck der Ausschüttungssperre folgend, sind bei der Berechnung<br />

des entsprechenden Kapitalanteils die Beträge<br />

i.S.d. §268 Abs.8 HGB nicht zu berücksichtigen57.


8<br />

Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />

III. Gesellschaftsrechtliche Besonderheiten<br />

1. Ausschüttungssperre und Gewinnverwendung<br />

Das Institut der Ausschüttungssperre schränkt als lex specialis<br />

die nach gesellschaftsrechtlichen Regelungen zulässigen<br />

Gewinnausschüttungen (§§57 Abs.3,174 AktG;<br />

§29 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G) oder aber Entnahmen ein, führt jedoch<br />

bei Aktiengesellschaften nicht zu Änderungen hinsichtlich<br />

der Thesaurierungskompetenz der Verwaltung.<br />

Ausgehend vom Jahresergebnis, gemindert um einen Verlustvortrag,<br />

nicht jedoch um ausschüttungsgesperrte Beträge,<br />

sind zunächst die gesetzliche und die etwaige satzungsmäßige<br />

Rücklage zu dotieren58. Aucheinemögliche<br />

Dotierung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden<br />

oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen59 (vor Berücksichtigung<br />

der satzungsmäßigen Rücklage) erfolgt<br />

ohne Einfluss von Ausschüttungssperrbeträgen. Ein ausschüttungsgesperrter<br />

Teilbetrag des Jahresüberschusses ist<br />

daher unabhängig vom konkreten Verwendungsvorschlag<br />

grundsätzlich auf die Thesaurierungskompetenz der Verwaltung<br />

anzurechnen60. <strong>Die</strong> Vorgehensweise illustriert nachstehendes Beispiel:<br />

Ausgangssituation:<br />

– freie Rücklagen 5 GE<br />

– Verlustvortrag 20 GE<br />

– Jahresüberschuss 200 GE<br />

– Anschaffungskosten für Anteile an einem herrschenden oder<br />

mit Mehrheit beteiligten Unternehmen 10 GE<br />

– satzungsmäßige Rücklagenzuführung bis zu 50% möglich<br />

(soll erfolgen)<br />

– ausschüttungsgesperrter Betrag 50 GE<br />

Hieraus wären folgende Konsequenzen für die Dotierung<br />

der Rücklagen zu ziehen:<br />

– Einstellung in die gesetzliche Rücklage: 5% von (200 ./. 20) =<br />

9GE<br />

– Dotierung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden<br />

oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen: 5 (freie Rücklage)<br />

+ 5 (Jahresergebnis) = 10 GE<br />

– Einstellung in die satzungsmäßige Rücklage: 50% von (200 ./.<br />

20 ./. 9 ./. 5) = 83 GE<br />

Im Ergebnis übersteigt der Betrag der frei verfügbaren<br />

Rücklagen (83 GE) den ausschüttungsgesperrten Betrag<br />

von 50 GE, so dass der verbleibende Bilanzgewinn von 83<br />

GE der Gewinnverwendungsentscheidung der Hauptversammlung<br />

unterliegt.<br />

Beläuft sich abweichend dazu der ausschüttungsgesperrte<br />

Betrag auf 100 GE, so unterliegt der Bilanzgewinn von 83<br />

GE einer Ausschüttungsbegrenzung von 66 GE (83 ./.<br />

[100 ./. 83]); die Hauptversammlung kann lediglich über<br />

eine Ausschüttung i.H.v. 66 GE beschließen. Dabei kann<br />

der Restbetrag von 17 GE vorgetragen oder durch Beschluss<br />

der Hauptversammlung in die anderen Gewinnrücklagen<br />

eingestellt werden. Bei der Einstellung in die<br />

Gewinnrücklagen ist zu beachten, dass aktienrechtlich keine<br />

Grundlage besteht, aufgrund derer eine Entnahmekompetenz<br />

der Aktionäre in den Folgeperioden hergeleitet<br />

werden könnte. Im <strong>GmbH</strong>-Recht stellt sich diese Problematik<br />

– unbeschadet des §30 <strong>GmbH</strong>G – nicht, da die Gesellschafter<br />

grundsätzlich auch auf die in Vorjahren gebildeten,<br />

frei gewordenen Rücklagen zugreifen können61. <strong>Die</strong> Kompetenz der Verwaltung, den ausschüttungsgesperrten<br />

Betrag vorab in die Gewinnrücklagen einzustellen,<br />

kann hingegen gesetzlich nicht hergeleitet werden.<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

2. Ausschüttungssperre nach § 30 <strong>GmbH</strong>G<br />

Neben der handelsrechtlichen Ausschüttungssperre existiert<br />

im Gesellschaftsrecht eine weitere unmittelbare Ausschüttungssperre<br />

in §30 <strong>GmbH</strong>G. <strong>Die</strong>se Vorschrift stellt<br />

die zentrale Gläubigerschutzbestimmung zur Erhaltung<br />

des Stammkapitals im <strong>GmbH</strong>-Recht dar62 und „ist als<br />

wichtigste Grundlage der Kapitalerhaltung wesentlich für<br />

den das ganze <strong>GmbH</strong>-Recht beherrschenden Grundsatz<br />

der Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals“ 63.<br />

Demnach soll eine Schmälerung des Stammkapitals verhindert<br />

werden, das von den Gesellschaftern zu erbringen<br />

und der <strong>GmbH</strong> zu erhalten ist64. Für dieses Kapital ist in<br />

§30 Abs.1 S.1 <strong>GmbH</strong>G ein grundsätzliches Auszahlungsverbot<br />

kodifiziert, sofern es zur Deckung des Stammkapitals<br />

benötigt wird. Umgekehrt formuliert kann also derjenige<br />

Teil des Reinvermögens ausgekehrt werden, der den<br />

Betrag des Stammkapitals übersteigt65. Von dieser Regelung<br />

explizit ausgenommen sind die Sachverhalte in §30<br />

Abs.1 S.2 u. 3 <strong>GmbH</strong>G. Demgemäß ist die Anwendung<br />

des Auszahlungsverbots ausgeschlossen für Leistungen<br />

bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags66<br />

sowie dessen Berücksichtigung auf die<br />

Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen67. Geschützt<br />

i.S.d. §30 <strong>GmbH</strong>G ist dagegen nicht die Verwirtschaftung<br />

des Stammkapitals. Abzugrenzen hiervon sind Verluste,<br />

die von der Geschäftsführung verursacht wurden und nicht<br />

im Interesse der <strong>GmbH</strong> liegen68. Einedazuparalleleaktienrechtliche<br />

Vorschrift besteht nicht, da hier deutlich<br />

restriktivere Bestimmungen zu der Ausschüttung existieren.<br />

So kann eine Ausschüttung nach §57 Abs.3 AktG lediglich<br />

in Höhe des ausgewiesenen Bilanzgewinns vorgenommen<br />

werden69. Dadurch wirken sich indirekt die Beschränkungen<br />

auf das Grundkapital, die Kapitalrücklage<br />

und die gesetzliche Rücklage aus70. 3. Abführungssperre und Gewinnabführungsverträge<br />

(§301 S. 1 AktG)<br />

Besteht zwischen zwei Gesellschaften ein Gewinnabführungsvertrag,<br />

so darf eine Gesellschaft, gleichgültig welche<br />

Vereinbarungen über die Berechnung des abzuführenden<br />

Gewinns getroffen worden sind, als ihren Gewinn<br />

höchstens den ohne die Gewinnabführung entstehenden<br />

Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustvortrag,<br />

den Zuführungsbetrag zur gesetzlichen Rücklage und den<br />

nach §268 Abs.8 HGB ausschüttungsgesperrten Betrag,<br />

abführen. Demgegenüber hat die Ausschüttungssperre gemäß<br />

§30 <strong>GmbH</strong>G keine Auswirkungen auf einen Gewinnabführungsvertrag71.<br />

58 Vgl. §58 Abs. 1 AktG.<br />

59 Vgl. §272 Abs. 4 HGB.<br />

60 Vgl. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (589); Simon, NZG<br />

2009, 1081 (1085).<br />

61 Vgl. Gelhausen/Fey/Kämpfer, aaO (Fn.27), Rz. 58.<br />

62 Vgl. hierzu Joost, <strong>GmbH</strong>R 1983, 285ff.<br />

63 Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19. Aufl. 2010,<br />

§30 Rz. 1.<br />

64 Vgl. ausführlich hierzu Altmeppen in Roth/Altmeppen,<br />

<strong>GmbH</strong>G, 6.Aufl. 2009, §30 Rz. 1ff.<br />

65 Vgl. Altmeppen, aaO (Fn. 64), §30 Rz. 9.<br />

66 Vgl. ausführlich Winter, DStR 2007, 1484ff.<br />

67 Vgl. Hueck/Fastrich, aaO (Fn. 63), §30 Rz. 2.<br />

68 Vgl. Altmeppen, aaO (Fn. 64), §30 Rz. 6.<br />

69 Vgl. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (585).<br />

70 Vgl. oben II.2.<br />

71 Vgl. §30 Abs. 1 S.2 <strong>GmbH</strong>G.


Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 9<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />

Eine Gewinnabführungsbeschränkung tritt nicht ein, wenn<br />

die freien Rücklagen der abführungspflichtigen Gesellschaft<br />

ausreichend hoch dotiert sind. Der abführbare Betrag<br />

ermittelt sich wie folgt 72:<br />

Jahresüberschuss<br />

– Verlustvortrag aus dem Vorjahr<br />

– Einstellung in die gesetzliche Rücklage<br />

+ Gewinnvortrag/während der Vertragsdauer gebildete Gewinnrücklagen<br />

– Ausschüttungssperrbetrag (Gesamtbetrag nach §268 Abs.8<br />

HGB abzüglich freie Rücklagen)<br />

= maximal abführbarer Betrag.<br />

Zu den frei verfügbaren Rücklagen zählen während der<br />

Vertragslaufzeit gebildete Gewinnrücklagen bzw. vorgetragene<br />

Gewinne sowie andere Gewinnrücklagen oder ein<br />

Gewinnvortrag aus der Zeit vor Abschluss des Gewinnabführungsvertrags,<br />

so dass diese, soweit nach §268 Abs.8<br />

HGB ausschüttungsgesperrt, nicht aufgelöst und anschließend<br />

ausgeschüttet werden dürfen.<br />

Wurden in Vorjahren ausschüttungsgesperrte Beträge in<br />

andere Gewinnrücklagen eingestellt, so können diese Beträge<br />

in Folgejahren entgegen dem Wortlaut von §301 S.2<br />

AktG dann nicht als Gewinn abgeführt werden, wenn die<br />

Ausschüttungssperre greift.<br />

Verlustübernahmen gemäß § 302 Abs.2 AktG sind nicht<br />

zu modifizieren, auch wenn der Verlustübernahmebetrag<br />

durch Sachverhalte, die unter §268 Abs.8 HGB fallen, gemindert<br />

wird. Fraglich ist hingegen, ob während der Vertragsdauer<br />

gebildete andere Gewinnrücklagen zum Ausgleich<br />

entstandener Jahresfehlbeträge verwendet werden<br />

dürfen, wenn sie durch eine Ausschüttungssperre belegt<br />

sind. <strong>Die</strong>s ist zweifelhaft, weil eine Minderung der Verlustausgleichsverpflichtung<br />

des Vertragspartners durch<br />

Rücklagenverwendung im Ergebnis der Abführung eigentlich<br />

abführungsgesperrter Gewinnrücklagen gleichkommt.<br />

Hier wird die Auffassung vertreten, dass beide Ansichten<br />

durchaus plausibel sind.<br />

IV. Berücksichtigung von Ausschüttungssperren im<br />

Rahmen von variablen Vergütungssystemen<br />

Anteilseignern steht nur der um die Ausschüttungssperre<br />

nach §268 Abs.8 HGB gekürzte Betrag des frei verwendbaren<br />

Eigenkapitals für Ausschüttungen zur Verfügung.<br />

Sperrbeträge sollten daher auch bei der Bemessung von<br />

erfolgsabhängigen Vergütungen von z.B. Geschäftsbereichsleitern<br />

Berücksichtigung finden, soweit Bilanzierungsspielräume<br />

bewusst genutzt werden. Ziel ist eine<br />

„Neutralisierung“ der Auswirkungen bewusster Bilanzpolitik,<br />

die erfolgsabhängig Vergütete begünstigen, nicht hingegen<br />

die Anteilseigner. Beispielhaft dafür ist die Aktivierung<br />

selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände,<br />

die unter Zugrundelegung der Kennzahlen EBIT73, Jahresüberschuss oder Eigenkapitalrendite zu entsprechenden<br />

Vergütungseffekten führen, ohne dass sich das Ausschüttungspotential<br />

erhöht. Abhilfe schaffen solche Kenn-<br />

72 Vgl. Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (589).<br />

73 Vgl. ausführlich hierzu Heiden, Pro-forma-Berichterstattung,<br />

in Küting/Weber/Kußmaul (Hrsg.), Bilanz-, Prüfungs- und<br />

Steuerwesen Band 1, 2006; Küting/Weber, <strong>Die</strong> Bilanzanalyse,<br />

9.Aufl. 2009, S.333 ff.<br />

74 Vgl. dazu Kempe/Zimmermann, Accounting 2009, S. 6ff.<br />

75 Vgl. auch Fall c) im Beispiel oben II.1.b).<br />

76 Vgl. oben II.1.b).<br />

zahlen, die Veränderungen von Ausschüttungssperrbeträgen<br />

berücksichtigen, z.B. „Jahresüberschuss nach Anpassungen<br />

an Veränderungen der Ausschüttungssperrbeträge“<br />

74.<br />

V. Fazit<br />

Der deutsche Gesetzgeber hat im Zuge des BilMoG die<br />

Ausschüttungssperre erstmalig in einer gesonderten Gesetzesvorschrift<br />

in §268 Abs.8 HGB kodifiziert und damit<br />

die gestiegene Bedeutung der Ausschüttungssperre betont.<br />

Hintergrund dieser Regelung ist der vom Gesetzgeber neuerdings<br />

versuchte Spagat zwischen der Aufrechterhaltung<br />

der klassischen Prinzipien des deutschen Bilanzrechts<br />

(wie Vorsichtsprinzip, Realisationsprinzip und Imparitätsprinzip)<br />

und dem angelsächsisch geprägten Grundgedanken,<br />

durch den Jahresabschluss entscheidungsnützliche Informationen<br />

bereit zu stellen. <strong>Die</strong> Ausschüttungssperre<br />

dient dem Zweck, den konträren Jahresabschlusszielen gerecht<br />

zu werden. Konkret spiegelt sich die Stärkung der<br />

Informationsfunktion insbesondere in drei Sachverhalten<br />

wieder: wahlweise aktivierte selbst geschaffene Vermögensgegenstände<br />

des immateriellen Anlagevermögens, das<br />

Deckungsvermögen von Pensionsverpflichtungen sowie<br />

das Wahlrecht zum Ansatz eines Aktivüberhangs latenter<br />

Steuern. Da der handelsrechtliche Jahresabschluss weiterhin<br />

als Ausschüttungsbemessungsgrundlage fungiert, wird<br />

bei der Aktivierung solcher mit Unsicherheit behafteter<br />

Aktivposten die Notwendigkeit einer Ausschüttungssperre<br />

ersichtlich. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, inwieweit<br />

die Ausschüttungssperre, die dem Gläubigerschutz<br />

dienen soll, die Abkehr von den klassischen handelsrechtlichen<br />

Aktivierungs- und Bewertungsprinzipien heilen<br />

kann. Denn die in §268 Abs.8 HGB angeführten Sachverhalte<br />

stellen keine bzw. zu hoch bewertete Vermögensgegenstände<br />

dar.<br />

Neben dieser grundsätzlichen Kritik an den Gründen, aus<br />

denen die Ausschüttungssperre resultiert, bestehen darüber<br />

hinaus konzeptionelle Schwächen im Rahmen der Ermittlung<br />

des ausschüttungsgesperrten Betrags. Denn die<br />

passiven latenten Steuern, die bei den selbst geschaffenen<br />

immateriellen Vermögensgegenständen oder den nach<br />

§246 Abs.2 HGB zum Zeitwert bewerteten Vermögensgegenständen<br />

zu berücksichtigen sind, gehen auch in die<br />

Ermittlung des Aktivüberhangs an latenten Steuern ein75. <strong>Die</strong>se systematisch unbegründete teilweise Ausschüttungsentsperrung<br />

unsicherer Erträge aus dem Ansatz aktiver<br />

latenter Steuern spricht gegen den Sinn und Zweck,<br />

der mit der Ausschüttungssperre verbunden ist. <strong>Die</strong> Berücksichtigung<br />

von passiven latenten Steuern, die mit ausschüttungsgesperrten<br />

Posten gemäß §268 Abs.8 S.1 u. 3<br />

HGB in Verbindung stehen, ist bei der Bestimmung der<br />

Höhe des Ausschüttungssperrbetrags in Folge eines aktivischen<br />

Überhangs latenter Steuern entgegen dem Wortlaut<br />

der Vorschrift nicht zulässig76. Weiter sollte durch eine Vorschrift, die im Sinne des Gläubigerschutzes<br />

steht, ersichtlich sein, ob bzw. welcher Teil<br />

des Bilanzgewinns tatsächlich ausgekehrt werden darf.<br />

Durch die Anhangangabe in §285 Nr.28 HGB wird jedoch<br />

lediglich ersichtlich, in welcher Höhe frei verwendbare<br />

Eigenkapitalbestandteile mindestens in der Bilanz<br />

verbleiben müssen. Aus diesem Grund sollte die Anhangangabe<br />

in der Weise erweitert werden, dass die ausschüttungsgesperrten<br />

Beträge i.S.d. §268 Abs.8 HGB den frei<br />

verwendbaren Eigenkapitalbestandteilen gegenübergestellt<br />

werden und damit ersichtlich wird, ob die Ausschüt-


10<br />

Karlheinz Küting / Peter Lorson / Raphael Eichenlaub / Marc Toebe<br />

<strong>Die</strong> Ausschüttungssperre im neuen deutschen Bilanzrecht nach §268 Abs. 8 HGB<br />

tungssperre einen Einfluss auf die Ausschüttung des Bilanzgewinns<br />

hat. Für den Ausweis des ausschüttungsgesperrten<br />

Betrags existiert keine Regelung, so dass der<br />

nicht zur Ausschüttung verwendete Betrag entweder als<br />

Gewinn vorgetragen oder in die Rücklagen der Gesellschaft<br />

eingestellt werden kann 77.<br />

Für den Bilanzierenden bedeutet die Ausschüttungssperre<br />

einen erheblichen Mehraufwand, da er im Kontext der<br />

Ausschüttungspolitik neben der Eigenkapitalstruktur und<br />

den spezifischen gesellschaftsrechtlichen Normen auch<br />

die relevanten handelsbilanziellen Normen berücksichtigen<br />

muss. Darüber hinaus müssen Konzernunternehmen<br />

im Falle einer Gewinnabführung die mögliche Veränderung<br />

der Berechnung des Höchstbetrags beachten. <strong>Die</strong><br />

Notwendigkeit einer Erweiterung der Ausschüttungssperre<br />

verdeutlicht damit nicht nur den Bruch mit den klassischen<br />

Prinzipien des deutschen Bilanzrechts, sondern<br />

führt zu einem weiteren Anstieg der Kosten und den Anforderungen<br />

bei der Erstellung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses.<br />

Dr. Gottfried E. Breuninger/Dr. Magnus Müller *<br />

Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />

– Steuerrechtliche Behandlung – Chaos perfekt? –<br />

<strong>Die</strong> handelsbilanzielle Behandlung eigener Anteile ist<br />

durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG<br />

gesetzlich neu geregelt worden. <strong>Die</strong> Folgen dieser Neuregelung<br />

für die steuerrechtliche Behandlung des Erwerbs<br />

eigener Anteile werden derzeit kontrovers diskutiert. Aus<br />

steuerrechtlicher Sicht stellen sich nicht zuletzt auch<br />

nach der Aufhebung des BMF-Schreibens aus dem Jahr<br />

1998 zur steuerlichen Behandlung des Erwerbs eigener<br />

I. Problemstellung<br />

Der Erwerb eigener Anteile ist seit jeher Gegenstand eines<br />

Streits über die „zwitterhafte“ Rechtsnatur eigener Anteile<br />

gewesen1. Während die Vertreter der „Wirtschaftsguts-<br />

Auffassung“ eigene Anteile im Hinblick auf die jederzeitige<br />

Veräußerbarkeit als Wirtschaftsgut und damit den Erwerb<br />

als Anschaffung der Gesellschaft und als Veräußerung<br />

durch den bisherigen Gesellschafter angesehen haben2,<br />

geht eine andere Auffassung von einer Teilliquidation<br />

aus3. Danach ist bei der Gesellschaft der Erwerb eigener<br />

Anteile ähnlich einer Kapitalherabsetzung und die<br />

Veräußerung der eigenen Anteile als Kapitalerhöhung zu<br />

behandeln. Der Streit rührt auch teilweise von der besonderen<br />

gesellschaftsrechtlichen und bilanziellen Behandlung,<br />

wonach in Bezug auf eigene Anteile die Stimmrechte<br />

und das Gewinnbezugsrecht ruhen4. Außerdem war<br />

nach bisherigem Recht gemäß §272 Abs.4 HGB a.F. 5<br />

eine Rücklage für eigene Anteile zu bilden, welche zu einer<br />

Ausschüttungssperre führte. Besondere Fragen ergeben<br />

sich bei einer sog. Keinmann-<strong>GmbH</strong>, bei der alle Anteile<br />

durch die <strong>GmbH</strong> erworben werden6, im Aktienrecht<br />

sind besondere Beschränkungen bzgl. des Erwerbs eigener<br />

Aktien geregelt7. Durch die Neuregelung der Behandlung<br />

eigener Anteile durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz<br />

– BilMoG8 stellen sich diese Fragen sozusagen in einem<br />

neuen Kontext (s. unten III.).<br />

Zur Verdeutlichung soll folgender Beispielsfall dienen:<br />

Zum 1.1.2009 beträgt das gezeichnete Kapital der A-<br />

<strong>GmbH</strong> 100T. und die Kapitalrücklage 900T.. ImJahr<br />

2009 erwirbt die A-<strong>GmbH</strong> 5% eigene Anteile zum fair<br />

market value von 200T.. Am1.1.2010stelltdieA-<br />

<strong>GmbH</strong> ihre Bilanz auf das BiMoG um. Im Jahr 2010<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

77 Damit verbundene Auswirkungen auf die Ergebnisverwendung<br />

der Folgejahre sind allerdings zu berücksichtigen. Vgl. hierzu<br />

oben III.1.<br />

Aktien durch das BMF-Schreiben vom 10.8.2010 zahlreiche<br />

offene und ungeklärte Fragen. <strong>Die</strong> Autoren geben im<br />

Lichte der bisherigen steuerlichen Behandlung eigener<br />

Anteile einen Überblick über die steuerrechtlichen Implikationen<br />

der Neuregelung, erläutern anhand eines Beispielsfalls<br />

deren handels- und steuerrechtliche Konsequenzen<br />

und entwickeln daraus ein steuerrechtlich<br />

stimmiges Konzept.<br />

erwirbt die A-<strong>GmbH</strong> weitere 5% eigene Anteile zum<br />

fair market value von ebenfalls 200T.. Ende 2010 veräußert<br />

die A-<strong>GmbH</strong> sämtliche eigene Anteile zu einem<br />

Kaufpreis von 500T..<br />

Es soll dabei von folgender Bilanz der A-<strong>GmbH</strong> zum<br />

1.1.2009 ausgegangen werden:<br />

* Dr. Gottfried E. Breuninger ist Rechtsanwalt und Partner, Dr.<br />

Magnus Müller ist Rechtsanwalt und Associate bei Allen &<br />

Overy LLP, München.<br />

1 Der Streit um die Doppelnatur beinhaltete die Frage, ob eigene<br />

Anteile als Wirtschaftsgut qualifizieren oder als bloßer Korrekturposten<br />

zum Eigenkapital.<br />

2 Vgl. z.B. Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1080);<br />

Breuninger, DStZ 1991, 420 (424); Ebling in Blümich, EStG/<br />

KStG/GewStG, §17 EStG Rz. 147; Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach,<br />

EStG/KStG, §17 EStG Rz. 91; Frotscher,<br />

EStG, §17 Rz. 66; Prinz/v.Freeden, FR 2005, 533 (534); Rödder/Wochinger,<br />

DStR 2006, 684 (688).<br />

3 Vgl. Thiel, FS L. Schmidt, 1993, S. 569f.; Thiel, DB 1998,<br />

1583 ff.<br />

4 Für die AG vgl. §71b AktG, für die <strong>GmbH</strong> allgemeine Meinung;<br />

vgl. nur BGH v. 30.1.1995 – II ZR 45/94, <strong>GmbH</strong>R 1995,<br />

291.<br />

5 Letztmalig anzuwenden auf Jahres- und Konzernabschlüsse für<br />

das vor dem 1.1.2010 beginnende Geschäftsjahr, vgl. Art. 66<br />

Abs. 3 EGHGB.<br />

6 Vgl. dazu Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G,<br />

19. Aufl. 2010, §33 Rz. 19.<br />

7 Vgl. §§71ff. AktG mit einer grundsätzlichen Beschränkung auf<br />

10 % des Grundkapitals.<br />

8 BGBl. I 2009, 1102 ff.


Dr. Gottfried E. Breuninger / Dr. Magnus Müller<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 11<br />

Ausgangsbilanz der A-<strong>GmbH</strong><br />

Bank 1,000.00<br />

Sonstige Aktiva 1,000.00<br />

Summe Aktiva 2,000.00<br />

Gezeichnetes Kapital 100.00<br />

Kapitalrücklage 900.00<br />

Gewinnrücklage 1,000.00<br />

Summe Passiva 2,000.00<br />

II. Rückkauf von eigenen Anteilen nach alter<br />

Rechtslage vor Anwendung des BilMoG in 2009<br />

1. Behandlung als Anschaffungsvorgang bei erwerbender<br />

Körperschaft und Veräußerung bei der<br />

veräußernden Körperschaft<br />

a) Handelsbilanzielle Behandlung<br />

Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />

Nach bisher geltendem Recht vor Inkrafttreten des<br />

BilMoG wurden eigene Anteile auf der Aktivseite der Bilanz<br />

als Umlaufvermögen (§266 Abs.2 B.III. Nr.2 HGB<br />

a.F.) erfasst. Auf der Passivseite war zwingend ein entsprechender<br />

Posten in Form einer Rücklage für eigene Anteile<br />

zu bilden (§274 Abs.4 S.1–3 HGB a.F.). Handelsbilanzrechtlich<br />

waren eigene Anteile vor Inkrafttreten des<br />

BilMoG als Vermögensgegenstände anzusehen (§265<br />

Abs.3 S.2 i.V.m. §266 Abs.2 B.III. Nr.2, §272 Abs.4 S.1<br />

HGB a.F.).<br />

9 BMF v. 2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I 1998,<br />

1509.<br />

10 BFH v. 23.2.2005 – I R 44/04, BStBl. II 2005, 522 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2005, 783 m. Komm. Mildner; v. 6.12.1995 – I R 51/95,<br />

BStBl. II 1998, 781 = <strong>GmbH</strong>R 1996, 304; v. 16.7.1965 – VI<br />

71/64U, BStBl. III 1965, 618; v. 28.10.1964 – IV 208/64U,<br />

BStBl. III 1965, 59.<br />

11 Vgl. Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1080); Breuninger,<br />

DStZ 1991, 420 (424); Ebling in Blümich, EStG/KStG/<br />

GewStG, § 17 EStG Rz. 147; Eilers/R. Schmidt in Herrmann/<br />

Heuer/Raupach, EStG/KStG, §17 EStG Rz. 91; Frotscher,<br />

EStG, § 17 Rz. 66; Prinz/v.Freeden, FR 2005, 533 (534); Rödder/Wochinger,<br />

DStR 2006, 684 (688); Schulte in Ernst &<br />

Young, KStG, § 17 EStG Rz. 85; Wassermeyer, FS L. Schmidt,<br />

1993, S. 623f.<br />

12 BMF v. 2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I 1998,<br />

1509.<br />

13 Vgl. Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1080); Gosch,<br />

KStG, 2. Aufl. 2009, §8 Rz. 576 Fn.3, a.E.; Mayer, Ubg 2008,<br />

779 (781); Prinz/v.Freeden, FR 2005, 533 (534); Winkler in<br />

Ernst & Young, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte<br />

Einlagen, Fach 4 „Eigene Anteile“ Rz. 10.<br />

14 BFH v. 27.3.1979 – VIII R 95/76, BStBl. II 1979, 553 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 1979, 189; v. 18.4.1989 – VIII R 329/84, BFH/NV<br />

1990, 27; v. 16.2.1954 – I 13/53 U, BStBl. III 1954, 201.<br />

15 BFH v. 6.12.1995 – I R 51/95, BStBl. II 1998, 781 = <strong>GmbH</strong>R<br />

1996, 304.<br />

16 Vgl. Thiel, FS L. Schmidt, 1993, S. 569f.; Thiel, DB 1998,<br />

1583; s. auch Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die<br />

AG, 2002, Rz. 54f.<br />

17 § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. §5 Abs. 1 EStG.<br />

18 So auch BFH v. 23.2.2005 – I R 44/04, BStBl II 2005, 522 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 2005, 783 m. Komm. Mildner.<br />

19 Vgl. Prinz/v.Freeden, FR 2005, 533 (534).<br />

20 Prinz/v.Freeden, FR 2005, 533 (534).<br />

21 Vgl. BMF v. 2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I<br />

1998, 1509, Tz. 19; Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079<br />

(1080).<br />

22 BFH v. 27.3.1979 – VIII R 95/76, BStBl. II 1979, 553 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 1979, 189. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde,<br />

bei dem alle Gesellschafter einer <strong>GmbH</strong> gleiche Teile<br />

ihrer Geschäftsanteile auf diese übertrugen.<br />

Nach altem Recht stellt sich die Handelsbilanz der A-<br />

<strong>GmbH</strong> nach Erwerb der eigenen Anteile in 2009 wie folgt<br />

dar:<br />

Erwerb 5% eigener Anteile in 2009<br />

Bank 800.00<br />

Eigene Anteile* 200.00<br />

Sonstige Aktiva 1,000.00<br />

Summe Aktiva 2,000.00<br />

* Vgl. § 266 Abs.2 B. III. Nr. 2 HGB a.F.<br />

Gezeichnetes Kapital 100.00<br />

Rücklage für eigene<br />

Anteile* 200.00<br />

Kapitalrücklage 900.00<br />

Gewinnrücklage* 800.00<br />

Summe Passiva 2,000.00<br />

* Vgl. § 272 Abs.4 S. 1 HGB a.F.<br />

* Vgl. § 272 Abs.4 S. 6 HGB a.F.<br />

b) Steuerliche Behandlung<br />

Steuerlich war der Erwerb der eigenen Anteile durch die<br />

A-<strong>GmbH</strong> im Jahr 2009 nach ganz h.A. als Anschaffungsvorgang<br />

zu qualifizieren. <strong>Die</strong> Finanzverwaltung9, die neuere<br />

Rechtsprechung10 und die h.M. in der Literatur11 gingen<br />

nach alter Rechtslage bislang einhellig davon aus,<br />

dass der Erwerb eigener Anteile steuerrechtlich einen Anschaffungsvorgang<br />

darstellt. Soweit die Finanzverwaltung<br />

bislang in dem insoweit einschlägigen BMF-Schreiben12 nur den Erwerb eigener Aktien behandelte, wird allgemein<br />

davon ausgegangen, dass diese Ausführungen auch<br />

für den Erwerb eigener <strong>GmbH</strong>-Anteile galten13. Frühere BFH-Urteile, in welchen der BFH den Erwerb eigener<br />

Anteile als Einlagenrückgewähr qualifizierte14, hatten<br />

keine Fragen bilanzrechtlicher Art zum Gegenstand15 und sollten demnach der Qualifikation als Anschaffungsvorgang<br />

nicht entgegenstehen.<br />

Soweit einzelne Stimmen in der Literatur16 in dem Erwerb<br />

eigener Anteile eine Teilliquidation sehen, ist diese Auffassung<br />

u.E. überholt. Da die eigenen Anteile handelsbilanzrechtlich<br />

vor Inkrafttreten des BilMoG als Vermögensgegenstände<br />

anzusehen waren, galt dies nach dem<br />

Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz auch für<br />

die Steuerbilanz17, so dass eigene Anteile bilanzsteuerrechtlich<br />

Wirtschaftsgüter darstellten18. <strong>Die</strong> erworbenen Anteile waren somit in der Handels- und<br />

Steuerbilanz mit den Anschaffungskosten im Umlaufvermögen<br />

zu aktivieren, es sei denn die Anteile waren zur<br />

Einziehung erworben worden19. SoweitdieAnteilezur<br />

Einziehung erworben wurden, schied eine Aktivierung<br />

aus, die Anteile waren dann vom Eigenkapital einschließlich<br />

der Gewinnrücklagen abzusetzen20. Der Erwerb eigener<br />

Anteile wurde danach beim veräußernden Gesellschafter<br />

auch steuerrechtlich als Veräußerung angesehen und es<br />

wurde insbesondere auch keine Ausschüttung von der Gesellschaft<br />

an den veräußernden Gesellschafter angenommen21.<br />

<strong>Die</strong> Annahme eines Erwerbs- bzw. Veräußerungsvorgangs<br />

sollte u.E. auch in dem Fall zutreffend sein, bei dem die<br />

eigenen Anteile vom Alleingesellschafter der erwerbenden<br />

Gesellschaft erworben werden. Auch insoweit ist die Entscheidung<br />

des BFH vom 27.3.197922, welche den Erwerb<br />

eigener Anteile als Einlagenrückgewähr darstellt, überholt.<br />

Denn in seiner neueren Rechtsprechung hat der BFH<br />

ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei dem Erwerb eigener<br />

Anteile um einen Anschaffungsvorgang handelt und<br />

entsprechend auf Seiten des Veräußerers steuerlich von ei-


12<br />

ner Veräußerung auszugehen ist 23. Überdies erscheint die<br />

Annahme einer Ausschüttung in der Entscheidung des<br />

BFH aus dem Jahre 1979 24 auch sehr zweifelhaft im Hinblick<br />

auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung<br />

(GoB) 25. Danach wäre bilanziell grundsätzlich eine Veräußerung<br />

abzubilden und dementsprechend unter Anwendung<br />

des Realisationsprinzips buchungstechnisch der Veräußerungspreis<br />

als Forderung einzubuchen und der anteilige<br />

Buchwert der Beteiligung auszubuchen. <strong>Die</strong> Auffassung<br />

des BFH im Urteil aus dem Jahre 1979 26 hätte dagegen<br />

zur Folge, dass bei zum Betriebsvermögen des veräußernden<br />

Gesellschafters gehörenden Anteilen trotz der<br />

Veräußerung der Beteiligungsansatz unverändert bliebe<br />

und der Gegenwert als außerordentlicher Ertrag auszuweisen<br />

wäre. Es würde damit eine Beteiligung ausgewiesen,<br />

die der Gesellschafter gar nicht mehr innehat. <strong>Die</strong>s wird<br />

spätestens bei der Weiterveräußerung der Beteiligung<br />

durch die Gesellschaft evident. Eine solche „Nicht-Abbildung“<br />

des Abgangs eines Buchwerts würde daher auch<br />

den GoB widersprechen.<br />

2. BMF-Schreiben vom 10.8.2010 – Abkehr von den<br />

bisherigen Grundsätzen?<br />

Nach Inkrafttreten des BilMoG hat das BMF mit Schreiben<br />

vom 10.8.201027 das frühere Schreiben vom<br />

2.12.199828 aufgehoben und die darin enthaltenen Grundsätze<br />

für alle offenen Fälle, die unter das Halbeinkünfteverfahren<br />

fallen, für nicht mehr anwendbar erklärt. Als<br />

Begründung hierfür führt das BMF an, dass die bislang<br />

geltenden Grundsätze auf das damalige Vollanrechnungsverfahren<br />

zugeschnitten waren und aufgrund zwischenzeitlich<br />

erfolgter Gesetzesänderungen im Steuer- und Gesellschaftsrecht<br />

überholt seien. Weitergehende Hinweise<br />

darauf, wie der Erwerb eigener Anteile im Anwendungsbereich<br />

des BilMoG nach Ansicht der Finanzverwaltung<br />

steuerlich zu behandeln ist, ergeben sich aus dem Schreiben<br />

nicht. Dem Vernehmen nach ist eine Neufassung des<br />

Schreibens in Arbeit. Es stellt sich vor diesem Hintergrund<br />

die Frage, ob die Finanzverwaltung nunmehr geänderte<br />

steuerliche Folgen bzgl. des Erwerbs eigener Anteile<br />

für offene Fälle nach bisherigem Recht ziehen möchte.<br />

U.E. gibt es keine Grundlage für eine Abweichung von<br />

der bisherigen steuerlichen Behandlung, wie sie vorstehend<br />

unter II.1.b) dargestellt ist.<br />

III. Handelsrechtliche und steuerliche Behandlung<br />

des Erwerbs eigener Anteile nach BilMoG<br />

1. Handelsbilanzielle Behandlung des Erwerbs<br />

eigener Anteile nach dem BilMoG<br />

Das BilMoG regelt die Behandlung eigener Anteile dahingehend<br />

neu, dass nun zwingend eine passivische Kürzung<br />

vom Eigenkapital vorgenommen werden muss und der aktivische<br />

Ausweis eigener Anteile damit abgeschafft wird.<br />

Außerdem entfällt die Verpflichtung zur Bildung einer<br />

„Rücklage für eigene Anteile“. Mit der Gesetzesänderung<br />

soll die „Bilanzierung eigener Anteile vereinfacht“ und<br />

„dem wirtschaftlichen Gehalt des Rückkaufs beziehungsweise der<br />

Veräußerung eigener Anteile als Auskehrung frei verfügbarer<br />

Rücklagen an die Anteilseigner beziehungsweise wirtschaftlicher<br />

Kapitalerhöhung handelsbilanziell Rechnung getragen werden“29.<br />

Es erfolgt eine Annäherung des HGB an IFRS30. Bei einem Erwerb von weiteren 5% eigenen Anteilen im<br />

Jahre 2010 durch die A-<strong>GmbH</strong> findet die Neuregelung des<br />

Dr. Gottfried E. Breuninger / Dr. Magnus Müller<br />

Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />

§272 Abs.1a HGB i.d.F. BilMoG Anwendung. <strong>Die</strong> neue<br />

Regelung hat folgenden Wortlaut:<br />

„Der Nennbetrag oder, falls ein solcher nicht vorhanden ist, der<br />

rechnerische Wert von erworbenen eigenen Anteilen ist in der<br />

Vorspalte offen von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ abzusetzen.<br />

Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennbetrag oder dem<br />

rechnerischen Wert und den Anschaffungskosten der eigenen Anteile<br />

ist mit den frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen. Aufwendungen,<br />

die Anschaffungsnebenkosten sind, sind Aufwand<br />

des Geschäftsjahres.“<br />

<strong>Die</strong> Neuregelung behandelt damit den Fall des Erwerbs eigener<br />

Anteile als eigenkapitalmindernd. <strong>Die</strong>s gilt unabhängig<br />

von dem Zweck des Erwerbs. Spiegelbildlich zum<br />

Erwerb eigener Anteile wird jede Wiederveräußerung von<br />

eigenen Anteilen wirtschaftlich als Kapitalerhöhung begriffen:<br />

„Nach der Veräußerung der eigenen Anteile entfällt der Ausweis<br />

nach Abs.1a S.1. Ein den Nennbetrag oder den rechnerischen<br />

Wert übersteigender Differenzbetrag aus dem Veräußerungserlös<br />

ist bis zur Höhe des mit den frei verfügbaren Rücklagen verrechneten<br />

Betrages in die jeweiligen Rücklagen einzustellen. Ein darüber<br />

hinaus gehender Differenzbetrag ist in die Kapitalrücklage<br />

gemäß Abs.2 Nr.1 einzustellen. <strong>Die</strong> Nebenkosten der Veräußerung<br />

sind Aufwand des Geschäftsjahres“ (§272 Abs.1b HGB<br />

i.d.F. BilMoG).<br />

Damit wird der Erwerb eigener Anteile bei der erwerbenden<br />

Gesellschaft bilanziell nicht mehr als Anschaffungsgeschäft<br />

behandelt. <strong>Die</strong> erworbenen Anteile werden nicht<br />

mehr als Wirtschaftsgüter bilanziell erfasst.<br />

Mit Übergang auf das BilMoG zum 1.1.2010 31 ist der Ausweis<br />

der zu diesem Zeitpunkt von der A-<strong>GmbH</strong> gehaltenen<br />

eigenen Anteile nicht mehr zulässig. <strong>Die</strong> Bilanz der A-<br />

<strong>GmbH</strong> ist in der Weise anzupassen, dass die Rücklage für<br />

eigene Anteile von 200T. aufgelöst wird. <strong>Die</strong>ser Betrag ist<br />

in die frei verfügbaren Rücklagen (andere Gewinnrücklagen<br />

und frei verfügbare Kapitalrücklagen) einzustellen, d.h.<br />

es findet zunächst eine Erhöhung statt. Das gezeichnete Kapital<br />

ist um den Nennbetrag der eigenen Anteile zu kürzen<br />

(hier 5T.), der darüber hinausgehende Betrag wird mit den<br />

frei verfügbaren Rücklagen verrechnet. Auf der Aktivseite<br />

sind die eigenen Anteile auszubuchen.<br />

<strong>Die</strong> Umstellung der Bilanz der A-<strong>GmbH</strong> am 1.1.2010 reflektiert<br />

diese Neuregelungen des BilMoG wie folgt:<br />

„BilMoG Überleitungsbilanz“ zum 1.1.2010<br />

Bank 800.00<br />

Sonstige Aktiva 1,000.00<br />

Summe Aktiva 1,800.00<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

Gezeichnetes Kapital 95.00<br />

Kapitalrücklage 705.00<br />

Gewinnrücklage 1,000.00<br />

Summe Passiva 1,800.00<br />

23 BFH v. 6.12.1995 – I R 51/95, BStBl. II 1998, 781 = <strong>GmbH</strong>R<br />

1996, 304.<br />

24 BFH v. 27.3.1979 – VIII R 95/76, BStBl. II 1979, 553 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 1979, 189.<br />

25 Vgl. Raupach, JBFfSt 1980/1981, S.263 (268).<br />

26 BFH v. 27.3.1979 – VIII R 95/76, BStBl. II 1979, 553 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 1979, 189.<br />

27 BMF v. 10.8.2010 – IV C 2-S 2742/07/10009 – DOK 2010/<br />

0573786, BStBl. I 2010, 659.<br />

28 BMF v. 2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I 1998,<br />

1509.<br />

29 BilMoG RegE, BT-Drucks. 16/10067, S.65.<br />

30 Vgl. dazu Küting/Reuter, BB 2008, 658ff.; Hüttemann, FS<br />

Herzig, 2010, S.595 (600).<br />

31 Zu einer „BilMoG Überleitungsbilanz“ vgl. Melcher/Tonas,<br />

KoR 2010, 50f.


Dr. Gottfried E. Breuninger / Dr. Magnus Müller<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 13<br />

Es stellt sich die Frage, ob bereits diese Umstellung der<br />

Handelsbilanz auf das BilMoG steuerliche Auswirkungen<br />

nach sich zieht. Im Ergebnis wird durch die Überleitungsbilanz<br />

eine handelsbilanzielle Behandlung hergestellt, wie<br />

sie gewesen wäre, wenn der Erwerb eigener Anteile schon<br />

nach neuem Recht erfolgt wäre. U.E. sollte die „Umgliederung“<br />

zur Anpassung der Bilanz auf das BilMoG im Ergebnis<br />

steuerlich neutral zu behandeln sein. Es stellt sich<br />

nachfolgend diskutierte Frage des Direktzugriffs auf das<br />

steuerliche Einlagekonto 32. Hier würde eine Ablehnung<br />

eines Direktzugriffs auf das steuerliche Einlagekonto mit<br />

der möglichen Folge einer Kapitalertragsteuerpflicht noch<br />

sehr viel frappierender erscheinen, da die bloße Umgliederung<br />

auf einmal eine Steuerbelastung (ohne jegliche<br />

Rechtsgrundlage) auslösen würde. Daher muss es bei der<br />

steuerneutralen Behandlung bleiben.<br />

Der Erwerb eigener Anteile Ende 2010 ist dementsprechend<br />

in der Handelsbilanz der A-<strong>GmbH</strong> wie folgt zu erfassen:<br />

Erwerb weiterer 5 % eigener Anteile in 2010<br />

Bank 600.00<br />

Sonstige Aktiva 1,000.00<br />

Summe Aktiva 1,600.00<br />

Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />

Gezeichnetes Kapital 90.00<br />

Kapitalrücklage 510.00<br />

Gewinnrücklage 1,000.00<br />

Summe Passiva 1,600.00<br />

2. Steuerliche Behandlung des Erwerbs eigener<br />

Anteile nach dem BilMoG<br />

a) Eigene Anteile als Wirtschaftsgüter im<br />

steuerrechtlichen Sinn?<br />

<strong>Die</strong> handelsrechtlich durch das BilMoG getroffene Wertung,<br />

dass die erworbenen Anteile nicht mehr als Vermögensgegenstände<br />

erfasst werden, schlägt nach h.M. über<br />

§5 Abs.1 EStG grundsätzlich auch auf das Steuerrecht<br />

durch33. Allerdings könnte man hinterfragen, ob es sich<br />

bei §272 Abs.1a u. b HGB als rechtsformspezifische Vorschriften<br />

überhaupt um GoB handelt34. Darüber hinaus<br />

könnte gegen eine Maßgeblichkeit auch sprechen, dass die<br />

vorgenannten Vorschriften sich auf die Bilanzpositionen<br />

„Gezeichnetes Kapital“ und „Rücklagen“ beziehen und<br />

der Maßgeblichkeitsgrundsatz sich stattdessen auf das relevante<br />

Betriebsvermögen bezieht, während es sich beim<br />

Eigenkapital um eine Saldogröße und kein Wirtschaftsgut<br />

handelt. <strong>Die</strong> h.M. begründet die Anwendung der Maßgeblichkeit<br />

damit, dass auch in der gesetzlichen Anordnung<br />

32 Zu dieser Problematik s. nachstehend III.2.b.<br />

33 Vgl. z.B. Mayer, Ubg 2008, 779 (782), Blumenberg/Roßner,<br />

<strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1082).<br />

34 S. hierzu Lechner/Haisch, Ubg 2010, 691 (693). Schmidtmann,<br />

StuW 2010, 286 (291 f.), geht davon aus, dass sich der Begriff<br />

des Vermögensgegenstands nach dem Aktivierungsgrundsatz<br />

als nicht kodifizierten GoB richte, und gelangt auf dieser<br />

Grundlage bei Differenzierung zwischen abstrakter und konkreter<br />

Aktivierungsfähigkeit zu dem Ergebnis, dass eigene Anteile<br />

mangels konkreter handelsrechtlicher Aktivierungsfähigkeit<br />

wegen des Maßgeblichkeitsprinzips in der Steuerbilanz<br />

nicht als Wirtschaftsgut aktiviert werden können.<br />

35 Vgl. hierzu Lechner/Haisch, Ubg 2010, 691 (693), m.w.N.<br />

36 BMF v. 2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I 1998,<br />

1509.<br />

37 S. auch Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer,<br />

§ 27 KStG Tz. 69f.<br />

die eigenen Anteile nicht als Vermögensgegenstände auszuweisen<br />

seien und die Vorschriften sich nicht nur auf die<br />

Kapitalseite der Bilanz beziehen sollen 35. Letztlich ist damit<br />

aber noch nicht entschieden, ob die gesetzliche Änderung<br />

zwingend dazu führt, dass eigene Anteile, die in der<br />

Hand des veräußernden Gesellschafters unzweifelhaft<br />

Wirtschaftsgüter waren, diese Eigenschaft mit dem Erwerb<br />

eigener Anteile verlieren oder ob §272 Abs.1a u. b<br />

HGB nicht als bloße Regelung des Ausweises der Anteile<br />

und nicht als Entscheidung über die Qualität als Vermögensgegenstand<br />

in der Handelsbilanz bzw. als Wirtschaftsgut<br />

in der Steuerbilanz anzusehen ist. Es stellt sich damit<br />

die Frage, ob diese Änderung auch eine Änderung der bisherigen<br />

steuerrechtlichen Behandlung nach sich zieht.<br />

U.E. sind eigene Anteile auch weiterhin als Wirtschaftsgüter<br />

anzusehen. Denn die geänderte handelsbilanzielle Behandlung<br />

bedeutet kein Abgehen von dem bisher geltenden<br />

Grundsatz, dass die erwerbende Kapitalgesellschaft<br />

einen Vermögensgegenstand bzw. ein Wirtschaftsgut erwirbt.<br />

<strong>Die</strong> Anteile sind weiterhin einer selbständigen Bewertung<br />

zugänglich und können weiterhin erworben und<br />

veräußert werden. Allein die Anordnung des bilanziellen<br />

Ausweises der eigenen Anteile auf der Passivseite unter<br />

dem Eigenkapital kann u.E. grundsätzlich nicht die Entscheidung<br />

über die Wirtschaftsgutqualität eigener Anteile<br />

beeinflussen. <strong>Die</strong>s ist von erheblicher Bedeutung für die<br />

steuerliche Behandlung der Veräußerung eigener Anteile<br />

(s. dazu unten V.). Es wäre daher auch denkbar, dass man<br />

die eigenen Anteile in der Steuerbilanz weiterhin als Wirtschaftsgüter<br />

mit den Anschaffungskosten ausweist. Allerdings<br />

erscheint es im Hinblick auf die Maßgeblichkeit gemäß<br />

§5 Abs.1 EStG wohl zutreffender, dass man auch in<br />

der Steuerbilanz die eigenen Anteile „mit Null“ ausweist.<br />

Hierdurch stellt sich die Frage der steuerrechtlichen Behandlung<br />

dieser Verminderung des Eigenkapitals.<br />

b) Auswirkungen auf das steuerliche Einlagekonto<br />

Daher ist zu untersuchen, welche Auswirkungen der Erwerb<br />

eigener Anteile auf das steuerliche Einlagekonto gemäß<br />

§27 KStG hat. Es zeigt sich, dass die Neuregelung<br />

des BilMoG mit der Regelung in §§27, 28 KStG nicht abgestimmt<br />

worden ist. Nach der bisherigen Behandlung des<br />

Erwerbs eigener Anteile nach altem Recht hatte sich die<br />

Frage überhaupt nicht gestellt, da es sich unstreitig um<br />

den Erwerb eines Wirtschaftsguts mit den Anschaffungskosten<br />

gehandelt hat, bei dem die Frage einer Kapitalherabsetzung<br />

oder -erhöhung nicht relevant war.<br />

Nach bisherigem Recht war nach dem BMF-Schreiben<br />

vom 2.12.199836 zum Erwerb eigener Aktien nur beim Erwerb<br />

eigener Anteile zur Einziehung der Anteil des Kaufpreises,<br />

der den Nennwert der Anteile übersteigt, vom<br />

EK04 (heute steuerliches Einlagekonto) abzuziehen37. Das EK04 konnte dabei auch negativ werden. Eigene Anteile,<br />

die nicht zum Zwecke der Einziehung erworben<br />

wurden, waren als Umlaufvermögen zu aktivieren und ein<br />

solcher Anteilserwerb wirkte sich nicht auf das steuerliche<br />

Einlagekonto (ehemaliges EK04) aus.<br />

Ob diese Handhabung auch nach dem Wechsel vom Anrechnungs-<br />

zum Halb-/Teileinkünfteverfahren noch gilt,<br />

ist nicht zuletzt nach der Aufhebung des BMF-Schreibens<br />

fraglich. Da nunmehr nach BilMoG unabhängig vom Erwerbszweck<br />

der Erwerb eigener Anteile handelsrechtlich<br />

auf Ebene der erwerbenden Körperschaft als Kapitalherabsetzung<br />

behandelt wird, stellt sich die Frage, ob die zum


14<br />

alten Recht geltenden Grundsätze hinsichtlich der Einziehung<br />

nun insgesamt für den Erwerb eigener Anteile in Bezug<br />

auf das steuerliche Einlagekonto in der Weise Anwendung<br />

finden, dass wie bei der früheren Behandlung der<br />

Einziehung der Teil der Anschaffungskosten der erworbenen<br />

Anteile, der den Betrag der Kapitalherabsetzung übersteigt,<br />

vom steuerlichen Einlagekonto in Abzug zu bringen<br />

ist bzw. bei späterer Weiterveräußerung der eigenen<br />

Anteile der Differenzbetrag i.S.v. §272 Abs.1b S.2 HGB<br />

das Einlagekonto erhöht.<br />

Mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Regelung<br />

des §27 KStG werden im Schrifttum insoweit Bedenken<br />

geäußert. <strong>Die</strong>se stützen sich einerseits darauf, dass ein<br />

Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto nur noch in<br />

den dort aufgezählten Fällen (organschaftliche Mehrabführungen,<br />

Rückzahlung von Nennkapital nach vorangegangenen<br />

Kapitalerhöhungen aus Rücklagen) erlaubt ist38. Andererseits setzt eine Verringerung des steuerlichen Einlagekontos<br />

eine Leistung i.S.v. §27 Abs.1 S.3KStG voraus,<br />

also eine Auskehrung, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis<br />

hat und beim Anteilseigner zu Kapitaleinkünften<br />

(§20 Abs.1 Nr.1, 2, 9 oder 10 EStG) führt.<br />

Zur Vermeidung einer Besteuerung von Einlagenrückzahlungen<br />

beim Anteilseigner werden jedoch Bezüge ausgenommen,<br />

die aus Ausschüttungen einer Körperschaft<br />

stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto<br />

i.S.d. §27 KStG als verwendet gelten (vgl. §20<br />

Abs.1 Nr.1 S.3 EStG). Vor diesem Hintergrund wird das<br />

Vorliegen einer Leistung i.S.v. §27 KStG verneint39. Gegen<br />

die Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos bei Weiterveräußerung<br />

der eigenen Anteile führen Dötsch/Pung40 die Überlegung an, dass dies die Leistung einer Einlage<br />

durch den Erwerber voraussetze, es sich aber aus dessen<br />

Sicht bei dem gezahlten Erwerbspreis nicht um eine unentgeltliche<br />

Zuwendung handele, sondern um eine Gegenleistung<br />

für den Erwerb der Anteile und damit einen entgeltlichen<br />

Vorgang.<br />

Überwiegend wird im Schrifttum davon ausgegangen,<br />

dass ein Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto zuzulassen<br />

sei. <strong>Die</strong> Begründungen hierfür sind unterschiedlich.<br />

Förster/Schmidtmann41 gehen davon aus, dass die<br />

Zahlung des Erwerbspreises wie bei einer Kapitalherabsetzung<br />

als Leistung i.S.v. §27 KStG anzusehen sei, für die<br />

gemäß §28 Abs.2 KStG vorrangig das um das Nennkapital<br />

der erworbenen eigenen Anteile erhöhte steuerliche<br />

Einlagenkonto als verwendet gelten würde (fiktive Auskehrung<br />

als Leistung). Auch Mayer42 geht von einem Direktzugriff<br />

auf das steuerliche Einlagenkonto mit einem<br />

möglichen Negativbestand aus, da der Erwerb eigener Anteile<br />

keine Leistung gemäß §27 Abs.1 S.3 KStG darstellt.<br />

Lechner/Haisch43 nehmen eine planwidrige Regelungslücke<br />

bei §27 KStG an, die sich aufgrund der Neukonzeption<br />

des §272 HGB ergeben habe und durch die Zulassung<br />

eines Direktzugriffs auf das steuerliche Einlagekonto<br />

(notfalls mit Negativwerden) zu schließen sei.<br />

U.E. ist die Annahme eines Direktzugriffs auf das steuerliche<br />

Einlagekonto gemäß §27 Abs.1 S.2 KStG zutreffend.<br />

Denn nur diese Handhabung erreicht den erforderlichen<br />

Gleichklang mit der möglichen Wiederveräußerung<br />

der eigenen Anteile, welche zu einer folgerichtigen Erhöhung<br />

des Einlagekontos führt. <strong>Die</strong> handelsrechtliche Behandlung<br />

des Erwerbs eigener Anteile als Kapitalherabsetzung<br />

und die Weiterveräußerung als Kapitalerhöhung sollte<br />

u.E. auch steuerlich durch Verringerung bzw. Erhöhung<br />

des steuerlichen Einlagekontos nachvollzogen werden.<br />

Dr. Gottfried E. Breuninger / Dr. Magnus Müller<br />

Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

Nur eine solche Handhabung setzt die intendierte steuerrechtliche<br />

Neutralität des BilMoG 44 auch entsprechend<br />

um. Hier sollte eine Klarstellung durch den Gesetzgeber<br />

erfolgen. Bei der Neuregelung der §§27 u. 28 KStG beim<br />

Übergang vom Anrechnungs- zum Halb-/Teileinkünfteverfahren<br />

konnte die geänderte Behandlung von eigenen<br />

Anteilen durch das BilMoG natürlich noch nicht antizipiert<br />

werden. Insoweit ist es zutreffend, dass eine planwidrige<br />

Gesetzeslücke vorliegt, die entsprechend auszufüllen<br />

ist.<br />

IV. Steuerliche Behandlung auf Ebene des<br />

veräußernden Gesellschafters<br />

Analog der Behandlung als Anschaffungsvorgang bei der<br />

erwerbenden Kapitalgesellschaft ist sowohl nach bisheriger<br />

Ansicht der Finanzverwaltung als auch der h.M. in der<br />

Literatur45 die Übertragung der Anteile durch den Gesellschafter<br />

zumindest dann46 als Veräußerung zu qualifizieren,<br />

wenn die Anteile nicht zur Einziehung erworben werden.<br />

<strong>Die</strong> Finanzverwaltung bejahte in dem BMF-Schreiben<br />

aus dem Jahr 1998 einen Veräußerungsvorgang durch<br />

den Gesellschafter unabhängig davon, ob die erworbenen<br />

Aktien bei der Kapitalgesellschaft aktivierungsfähig sind<br />

oder nicht47. Eine verdeckte Gewinnausschüttung sollte<br />

danach allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die eigenen<br />

Anteile zu einem unangemessen hohen Kaufpreis<br />

veräußert werden48. An diesen Grundsätzen sollte sich auch nach Inkrafttreten<br />

des BilMoG und nach der Aufhebung des BMF-Schreibens<br />

vom 2.12.1998 nichts geändert haben. Bei der veräußernden<br />

Gesellschaft ist – wie bisher – die Veräußerung<br />

der Anteile als normaler Veräußerungsvorgang zu behandeln.<br />

Dementsprechend wäre auch eine Verpflichtung der<br />

erwerbenden Gesellschaft zum Kapitalertragsteuereinbehalt<br />

nicht konsistent. Bei der veräußernden Gesellschaft<br />

besteht auch keine Steuerpflicht von Einkünften aus Kapitalvermögen<br />

gemäß §20 Abs.1 Nr.2 EStG aufgrund einer<br />

Kapitalherabsetzung oder aufgrund einer Liquidation, da<br />

weder die Voraussetzungen einer Teilliquidation noch einer<br />

ordnungsgemäßen Kapitalherabsetzung erfüllt sind49. <strong>Die</strong> allein handelsbilanzielle Neuregelung kann keine gesellschaftsrechtliche<br />

Behandlung als Kapitalherabsetzung<br />

oder Liquidation nach sich ziehen. Insoweit ist allein auf<br />

38 Vgl. Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer,<br />

§27 KStG Tz. 69f.; Schmidtmann, StuW 2010, 286 (293).<br />

39 Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer, § 27<br />

KStG Tz. 69f., der hinsichtlich des an den Anteilseigner gezahlten<br />

Veräußerungspreises für die zur Einziehung erworbenen<br />

eigenen Anteile eine Leistung i.S.v. §27 KStG ablehnt.<br />

40 Vgl. Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer,<br />

§8b KStG Tz. 72.<br />

41 Förster/Schmidtmann, BB 2009, 1342 (1344).<br />

42 Mayer, Ubg 2008, 779 (784).<br />

43 Lechner/Haisch, Ubg 2010, 691 (695).<br />

44 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, S.41.<br />

45 Vgl. die Nachw. unter II.1.<br />

46 So Breuninger, DStZ 1991, 420 (424); Weber-Grellet in<br />

Schmidt, EStG, 29.Aufl. 2010, §17 Rz. 102.<br />

47 BMF v. 2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I 1998,<br />

1509, Tz. 24.<br />

48 Vgl. Wassermeyer in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20<br />

EStG Rz. C77; Rose, <strong>GmbH</strong>R 1999, 374 (377); BMF v.<br />

2.12.1998 – IV C 6 - S 2741 - 12/98, BStBl. I 1998, 1509,<br />

Tz. 20.<br />

49 So auch Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1083);<br />

Lechner/Haisch, Ubg 2010, 691 (696).


Dr. Gottfried E. Breuninger / Dr. Magnus Müller<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 15<br />

Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />

die Perspektive der veräußernden Gesellschaft abzustellen,<br />

eine zwingende Korrespondenz mit der Behandlung des<br />

Erwerbs eigener Anteile bei der erwerbenden Gesellschaft<br />

besteht nicht. Es bleibt daher bei einem Veräußerungsvorgang.<br />

V. Weiterveräußerung der eigenen Anteile durch die<br />

A-<strong>GmbH</strong><br />

1. Handelsbilanzielle Behandlung nach BilMoG<br />

Der relevante Unterschied zum bisher geltenden Recht ergibt<br />

sich aus der bisherigen bilanziellen Erfassung eigener<br />

Anteile auf der Aktivseite der Bilanz als Umlaufvermögen<br />

(§266 Abs.2 B.III. Nr.2 HGB a.F.) und der zwingenden<br />

Bildung eines entsprechenden Passivpostens in Form einer<br />

Rücklage für eigene Anteile (§274 Abs.4 S.1–3 HGB<br />

a.F.).<br />

Bei der Veräußerung der eigenen Anteile entfällt handelsbilanziell<br />

nach §272 Abs.1b S.1 HGB in einem ersten<br />

Schritt der Ausweis nach §272 Abs.1a S.1 HGB (offener<br />

Absatz des Nennbetrags bzw. rechnerischen Werts der eigenen<br />

Anteile vom Posten „Gezeichnetes Kapital“). Dabei<br />

ist danach zu unterscheiden, ob der Veräußerungserlös den<br />

Nennbetrag bzw. rechnerischen Wert übersteigt oder unterschreitet.<br />

Im ersten Fall findet eine Rückgängigmachung<br />

des offenen Absatzes des Nennbetrags bzw. rechnerischen<br />

Werts der eigenen Anteile statt. Der den Nennbetrag<br />

übersteigende Betrag des Veräußerungserlöses fällt<br />

unter §272 Abs.1b S.2 u. 3 HGB. Im zweiten Fall entfällt<br />

der offene Absatz des Nennbetrags bzw. rechnerischen<br />

Werts vom Posten „Gezeichnetes Kapital“ in Höhe des<br />

Veräußerungserlöses. Hinsichtlich des hinter dem Nennbetrag<br />

bzw. rechnerischen Wert zurückbleibenden Betrags<br />

des Veräußerungserlöses ist fraglich, ob dies zu einem<br />

Verlustausweis führt oder ob es zu einer Minderung der<br />

frei verfügbaren Rücklagen kommt.<br />

In einem zweiten Schritt ist gemäß §272 Abs.1b S.2<br />

HGB der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennbetrag<br />

bzw. rechnerischem Wert und den ursprünglichen Anschaffungskosten<br />

der eigenen Anteile mit den frei verwendbaren<br />

Rücklagen zu verrechnen. Ist der Veräußerungserlös<br />

höher als der Erwerbspreis, werden die frei verwendbaren<br />

Gewinn- und Kapitalrücklagen bis zu ihrem<br />

ursprünglichen Wert erhöht. Der darüber hinaus gehende<br />

Betrag ist nach §272 Abs.1b S.3 HGB zwingend in die<br />

Kapitalrücklage nach §272 Abs.2 Nr.1 HGB einzustellen.<br />

In der Handelsbilanz der A-<strong>GmbH</strong> lässt sich die Weiterveräußerung<br />

der eigenen Anteile zum Preis von 500T.<br />

durch die A-<strong>GmbH</strong> wie folgt abbilden:<br />

50 So Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1080); Bruckmeier/Zwirner/Künkele,<br />

DStR 2010, 1640 (1642); Hohage, DB<br />

2009, 1033 (1033, 1034); Mayer, Ubg 2008, 779 (782).<br />

51 So Dörfler/Adrian, DB 2009, Beil. 5, S. 58; Herzig/Briesemeister,<br />

WPg 2010, 63 (75); a.A. Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/<br />

Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer, §8b KStG Tz. 72.<br />

52 <strong>Die</strong>s deshalb, weil ein unvollständiger Ausweis des Veräußerungsgewinns<br />

in der Kapitalrücklage gemäß §272 Abs. 2 Nr. 1<br />

HGB bei der AG als erwerbende Gesellschaft einen Nichtigkeitsgrund<br />

für den Jahresabschluss nach §256 Abs.1 Nr. 1 u. 4<br />

AktG darstellen könnte, vgl. Lechner/Haisch, Ubg 2010, 691<br />

(695).<br />

53 Blumenberg/Roßner, <strong>GmbH</strong>R 2008, 1079 (1082); Herzig/Briesemeister,<br />

WPg 2010, 63 (75); ablehnend Dötsch in Dötsch/<br />

Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer, §8b KStG Rz. 72.<br />

54 S. dazu Frotscher, KStG, §8b Rz. 58c.<br />

Verkauf sämtlicher eigener Anteile Ende 2010<br />

Bank 1,100.00<br />

Sonstige Aktiva 1,000.00<br />

Summe Aktiva 2,100.00<br />

Gezeichnetes Kapital 100.00<br />

Kapitalrücklage 1,000.00<br />

Gewinnrücklage 1,000.00<br />

Summe Passiva 2,100.00<br />

2. Steuerliche Behandlung der Weiterveräußerung<br />

Nach der h.M. ist die handelsbilanziell eigenkapitalmindernd<br />

behandelte Transaktion steuerrechtlich im Ergebnis<br />

neutral zu behandeln 50. Zur Begründung der erfolgsneutralen<br />

Behandlung für Ertragsteuerzwecke wird – wie<br />

oben dargelegt – das Maßgeblichkeitsprinzip nach §5<br />

Abs.1 EStG angeführt, wonach die handelsrechtlich erfolgsneutrale<br />

Behandlung des Erwerbs eigener Anteile<br />

zwingend auf die steuerliche Gewinnermittlung durchschlägt.<br />

<strong>Die</strong> handelsrechtlich nach BilMoG als Kapitalerhöhung<br />

bilanziell abzubildende Wiederveräußerung von<br />

eigenen Anteilen wäre danach neutral und dürfte nicht zu<br />

einer Anwendung von §8b Abs.2 KStG auf der Ebene der<br />

Gesellschaft führen, da insoweit nicht von einem Veräußerungsvorgang<br />

auszugehen ist 51.<br />

Nach der oben vertretenen Meinung, wonach der Maßgeblichkeitsgrundsatz<br />

nicht zu einem Entfallen der Wirtschaftsgutsqualität<br />

in der Steuerbilanz – sondern nur zum<br />

Ausweis mit Null – führen sollte, kommt es hier sozusagen<br />

zum Schwur: Liegt bei der Veräußerung eigener Anteile<br />

weiterhin die Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft<br />

i.S.d. §8b Abs.2 KStG vor oder sind die<br />

§272 Abs.1a u. b HGB auch steuerrechtlich nachzuvollziehen,<br />

in dem die Veräußerung neutral zu behandeln ist?<br />

Wendet man §8b Abs.2 (oder sogar ggf. Abs.7 in besonderen<br />

Fällen) KStG an, stellt sich die Frage der bilanziellen<br />

Behandlung der hier entstehenden Steuerbelastung, da<br />

handelsrechtlich der Veräußerungsgewinn zwingend ohne<br />

Kürzung um die Ertragsteuern in die Kapitalrücklage gemäß<br />

§272 Abs.2 Nr.1 HGB einzustellen ist. Hier zeigt<br />

sich eine Diskrepanz zwischen der Anerkennung eigener<br />

Anteile als Wirtschaftsgüter im steuerlichen Sinne, die an<br />

sich Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs sein können<br />

(s. oben) und damit auch die Anwendbarkeit von §8b<br />

KStG begründen könnten. Dennoch sollte die für die Veräußerung<br />

eigener Anteile handelsrechtlich angeordnete<br />

Behandlung als Kapitalerhöhung für steuerliche Zwecke<br />

nachvollzogen werden, da ansonsten zumindest bei einer<br />

AG im Falle eines geschmälerten Ausweises des Veräußerungsgewinns<br />

die Gefahr einer Nichtigkeit des Jahresabschlusses<br />

bestehen könnte 52. Für §8b KStG bliebe insoweit<br />

kein Anwendungsbereich mehr. Insoweit führen<br />

§272 Abs.1 u. 2 HGB zu einer Suspendierung der Qualifizierung<br />

als Veräußerung und damit auch der Anwendung<br />

von §8b KStG, die auch steuerrechtlich zu beachten ist.<br />

Weitere Folge wäre, dass auch der Ansatz und die Besteuerung<br />

fiktiver nicht abziehbarer Betriebsausgaben<br />

i.H.v. 5% des Veräußerungsgewinns nach §8b Abs.3 S.1<br />

KStG entfiele und etwaige Veräußerungsnebenkosten in<br />

vollem Umfang steuerlich wirksam würden 53. Insoweit<br />

dürfte auch §8b Abs.3 S.3 KStG dem steuerlichen Abzug<br />

von Anschaffungsnebenkosten als laufende Betriebsausgaben<br />

nicht entgegenstehen, da die Vorschrift nur Substanzverluste,<br />

nicht auch laufende Betriebsausgaben erfasst 54.


16<br />

VI. Ergebnis<br />

Das BilMoG regelt die Behandlung eigener Anteile dahingehend<br />

neu, dass nun zwingend eine passivische Kürzung<br />

vom Eigenkapital vorgenommen werden muss und der aktivische<br />

Ausweis eigener Anteile damit abgeschafft wird. Außerdem<br />

entfällt die Verpflichtung zur Bildung einer „Rücklage<br />

für eigene Anteile“. In steuerrechtlicher Hinsicht ist die<br />

entscheidende Frage, ob diese Änderung auf das Steuerrecht<br />

„durchschlägt“ und der Erwerb eigener Anteile – abweichend<br />

zur bisherigen Behandlung als Veräußerung/Anschaffungsvorgang<br />

– zu einer Ausschüttung führen kann,<br />

wodurch die Steuerneutralität nicht mehr gegeben wäre.<br />

Hinzu kommt bei der Problematik, dass bei der veräußernden<br />

Gesellschaft weiterhin von einer Veräußerung auszugehen<br />

ist. Entscheidende Frage ist dabei die Auswirkung des<br />

Erwerbs eigener Anteile auf das steuerliche Einlagekonto.<br />

U.E. ist die Annahme eines Direktzugriffs auf das steuerliche<br />

Einlagekonto gemäß §27 Abs.1 S.2 KStG zutreffend.<br />

Sie steht im Einklang mit der Behandlung als Veräußerung<br />

bei der veräußernden Gesellschaft und gewährleistet die<br />

durch das BilMoG bezweckte Steuerneutralität.<br />

Steffen Kögel *<br />

Nach Aufhebung des BMF-Schreibens aus dem Jahr 1998<br />

zur steuerrechtlichen Behandlung des Erwerbs eigener<br />

Anteile bleibt abzuwarten, wie sich die Finanzverwaltung<br />

zu den offenen Fragen positionieren wird und möglicherweise<br />

eine Abkehr von den bisher anerkannten Grundsätzen<br />

vollzieht. Es bleibt bis dahin in der Schwebe, ob die<br />

handelsbilanziellen Änderungen nach Ansicht der Finanzverwaltung<br />

entweder unter Fortschreibung der bislang anerkannten<br />

Grundsätze als bloße Änderung des Bilanzausweises<br />

oder als vollständiger Methodenwechsel verstanden<br />

werden. Gleiches gilt für offene Altfälle vor Inkrafttreten<br />

des BilMoG. U.E. führt allerdings die steuerliche<br />

Seite des Themenbereichs in Bezug auf die offenen<br />

Fragen gerade nicht ins „Nirwana“ 55, sondern lässt sich<br />

überzeugend lösen. Es wäre trotzdem zu begrüßen, wenn<br />

der Gesetzgeber die zurzeit bestehenden Unklarheiten beseitigen<br />

würde.<br />

Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen<br />

in der Firma einer <strong>GmbH</strong><br />

Der Firmenname ist ein Informations- und Werbeträger.<br />

Er ist das wichtigste Mittel, durch das sich der dadurch<br />

bezeichnete Rechtsträger seine Identität wahrt. <strong>Die</strong> Auswahl<br />

des Firmennamens ist deshalb ein ernst zu nehmender<br />

Imagefaktor. <strong>Die</strong> Wahlfreiheit bewegt sich in den<br />

Grenzen des Firmenrechts. Firmenrecht ist Ordnungsrecht.<br />

Es ist Aufgabe des Staats – verkörpert durch die<br />

Registergerichte – sicherzustellen, dass im Interesse des<br />

I. Problemstellung<br />

Rund hundert Jahre lang, nämlich vom Inkrafttreten des<br />

HGB im Jahr 1897 bis zur großen HGB-Reform im Jahr<br />

1998, war eine Personenfirma unstreitig nur zulässig,<br />

wenn ein entsprechender Inhaber bzw. Gesellschafter im<br />

Zeitpunkt der Namensgebung unmittelbar beteiligt war.<br />

<strong>Die</strong> Verwendung anderer Namen als der Inhaber oder Gesellschafter<br />

zur Bildung einer Personenfirma war zum Teil<br />

gesetzlich ausdrücklich ausgeschlossen. <strong>Die</strong>se Regelung<br />

wurde aus dem Grundsatz der Firmenwahrheit abgeleitet.<br />

Heute gilt der Grundsatz der Firmenwahrheit nach wie<br />

vor, allerdings in abgeschwächter Form: Eine Firma darf<br />

keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche<br />

Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise<br />

wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor<br />

dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur<br />

berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist (§18 Abs.2 HGB).<br />

Vor diesem Hintergrund hat sich in den vergangenen Jahren<br />

ein Meinungsstreit darüber entwickelt, ob auch Familiennamen<br />

zur Firmierung benutzt werden können, die zu<br />

dem konkreten Unternehmen keinerlei Bezug haben. Neuere<br />

Meinungen in Literatur und Rechtsprechung wollen<br />

dies weitgehend zulassen. Im nachfolgenden geht es um<br />

eine Auseinandersetzung mit den Argumenten der Befürworter<br />

und möglichen Konsequenzen.<br />

Dr. Gottfried E. Breuninger / Dr. Magnus Müller<br />

Erwerb und Veräußerung eigener Anteile nach dem BilMoG<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

55 So Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer,<br />

§27 KStG Rz. 69e.<br />

Wirtschaftsverkehrs die bei der Firmenbildung geltenden<br />

Spielregeln eingehalten werden. Dabei kollidiert immer<br />

wieder das Interesse der Unternehmen an einer möglichst<br />

beeindruckenden Firmenbezeichnung mit dem Interesse<br />

der Allgemeinheit, dass die Vorspiegelung falscher<br />

Tatsachen unterbleibt. Bei der Grenzziehung scheiden<br />

sich häufig die Geister. Im Moment wird die Verwendung<br />

fremder Familiennamen kontrovers diskutiert.<br />

II. Abgrenzung Personen-/Phantasiefirma<br />

Bei der Wahl eines Firmennamens stehen drei Gestaltungsmöglichkeiten<br />

zur Auswahl, nämlich Personenfirmen,<br />

Phantasiefirmen und Sachfirmen. Hier sind die beiden<br />

erstgenannten Varianten betroffen. <strong>Die</strong> konkrete Bildung<br />

einer Personenfirma ist im Gesetz nicht (mehr) näher<br />

geregelt. Allerdings hatte der Gesetzgeber diesbezüglich<br />

durchaus klare Vorstellungen, die zumindest in der Begründung<br />

des Gesetzentwurfs auch ihren Niederschlag gefunden<br />

haben. Dort heißt es nämlich:<br />

„... Das geltende Recht lässt für den Einzelkaufmann – unbeschadet<br />

der Zulässigkeit von Sach- und Phantasiebezeichnungen als<br />

Zusätze – ausschließlich eine Personenfirma zu, bestehend aus<br />

Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen.<br />

<strong>Die</strong> Neufassung ... verlangt dagegen nur noch, dass die Firma<br />

Kennzeichnungsfähigkeit und Unterscheidungskraft besitzen,<br />

das heißt also vor allem die Namensfunktion im geschäftlichen<br />

Verkehr erfüllen muss. Dafür kommen – neben dem bürgerlichen<br />

Namen des Kaufmanns – grundsätzlich auch Sachbezeichnungen<br />

oder Phantasieangaben in Betracht ...“1.<br />

* Steffen Kögel ist Leiter des Referats Recht und Berufsbildung<br />

der Bezirkskammer Rems-Murr der Industrie- und Handelskammer<br />

Region Stuttgart.<br />

1 BT-Drucks. 13/8444 v. 29.8.1997, S.52.


Steffen Kögel<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 17<br />

Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma einer <strong>GmbH</strong><br />

Aus diesem Hinweis ergibt sich, dass der Gesetzgeber davon<br />

ausging, dass eine Personenfirma – unabhängig von<br />

der Rechtsform – aus dem bürgerlichen Namen des Kaufmanns,<br />

erweitert gesprochen aus den bürgerlichen Namen<br />

von Gesellschaftern, gebildet wird. Es finden sich aber<br />

keine Anhaltspunkte, aus denen hervorgehen würde, dass<br />

der Gesetzgeber die Bildung der Personenfirma selbst neu<br />

regeln und Familiennamen zur beliebigen Verwendung<br />

freigeben wollte. Vielmehr ging es um eine Erweiterung<br />

der Firmenbildungsvorschriften durch zusätzliche Alternativen<br />

für alle Rechtsformen. Ausgehend von diesen Umständen<br />

ist eine Personenfirma – aus einem oder mehreren<br />

– (Vor-) und Zunamen natürlicher Personen zu bilden 2.<br />

Das ist z.B. dann der Fall, wenn ein Gesellschafter namens<br />

„Kettner“ seinen Namen in die Firmenbezeichnung<br />

einbringt und diese entsprechend „Kettner <strong>GmbH</strong>“ lautet.<br />

Seit der HGB-Reform wird überwiegend nicht mehr zwingend<br />

auf den Inhaber- oder Gesellschafterstatus abgestellt.<br />

<strong>Die</strong> h.M. 3 lässt es genügen, wenn eine Kommanditistenoder<br />

Geschäftsführerstellung vorliegt. Teilweise wird nur<br />

noch ein Bezug zu dem Unternehmen verlangt 4, was einen<br />

ziemlich vagen Maßstab darstellt. Es kann aber festgehalten<br />

werden, dass eine Personenfirma begrifflich nur dann<br />

vorliegt, wenn es eine real existierende Person gibt, aus<br />

deren Namen sich die Firmenbezeichnung ableitet. Ist der<br />

Namenszug dagegen ein frei gewählter Kunstbegriff, also<br />

in dem Fall, dass es eine Person „Ortwin Zemmler“ nicht<br />

oder irgendwo rein zufällig gibt, so ist eine zum Handelsregister<br />

angemeldete „Ortwin Zemmler <strong>GmbH</strong>“ nicht als<br />

Personenfirma, sondern als Phantasiefirma zu qualifizieren.<br />

<strong>Die</strong>se Differenzierung wird hier deshalb betont, weil<br />

sie in manchen Kommentierungen verwischt wird.<br />

III. Meinungsstand<br />

<strong>Die</strong> Frage, ob eine Firma aus fremden Personennamen gebildet<br />

werden kann, ist bisher nicht eindeutig beantwortet.<br />

Eine im Vordringen befindliche, befürwortende Auffassung<br />

stellt auf drei Hauptargumente ab. Zum einen wird<br />

angeführt, die Firma sei bei der Verwendung von Fremdnamen<br />

zwar ersichtlich unwahr. Es fehle aber an einer Irreführungseignung.<br />

Denn ein Name sei kein Faktor, der<br />

geschäftliche Verhältnisse betreffe, die für die Verkehrskreise<br />

wesentlich seien. Des weiteren hebt diese Meinung<br />

darauf ab, dass sich der Rechtsverkehr bei Personenfirmen<br />

2 <strong>Die</strong> Möglichkeit, die Firma eines anderen Rechtsträgers zu verwenden,<br />

spielt für die vorliegende Betrachtung keine Rolle.<br />

3 OLG Saarbrücken v. 25.2.2006 – 5 W 42/06 - 14, DB 2006,<br />

1002; Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Hdb. <strong>GmbH</strong> & Co.<br />

KG, 20. Aufl. 2009, §3 Rz. 67; Koller/Roth/Morck, HGB,<br />

6. Aufl. 2007, § 18 Rz. 15; einschränkend Schlinghoff in Oetker,<br />

HGB, 2009, § 18 Rz. 26 sowie Ruß in Heidelb.Komm.HGB,<br />

7. Aufl. 2007, § 18 Rz. 16.<br />

4 Krafka/Willer, Registerrecht, 7. Aufl. 2007, Rz. 235 m.w.N.; einschränkend<br />

aber für Firmennamen von Personenunternehmen.<br />

Dort wird eine regelmäßige Irreführungseignung fremder Familiennamen<br />

angenommen.<br />

5 Heidinger, DB 2005, 815 ff., m.w.N.; Heidinger in<br />

Münch.Komm.HGB, 2.Aufl. 2005, §18 Rz. 169.<br />

6 OLG Thüringen v. 22.6.2010 – 6 W 30/10, <strong>GmbH</strong>R 2010, 1094.<br />

7 OLG Karlsruhe v. 24.2.2010 – 11 Wx 15/09, <strong>GmbH</strong>R 2010,<br />

1096.<br />

8 LG MünchenI v. 26.10.2006 – 17 HK T 16920/06, MittBayNot<br />

2007, 71; ähnlich LG Wiesbaden v. 7.4.2004 – 12 T 3/04, NJW-<br />

RR 2004, 1106.<br />

9 LG Frankfurt/Oder v. 16.5.2002 – 32 T 3/02, <strong>GmbH</strong>R 2002, 966<br />

mit zust. Komm. Möller.<br />

generell nicht auf eine Verbindung zwischen Name und<br />

Unternehmen verlassen dürfe, da der Grundsatz der Firmenwahrheit<br />

durch den Grundsatz der Firmenbeständigkeit,<br />

also das Recht, Familiennamen nach dem Ausscheiden<br />

der Namensträger in der Firma beizubehalten, ausgehebelt<br />

werde. Niemand könne erwarten, dass der Namensträger<br />

noch zu dem so bezeichneten Unternehmen gehöre.<br />

Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass man durch<br />

kurzfristige Beteiligungen stets zum gewünschten Ergebnis<br />

der ins Auge gefassten Personenfirma kommen könne,<br />

was letztendlich eine legale Umgehungsmöglichkeit sei5. Ausgehend von diesen Überlegungen hat im Juni 2010 das<br />

OLG Thüringen6 die Eintragungsfähigkeit einer Firma,<br />

die aus dem Namen einer erfundenen und damit fiktiven<br />

Person „Obermüller“ gebildet wurde, bejaht. In der Begründung<br />

heißt es: „Der Name Obermüller ist zwar nicht<br />

als Phantasiebezeichnung erkennbar, vielmehr handelt es<br />

sich um einen tatsächlich existierenden und nicht selten<br />

vorkommenden Nachnamen“. Das Gericht führt aus, die<br />

Firmierung verstoße nicht gegen §4 <strong>GmbH</strong>G, weil dieser<br />

eine Personenfirma ohne Gesellschafterbezug nicht mehr<br />

explizit ausschließe. Auch §18 Abs.2 HGB werde nicht<br />

verletzt, da es an einer wesentlichen Bedeutung einer Beteiligung<br />

des Namensträgers für die wirtschaftliche Entscheidung<br />

der angesprochenen Verkehrskreise fehle. Es<br />

habe deshalb keine Relevanz, ob der Name einer fiktiven<br />

Person verwendet werde. Kunden werde es im Regelfall<br />

gleichgültig sein, wer Gesellschafter einer Gesellschaft<br />

sei. Im Übrigen dürften die betroffenen Verkehrskreise in<br />

die Gesellschaftereigenschaft oder den Einfluss des Namensgebers<br />

grundsätzlich kein Vertrauen haben. Wenige<br />

Monate zuvor hatte das OLG Karlsruhe7 entschieden, dass<br />

die Firma einer Personenhandelsgesellschaft grundsätzlich<br />

aus Namen auch von Nichtgesellschaftern gebildet werden<br />

könne und darauf hingewiesen, dies sei eine Konsequenz<br />

des Liberalisierungsgedankens. „Allerdings“, so das Gericht,<br />

„darf man sich auch der lebensnahen Betrachtung<br />

nicht verschließen, dass dann, wenn bei der Firmenbildung<br />

der Name einer Person verwendet wird, die keinen<br />

Bezug zum Unternehmen hat, der Verdacht nahe liegt,<br />

dass – unzulässig – Wettbewerbsvorteile erstrebt werden<br />

und die Firma irreführend ist. Und es ist trotz der Reduzierung<br />

des Prüfungsumfangs durch §18 Abs.2 HGB n.F. auf<br />

ersichtliche Irreführung gemäß §12 FGG bzw. §26<br />

FamFG Sache des Registergerichts, einen solchen Verdacht<br />

zu prüfen“. Es ist allerdings fraglich, ob solche wettbewerbsrechtliche<br />

Aspekte wirklich ins Registerverfahren<br />

gehören. <strong>Die</strong> Möglichkeiten für diesbezügliche Recherchen<br />

sind dort beschränkt. Auch andere Gerichte gehen<br />

davon aus, dass es einem Kunden egal sei, wer an dem<br />

Unternehmen, mit dem er ein Geschäft abschließe, beteiligt<br />

sei8. Dagegen steht das LG Frankfurt/Oder9 auf dem<br />

Standpunkt, dass dann, wenn die Firma aus einem Personennamen<br />

gebildet wird, der eine reale Person dieses Namens<br />

vermuten lässt, die Verkehrskreise, die mit diesem<br />

Unternehmen geschäftlich verkehren, in der Regel davon<br />

ausgehen würden, die namentlich genannte Person bestimme<br />

die Geschicke der Gesellschaft an maßgeblicher Stelle.<br />

Existiere diese Person nicht oder sei sie nicht in einer<br />

das Unternehmen bestimmenden Position tätig, sei grundsätzlich<br />

von einer Irreführung der betroffenen Verkehrskreise<br />

auszugehen.<br />

Literatur und Rechtsprechung haben noch keine klare Linie<br />

gefunden. Häufig wird die Auffassung vertreten, dass<br />

es auf die Haftungsstruktur ankomme und deswegen Kapitalgesellschaften<br />

einschließlich Personenhandelsgesell-


18<br />

schaften, bei denen keine natürliche Person haftet, anders<br />

zu behandeln seien als OHG und KG bzw. Einzelunternehmen.<br />

Für andere ist die Rechtsform nicht ausschlaggebend<br />

10. Teilweise wird die Eintragungsfähigkeit davon abhängig<br />

gemacht, ob es sich um den Namen einer Phantasieperson<br />

oder eine den angesprochenen Verkehrskreisen<br />

bekannte Person handelt 11. Andere stellen darauf ab, ob es<br />

sich um den Namen einer fremden existierenden Person<br />

handelt oder um den Namen einer nichtexistenten Person<br />

12 (s. dazu nachfolgend unter IV.).<br />

IV. Stellungnahme<br />

Zunächst fällt auf, dass das Thema bislang in einzelnen<br />

Facetten, nicht aber in seiner ganzen Breite wahrgenommen<br />

und diskutiert wird. Soweit erkennbar geht es immer<br />

um die Frage der Verwendbarkeit eines einzelnen fremden<br />

Familiennamens. <strong>Die</strong> grundsätzliche Fragestellung geht<br />

aber weit darüber hinaus. Schließt man sich der Meinung<br />

an, dass eine Firma „Rößler <strong>GmbH</strong>“ zulässig ist, auch<br />

wenn es keine entsprechende Bezugsperson gibt, und zwar<br />

zulässig aus dem Grund, weil der Familienname für die<br />

Verkehrsteilnehmer irrelevant sein soll, dann müssten mit<br />

derselben Argumentation auch andere Fallkonstellationen<br />

akzeptiert werden, die die Diskussion bislang ausklammert.<br />

Gründet also ein Herr Misirioglu eine „Müller &<br />

Schwarz <strong>GmbH</strong>“, eine „Bayer & Sohn <strong>GmbH</strong>“ oder eine<br />

„Schlagenhauf & Co. <strong>GmbH</strong>“, so müssten konsequenterweise<br />

mit demselben Argument alle diese Eintragungsanträge<br />

beim Registergericht durchgehen. Denn wenn man<br />

sich auf den Standpunkt stellt, dass Familiennamen bedeutungslos<br />

sind, wäre es auch gleichgültig, ob einer oder<br />

mehrere davon im Firmennamen erscheinen. Auch Familiennamen<br />

ersetzende Zusätzen wie „& Co.“ etc. kommt<br />

keine stärkere Bedeutung zu als einem Familiennamen<br />

selbst. Darüber hinaus müsste es – entgegen der früheren<br />

Rechtsprechung und aktuellen Kommentarmeinungen13 –<br />

zulässig sein, den bürgerlichen Namen des Gesellschafters<br />

zu verkürzen, zu verfremden oder nur teilweise zu benutzen.<br />

Ebenso könnte von einem Doppelnamen14 nur ein<br />

Teil verwendet oder anstatt des Familiennamens der Geburtsname<br />

angegeben werden. Dasselbe würde für die in<br />

der Vergangenheit teilweise abgelehnte Verkürzung von<br />

Vornamen gelten. Grundsätzlich wäre dann wohl auch die<br />

Verwendung von Phantasienamen mit Titeln möglich15. Obiger Herr Misirioglu hätte also die Möglichkeit, eine<br />

<strong>GmbH</strong> unter der (Phantasie-)Firma „Dr. Fischer Textilien<br />

<strong>GmbH</strong>“ zu gründen, da dem Dr.-Titel in diesem Geschäftszweig<br />

unstreitig keine wesentliche Irreführungseignung<br />

anhaftet16. Als eine weitere Folge würde der Grundsatz<br />

der Firmenidentität außer Kraft gesetzt wird. <strong>Die</strong>ser<br />

besagt, dass bei der Verwendung von Firmenbezeichnungen<br />

zur Bildung einer anderen Firma diese vollständig und<br />

nicht nur in Teilen zu verwenden sind. Er wird auch nach<br />

der HGB-Reform noch als gültig angesehen17. <strong>Die</strong> Firmenidentität<br />

des Namensgebers muss gewahrt werden, um<br />

diesen identifizieren zu können. Gründet also eine „Müller<br />

& Schwarz AG“ eine Tochtergesellschaft, so müsste diese<br />

demnach z.B. „Müller & Schwarz Verwaltungs-<strong>GmbH</strong>“<br />

oder ähnlich lauten, nicht aber „Müllers Verwaltungsgesellschaft<br />

mbH“. Unter Zugrundlegung obiger Maßstäbe<br />

wäre dieser Grundsatz ebenfalls obsolet. <strong>Die</strong> Tochtergesellschaft<br />

könnte dann „Fritz Fröhlich <strong>GmbH</strong>“,<br />

„M. Schwarz Verwaltungs-<strong>GmbH</strong>“ oder wie auch immer<br />

lauten. <strong>Die</strong> vorgenannten Fälle wären als Personenfirma<br />

allesamt problematisch, könnten bzw. müssten aber als<br />

Steffen Kögel<br />

Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma einer <strong>GmbH</strong><br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

Phantasiefirmen durchgehen. Denn es kann nicht sein,<br />

dass die Antragsteller in diesen Fällen schlechter gestellt<br />

werden, weil sie Formalien unterworfen werden, die bei<br />

der Wahl einer Phantasiefirma keine Beachtung zu finden<br />

brauchen18. Man kann es auch anders formulieren: Über<br />

das Konstrukt der Phantasiefirma könnten alle diese Ergebnisse<br />

herbeigeführt werden.<br />

Das Gesagte gilt nicht nur für Ersteintragungen. Über die<br />

uneingeschränkt zulässige, aus Fremdnamen gebildete<br />

Phantasiefirma würden Literatur und Rechtsprechung zur<br />

abgeleiteten Firma in weiten Teilen hinfällig. Allerdings<br />

ist der Wortlaut der §§22, 24 HGB – von redaktionellen<br />

Klarstellungen abgesehen – durch die HGB-Reform nicht<br />

angetastet worden. Bei der Anwendung dieser Vorschriften<br />

wird nach wie vor auf die Fortführung der „bisherigen“<br />

Firma abgestellt. Somit darf eine Firma nach ganz<br />

h.M. im Wesentlichen nur unverändert fortgeführt werden,<br />

da sie nur insoweit als schutzwürdig angesehen wird. Das<br />

gilt insbesondere für den Firmenkern, der das Erscheinungsbild<br />

bestimmend prägt, wie etwa Familiennamen<br />

und vergleichbare Bestandteile19. <strong>Die</strong>se Einschränkung<br />

wäre aber ein Widerspruch zu der Annahme, dass Personennamen<br />

frei wählbar sein sollen. Entsprechende Änderungen<br />

müssten dann konsequenterweise als zulässige<br />

Neufirmierung durch Bildung einer Phantasiefirma eingestuft<br />

werden. Für Restriktionen wäre kein Raum mehr,<br />

vielmehr wären abgeleitete Firmen frei veränderbar, die<br />

§§22, 24 HGB damit überflüssig. Um auch hier ein Beispiel<br />

zu bilden: Drei Gesellschafter gründen eine <strong>GmbH</strong><br />

unter der Firmenbezeichnung „Schwarzmüller, Weber &<br />

Co. <strong>GmbH</strong>“. Scheidet Herr Weber aus der Gesellschaft<br />

aus, handelt es sich um eine abgeleitete Firma, deren Firmenkern<br />

gemäß §24 HGB nur unverändert beibehalten<br />

werden darf. Lässt man Personennamen als Phantasiebegriffe<br />

zu, könnte die Firma aber eben doch beliebig geändert<br />

werden, etwa in „Weber und Co. <strong>GmbH</strong>“. Selbstverständlich<br />

können auf der Basis dieser Theorie auch übernommene<br />

Vornamen als Teil des Firmenkerns problemlos<br />

gestrichen werden20 (immer die Auffassung unterstellend,<br />

dass in Firmen enthaltene Familiennamen für den Rechtsverkehr<br />

unwesentlich sind). Das Dilemma ist damit skizziert;<br />

hier soll nun nochmals ein frischer Blick auf die Ar-<br />

10 Grundsätzlich ablehnend Emmerich in Scholz, <strong>GmbH</strong>G,<br />

10.Aufl. 2006, §4 Rz. 24 u. 32, m.w.N.<br />

11 OLG Brandenburg v. 21.10.2002 – 8 Wx 23/02, Mittdtsch-<br />

PatAnw 2005, 176.<br />

12 Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl.<br />

2008, §18 Rz. 11.<br />

13 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, §19 Rz. 6,<br />

m.w.N.<br />

14 So ausdrücklich Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn,<br />

HGB, 2. Aufl. 2008, §18 Rz. 10.<br />

15 Unklar Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB,<br />

2.Aufl. 2008, §18 Rz. 13.<br />

16 BGH v. 5.4.1990 – I ZR 19/88, NJW 1991, 752; OLG Frankfurt<br />

a. M. v. 15.3.1977 – 20 W 114/77, <strong>GmbH</strong>R 1977, 202<br />

(LS); a.A. Ammon/Ries in Röhricht/Graf von Westphalen,<br />

HGB, 3. Aufl. 2008, §18 Rz. 44.<br />

17 Bokelmann, Das Recht der Firmen und Geschäftsbezeichnungen,<br />

5. Aufl. 1999, Rz. 308ff., m.w.N.<br />

18 So in der Tendenz konsequent Steitz in Ensthaler, HGB,<br />

7.Aufl. 2007, §19 Rz. 24.<br />

19 Clausnitzer, DNotZ 2010, 345ff.; Steitz in Ensthaler, HGB,<br />

7.Aufl. 2007, §22 Rz. 7.<br />

20 Von der ganz h.M. wird diese Option als unzulässige, da wesentliche<br />

Änderung abgelehnt, s. Ammon/Ries in Röhricht/Graf<br />

von Westphalen, HGB, 3.Aufl. 2008, §22 Rz. 44, m.w.N.


Steffen Kögel<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 19<br />

Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma einer <strong>GmbH</strong><br />

gumentation der aktuellen Rechtsprechung und der sie<br />

stützenden Literaturmeinungen geworfen werden:<br />

Wie schon erwähnt geht die Begründung der Bundesregierung<br />

zum Entwurf des HRefG davon aus, dass eine Personenfirma<br />

aus dem bürgerlichen Namen des Kaufmanns<br />

gebildet wird. Auf die Idee, dass Vor- und Zuname als<br />

Phantasiebezeichnung bewertet werden könnten, scheint<br />

man dabei nicht gekommen zu sein. Jedenfalls ist aufgrund<br />

dieser klaren Formulierung im Gesetzesentwurf<br />

nicht anzunehmen, dass durch die Streichung des Verbots<br />

der Verwendung von Fremdnamen diese gleichzeitig zulässig<br />

werden sollten. Es spricht einiges dafür, dass dieses<br />

schlicht als überflüssig angesehen wurde, weil es eine<br />

Selbstverständlichkeit zum Ausdruck brachte, die auch<br />

ohne ausdrückliche Regelung klar zu sein schien. Manche<br />

Schlussfolgerungen gehen indes in eine andere Richtung<br />

und leiten daraus bzw. aus den fehlenden konkreten Firmenbildungsregeln<br />

die Zulässigkeit unwahrer Personenfirmen<br />

als Phantasiefirma ab 21. Einschränkungen werden bezüglich<br />

der Verwendung von Namen bekannter Personen,<br />

die keinen unmittelbaren Bezug zum Unternehmen haben,<br />

gemacht. <strong>Die</strong>se werden als unzulässig angesehen, weil bekannten<br />

Namen ein „gewisses Vertrauen“ entgegen gebracht<br />

werde. Folglich sei die Unternehmensträgerschaft<br />

hier von wesentlicher Bedeutung für die wirtschaftliche<br />

Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise. <strong>Die</strong> Firma<br />

sei dann ersichtlich zur Irreführung geeignet und unzulässig<br />

22. <strong>Die</strong> Begründung dafür, wodurch ein solches „gewisses<br />

Vertrauen“ bei bekannten Personen gerechtfertigt<br />

sein soll und warum ein „gewisses Vertrauen“ als so stark<br />

und gewichtig angesehen wird, dass es als wesentlich für<br />

die wirtschaftliche Entscheidung angesehen wird, bleibt<br />

aber offen. Andere ziehen den Kreis noch weiter und meinen,<br />

dass auch bei bekannten Personen zumindest bei den<br />

Kapitalgesellschaften eine Täuschungseignung fern liege.<br />

Eine Irreführungseignung könne nur bei Personenunternehmen<br />

wegen der persönlichen Haftung angenommen<br />

werden. Denn bei einer konkret den angesprochenen Verkehrskreisen<br />

bekannten Person liege die Gefahr einer<br />

eventuellen Täuschung über die persönlich haftende Stellung<br />

vor, die für die angesprochenen Verkehrskreise auch<br />

wesentlich sei (wobei die Verkehrswesentlichkeit zu Recht<br />

auf den Sachbereich eingeschränkt wird, für den die jeweilige<br />

Person bekannt ist) 23. Abgesehen davon, dass derartige<br />

Fälle rein wissenschaftlichen Betrachtungswert haben,<br />

da sich die Namensträger realiter erfolgreich gegen<br />

diesen „Namensklau“ wehren könnten, ist die Aussage,<br />

derartige Angaben seien geeignet, über geschäftliche Verhältnisse,<br />

die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich<br />

sind, irrezuführen, nur eine Annahme. Es wird<br />

nicht wirklich dargelegt, warum diesbezüglich eine Ausnahme<br />

gemacht wird und worin die wesentliche Täuschung<br />

bzw. Fehlvorstellung konkret bestehen soll, es sei<br />

denn, man unterstellt die fragwürdige These, dass bekann-<br />

21 Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073 ff.<br />

22 Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073 ff.; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

<strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009, §4 Rz. 35.<br />

23 Heidinger, DB 2005, 815ff., m.w.N.; Heidinger in<br />

Münch.Komm.HGB, 2.Aufl. 2005, §18 Rz. 169.<br />

24 Steitz in Ensthaler, HGB, 7. Aufl. 2007, §19 Rz. 1.<br />

25 Zu Details kann auf die einschlägige Literatur verwiesen werden,<br />

s. Tillmann/Mohr, <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführer, 9.Aufl. 2009,<br />

Rz. 450ff.; Schiessl in Münch.Hdb.GesR, Bd. 3: <strong>GmbH</strong>,<br />

3.Aufl. 2009, § 35 Rz. 1ff; Lutter in Lutter/Hommelhoff,<br />

<strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009, §13 Rz. 11ff.<br />

te Personen grundsätzlich besser wirtschaftlich situiert<br />

sind als andere. Das alles sind irrationale Faktoren, die hypothetisch<br />

bleiben.<br />

<strong>Die</strong> bekannten Namen sind nun allerdings nicht die Regel,<br />

sondern die Ausnahme. Oben wurde ausgeführt, dass eine<br />

Firma, die aus einem Familiennamen gebildet wird, ohne<br />

dass ein entsprechender Namensträger als Gesellschafter<br />

oder Geschäftsführer involviert ist, keine Personenfirma,<br />

sondern eine Phantasiefirma ist. Es stellt sich die Frage,<br />

ob (fremde) Familiennamen überhaupt als Phantasiebegriffe<br />

zu qualifizieren sind. Phantasiebegriffe sind Wortgebilde,<br />

die entweder als solche nicht im allgemeinen<br />

Sprachschatz vorkommen oder in einen sachfremden Zusammenhang<br />

gestellt werden. Dazu zählen z.B. Firmenlogos<br />

wie „ELPO“, Buchstabenkombinationen wie „ANT“<br />

oder Begriffe, die als Zusatz ihre eigentliche Bedeutung<br />

verlieren wie „Paradies Bettwaren <strong>GmbH</strong>“ o.ä. Ob Personennamen<br />

damit gleichgesetzt werden können erscheint<br />

fraglich, auch wenn im Einzelfall die Abgrenzung zwischen<br />

(seltenem) Familienname und individueller kreativer<br />

Wortschöpfung schwierig sein mag. Niemand wird auf<br />

die Idee kommen, Familiennamen als Phantasiebegriffe zu<br />

bezeichnen, eher als eigenständige Wortgruppe. <strong>Die</strong> Befürworter<br />

der Zulässigkeit von Fremdnamen verzichten<br />

auf derartige Definitionsversuche. Sie stellen darauf ab,<br />

dass Familiennamen keine Angaben seien, die geeignet<br />

seien, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen<br />

Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen.<br />

<strong>Die</strong>ser Annahme kann aus folgenden Gründen nicht uneingeschränkt<br />

zugestimmt werden: Ein Kunde wird, um<br />

ein Beispiel zu bilden, den Firmenbestandteil „Carstensen“<br />

nicht als Phantasiebegriff, sondern als Familienname<br />

auffassen. Sofern er sich Gedanken dazu macht, wird er<br />

sich überlegen, was dadurch, dass der Familienname in<br />

der Firma geführt wird, mitgeteilt werden soll. Und ihn<br />

naheliegender weise als Aussage einordnen, die sich auf<br />

geschäftliche Verhältnisse bezieht – ein anderer Sinn ist<br />

nicht herleitbar – und zwar entweder auf einen ehemaligen<br />

oder aktuellen (Mit-)Inhaber des Betriebs oder eine<br />

sonst maßgebliche Person. Das ist unter Haftungsgesichtspunkten<br />

auch nicht irrelevant. Spätestens im Schadensfall<br />

wird er überprüfen, wer dieser Namensträger ist und ob<br />

dort noch „etwas zu holen“ ist. Entpuppt sich der Name<br />

als leere Hülse, wird sich der geschädigte Geschäftspartner<br />

subjektiv betrogen vorkommen – das passt dann ins<br />

Bild. <strong>Die</strong> Information über die Haftungsverhältnisse ist<br />

die zentrale Aussage des Firmennamens. Deswegen besteht<br />

die einzig positive Firmenbildungsregel in der Verpflichtung<br />

zur Aufnahme des konkreten Rechtsformzusatzes24.<br />

<strong>Die</strong> Haftung trifft in erster Linie die Inhaber und<br />

Gesellschafter. Das gilt in besonderem Maße im Bereich<br />

der Personenunternehmen. Aber auch im Bereich der Kapitalgesellschaften<br />

sind sowohl gesetzlich als auch von Literatur-<br />

und Rechtsprechung Haftungskonstellationen geschaffen<br />

worden, die sich teilweise selbst auf die Geschäftsführer<br />

erstrecken, und sei es erst in der Insolvenz25. Es kann unterstellt werden, dass diese Umstände sowohl<br />

allgemein bekannt als auch im Geschäftsverkehr von Relevanz<br />

sind. Ob die im Firmennamen genannten Personen<br />

letztendlich tatsächlich zur Kasse gebeten werden können,<br />

ist ein anderer Punkt. Man kann aus der Ungewissheit diese<br />

Frage aber nicht zwingend deren Unwesentlichkeit herleiten.<br />

Es steht damit das Interesse der Unternehmen an<br />

einer flexiblen Firmierung einerseits und das Interesse der<br />

Wirtschaftsteilnehmer an einem ausreichenden Schutz vor<br />

Irreführungen andererseits im Raum. <strong>Die</strong>se sind gegenei-


20<br />

nander abzuwägen. Ein legitimes Interesse von Unternehmen,<br />

sich fremder Familiennamen zur Bildung einer<br />

Phantasiefirma zu bedienen, ist schwer begründbar. Wenn<br />

man davon ausgeht, dass nicht nur die Namen von Inhabern<br />

und Gesellschaftern zur Firmenbildung verwendet<br />

werden können, sondern auch die Namen von Geschäftsführern<br />

und anderen Personen, die nachweislich die Geschicke<br />

des Unternehmens maßgeblich beeinflussen, sind<br />

darüber hinausreichende Fallkonstellationen in aller Regel<br />

im Bereich des Missbrauchs anzusiedeln. Dadurch werden<br />

schlicht falsche Verhältnisse vorgespiegelt, für die es keine<br />

Rechtfertigung gibt. Das zeigen insbesondere die oben<br />

aufgeführten Beispiele, also dass etwa bei einer Einpersonen-<strong>GmbH</strong><br />

die Firma durch mehrere Phantasiegesellschafter<br />

oder Gesellschaftszusätze wie „& Co.“ bereichert werden<br />

soll. In den meisten dieser Fälle geht es darum, einen<br />

besonderen, aber objektiv unrichtigen Anschein zu wecken.<br />

Unterstützung verdient dies nicht. Stellt man dem<br />

die Interessen des Rechtsverkehrs und der angesprochenen<br />

Verkehrskreise gegenüber, so ist festzustellen, dass jeder<br />

Verkehrsteilnehmer bisher davon ausgehen konnte, dass<br />

die in einem Firmennamen genannten Personen – zumindest<br />

potentielle – Haftungsträger sind. Bei der <strong>GmbH</strong> umfasst<br />

dies unter anderem die Haftung für ausstehende<br />

Stammeinlagen oder sonstige (Regress-)Ansprüche der<br />

Gesellschaft gegenüber Gesellschaftern, die von Gläubigern<br />

im Wege der Zwangsvollstreckung verwertet werden<br />

können. <strong>Die</strong> möglichen Konstellationen sind bekannt und<br />

durchaus vielfältig, bis hin zur Konzernhaftung. Bei Personenunternehmen<br />

kommt bei abgeleiteten Firmen die<br />

Haftung der ausgeschiedenen Inhaber und Gesellschafter<br />

gemäß §§25, 26 HGB hinzu. <strong>Die</strong>ser Hintergrund nährt<br />

Zweifel, ob man wirklich davon ausgehen kann, dass in<br />

Firmenbezeichnungen enthaltene Eigennamen im Geschäftsverkehr<br />

als unwesentlich erachtet werden. Der<br />

Weg, bezuglose Familiennamen nicht als bewusste Falschaussagen,<br />

sondern als Phantasiebegriffe einzustufen, sollte<br />

deshalb mit Vorsicht gegangen werden. Vielleicht würde<br />

das auch im 21. Jahrhundert noch ein Stück weit das Prinzip<br />

des ehrbaren Kaufmanns widerspiegeln.<br />

V. Fazit<br />

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass zur Bildung einer<br />

Personenfirma der bürgerliche Name des Kaufmanns bzw.<br />

die bürgerlichen Namen von Gesellschaftern verwendet<br />

werden. Firmenbezeichnungen, die aus fremden Personennamen<br />

gebildet werden, sind nicht als Personenfirma, sondern<br />

als Phantasiefirma zu werten. Sie werden in der Regel<br />

von den angesprochenen Verkehrskreisen allerdings<br />

als Hinweis auf die geschäftlichen Verhältnisse, nämlich<br />

einen aktuellen bzw. früheren (Mit-)Inhaber oder eine<br />

sonst das Unternehmen maßgeblich beeinflussende Person<br />

aufgefasst. Sowohl bei den Personenunternehmen als auch<br />

bei den Kapitalgesellschaften gibt es Haftungssituationen,<br />

die der Zulässigkeit unwahrer Familiennamen entgegenstehen.<br />

<strong>Die</strong> Verwendung fremder Familiennamen ist als<br />

Missbrauch zu bewerten. Eine andere Handhabung hätte<br />

zur Folge, dass nicht nur einzelne, sondern auch mehrere<br />

Familiennamen oder personenersetzende Gesellschaftszusätze<br />

beliebig Verwendung finden könnten. Auch die<br />

Grundsätze der Firmenidentität und der Firmenbeständigkeit<br />

würden dadurch faktisch außer Kraft gesetzt.<br />

Steffen Kögel<br />

Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma einer <strong>GmbH</strong><br />

<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

Reinhard Stockum/Marc Sälzer *<br />

Kaufpreisraten bei Unternehmenskäufen<br />

– Das Abzinsungsgebot als steuerliches<br />

Minenfeld? –<br />

Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wurde<br />

erstmalig ein steuerliches Abzinsungsgebot für unverzinsliche<br />

längerfristige Verbindlichkeiten eingeführt.<br />

Obwohl dieses Abzinsungsgebot in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3<br />

EStG bereits seit dem 1.1.1999 in Kraft ist, bestehen<br />

zahlreiche Risiken in der praktischen Anwendung, die<br />

bisher nicht vollumfänglich gewürdigt werden. <strong>Die</strong>ser<br />

Beitrag soll die Problematik des Abzinsungsgebots im<br />

Rahmen von Unternehmenskäufen darlegen, bei denen<br />

zumindest zwei Kaufpreisraten vereinbart werden. <strong>Die</strong>s<br />

kann zu erheblichen steuerlichen Konsequenzen – vor<br />

allem beim Erwerber – führen.<br />

I. Einleitung<br />

<strong>Die</strong> Ausgestaltung des Kaufpreises und des Kaufpreismechanismus<br />

sind wesentliche Bestandteile der Vertragsverhandlungen<br />

bei Unternehmenskäufen. Unabhängig von<br />

der Art der Gegenleistung wird in zeitlicher Hinsicht oftmals<br />

vereinbart, dass der Kaufpreis nicht sofort in vollem<br />

Umfang beim Vollzug (Closing) des Unternehmenskaufvertrags<br />

fällig ist. Fallen Vollzug und Kaufpreisfälligkeit<br />

zeitlich auseinander, stellt sich die Frage der Verzinsung<br />

der Kaufpreisverbindlichkeit.<br />

Wurde z.B. auf Verlangen des Verkäufers keine Verzinsung<br />

der Kaufpreisraten vereinbart, besteht die Gefahr,<br />

dass das steuerliche Abzinsungsgebot des §6 Abs.1 S.1<br />

Nr.3 EStG eingreift. <strong>Die</strong> unverzinsliche Kaufpreisverbindlichkeit<br />

wird beim Erwerber mit einem Zinssatz i.H.v.<br />

5,5% p.a. abgezinst, wenn die Verbindlichkeit am steuerlichen<br />

Bilanzstichtag des Erwerbers erst in zwölf Monaten<br />

oder zu einem späteren Zeitpunkt fällig ist. <strong>Die</strong> Abzinsung<br />

der Kaufpreisverbindlichkeit erfolgt nur in der Steuerbilanz,<br />

nicht aber in der Handelsbilanz. <strong>Die</strong> steuerliche Abzinsung<br />

der Kaufpreisverbindlichkeit führt zu einem Abzinsungsgewinn<br />

beim Erwerber, der im Jahr der Abzinsung<br />

bei diesem steuerpflichtig ist. Der Erwerber trägt somit<br />

das Risiko, im Jahr der Abzinsung für einen Ertrag<br />

steuerpflichtig zu sein, bei dem es sich um einen reinen<br />

Buchgewinn handelt. Dabei kann dieser steuerpflichtige<br />

Ertrag in den darauf folgenden Jahren durch die Abzugsfähigkeit<br />

eines korrespondierenden Aufwands aufgrund der<br />

späteren Aufzinsung wieder ausgeglichen werden.<br />

Aus Gründen der Rechtssicherheit für beide Parteien wird<br />

daher häufig eine Verzinsung der Kaufpreisraten zwischen<br />

dem Erwerber und dem Veräußerer ausdrücklich vereinbart.<br />

Der vereinbarte Zinsanteil ist beim Erwerber steuerlich<br />

als Zinsaufwand und beim Veräußerer als Zinsertrag<br />

zu behandeln. In diesem Fall entfällt die Anwendung des<br />

§6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG.<br />

* Reinhard Stockum ist Steuerberater und Partner Tax, Marc Sälzer<br />

ist Rechtsanwalt und Associate, beide bei Shearman & Sterling<br />

LLP in Frankfurt a.M.


<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 21<br />

Im Folgenden sollen die möglichen Risiken aufgezeigt<br />

werden, wenn bei einem Unternehmenskauf mit vereinbarter<br />

Ratenzahlung eine Verzinsung zwischen den Parteien<br />

nicht ausdrücklich vereinbart wird.<br />

II. Steuerliches Abzinsungsgebot<br />

1. Sinn und Zweck des steuerlichen Abzinsungsgebots<br />

<strong>Die</strong> Abzinsung in der Steuerbilanz mit einem Zinssatz<br />

i.H.v. 5,5% p.a. gemäß §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG wurde<br />

nicht zur Verteilung effektiver Zinserträge und Zinsaufwendungen<br />

eingeführt. Sie soll vielmehr den Marktwert<br />

von Verbindlichkeiten reflektieren. Der Vorteil des<br />

Schuldners, eine unverzinsliche Verbindlichkeit unter dem<br />

Nennwert an einen Übernehmer „wegschaffen“ zu können,<br />

soll steuerlich erfasst werden1. Nach dem Gesetzeszweck<br />

beruht die Abzinsung auf der typisierenden Vorstellung,<br />

dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verbindlichkeit<br />

den Schuldner weniger belastet als eine sofortige<br />

Leistungspflicht2. Daher führt die Abzinsung im ersten<br />

Jahr der Passivierung der Kaufpreisverbindlichkeit zu<br />

einem außerordentlichen Ertrag beim Schuldner, der erst<br />

durch den außerordentlichen Aufwand aufgrund der nachfolgenden<br />

Aufzinsung ausgeglichen wird3. 2. Tatbestand des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr.3 EStG<br />

<strong>Die</strong> Abzinsung in der Steuerbilanz setzt eine unverzinsliche<br />

Verbindlichkeit voraus, deren Restlaufzeit am steuerlichen<br />

Bilanzstichtag des Schuldners zwölf Monate oder<br />

länger beträgt. Nach der Vorschrift des §6 Abs.1 S.1 Nr.3<br />

EStG sind Verbindlichkeiten vom Abzinsungsgebot ausgenommen,<br />

die eine Restlaufzeit von weniger als zwölf Monaten<br />

am steuerlichen Bilanzstichtag des Schuldners haben<br />

oder die verzinslich sind oder die auf einer Anzahlung<br />

oder Vorausleistung beruhen.<br />

Das Abzinsungsgebot könnte daher auf Kaufpreisverbindlichkeiten<br />

bei einem Unternehmenskauf nur angewendet<br />

werden, wenn eine vereinbarte Kaufpreisrate am steuerlichen<br />

Bilanzstichtag des Erwerbers eine Restlaufzeit von<br />

zwölf Monaten oder länger hat.<br />

1 Vgl. Groh, DB 2007, 2275 (2275).<br />

2 BFH v. 6.10.2009 – I R 4/08, BStBl. II 2010, 177 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2010, 102; v. 27.1.2010 – I R 35/09, BStBl. II 2010, 478 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 2010, 438; BT-Drucks. 14/23, S.171.<br />

3 BMF v. 26.5.2005 – IV B 2 - S 2175 - 7/05, BStBl. I 2005, 699,<br />

Rz. 41; vgl. BFH v. 25.8.2010 – I R 102/09, <strong>GmbH</strong>R 2010,<br />

1270, Rz. 11, 12.<br />

4 BMF v. 26.5.2005 – IV B 2 - S 2175 - 7/05, BStBl. I 2005, 699,<br />

Rz. 13.<br />

5 BMF v. 23.8.1999 – IV C 2 - S 2175 - 25/99, DStR 1999, 1401.<br />

6 Zusammenfassend bei Beiser, DB 2001, 296 ff.<br />

7 BFH v. 6.10.2009 – I R 4/08, BStBl. II 2010, 177 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2010, 102; v. 27.1.2010 – I R 35/09, BStBl. II 2010, 478 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 2010, 438.<br />

8 Kulosa in Schmidt, EStG, 29. Aufl. 2010, §6 Rz. 454; Hoffmann<br />

in Littmann/Bitz/Pust, EStG (Stand: 87. Erg.-Lfg. Mai 2010),<br />

§ 6 Rz. 681; Groh, DB 2007, 2275 (2278).<br />

9 Der BFH hat in seinem Urteil über die Abzinsung von unverzinslichen<br />

Gesellschafterdarlehen ausdrücklich mit dem Wortlaut<br />

von § 6 Abs.1 S. 1 Nr. 3 EStG argumentiert und entschieden,<br />

dass dieser keine weiteren Einschränkungen vorsieht; s.BFH v.<br />

27.1.2010 – I R 35/09, BStBl. II 2010, 478 = <strong>GmbH</strong>R 2010,<br />

438.<br />

Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist das Abzinsungsgebot<br />

nach §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG nicht einschlägig,<br />

wenn eine Verzinsung mit einem Zinssatz von mehr<br />

als 0% p.a. zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer<br />

vereinbart ist 4. Hierbei ist zu beachten, dass nach Auffassung<br />

der Finanzverwaltung die Vereinbarung eines Zinssatzes<br />

nahe 0% p.a. im Einzelfall als missbräuchliche Gestaltung<br />

i.S.d. §42 AO beurteilt werden könnte 5. U.E.<br />

dürfte ein Zinssatz i.H.v. mindestens 1% jedenfalls nicht<br />

rechtsmissbräuchlich sein.<br />

Das Gesetz und die Finanzverwaltung lassen allerdings offen,<br />

wann eine Verzinsung als vereinbart gilt. Unzweifelhaft<br />

liegt eine Verzinsung vor, wenn beide Parteien einen<br />

Teil des Kaufpreises als Zinsanteil ausdrücklich vereinbaren.<br />

In vielen Fällen wird der Zinsanteil allerdings „verdeckt“<br />

im Kaufpreis einkalkuliert sein. Ein verdeckter<br />

Zinsanteil ist zum Beispiel anzunehmen, wenn der Kaufpreis<br />

über dem Wert des erworbenen Unternehmens liegt<br />

und der Kaufpreis über einen langen Zeitraum gestreckt<br />

wird oder eine Reduzierung des Kaufpreises bei vorzeitiger<br />

Tilgung durch den Erwerber vereinbart ist. In solchen<br />

Fällen wird von einer Verzinslichkeit der Verbindlichkeit<br />

i.S.d. §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG auszugehen sein.<br />

3. Verfassungsmäßigkeit des steuerlichen<br />

Abzinsungsgebots<br />

In der Literatur werden verfassungsrechtliche Bedenken gegen<br />

das steuerliche Abzinsungsgebot vorgebracht. <strong>Die</strong> Besteuerung<br />

eines fiktiven Abzinsungsgewinns stelle hiernach<br />

einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Prinzip der<br />

Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen<br />

dar, weil in Höhe des Abzinsungsgewinns kein tatsächlich<br />

erzieltes Einkommen, welches die Leistungsfähigkeit<br />

des Kaufpreisschuldners steigert, der Besteuerung unterworfen<br />

wird6. Der BFH teilt diese verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken nicht. Das Abzinsungsgebot des §6 Abs.1 S.1<br />

Nr.3 EStG ist vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers<br />

gedeckt. <strong>Die</strong> steuerliche Abzinsung dient der Verteilung des<br />

Zinsaufwands nach Maßgabe der wirtschaftlichen Zuordnung<br />

im Sinne einer periodengerechten Gewinnabgrenzung,<br />

auch wenn die Aufzinsungsaufwendungen den vorherigen<br />

Abzinsungsgewinn nicht ausgleichen sollten7. 4. Anwendbarkeit des steuerlichen Abzinsungsgebots<br />

bei Ratenzahlungen<br />

In der Literatur wird die Auffassung vertreten, das Abzinsungsgebot<br />

nach §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG sei bei vereinbarter<br />

Ratenzahlung nicht anzuwenden, da die vereinbarte<br />

Ratenzahlung zwingend einen verdeckten Zinsanteil in<br />

sich trägt8. Hierbei wird allerdings offen gelassen, ob dies<br />

eine unwiderlegbare Vermutung sein sollte. <strong>Die</strong> steuerliche<br />

Abzinsung soll aber nicht eingreifen, da eine verzinsliche<br />

Verbindlichkeit i.S.d. §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG anzunehmen<br />

wäre.<br />

Es besteht jedoch ein Risiko, dass das steuerliche Abzinsungsgebot<br />

auch auf Kaufpreisverbindlichkeiten mit vereinbarter<br />

Ratenzahlung angewendet werden kann, soweit<br />

keine objektiv feststellbaren Umstände für das Vorliegen<br />

eines offenen oder verdeckten Zinsanteils sprechen, wie<br />

z.B. wenn der in Ratenzahlung vereinbarte Kaufpreis über<br />

dem Wert des erworbenen Unternehmens liegt oder eine<br />

Kaufpreisreduzierung für den Fall einer vorzeitigen Tilgung<br />

vereinbart ist. Auch wenn keine aktuelle BFH-<br />

Rechtsprechung9 oder Stellungnahmen der Finanzverwal-


22<br />

tung 10 vorliegen, wurde in vergleichbaren Fällen offenbar<br />

das steuerliche Abzinsungsgebot von der Finanzverwaltung<br />

angewendet 11.<br />

<strong>Die</strong> oben erwähnte Ansicht in der Literatur sieht eine Ausnahme<br />

für das steuerliche Abzinsungsgebot vor, welche<br />

sich nicht ausdrücklich im Wortlaut des §6 Abs.1 S.1<br />

Nr.3 EStG wiederfindet. Sie beruft sich insbesondere auf<br />

eine BFH-Rechtsprechung, welche eine Aufteilung in Tilgungs-<br />

und Zinsanteil bei Kaufpreisverbindlichkeiten mit<br />

Ratenzahlungen vorsieht, wenn eine Verzinsung nicht vereinbart<br />

oder durch die Parteien sogar ausdrücklich ausgeschlossen<br />

worden ist 12. Jedoch erging diese Rechtsprechung<br />

zur Rechtslage vor Inkrafttreten des §6 Abs.1 S.1<br />

Nr.3 EStG (i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/<br />

2000/2002). Sie beruht vor allem auf der fehlenden gesetzlichen<br />

Regelung im Einkommensteuerrecht im Hinblick<br />

auf die steuerliche Abzinsung einer Verbindlichkeit für<br />

den Zeitraum vor dem 1.1.1999. <strong>Die</strong> Rechtsprechung basiert<br />

deshalb insbesondere auf allgemeinen Vorschriften<br />

des Bewertungsrechts 13. Aufgrund der Einführung des<br />

Abzinsungsgebots in das Einkommensteuergesetz verbleibt<br />

allerdings eine Unsicherheit, dass man sich wegen<br />

der Änderung der gesetzlichen Grundlage nicht mehr uneingeschränkt<br />

auf die in der Vergangenheit beständige<br />

Rechtsprechung des BFH berufen kann.<br />

Jedoch vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass<br />

das Vorliegen einer verzinslichen Verbindlichkeit aus einer<br />

wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu beurteilen ist 14.<br />

Hieraus könnte gefolgert werden, dass aus wirtschaftlicher<br />

Sicht bei vereinbarten Kaufpreisraten, die über einen Zeitraum<br />

von mehr als zwölf Monaten gestreckt werden, eine<br />

Vermutung zugunsten des Steuerpflichtigen für die Verzinslichkeit<br />

dieser Verbindlichkeit besteht. Leider ist es<br />

von der Finanzverwaltung bislang versäumt worden, in<br />

diesem Punkt Klarheit zu schaffen.<br />

Es bleibt abzuwarten, ob der BFH aufgrund der seit dem<br />

1.1.1999 geänderten Rechtslage an seiner bisherigen<br />

Rechtsprechung festhalten wird, dass bei vereinbarter<br />

Kaufpreisratenzahlung immer ein verdeckter Zinsanteil<br />

anzunehmen ist und somit stets das steuerliche Abzinsungsgebot<br />

wegen des Vorliegens einer verzinslichen<br />

Kaufpreisverbindlichkeit ausscheidet.<br />

III. Folgen beim Erwerber<br />

Eine mögliche Anwendung des steuerlichen Abzinsungsgebots<br />

bei vereinbarten Kaufpreisraten könnte zu erheblichen<br />

handels- und steuerbilanziellen bzw. ertragsteuerlichen<br />

Auswirkungen beim Erwerber führen.<br />

1. Handelsbilanzielle Auswirkungen<br />

In der Handelsbilanz des Erwerbers ist die Beteiligung am<br />

erworbenen Unternehmen mit den Anschaffungskosten zu<br />

aktivieren (§253 Abs.1 S.1 HGB) und die unverzinsliche<br />

Kaufpreisverbindlichkeit mit dem Erfüllungsbetrag(§253<br />

Abs.1 S.2 HGB), d.h. mit dem Nennwert und nicht dem<br />

abgezinsten Barwert15, zu passivieren. Eine ertragswirksame<br />

Abzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit ist in der Handelsbilanz<br />

nicht zulässig. Allerdings ist die Kaufpreisverbindlichkeit<br />

in der Handelsbilanz in einen Kapital- und<br />

Zinsschuldanteil aufzuteilen, wenn die Unverzinslichkeit<br />

nur formal besteht und in der Kaufpreisverbindlichkeit ein<br />

verdeckter Zinsanteil zu sehen ist16. Verdeckte Zinszahlungen<br />

liegen nur vor, wenn die Beteiligten objektiv ein<br />

<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

Kreditgeschäft beabsichtigt haben. <strong>Die</strong>s ist bei vereinbarter<br />

Ratenzahlung aber nur der Fall, wenn die zu zahlenden<br />

Raten über dem Wert des erworbenen Unternehmens liegen<br />

17.<br />

2. Steuerbilanzielle Auswirkungen<br />

In der Steuerbilanz des Erwerbers ist die Beteiligung am<br />

erworbenen Unternehmen als Wirtschaftsgut mit den Anschaffungskosten<br />

zu aktivieren (§6 Abs.1 S.1 Nr.1<br />

EStG), was dem Nennwert der Kaufpreisverbindlichkeit<br />

entspricht18. Bei der Kaufpreisverbindlichkeit könnte §6<br />

Abs.1 S.1 Nr.3 EStG eingreifen. <strong>Die</strong> Verbindlichkeit<br />

wäre, soweit die Fälligkeit am steuerlichen Bilanzstichtag<br />

zwölf Monate oder länger in der Zukunft liegt, mit dem<br />

Nennwert abgezinst i.H.v. 5,5% p.a. zu passivieren. Das<br />

Abzinsungsgebot nach §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG setzt gerade<br />

nicht wie bei der Handelsbilanz das Vorliegen eines<br />

verdeckten Zinsanteils in der Verbindlichkeit voraus.<br />

In der Literatur wird teilweise vertreten, dass sowohl die<br />

Kaufpreisverbindlichkeit als auch die Beteiligung am erworbenen<br />

Unternehmen beim Erwerber nur mit dem abgezinsten<br />

Barwert zu passivieren bzw. zu aktivieren sei19. <strong>Die</strong>se Ansicht wird mit dem Grundsatz der Neutralität des<br />

Anschaffungsvorgangs begründet20. Hiernachwürdekein<br />

Abzinsungsgewinn entstehen. Der Aufwand aufgrund der<br />

späteren Aufzinsung soll durch die Aktivierung nachträglicher<br />

Anschaffungskosten auf die Beteiligung am erworbenen<br />

Unternehmen erfolgsneutral ausgeglichen werden21.<br />

Somit wäre auch die Entstehung des Aufzinsungsaufwands<br />

vermieden und das steuerliche Abzinsungsgebot<br />

nach §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG hätte insgesamt keine erfolgswirksamen<br />

Folgen beim Erwerber.<br />

10 Das Schr. des BMF v. 26.5.2005 – IV B 2 - S 2175 - 7/05,<br />

BStBl. I 2005, 699 beinhaltet keine ausdrücklichen Anmerkungen<br />

zu einer Nichtanwendbarkeit des §6 Abs.1 S. 1 Nr.3 EStG<br />

bei Verbindlichkeiten mit Ratenzahlungen.<br />

11 Vgl. FG Berlin-Brandenburg v. 15.2.2010 – 12 V 12153/09,<br />

DStRE 2010, 782. Der dem Beschluss des FG Berlin-Brandenburg<br />

zugrunde liegende Sachverhalt zeigt, dass die Finanzverwaltung<br />

das steuerliche Abzinsungsgebot nach §6 Abs.1 S. 1<br />

Nr.3 EStG wohl auch bei Verzug der Kaufpreiszahlung durch<br />

den Erwerber anwendet. Folglich hat die Finanzverwaltung<br />

beim Erwerber im Jahr des Beteiligungserwerbs den steuerpflichtigen<br />

Gewinn um den entsprechenden Abzinsungsertrag<br />

erhöht.<br />

12 BFH v. 25.6.1974 – VIII R 163/71, BStBl. II 1975, 431; v.<br />

25.2.1975 – VIII R 19/70, BStBl. II 1975, 647; v. 7.7.1983 –<br />

IV R 47/80, BStBl. II, 1983, 753; v. 11.12.1986 – IV R 222/84,<br />

BStBl. II 1987, 553 = <strong>GmbH</strong>R 1987, 489; v. 26.1.1999 – VIII<br />

R 32/96, <strong>GmbH</strong>R 1999, 728.<br />

13 Vgl. BFH v. 25.6.1974 – VIII R 163/71, BStBl. II 1975, 431.<br />

14 BMF v. 26.5.2005 – IV B 2 - S 2175 - 7/05, BStBl. I 2005,<br />

699, Rz. 16.<br />

15 Vgl. Ehmcke in Blümich, EStG (EL 106, Stand: Mai 2010), § 6<br />

Rz. 956a.<br />

16 Kozikowski/Schubert in Beck’scher Bilanz-Komm., 7. Aufl.<br />

2010, §253 Rz. 66.<br />

17 Kozikowski/Schubert in Beck’scher Bilanz-Komm., 7. Aufl.<br />

2010, §253 Rz. 66, 67.<br />

18 Vgl. Groh, DB 2007, 2275 (2277).<br />

19 Viskorf, DB 2006, 1231ff.; Kulosa in Schmidt, EStG, 29. Aufl.<br />

2010, §6 Rz. 454.<br />

20 So Ehmcke in Blümich, EStG (EL 105, Stand: März 2010), § 6<br />

Rz. 281; Viskorf, DB 2006, 1231 (1232).<br />

21 Viskorf, DB 2006, 1231 (1233). Das FG Berlin-Brandenburg<br />

hatte in seinem Beschl. v. 15.2.2010 – 12 V 12153/09, DStRE<br />

2010, 782 über die Frage der steuerlichen Abzinsung bei Ver-


<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 23<br />

Gegen diese Auffassung wird in Literatur vorgebracht,<br />

dass die Vermeidung eines Abzinsungsgewinns durch<br />

Minderung der Anschaffungskosten für die Beteiligung<br />

am erworbenen Unternehmen sowie die Vermeidung eines<br />

Aufzinsungsverlusts durch die Aktivierung nachträglicher<br />

Anschaffungskosten auf diese Beteiligung einen Widerspruch<br />

zum Sinn und Zweck des Abzinsungsgebots nach<br />

§6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG darstellt 22. <strong>Die</strong> steuerliche Abzinsung<br />

soll gerade den Zinsvorteil vorwegnehmen, um<br />

eine periodengerechte Gewinnermittlung sicherzustellen<br />

23. <strong>Die</strong> Beteiligung am erworbenen Unternehmen ist<br />

folglich beim Erwerber mit dem Nennwert zu aktivieren.<br />

Durch die Abzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit auf der<br />

Passivseite entsteht ein außerordentlicher Ertrag beim Erwerber<br />

– wie es durch §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG beabsichtigt<br />

ist.<br />

<strong>Die</strong> Auffassung, dass die Anschaffungskosten der Beteiligung<br />

am erworbenen Unternehmen nur mit dem abgezinsten<br />

Barwert – wie in der früheren BFH-Rechtsprechung 24<br />

und in Teilen der Literatur 25 vertreten – aktiviert werden<br />

soll, stößt auf Widerstand, da diese Ansicht keine Grundlage<br />

im Gesetz findet. <strong>Die</strong> Möglichkeit einer mit §6<br />

Abs.1 S.1 Nr.3 EStG verknüpften korrespondierenden<br />

Teilwertabschreibung der Beteiligung am erworbenen Unternehmen<br />

sieht das Gesetz nicht vor und würde auch der<br />

Systematik des Abzinsungsgebots nach §6 Abs.1 S.1<br />

Nr.3 EStG widersprechen, welche gerade bewusst eine erfolgswirksame<br />

Abzinsung vorsieht 26.<br />

Eine erfolgsneutrale Gestaltung der steuerlichen Abzinsung<br />

27 könnte zudem gegen das Saldierungsverbot verstoßen.<br />

Nach dem handelsrechtlichen Saldierungsverbot,<br />

welches auch für die Steuerbilanz anzuwenden ist, dürfen<br />

Posten der Aktivseite und Posten der Passivseite nicht miteinander<br />

verrechnet werden (§246 Abs.1 S.1 HGB). Eine<br />

zug der Kaufpreiszahlung durch den Schuldner bzw. Erwerber<br />

zu entscheiden. Hierbei verwarf das FG die Auffassung des Erwerbers,<br />

dass die steuerliche Abzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit<br />

zu einer Verminderung des Ansatzes der erworbenen<br />

Anteile führe und somit steuerneutral zu erfassen sei. <strong>Die</strong>ser<br />

Beschluss ist lediglich für den Fall des Zahlungsverzugs und<br />

nicht für den Fall einer vereinbarten Ratenzahlung ergangen.<br />

Allerdings zeigt der Beschluss, dass das FG Berlin-Brandenburg<br />

der Ansicht einer grundsätzlichen erfolgsneutralen Gestaltung<br />

des steuerlichen Abzinsungsgebots nicht folgt.<br />

22 Groh, DB 2007, 2275 (2277).<br />

23 Vgl. Groh, DB 2007, 2275 (2277).<br />

24 BFH v. 26.1.1999 – VIII R 32/96, <strong>GmbH</strong>R 1999, 728.<br />

25 Ehmcke in Blümich, EStG (EL 105, Stand: März 2010), §6<br />

Rz. 281; Kulosa in Schmidt, EStG, 29. Aufl. 2010, §6 Rz. 81,<br />

454; Viskorf, DB 2006, 1231 (1232).<br />

26 Vgl. Hoffmann, StuB 2010, 1 (2).<br />

27 Viskorf, DB 2006, 1231 (1233).<br />

28 So Ehmcke in Blümich, EStG (EL 105, Stand: März 2010), §6<br />

Rz. 281; Viskorf, DB 2006, 1231 (1232).<br />

29 Vgl. Glanegger in Schmidt, EStG, 28. Aufl. 2009, §6 Rz. 404.<br />

30 Groh, DB 2007, 2275 (2277).<br />

31 BFH v. 29.11.1983 – VIII R 231/80, BStBl. II 1984, 109; v.<br />

9.2.1994 – IX R 110/90, BStBl. II 1995, 47; Ehmcke in Blümich,<br />

EStG (EL 105, Stand: März 2010), §6 Rz. 322; Werndl<br />

in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG (185. Akt., Stand: Mai<br />

2008), § 6 Rz. B 125.<br />

32 BFH v. 26.1.1999 – VIII R 32/96, <strong>GmbH</strong>R 1999, 728.<br />

33 BFH v. 29.11.1983 – VIII R 231/80, BStBl. II 1984, 109; v.<br />

9.2.1994 – IX R 110/90, BStBl. II 1995, 47; Ehmcke in Blümich,<br />

EStG (EL 105, Stand: März 2010), §6 Rz. 322; Werndl<br />

in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG (185. Akt., Stand: Mai<br />

2008), § 6 Rz. B 125.<br />

unmittelbare Verrechnung des Betrags der Abzinsung der<br />

Kaufpreisverbindlichkeit auf der Passivseite mit dem Betrag<br />

aus der Abzinsung des erworbenen Unternehmens auf<br />

der Aktivseite in der Steuerbilanz des Erwerbers könnte<br />

als einen Verstoß gegen das Saldierungsverbot angesehen<br />

werden, der nicht durch eine Ausnahme im Gesetz gedeckt<br />

ist.<br />

<strong>Die</strong> Ansicht, welche sowohl die Beteiligung am erworbenen<br />

Unternehmen als auch die Kaufpreisverbindlichkeit<br />

mit abgezinstem Barwert aktivieren bzw. passivieren<br />

möchte, nimmt für sich das Argument in Anspruch, den<br />

Grundsatz der Neutralität des Anschaffungsvorgangs zu<br />

wahren28. <strong>Die</strong>sem Argument könnte entgegengehalten<br />

werden, dass der Anschaffungsvorgang und die steuerliche<br />

Abzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit zwei verschiedene<br />

Vorgänge sind29. Zunächst wird die Beteiligung am erworbenen<br />

Unternehmen und die Kaufpreisverbindlichkeit<br />

zu deren jeweiligem Nennwert aktiviert bzw. passiviert,<br />

welches an sich ein neutraler Vorgang ist. Hiervon ist die<br />

erfolgswirksame Abzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit<br />

als weiterer Vorgang unabhängig. <strong>Die</strong>ser Ablauf würde<br />

dem Sinn und Zweck des Abzinsungsgebots sowie dem<br />

Wortlaut als auch der systematischen Stellung von §6<br />

Abs.1 S.1 Nr.3 EStG im Gesetz als Bewertungsvorschrift<br />

entsprechen.<br />

Neben der Problematik um eine erfolgsneutrale Abzinsung<br />

ist zu beachten, dass eine erfolgsneutrale Gestaltung<br />

der später folgenden Aufzinsung – durch Aktivierung<br />

nachträglicher Anschaffungskosten auf die Beteiligung am<br />

erworbenen Unternehmen, sobald die Kaufpreisverbindlichkeit<br />

aufgezinst wird – gegen den Grundsatz verstoßen<br />

könnte, dass die Entwicklung der Verbindlichkeit keinen<br />

Einfluss auf den Anschaffungsvorgang hat30. <strong>Die</strong>Beteiligung<br />

am erworbenen Unternehmen und die Kaufpreisverbindlichkeit<br />

sind nach dem Anschaffungszeitpunkt zwei<br />

getrennte Wirtschaftsgüter, deren weiteres Schicksal unabhängig<br />

voneinander verläuft. Eine nachträgliche Veränderung<br />

der Kaufpreisverbindlichkeit durch die spätere Aufzinsung<br />

kann hiernach nicht zu einer nachträglichen Veränderung<br />

der Anschaffungskosten für die Beteiligung am<br />

erworbenen Unternehmen führen31. Als weitere Ansicht könnte eine erfolgsneutrale Abzinsung<br />

der Kaufpreisverbindlichkeit, welcher eine spätere<br />

erfolgswirksame Aufzinsung folgt, in Erwägung gezogen<br />

werden. <strong>Die</strong> erfolgsneutrale Abzinsung würde durch die<br />

jeweils mit dem abgezinsten Barwert vorgenommene Aktivierung<br />

der Beteiligung am erworbenen Unternehmen<br />

und Passivierung der Kaufpreisverbindlichkeit geschehen,<br />

was die frühere BFH-Rechtsprechung zur Aktivierung der<br />

Anschaffungskosten mit dem abgezinsten Barwert respektieren<br />

würde32. <strong>Die</strong> spätere Aufzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit<br />

könnte erfolgswirksam vollzogen werden,<br />

wenn keine nachträglichen Anschaffungskosten für die<br />

Beteiligung am erworbenen Unternehmen aktiviert werden.<br />

<strong>Die</strong>s würde den Grundsatz berücksichtigen, dass die<br />

Kaufpreisverbindlichkeit und die Beteiligung am erworbenen<br />

Unternehmen nach dem Anschaffungsvorgang zwei<br />

unabhängige Wirtschaftsgüter sind33. <strong>Die</strong>ser Auffassung könnte allerdings entgegengehalten<br />

werden, dass dem beim Erwerber entstehenden Aufzinsungsaufwand<br />

kein (Zins-)Gewinn beim Verkäufer gegenüberstehen<br />

würde. In der steuerlichen Gesamtbetrachtung<br />

wäre somit ein Aufwand beim Erwerber realisiert, mit<br />

dem kein steuerpflichtiger Ertrag – weder beim Erwerber<br />

noch beim Verkäufer – korrespondiert. <strong>Die</strong>se steuerliche


24<br />

Begünstigung wird der Gesetzgeber wohl kaum mit der<br />

Einführung des steuerlichen Abzinsungsgebots beabsichtigt<br />

haben. Zudem würde eine solche Ansicht bedeutet,<br />

dass aufgrund der steuerlichen Abzinsung lediglich ein effektiver<br />

Zinsanteil dem Erwerber zugeteilt wird. <strong>Die</strong>s widerspricht<br />

aber gerade dem Sinn und Zweck der Einführung<br />

des §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG, welche beabsichtigt<br />

den Vorteil des Schuldners aufgrund einer nicht sofort fälligen<br />

Verbindlichkeit steuerlich zu erfassen 34.<br />

Der unübersichtliche Meinungsstreit in der Literatur ist<br />

entstanden, da der Gesetzgeber mit der Einführung des<br />

steuerlichen Abzinsungsgebots in §6 Abs.1 S.1 Nr.3<br />

EStG ein Systemwechsel vollzogen hat, der mit der ständigen<br />

BFH-Rechtsprechung zur Verzinsung eines verdeckten<br />

Zinsanteil nicht harmonisiert. Solange dies nicht durch<br />

die Finanzverwaltung oder den BFH eindeutig geklärt ist,<br />

kann die aus dem oben dargestellten Meinungsstreit resultierende<br />

Rechtsunsicherheit für den Erwerber nur durch<br />

einen zweifelsfreien Ausschluss der steuerlichen Abzinsung<br />

in Form einer ausdrücklichen Verzinsung der Kaufpreisraten<br />

vermieden werden.<br />

3. Ertragsteuerliche Auswirkungen<br />

Nach der Systematik des steuerlichen Abzinsungsgebots<br />

könnte der Gewinn aus der Abzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit<br />

bzw. der Kaufpreisraten beim Erwerber als<br />

außerordentlicher Ertrag steuerpflichtig sein und der Verlust<br />

aus der späteren Aufzinsung der Kaufpreisverbindlichkeit<br />

als außerordentlicher Aufwand korrespondierend<br />

steuermindernd zu berücksichtigen sein35. <strong>Die</strong>s würde<br />

beim Erwerber grundsätzlich im Jahr der Abzinsung einen<br />

höheren steuerlichen Gewinn und eine höhere Ertragsteuerbelastung<br />

verursachen. <strong>Die</strong>se Ertragsteuerbelastung<br />

könnte systematisch zwar grundsätzlich in den folgenden<br />

Jahren durch die korrespondierenden Aufzinsungsaufwendungen<br />

ausgeglichen und neutralisiert werden, so dass<br />

sich die Abzinsung lediglich in Gestalt der Aufwendungen<br />

für die Vorfinanzierung der Ertragsteuer auswirken würde.<br />

Allerdings kann die Situation eintreten, dass etwa aufgrund<br />

einer schlechten Ertragssituation beim Erwerber die<br />

nachfolgenden Aufzinsungsaufwendungen möglicherweise<br />

nicht effektiv steuermindernd berücksichtigt werden<br />

könnten.<br />

Im Bereich der Körperschaftsteuer könnte diese Auswirkung<br />

durch die Möglichkeit eines Verlustrücktrags abgemildert<br />

werden (§10d EStG i.V.m. §8 KStG). Bei einem<br />

Abzinsungsertrag, dem in darauf folgenden Veranlagungszeitraum<br />

ein Aufzinsungsaufwand in gleicher Höhe gegenübersteht,<br />

entstünde im Fall eines Verlustrücktrags<br />

beim Erwerber grundsätzlich kein steuerlicher Nachteil.<br />

<strong>Die</strong>s gilt jedoch bereits dann nicht mehr, wenn sich die<br />

Aufzinsung über mehrere Veranlagungszeiträume erstrecken<br />

würde. Außerdem ist zu beachten, dass die Gewerbesteuer<br />

gerade keinen gesonderten Verlustrücktrag kennt.<br />

<strong>Die</strong> Ab- und Aufzinsung von Verbindlichkeiten würde<br />

beim Erwerber auch zu Zinserträgen bzw. Zinsaufwendungen<br />

im Sinne der Zinsschranke führen (§4 h Abs. 3 S.4<br />

EStG). Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist allerdings<br />

der Ertrag aus der erstmaligen Abzinsung kein Zins-<br />

<strong>GmbH</strong>-Beratung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

ertrag im Sinne der Zinsschranke 36. <strong>Die</strong>s hätte zur Folge,<br />

dass Aufzinsungsaufwendungen des Erwerbers möglicherweise<br />

den Beschränkungen der Zinsschranke unterliegen,<br />

die Abzinsungserträge hingegen nicht im Rahmen der<br />

Zinsschranke durch den Erwerber berücksichtigt werden<br />

könnten.<br />

IV. Handlungsempfehlungen für den steuerlichen<br />

Berater des Erwerbers<br />

<strong>Die</strong> steuerlichen Auswirkungen sowohl beim Erwerber als<br />

auch beim Verkäufer sind wichtige Parameter für die Verhandlungen<br />

von Unternehmenskäufen und der Ausgestaltung<br />

des Kaufpreismechanismus. Der Verkäufer möchte<br />

regelmäßig eine (vereinbarte oder verdeckte) Verzinsung<br />

verhindern, weil der Zinsanteil nicht von der Steuerbefreiung<br />

nach §8b Abs.2 u. 3 KStG bzw. §3 Nr.40 EStG privilegiert<br />

ist. Ein vereinbarter oder verdeckter Zinsanteil<br />

würde beim Verkäufer vielmehr zu einem Ertrag führen,<br />

der vollständig steuerpflichtig wäre. Andererseits wäre<br />

eine (vereinbarte oder verdeckte) Verzinsung regelmäßig<br />

im Interesse des Erwerbers. Der Zinsanteil könnte beim<br />

Erwerber als Zinsaufwand – unter Vorbehalt der Einschränkungen<br />

im Rahmen der Zinsschranke – abzugsfähig<br />

sein. Zudem könnte der Erwerber durch die (offene oder<br />

verdeckte) Verzinsung das unübersichtliche Minenfeld der<br />

steuerlichen Abzinsung nach §6 Abs.1 S.1 Nr.3 EStG<br />

vermeiden. <strong>Die</strong> Nachteile des Erwerbers liegen unter anderem<br />

in der ungewissen Situation, wie das Abzinsungsgebot<br />

steuerbilanziell zu erfassen ist. <strong>Die</strong> Besteuerung eines<br />

möglichen fiktiven Abzinsungsgewinns würde die Ertragsteuerlast<br />

des Erwerbers erhöhen und möglicherweise<br />

bei schlechter Ertragslage nicht in den Folgejahren durch<br />

die Aufzinsungsaufwendungen steuerlich ausgeglichen<br />

werden kann – vor allem wegen des fehlenden Verlustrücktrags<br />

bei der Gewerbesteuer. Zudem ist zu beachten,<br />

dass die Aufzinsungsaufwendungen des Erwerbers aufgrund<br />

der Zinsschranke möglicherweise nur beschränkt<br />

abzugsfähig sein können, ohne dass der Abzinsungsertrag<br />

zuvor bei der Zinsschranke als Zinsertrag berücksichtigt<br />

worden ist.<br />

U.E. besteht derzeit ein Risiko, ob die bisherige BFH-<br />

Rechtsprechung zum verdeckten Zinsanteil bei Ratenzahlungen<br />

auch im Geltungsbereich des §6 Abs.1 S.1 Nr.3<br />

EStG unverändert fortbestehen wird. Es ist daher grundsätzlich<br />

zu empfehlen, dass der steuerliche Berater des Erwerbers<br />

auf eine ausdrückliche Verzinsung (ggf. zu einem<br />

niedrigen Zinssatz unter dem allgemeinen Marktzinssatz)<br />

eines auf Raten abgeschlossenen Kaufpreises hinwirkt, damit<br />

Risiken einer möglichen steuerlichen Abzinsung beim<br />

Erwerber von vornherein ausgeschlossen werden.<br />

34 BFH v. 6.10.2009 – I R 4/08, BStBl. II 2010, 177 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2010, 102; v. 27.1.2010 – I R 35/09, BStBl. II 2010, 478 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 2010, 438; BT-Drucks. 14/23, S.171.<br />

35 BMF v. 26.5.2005 – IV B 2 - S 2175 - 7/05, BStBl. I 2005,<br />

699, Rz. 41; vgl. BFH v. 25.8.2010 – I R 102/09, <strong>GmbH</strong>R<br />

2010, 1270, Rz. 11, 12.<br />

36 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 – DOK 2008/<br />

0336202, <strong>GmbH</strong>R 2008, 887, Rz. 27.


<strong>GmbH</strong>R 1/2011 25<br />

Rechtsprechung<br />

Gesellschaftsrecht<br />

Haftung des Geschäftsführers: Darlegungs- und<br />

Beweislast hinsichtlich Überschuldung bei<br />

Inanspruchnahme wegen Insolvenzverschleppung<br />

InsO §19 a.F.; <strong>GmbH</strong>G §64 Abs.2 a.F.<br />

1. Macht der Insolvenzverwalter gegen den Geschäftsführer<br />

einer <strong>GmbH</strong> einen Ersatzanspruch nach §64 Abs.2<br />

<strong>GmbH</strong>G a.F. (= §64 S.1 <strong>GmbH</strong>G n.F.) geltend und beruft er<br />

sich dabei auf eine Überschuldung der Gesellschaft i.S.d.<br />

§19 InsO in der bis zum 17.10.2008 geltenden Fassung, hat<br />

er lediglich die rechnerische Überschuldung anhand von Liquidationswerten<br />

darzulegen. <strong>Die</strong> Darlegungs- und Beweislast<br />

für eine positive Fortführungsprognose – mit der Folge<br />

einer Bewertung des Vermögens zu Fortführungswerten –<br />

obliegt dem Geschäftsführer (Bestätigung von BGH v.<br />

9.10.2006 – II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 = <strong>GmbH</strong>R 2006,<br />

1334, Rz.3; v. 27.4.2009 – II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 2009, 817 m. Komm. Blöse, Rz.11).<br />

2. <strong>Die</strong> Aktivierung eines Anspruchs auf Rückzahlung einer<br />

Mietkaution in der Überschuldungsbilanz setzt voraus, dass<br />

der Anspruch einen realisierbaren Vermögenswert darstellt.<br />

BGH, Urt. v. 18.10.2010 – II ZR 151/09 Fleischgroßhandel<br />

n Aus dem Tatbestand:<br />

[1] Der Kläger (Kl.) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen<br />

der D-Fleischgroßhandel <strong>GmbH</strong> (nachfolgend:<br />

Schuldnerin). Der Beklagte (Bekl.) ist Alleingesellschafter<br />

und Alleingeschäftsführer der Schuldnerin. Das Insolvenzverfahren<br />

wurde am 24.10.2007 auf Eigenantrag vom<br />

28.9.2007 eröffnet.<br />

[2] Der Kl. begehrt von dem Bekl. gemäß §64 Abs.2<br />

<strong>GmbH</strong>G a.F. Ersatz für Zahlungen in einer Gesamthöhe<br />

von 118.280,01 . zzgl. Zinsen, die der Bekl. im Zeitraum<br />

vom 1.7.2007 bis zum 13.9.2007 vom Geschäftskonto<br />

(29.258,72 .) und aus Kassenbeständen (89.021,29 .) der<br />

Schuldnerin geleistet hat.<br />

[3] <strong>Die</strong> Parteien streiten um die Frage, ob die Schuldnerin<br />

ab dem 1.7.2007 überschuldet war. Während Einigkeit darüber<br />

besteht, dass die Verbindlichkeiten der Schuldnerin per<br />

1.7.2007 jedenfalls 60.967,13 . betrugen, ist umstritten, ob<br />

Verbindlichkeiten aus einem langfristigen Mietvertrag der<br />

Schuldnerin ebenfalls – zumindest teilweise – zu passivieren<br />

sind. Kein Einvernehmen herrscht weiter über die Aktiva<br />

der Schuldnerin zum Stichtag 1.7.2007, und zwar zum<br />

einen über den Umfang der Forderungen aus Lieferung/<br />

Leistung sowie zum anderen darüber, ob ein Betriebskostenguthaben<br />

i.H.v. 2.436 . sowie eine Mietkaution i.H.v.<br />

9.400 . im Überschuldungsstatus zu aktivieren sind.<br />

[4] Das LG hat den Bekl. unter Vorbehalt seiner Rechte im<br />

Insolvenzverfahren antragsgemäß verurteilt [LG Hamburg<br />

v. 26.1.2009 – 419 O 35/08]. Das OLG hat die Klage abgewiesen<br />

[OLG Hamburg v. 29.5.2009 – 11 U 40/09]. ...<br />

n Aus den Entscheidungsgründen:<br />

[5] <strong>Die</strong> Revision des Kl. hat Erfolg und führt zur Aufhebung<br />

des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung<br />

der Sache an das OLG.<br />

I. ... II. Haftung wegen Insolvenzverschleppung?<br />

[8] ... [9] Das OLG ist sowohl bei der Verneinung einer<br />

Überschuldung i.S.d. §19 InsO in der bis zum 17.10.2008<br />

geltenden Fassung (nachfolgend: InsO a.F.; zur Anwendbarkeit<br />

auf Altfälle vgl. BGH v. 16.3.2009 – II ZR 280/07,<br />

ZIP 2009, 860 Rz.10) als auch bei den Feststellungen<br />

zum Verschulden des Bekl. von einer unzutreffenden Verteilung<br />

der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen.<br />

1. Vorliegen einer Überschuldung?<br />

[10] Das OLG hat zu Unrecht angenommen, der Kl. habe<br />

die Überschuldung zum 1.7.2007 nicht dargetan.<br />

[11] a) Gemäß §19 Abs.2 InsO a.F. liegt eine Überschuldung<br />

vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden<br />

Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung<br />

des Vermögens des Schuldners ist jedoch die<br />

Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn<br />

diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich<br />

ist. Aus dem Aufbau des §19 Abs.2 InsO a.F. folgt ohne<br />

weiteres, dass die Überschuldungsprüfung nach Liquidationswerten<br />

in S.1 den Regelfall und die nach Fortführungswerten<br />

in S.2, der eine positive Fortführungsprognose<br />

voraussetzt, den Ausnahmefall darstellt. Im Haftungsprozess<br />

wegen verbotener Zahlungen nach §64 Abs.2<br />

<strong>GmbH</strong>G a.F. hat die Geschäftsleitung daher die Umstände<br />

darzulegen und notfalls zu beweisen, aus denen sich eine<br />

günstige Prognose für den fraglichen Zeitraum ergibt<br />

(BGH v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 2006, 1334, Rz.3; zur Insolvenzverschleppungshaftung<br />

nach §823 Abs.2 BGB i.V.m. §64 Abs.1<br />

<strong>GmbH</strong>G a.F. vgl. BGH v. 27.4.2009 – II ZR 253/07, ZIP<br />

2009, 1220 = <strong>GmbH</strong>R 2009, 817 m. Komm. Blöse,<br />

Rz.11).<br />

[12] b) Das OLG hat rechtsfehlerhaft die Darlegungsund<br />

Beweislast insoweit dem Kl. auferlegt. Zwar ist es im<br />

Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass es<br />

von der Fortführungsprognose abhängen kann, ob Verbindlichkeiten<br />

aus schwebenden – d.h. zum Stichtag der<br />

Überschuldungsbilanz noch von keiner Vertragspartei<br />

vollständig erfüllten – Verträgen, zu denen insbesondere<br />

auch Mietverträge gehören können (Uhlenbruck in Uhlenbruck,<br />

InsO, 13.Aufl., §19 Rz.98; K.Schmidt/Bitter in<br />

Scholz, <strong>GmbH</strong>G, 10.Aufl., Vor §64 Rz.43), im Überschuldungsstatus<br />

zu passivieren sind (vgl. K.Schmidt/Bitter<br />

in Scholz, <strong>GmbH</strong>G, 10.Aufl., Vor §64 Rz.43; Uhlenbruck<br />

in Uhlenbruck, InsO, 13.Aufl., §19 Rz.125, Temme,<br />

<strong>Die</strong> Eröffnungsgründe der Insolvenzordnung, 1997,<br />

S.173f., m.w.N.; Ulmer in Hachenburg, <strong>GmbH</strong>G, 8.Aufl.,<br />

§63 Rz.45). Das OLG ist jedoch der Frage, ob die noch<br />

nicht fälligen Verbindlichkeiten aus dem laufenden Mietvertrag<br />

der Schuldnerin in einer Höhe von insgesamt<br />

196.800 . zumindest teilweise zu passivieren seien, mit<br />

der unzutreffenden Begründung nicht weiter nachgegangen,<br />

der Kl. habe nicht dargelegt, dass zum 1.7.2007 keine<br />

günstige Fortführungsprognose mehr bestanden habe.<br />

[13] c) Der darlegungs- und beweisbelastete Bekl. hat<br />

bislang nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass<br />

per 1.7.2007 eine positive Fortführungsprognose bestand,<br />

so dass die Entscheidung des OLG sich insoweit auch<br />

nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§561<br />

ZPO). Dem Vorbringen des Bekl. ist nicht zu entnehmen,<br />

dass er subjektiv den Willen zur Fortführung des Unternehmens<br />

der Schuldnerin hatte und objektiv einen Ertrags-<br />

und Finanzplan mit einem schlüssigen und realisier-


26<br />

baren Unternehmenskonzept für einen angemessenen<br />

Prognosezeitraum aufgestellt hatte (BGH v. 9.10.2006 – II<br />

ZR 303/05, ZIP 2006 = <strong>GmbH</strong>R 2006, 1334, 2171, Rz.3;<br />

Haas in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §64<br />

Rz.44ff., m.w.N.). Es sind auch im Übrigen keine Umstände<br />

vorgetragen oder sonst ersichtlich, die in Bezug auf<br />

den Stichtag eine positive Fortführungsprognose rechtfertigen<br />

könnten. Vielmehr hat der Kl. vorgetragen, dass die<br />

Schuldnerin im gesamten Zeitraum seit jedenfalls dem<br />

1.7.2007 „von der Hand in den Mund“ gelebt, d.h. die nur<br />

geringen Umsatzerlöse sofort dazu verwendet habe, neue<br />

Waren zu kaufen und einen Teil ihrer drängendsten Verbindlichkeiten<br />

zu bezahlen. Es habe weder einen Liquiditätsplan<br />

noch eine Gewinn- und Verlustrechnung noch ein<br />

Sanierungskonzept gegeben, auch keine Sanierungsbemühungen<br />

oder Sanierungsaussichten. Dem ist der Bekl.<br />

nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat vielmehr konkludent<br />

zugestanden, keinen Sanierungsplan gehabt zu haben,<br />

indem er geltend gemacht hat, solche Pläne würden<br />

von Wirtschaftsprüfern oder Wirtschaftsberatern erstellt,<br />

kosteten mindestens zwischen zehn- und zwanzigtausend<br />

Euro und seien nicht auf Knopfdruck innerhalb von drei<br />

Wochen zu haben gewesen. Der Bekl. hat im Übrigen<br />

ohne Angabe von Einzelheiten nur pauschal behauptet, ab<br />

Mitte August, als ihm die Erkenntnis gekommen sei, „dass<br />

es nicht mehr weitergehe“, Verhandlungen mit Gläubigern<br />

geführt zu haben, um eine Zahlungsvereinbarung zustande<br />

zu bringen. Außerdem habe er eine Darlehenszusage aus<br />

dem Kreise der Familie über 30.000 . unter der Voraussetzung<br />

erhalten, dass auch die Gläubiger in einen teilweisen<br />

Forderungsverzicht einwilligen würden. In der Berufungsverhandlung<br />

hat er dagegen geltend gemacht, es sei bereits<br />

im Mai oder Juni klar gewesen, dass es nicht zu einem<br />

Vergleich mit einem Großgläubiger kommen würde.<br />

Aus dem Schreiben der G-<strong>GmbH</strong> & Co. KG ergibt sich<br />

lediglich, dass dieser Gläubiger (erst) am 1.10.2007 einem<br />

Vergleichsvorschlag zugestimmt hat. Im Übrigen hat der<br />

Bekl. lediglich „bestritten“, dass „keine Sanierungsbemühungen<br />

stattgefunden hätten“.<br />

2. Verschulden des Beklagten?<br />

[14] Das OLG hat weiter zu Unrecht offengelassen, ob<br />

die nach seinen Feststellungen per 1.7.2007 bestehende<br />

rechnerische Unterdeckung i.H.v. 1.169,98 . bei zutreffender<br />

Bewertung des Mietkautionsguthabens beseitigt wird.<br />

<strong>Die</strong> Begründung, es könne dem Bekl. jedenfalls nicht vorgeworfen<br />

werden, wenn er die von ihm geleistete Mietsicherheit<br />

i.H.v. 9.400 . jedenfalls mit einem geringen Teil<br />

als Vermögen der Schuldnerin angesetzt habe, weil er am<br />

1.7.2007 nicht damit habe rechnen müssen, dass „die Insolvenz<br />

in Zukunft wegen einer unbefriedigenden Geschäftslage<br />

unabänderlich eintreten und das Kautionsguthaben<br />

dann durch Verrechnung mit offenen Mieten vollständig<br />

aufgezehrt werden würde“, verkennt wiederum die<br />

Darlegungs- und Beweislast. So genügt für den subjektiven<br />

Tatbestand des §64 Abs.1 u. 2 <strong>GmbH</strong>G a.F. die Erkennbarkeit<br />

der Insolvenzreife für den Geschäftsführer,<br />

wobei ein Verschulden vermutet wird (BGH v. 20.11.1999<br />

– II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 [185] = <strong>GmbH</strong>R 2000,<br />

182 m. Komm. Frings, m.w.N.; v. 14.5.2007 – II ZR 48/<br />

06, ZIP 2007, 1265 = <strong>GmbH</strong>R 2007, 757 m. Komm.<br />

Chr.Schröder, Rz.15). Entsprechende Feststellungen, die<br />

eine Widerlegung der Verschuldensvermutung rechtfertigen<br />

könnten, hat das OLG nicht getroffen. Es hat vielmehr<br />

seiner Entscheidung den unzutreffenden Rechtssatz zu-<br />

Rechtsprechung<br />

Gesellschaftsrecht<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

grunde gelegt, der klagende Insolvenzverwalter müsse<br />

darlegen und beweisen, dass der Bekl. mit dem unabänderlichen<br />

Eintritt der Insolvenz wegen einer unbefriedigenden<br />

Geschäftslage, mithin mit einer negativen Fortführungsprognose<br />

habe rechnen müssen.<br />

III. Keine Entscheidungsreife und weitere Hinweise<br />

[15] Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene<br />

Urteil aufzuheben und die Sache an das OLG zurückzuverweisen<br />

(§562 Abs.1, §563 Abs.1 ZPO).<br />

[16] In dem neu eröffneten Berufungsverfahren werden<br />

– nach ergänzendem Vortrag der Parteien – die noch fehlenden<br />

Feststellungen zur Fortführungsprognose und den<br />

dementsprechend im Überschuldungsstatus zu aktivierenden<br />

und zu passivierenden Positionen, zum Verschulden<br />

des Bekl. sowie – soweit erheblich – zur noch zwischen<br />

den Parteien als Zahlung umstrittenen Position i.H.v.<br />

694,45 . zu treffen sein.<br />

[17] Für das weitere Berufungsverfahren weist der Senat<br />

auf Folgendes hin:<br />

[18] 1. Im Hinblick auf das Mietkautionsguthaben ist zu<br />

beachten, dass die Aktivierung einer Forderung in der<br />

Überschuldungsbilanz voraussetzt, dass diese durchsetzbar<br />

ist, sie muss einen realisierbaren Vermögenswert darstellen<br />

(Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13.Aufl., §19<br />

Rz.77, 80). Daran fehlt es jedenfalls – wie das OLG im<br />

Ausgangspunkt richtig erkannt hat –, wenn eine positive<br />

Fortführungsprognose nicht besteht. Das hat der Bekl.,<br />

wie oben ausgeführt, nicht dargelegt.<br />

[19] 2. Wenn im weiteren Berufungsverfahren von einer<br />

negativen Fortführungsprognose auszugehen ist, stellt sich<br />

die Frage, in welcher Höhe die zukünftig fällig werdenden<br />

Mietforderungen zu passivieren sind. In diesem Zusammenhang<br />

wird das OLG zu prüfen haben, ob die bis zum<br />

Ende der festen Laufzeit des Mietvertrags (30.6.2011) anfallende<br />

Miete anzusetzen ist oder aber – wie es der Kl.<br />

selbst vertritt – nur eine Rückstellung mit einem Teilwert<br />

angemessen ist. Für die Erforderlichkeit eines Abschlags<br />

könnte sprechen, dass wegen einer ggf. fehlenden Fortführungsmöglichkeit<br />

letztlich nur eine Kündigung durch den<br />

Insolvenzverwalter gemäß §109 Abs.1 S.1 InsO realistisch<br />

war, mithin Rückstellungen für einen Schadensersatzanspruch<br />

des Vermieters zu bilden waren. Insoweit<br />

wäre zu prüfen, ob damit gerechnet werden konnte, dass<br />

der Vermieter einen Nachmieter gefunden hätte (vgl. auch<br />

Wegener in Uhlenbruck, InsO, 13.Aufl., §109 Rz.11).<br />

[20] 3. Soweit die Revision als Verstoß gegen §138<br />

Abs.1 ZPO rügt, dass das OLG die vom Bekl. handschriftlich<br />

erstellte Forderungsaufstellung als genügende Darlegung<br />

des Forderungsbestands der Schuldnerin angesehen<br />

hat, sind Rechtsfehler des OLG nicht ersichtlich. Es hat<br />

zutreffend ausgeführt, dass die Aufstellung jedenfalls hinreichend<br />

substantiiert ist, um den grundsätzlich für den<br />

Nachweis einer Überschuldung darlegungs- und beweisbelasteten<br />

Kl. in die Lage zu versetzen, seinerseits die bei<br />

ihm befindlichen Geschäftsunterlagen durchzusehen und<br />

zu den Angaben des Bekl. im Einzelnen Stellung zu nehmen.<br />

Der Bekl. hat unwidersprochen vorgetragen, dass die<br />

Aufstellung nach einer Einsichtnahme in die beim Kl. befindlichen<br />

Bank- und Kassenunterlagen gefertigt wurde.<br />

<strong>Die</strong>s hat auch das OLG festgestellt. Es obliegt deshalb<br />

dem Kl., diese Geschäftsunterlagen zu sichten und substantiiert<br />

vorzutragen, welche von dem Bekl. aufgelisteten


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 27<br />

Forderungen keine Grundlage in den Geschäftsunterlagen<br />

haben.<br />

[21] 4. Zu Recht hat das OLG erkannt, dass eine teleologische<br />

Korrektur des Zahlungsbegriffs des §64 Abs.2<br />

<strong>GmbH</strong>G a.F. dahingehend, dass es auf einen Vergleich des<br />

Vermögens der Schuldnerin bei Eintritt der Insolvenzverschleppung<br />

und deren Ende ankommt, nicht der Rspr. des<br />

Senats entspricht. Allenfalls dann, wenn mit den vom Geschäftsführer<br />

bewirkten Zahlungen ein Gegenwert in das<br />

Gesellschaftsvermögen gelangt und dort verblieben ist,<br />

kann erwogen werden, eine Massekürzung und damit einen<br />

Erstattungsanspruch gegen das Organmitglied zu verneinen,<br />

weil dann der Sache nach lediglich ein Aktiventausch<br />

vorliegt (BGH v. 31.3.2003 – II ZR 150/02, ZIP<br />

2003, 1005 [1006] = <strong>GmbH</strong>R 2003, 664, m.w.N.). Dass<br />

diese Voraussetzungen, insbesondere der Verbleib eines<br />

Gegenwerts im Vermögen der Schuldnerin hier gegeben<br />

sind, ist nicht festgestellt.<br />

Der <strong>GmbH</strong>R-Kommentar<br />

Zentrales Thema der vorstehend abgedruckten Entscheidung<br />

des BGH v. 18.10.2010 – II ZR 151/09 ist die Frage<br />

der Darlegungs- und Beweislast bei Ansprüchen gegen<br />

einen Geschäftsführer aus §64 Abs. 2 <strong>GmbH</strong>G a.F. und<br />

konkret die weitere Frage, wer im Rahmen der Feststellung<br />

einer Überschuldung einerseits die rechnerische<br />

Überschuldung und andererseits das Vorliegen einer positiven<br />

Fortbestehensprognose darlegen und beweisen<br />

muss.<br />

I. Kernaussage der Entscheidung<br />

Der der Entscheidung zugrundeliegende Überschuldungsbegriff<br />

entstammt §19 Abs. 2 InsO a.F., der nach<br />

derzeitiger Gesetzeslage auch wieder ab dem 1.1.2014<br />

maßgebend sein wird. Auf Grundlage dieses Überschuldungsverständnisses<br />

folgt aus dem Ergebnis der Fortbestehensprognose<br />

die Bewertungsprämisse für den Ansatz<br />

der Vermögenswerte im Überschuldungsstatus; die Fortbestehensprognose<br />

stellt hingegen – anders als im derzeit<br />

gültigen Überschuldungsverständnis – kein eigenständiges<br />

Tatbestandsmerkmal einer insolvenzrechtlichen<br />

Überschuldung dar.<br />

Dafür, dass im Überschuldungsstatus Fortführungswerte<br />

angesetzt werden dürfen, trifft nach Ansicht des BGH<br />

den Geschäftsführer die Darlegungs- und Beweislast.<br />

<strong>Die</strong>s entnimmt das Gericht der grammatikalischen Auslegung<br />

des § 19 Abs. 2 InsO a.F., da nach dessen Fassung<br />

der Ansatz von Zerschlagungswerten der Regelfall und<br />

der Ansatz von Fortführungswerten nach §19 Abs. 2 S. 2<br />

InsO a.F. der Ausnahmefall sei.<br />

Es fragt sich, welche Konsequenz sich daraus in Zusammenschau<br />

mit der Rechtsprechung des BGH zur Darlegungs-<br />

und Beweislast im Zusammenhang mit der rechnerischen<br />

Überschuldung ergibt. In der Entscheidung des<br />

BGH v. 27.4.2009 – II ZR 253/07, <strong>GmbH</strong>R 2009, 817 m.<br />

Komm. Blöse wurde ausgeführt, dass ein Gläubiger, der<br />

einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1<br />

<strong>GmbH</strong>G a.F. – jetzt: § 15a Abs. 1 InsO – geltend macht,<br />

seiner Darlegungs- und Beweislast genügt, wenn er eine<br />

Handelsbilanz vorlegt, die einen nicht durch Eigenkapital<br />

gedeckten Fehlbetrag ausweist und vorträgt, dass in<br />

den Vermögensgegenständen der Gesellschaft keine stillen<br />

Reserven vorhanden sind und dass keine Vermögenswerte<br />

existieren, die nicht bilanziert sind. Sache des be-<br />

Gesellschaftsrecht<br />

klagten Geschäftsführers sei es dann, vorzutragen und zu<br />

beweisen, dass doch stille Reserven vorhanden sind und<br />

nicht bilanzierte Vermögensgegenstände existieren.<br />

Bei der Aufstellung der Handelsbilanz bedarf es ebenso<br />

wie für den Überschuldungsstatus einer Bewertungsprämisse.<br />

Nach §252 Abs. 1 Nr.2 HGB ist dabei von der<br />

Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern<br />

dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten<br />

entgegenstehen. Das Regel-/Ausnahmeverhältnis dieser<br />

Vorschrift ist also das im Vergleich zu §19 Abs. 2<br />

InsO a.F. umgekehrte (s. i.Ü. zur Fortführungsprognose<br />

für handelsbilanzielle Zwecke den Prüfungsstandard des<br />

Instituts der Wirtschaftsprüfer PS 270).<br />

Ergibt sich aus einer unter Fortführungsgesichtspunkten<br />

aufgestellten Handelsbilanz ein nicht durch Eigenkapital<br />

gedeckter Fehlbetrag, so bedeutet dies, dass es nach dem<br />

früheren und auch künftigen Überschuldungsbegriff auf<br />

die Fortbestehensprognose im insolvenzrechtlichen Sinn<br />

nur dann ankommen kann, wenn unter Fortführungsprognose<br />

i.S.d. §252 HGB und Fortbestehensprognose i.S.d.<br />

§19 Abs.2 InsO ein Unterschied zu machen ist. Verbreitet<br />

werden diese Begriffe in der Rechtsprechung jedoch synonym<br />

verwandt (s. z.B. OLG Schleswig-Holstein v.<br />

11.2.2010 – 5 U 60/09, <strong>GmbH</strong>R 2010, 864 m. Komm. Blöse;<br />

OLG Hamm v. 2.12.2009 – 11 U 151/08, ZInsO 2010,<br />

527; OLG Frankfurt a.M. v. 20.3.2009 – 10 U 148/08, zitiert<br />

nach juris). In der Literatur wird teilweise eine scharfe<br />

Unterscheidung zwischen insolvenzrechtlicher Fortbestehensprognose<br />

und handelsrechtlicher Fortführungsprognose<br />

vorgenommen (so Groß/Amen, DB 2005, 1861 [1864]),<br />

teilweise aber auch wie in der Rechtsprechung ein synonymes<br />

Begriffsverständnis vertreten (so Dahl/Schmitz, NZG<br />

2009, 567 [568]). Legt man insbesondere im Anschluss an<br />

die Rechtsprechung ein synonymes Verständnis zugrunde,<br />

so reduziert sich bei einer unter Fortführungsgesichtspunkten<br />

aufgestellten Handelsbilanz, die einen nicht durch Eigenkapital<br />

gedeckten Fehlbetrag ausweist, die Verteidigungsmöglichkeit<br />

des Geschäftsführers in den hier besprochenen<br />

Fällen darauf, darzutun, dass wegen der im Rahmen<br />

des Überschuldungsstatus nicht anzuwenden handelsrechtlichen<br />

Ansatz- und Bewertungsvorschriften bei der<br />

insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung eine Überdeckung<br />

der Schulden durch das Vermögen auszuweisen<br />

ist. Mit anderen Worten: Es ist das Vorhandensein stiller<br />

Reserven bzw. die Existenz nicht bilanzierter Vermögenswerte<br />

darzutun und zu beweisen. Dabei hat der zweitgenannte<br />

Gesichtspunkt für die Zukunft an Bedeutung verloren,<br />

da durch das BilMoG das Aktivierungsverbot für<br />

selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände<br />

des Anlagevermögens in §248 HGB gestrichen wurde und<br />

nun gemäß §248 Abs.2 S.1 HGB ein Ansatzwahlrecht besteht.<br />

II. Derzeitige Relevanz<br />

Es fragt sich weiter, welche Bedeutung die Entscheidung<br />

auf Grundlage des aktuellen Überschuldungsbegriffs hat.<br />

Das Regel-/Ausnahmeverhältnis zwischen der Annahme<br />

einer negativen und einer positiven Fortbestehensprognose<br />

entspricht hier dem aus § 19 Abs. 2 InsO a.F. Eine insolvenzrechtliche<br />

Überschuldung ergibt sich aus der<br />

rechnerischen Überschuldung, „es sei denn“ es ist eine<br />

positive Fortbestehensprognose zu stellen.<br />

Auf Grundlage dieses Regel-/Ausnahmeverhältnisses gilt<br />

für die Darlegungs- und Beweislast des Geschäftsführers


28<br />

im Zusammenhang mit gegen ihn geltend gemachten Ansprüchen<br />

aus § 64 S.1 <strong>GmbH</strong>G n.F. nichts anderes, als<br />

auch schon im Zusammenhang mit § 64 Abs. 2 <strong>GmbH</strong>G<br />

a.F. und §19 Abs. 2 InsO in seiner alten und zukünftigen<br />

Fassung.<br />

III. Fazit<br />

Der Entscheidung des BGH ist im Hinblick auf den klaren<br />

Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 2 InsO sowohl in seiner<br />

früheren und zukünftigen als auch in seiner aktuellen<br />

Fassung zuzustimmen. In Zusammenschau mit der<br />

Rechtsprechung des BGH zur Darlegungs- und Beweislast<br />

im Rahmen der rechnerischen Überschuldung sind<br />

die Verteidigungsmöglichkeiten eines Geschäftsführers<br />

gegen die Inanspruchnahme aus § 64 Abs. 2 <strong>GmbH</strong>G a.F.<br />

und § 64 S. 1 <strong>GmbH</strong>G n.F. stark eingeschränkt.<br />

Dr. Jochen Blöse, MBA, Rechtsanwalt, Fachanwalt für<br />

Handels- und Gesellschaftsrecht und Mediator (CfM),<br />

Köln (Kanzlei Jacobs & Dr. Blöse)<br />

Haftung des Geschäftsführers: Restriktive Anwendung<br />

des Instituts des faktischen Geschäftsführers<br />

bei bloßen Konsolidierungs-/Rettungsmaßnahmen<br />

in der Krise<br />

<strong>GmbH</strong>G §43, §64 Abs.2<br />

Das Institut der faktischen Geschäftsführung und die sich<br />

hieraus ergebenden Haftungsfolgen sind restriktiv bei Fallkonstellationen<br />

anzuwenden, in denen wenig eigenes, nach<br />

außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung<br />

zuzurechnendes Handeln des Betroffenen vorliegt, welches<br />

aber zum Zwecke der Konsolidierung/Rettung eines finanziell<br />

angeschlagenen Unternehmens vorgenommen wird.<br />

OLG München, Urt. v. 8.9.2010 – 7 U 2568/10<br />

(ZIP 2010, 2295)<br />

Anmeldung: Elektronische Übermittlung eines<br />

Gesellschafterbeschlusses über eine Geschäftsführerbestellung<br />

in Urschrift<br />

<strong>GmbH</strong>G §39 Abs.2; HGB §12 Abs.2 S.2 Halbs.1<br />

Für die Übermittlung der nach §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G in Urschrift<br />

oder öffentlich beglaubigter Abschrift einzureichenden<br />

Urkunden ist in §12 Abs.2 S.2 Halbs.1 HGB geregelt,<br />

dass bei Einreichung einer Urschrift die Übermittlung einer<br />

elektronischen Aufzeichnung genügt. Verlangt wird eine<br />

„elektronische Fotokopie“ des Dokuments. Papierdokumente<br />

werden zu diesem Zweck eingescannt und als einfaches<br />

gescanntes Dokument eingereicht.<br />

OLG Thüringen, Beschl. v. 9.9.2010 – 6 W 144/10<br />

n Aus den Gründen:<br />

I.<br />

Unter dem 15.3.2010 meldete die Antragstellerin (Ast.)<br />

zur Eintragung in das Handelsregister an, dass AB zum<br />

weiteren Geschäftsführer bestellt sei; die Anmeldung wurde<br />

elektronisch in öffentlich beglaubigter Form eingereicht<br />

(...). Der Anmeldung beigefügt war die – einfach<br />

gescannte – „25. Niederschrift über eine außerordentliche<br />

Rechtsprechung<br />

Gesellschaftsrecht<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

Gesellschafterversammlung der B-<strong>GmbH</strong>“, in der zu<br />

Punkt2) „einstimmig beschlossen“ wurde: „Herr Dipl.-<br />

Ing. AB, (...), wird mit sofortiger Wirkung (bis 31.1.2013)<br />

zum nebenamtlichen kommissarischen Geschäftsführer der<br />

Gesellschaft bestellt.“<br />

<strong>Die</strong> vom verfahrensbevollmächtigten Notar am 15.3.2010<br />

eingereichte Anmeldung hat das RegG mit Zwischenverfügung<br />

v. 22.3.2010 beanstandet (...). Es hat u.a. die Auffassung<br />

vertreten, der Beschluss bzw. das Protokoll sei<br />

nicht als einfache elektronische Aufzeichnung (Scan), sondern<br />

als elektronische beglaubigte Abschrift einzureichen<br />

(§39a BeurkG).<br />

Unter anderem dagegen richtet sich die Beschwerde der<br />

Ast. v. 24.3.2010 (...). Zur Begründung trägt sie (insoweit)<br />

vor, der eingereichte privatschriftliche Gesellschafterbeschluss<br />

sei nur in einfacher Abschrift vorzulegen, denn es<br />

liege ein Fall des §12 Abs.2 S.1 Halbs.1 HGB vor.<br />

Das RegG hat der Beschwerde teilweise abgeholfen, jedoch<br />

nicht hinsichtlich der Einreichungsform eines Gesellschafterbeschlusses<br />

über eine Geschäftsführerbestellung.<br />

Insoweit hat das RegG die Beschwerde dem Senat zur<br />

Entscheidung vorgelegt (...).<br />

Das RegG ist der Auffassung, in Zeiten des elektronischen<br />

Rechtsverkehrs sei die Vorlage einer Urschrift des Gesellschafterbeschlusses<br />

(vgl. §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G) i.d.R. nicht<br />

möglich, da dieser nicht als elektronisches Dokument vorliege.<br />

Der Beschluss müsse erst in ein elektronisches Dokument<br />

transferiert werden. Mangels Vorlagemöglichkeit<br />

einer Urschrift sei eine öffentlich beglaubigte Abschrift<br />

des Gesellschafterbeschlusses einzureichen. Gemäß §12<br />

Abs.2 S.2 Halbs.2 HGB müsse die öffentlich beglaubigte<br />

Abschrift mit einem einfachen elektronischen Zeugnis<br />

nach §39a BeurkG sowie einer elektronischen qualifizierten<br />

Signatur versehen sein.<br />

II.<br />

<strong>Die</strong> Beschwerde ist ... begründet. Sie führt zur Anweisung<br />

an das AmtsG, über den Antrag der Ast. über die Eintragung<br />

des Geschäftsführers B in das Handelsregister v.<br />

15.3.2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats<br />

neu zu entscheiden.<br />

Das RegG hat mit seiner Zwischenverfügung v. 22.3.2010<br />

die begehrte Eintragung zu Unrecht davon abhängig gemacht,<br />

dass der Gesellschafterbeschluss über die Geschäftsführerbestellung<br />

in öffentlich beglaubigter Form<br />

vorzuliegen habe und mit einem einfachen elektronischen<br />

Zeugnis (§39a BeurkG) zu übermitteln sei.<br />

Nach §39 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G ist jede Änderung in den Personen<br />

der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis<br />

eines Geschäftsführers zur Eintragung in<br />

das Handelsregister anzumelden. Der Anmeldung sind<br />

nach §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G die Urkunden über die Bestellung<br />

der Geschäftsführer oder über die Beendigung der<br />

Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter<br />

Abschrift beizufügen. Nach §12 Abs.2 S.1 HGB<br />

sind Dokumente elektronisch einzureichen. Es muss<br />

– dies verkennt das RegG in seiner Zwischenverfügung –<br />

unterschieden werden zwischen der Form, in der das einzureichende<br />

Dokument vorliegen muss, und der Form, in<br />

der es elektronisch übermittelt wird (Oetker/Preuß, HGB,<br />

2009, §13 Rz.73). Für die Übermittlung der nach §39<br />

Abs.2 <strong>GmbH</strong>G in Urschrift oder öffentlich beglaubigter<br />

Abschrift einzureichenden Urkunden ist in §12 Abs.2 S.2<br />

Halbs.1 HGB geregelt, dass bei Einreichung einer Ur-


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 29<br />

schrift die Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung<br />

genügt (so auch Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht,<br />

8.Aufl. 2010, Rz.132; Sikora/Schwab, MittBayNot 2007,<br />

1 [4f.]). Verlangt wird eine „elektronische Fotokopie“ des<br />

Dokuments. Papierdokumente werden zu diesem Zweck<br />

eingescannt (Oetker/Preuß, HGB, 2009, §13 Rz.74; Sikora/Schwab,<br />

MittBayNot 2007, 1 [4]) und als einfaches gescanntes<br />

Dokument eingereicht (Jeep/Wiedemann, NJW<br />

2007, 2439 [2445]).<br />

Der von der Ast. elektronisch eingereichte Gesellschafterbeschluss<br />

genügt diesen Anforderungen. Der Ast. lag eine<br />

Urschrift des Gesellschafterbeschlusses vor. <strong>Die</strong>se Form<br />

ist – entgegen der Auffassung des RegG – aus den o.g.<br />

Gründen nicht zu beanstanden. Der von der Ast. eingereichte<br />

Gesellschafterbeschluss genügt auch hinsichtlich<br />

der Form, in der er elektronisch übermittelt wurde, den gesetzlichen<br />

Anforderungen. <strong>Die</strong> Ast. hat die Urschrift des<br />

Gesellschafterbeschlusses als einfaches gescanntes Dokument<br />

eingereicht. ...<br />

Anmeldung: Eintragung eines weiteren Geschäftsführers<br />

in das Handelsregister<br />

<strong>GmbH</strong>G §39; FamFG §26<br />

1. Ist eine BGB-Gesellschaft alleinige Gesellschafterin einer<br />

<strong>GmbH</strong>, kann die Anmeldung der Bestellung eines Geschäftsführers<br />

nicht mit der Begründung zurückgewiesen<br />

werden, zum Nachweis der Wirksamkeit des zugrunde liegenden<br />

Gesellschafterbeschlusses müsse der Gesellschaftsvertrag<br />

der BGB-Gesellschaft in notariell beurkundeter<br />

Form vorgelegt werden.<br />

2. Solange nach der Sachlage keine konkreten Zweifel angebracht<br />

sind, ist vielmehr ein privatschriftlicher Gesellschaftsvertrag<br />

ausreichend, der auch die Vertretungsbefugnis<br />

erkennen lässt.<br />

OLG Hamm, Beschl. v. 7.9.2010 – I-15 W 253/10<br />

n Aus den Gründen:<br />

I.<br />

Alleinige Gesellschafterin der beteiligten Gesellschaft ist<br />

die C3-GbR in I2. <strong>Die</strong>se hielt am 16.12.2009 durch ihre<br />

Gesellschafter Dr. I und F eine Gesellschafterversammlung<br />

der Beteiligten ab, in der Dr. L mit Wirkung zum<br />

1.1.2010 zum weiteren Geschäftsführer bestellt wurde.<br />

<strong>Die</strong>ser erklärte am 16.12.2009 die Anmeldung seiner Geschäftsführerbestellung<br />

nebst der nach §39 Abs.3 S.1<br />

<strong>GmbH</strong>G notwendigen Versicherung. <strong>Die</strong> beglaubigte Anmeldung<br />

sowie den Gesellschafterbeschluss reichte der<br />

Notar K in I2 sodann bei dem AmtsG zur Eintragung in<br />

das Handelsregister ein.<br />

Das AmtsG beanstandete den fehlenden Nachweis der<br />

ordnungsgemäßen Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung<br />

am 16.12.2009. Denn die Vertretungsmacht<br />

der GbR-Gesellschafter Dr. I und F zur Vertretung der C3-<br />

GbR als Gesellschafterin der Beteiligten sei nicht nachgewiesen.<br />

Der Nachweis könne nur durch eine notarielle<br />

Gründungsurkunde der GbR und einer darin enthaltenen<br />

Bevollmächtigung erbracht werden. Mit Beschl. v.<br />

31.3.2010 wies das AmtsG nach Ablauf der zur Behebung<br />

der Beanstandung gesetzten Frist den Eintragungsantrag<br />

mit dieser Begründung zurück [AG Bad Oeynhausen v.<br />

31.3.2010 – HRB 9935]....<br />

Gesellschaftsrecht<br />

Das AmtsG hat der Beschwerde mit Beschl. v. 6.5.2010<br />

nicht abgeholfen und sie dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.<br />

II.<br />

<strong>Die</strong> ... Beschwerde ist begründet.<br />

Nach §39 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G ist jede Änderung in den Personen<br />

der Geschäftsführer zur Eintragung in das Handelsregister<br />

anzumelden. Es handelt sich um eine deklaratorische<br />

Eintragung, die der Kundbarmachung von Tatsachen<br />

oder Rechtsverhältnissen dient, die unabhängig von der<br />

Eintragung bestehen. <strong>Die</strong> Frage, ob und in welchem Umfang<br />

dem RegG bei der Anmeldung ein Prüfungsrecht zusteht,<br />

ist umstritten (zum Meinungsstand Zöllner/Noack in<br />

Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §39 Rz.19; Altmeppen<br />

in Roth/Altmeppen, <strong>GmbH</strong>G, 6.Aufl., §39<br />

Rz.15ff.). Zum Schutz des Rechtverkehrs (vgl. §15 HGB)<br />

sollen unrichtige Eintragungen in das Handelsregister jedoch<br />

möglichst vermieden werden (BayObLG v.<br />

18.7.1991 – BReg. 3 Z 133/90, <strong>GmbH</strong>R 1992, 304 [305];<br />

Heinemann in Keidel, FamFG, 16.Aufl., §374 Rz.50,<br />

m.w.N.). Da die Eintragung eines neuen Geschäftsführers<br />

aufgrund eines der Anmeldung in Urschrift oder öffentlich<br />

beglaubigter Abschrift beizufügenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung<br />

(§39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G) vorzunehmen<br />

ist, hat das RegG deshalb jedenfalls zu prüfen, ob die<br />

angemeldete Bestellung des Geschäftsführers durch die<br />

vorgelegte Niederschrift über den Gesellschafterbeschluss<br />

nachgewiesen ist (vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 6.11.2008 –<br />

20 W 385/08, FGPrax 2009, 81 = <strong>GmbH</strong>R 2009, 378 =<br />

Rpfleger 2009, 321). Denn die eingereichten Urkunden<br />

müssen die beantragte Eintragung rechtfertigen. In diesem<br />

Zusammenhang fällt die Prüfung, ob ein die Eintragung<br />

rechtfertigender Gesellschafterbeschluss ordnungsgemäß<br />

zustande gekommen ist, grundsätzlich in die Prüfungskompetenz<br />

des RegG (OLG Köln v. 21.12.2001 – 2 Wx<br />

59/01, <strong>GmbH</strong>R 2002, 621 = Rpfleger 2002, 318; OLG<br />

Hamm v. 10.7.2001 – 15 W 81/01, <strong>GmbH</strong>R 2001, 920 =<br />

Rpfleger 2002, 32). Ob das RegG auf dieser Grundlage zu<br />

einer Prüfung der angemeldeten Tatsachen stets oder – bei<br />

deklaratorischen Eintragungen – nur dann verpflichtet ist,<br />

wenn begründete Zweifel an der Richtigkeit der einzutragenden<br />

Tatsache bestehen (vgl. dazu OLG Hamm v.<br />

30.1.1996 – 15 W 20/96, <strong>GmbH</strong>R 1996, 614 = Rpfleger<br />

1997, 71), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.<br />

<strong>Die</strong> Befugnis der GbR-Gesellschafter Dr. I und F zur Vertretung<br />

der C3-GbR als Gesellschafterin der Beteiligten<br />

folgt aus §7 Abs.1 des in Ablichtung vorliegenden Gesellschaftsvertrags<br />

der GbR v. 18.12.2006. Danach sind zur<br />

Geschäftsführung und Vertretung jeweils zwei Gesellschafter<br />

gemeinsam berechtigt. <strong>Die</strong> vertragliche Bestimmung<br />

gewährt – hier den Gesellschaftern Dr. I und F – die<br />

gemeinsame Rechtsmacht zur Vertretung der GbR. <strong>Die</strong>se<br />

ist personenidentisch mit der C-GbRI, die in die im Handelsregister<br />

aufgenommene Gesellschafterliste v.<br />

22.12.2005 als alleinige Gesellschafterin (§16 Abs.1 S.1<br />

<strong>GmbH</strong>G) der Beteiligten eingetragen ist. <strong>Die</strong> Namensänderung<br />

der GbR ist durch Vorlage einer Ablichtung des<br />

Gesellschafterbeschlusses v. 18.12.2006 dargelegt. Danach<br />

war zunächst die erforderliche Vertretungsmacht für<br />

die GbR als Gesellschafterin der Beteiligten unzweifelhaft<br />

gegeben. Bedenken können folglich nur darin begründet<br />

sein, dass die Gesellschafter Dr. I und F im Zeitpunkt des<br />

am 16.12.2009 gefassten Beschlusses nicht mehr vertretungsberechtigte<br />

Gesellschafter der GbR waren, sie also


30<br />

entweder als Gesellschafter ausgeschieden waren oder<br />

eine Bestimmung i.S.d. §7 Abs.1 in dem Gesellschaftsvertrag<br />

der GbR nicht mehr vorhanden war.<br />

Dahingehende Anhaltspunkte, die Anlass zu entsprechenden<br />

Ermittlungen des RegG geben könnten, sind vorliegend<br />

jedoch nicht gegeben. Insoweit ist zu berücksichtigen,<br />

dass der Umfang der nach §26 FamFG gebotenen Ermittlungen<br />

nicht unbegrenzt ist. Vielmehr stellt §26<br />

FamFG durch das Wort „erforderlich“ klar, dass die einzuleitenden<br />

und durchzuführenden Ermittlungen, und insoweit<br />

auch die zu verlangenden Nachweise, nur so weit<br />

auszudehnen sind, wie es die Sachlage im jeweiligen Einzelfall<br />

erfordert. Es besteht – auch im Registerverfahren –<br />

keine Amtsermittlungspflicht ins Blaue hinein (Sternal in<br />

Keidel, FamFG, 16.Aufl., §26 Rz.16, m.w.N.). Vorliegend<br />

enthält der Gesellschafterbeschluss v. 16.12.2009<br />

eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Vertretungsregelung<br />

des §7 Abs.1 des Gesellschaftsvertrags der GbR.<br />

Dass diese Regelung infolge einer Änderung des Vertrages<br />

keinen Bestand hat, ist nicht ersichtlich und insbesondere<br />

nicht allein dem seit Abschluss des Gesellschaftsvertrags<br />

eingetretenen Zeitablauf zu entnehmen. Auch ist<br />

nicht zu verkennen, dass die Anmeldung zur Eintragung<br />

in das Handelsregister nicht nur einen Antrag auf Vornahme<br />

einer bestimmten Eintragung darstellt, sondern, jedenfalls<br />

bei deklaratorischen Eintragungen wie hier, zugleich<br />

der Glaubhaftmachung der einzutragenden Tatsache dient<br />

(vgl. BayObLG v. 18.7.1991 – BReg. 3 Z 133/90,<br />

<strong>GmbH</strong>R 1992, 304 [305]; v. 19.6.1973 – BReg. 2 Z 21/73,<br />

BayObLGZ 1973, 158 [159f.] = <strong>GmbH</strong>R 1973, 199).<br />

Dass die für die GbR handelnden Dr. I und F weiterhin die<br />

nach §7 Abs.1 des Gesellschaftsvertrags gemeinsam vertretungsberechtigten<br />

Gesellschafter der GbR sind, ist in<br />

dem Gesellschafterbeschluss der Beteiligten v. 16.12.2009<br />

ausdrücklich erklärt. Im Anschluss daran ist im vorliegenden<br />

Falle nicht davon auszugehen, dass die Vertretungsmacht<br />

für die GbR als Gesellschafterin der Beteiligten tatsächlich<br />

nicht mehr besteht, die Erklärung mithin – bewusst<br />

– unrichtig abgegeben wurde.<br />

Da sonstige Bedenken gegen die Anmeldung nicht ersichtlich<br />

sind, hatte der Senat das AmtsG zur Vornahme der<br />

angemeldeten Eintragung anzuweisen. ...<br />

Anmeldung: Versicherung eines Geschäftsführers<br />

hinsichtlich eines Fehlens des Ausschlussgrundes<br />

der Betreuung<br />

<strong>GmbH</strong>G §6 Abs.2 S.2 Nr.1, §8 Abs.3<br />

<strong>Die</strong> persönliche Versicherungserklärung des Geschäftsführers<br />

hat sich nicht auf das Nichtvorliegen des Ausschlussgrundes<br />

nach §6 Abs.2 S.2 Nr.1 <strong>GmbH</strong>G (keine Bestellung<br />

eines Betreuers mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge<br />

mit Einwilligungsvorbehalt) zu erstrecken.<br />

OLG Hamm, Beschl. v. 29.9.2010 – I-15 W 460/10<br />

n Aus den Gründen:<br />

<strong>Die</strong> ... Beschwerde gegen die Zwischenverfügung [AmtsG<br />

Bad Oeynhausen v. 5.8.2010 – HRB 12007] ist begründet.<br />

<strong>Die</strong> vom Geschäftsführer abgegebene Erklärung ist nicht<br />

ergänzungsbedürftig.<br />

Nach §8 Abs.3 S.1 <strong>GmbH</strong>G haben die Geschäftsführer in<br />

der Anmeldung zu versichern, dass keine Umstände vor-<br />

Rechtsprechung<br />

Gesellschaftsrecht<br />

liegen, die ihrer Bestellung nach §6 Abs.2 S.2 Nr.2 u. 3<br />

sowie S.3 <strong>GmbH</strong>G entgegenstehen, und dass sie über ihre<br />

unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht<br />

belehrt worden sind. <strong>Die</strong>sen Anforderungen entspricht die<br />

dem RegG vorgelegte Erklärung.<br />

§6 Abs.2 S.2 Nr.1 <strong>GmbH</strong>G, wonach Geschäftsführer<br />

nicht sein kann, wer als Betreuter bei der Besorgung seiner<br />

Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem<br />

Einwilligungsvorbehalt nach §1903 BGB unterliegt, ist<br />

nach §8 Abs.3 <strong>GmbH</strong>G nicht in der persönlichen Versicherungserklärung<br />

des Geschäftsführers aufzunehmen (so<br />

auch OLG München v. 22.4.2009 – 31 Wx 40/09, NJW-<br />

RR 2009, 970 = <strong>GmbH</strong>R 2009, 830, das sogar ein Redaktionsversehen<br />

des Gesetzgebers darin gesehen hat, dass<br />

bei der Anmeldung eines Liquidators die nach §67 Abs.3<br />

S.1 <strong>GmbH</strong>G abzugebende Versicherung sich auch auf den<br />

Ausschlusstatbestand des §6 Abs.2 S.2 Nr.1 <strong>GmbH</strong>G zu<br />

erstrecken hat, obwohl eine solche Versicherung bei der<br />

Anmeldung eines Geschäftsführers nicht erforderlich sei.<br />

Daher darf das RegG diese Versicherung nicht zusätzlich<br />

fordern. Das Gesetz geht davon aus, dass die Geschäftsführer<br />

bei der Abgabe von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen<br />

in Vermögensangelegenheiten nicht nach<br />

§1903 BGB beschränkt sind. Tritt der Ausschlussgrund<br />

des §6 Abs.2 S.2 Nr.1 <strong>GmbH</strong>G zu einem späteren Zeitpunkt<br />

ein, ist diese Änderung nach §39 <strong>GmbH</strong>G anzumelden,<br />

weil der Geschäftsführer hierdurch seine Geschäftsführerstellung<br />

verliert.<br />

Anmeldung: „c/o“-Adresse als inländische<br />

Geschäftsanschrift einer <strong>GmbH</strong><br />

EG<strong>GmbH</strong>G §3 Abs.1 S.1; <strong>GmbH</strong>G §8 Abs.4 Nr.1<br />

1. <strong>Die</strong> Angabe einer c/o-Adresse genügt nur dann als inländische<br />

Geschäftsanschrift einer <strong>GmbH</strong>, wenn eine sichere<br />

und zuverlässige Zustellung an diese Adresse erfolgen kann;<br />

das ist nicht der Fall bei einer juristischen Person, deren Geschäftsbetrieb<br />

im Ankauf, der Sanierung und Abwicklung<br />

insolvenzbedrohter <strong>GmbH</strong> besteht.<br />

2. Auch eine c/o-Anschrift bei einer anderen juristischen<br />

Person kann als inländische Geschäftsanschrift einer <strong>GmbH</strong><br />

ausreichen, wenn unter dieser Anschrift sichere und zuverlässige<br />

Zustellungen an die Gesellschaft erfolgen können;<br />

das ist z.B. der Fall, wenn die <strong>GmbH</strong> unter der c/o-Anschrift<br />

einen Geschäftsraum unterhält oder es sich um die Wohnanschrift<br />

eines gesetzlichen Vertreters oder eines Zustellungsbevollmächtigten<br />

handelt, nicht aber bei einer juristischen<br />

Person, deren Geschäftsbetrieb im Ankauf, der Sanierung<br />

und Abwicklung insolvenzbedrohter Gesellschaften besteht.<br />

OLG Rostock, Beschl. v. 31.5.2010 – 1 W 6/10<br />

(rechtskräftig; NotBZ 2010, 316)<br />

n Aus den Gründen:<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

I.<br />

<strong>Die</strong> Beschwerdeführerin ist seit dem 2.7.1998 im Handelsregister<br />

... unter HRB ... eingetragen und befindet sich seit<br />

dem 1.7.2006 in Liquidation. Alleingesellschafter und Liquidator<br />

ist BW. <strong>Die</strong>ser hat am 22.6.2009 seine Geschäftsanteile<br />

an der PBE-<strong>GmbH</strong> an die BEB-Ltd. durch Abtretungsvertrag,<br />

UR 337/2009 des Notars B v. 22.6.2009, abgetreten.<br />

Der Verwaltungssitz der BEB-Ltd. befindet sich


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 31<br />

in England unter der Adresse ... . <strong>Die</strong> inländische Geschäftsanschrift<br />

lautet c/o A-Wirtschaftsdienste <strong>GmbH</strong>, ...<br />

B.<br />

Am 22.6.2009 erfolgte die Anmeldung einer neuen inländischen<br />

Geschäftsanschrift der PBE-<strong>GmbH</strong>, UR 338/09<br />

des Notars B, gemeinsam mit der Einreichung einer aktualisierten,<br />

notarbescheinigten Gesellschafterliste. Als inländische<br />

Geschäftsanschrift der PBE <strong>GmbH</strong> soll c/o A-Wirtschaftsdienste<br />

<strong>GmbH</strong>, ... B, eingetragen werden, somit die<br />

mit der der BEB identische Anschrift. <strong>Die</strong> Anmeldung<br />

wurde vom AmtsG Stralsund mit Beschl. v. 24.9.2009 zurückgewiesen.<br />

...<br />

II.<br />

1. ... 2.<br />

<strong>Die</strong> Beschwerde ist unbegründet. Das RegG hat die beantragte<br />

Handelsregistereintragung zu Recht abgelehnt.<br />

a) Mit dem Antrag v. 22.6.2009 auf Eintragung der inländischen<br />

Geschäftsanschrift kommt die Antragstellerin<br />

der gesetzlichen Verpflichtung aus §3 Abs.1 S.1<br />

EG<strong>GmbH</strong>G i.V.m. §8 Abs.4 Nr.1 <strong>GmbH</strong>G nach. §3<br />

Abs.1 S.1 EG<strong>GmbH</strong>G i.V.m. §8 Abs.4 Nr.1 <strong>GmbH</strong>G<br />

verpflichten auch Altgesellschaften, d.h. solche Gesellschaften,<br />

die bereits vor dem Inkrafttreten des MoMiG<br />

(BGBl. I 2008, 2026) am 1.11.2008 gegründet und eingetragen<br />

waren, eine inländische Geschäftsanschrift ins Handelsregister<br />

eintragen zu lassen. Mit dem Antrag v.<br />

22.6.2009 wird auch die zeitliche Vorgabe des<br />

EG<strong>GmbH</strong>G eingehalten, denn die Anmeldung einer inländischen<br />

Geschäftsanschrift hatte mit der ersten, die Gesellschaft<br />

betreffenden Registeranmeldung, spätestens<br />

aber bis zum 31.10.2009 zu erfolgen, was §3 Abs.1 S.2<br />

EG<strong>GmbH</strong>G festlegt. Zweck der Eintragung einer inländischen<br />

Geschäftsanschrift ist laut Begründung zum Regierungsentwurf<br />

des MoMiG die Beseitigung von in der Vergangenheit<br />

aufgetretenen Zustellungsproblemen zu Lasten<br />

von Gesellschaftsgläubigern. Mit der Regelung wird erreicht,<br />

dass auch bei juristischen Personen eine Fixierung<br />

einer in einem öffentlichen Register einsehbaren Anschrift<br />

erfolgt (Begr. RegE MoMiG v. 25.7.2007, BT-Drucks.16/<br />

6140, S.35). Somit kann jeder Dritte diese Anschrift jederzeit<br />

– auch online – einsehen (Begr. RegE MoMiG v.<br />

25.7.2007, BT-Drucks. 16/6140, S.36). Mit Hilfe der inländischen<br />

Geschäftsanschrift soll vor allem im Fall der<br />

Führungslosigkeit der Gesellschaft ihr Verstecken oder<br />

eine stille „Beerdigung“ erschwert werden (Roth in Roth/<br />

Altmeppen, <strong>GmbH</strong>G, 6.Aufl. 2009, §8 Rz.32).<br />

b) <strong>Die</strong> angegebene c/o-Anschrift genügt den Anforderungen<br />

an eine inländische Geschäftsanschrift nicht. Zwar<br />

kann grundsätzlich auch eine c/o-Anschrift bei einer anderen<br />

juristischen Person als inländische Geschäftsanschrift<br />

einer <strong>GmbH</strong> ausreichen. Voraussetzung dafür ist aber,<br />

dass unter dieser Anschrift sicher zuverlässige Zustellungen<br />

und Ersatzzustellungen an die Gesellschaft erfolgen<br />

können. Das ist z.B. dann der Fall, wenn die betreffende<br />

<strong>GmbH</strong> unter der c/o-Anschrift einen Geschäftsraum unterhält<br />

(„ansässig“ ist, wie im vom OLG Naumburg v.<br />

8.5.2009 – 5 Wx 4/09, <strong>GmbH</strong>R 2009, 832 [833] zu entscheidenden<br />

Fall) oder es sich um die Wohnanschrift eines<br />

gesetzlichen Vertreters oder eines Zustellungsbevollmächtigen<br />

handelt. <strong>Die</strong>se Anforderungen erfüllt die A-Wirtschaftsdienste<br />

<strong>GmbH</strong> im vorliegenden Fall nicht. Zum einen<br />

handelt es sich bei der A-Wirtschaftsdienste <strong>GmbH</strong>,<br />

Gesellschaftsrecht<br />

... B als inländischer Geschäftsanschrift weder um den Ort<br />

des Geschäftslokals gem. §170 Abs.1, §178 Abs.1 Nr.2<br />

ZPO, dem des Sitzes der Hauptverwaltung oder des maßgeblichen<br />

Betriebs noch um die Wohnanschrift des Geschäftsführers<br />

oder die inländische Anschrift eines als Zustellungsbevollmächtigten<br />

eingesetzten Vertreters. Zwar<br />

ist die c/o-Anschrift mit der inländischen Geschäftsanschrift<br />

des im Ausland ansässigen Alleingesellschafters<br />

identisch, doch spricht insbesondere der Zweck der A-<br />

Wirtschaftsdienste <strong>GmbH</strong> gegen eine sichere und zuverlässige<br />

Zustellung bzw. Ersatzzustellung von Schriftstücken<br />

an eine einzelne <strong>GmbH</strong>. Der Geschäftsbetrieb der A-<br />

Wirtschaftsdienste <strong>GmbH</strong> umfasst den Ankauf, die Sanierung<br />

und Abwicklung insolvenzbedrohter <strong>GmbH</strong>. Hinter<br />

der ... Geschäftsanschrift verbirgt sich somit eine unbekannte<br />

Vielzahl von Gesellschaften, die regelmäßig – so<br />

das Geschäftsmodell der A-Wirtschaftsdienste <strong>GmbH</strong> –<br />

insolvenzbedroht sind. Gerade bei einer solchen <strong>GmbH</strong> ist<br />

es aber für Gläubiger von Bedeutung, dass Schriftstücke<br />

wirksam und zuverlässig zugestellt werden bzw. eine Ersatzzustellung<br />

zuverlässig erfolgen kann. Eine zuverlässige<br />

Zustellung von Schriftstücken nach den Vorschriften<br />

der ZPO ist im konkreten Fall nicht sichergestellt. <strong>Die</strong>ser<br />

Auffassung steht auch nicht der Beschluss des OLG<br />

Naumburg entgegen, da dieses für die Verwendung einer<br />

c/o-Anschrift ebenfalls die zuverlässig wirksame Zustellung<br />

von Schriftstücken verlangt (OLG Naumburg v.<br />

8.5.2009 – 5 Wx 4/09, <strong>GmbH</strong>R 2009, 832 (833). Eine inländische<br />

Geschäftsanschrift – auch in Form einer c/o-Anschrift<br />

– ist nur solange frei wählbar als sichergestellt<br />

wird, dass Zustellungen im Interesse der Gläubiger zuverlässig<br />

erfolgen können (Hueck/Fastrich in Baumbach/<br />

Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl. 2010, §8 Rz.17). Der vom Gesetzgeber<br />

angestrebte Gläubigerschutzzweck kann hier<br />

mit dieser Geschäftsanschrift nicht zuverlässig erreicht<br />

werden. ...<br />

Geschäftsführer: Anmeldung der Amtsniederlegung<br />

beim Registergericht<br />

<strong>GmbH</strong>G §39 Abs.2<br />

Bei der Amtsniederlegung eines <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführers ist<br />

nicht nur die Willensbildung des <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführers,<br />

sondern auch der Zugang dieser Willensbildung bei dem zuständigen<br />

Organ in der Form des §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G nachzuweisen.<br />

OLG Thüringen, Beschl. v. 29.7.2010 – 6 W 91/10<br />

n Aus den Gründen:<br />

I.<br />

Alleingesellschafterin der Antragstellerin (Ast.) ist die<br />

Sch-AG.<br />

Unter dem 1.2.2010 meldete die Ast. zur Eintragung in<br />

das Handelsregister an, dass ... nicht mehr Geschäftsführer<br />

sei. Der Anmeldung beigefügt war die Abschrift eines<br />

Schreibens des Geschäftsführers an die Alleingesellschafterin<br />

der Ast., in dem er erklärt, zum Ablauf des 4.12.2009<br />

sein Amt als Geschäftsführer der Ast. niederzulegen. Auf<br />

dem Schreiben befindet sich ein Stempelaufdruck mit folgenden<br />

Angaben:<br />

S-AG<br />

1.12.2009


32<br />

<strong>Die</strong> vom verfahrensbevollmächtigten Notar am 22.2.2010<br />

eingereichte Anmeldung (...) hat das RegG mit Zwischenverfügung<br />

v. 24.2.2010 beanstandet. Es hat die Auffassung<br />

vertreten, die wirksame Beendigung des Anstellungsverhältnisses<br />

sei nicht nachgewiesen. Sie sei durch Vorlage<br />

der Niederlegungserklärung und Nachweis ihres Zugangs<br />

an den Gesellschafter zu belegen. Das RegG habe<br />

sodann zu prüfen, ob die der Anmeldung zugrunde liegende<br />

Amtsniederlegung formell ordnungsgemäß entgegengenommen<br />

worden sei. <strong>Die</strong> Organvertretungsmacht für<br />

die S-AG sei nicht durch öffentliche Urkunden nachgewiesen.<br />

...<br />

Das RegG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie<br />

dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.<br />

II.<br />

<strong>Die</strong> Beschwerde ist ... begründet. Sie führt zur Anweisung<br />

an das AmtsG, über den Antrag der Ast. über die Eintragung<br />

der Beendigung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers<br />

... in das Handelsregister v. 1.2.2010 unter<br />

Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.<br />

Das RegG hat mit seiner Zwischenverfügung v. 24.2.2010<br />

die begehrte Eintragung zu Unrecht davon abhängig gemacht,<br />

dass die Ast. den ordnungsgemäßen Zugang des<br />

Amtsniederlegungsschreibens durch weitere Belege nachzuweisen<br />

habe.<br />

Nach §39 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G ist jede Änderung in den Personen<br />

der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis<br />

eines Geschäftsführers zur Eintragung in<br />

das Handelsregister anzumelden. Der Anmeldung sind<br />

nach §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G die Urkunden über die Bestellung<br />

der Geschäftsführer oder über die Beendigung der<br />

Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter<br />

Abschrift beizufügen. Das RegG hat zu prüfen, ob<br />

die Urkunden die beantragte Eintragung rechtfertigen<br />

(OLG Naumburg v. 28.2.2001 – 7 Wx 5/00, NJW-RR<br />

2001, 1183 = <strong>GmbH</strong>R 2001, 569 = NZG 2001, 853 =<br />

RNotZ 2001, 349; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff,<br />

<strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009, §39 Rz.10).<br />

Das von der Ast. der Anmeldung beigefügte Schreiben, in<br />

dem der Geschäftsführer die Amtsniederlegung erklärt,<br />

rechtfertigt die Eintragung der Beendigung der Vertretungsbefugnis;<br />

weitere Belege waren nicht beizufügen.<br />

<strong>Die</strong> Amtsniederlegung eines <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführers erfolgt<br />

durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung<br />

gegenüber dem für die Geschäftsführerbestellung zuständigen<br />

Organ (BGH v. 17.9.2001 – II ZR 378/99,<br />

BGHZ 149, 28 = MDR 2002, 161 = <strong>GmbH</strong>R 2002, 26;<br />

Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, <strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl. 2009,<br />

§38 Rz.47); dies ist i.d.R. die Gesellschafterversammlung,<br />

§46 Nr.5 <strong>GmbH</strong>G.<br />

Bei der Amtsniederlegung eines <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführers<br />

ist nach der in der Rspr. und von Teilen der Literatur vertretenen<br />

Auffassung, der sich der Senat nach eigener Prüfung<br />

anschließt, nicht nur die Willensbildung des <strong>GmbH</strong>-<br />

Geschäftsführers, sondern auch der Zugang dieser Willensbildung<br />

bei dem zuständigen Organ in der Form des<br />

§39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G nachzuweisen (OLG Düsseldorf v.<br />

10.8.2004 – I-3 Wx 177/04, <strong>GmbH</strong>R 2004, 1532 = NZG<br />

2004, 1068 = FGPrax 2004, 300 = ZNotP 2005, 31; OLG<br />

Hamm v. 26.9.2002 – 15 W 321/02, NZG 2002, 131<br />

= <strong>GmbH</strong>R 2002, 111; OLG Naumburg v. 28.2.2001 – 7<br />

Wx 5/00, NJW-RR 2001, 1183 = <strong>GmbH</strong>R 2001, 569 =<br />

Rechtsprechung<br />

Gesellschaftsrecht<br />

NZG 2001, 853 = RNotZ 2001, 349; Schmidt in Achilles/<br />

Ensthaler/Schmidt, <strong>GmbH</strong>G, 2005, §39 Rz.8; Krafka/Willer/Kühn,<br />

Registerrecht, 8.Aufl. 2010, Rz.1092; a.A. [der<br />

Zugang sei nicht nachzuweisen]: Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck,<br />

<strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl. 2010, §39 Rz.16; Altmeppen<br />

in Altmeppen/Roth, <strong>GmbH</strong>G, 6.Aufl. 2009, §39<br />

Rz.12; Uwe H. Schneider in Scholz, <strong>GmbH</strong>G, 10.Aufl.<br />

2007, §39 Rz.18; Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter,<br />

<strong>GmbH</strong>G, 2006, §39 Rz.32). Dem ist die Ast. nachgekommen.<br />

Mit der Vorlage des Schreibens, in dem der Geschäftsführer<br />

die Amtsniederlegung erklärt, hat die Ast. – entgegen<br />

der Auffassung des RegG – auch den Zugang der Erklärung<br />

bei der Alleingesellschafterin der Ast. in der Form<br />

des §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G nachgewiesen. Eine Erklärung<br />

unter Abwesenden wird in dem Zeitpunkt wirksam, in<br />

dem sie dem Empfänger zugeht (§130 Abs.1 S.1 BGB).<br />

Für den Zugang einer Erklärung bei einer Behörde genügt<br />

es, dass die Sendung bei der hierfür eingerichteten Stelle<br />

angelangt ist, die Weiterleitung an den zuständigen Amtsträger<br />

ist nicht entscheidend (BGH v. 14.7.2000 – V ZR<br />

320/98, BGHZ 145, 45 [52] = ZIP 2000, 1481); dies gilt<br />

für den Zugang einer Erklärung bei einem Unternehmen<br />

entsprechend (Ellenberger in Palandt, BGB, 69.Aufl.<br />

2010, §130 Rz.6). Das Schreiben, in dem der Geschäftsführer<br />

die Amtsniederlegung erklärt, ist auf der Poststelle<br />

der Alleingesellschafterin der Ast. eingegangen. Auf dem<br />

Schreiben befindet sich ein Stempelaufdruck mit der Firma<br />

der Alleingesellschafterin und dem Datum<br />

„1.12.2009“. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Aufdruck<br />

(nach seiner Form oder seinem Inhalt) nicht der Eingangsstempel<br />

der S-AG ist bzw. dass eine dazu nicht befugte<br />

Person den Stempel aufgedruckt hat, sind für den Senat<br />

nicht ersichtlich. ...<br />

Gesellschafterliste: Keine Absicherung einer<br />

aufschiebend bedingten Anteilsabtretung durch<br />

Eintragung eines Vermerks<br />

<strong>GmbH</strong>G §15 Abs.3, §16 Abs.3, §40; BGB §161 Abs.3<br />

Das Registergericht kann eine Gesellschafterliste zurückweisen,<br />

wenn diese keine bereits eingetretene Veränderung im<br />

Gesellschafterbestand aufweist; steht die Abtretung eines<br />

<strong>GmbH</strong>-Anteils unter einer aufschiebenden Bedingung, darf<br />

die Einreichung der bescheinigten Gesellschafterliste erst<br />

nach Eintritt der Bedingung erfolgen.*<br />

OLG Hamburg, Beschl. v. 12.7.2010 – 11 W 51/10<br />

(nicht rechtskräftig)<br />

n Aus den Gründen:<br />

I.<br />

Unter dem 30.3.2010 hat der Beschwerdeführer beim<br />

Handelsregister eine Liste der Gesellschafter und Geschäftsanteile<br />

der K-<strong>GmbH</strong> eingereicht, in der in der Spalte<br />

„Veränderungen“ bei dem Gesellschaftsanteil der Gesellschafterin<br />

KN vermerkt ist: „aufschiebend bedingt abgetreten“.<br />

Das RegG hat unter dem Datum des 31.3.2010 den Beschwerdeführer<br />

darauf hingewiesen, dass die zum Register<br />

* Leitsatz der Redaktion.<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 33<br />

gereichte Liste nicht angenommen werden könne, da sie<br />

keine bereits eingetretene Veränderung enthalte.<br />

Der Beschwerdeführer hat daraufhin mit Schreiben vom<br />

2.6.2010 an seinem Begehren festgehalten und dabei auf<br />

die Möglichkeit eines gutgläubigen Zwischenerwerbs hingewiesen,<br />

falls die aufschiebend bedingte Abtretung nicht<br />

in die Gesellschafterliste aufgenommen werde.<br />

Daraufhin hat das RegG ... die Freigabe der eingereichten<br />

Liste abgelehnt [AmtsG Hamburg v. 23.6.2010 – 66 HRB<br />

106071]. ... Das RegG hat der Beschwerde nicht abgeholfen<br />

und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.<br />

II.<br />

<strong>Die</strong> Beschwerde ist ... nicht begründet; zu Recht hat das<br />

RegG es abgelehnt, die eingereichte Liste in den Registerordner<br />

aufzunehmen.<br />

Das RegG hat zu prüfen, ob die für eine Gesellschafterliste<br />

geltenden formalen Voraussetzungen vorliegen. Eine<br />

Gesellschafterliste, die nicht den Anforderungen des §40<br />

Abs.1 u. 2 <strong>GmbH</strong>G entspricht, hat das RegG zurückzuweisen.<br />

Das RegG hat zu Recht die Aufnahme der am 30.3.2010<br />

von Notar Dr. J eingereichten Liste abgelehnt, weil diese<br />

keine bereits eingetretene Veränderung im Gesellschafterbestand<br />

aufweist. Steht – wie vorliegend – die gemäß §15<br />

Abs.3 <strong>GmbH</strong>G erfolgte Abtretung eines <strong>GmbH</strong>-Anteils<br />

unter einer aufschiebenden Bedingung, darf die Einreichung<br />

der bescheinigten Gesellschafterliste erst nach Eintritt<br />

der Bedingung erfolgen (vgl. OLG München v.<br />

8.9.2009 – 31 Wx 82/09, DNotZ 2009, 869 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2009, 1211 m. Komm. Riemenschneider; ebenso: Oppermann,<br />

DB 2009, 2306; Weigl, NZG 2009, 1173; kritisch<br />

Wicke, DNotZ 2009, 871).<br />

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er müsse im<br />

Hinblick auf einen gemäß §161 Abs.3 BGB, §16 Abs.3<br />

<strong>GmbH</strong>G möglichen zwischenzeitigen Gutglaubenserwerb<br />

durch einen Dritten das Recht haben, auf die aufschiebend<br />

bedingte Abtretung hinweisen zu können, vermag der Senat<br />

dem nicht zu folgen. Denn schon die Annahme des<br />

Beschwerdeführers, dass ein gutgläubiger Erwerb des<br />

Zweitkäufers infolge von §161 Abs.3 BGB i.V.m. §16<br />

Abs.3 <strong>GmbH</strong>G möglich sei, trifft nicht zu. Infolge des<br />

Wortlauts des §40 Abs.1 S.1 <strong>GmbH</strong>G ist eine Gesellschafterliste<br />

erst nach dem Wirksamwerden einer Veränderung<br />

in der Person eines Gesellschafters oder des Umfangs<br />

seiner Beteiligung einzureichen; dies gilt entsprechend<br />

für den an solchen Veränderungen mitwirkenden<br />

Notar. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die bloße Belastung<br />

eines Geschäftsanteils den mitwirkenden Notar<br />

zur Einreichung einer Gesellschafterliste nicht verpflichtet.<br />

Besteht aber keine gesetzliche Verpflichtung zur Einreichung<br />

einer geänderten Gesellschafterliste, so kann der<br />

Rechtsverkehr nicht darauf vertrauen, der von ihm erworbene<br />

Anteil sei lastenfrei. Hierin liegt der entscheidende<br />

Unterschied zum Grundbuch, bei dem Verfügungen nur<br />

mit ihrer Eintragung wirksam werden (§873 BGB); aufgrund<br />

dieses Eintragungszwangs wird der Rechtsverkehr<br />

gemäß §892 BGB dahingehend geschützt, dass der Inhalt<br />

des Grundbuchs als richtig gilt. Da §40 <strong>GmbH</strong>G nur bei<br />

„Veränderungen“ zur Einreichung einer neuen Liste<br />

zwingt, resultiert daraus ein im Vergleich zum Grundbuch<br />

deutlich geringerer Rechtsschein der Gesellschafterliste.<br />

Kommt dem Register im Hinblick auf lediglich aufschiebend<br />

bedingte Abtretungen aber kein Rechtsschein zu, so<br />

Gesellschaftsrecht<br />

bedarf es auch keiner Einreichung einer neuen Liste; die<br />

bisherige Liste ist nicht „unrichtig“. Unrichtig wird die<br />

bisherige Gesellschafterliste erst durch den Bedingungseintritt,<br />

so dass (erst) von diesem Zeitpunkt an ein gutgläubiger<br />

Erwerb gemäß §16 Abs.3 <strong>GmbH</strong>G möglich wäre.<br />

Bis zur Aufnahme der neuen Liste, die der Notar bei<br />

Kenntnis vom Bedingungseintritt einzureichen hat, ist der<br />

Erstkäufer durch das Erfordernis einer mehr als dreijährigen<br />

Unrichtigkeit der im Handelsregister aufgenommenen<br />

alten Liste ausreichend geschützt. ...<br />

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß §70 FamFG<br />

zugelassen, da die Frage, ob eine aufschiebend bedingte<br />

Abtretung eines <strong>GmbH</strong>-Anteil als Veränderung i.S.d. §40<br />

<strong>GmbH</strong>G zum Handelsregister aufzunehmen ist, höchstrichterlich<br />

bisher nicht geklärt ist und die Entscheidung<br />

des OLG München in der Literatur teilweise kritisiert wird<br />

(vgl. etwa Wicke, DNotZ 2009, 871).<br />

Anm. der Redaktion: <strong>Die</strong> Rechtsbeschwerde ist anhängig<br />

beim BGH unter dem Az. II ZB 17/10.<br />

Informationsrechte: Geltendmachung eines<br />

Auskunfts- und Einsichtsrechts nur im Wege der<br />

freiwilligen Gerichtsbarkeit<br />

<strong>GmbH</strong>G §51a, §51b; AktG §99 Abs.1, §132 Abs.1,<br />

§132 Abs.2; BGB §810<br />

1. Der Gesellschafter einer <strong>GmbH</strong> kann sein Auskunftsund<br />

Einsichtsrecht nach §51a <strong>GmbH</strong>G ausschließlich im<br />

Wege der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß §51b<br />

<strong>GmbH</strong>G, §132 Abs.1, Abs.3 S.1, §99 Abs.1 AktG geltend<br />

machen, nicht jedoch – gestützt auf §810 BGB – in einem<br />

Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit.<br />

2. Demjenigen, der als Geschäftsführer einer <strong>GmbH</strong> ausgeschieden<br />

ist, steht das Einsichtsrecht in die Geschäftsunterlagen<br />

der <strong>GmbH</strong> nach §810 BGB auch dann nicht zu, wenn<br />

er weiterhin als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen<br />

ist.<br />

OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.9.2010 – 8 W 215/10 - 36<br />

(rechtskräftig)<br />

n Aus den Gründen:<br />

I.<br />

Der Verfügungskläger und der Verfügungsbeklagte zu2)<br />

sind Gesellschafter der Verfügungsbeklagten zu1), einer<br />

<strong>GmbH</strong> (nachfolgend: Kl. bzw. Bekl.). Der Bekl. zu2) ist<br />

darüber hinaus deren Geschäftsführer. Bei Gründung der<br />

Gesellschaft war daneben auch der Kl. zum Geschäftsführer<br />

der Bekl. zu1) bestellt worden. <strong>Die</strong> nunmehrigen Prozessbevollmächtigten<br />

des Kl. erklärten mit an die jetzigen<br />

Prozessbevollmächtigten der Beklagten gerichtetem vorprozessualen<br />

Schreiben v. 31.8.2006 (...) Folgendes:<br />

„Namens und in Vollmacht unseres Mandanten erklären<br />

wir hiermit, dass er das Geschäftsführeramt niederlegt,<br />

das Anstellungsverhältnis damit beendet ist und dieser auf<br />

sämtliche Lohn- und Gehaltszahlungen verzichtet.“ In der<br />

Folgezeit führte der Bekl. zu2) die Geschäfte der Bekl.<br />

zu1) allein. Allerdings ist der Kl. nach wie vor neben dem<br />

Bekl. zu2) als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen.<br />

Der Kl. hat die Beklagten im Wege eines Antrags auf Erlass<br />

einer einstweiligen Verfügung auf Erteilung der Ein-


34<br />

sicht in – im Einzelnen näher bezeichnete – Geschäftsunterlagen<br />

der Bekl. zu1) in Anspruch genommen. In dem<br />

vom LG daraufhin anberaumten Termin zur mündlichen<br />

Verhandlung haben die Parteien einen Vergleich geschlossen,<br />

nach dessen Ziff.1. sich die Bekl. zu1) verpflichtet<br />

hat, dem Kl. die Einsichtnahme in ihre Geschäftsunterlagen<br />

gemäß Ziff.1.a) bis d) der Antragsschrift zu im Einzelnen<br />

näher bezeichneten Modalitäten zu gewähren, und<br />

nach dessen Ziff.2. über die Kosten des Verfahrens das<br />

Gericht entscheiden soll.<br />

Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG die Kosten<br />

des Verfahrens gegeneinander aufgehoben [LG Saarbrücken<br />

v. 2.8.2010 – 14 O 211/10]....<br />

II.<br />

<strong>Die</strong> ... sofortige Beschwerde der Beklagten ... ist begründet.<br />

...<br />

1. ... 2.<br />

Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind im vorliegenden<br />

Fall dem Kl. die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens<br />

aufzuerlegen, da dieser im Falle einer streitigen<br />

Entscheidung voraussichtlich unterlegen gewesen wäre<br />

und deshalb gemäß §91 Abs.1 S.1 ZPO ebenfalls die<br />

Kosten zu tragen gehabt hätte.<br />

a) Entgegen der Auffassung des LG kann ein Anspruch<br />

des Kl. auf Gewährung der begehrten Einsicht in die Geschäftsunterlagen<br />

der Bekl. zu1) nicht auf §810 BGB gestützt<br />

werden.<br />

aa) Das LG hat im Rahmen seiner Prüfung dieser Anspruchsgrundlage<br />

nicht danach differenziert, ob der Kl.<br />

das von ihm geltend gemachte Einsichtsrecht aus seiner<br />

Stellung als Gesellschafter der Bekl. zu1) herleiten kann<br />

oder ob ihm dieses Recht als Geschäftsführer der Bekl.<br />

zu1) zusteht. Vielmehr hat das LG nicht geprüft, ob der<br />

Kl. noch Geschäftsführer der Bekl. zu1) ist, und offensichtlich<br />

allein aufgrund dessen Stellung als Gesellschafter<br />

der Bekl. zu1) angenommen, ihm stehe ein Wahlrecht<br />

zwischen dem Weg der freiwilligen Gerichtsbarkeit und<br />

dem beschrittenen Weg eines Erkenntnisverfahrens nach<br />

der ZPO zu. Das ist nicht richtig.<br />

bb) Soweit es um den Informationsanspruch (Auskunftsund<br />

Einsichtsrecht) des Gesellschafters einer <strong>GmbH</strong> geht,<br />

kann dieser ausschließlich im Verfahren der freiwilligen<br />

Gerichtsbarkeit gemäß §51b <strong>GmbH</strong>G, §132 Abs.1,<br />

Abs.3 S.1, §99 Abs.1 AktG geltend gemacht werden. Insbesondere<br />

besteht für den Gesellschafter keine Möglichkeit,<br />

Informationsansprüche aus §51a <strong>GmbH</strong>G wahlweise<br />

in einem Verfahren der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit<br />

durchzusetzen (vgl. BGH v. 22.5.1995 – II ZB 2/<br />

95, NJW-RR 1995, 1183f. = <strong>GmbH</strong>R 1995, 905, Tz. 12,<br />

zit.nachjuris;OLGSaarbrückenv.3.12.1993–4U16/<br />

93, <strong>GmbH</strong>R 1994, 474f.; OLG Schleswig v. 29.2.2008 – 5<br />

W 68/07, <strong>GmbH</strong>R 2008, 434 [435]; K.Schmidt in Scholz,<br />

<strong>GmbH</strong>G, 10.Aufl., §51b Rz.9; Lutter in Lutter/Hommelhoff,<br />

<strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl., §51b Rz.14). Das geht auch<br />

nicht im Wege des Austauschs der Anspruchsgrundlage<br />

(§810 BGB statt §51a <strong>GmbH</strong>G) bei gleichbleibendem<br />

Streitgegenstand, nämlich dem Informationsanspruch des<br />

Gesellschafters einer <strong>GmbH</strong>. Ein auf §810 BGB gestütztes<br />

Informationsrecht kann lediglich dem aus einer <strong>GmbH</strong><br />

ausgeschiedenen Gesellschafter zustehen (vgl. Sprau in<br />

Palandt, BGB, 67.Aufl., §810 Rz.4, 7), da dieser sein In-<br />

Rechtsprechung<br />

Gesellschaftsrecht<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

formationsrecht aus §51a <strong>GmbH</strong>G mit dem Ausscheiden<br />

aus der Gesellschaft verliert. Ist zum Zeitpunkt seines<br />

Ausscheidens aus der Gesellschaft aber bereits ein Verfahren<br />

nach §51b <strong>GmbH</strong>G anhängig, so kann dieses nicht<br />

– nunmehr gestützt auf §810 BGB – fortgesetzt werden.<br />

Dem steht die Verschiedenheit der Verfahren zur Durchsetzung<br />

der Rechte nach §51a <strong>GmbH</strong>G einerseits und<br />

§ 810 BGB andererseits entgegen (vgl. OLG Karlsruhe v.<br />

30.12.1999 – 15 W 13/98, NJW-RR 2000, 626f., Tz. 10f.,<br />

16f., zit. nach juris; OLG Schleswig v. 29.2.2008 – 5 W<br />

68/07, <strong>GmbH</strong>R 2008, 434f.; K.Schmidt in Scholz,<br />

<strong>GmbH</strong>G, 10.Aufl., §51b Rz.13). Auch hieraus folgt, dass<br />

das Informationsrecht des Gesellschafters einer <strong>GmbH</strong><br />

nicht wahlweise auf §51a <strong>GmbH</strong>G und §810 BGB gestützt<br />

werden kann. Soweit sich der von dem Kl. geltend<br />

gemachte und aus seiner Stellung als Gesellschafter der<br />

Bekl. zu1) hergleitete Anspruch auf Gewährung von Einsicht<br />

in die Geschäftsunterlagen der Bekl. zu1) auch gegen<br />

den Bekl. zu2) gerichtet hat, fehlt es darüber hinaus<br />

im Hinblick auf die Möglichkeit eines Auskunftserzwingungsverfahrens<br />

gegen die Bekl. zu1) nach §51b<br />

<strong>GmbH</strong>G, §132 Abs.1, Abs.3 S.1, §99 Abs.1 AktG an<br />

dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (vgl. OLG<br />

Saarbrücken v. 3.12.1993 – 4 U 16/93, <strong>GmbH</strong>R 1994, 474<br />

[475]).<br />

cc) Ebenso wenig kann das von dem Kl. geltend gemachte<br />

Recht auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Bekl.<br />

zu1) aus seiner Stellung als deren Geschäftsführer hergeleitet<br />

werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob §810<br />

BGB die richtige Anspruchsgrundlage wäre, wenn der Kl.<br />

Geschäftsführer der Bekl. zu1) wäre. Denn nach dem unstreitigen<br />

Sachvortrag der Parteien war der Kl. bereits zum<br />

Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens und auch bei Abschluss<br />

des Vergleichs zwischen den Parteien nicht mehr<br />

Geschäftsführer der Bekl. zu1).<br />

(1) Das folgt bereits aus der in dem Schreiben der nunmehrigen<br />

Prozessbevollmächtigten des Kl. v. 31.8.2006 in<br />

dessen Namen und aufgrund einer entsprechenden Bevollmächtigung<br />

erklärten Niederlegung des Geschäftsführeramts.<br />

<strong>Die</strong>se Erklärung bezog sich entgegen der Auffassung<br />

des Kl. nicht lediglich auf sein Anstellungsverhältnis<br />

zu der Bekl. zu1). Vielmehr hat der Kl. durch diese Erklärung<br />

sein Amt als Geschäftsführer mit körperschaftlicher<br />

Wirkung niedergelegt, was mangels einer – wie hier – anderweitigen<br />

Regelung im Gesellschaftsvertrag jederzeit<br />

möglich ist, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund erforderlich<br />

wäre (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck,<br />

<strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §38 Rz.86). Das ergibt sich aus der<br />

für die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen<br />

maßgebenden, anhand der Verständnismöglichkeit des<br />

Empfängers zu bestimmenden objektiven Bedeutung dieser<br />

Erklärung (vgl. Heinrichs/Ellenberger in Palandt,<br />

BGB, 67.Aufl., §133 Rz.9). Danach kann die Erklärung,<br />

„das Geschäftsführeramt“ werde niedergelegt, nur dahin<br />

verstanden werden, dass die eingeräumte Organstellung<br />

niedergelegt werde. Dem steht auch nicht entgegen, dass<br />

sich die anschließenden Ausführungen in dem Schreiben<br />

v. 31.8.2006 auf das Anstellungsverhältnis des Kl. beziehen.<br />

Hätte der Kl. lediglich seinen Anstellungsvertrag<br />

kündigen, seine Organstellung als Geschäftsführer der<br />

Bekl. zu1) jedoch beibehalten wollen, so hätte es – gerade<br />

im Hinblick auf die anwaltliche Vertretung des Kl. – nahegelegen,<br />

ausdrücklich nur den Anstellungsvertrag zu kündigen.<br />

Darauf, ob – wie der Kl. behauptet – die Niederlegung<br />

des Geschäftsführeramts als Organ nicht gewollt


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 35<br />

war, dies also nicht dem inneren Willen des Kl. entsprochen<br />

hat, kommt es nicht an. Unerheblich ist auch, dass<br />

die Bekl. zu1) den Kl. mit Schreiben v. 7.6.2010 (...) um<br />

Unterzeichnung eines auf den 12.1.2006 datierten Schreibens<br />

(...), in dem der Kl. die Niederlegung seines Amts als<br />

Geschäftsführer der Bekl. zu1) mit Wirkung vom<br />

31.1.2006 bestätigen sollte, gebeten hat. Denn damit sollte<br />

– wie aus dem Anschreiben der Bekl. zu1) ersichtlich –<br />

lediglich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass<br />

der Anmeldung der Amtsniederlegung eines Geschäftsführers<br />

zum Handelsregister eine Urkunde in der Form<br />

des §39 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G über den Zugang der Amtsniederlegungserklärung<br />

beigefügt werden muss (vgl. Zöllner/<br />

Noack in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §38<br />

Rz.86).<br />

(2) Darüber hinaus haben der Kl. und der Bekl. zu2) unstreitig<br />

in einer Gesellschafterversammlung der Bekl.<br />

zu1) v. 21.3.2007 beschlossen, dass der Kl. mit sofortiger<br />

Wirkung kein Geschäftsführer der Bekl. zu1) mehr ist.<br />

Auch ein solcher Widerruf der Geschäftsführerbestellung<br />

ist gemäß §38 <strong>GmbH</strong>G mangels anderweitiger Regelung<br />

im Gesellschaftsvertrag jederzeit ohne wichtigen Grund<br />

möglich. Zwar haben die Bekl. ... eingeräumt, dass das<br />

Datum des von ihnen ... vorgelegten Protokolls (...) aufgrund<br />

einer nachträglichen Rekonstruktion der Ereignisse<br />

eingefügt worden sei. Das ändert jedoch nichts daran, dass<br />

es unstreitig ist, dass der Kl. und der Bekl. zu2) am<br />

21.3.2007 im Rahmen einer Gesellschafterversammlung<br />

der Bekl. zu1) beschlossen haben, dass der Kl. nicht mehr<br />

deren Geschäftsführer ist. Denn der Kl. macht insoweit lediglich<br />

geltend, es sei ihm nicht mehr erinnerlich gewesen,<br />

eine solche Erklärung unterschrieben zu haben (...).<br />

(3) Der Wirksamkeit der Amtsniederlegung bzw. des Widerrufs<br />

der Bestellung zum Geschäftsführer steht auch<br />

nicht entgegen, dass der Kl. noch als Geschäftsführer der<br />

Bekl. zu1) im Handelsregister eingetragen ist, die Bekl.<br />

zu1) also der ihr nach §39 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G obliegenden<br />

Meldepflicht nicht nachgekommen ist (vgl. Zöllner/Noack<br />

in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §38 Rz.99, §39<br />

Rz.8f.). <strong>Die</strong>s hat gemäß §15 Abs.1 HGB lediglich zur<br />

Folge, dass die Bekl. zu1) einem Dritten im Zweifel nicht<br />

entgegenhalten könnte, dass der Kl. nicht mehr ihr Geschäftsführer<br />

und daher nicht mehr gemäß §35 <strong>GmbH</strong>G<br />

vertretungsbefugt ist (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/<br />

Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §38 Rz.99, 101).<br />

dd) Da ein ausgeschiedener Geschäftsführer zur Stellung<br />

eines Insolvenzantrags nach §15a InsO weder berechtigt<br />

noch verpflichtet ist und auch keine dahingehende Einwirkungspflicht<br />

des ausgeschiedenen Geschäftsführers auf<br />

den amtierenden Geschäftsführer besteht (vgl. Zöllner/<br />

Noack in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §38<br />

Rz.101), kann das von dem Kl. geltend gemachte Einsichtsrecht<br />

auch nicht allein auf den Umstand, dass er<br />

noch als Geschäftsführer der Bekl. zu1) im Handelsregister<br />

eingetragen ist, gestützt werden. Ein berechtigtes Interesse<br />

des Kl. an der begehrten Akteneinsicht lässt sich<br />

auch nicht daraus herleiten, dass er gemäß §34 Abs.1 AO<br />

als Geschäftsführer für die Erfüllung der steuerlichen<br />

Pflichten der Bekl. zu1) zu sorgen hatte und sein Ausscheiden<br />

als Geschäftsführer diese Verpflichtung gemäß<br />

§36 AO unberührt ließ, soweit sie den Zeitraum betrifft,<br />

in dem er Geschäftführer war. Es fehlen schon jedwede<br />

Anhaltspunkte dafür, dass die Bekl. zu1) ihre bis zum<br />

31.8.2006 bestehenden Steuerschulden nicht beglichen<br />

hat. Erst Recht würde es an einem diesbezüglichen Verfü-<br />

Gesellschaftsrecht<br />

gungsgrund fehlen, nachdem der Kl. mit seinem Akteneinsichtsbegehren<br />

nahezu vier Jahre nach seinem Ausscheiden<br />

als Geschäftsführer der Bekl. zu1) zugewartet hat.<br />

ee) Gegen den Bekl. zu2) als gesetzlichen Vertreter der<br />

Bekl. zu1) könnte sich – wie bereits das LG zutreffend<br />

ausgeführt hat – ein auf §810 BGB gestützter Anspruch<br />

auf Gewährung von Einsicht in die Geschäftsunterlagen<br />

der Bekl. zu1) unabhängig von den vorstehenden Erwägungen<br />

von vornherein nicht richten, da allein die Bekl.<br />

zu1) als juristische Person, nicht jedoch der Bekl. zu2) als<br />

deren gesetzlicher Vertreter sich im Besitz der Geschäftsunterlagen<br />

befindet (vgl. Sprau in Palandt, BGB, 67.Aufl.,<br />

§809 Rz.8; Bassenge in Palandt, aaO, § 854 Rz.10).<br />

b) Der das Verfahren einleitende Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten<br />

Kl. v. 1.7.2010 kann auch nicht als Antrag<br />

auf Durchführung eines Verfahrens der freiwilligen<br />

Gerichtsbarkeit ausgelegt werden (vgl. hierzu BGH v.<br />

22.5.1995 – II ZB 2/95, NJW-RR 1995, 1183f. = <strong>GmbH</strong>R<br />

1995, 905, Tz. 12ff., zit. nach juris). Gegen eine solche<br />

Auslegung spricht schon die ausdrückliche Bezeichnung<br />

dieses Schriftsatzes als „Antrag auf Erlass einer einstweiligen<br />

Verfügung“, die lediglich in §§935ff. ZPO, nicht jedoch<br />

in dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen<br />

und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit<br />

(FamFG) vorgesehen ist; nach letzterem besteht lediglich<br />

die Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung<br />

(§§49ff. FamFG). Hinzu kommt, dass der Kl.<br />

das geltend gemachte Einsichtsrecht bereits in der Antragsschrift<br />

– im Hinblick auf die von ihm angenommene<br />

Organstellung als Geschäftsführer der Bekl. zu1) – ausdrücklich<br />

auch auf §810 BGB gestützt hat, was wiederum<br />

nur im Verfahren der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit<br />

möglich ist. Ob der bislang wohl h.A., wonach im<br />

Verfahren nach §51b ZPO einstweiliger Rechtsschutz<br />

nicht möglich und daher ein dahingehender Antrag unzulässig<br />

ist (vgl. Zöllner in Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G,<br />

19.Aufl., §51b Rz.10; K.Schmidt in Scholz, <strong>GmbH</strong>G,<br />

10.Aufl., §51b Rz.32; a.A. Emde, ZIP 2001, 820ff.; Vollkommer<br />

in Zöller, ZPO, 27.Aufl., §940 Rz.8 Stichwort<br />

„Auskunft, Einsichtsgewährung“), im Hinblick auf die<br />

nunmehrigen Regelungen der §§49ff. FamFG zuzustimmen<br />

ist, kann daher dahingestellt bleiben. ...<br />

Eigenkapitalersatz: Anwendung der Kapitalersatzregeln<br />

auf eine Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz<br />

in anderem EU-Mitgliedstaat<br />

<strong>GmbH</strong>G §32; InsO §39; EulnsVO Art.4<br />

<strong>Die</strong> Regelungen über die Nachrangigkeit kapitalersetzender<br />

Gesellschafterdarlehen gemäß §§32a, 32b <strong>GmbH</strong>G a.F.,<br />

§39 Abs.1 Nr.5 InsO a.F. gehören zum deutschen Insolvenzrecht.<br />

Sie finden deshalb auch auf ein im Inland durchgeführtes<br />

Insolvenzverfahren einer Gesellschaft mit Satzungssitz<br />

in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union<br />

Anwendung.<br />

OLG Köln, Urt. v. 28.9.2010 – 18 U 3/10<br />

(nicht rechtskräftig)<br />

n Aus den Gründen:<br />

I.<br />

<strong>Die</strong> Parteien streiten über die Frage, ob der Beklagte<br />

(Bekl.) verpflichtet ist, Darlehensforderungen der Kläge-


36<br />

rin (Kl.in) gegen die Schuldnerin in einer Gesamthöhe von<br />

über 80Mio. . zur Tabelle festzustellen.<br />

<strong>Die</strong> Schuldnerin wurde im Jahre 2005 als Gesellschaft luxemburgischen<br />

Rechts (Société anonyme) gegründet. Ihren<br />

Satzungssitz hat sie in M/Luxemburg. Dort befand<br />

sich zunächst auch ihre Verwaltung. <strong>Die</strong> Schuldnerin ist<br />

als Holdinggesellschaft an einer Vielzahl von Gesellschaften<br />

in Deutschland beteiligt, die Post- und Logistikdienstleistungen<br />

erbringen (PIN-Group). Das Gesellschaftskapital<br />

beläuft sich auf 28.657.082,50 .; Hauptgesellschafterin<br />

der Schuldnerin mit einem Anteil von 63,7% ist die Klin.<br />

Im November 2007 hatte die Bundesregierung beschlossen,<br />

im Briefzustellbereich einen gesetzlichen Mindestlohn<br />

einzuführen. <strong>Die</strong>s nahm die Schuldnerin Anfang Dezember<br />

2007 zum Anlass, die Unternehmensberatungsgesellschaft<br />

... mit der Prüfung der Frage zu beauftragen,<br />

welche Folgerungen sich hieraus für sie ergeben würden.<br />

<strong>Die</strong> Beratungsgesellschaft kam zu dem Ergebnis, dass<br />

eine erfolgversprechende Fortführung des Unternehmens<br />

weitere Investitionen in einer Größenordnung von<br />

320Mio. . erfordere (...). <strong>Die</strong> Kl.in war nicht bereit, diese<br />

Mittel aufzubringen, was den damaligen delegierten Verwaltungsrat<br />

(CEO) der Schuldnerin zum Rücktritt veranlasste.<br />

<strong>Die</strong> Gesellschafter der Schuldnerin bestellten daraufhin<br />

Rechtsanwalt Q und Herrn A zu neuen delegierten<br />

Verwaltungsräten und übertrugen diesen die Geschäftsführung.<br />

<strong>Die</strong>se wurde fortan aus den Kölner Büroräumen der<br />

Unternehmensberatung ... heraus ausgeübt. Am 25.1.2008<br />

stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag beim AmtsG Köln.<br />

<strong>Die</strong>ser führte durch Beschl. v. 15.2.2008 – 73 IE 1/08 zur<br />

Insolvenzeröffnung und Bestellung des Bekl. zum Insolvenzverwalter;<br />

zwischenzeitlich wurde darüber hinaus in<br />

Luxemburg ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet.<br />

<strong>Die</strong> Kl.in hat der Schuldnerin in der Zeit zwischen März<br />

2007 und dem 13.12.2007 Darlehen i.H.v. insgesamt<br />

79.020.000 . gewährt. ... Während das erste Darlehen über<br />

15Mio. . unbefristet war, waren alle weiteren Darlehen<br />

bis zum 31.12.2007 befristet. Eine Rückzahlung erfolgte<br />

zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht, vielmehr vereinbarten<br />

die Kl.in und die Schuldnerin am 28.12.2007/9.1.2008 die<br />

Stundung der Rückzahlung bis zum 15.1.2008 (...). Darüber<br />

hinaus wurde folgende Vereinbarung getroffen:<br />

„<strong>Die</strong> Stundung endet, falls die Schuldnerin vor dem 15.1.2008<br />

Insolvenzantrag stellt.“<br />

Mit Vereinbarung v. 15.1.2008 wurde die Stundung unter<br />

Einbeziehung eines entsprechenden Vorbehalts durch Vereinbarung<br />

v. 15.1.2008 bis zum 31.1.2008 verlängert (...).<br />

Am 22.4.2008 hat die Kl.in gegenüber dem Bekl. die aus<br />

vorstehenden Darlehen resultierenden Rückzahlungs- und<br />

Zinsansprüche in einer Gesamthöhe von 81.449.048,97 .<br />

angemeldet (...). Der Bekl. hat die Forderungen nicht zur<br />

Tabelle festgestellt, sondern in voller Höhe bestritten, weil<br />

sie als kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen nur nachrangig<br />

zu befriedigen seien (...).<br />

<strong>Die</strong> Kl.in ist der Auffassung, dass ihre Darlehensrückzahlungsansprüche<br />

nicht nachrangig seien, weil auf die<br />

Schuldnerin als Gesellschaft luxemburgischen Rechts die<br />

deutschen Regelungen über das Kapitalersatzrecht keine<br />

Anwendung fänden. <strong>Die</strong>se seien gesellschaftsrechtlicher<br />

und nicht insolvenzrechtlicher Natur. <strong>Die</strong> Darlehen hätten<br />

aber auch keinen eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt,<br />

weil die Schuldnerin zu keinem Zeitpunkt kreditunwürdig<br />

gewesen sei. <strong>Die</strong> bestehenden, nicht voll ausgeschöpften<br />

Kreditlinien hätten bis zuletzt fortbestanden.<br />

Rechtsprechung<br />

Gesellschaftsrecht<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

Der Bekl. meint dagegen, dass die Kl.in gemäß §39<br />

Abs.1 Nr.5 InsO nur nachrangige Befriedigung verlangen<br />

könne. <strong>Die</strong> deutschen Kapitalersatzregeln seien insolvenzrechtlicher<br />

Natur und deshalb im inländischen Insolvenzverfahren<br />

anwendbar.<br />

Das LG ist der Rechtsauffassung des Bekl. gefolgt und hat<br />

die Klage dementsprechend abgewiesen [LG Köln v.<br />

4.12.2009 – 87 O 209/08]. Es hat die Auffassung vertreten,<br />

dass §32a <strong>GmbH</strong>G eine insolvenzrechtliche und<br />

nicht eine gesellschaftsrechtliche Bestimmung sei, die<br />

auch auf Auslandsgesellschaften anzuwenden sei. ...<br />

II.<br />

<strong>Die</strong> Berufung ist zulässig, aber nicht begründet, denn das<br />

LG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Darlehensforderungen<br />

der Kl.in gegen die Schuldnerin nachrangig<br />

sind.<br />

1. Anwendung des deutschen Insolvenzrechts<br />

<strong>Die</strong> Nachrangigkeit kapitalersetzender Gesellschafterforderungen<br />

ergibt sich sowohl aus §39 Abs.1 Nr.5 InsO a.F.<br />

als auch aus §32a <strong>GmbH</strong>G a.F. Bei beiden Bestimmungen<br />

handelt es sich ungeachtet ihres jeweiligen Standorts<br />

materiell um Regelungen des deutschen Insolvenzrechts,<br />

das auf die Schuldnerin Anwendung findet.<br />

a) Das für die Schuldnerin maßgebliche Insolvenzstatut ist<br />

das deutsche Recht. <strong>Die</strong>s ergibt sich aus Art.4 EuInsVO,<br />

denn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der<br />

Schuldnerin wurde von einem deutschen Gericht eröffnet.<br />

Dessen Zuständigkeit für die Schuldnerin als Gesellschaft<br />

luxemburgischen Rechts ergab sich aus Art.3 Abs.1<br />

EuInsVO, weil diese seit der Übertragung der Geschäftsführung<br />

auf Q und A den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen<br />

Interessen (...) in L hatte. ...<br />

Das Gesellschaftsstatut der Schuldnerin richtet sich dagegen<br />

nach dem Gründungsstatut, also nach luxemburgischem<br />

Recht. Es ist infolge der Entscheidung des EuGH v.<br />

30.9.2003 – Rs. C-167/01, NJW 2003, 3331 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2003, 1260 m. Komm. W. Meilicke im Fall „Inspire Art“<br />

inzwischen Konsens in Deutschland, dass sich das Gesellschaftsstatut<br />

– jedenfalls solcher Gesellschaften, die in einem<br />

Mitgliedsstaat der Europäischen Union gegründet<br />

wurden – nicht nach dem Sitz, sondern nach dem Gründungsort<br />

richtet, weil nur so die europarechtlich verbürgte<br />

Niederlassungsfreiheit gewahrt werden kann (vgl. Thorn<br />

in Palandt, BGB, 69.Aufl. 2010, Anh. Art.12 Rz.6ff.,<br />

m.w.N.).<br />

b) <strong>Die</strong> Frage der Qualifikation der Regelungen über die<br />

Nachrangigkeit kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen,<br />

die sich bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung<br />

des <strong>GmbH</strong>-Rechts und der Bekämpfung von Missbräuchen<br />

(MoMiG) am 1.11.2008 in §§32a, 32b<br />

<strong>GmbH</strong>G, §39 Abs.1 Nr.5 InsO befanden und seitdem in<br />

§§39, 135 InsO finden, ist seit geraumer Zeit im Schrifttum<br />

umstritten; ober- oder höchstrichterliche Entscheidungen<br />

liegen hierzu bislang nicht vor.<br />

aa) Das AmtsG Hamburg (AmtsG Hamburg v.<br />

26.11.2008 – 67g IN 352/08, IPRax 2010, 253, dazu Behrens,<br />

IPRax 2010, 230ff.) hat für das neue ab November<br />

2008 geltende Recht entschieden, dass es sich bei dem Kapitalersatzrecht<br />

um Insolvenzrecht handelt, weil diese Bestimmungen<br />

nunmehr in der Insolvenzordnung stehen.<br />

<strong>Die</strong>se Begründung ist jedoch nicht tragfähig, denn schon


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 37<br />

zum früheren Recht bestand Einigkeit darüber, dass die<br />

Qualifikation einer Norm nicht entscheidend von dem Gesetz<br />

abhängt, in dem sie steht; maßgeblich ist vielmehr der<br />

materielle Gehalt der Bestimmung. Deshalb bleibt etwa<br />

§84 <strong>GmbH</strong>G eine strafrechtliche Bestimmung, obwohl sie<br />

in einem gesellschaftsrechtlichen Gesetz steht (vgl. Behrens,<br />

IPrax 2010, 230 [231]; Goette, ZIP 2006, 541 [546]).<br />

Es wäre auch nicht einleuchtend, eine Norm mit identischem<br />

Regelungsgehalt anders zu qualifizieren, nur weil<br />

der Gesetzgeber sie in ein anderes Gesetz „verschoben“<br />

hat.<br />

Der BGH hat die von ihm entwickelten Rspr.-Regeln dem<br />

Gesellschaftsstatut zugeordnet (BGH v. 25.6.2001 – II ZR<br />

38/99, NJW 2001, 3123 = <strong>GmbH</strong>R 2001, 771 m. Komm.<br />

Harnier). Demgegenüber wurden die Novellenregelungen<br />

der §§32a, 32b <strong>GmbH</strong>G aber eher insolvenzrechtlich verstanden:<br />

(„konkurs- und anfechtungsrechtrechtliche Lösung<br />

der Novelle“). In diesem Sinne versteht der Senat<br />

auch eine Stellungnahme von Goette, wonach zwischen<br />

den Rspr.-Regeln und den Novellenregeln durchaus Unterschiede<br />

bestehen, die eine unterschiedliche Qualifikation<br />

rechtfertigen könnten (Goette, ZIP 2006, 541 [546]).<br />

bb) Ein Teil des Schrifttums (vgl. auch noch K.Schmidt<br />

in Scholz, <strong>GmbH</strong>G, 10.Aufl. 2006 §§32a, 32b Rz.8; Nerlich<br />

in Nerlich/Römermann, InsO, Art.4 EuInsVO Rz.45;<br />

Haß/Herweg in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff, EuInsVO,<br />

2005, Art.4 Rz.41; Geyrhalter/Gänßler, NZG 2003, 409<br />

[411f.]; Borges, ZIP 2004, 733 [743]) versteht das Kapitalerhaltungsrecht<br />

als Gesellschaftsrecht. Das wesentliche<br />

Argument hierfür ist, dass Anknüpfungspunkt die sich aus<br />

der Gesellschafterstellung ergebende Finanzierungsverantwortung<br />

sei (Müller, NZG 2003, 415 [417]; Zimmer, NJW<br />

2003, 3585 [3589]; Riedemann, <strong>GmbH</strong>R 2004, 345 [349];<br />

Behrens, IPrax 2010, 230 [231]).<br />

cc) Nach a.A. (vgl. auch noch Stodolkowitz/Bergmann in<br />

Münch.Komm.InsO, 2.Aufl. 2008, §135 Rz.5; Huber in<br />

Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland,<br />

2005, S.131 [172ff.]; Haas, NZI 2002, 457 [466]) handelt<br />

es sich dagegen bei den Regelungen über die Nachrangigkeit<br />

kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz<br />

um Insolvenzrecht. Anders als die Rspr.-Regeln<br />

knüpften die §§32a, 32b <strong>GmbH</strong>G nicht an eine bestimmte<br />

Mindestkapitalausstattung der Gesellschaft an und seien<br />

deshalb rechtsformunabhängig (Fischer, ZIP 2004, 1476<br />

[1480]). Das Kapitalersatzrecht der Novellenregeln werde<br />

auch – anders als die Rspr.-Regeln – erst und ausschließlich<br />

in der Insolvenz bedeutsam (Ulmer, NJW 2004, 1201<br />

[1207]). Außerdem gehe es beim Eigenkapitalersatzrecht<br />

nur um die Bestimmung des Rangs in der Insolvenz und<br />

dafür sehe Art.4 Abs.2 lit.i) EuInsVO gerade die Geltung<br />

des Insolvenzstatuts vor (Paulus, ZIP 2002, 729 [734]).<br />

dd) <strong>Die</strong> insolvenzrechtliche Qualifikation der Bestimmungen<br />

über eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen<br />

entspricht auch der Auffassung, von der der Gesetzgeber<br />

des MoMiG ausgegangen ist:<br />

„<strong>Die</strong> Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen werden in das<br />

Insolvenzrecht verlagert, wo sie systematisch hingehören.“ (BT-<br />

Drucks. 16/6140, S.101)<br />

ee) Der Senat teilt diese Ansicht – und zwar auch für die<br />

Zeit vor dem Inkrafttreten des MoMiG. §39 Abs.1 Nr.5<br />

InsO a.F. ist – ebenso wie §39 Abs.1 Nr.5 InsO n.F. –<br />

schon wegen der darin angeordneten Rechtsfolge der<br />

Nachrangigkeit von (kapitalersetzenden) Gesellschafterdarlehen<br />

im Insolvenzrecht. Es handelt sich hierbei um<br />

eine ureigene insolvenzrechtliche Materie, deren rechtli-<br />

Gesellschaftsrecht<br />

che Charakterisierung durch die Anknüpfung einzelner<br />

tatbestandlicher Voraussetzungen an Normen und Erkenntnisse<br />

des Gesellschaftsrechts nicht beeinflusst wird.<br />

Gleiches ergibt sich aus Art.4 Abs.2 lit.i) EuInsVO, in<br />

dem ausdrücklich geregelt wird, dass u.a. für den Rang<br />

der Forderungen das Recht des Insolvenzstaats maßgeblich<br />

ist. Dasselbe gilt aber auch für das Kapitalersatzrecht<br />

der §§32a, 32b <strong>GmbH</strong>G a.F. Sowohl §32a <strong>GmbH</strong>G als<br />

auch §32b <strong>GmbH</strong>G kommen überhaupt nur in der Insolvenz<br />

der Gesellschaft zum Tragen, nicht dagegen im Vorfeld<br />

einer Insolvenz und auch nicht, wenn eine Insolvenzeröffnung<br />

mangels Masse unterbleibt. Aus den Regelungen<br />

ergibt sich auch nicht etwa eine Verpflichtung, die Gesellschaft<br />

mit einem bestimmten Mindestkapital auszustatten.<br />

Es bleibt den Gesellschaftern vielmehr unbenommen,<br />

eine materiell unterkapitalisierte Gesellschaft zu gründen<br />

und fortzuführen.<br />

Des Weiteren sind die Kapitalersatzregeln rechtsformunabhängig.<br />

Gesetzliche Regelungen gab es in §§32a, 32b<br />

<strong>GmbH</strong>G für die <strong>GmbH</strong> und in §129a HGB für Personenhandelsgesellschaften.<br />

Entsprechende Anwendung fanden<br />

diese Bestimmungen aber auch auf die AG (BGH v.<br />

9.5.2005 – II ZR 66/03, NZG 2005, 712 [713]; v.<br />

26.4.2010 – II ZR 60/09, NZG 2010, 905).<br />

<strong>Die</strong> Regelungen knüpfen auch nicht an eine bestimmte<br />

– rechtsformspezifische – Mindestkapitalausstattung an,<br />

sondern an die Diskrepanz zwischen Kapitalbedarf und<br />

der Möglichkeit der Kapitalbeschaffung auf dem Kapitalmarkt<br />

ausgedrückt durch den nicht gesellschaftsrechtlich<br />

belegten Begriff der Krise. <strong>Die</strong> Krise, die nichts anderes<br />

ist als die Gefahr einer Insolvenz, soll nicht durch die Zurverfügungstellung<br />

von Fremdkapital künstlich verlängert<br />

werden, was für Drittgläubiger die Gefahr mit sich bringt,<br />

im Falle einer späteren Insolvenz mit ihren Forderungen<br />

jedenfalls in einem höheren Maße auszufallen als bei einer<br />

früheren Insolvenzantragstellung. <strong>Die</strong> Fortführung einer<br />

krisenbehafteten Gesellschaft ist für die anderen Teilnehmer<br />

am Rechtsverkehr mit besonderen Risiken verbunden,<br />

denn im Zweifel steigt mit zunehmender Dauer der<br />

Krise die Zahl der Gesellschaftsgläubiger, während das<br />

Gesellschaftsvermögen abnimmt, so dass die Insolvenzquote<br />

entsprechend sinkt. <strong>Die</strong> Anknüpfung an die Krisensituation<br />

der Gesellschaft wird auch dadurch deutlich,<br />

dass mit Überwindung der Krise die Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln<br />

entfällt, selbst wenn es dann später<br />

doch noch – aufgrund einer neuen Krise – zu einer Insolvenz<br />

der Gesellschaft kommt. Auch das Sanierungsprivileg<br />

des §32a Abs.3 S.3 <strong>GmbH</strong>G a.F. bzw. §39 Abs.4 S.2<br />

InsO n.F. unterstreicht die spezifisch insolvenzrechtliche<br />

Bedeutung dieser Norm. Hierdurch soll eine Sanierung<br />

zur Vermeidung einer Insolvenz erleichtert werden.<br />

Schutzzweck der Regelung ist schließlich nicht die Erhaltung<br />

des Kapitals der Gesellschaft, damit diese damit arbeiten<br />

kann, sondern die Erhaltung einer möglichst umfangreichen<br />

Insolvenzmasse für die Fremdgläubiger der<br />

Gesellschaft. Regelungen, die der Erhaltung und Mehrung<br />

der Insolvenzmasse dienen, sind aber spezifisch insolvenzrechtlicher<br />

Natur wie sich aus Art.4 Abs.2 lit.i) und m)<br />

EuInsVO ergibt.<br />

ff) <strong>Die</strong> Anwendung deutschen Kapitalersatzrechts auf Auslandsgesellschaften<br />

verstößt entgegen der von der Kl.in im<br />

Anschluss an entsprechende Stellungnahmen im Schrifttum<br />

(z.B. Borges, ZIP 2004, 733 [743]; Riedemann, <strong>GmbH</strong>R<br />

2004, 345 [349]) auch nicht gegen die Niederlassungsfreiheit<br />

(Art.49 AEUV). Geht man nämlich von der insolvenz-


38<br />

rechtlichen Qualifikation der Kapitalersatzregeln aus, ergibt<br />

sich deren Anwendung auf ausländische Gesellschaften im<br />

Rahmen einer Inlandsinsolvenz ohne weiteres bereits aus<br />

europäischem Recht (Art.4 EuInsVO). <strong>Die</strong> Frage, ob diese<br />

Qualifikation zutreffend ist, betrifft aber nicht die Niederlassungsfreiheit.<br />

<strong>Die</strong>se kann deshalb auch kein Grund dafür<br />

sein, die Frage der gesellschafts- oder insolvenzrechtlichen<br />

Qualifikation abweichend zu beurteilen.<br />

2. Umqualifizierung der Darlehen in Kapitalersatz<br />

<strong>Die</strong> der Schuldnerin von der Kl.in zur Verfügung gestellten<br />

Darlehen erfüllen auch die Voraussetzungen des Eigenkapitalersatzes<br />

i.S.d. §§32a <strong>GmbH</strong>Ga.F., 39 Abs.1<br />

Nr.5 InsO a.F., die auf die Insolvenz der Schuldnerin gemäß<br />

§106d EGInsO Anwendung finden. <strong>Die</strong>s gilt jedenfalls<br />

für die Zeit ab dem 1.1.2008, so dass es nicht darauf<br />

ankommt, ob diese Darlehen der Schuldnerin bereits in einer<br />

Krisensituation zur Verfügung gestellt worden sind.<br />

a) <strong>Die</strong> Darlehen waren nach der vertraglichen Vereinbarung<br />

sämtlich zum Ende des Jahres 2007 fällig bzw. hätten<br />

durch Kündigung fällig gestellt werden können. Es ist offensichtlich,<br />

dass die Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt nicht<br />

(mehr) in der Lage gewesen wäre, die Darlehen zurückzuführen.<br />

Über eigenes liquides Vermögen in dieser Größenordnung<br />

verfügte sie nicht. Es kann aus folgenden Gründen<br />

auch als ausgeschlossen angesehen werden, dass die<br />

Schuldnerin in der Lage gewesen wäre, sich das zur Rückzahlung<br />

der Darlehen erforderliche Kapital zu marktüblichen<br />

Konditionen auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen:<br />

<strong>Die</strong> Schuldnerin war überschuldet. Der Insolvenzverwalter<br />

kommt in seinem Bericht für die Gläubigerversammlung<br />

v. 23.5.2008 (...) per 3.3.2008 zu einem Fortführungswert<br />

des Unternehmens i.H.v. ca. 81Mio. . (...), dem Verbindlichkeiten<br />

gegenüber Drittgläubigern i.H.v. ca. 84Mio. .<br />

und gegenüber Gesellschaftern i.H.v. über 113Mio. . gegenüberstehen<br />

(...). Dafür, dass die wirtschaftliche Situation<br />

der Schuldnerin drei Monate davor wesentlich anders<br />

gewesen sein könnte, bestehen keine Anhaltspunkte; angesichts<br />

des Umfangs allein der Gesellschafterdarlehen erscheint<br />

dies auch fernliegend.<br />

Eine Rückführung der Darlehen der Schuldnerin gegenüber<br />

der Kl.in durch Aufnahme entsprechender Darlehen<br />

auf dem Kapitalmarkt hätte bedeutet, dass zusätzlich zu<br />

dem von der Unternehmensberatung ... ermittelten Kapitalbedarf<br />

von 320Mio. . ein weiterer Kapitalbedarf von<br />

ca. 80Mio. . entstanden wäre, so dass insgesamt<br />

400Mio. . zu finanzieren gewesen wären. Auf dem Kapitalmarkt<br />

wäre ein solche Betrag bei der Situation der<br />

Schuldnerin, die bislang nur hohe Verluste erwirtschaftet<br />

hatte und deren Geschäftsmodell wegen der Einführung<br />

des Mindestlohns mit zusätzlichen Risiken behaftet war,<br />

allenfalls gegen Stellung entsprechend werthaltiger Sicherheiten<br />

zu erlangen gewesen. Über derartige Sicherheiten<br />

verfügte die Schuldnerin aber nicht.<br />

Dementsprechend hatten die Gesellschafter auch bereits<br />

hinsichtlich des erforderlichen weiteren Kapitals von<br />

320Mio. . nur eine Finanzierung durch weitere Darlehen<br />

der Kl.in, die dazu allerdings nicht bereit war, nicht aber<br />

über den Kapitalmarkt in Erwägung gezogen (...).<br />

Für die krisenhafte Zuspitzung der Situation spricht auch<br />

der Umstand, dass die Geschäftsführung der Schuldnerin<br />

im Dezember 2007 ausgewechselt wurde. Mit Rechtsanwalt<br />

Q trat gerade ein ausgewiesener Sanierungs- und Insolvenzrechtsexperte<br />

in die Geschäftsführung ein.<br />

Rechtsprechung<br />

Gesellschaftsrecht<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

Schließlich stand der Kl.in das hohe Insolvenzrisiko der<br />

Schuldnerin Ende 2007 auch klar vor Augen. <strong>Die</strong>s ergibt<br />

sich ohne weiteres daraus, dass in die jeweils nur vierzehntägige<br />

Stundung der Vorbehalt aufgenommen wurde,<br />

dass die Stundung unwirksam wird, wenn vor Ablauf der<br />

Frist Insolvenz angemeldet wird. <strong>Die</strong>s zeigt, dass auch die<br />

Kl.in ernsthaft mit einer kurzfristigen – innerhalb von Tagen<br />

– Insolvenzanmeldung gerechnet hat.<br />

b) Entgegen der von der Kl.in zuletzt noch vertretenen<br />

Auffassung kann auch nicht davon ausgegangen werden,<br />

dass die Eigenkapitalersatzregeln deshalb keine Anwendung<br />

finden, weil es sich beim Stehenlassen der Darlehen<br />

Anfang 2008 um eine kurzfristige Überbrückungsfinanzierung<br />

gehandelt habe. Das war nämlich nicht der Fall. Von<br />

einer kurzfristigen Überbrückungsfinanzierung, auf die<br />

die Eigenkapitalersatzregeln keine Anwendung finden, ist<br />

nach der Rspr. des BGH nur ganz ausnahmsweise auszugehen.<br />

Voraussetzung dafür ist, dass das Kapital für nicht<br />

länger als drei Wochen zur Verfügung gestellt wird und<br />

objektiv mit der Rückführung gerechnet werden kann<br />

(BGH v. 26.4.2010 – II ZR 60/09, NZG 2010, 905, Rz.17,<br />

m.w.N.). Beides ist hier aber nicht der Fall gewesen. [wird<br />

ausgeführt]<br />

3. Keine Feststellung als nachrangige Forderungen<br />

Ein Anspruch auf Feststellung der Forderungen als nachrangige<br />

Forderungen besteht zumindest so lange nicht,<br />

wie es noch nicht zu einer Aufforderung des Gerichts zur<br />

Anmeldung nachrangiger Forderungen gekommen ist<br />

(§174 Abs.3 InsO).<br />

III. ... IV. Zulassung der Revision<br />

<strong>Die</strong> Voraussetzungen, unter denen die Revision gemäß<br />

§543 Abs.2 ZPO zuzulassen ist, liegen vor. <strong>Die</strong> im<br />

Schrifttum umstrittene Frage der gesellschafts- oder insolvenzrechtlichen<br />

Qualifikation der Eigenkapitalersatzregeln<br />

ist weder für das frühere Recht noch für das neue<br />

Recht bislang höchstrichterlich geklärt. Ein Klärungsbedarf<br />

besteht aber für eine Vielzahl von Fällen, weil aufgrund<br />

der Rspr. des EuGH zur Fortgeltung des Gründungsstatuts<br />

bei Sitzverlegung innerhalb der Europäischen<br />

Union zunehmend in Deutschland mit Insolvenzverfahren<br />

gegen Gesellschaften mit ausländischer Rechtsform gerechnet<br />

werden muss. ...<br />

Anm. der Redaktion: <strong>Die</strong> Revision ist beim BGH anhängig<br />

unter dem Az. IX ZR 185/10.<br />

Liquidation: Bekanntmachung des Schlusses der<br />

Liquidation auch in den Publikationsorganen<br />

gemäß Gesellschaftsvertrag<br />

<strong>GmbH</strong>G §12<br />

1. <strong>Die</strong> Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger<br />

ersetzt nicht die Bekanntmachung durch andere Medien,<br />

wenn diese in der Satzung der Gesellschaft vorgesehen ist.<br />

2. §12 S.3 <strong>GmbH</strong>G beinhaltet lediglich eine Klarstellung<br />

dahingehend, dass die Bekanntmachung im elektronischen<br />

Bundesanzeiger vorzunehmen ist, wenn die Gesellschaft in<br />

ihrer Satzung eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger vorsieht.<br />

OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.11.2010 – 8 W 444/10<br />

(rechtskräftig)


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 39<br />

n Aus den Gründen:<br />

I.<br />

Nach Beendigung der Liquidation der ... <strong>GmbH</strong> meldete<br />

der Liquidator am 21.9.2010 diese zur Eintragung ins<br />

Handelsregister an. Mit Zwischenverfügung vom<br />

22.9.2010 machte die Rechtspflegerin beim AmtsG Ulm<br />

– RegG – folgende Beanstandungen:<br />

– Gemäß §18 des Gesellschaftsvertrags hat die Bekanntmachung<br />

zur Auflösung mit Gläubigeraufruf im Staatsanzeiger<br />

des Landes Baden-Württemberg zu erfolgen.<br />

Vorliegend erfolgte lediglich die nach §12 <strong>GmbH</strong>G erforderliche<br />

Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger.<br />

– Es fehlt der Nachweis, dass das nach §73 Abs.1<br />

<strong>GmbH</strong>G vorgesehene Sperrjahr eingehalten worden ist.<br />

<strong>Die</strong> Belege der Veröffentlichung im Staatsanzeiger sind<br />

nachzureichen.<br />

... <strong>Die</strong> Rechtspflegerin half der Beschwerde mit Beschl. v.<br />

7.10.2010 nicht ab und legte die Akten dem OLG Stuttgart<br />

zur Entscheidung vor.<br />

II.<br />

<strong>Die</strong> Beschwerde des Liquidators ... ist ... nicht begründet.<br />

Das RegG hat in zutreffender Anwendung von §12 S.2<br />

<strong>GmbH</strong>G beanstandet, dass die Bekanntmachung des<br />

Schlusses der Liquidation nach §74 Abs.1 <strong>GmbH</strong>G nicht<br />

auch im Staatsanzeiger Baden-Württemberg erfolgt ist,<br />

obgleich der Gesellschaftsvertrag der ... <strong>GmbH</strong> v.<br />

18.11.1993 dies in seinem §18 vorsieht.<br />

Der Ansicht des Beschwerdeführers, nach der Neufassung<br />

von §12 <strong>GmbH</strong>G mit Wirkung ab 1.4.2005 ersetze die Bekanntmachung<br />

im elektronischen Bundesanzeiger die Bekanntmachung<br />

durch alle anderen Medien, kann nicht gefolgt<br />

werden. Der Senat folgt der in der Literatur ganz<br />

h.M. (Bayer in Lutter/Hommelhoff, <strong>GmbH</strong>G, 17.Aufl.,<br />

§12Rz.7; Rühland in Michalski, 2.Aufl., §12 Rz.12; Wicke,<br />

<strong>GmbH</strong>G, §12 Rz.4), wonach aus Gründen des Schutzes<br />

des Rechtsverkehrs die Bekanntmachung außer im<br />

elektronischen Bundesanzeiger auch in den Publikationsorganen<br />

zu erfolgen hat, welche in der Satzung der Gesellschaft<br />

bestimmt wurden. §12 S.3 <strong>GmbH</strong>G beinhaltet lediglich<br />

eine Klarstellung dahingehend, dass wenn die Gesellschaft<br />

in ihrer Satzung eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger<br />

vorsieht, die Bekanntmachung im elektronischen<br />

Bundesanzeiger vorzunehmen ist. Eine gegenteilige<br />

Auffassung ist auch im Gesetzgebungsverfahren des Justizkommunikationsgesetzes<br />

nicht geäußert worden. <strong>Die</strong><br />

vom Beschwerdeführer herangezogene Stelle in BT-<br />

Drucks. 15/4067, S.56 betrifft die Frage, wie zu verfahren<br />

ist, wenn die Satzung der Gesellschaft den Bundesanzeiger<br />

als Veröffentlichungsblatt bestimmt. Dann gilt, dass<br />

die Bekanntmachungen der Gesellschaft zwingend im<br />

elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen sind<br />

und nicht in dessen in gedruckter Form (LG Darmstadt v.<br />

7.12.2005 – 18 T 28/05, NotBZ 2006, 63). So liegen die<br />

Verhältnisse im vorliegenden Fall jedoch nicht. <strong>Die</strong> Möglichkeit,<br />

dass die Satzung ein anderes (weiteres) Veröffentlichungsmedium<br />

vorsieht und dem ebenfalls zu folgen<br />

ist, wird ausdrücklich nicht ausgeschlossen.<br />

<strong>Die</strong> Beschwerde war demgemäß aus den zutreffenden<br />

Gründen der angefochtenen Entscheidung in Verbindung<br />

mit dem Nichtabhilfebeschluss als unbegründet zurückzuweisen.<br />

...<br />

Gesellschaftsrecht<br />

<strong>Die</strong> Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde<br />

gemäß §§70ff. FamFG liegen nicht vor.<br />

Liquidation: Keine notwendige Eintragung eines<br />

Nachtragsliquidators bei nur einzelnen Abwicklungsmaßnahmen<br />

<strong>GmbH</strong>G §66 Abs.5<br />

Das Registergericht kann in Ausübung seines pflichtgemäßen<br />

Ermessens von der Eintragung des von ihm bestellten<br />

(Nachtrags-)Liquidators einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten<br />

Gesellschaft in das Handelsregister absehen, wenn<br />

die zu erwartende Abwicklungstätigkeit im Hinblick auf deren<br />

Inhalt und Umfang eine solche nicht erfordert (Ergänzung<br />

zu OLG München v. 7.5.2008 – 31 Wx 28/08, <strong>GmbH</strong>R<br />

2008, 821).<br />

OLG München, Beschl. v. 21.10.2010 – 31 Wx 127/10<br />

(rechtskräftig)<br />

n Aus den Gründen:<br />

I.<br />

<strong>Die</strong> Beteiligte (<strong>GmbH</strong>) wurde mit Vfg. v. 2.2.2009, eingetragen<br />

im Handelsregister am 19.2.2009, aufgrund Vermögenslosigkeit<br />

von Amts wegen gelöscht. Mit Schreiben v.<br />

28.12.2009 beantragte der alleinige Gesellschafter unter<br />

Vorlage der Einverständniserklärung des B diesen zum Liquidator<br />

zu bestellen. <strong>Die</strong> Gesellschaft habe derzeit noch<br />

Vermögen in Form eines Bankkontos mit einem Guthaben<br />

i.H.v. derzeit (24.11.2009) 7.625,97 .. Des Weiteren habe<br />

die Gesellschaft im Jahr 2008 einen Pkw käuflich erworben;<br />

die Verbindlichkeiten aus dem ratenweise zu zahlenden<br />

Kaufvertrag i.H.v. 355,78 . monatlich würden aus der<br />

wirtschaftlichen Aktivität der Gesellschaft bedient. Darüber<br />

hinaus sei die Gesellschaft aus zwei Leasingverträgen<br />

verpflichtet, deren Verbindlichkeiten im Jahre 2008, 2009<br />

bedient worden seien.<br />

Mit Beschl. v. 21.5.2010 wurde – wie beantragt – B als<br />

Nachtragsliquidator der am 19.2.2009 gelöschten Firma<br />

bestimmt. Von einer Eintragung im Handelsregister hat<br />

das RegG abgesehen [AmtsG München 21.5.2010 – HRB<br />

74499 (Fall 9)]. Hiergegen richtet sich die Beschwerde<br />

der Beteiligten. Nach ihrer Auffassung ist eine solche Eintragung<br />

erforderlich, da die Gesellschaft noch über Vermögen<br />

verfüge und sie zudem noch werblich tätig sei, insbesondere<br />

müssten laufend Steuererklärungen gegenüber<br />

den Finanzbehörden abgegeben werden. Das RegG hat<br />

mit Beschl. v. 22.6.2010 der Beschwerde nicht abgeholfen<br />

und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.<br />

II.<br />

1. <strong>Die</strong> Beschwerde ist ... nicht begründet.<br />

Ein Nachtragsliquidator ist grundsätzlich von Amts wegen<br />

in das Handelsregister einzutragen (vgl. §67 <strong>GmbH</strong>G), es<br />

sei denn, die Nachtragsliquidation beschränkt sich auf einzelne<br />

genau zu bezeichnende Rechtshandlungen (Krafka/<br />

Willer/Kühn, Registerrecht, 8.Aufl., Rz.1153; Haas in<br />

Baumbach/Hueck, <strong>GmbH</strong>G, 19.Aufl., §66 Rz.38). Soweit<br />

nur einzelne Abwicklungsmaßnahmen erforderlich<br />

sind, kann nach pflichtgemäßen Ermessen des Registergerichts<br />

die Wiedereintragung der Gesellschaft und die Eintragung<br />

der Liquidatoren im Handelsregister unterbleiben


40<br />

(Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8.Aufl., Rz.1153;<br />

Krafka in Münch.Komm.ZPO, 2010, §375 FamFG<br />

Rz.39), da der Vertretungsnachweis durch die Ausfertigung<br />

des (Bestellungs-)Beschlusses geführt werden kann,<br />

auf dessen Wirksamkeit Dritte gemäß §47 FamFG vertrauen<br />

dürfen (Keidel/Heinemann, FamFG, §375 Rz.63;<br />

Krafka in Münch.Komm.ZPO, 2010, §375 FamFG<br />

Rz.39).<br />

Letzteres ist hier der Fall. <strong>Die</strong> vom Liquidator vorliegend<br />

durchzuführenden Abwicklungsmaßnahmen betreffen lediglich<br />

das noch bestehende Konto der <strong>GmbH</strong>, drei abgeschlossene<br />

Verträge sowie die Abgabe von (noch) anfallenden<br />

Steuererklärungen gegenüber dem Finanzamt. Der<br />

dabei zu erwartende Umfang der (Abwicklungs-)Tätigkeiten<br />

gebietet daher weder im Hinblick auf den Inhalt der<br />

abzuwickelnden Geschäfts- bzw. Behördenbeziehungen<br />

noch im Hinblick auf deren Anzahl die Eintragung des Liquidators<br />

im Handelsregister. Vielmehr kann sein Vertretungsnachweis<br />

bei solch einem überschaubaren Tätigkeitsbereich<br />

allein durch Vorlage einer Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses<br />

geführt werden.<br />

Unmaßgeblich ist hingegen, dass die Gesellschaft werbend<br />

tätig ist. Denn hierauf erstreckt sich der Aufgabenbereich<br />

des Liquidators von vornherein nicht, es sei denn,<br />

dass die neuen Geschäfte der Beendigung schwebender<br />

Geschäfte dienen (vgl. §70 S.2 <strong>GmbH</strong>G). Für diesen<br />

Zweck ist aber angesichts der hier zu beendenden Rechtsbeziehungen<br />

als Vertretungsnachweis die Vorlage des Bestellungsbeschlusses<br />

ausreichend.<br />

2. ... 3. <strong>Die</strong> Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil<br />

die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§70<br />

FamFG).<br />

Rechtsprechung<br />

Steuerrecht<br />

Organschaft: Kein ordnungsgemäß durchgeführter<br />

Ergebnisabführungsvertrag bei „vergessener“<br />

Verrechnung mit vororganschaftlichen Verlusten<br />

KStG 1998 §14 Nr.4 S.2; AktG §301 S.1<br />

Ein Ergebnisabführungsvertrag ist nicht tatsächlich durchgeführt,<br />

wenn der Jahresüberschuss der Organgesellschaft<br />

nicht mit einem vororganschaftlichen Verlustvortrag verrechnet,<br />

sondern an den Organträger abgeführt wird.<br />

BFH, Urt. v. 21.10.2010 – IV R 21/07<br />

n Aus den Gründen:<br />

I.<br />

[1] <strong>Die</strong> Klägerin (Kl.in), eine KG, war im Streitjahr 1998<br />

u.a. an der U-<strong>GmbH</strong> und der B-<strong>GmbH</strong> beteiligt. Mit beiden<br />

Gesellschaften hatte die Kl.in als Organträgerin einen<br />

Ergebnisabführungsvertrag (EAV) geschlossen.<br />

[2] U-<strong>GmbH</strong><br />

[3] Der EAV mit der U-<strong>GmbH</strong> datiert v. 16.12.1998. Unter<br />

diesem Datum wurde zunächst das Stammkapital der<br />

U-<strong>GmbH</strong>, das bis auf 500DM von der Kl.in gehalten wurde,<br />

auf 14Mio.DM erhöht. Zugleich kam es zum Ab-<br />

Rechtsprechung<br />

Gesellschaftsrecht<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

schluss des EAV, der rückwirkend zum 1.1.1998 Geltung<br />

haben sollte und im Januar 1999 ins Handelsregister eingetragen<br />

wurde. In §2 des Vertrags, der Regelungen zur<br />

Gewinnabführung enthält, heißt es: „Abzuführen ist – vorbehaltlich<br />

der Bildung oder Auflösung von Rücklagen<br />

nach Abs.2 – der ohne die Gewinnabführung entstehende<br />

Jahresüberschuss, vermindert um einen etwaigen Verlustvortrag<br />

aus dem Vorjahr.“<br />

[4] Zum 1.1.1998 wies die Bilanz der U-<strong>GmbH</strong> einen<br />

Verlustvortrag von 5.567.000DM aus. Im Jahr 1998 erwirtschaftete<br />

die U-<strong>GmbH</strong> einen weiteren Verlust von<br />

2.615.000DM.<br />

[5] Im Jahr 1999 erzielte die U-<strong>GmbH</strong> einen Gewinn von<br />

2.756.632DM. In der Gewinn- und Verlustrechnung des<br />

am 12.5.2000 unterzeichneten Jahresabschlusses 1999<br />

wies die U-<strong>GmbH</strong> aber ein Ergebnis von 0DM aus, weil<br />

aufgrund des Gewinnabführungsvertrags mit der Kl.in ein<br />

Betrag von 2.756.632DM „abgeführt“ worden sei. Der<br />

Betrag war dem Verrechnungskonto der Kl.in bei der<br />

U-<strong>GmbH</strong> gutgeschrieben worden, das auch nach der Gutschrift<br />

noch immer einen Sollsaldo von 1.841.695,57DM<br />

auswies. <strong>Die</strong>ser war in der Bilanz der U-<strong>GmbH</strong> als Forderung<br />

aktiviert.<br />

[6] Durch Vertrag v. 22.8.2000 veräußerte die Kl.in mit<br />

Wirkung zum 1.1.2000 Anteile am Stammkapital der<br />

U-<strong>GmbH</strong> im Nennwert von 6.999.500DM an die<br />

W-<strong>GmbH</strong>. Der Vertrag sah vor, dass Gewinne des Jahres<br />

1999 und etwaige noch nicht ausgeschüttete Gewinne früherer<br />

Jahre der Kl.in zustehen sollten.<br />

[7] Mit demselben Vertrag v. 22.8.2000 wurde die<br />

U-<strong>GmbH</strong> rückwirkend auf den 1.1.2000 in eine <strong>GmbH</strong> &<br />

Co. KG (U-KG) umgewandelt. <strong>Die</strong> Kl.in und die<br />

W-<strong>GmbH</strong> übernahmen Kommanditeinlagen i.H.v. je<br />

4 Mio.DM durch Verrechnung mit dem Eigenkapital der<br />

U-<strong>GmbH</strong> auf den 31.12.1999.<br />

[8] In einer Gesellschafterversammlung der U-KG v.<br />

25.8.2000 wurde der Jahresabschluss 1999 i.d.F. v.<br />

12.5.2000 festgestellt; die Kl.in übernahm das Jahresergebnis.<br />

Am 30.8.2000 wurde der EAV zwischen der Kl.in<br />

und der U-KG gekündigt (Eintragung im Handelsregister<br />

am 12.9.2000).<br />

[9] Am 27.8.2001 kam es zu einer Gesellschafterversammlung<br />

der U-KG. In dem Protokoll dazu heißt es:<br />

[10] „Im Frühjahr 2000 ist der gesamte im Geschäftsjahr 1999 bei<br />

der U-<strong>GmbH</strong> angefallene Gewinn an die damalige Alleingesellschafterin<br />

[Kl.in] ausgeschüttet worden. Zu diesem Zeitpunkt<br />

stand bereits fest, dass die [Kl.in] 50% der Anteile an<br />

der U-<strong>GmbH</strong> an die W-<strong>GmbH</strong> veräußern würde und im Zusammenhang<br />

mit der Veräußerung die U-<strong>GmbH</strong> mit wirtschaftlicher<br />

Rückwirkung zum 1.1.2000 in eine KG unter der<br />

Firma U-KG mit einem im Verhältnis zur U-<strong>GmbH</strong> um 6<br />

Mio.DM reduzierten Gesellschaftskapital (Kommanditkapital)<br />

umgewandelt werden würde. Im Unternehmenskaufvertrag<br />

ist zwischen der [Kl.in] und der W-<strong>GmbH</strong> vereinbart<br />

worden, dass der Gewinn für das Geschäftsjahr 1999 im Innenverhältnis<br />

allein der [Kl.in] zusteht ...<br />

[11] Für den Fall, dass die [Kl.in] verpflichtet gewesen sein sollte,<br />

den an sie ausgeschütteten Gewinn der U-<strong>GmbH</strong> zurückzuzahlen,<br />

ist dieser etwaige Anspruch durch den auf den<br />

1.1.2000 rückwirkend erfolgten Formwechsel in eine KG unter<br />

gleichzeitiger Herabsetzung des Haftkapitals um<br />

6Mio.DM auf 8Mio.DM Festkommanditkapital und wegen<br />

der fristlosen Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags<br />

obsolet geworden.<br />

[12] Sollte dies nicht der Fall sein, sind sich sämtliche Gesellschafter<br />

der U-KG darüber einig, dass aufgrund der im Unterneh-


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 41<br />

menskaufvertrag getroffenen Vereinbarung, dass der Gewinn<br />

des Geschäftsjahres 1999 allein der [Kl.in] zusteht, ein eventuell<br />

von der [Kl.in] zurückgezahlter Betrag anschließend sofort<br />

an die [Kl.in] von der U-KG zurückzuzahlen ist.<br />

[13] <strong>Die</strong> Gesellschafter stellen fest, dass demgemäß einer etwa bestehenden<br />

Forderung der U-KG auf Rückzahlung des im Jahre<br />

2000 ... ausgezahlten Gewinns ... der Anspruch der [Kl.in]<br />

auf diesen Gewinn aus dem Unternehmenskaufvertrag entgegensteht.<br />

Sie beschließen daher, dass ein evtl. Rückzahlungsanspruch<br />

... nicht geltend gemacht wird ...“<br />

[14] Nach einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung,<br />

die Organschaft sei wegen einer dem EAV widersprechenden<br />

Ergebnisverwendung nicht durchgeführt worden<br />

und deshalb nicht anzuerkennen. Daraufhin legten die<br />

steuerlichen Berater der U-KG eine berichtigte Bilanz auf<br />

den 31.12.1999 vor und nahmen dazu Bezug auf das Protokoll<br />

einer Gesellschafterversammlung der U-KG vom<br />

7.4.2004, in dem es heißt:<br />

[15] „Der Jahresabschluss der U-KG, vormals U-<strong>GmbH</strong>, für das<br />

Geschäftsjahr 1999 wird hiermit gem. AnlageA1 dahingehend<br />

berichtigt, dass der Jahresüberschuss i.H.v.<br />

2.756.632,33DM mit dem bestehenden Verlustvortrag zum<br />

1.1.1999 i.H.v. 5.566.773,95DM verrechnet wird. Der verbleibende<br />

Verlust von 2.810.141,62DM wird auf neue Rechnung<br />

vorgetragen. Der Gesellschafterbeschluss v. 27.8.2001<br />

wird durch die vorgenannten Beschlüsse nicht berührt, sondern<br />

bleibt inhaltlich vollständig bestehen und wird hiermit<br />

bestätigt.“<br />

[16] In der berichtigten Bilanz werden eine (weitere) Forderung<br />

i.H.v. 2.756.632,33DM und ein gleich hoher Jahresüberschuss<br />

ausgewiesen.<br />

[17] Das FA folgte gleichwohl der Auffassung des Prüfers<br />

und erließ geänderte Körperschaftsteuerbescheide 1998<br />

und 1999 für die U-<strong>GmbH</strong>, in denen die Organschaft nicht<br />

mehr berücksichtigt wurde. Eine nach erfolglosem Einspruchsverfahren<br />

zunächst erhobene Klage wurde später<br />

zurückgenommen.<br />

[18] Ebenfalls ergingen am 19.7.2004 geänderte Gewinnfeststellungsbescheide<br />

1998 und 1999 gegenüber der<br />

Kl.in, in denen das Organschaftsverhältnis nicht mehr berücksichtigt<br />

wurde.<br />

[19] B-<strong>GmbH</strong><br />

[20] Das Organschaftsverhältnis mit der B-<strong>GmbH</strong> ist<br />

demgegenüber unstreitig. Streit besteht über Wertberichtigungen<br />

auf Forderungen gegenüber der L-<strong>GmbH</strong> & Co.<br />

KG (L-KG), die die B-<strong>GmbH</strong> in ihrer Bilanz auf den<br />

31.12.1998 vorgenommen hat.<br />

[21] <strong>Die</strong> B-<strong>GmbH</strong> hatte für die L-KG Bauvorhaben<br />

durchgeführt, darunter die Bauvorhaben K, B, WM und<br />

WE. Im Jahr 1998 hatte die B-<strong>GmbH</strong> Restforderungen<br />

aus dem Projekt K i.H.v. 1.080.346,99DM brutto und aus<br />

dem Projekt B i.H.v. 860.569,45DM brutto eingeklagt.<br />

Wegen der Restforderungen aus den Bauvorhaben WM<br />

i.H.v. 828.128,22DM brutto und WE von<br />

2.141.814,41DM brutto waren im Jahr 1998 Beweissicherungsverfahren<br />

von der L-KG angestrengt worden. Alle<br />

Verfahren dauerten am 31.12.1998 noch an. <strong>Die</strong> L-KG<br />

hatte jeweils Abweisung der Klage beantragt und dies<br />

zum Teil mit Baumängeln, zum Teil aber auch mit der<br />

Aufrechnungsmöglichkeit aufgrund eigener Gegenansprüche<br />

begründet.<br />

[22] In ihrer Bilanz auf den 31.12.1997 hatte die B-<br />

<strong>GmbH</strong> bereits Wertberichtigungen auf die Forderungen<br />

aus dem Bauvorhaben K i.H.v. 147.000DM, dem Bauvorhaben<br />

B i.H.v. 85.000DM und dem Bauvorhaben WM<br />

Steuerrecht<br />

i.H.v. 310.000DM vorgenommen. <strong>Die</strong>se wurden in der Bilanz<br />

auf den 31.12.1998 beibehalten.<br />

[23] In einem Vergleich vom 11.12.2000, der auch noch<br />

andere Bauvorhaben betraf und an dem neben der B-<br />

<strong>GmbH</strong> auch die SF-<strong>GmbH</strong> beteiligt war, verpflichteten<br />

sich die Leistungsempfänger zur Zahlung eines Bruttobetrags<br />

von 2.600.000DM zur Abgeltung aller Ansprüche.<br />

B-<strong>GmbH</strong> und SF-<strong>GmbH</strong> vereinbarten anschließend, dass<br />

der B-<strong>GmbH</strong> davon 341.194,26DM zustehen sollten. <strong>Die</strong><br />

darüber hinausgehenden Beträge buchte die B-<strong>GmbH</strong> zum<br />

31.12.2000 aus.<br />

[24] Im Einspruchsverfahren gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid<br />

1998 v. 19.7.2004 beantragte<br />

die Kl.in erstmals, den Verlust aus der organschaftlich veranlassten<br />

Übernahme des Ergebnisses der B-<strong>GmbH</strong> um<br />

1.978.425,52DM zu erhöhen, weil die Forderungen der B-<br />

<strong>GmbH</strong> gegen die L-KG bereits zum 31.12.1998 um diesen<br />

Betrag hätten abgeschrieben werden müssen. Der Bilanzansatz<br />

der Forderungen sei nicht nur objektiv, sondern<br />

auch subjektiv falsch gewesen, weshalb es sich um eine<br />

Bilanzberichtigung und nicht nur um eine Bilanzänderung<br />

handele. Auf offene Forderungen i.H.v. 4.270.312,24DM<br />

seien im Jahr 2000 nur 296.690,97DM gezahlt worden.<br />

<strong>Die</strong>s sei ein Indiz dafür, dass zum 31.12.1998 eine weitere<br />

Wertberichtigung i.H.v. ca. 2Mio.DM hätte vorgenommen<br />

werden müssen.<br />

[25] Mit beiden Einwendungen gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid<br />

1998 v. 19.7.2004 hatte die<br />

Kl.in im Einspruchsverfahren keinen Erfolg.<br />

[26] Der dagegen erhobenen Klage gab das FG nur insoweit<br />

statt, als es weitere Verluste aus dem Organschaftsverhältnis<br />

mit der B-<strong>GmbH</strong> i.H.v. insgesamt<br />

1.334.195DM anerkannte. Darin enthalten ist eine Gewinnminderung<br />

i.H.v. 981.279DM aufgrund einer vom<br />

FG geschätzten Minderung des Teilwerts der Forderung<br />

aus dem Bauvorhaben WM. Hierzu hatte die Kl.in vor<br />

dem FG vorgetragen, es müsse eine noch weiter gehende<br />

Teilwertabschreibung auf 500.000DM vorgenommen werden.<br />

Denn die Anwälte, die die Chancen und Risiken eines<br />

Klageverfahrens gegen die L-KG untersucht hätten,<br />

wären mit einem Schreiben v. 8.2.1999 zu dem Ergebnis<br />

gekommen, dass für das Objekt WM höchstens<br />

500.000DM realisiert werden könnten. Das FG war diesem<br />

Vorbringen nicht gefolgt. In den Entscheidungsgründen<br />

seines Urteils führte es aus, die Anwälte hätten nur<br />

sehr grob geschätzt; die Kl.in habe keine Fakten vorgetragen,<br />

die eine Teilwertabschreibung auf 500.000DM belegten.<br />

Insbesondere aus dem späteren Vergleich könne kein<br />

Rückschluss gezogen werden. Stattdessen schätzte das FG<br />

griffweise einen auf 50% der Nettoforderung gesunkenen<br />

Teilwert von 1.291.279DM (FG Düsseldorf v. 27.3.2007 –<br />

3 K 4024/05F, EFG 2007, 1104). ...<br />

II.<br />

[31] <strong>Die</strong> Revision ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.<br />

1. ... 2. Keine tatsächliche Durchführung des EAV<br />

[33] Der Kl.in ist das Einkommen der U-<strong>GmbH</strong> im Streitjahr<br />

1998 nach §14 KStG in der für das Streitjahr geltenden<br />

Fassung (KStG 1998) nicht zuzurechnen.<br />

[34] a) Verpflichtet sich eine <strong>GmbH</strong> durch einen Gewinnabführungsvertrag<br />

i.S.d. §291 Abs.1 AktG, ihren


42<br />

ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen<br />

abzuführen, so ist das Einkommen der <strong>GmbH</strong><br />

(Organgesellschaft) dem Träger des Unternehmens (Organträger)<br />

nach §14 i.V.m. §17 KStG 1998 zuzurechnen,<br />

wenn die Voraussetzungen des §14 Nr.1 bis 5 KStG 1998<br />

erfüllt sind.<br />

[35] Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht sämtlich<br />

erfüllt. Es fehlt, wie das FG zutreffend entschieden<br />

hat, an einer Durchführung des EAV i.S.d. §14 Nr.4 S.2<br />

KStG 1998. Nach dieser Regelung muss der EAV während<br />

seiner ganzen Geltungsdauer von mindestens fünf<br />

Jahren tatsächlich durchgeführt werden. Wird er in einem<br />

dieser Jahre nicht tatsächlich durchgeführt, fehlt es damit<br />

ggf. auch rückwirkend von Anfang an an den Voraussetzungen<br />

für eine Zurechnung des Einkommens beim Organträger.<br />

[36] Tatsächlich durchgeführt wird ein EAV i.S.d. §14<br />

Nr.4 S.2 KStG 1998, wenn er entsprechend den vertraglichen<br />

Vereinbarungen vollzogen wird, also die nach den<br />

Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten<br />

Gewinne tatsächlich vertragsgemäß an den Organträger<br />

abgeführt werden (BFH v. 5.4.1995 – I R 156/93, BFHE<br />

177, 429 = <strong>GmbH</strong>R 1995, 602). Der tatsächlichen Durchführung<br />

steht dabei nicht entgegen, wenn Meinungsverschiedenheiten<br />

zwischen der Finanzverwaltung und dem<br />

Unternehmen über den Ansatz oder die Bewertung von<br />

Bilanzposten entstehen und es später zu Mehrergebnissen<br />

aufgrund einer Betriebsprüfung kommt (BFH v. 5.4.1995<br />

– I R 156/93, BFHE 177, 429 = <strong>GmbH</strong>R 1995, 602).<br />

[37] Nicht als vertragsgemäße Abführung kann es aber<br />

angesehen werden, wenn die Organgesellschaft einen höheren<br />

als den in §301 AktG vorgesehenen und im EAV<br />

vereinbarten Gewinn an den Organträger abführt. Soweit<br />

hierzu im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten<br />

wird, es handele sich bei dem „Vergessen“ der Verrechnung<br />

mit einem Verlustvortrag um einen geringfügigen<br />

und danach unbeachtlichen Verstoß gegen eine Nebenpflicht<br />

(so Walter in Ernst & Young, KStG, §14<br />

Rz.680.2), kann der Senat sich dieser Auffassung schon<br />

dem Grunde nach und damit unabhängig von der Höhe<br />

des Verlustvortrags nicht anschließen (gl.A. Dötsch in<br />

Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG,<br />

§14 KStG, Rz.181; Neumann in Gosch, KStG, 2.Aufl.,<br />

§14 Rz.310).<br />

[38] Nach §2 des hier vereinbarten EAV wird in Übereinstimmung<br />

mit §301 AktG geregelt, dass der ohne die Gewinnabführung<br />

entstehende Jahresüberschuss vermindert<br />

um einen etwaigen Verlustvortrag aus dem Vorjahr abzuführen<br />

sei. Im Jahr 1999 entsprach die Gewinnabführung<br />

nicht diesen Regelungen. In ihrem Jahresabschluss für das<br />

Jahr 1999 schrieb die U-<strong>GmbH</strong> den Jahresüberschuss von<br />

2.756.632DM dem Verrechnungskonto der Kl.in bei der<br />

U-<strong>GmbH</strong> gut, so dass sich der Sollsaldo des Kontos verminderte.<br />

Eine Verrechnung mit dem Verlustvortrag des<br />

Vorjahres unterblieb.<br />

[39] An der fehlerhaften Durchführung des Vertrags ändert<br />

sich nichts dadurch, dass erst im August 2001 in einer<br />

Gesellschafterversammlung der U-KG beschlossen wurde,<br />

der Kl.in solle der gesamte Gewinn des Jahres 1999 zustehen,<br />

eine etwaige Rückzahlungspflicht der Kl.in habe sich<br />

im Zusammenhang mit der zwischenzeitlichen Umwandlung<br />

erledigt, jedenfalls würden keine Rückzahlungsansprüche<br />

geltend gemacht. <strong>Die</strong>ser Beschluss lässt das Ergebnis<br />

der fehlerhaften Gewinnabführung vielmehr ausdrücklich<br />

bestehen.<br />

Rechtsprechung<br />

Steuerrecht<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

[40] <strong>Die</strong> fehlerhafte Durchführung konnte auch nicht<br />

durch die Aufstellung einer sog. berichtigten Bilanz im<br />

April 2004 geheilt werden. Zwar schließt die Bilanz mit<br />

einem Jahresüberschuss und dem Vortrag des Verlusts auf<br />

weitere Rechnung ab. Sie enthält aber nicht die erforderliche<br />

Verrechnung mit dem Verlustvortrag. Vielmehr ergibt<br />

sich aus dem Gesellschafterbeschluss über die berichtigte<br />

Bilanz, dass der frühere Gesellschafterbeschluss vom August<br />

2001 unberührt und inhaltlich vollständig bestehen<br />

bleiben solle. <strong>Die</strong> „Berichtigung“ der Bilanz stellt sich danach<br />

als rein formaler Akt dar, aus dem keine materiellen<br />

Folgen gezogen werden. Daran, dass das Vermögen der<br />

Kl.in um einen Betrag i.H. des Jahresüberschusses von<br />

2.756.632DM vermehrt worden ist, obwohl ihr dieser Betrag<br />

infolge des bestehenden Verlustvortrags nicht zustand,<br />

ändert die „berichtigte“ Bilanz nichts. Es bleibt damit<br />

auch unter Berücksichtigung dieser Bilanz dabei, dass<br />

der EAV nicht vertragsgemäß durchgeführt worden ist.<br />

[41] b) Auf die von den Beteiligten und dem FG erörterte<br />

Frage, ob die Bilanz wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung<br />

für die U-<strong>GmbH</strong> noch mit steuerlicher Wirkung<br />

berichtigt werden konnte, kommt es danach für die Entscheidung<br />

des Rechtsstreits nicht an. Nicht entscheidungserheblich<br />

ist zudem, ob eine formelle und materielle Korrektur<br />

der fehlerhaften Gewinnabführung zu einem späteren<br />

Zeitpunkt den Mangel der tatsächlichen Durchführung<br />

des EAV rückwirkend überhaupt beseitigen kann (bejahend<br />

etwa Berger, DB 2005, 903).<br />

3. Schätzung der Minderung des Teilwerts<br />

[42] Ohne Erfolg macht die Revision geltend, dass das<br />

der Kl.in zuzurechnende Einkommen der B-<strong>GmbH</strong> niedriger<br />

sei als vom FG angesetzt.<br />

[43] <strong>Die</strong> Schätzung des FG, wonach der Teilwert der Forderung<br />

der B-<strong>GmbH</strong> gegen die L-KG aus dem Bauvorhaben<br />

WM zum Bilanzstichtag 1.291.279DM betragen<br />

habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit<br />

die Kl.in unter Hinweis auf ... BFH v. 20.8.2003 – I R 49/<br />

02, BFHE 203, 319 = BStBl. II 2003, 941 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2004, 134 die Auffassung vertritt, das FG habe keine eigene<br />

Schätzungsbefugnis gehabt, sondern sei an den im<br />

Wege einer Bilanzberichtigung von der B-<strong>GmbH</strong> herabgesetzten<br />

Wert von 500.000DM gebunden, kann der Senat<br />

dem nicht folgen.<br />

[44] Zwar kommt dem Ermessen des Kaufmanns bei der<br />

Schätzung einer Wertminderung besondere Bedeutung zu.<br />

Maßgebend ist, ob ein vorsichtig bewertender Kaufmann<br />

nach der allgemeinen Lebenserfahrung aus den jeweiligen<br />

Umständen des Einzelfalls die Annahme eines – teilweisen<br />

– Forderungsausfalls herleiten darf (BFH v. 20.8.2003<br />

– I R 49/02, BFHE 203, 319 = BStBl. II 2003, 941<br />

= <strong>GmbH</strong>R 2004, 134). <strong>Die</strong>ser Sichtweise kommt eine Befriedungsfunktion<br />

zu, weil sie einerseits verhindert, dass<br />

der Steuerpflichtige seine ursprünglichen Einschätzungen<br />

in Bezug auf für die Bilanzierung erforderliche Prognosen,<br />

Schätzungen oder Beurteilungen von hypothetischen<br />

Kausalverläufen nachträglich – je nach Opportunität – revidieren<br />

kann. Andererseits bewahrt sie den Steuerpflichtigen<br />

davor, dass die Finanzverwaltung durch nachträgliche<br />

Ermittlungen versucht, die Tatsachengrundlage der Bilanz<br />

zu erschüttern (BFH v. 7.4.2010 – I R 77/08, BFHE 228,<br />

533 = BStBl. II 2010, 739). Eine solche Bindung an die<br />

Schätzung des Kaufmanns setzt aber voraus, dass die<br />

Schätzung auf der erkennbaren und nachvollziehbaren


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 43<br />

Auswertung aller für den Kaufmann verfügbaren Tatsachen<br />

beruht und diese Tatsachen einen Schluss auf den geschätzten<br />

Wert zulassen.<br />

[45] Unstreitig beruht die erstmals im Einspruchsverfahren<br />

geltend gemachte Schätzung des Teilwerts von<br />

500.000DM allein auf der Schätzung der Anwälte im<br />

Schreiben v. 8.2.1999 über die Chancen und Risiken der<br />

seinerzeit anhängigen Zivilprozesse. Eine nachvollziehbare<br />

Begründung, warum die Forderung gerade i.H. eines<br />

Betrags von 500.000DM werthaltig gewesen sein sollte,<br />

wurde in dem Schreiben nicht gegeben. Das Anwaltsschreiben<br />

war die einzige Erkenntnisquelle der Kl.in; weitere<br />

Tatsachen wurden nicht ermittelt oder ausgewertet.<br />

[46] Daraus hat das FG zu Recht gefolgert, dass eine Bindung<br />

an die subjektive Einschätzung der Kl.in nicht bestand.<br />

Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass das FG<br />

eine eigene Schätzungsbefugnis angenommen hat. Es<br />

konnte auch dem Grunde nach eine griffweise Schätzung<br />

vornehmen, weil geeignete Tatsachen, an die für die<br />

Schätzung betragsmäßig hätte angeknüpft werden können,<br />

nicht erkennbar waren. Ob die Schätzung der Höhe nach<br />

zutreffend war, kann der Senat revisionsrechtlich nicht<br />

überprüfen. <strong>Die</strong> mit der Schätzung verbundenen Unsicherheiten<br />

gehen zu Lasten der Kl.in, die die Feststellungslast<br />

für eine höhere Wertminderung zu tragen hat.<br />

Der <strong>GmbH</strong>R-Kommentar<br />

Der IV. Senat des BFH hat mit dem vorstehend abgedruckten<br />

Urteil vom 21.10.2010 – IV R 21/07 entschieden,<br />

dass bei unterlassenem Abzug des Verlustvortrags<br />

die Organschaft mangels tatsächlichen Vollzugs des Ergebnisabführungsvertrags<br />

scheitert.<br />

I. Häufiges Vergessen des Verlustabzugs<br />

<strong>Die</strong> Fälle des unterlassenen Verlustabzugs kommen in<br />

der Praxis erstaunlich häufig vor. Erst allmählich wurde<br />

klar, wie es dazu kommt: Der Beginn eines Organschaftszeitraums<br />

stellt einen Einschnitt in die bisherige Bilanzierungspraxis<br />

und die steuerliche Situation der neuen<br />

Organgesellschaft dar. <strong>Die</strong> steuerlichen vororganschaftlichen<br />

Verlustvorträge werden mit Beginn der Organschaft<br />

nach § 15 S.1 Nr. 1 KStG eingefroren und stehen erst<br />

wieder nach deren Beendigung zur Verrechnung zur Verfügung.<br />

Zivilrechtlich ist hingegen nach § 301 S.1 AktG<br />

der handelsbilanzielle Verlustvortrag aus dem Vorjahr<br />

von dem Jahresüberschuss vor Gewinnabführung abzuziehen,<br />

was über §17 S. 2 Nr. 1 KStG auch die <strong>GmbH</strong>-<br />

Organgesellschaft gilt, letztlich auch, um bei einer<br />

<strong>GmbH</strong> einen Verstoß gegen die Verpflichtung zum Erhalt<br />

des Stammkapitals zu vermeiden. Da ein Ergebnisabführungsvertrag<br />

(EAV) nahezu ausschließlich aus steuerlichen<br />

Gründen abgeschlossen wird, ist der Blick bei Bilanzerstellung<br />

und Wirtschaftprüfung auf die steuerliche<br />

Situation und die angestrebte steuerliche Ergebniskonsoldierung<br />

im Organkreis gerichtet (vgl. Walter in Ernst &<br />

Young (Hrsg.), KStG, §14 Rz. 680.1). Sowohl der erfahrene<br />

Bilanzersteller wie auch der Wirtschaftsprüfer übertragen<br />

die steuerrechtliche Handhabung manches Mal<br />

ohne weitere Überprüfung auf die Handelsbilanz (ebenso<br />

Pyszka/Hahn, Status:Recht 06/2009, 147), insbesondere<br />

wenn es sich um Kleinbeträge handelt, die unter jeglicher<br />

Aufgriffsgrenze der Wirtschaftsprüfung liegen, häufig im<br />

Bereich von nur wenigen Hundert oder Tausend Euro.<br />

<strong>Die</strong> Gefahr, dass vergessen wird, den Verlustvortrag von<br />

Steuerrecht<br />

der Gewinnabführung abzuziehen, ist besonders groß,<br />

wenn die Organgesellschaft erst einige Jahre nach Beginn<br />

der Organschaft Gewinne erzielt.<br />

II. Das Urteil des BFH<br />

In dem Fall, der dem Urteil des BFH zugrunde lag, betrug<br />

der handelsbilanzielle Verlustvortrag hingegen ca.<br />

5,5Mio. . und hätte wegen eines weiteren Verlustes der<br />

Organgesellschaft im ersten Organschaftsjahr erst mit einem<br />

ca. halb so hohen Jahresüberschuss der Organgesellschaft<br />

vor Gewinnabführung im zweiten Organschaftsjahr<br />

verrechnet werden können. Da mag ein „Vergessen“<br />

schon etwas schwerer gefallen sein, zumal der Urteilssachverhalt<br />

durchaus ein Interesse des Organträgers an<br />

einem Mittelzufluss durch Gewinnabführung zum Abbau<br />

eines Schuldsaldos nahelegt.<br />

Bereits verfahrensrechtlich ist das Urteil des für Personengesellschaften<br />

zuständigen IV. Senats interessant.<br />

Nachdem eine Außenprüfung die Organschaft nicht anerkannt<br />

hatte, waren die KSt.-Bescheide der (vermeintlichen)<br />

Organgesellschaft nach Rücknahme der Klage bestandkräftig<br />

geworden und Festsetzungsverjährung war<br />

eingetreten. Erst danach war versucht worden, den Jahresabschluss<br />

der Gesellschaft für das zweite gewünschte<br />

Organschaftsjahr zu berichtigen. Man hätte erwartet,<br />

dass damit der Fall erledigt gewesen und keine höchstrichterliche<br />

Klärung erfolgt wäre.<br />

Doch die klagende Organträgerin (eine KG) hatte noch<br />

eine zweite Tochtergesellschaft, deren Organschaftsverhältnis<br />

als solches unstreitig war. Man hatte sich aber wegen<br />

Wertberichtigungen auf Forderungen gestritten. Im<br />

Zuge des Rechtsstreits wegen des Gewinnfeststellungsbescheids<br />

der KG musste dann der BFH auch über das<br />

auf Ebene der anderen Tochtergesellschaft bereits bestandskräftig<br />

abgelehnte Organschaftsverhältnis nochmals<br />

befinden. Auf der Grundlage der lt. BFH fehlenden<br />

Grundlagenfunktion des KSt.-Bescheids einer Organgesellschaft<br />

ist dies verfahrensrechtlich konsequent (BFH<br />

v. 28.1.2004 – I R 84/03, BStBl. II 2004, 539 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2004, 979; v. 6.3.2008 – IV R 74/05, <strong>GmbH</strong>R 2008, 838;<br />

a.A. Walter in Ernst & Young (Hrsg.), KStG, § 14<br />

Rz. 805). So also kam der IV. Senat dazu, in der Sache<br />

und nicht nur obiter dictum über die tatsächliche Durchführung<br />

des EAV zu befinden.<br />

Der IV. Senat betont, dass es für die tatsächliche Durchführung<br />

des EAV nach §14 S. 1 Nr. 3 S. 1 Halbs.2 KStG<br />

(so die heute geltende insoweit wörtlich mit dem Streitjahr<br />

übereinstimmende Gesetzesfassung) erforderlich ist,<br />

nur den in §301 AktG vorgesehenen Gewinn abzuführen<br />

und nicht einen höheren wegen des unterbliebenen Abzugs<br />

des vororganschaftlichen Verlustvortrags. Andernfalls<br />

scheitere die Organschaft mangels tatsächlicher<br />

Durchführung des EAV. <strong>Die</strong>s stimmt insoweit mit der<br />

einhelligen Rechtsmeinung überein.<br />

Allerdings lehnt es der IV. Senat des BFH ausdrücklich<br />

bereits dem Grunde nach (und ohne Rücksicht auf die<br />

Höhe des Verlustvortrags) und ohne weitere Begründung<br />

ab, das „Vergessen“ der vorgängigen Verrechnung der<br />

Gewinnabführung mit einem Verlustvortrag als einen geringfügigen<br />

und deswegen unbeachtlichen Verstoß gegen<br />

eine Nebenpflicht des EAV zu behandeln (Walter in Ernst<br />

& Young (Hrsg.), KStG, §14 Rz. 680.2; Olbing in Streck,<br />

KStG, 7. Aufl. 2008, § 14 Rz. 122; Baldamus, Ubg 2009,<br />

484 [486]; wohl auch Rohrer/v. Goldacker/Huber, DB


44<br />

2009, 360 f.; a.A. [wie der BFH] Dötsch in Dötsch/Jost/<br />

Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 181;<br />

Dötsch, Der Konzern 2010, 99 f.; Neumann in Gosch,<br />

KStG, 2. Aufl. 2009, § 14 Rz. 310; Schneider/Hinz, Ubg<br />

2009, 738 [745]; vgl. aber Dötsch, Der Konzern 2009,<br />

171 f., re. Sp., der bei einem geringfügigen Betrag des<br />

nicht aktivierten KSt.-Guthabens nicht mehr von einem<br />

Scheitern der Organschaft ausgeht). <strong>Die</strong>s ist – soweit erkennbar<br />

– die erste gerichtliche Äußerung zu der Frage,<br />

ob es steuerlich unbeachtliche Verstöße gegen Nebenpflichten<br />

des Unternehmensvertrags geben kann.<br />

Der BFH lehnt im Urteilsfall aber auch eine Heilung der<br />

Organschaft durch rückwirkende Bilanzberichtigung ab.<br />

Auf den ersten Blick erschreckt diese Aussage. Bei näherem<br />

Hinsehen wird jedoch erkennbar, dass die beabsichtigte<br />

Bilanzberichtigung nach Auffassung des BFH hier<br />

bereits deswegen gescheitert war, weil der entsprechende<br />

Gesellschafterbeschluss im Ergebnis nicht zur erforderlichen<br />

Verrechnung mit dem Verlustvortrag geführt habe,<br />

da das Vermögen der klagenden KG weiterhin um einen<br />

Betrag in Höhe des (abgeführten) Jahresüberschusses gemehrt<br />

geblieben sei. <strong>Die</strong> Berichtigung der Bilanz habe<br />

sich als rein formaler Akt dargestellt, aus der keine materiellen<br />

Folgen gezogen worden seien. Auf die Frage, ob<br />

die Bilanz nach Eintritt der Festsetzungsverjährung überhaupt<br />

noch geändert werden konnte, kam es für den BFH<br />

danach im Gegensatz zur Vorinstanz (FG Düsseldorf v.<br />

27.3.2007 – 3 K 4024/05F, EFG 2007, 1104) nicht mehr<br />

an.<br />

III. Folgerungen für die Praxis<br />

Zwar erscheint diese Beurteilung der versuchten Bilanzberichtigung<br />

im Urteilsfall nicht zwingend, da die beanstandete<br />

Vermögensmehrung auch als auf anderer<br />

Rechtsgrundlage beruhend betrachtet werden könnte,<br />

doch kommt es für die Beurteilung der Aussagen des Urteils<br />

zur Organschaft darauf nicht an.<br />

Das Urteil bestätigt zunächst die einhellige Rechtsauffassung,<br />

dass die tatsächliche Durchführung des EAV auch<br />

die Verrechung eines handelsbilanziellen vororganschaftlichen<br />

Verlustvortrags mit dem Jahresüberschuss vor Gewinnabführung<br />

erfordert. Das ist nicht überraschend und<br />

aus der Sicht auch des Zivilrechts folgerichtig, da in<br />

§ 301 AktG festgelegt ist, dass ein innervertraglicher Gewinn<br />

der Organgesellschaft nicht abgeführt, sondern<br />

wirtschaftlich in vorvertragliche Zeit verlagert wird<br />

(Cahn/Simon, Der Konzern 2003, 1 [6]). Dadurch wird<br />

die Organgesellschaft zusätzlich besser gestellt, um zu<br />

verhindern, dass sie andernfalls bei Beendigung des EAV<br />

mit einem Verlustvortrag dasteht, der – möglicherweise<br />

als Folge des EAV – nicht auf andere Weise neutralisiert<br />

werden konnte.<br />

Der IV. Senat des BFH lehnt es allerdings rundweg bereits<br />

dem Grunde nach und ohne weitere Auseinandersetzung<br />

mit der Problematik ab, den vergessenen Abzug des<br />

Verlustvortrags als einen unbeachtlichen geringfügigen<br />

Verstoß gegen eine vertragliche Nebenpflicht des EAV zu<br />

betrachten. Das ist zu bedauern, zumal der Grundsatz der<br />

Verhältnismäßigkeit sehr wohl Ansatzpunkte dafür bietet<br />

(Walter in Ernst & Young (Hrsg.), KStG, §14 Rz. 680.2,<br />

649 f.), eine wirtschaftliche Betrachtung anzustellen.<br />

Hier scheint die Größenordnung des „vergessenen“ Verlustvortrags<br />

im Urteilsfall eine weitere Erörterung der<br />

Problematik obsolet gemacht zu haben. Man hätte sich<br />

eine inhaltliche Äußerung zu der Frage der Nebenpflicht<br />

Rechtsprechung<br />

Steuerrecht<br />

gewünscht, zumal die Problematik im Zusammenhang<br />

mit der unterbliebenen Verzinsung des Verlustübernahmeanspruchs<br />

schon lange erörtert wird und insoweit auch<br />

die Finanzverwaltung inzwischen einen steuerlich unbeachtlichen<br />

Verstoß gegen eine Nebenpflicht anerkannt<br />

hat (BMF v. 15.10.2007 – IV B 7 - S 2770/07/0004 –<br />

DOK 2007/0449869, BStBl. I 2007, 765 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2007, 1231).<br />

Positiv ist hervorzuheben, dass eine Heilung durch rückwirkende<br />

Bilanzberichtigung mit all den Umständen<br />

(Walter in Ernst & Young (Hrsg.), KStG, §14<br />

Rz. 680.2ff.) weiterhin zulässig bleibt. Inwieweit andere<br />

Möglichkeiten einer Heilung genügen, war nicht zu erörtern.<br />

Bleibt zu hoffen, dass geringfügige Verstöße gegen die<br />

Verlustverrechnung nicht verstärkt zum Anlass genommen<br />

werden, eine Organschaft mit den teils dramatischen<br />

fiskalischen Folgen nachträglich scheitern zu lassen. Des<br />

Weiteren bleibt abzuwarten, ob der für Körperschaftsteuer<br />

zuständige I.Senat des BFH die Frage des unbeachtlichen<br />

Verstoßes gegen eine Nebenpflicht bei passender<br />

Gelegenheit noch einmal aufgreift.<br />

Dr. Wolfgang Walter, Rechtsanwalt, Steuerberater und<br />

Fachanwalt für Steuerrecht, Denkendorf/Stuttgart<br />

Organschaft: Rückwirkende finanzielle Eingliederung<br />

bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft<br />

KStG §14; UmwStG §12 Abs.3 S.1, §20 Abs.1 S.2<br />

1. <strong>Die</strong> Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft<br />

sind aufgrund der Regelung des §12 Abs.3 S.1<br />

(i.V.m. §22 Abs.1 u. §4 Abs.2 S.3) UmwStG 1995, wonach<br />

im Falle der Kapitaleinbringung die übernehmende Körperschaft<br />

in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden<br />

Körperschaft eintritt, auch bei Ausgliederung einer Mehrheitsbeteiligung<br />

mit nachfolgender erstmaliger Begründung<br />

einer Organschaft möglich, wenn seit dem Beginn des Wirtschaftsjahres<br />

eine finanzielle Eingliederung zunächst zum<br />

übertragenden Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden<br />

Rechtsträger besteht und dieses Erfordernis bis<br />

zum Ende des Wirtschaftsjahres aufrechterhalten bleibt.<br />

2. <strong>Die</strong> Frage, ob die für eine körperschaftsteuerliche Organschaft<br />

erforderliche finanzielle Eingliederung auf den fiktiven<br />

Übertragungsstichtag rückbezogen werden kann, konnte<br />

(abermals) im Ergebnis offen gelassen werden.*<br />

BFH, Urt. v. 28.7.2010 – I R 111/09<br />

n Aus den Gründen:<br />

I.<br />

[1] <strong>Die</strong> Klägerin (Kl.in) ist eine <strong>GmbH</strong>. Ihre Alleingesellschafterin<br />

war ursprünglich eine KG, die A-KG. <strong>Die</strong>se<br />

brachte die Beteiligung an der Kl.in durch „Übertragungsund<br />

Anteilsabtretungsvertrag“ v. 29.8.2005 (dem Streitjahr)<br />

mit steuerlicher Rückwirkung zum 31.12.2004 gegen<br />

Gewährung von Gesellschaftsrechten nach §20 Abs.1 S.2<br />

UmwStG 1995 zum Buchwert in eine andere Tochtergesellschaft,<br />

die (seinerzeitige) B-<strong>GmbH</strong>, ein. Zugleich<br />

schlossen die B-<strong>GmbH</strong> und die Kl.in einen Ergebnisab-<br />

* Leitsätze der Redaktion.<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 45<br />

führungsvertrag, in welchem sich die Kl.in verpflichtete,<br />

erstmals für ihr ab dem 1.1.2005 beginnendes Geschäftsjahr<br />

ihren gesamten Gewinn an die B-<strong>GmbH</strong> abzuführen.<br />

Der Vertrag sollte „rückwirkend für die Zeit vom<br />

1.1.2005, 0:00Uhr“ gelten. <strong>Die</strong> Kl.in stimmte dem Ergebnisabführungsvertrag<br />

durch Gesellschafterbeschluss zu.<br />

[2] <strong>Die</strong> Kl.in legte ihren Steuererklärungen für das Streitjahr<br />

eine körperschaftsteuer- und gewerbesteuerrechtliche<br />

Organschaft zwischen ihr und der B-<strong>GmbH</strong> zugrunde.<br />

Dem folgte das FA nicht. Er bezog sich auf das Schr. des<br />

BMF v. 26.8.2003 – IV A 2 - S 2770 - 18/03, BStBl. I<br />

2003, 437 = <strong>GmbH</strong>R 2003, 1084, Tz. 12 und ging davon<br />

aus, es fehle die erforderliche finanzielle Eingliederung.<br />

[3] <strong>Die</strong> Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide<br />

war erfolgreich (FG Baden-Württemberg v.<br />

25.11.2009 – 3 K 157/06, EFG 2010, 820 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2010, 491). ...<br />

II.<br />

[6] <strong>Die</strong> Revision ist unbegründet. <strong>Die</strong> Vorinstanz hat im<br />

Ergebnis zu Recht angenommen, die Kl.in sei im Streitjahr<br />

in die B-<strong>GmbH</strong> finanziell eingegliedert gewesen und<br />

es fehle infolgedessen nicht an einer Voraussetzung für<br />

das Vorliegen einer körperschaftsteuer- und gewerbesteuerrechtlichen<br />

Organschaft.<br />

1. Vorliegen der Eingliederungsvoraussetzungen ...<br />

[7] Verpflichtet sich eine <strong>GmbH</strong> mit Geschäftsleitung und<br />

Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag<br />

i.S.d. §291 Abs.1 AktG, ihren ganzen<br />

Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen<br />

abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft,<br />

soweit sich aus §16 KStG 2002 nichts anderes ergibt<br />

und überdies die Eingliederungsvoraussetzungen des<br />

§14 Abs.1 S.1 zweiter Satzteil Nr.1 bis 5 KStG 2002 erfüllt<br />

sind, dem Träger des Unternehmens (Organträger)<br />

zuzurechnen. Das folgt aus §14 Abs.1 S.1 erster Satzteil<br />

und §17 KStG 2002. Unter denselben Voraussetzungen<br />

gelten nach §2 Abs.2 S.2 GewStG 2002 Organgesellschaften<br />

i.S.d. §§14, 17 oder 18 KStG 2002 als Betriebsstätten<br />

des anderen Unternehmens.<br />

[8] Das alles ist nach den Feststellungen des FG, die den<br />

erkennenden Senat binden (§118 Abs.2 FGO), im Streitfall<br />

gegeben und ist unter den Beteiligten im Grundsatz<br />

auch nicht streitig.<br />

2. ... „vom Beginn des Wirtschaftsjahres“ an<br />

[9] Da der B-<strong>GmbH</strong> als Organträgerin die Mehrheit der<br />

Stimmrechte aus den Anteilen an der Kl.in als Organgesellschaft<br />

zustand, gilt Letzteres prinzipiell auch für das<br />

Erfordernis der finanziellen Eingliederung i.S.d. §14<br />

Abs.1 S.1 Nr.1 KStG 2002. Umstritten ist allerdings, ob<br />

diese Eingliederung – wie hiernach ebenfalls erforderlich<br />

– „vom Beginn ihres Wirtschaftsjahrs an ununterbrochen“<br />

bestand. <strong>Die</strong> Finanzverwaltung (vgl. BMF v. 26.8.2003 –<br />

IV A 2 - S 2770 - 18/03, BStBl. I 2003, 437 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2003, 1084, Tz. 12; OFD Frankfurt a.M. v. 21.11.2005 –<br />

S 1978 A - 19 - St II 1.02, DStR 2006, 41 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2006, 109; anders noch im sog. Umwandlungssteuererlass,<br />

BMF v. 25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98 / IV B 2 -<br />

S 1909 - 33/98, BStBl. I 1998, 268 = <strong>GmbH</strong>R 1998, 444,<br />

Tz. Org. 05) verneint das, weil es sich bei der gebotenen<br />

finanziellen Eingliederung um ein tatsächliches Merkmal<br />

Steuerrecht<br />

handele, das einer fiktiven Rückbeziehung nicht zugänglich<br />

sei. <strong>Die</strong> rückwirkende Begründung eines Organschaftsverhältnisses<br />

sei deswegen nicht zulässig. Das<br />

Schrifttum ist demgegenüber einhellig anderer Auffassung:<br />

<strong>Die</strong> finanzielle Eingliederung sei rechtlicher, nicht<br />

tatsächlicher Natur und könne deshalb auch auf den fiktiven<br />

Übertragungsstichtag rückbezogen werden (z.B. Neumann<br />

in Gosch, KStG, 2.Aufl., §14 Rz.159f.; Dötsch,<br />

Der Konzern 2004, 273 u. 2005, 695 [697]; Dötsch in<br />

Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer, UmwStG<br />

Anh. [SEStEG] Rz.16ff.; Patt, daselbst, §20 UmwStG<br />

[SEStEG] Rz.33; Blumenberg in Herzig [Hrsg.], Organschaft,<br />

S.250 [255]; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/<br />

vanLishaut, UmwStG, Anh.3 Rz.36ff., Rz.39; vanLishaut,<br />

daselbst, §2 Rz.40; Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach,<br />

EStG/KStG, §14 KStG Rz.116; Walter in Ernst &<br />

Young, KStG, §14 Rz.351.1, 357.1, 366; Sinewe,<strong>GmbH</strong>R<br />

2002, 481 [483]; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/<br />

GewStG/UmwStG, §14 KStG Rz.88a; Hörtnagl in<br />

Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5.Aufl., §2<br />

UmwStG Rz.86; Schmitt, daselbst, §23 UmwStG Rz.33;<br />

Bilitewski in Haritz/Menner, UmwStG, 3.Aufl., §23<br />

Rz.28; Slabon, daselbst, §2 Rz.85; Erle/Heurung in Erle/<br />

Sauter, KStG, 3.Aufl., §14 Rz.700ff., 704; Schumacher,<br />

DStR 2006, 124; Orth, Der Konzern 2005, 79 (93);<br />

Gosch, Steuerberater-Jahrbuch 2004/2005, S.325 [327ff.];<br />

Plewka/Schienke, DB 2005, 1703). Der Senat lässt im Ergebnis<br />

(abermals, s. bereits BFH v. 17.9.2003 – I R 55/02,<br />

BFHE 203, 329 = BStBl. II 2004, 534 = <strong>GmbH</strong>R 2004, 60<br />

m. Komm. Sinewe [1] u. Franz [2]) dahinstehen, welche<br />

Auffassung er für richtig hält. Er gibt der Kl.in schon aus<br />

anderen Gründen Recht:<br />

[10] a) <strong>Die</strong> Anteile an der Kl.in wurden von der A-KG als<br />

übertragender Gesellschaft gegen Gewährung von Geschäftsanteilen<br />

am 29.8.2005 in die B-<strong>GmbH</strong> eingebracht.<br />

Steuerlich wurde diese Einbringung nach §20 Abs.1 i.V.m.<br />

Abs.7 u. 8 S.1 UmwStG 1995 auf den 31.12.2004 rückbezogen,<br />

und es wurde sodann am 29.8.2005 zwischen der B-<br />

<strong>GmbH</strong> und der Kl.in mit Wirkung ab dem 1.1.2005 ein Ergebnisabführungsvertrag<br />

geschlossen. Damit wurden die<br />

Voraussetzungen für eine organschaftliche Eingliederung<br />

der Kl.in in die B-<strong>GmbH</strong> nicht erst ab dem 29.8.2005, sondern<br />

„vom Beginn des Wirtschaftsjahres“ an erfüllt.<br />

[11] b) Grund hierfür ist §12 Abs.3 S.1 (i.V.m. §22<br />

Abs.1 u. §4 Abs.2 S.3) UmwStG 1995, wonach im Falle<br />

der Kapitaleinbringung die übernehmende Körperschaft in<br />

die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft<br />

eintritt. Das gilt für jegliche Gewinnermittlungsvorschriften<br />

und damit auch (vgl. §15 KStG 2002)<br />

für die körperschaftsteuerlichen Organschaftsvoraussetzungen:<br />

<strong>Die</strong> Ausgliederung einer Mehrheitsbeteiligung<br />

mit nachfolgender erstmaliger Begründung einer Organschaft<br />

ist möglich, wenn seit dem Beginn des Wirtschaftsjahres<br />

eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragenden<br />

Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden<br />

Rechtsträger besteht und dieses Erfordernis bis<br />

zum Ende des Wirtschaftsjahres aufrechterhalten bleibt.<br />

Sind diese Voraussetzungen bei der übertragenden Körperschaft<br />

(hier: der A-KG) erfüllt, setzt sich dies für die übernehmende<br />

Körperschaft (hier: die B-<strong>GmbH</strong> als nunmehriger<br />

Organträgerin) fort. Das betrifft auch und gerade die<br />

im Streitfall in Rede stehende Anteilseinbringung, ohne<br />

dass es auf die Frage danach, ob die einzelnen Organschaftsvoraussetzungen<br />

– hier diejenige der finanziellen<br />

Eingliederung – bei isolierter Betrachtung einer Rückwir-


46<br />

kung zugänglich sind, noch ankäme. Insbesondere bedarf<br />

es keiner Begründung eines Organschaftsverhältnisses zur<br />

übertragenden Gesellschaft. <strong>Die</strong> Rechtsnachfolge der<br />

übernehmenden Körperschaft in die Position der übertragenden<br />

Körperschaft ist vielmehr eine umfassende (sog.<br />

Fußstapfentheorie).<br />

[12] c) Aus gleichem Grund ist auch dem Einwand des<br />

dem Revisionsverfahren beigetretenen BMF, die in §12<br />

Abs.3 S.1 UmwStG 1995 angeordnete Rechtsnachfolge<br />

verlange im Hinblick auf die Organschaftsvoraussetzungen<br />

des §14 Abs.1 KStG 2002 und hierbei namentlich im<br />

Hinblick auf das Merkmal der finanziellen Eingliederung<br />

ein einschränkendes Rechtsverständnis, weil jenes Eingliederungsmerkmal<br />

ein personenbezogenes, als solches<br />

nachfolgefeindliches Merkmal sei, nicht beizupflichten.<br />

Es trifft zwar zu, dass die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft<br />

eine systematische Durchbrechung des steuerlichen<br />

Subjektprinzips darstellt und deswegen von bestimmten<br />

tatbestandlichen Voraussetzungen abhängt (vgl. auch<br />

BFH v. 3.3.2010 – I R 68/09, BFH/NV 2010, 1132 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 2010, 661). Indem das Umwandlungssteuerrecht<br />

für seinen Regelungsbereich jedoch eine letztlich vorbehaltlose<br />

Rechtsnachfolge in die Position des Rechtsvorgängers<br />

gewährt, wird diese Durchbrechung und werden<br />

deren Voraussetzungen einbezogen. Dadurch, dass Umwandlungen<br />

in Anlehnung an die handelsrechtlichen Vorgaben<br />

und abweichend von den tatsächlichen Gegebenheiten<br />

zudem auch steuerlich prinzipiell rückwirkend beschlossen<br />

werden können, wird dies bestärkt. In beidem<br />

liegt gerade der Unterschied zu jener Situation der sog.<br />

Verlustvererbung nach §10d EStG, über welche der Große<br />

Senat des BFH in seinem Beschl. v. 17.12.2007 – GrS<br />

2/04, BFHE 220, 129 = BStBl. II 2008, 608 zu entscheiden<br />

hatte und auf welchen sich das BMF deshalb zu Unrecht<br />

bezieht.<br />

[13] d) Auch dass die Rückwirkungsfiktion des §2 Abs.1<br />

i.V.m. §20 Abs.7 u. 8 UmwStG 1995 beim Anteilstausch<br />

seit der Novellierung des Umwandlungssteuergesetzes<br />

durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur<br />

Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung<br />

weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006<br />

(BGBl. I 2006, 2782 = BStBl. I 2007, 4) gänzlich ausgeschlossen<br />

ist (vgl. §21 UmwStG 2006; Rabback in Rödder/<br />

Herlinghaus/vanLishaut, UmwStG, §21 Rz.52), rechtfertigt<br />

kein anderes Ergebnis. Es handelt sich hierbei um eine<br />

konstitutive Neuregelung, die im Streitjahr noch nicht galt.<br />

[14] e) <strong>Die</strong> daraus abzuleitenden Konsequenzen entsprechen<br />

gleichermaßen der (ursprünglichen) Verwaltungspraxis<br />

(im sog. Umwandlungssteuererlass in BMF v.<br />

25.3.1998 – IV B 7 - S 1978 - 21/98 / IV B 2 - S 1909 -<br />

33/98, BStBl. I 1998, 268 = <strong>GmbH</strong>R 1998, 444, dort<br />

Tz. Org. 08 i.V.m. Org.04) wie der zwischenzeitlich geänderten<br />

Regelungslage in §23 Abs.1 i.V.m. §4 Abs.2 S.3<br />

und §12 Abs.3 UmwStG 2006 (im Ergebnis ebenso z.B.<br />

Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/vanLishaut,<br />

UmwStG, Anh.3 Rz.39 u. 48f.; Ritzer, daselbst, §23<br />

Rz.54; Dötsch, Der Konzern 2005, 695 [698]; Dötsch in<br />

Dötsch/Jost/Pung/Witt, <strong>Die</strong> Körperschaftsteuer, UmwStG<br />

Anh. [SEStEG] Rz.11 u. Rz.21/6; Bilitewski in Haritz/<br />

Menner, UmwStG, 3.Aufl., §23 Rz.28; Frotscher in Frotscher/Maas,<br />

KStG/GewStG/UmwStG, §14 KStG Rz.89;<br />

Mutscher, daselbst, §23 UmwStG Rz.79ff.; Plewka/<br />

Schienke, DB 2005, 1703; Schumacher, DStR 2006, 124;<br />

Erle/Heurung in Erle/Sauter, KStG, 3.Aufl., §14 Rz.708;<br />

Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG,<br />

Rechtsprechung<br />

Steuerrecht<br />

5.Aufl., §23 UmwStG Rz.33; Neumann in Gosch, KStG,<br />

2.Aufl., §14 Rz.281; im Ergebnis ebenso Widmann in<br />

Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, §23 UmwStG<br />

Rz.46). Sie sind auch im Streitfall zugrunde zu legen und<br />

bedeuten für die hier zu beurteilende Situation, dass die<br />

Kl.in wie vordem in die A-KG – vor der Einbringung der<br />

Kapitalbeteiligung – fortan in die B-<strong>GmbH</strong> – nach jener<br />

Einbringung – i.S.v. §14 Abs.1 S.1 Nr.1 KStG 2002 finanziell<br />

eingegliedert war. Das körperschaftsteuer- und<br />

gewerbesteuerrechtliche Organschaftsverhältnis zu der B-<br />

<strong>GmbH</strong> als Organträgerin bestand mithin am 1.1.2005 und<br />

dauerte während des gesamten Wirtschaftsjahres an.<br />

Doppelbesteuerung: Umqualifizierung von Zinsen<br />

in vGA als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot<br />

im DBA-Schweiz<br />

KStG 1999 a.F. §8 Abs.3 S.2, §8a Abs.1 S.1 Nr.2;<br />

KStG 1999 n.F. §8a Abs.1 S.1 Nr.2 u. Abs.1 S.2; DBA-<br />

Schweiz 1971/1992 Art.9 Abs.1, Art.11 Abs.4, Art.25,<br />

Abs.3<br />

<strong>Die</strong> Umqualifizierung von Zinsen in vGA nach §8a Abs.1<br />

S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./n.F. ist nicht mit dem Diskriminierungsverbot<br />

des Art.25 Abs.3 DBA-Schweiz 1971/1992 vereinbar.<br />

BFH, Urt. v. 8.9.2010 – I R 6/09<br />

n Aus den Gründen:<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

I.<br />

[1] <strong>Die</strong> Klägerin (Kl.in) ist eine AG Schweizer Rechts<br />

mit statutarischem Sitz in der Schweiz, die in den Streitjahren<br />

1999 bis 2001 ihre Geschäftsleitung in Deutschland<br />

hatte. Ihr alleiniger Aktionär war der in der Schweiz<br />

wohnhafte GH.<br />

[2] 1991 erwarb die Kl.in das Eigentum an einem in<br />

Deutschland belegenen Grundstück, das mit einem Hotel<br />

bebaut war. Das Hotel war zunächst an eine <strong>GmbH</strong> verpachtet.<br />

In den Monaten Januar bis April 1998 und in den Streitjahren<br />

wurde es von der Kl.in von Deutschland aus betrieben.<br />

[3] Mit zwei Verträgen v. 1.11.1991 gewährte GH der<br />

Kl.in Darlehen i.H.v. 600.000DM und 150.000DM zu einem<br />

Zinssatz i.H.v. 8v.H. <strong>Die</strong> Verträge sahen vor, dass der<br />

Darlehenszins den wirtschaftlichen Gegebenheiten zum<br />

Beginn eines jeden Jahres angepasst und der Zins nachschüssig<br />

jeweils am 15.1. eines jeden Jahres ausgezahlt<br />

werden sollte. <strong>Die</strong> Laufzeiten der Darlehen waren bis zum<br />

30.9.2001 fest vereinbart, danach sollten die Kredite in<br />

Darlehen von unbestimmter Dauer umgewandelt werden.<br />

In den Jahren 1992 bis 2001 gewährten GH (1993 bis<br />

2001) sowie die ebenfalls in dessen alleinigem Anteilsbesitz<br />

stehende H-AG, Schweiz, (1992) der Kl.in weitere,<br />

vereinbarungsgemäß jeweils mit 6v.H. zu verzinsende<br />

Darlehen i.H.v. insgesamt 2.214.623DM. <strong>Die</strong> Darlehensverträge<br />

enthalten hinsichtlich der Rückzahlungstermine<br />

die Bemerkung „gem. gegenseitiger Vereinbarung, unter<br />

Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten“. Sicherheiten<br />

wurden nicht gewährt. Eine Auszahlung der<br />

Zinsbeträge erfolgte nicht, die Zinsen wurden in den<br />

Streitjahren dem Darlehenskonto von GH am Jahresende<br />

gutgeschrieben und wieder verzinst.


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 47<br />

[4] Aufgrund von Verlusten in den Vorjahren betrug das<br />

Eigenkapital der Kl.in in den Streitjahren ./.2.338.349DM<br />

(1999), ./.2.664.318DM (2000) und ./.2.935.983DM<br />

(2001).<br />

[5] Insgesamt machte die Kl.in aus den vorgenannten<br />

Darlehen Zinsen i.H.v. 163.318DM (1999), 174.006DM<br />

(2000) und 192.865DM (2001) als Betriebsausgaben geltend.<br />

Alle Zinsen waren nach einem Zinssatz von 6v.H.<br />

berechnet.<br />

[6] Das FA behandelte die Zinsen hingegen als verdeckte<br />

Gewinnausschüttungen (vGA) und rechnete sie dem Gewinn<br />

der Kl.in gemäß §8 Abs.3 S.2 KStG 1999 außerbilanziell<br />

hinzu. Unabhängig davon seien die Darlehenszinsen<br />

ohnehin auch als Fremdkapitalvergütungen i.S.v. §8a<br />

Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./n.F. zu behandeln.<br />

[7] <strong>Die</strong> Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide<br />

war überwiegend erfolgreich. Das FG verneinte<br />

das Vorliegen einer vGA i.S.v. §8 Abs.3 S.2 KStG 1999<br />

und sah die an sich einschlägigen Vorschriften in §8a<br />

Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./n.F. als unanwendbar an,<br />

weil sie gegen Art.25 Abs.3 des Abkommens zwischen der<br />

Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen<br />

Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung<br />

auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und<br />

vom Vermögen v. 11.8.1971 (BGBl. II 1972, 1022 =<br />

BStBl. I 1972, 519) i.d.F. des Protokolls v. 21.12.1992<br />

(BGBl. II 1993, 1888 = BStBl. I 1993, 928) – DBA-<br />

Schweiz 1971/1992 – verstießen (FG Köln v. 22.10.2008<br />

– 13K1164/05, EFG 2009, 509). ...<br />

II.<br />

[11] <strong>Die</strong> Revision ist unbegründet. Das FG hat in den gewährten<br />

Zinszahlungen zu Recht keine vGA gemäß §8<br />

Abs.3 S.2 KStG 1999 gesehen (2.). Es hat auch zu Recht<br />

angenommen, dass §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./<br />

n.F. gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot<br />

in Art.25 Abs.3 DBA-Schweiz 1971/1992 verstößt<br />

und deshalb unanwendbar bleibt (3.).<br />

1. Unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht<br />

[12] Nach §1 Abs.1 Nr.1 KStG 1999 sind Kapitalgesellschaften,<br />

die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland<br />

haben, unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. <strong>Die</strong><br />

Kl.in ist nach den insoweit für den Senat bindenden Feststellungen<br />

(§118 Abs.2 FGO) eine nach Schweizer Recht<br />

errichtete Kapitalgesellschaft, deren Geschäftsleitung sich<br />

in den Streitjahren im Inland befand. Auch ausländische<br />

Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland können<br />

unbeschränkt steuerpflichtig sein (vgl. BFH v.<br />

23.6.1993 – I R 31/92, BFH/NV 1994, 661 = <strong>GmbH</strong>R<br />

1994, 900 [LS]; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BFHE 188,<br />

251 = BStBl. II 1999, 437 = <strong>GmbH</strong>R 1999, 788; v.<br />

29.1.2003 – I R 6/99, BFHE 201, 463 = BStBl. II 2004,<br />

1043 = <strong>GmbH</strong>R 2003, 722; s. auch BFH v. 23.6.1992 – IX<br />

R 182/87, BFHE 168, 285 = BStBl. II 1992, 972 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 1993, 184; Wassermeyer in Deutsche Steuerjuristische<br />

Gesellschaft, Bd.20, S.83).<br />

2. Zinszahlungen sind keine vGA<br />

[13] Unter einer vGA i.S.d. §8 Abs.3 S.2 KStG 1999 ist<br />

bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung<br />

(verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch<br />

das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die<br />

Steuerrecht<br />

Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß §4 Abs.1 S.1 EStG<br />

– i.V.m. §8 Abs.1 KStG 1999 und für die Gewerbesteuer<br />

mit §7 GewStG 1999 – auswirkt und in keinem Zusammenhang<br />

zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. z.B.<br />

BFH v. 4.9.2002 – I R 48/01, BFH/NV 2003, 347; v.<br />

22.10.2003 – I R 37/02, BFHE 204, 96 = BStBl. II 2004,<br />

121 = <strong>GmbH</strong>R 2004, 187, jeweils m.w.N.). Für den größten<br />

Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung<br />

durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen,<br />

wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen<br />

Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der<br />

Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters<br />

einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte<br />

(st.Rspr. des Senats, vgl. BFH v. 16.3.1967 – I261/63,<br />

BFHE 89, 208 = BStBl. III 1967, 626 = <strong>GmbH</strong>R 1967,<br />

237 [LS]). Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender,<br />

so kann eine vGA auch dann anzunehmen<br />

sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt,<br />

für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen,<br />

zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten<br />

Vereinbarung fehlt (st.Rspr., vgl. BFH v. 17.12.1997 – I R<br />

70/97, BFHE 185, 224 = BStBl. II 1998, 545 = <strong>GmbH</strong>R<br />

1998, 647, m.w.N.). Außerdem muss der Vorgang geeignet<br />

sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug<br />

i.S.d. §20 Abs.1 Nr.1 S.2 EStG auszulösen (BFH v.<br />

7.8.2002 – I R 2/02, BFHE 200, 197 = BStBl. II 2004,<br />

131 = <strong>GmbH</strong>R 2003, 118 m. Komm. Rohde); diese Einschränkung<br />

spielt jedoch im Streitfall keine Rolle.<br />

[14] <strong>Die</strong>sen Anforderungen, die an die Annahme einer<br />

vGA zu stellen sind, genügen die im Streitfall in Rede stehenden<br />

Darlehensverträge und die daraufhin seitens der<br />

Kl.in gezahlten Zinsen nicht. Das hat das FG erschöpfend<br />

und beanstandungsfrei ausgeführt und ist unter den Beteiligten<br />

im Kern auch nicht mehr streitig. Das beigetretene<br />

BMF macht allerdings im Revisionsverfahren geltend, die<br />

geschlossenen Verträge zwischen der Kl.in und GH seien<br />

zivilrechtlich unwirksam. <strong>Die</strong> Kl.in als Schweizer Kapitalgesellschaft<br />

sei infolge der Verlagerung des Orts ihrer tatsächlichen<br />

Geschäftsleitung von der Schweiz nach<br />

Deutschland fortan nicht als Kapitalgesellschaft, sondern<br />

als rechtsfähige Personengesellschaft anzusehen, für die –<br />

da GH Alleingesellschafter sei – die Regelungen für Einzelkaufleute<br />

gälten. Das ergebe sich aus internationalem<br />

Gesellschaftsrecht und der danach gegenüber sog. Drittstaaten<br />

– wie hier der Schweiz – fortgeltenden „Sitztheorie“<br />

(vgl. dazu BGH v. 8.10.2009 – IX ZR 227/06,<br />

<strong>GmbH</strong>R 2010, 211, m.w.N.). Eine natürliche Person, wie<br />

vorliegend GH, könne aber nicht mit sich selbst wirksame<br />

Verträge abschließen. Konsequenz sei die Annahme von<br />

vGA.<br />

[15] Dem ist nicht zu folgen. <strong>Die</strong> erwähnte Indizwirkung,<br />

die zivilrechtlich unwirksamen Vereinbarungen zwischen<br />

einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter<br />

für die Annahme einer vGA i.S.v. §8 Abs.3<br />

S.2 KStG 1999 beizumessen sein kann (s. z.B. BFH v.<br />

23.10.1996 – I R 71/95, BFHE 181, 328 = BStBl. II 1999,<br />

35 = <strong>GmbH</strong>R 1997, 34; s. auch BFH v. 12.5.2009 – IX R<br />

46/08, BFHE 225, 112, zur entsprechenden Rechtslage bei<br />

sog. Angehörigenverträgen, jeweils m.w.N.), greift unter<br />

den beschriebenen Gegebenheiten des Streitfalls unabhängig<br />

davon, ob das BMF in seiner gesellschaftsrechtlichen<br />

Einschätzung richtig liegt, nicht. Denn auch dann bliebe<br />

es dabei, dass die Kl.in als Steuersubjekt existent wäre.<br />

Vereinbarungen, die sie mit ihrem Gesellschafter trifft,<br />

sind dementsprechend aus steuerlicher Sicht zu akzeptie-


48<br />

ren. Stellt man demgegenüber allein auf die gesellschaftsrechtliche<br />

Existenz und Rechtsfähigkeit der Gesellschaft<br />

und deren etwaiges Fehlen ab, entfiele andernfalls auch<br />

die Eignung des beanstandeten Vorteils, beim Empfänger<br />

eine gesellschaftlich veranlasste Zuwendung als Kapitaleinkunft<br />

i.S.v. §20 Abs.1 Nr.1 S.2 EStG auszulösen. Unabhängig<br />

davon kann es weder der Kl.in noch GH angelastet<br />

werden, die komplexe international-gesellschaftsrechtliche<br />

Regelungslage nicht im Vorwege hinreichend<br />

erkannt und durchdrungen zu haben. Auch das spricht dagegen,<br />

in einer etwaigen zivilrechtlichen Unwirksamkeit<br />

ein tragfähiges Beweisanzeichen gegen die Ernstlichkeit<br />

des Vereinbarten zu erblicken (s. auch dazu die zitierten<br />

Rspr.-Nachw.).<br />

[16] In Anbetracht dessen kann unbeantwortet bleiben, ob<br />

die besonderen Anforderungen, die steuerlich an die Leistungsbeziehung<br />

zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren<br />

beherrschenden Gesellschafter gestellt werden, möglicherweise<br />

aus abkommensrechtlichen Gründen des Art.9<br />

Abs.1 u. Art.11 Abs.6 des Musterabkommens der Organisation<br />

for Economic Cooperation and Development<br />

– OECD-MustAbk – (hier Art.9 u. Art.11 Abs.4 DBA-<br />

Schweiz 1971/1992) ohnehin nicht oder nur eingeschränkt<br />

anwendbar sind (vgl. dazu z.B. BFH v. 9.11.2005 – I R<br />

27/03, BFHE 211, 493 = BStBl. II 2006, 564 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2006, 444; FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, EFG<br />

2008, 161, jeweils m.w.N.).<br />

3. Behandlung als Fremdkapitalvergütung verstößt<br />

gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot<br />

[17] Nach §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F. (i.V.m.<br />

§8 Abs.1 KStG 1999, §7 GewStG 1999) gelten Vergütungen<br />

für Fremdkapital, das eine unbeschränkt steuerpflichtige<br />

Kapitalgesellschaft von einem nicht zur Anrechnung<br />

von Körperschaftsteuer berechtigten Anteilseigner erhalten<br />

hat, der zu einem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr wesentlich<br />

am Grund- oder Stammkapital beteiligt gewesen ist,<br />

dann als vGA, wenn eine in einem Bruchteil des Kapitals<br />

bemessene Vergütung vereinbart ist und soweit das<br />

Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahres<br />

das Dreifache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners<br />

übersteigt. <strong>Die</strong> Hinzurechnung als vGA unterbleibt,<br />

wenn die Kapitalgesellschaft dieses Fremdkapital bei<br />

sonst gleichen Umständen auch von einem fremden Dritten<br />

erhalten hätte.<br />

[18] Nach §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 n.F. (i.V.m.<br />

§8 Abs.1 KStG 1999, §7 GewStG 1999) stellen Vergütungen<br />

für Fremdkapital, das eine unbeschränkt steuerpflichtige<br />

Kapitalgesellschaft von einem Anteilseigner erhalten<br />

hat, der zu einem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr wesentlich<br />

am Grund- oder Stammkapital beteiligt gewesen<br />

ist, vGA dar, wenn eine in einem Bruchteil des Kapitals<br />

bemessene Vergütung vereinbart gewesen ist und soweit<br />

das Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahres<br />

das Eineinhalbfache des anteiligen Eigenkapitals des<br />

Anteilseigners übersteigt. Zu einer solchen Umqualifizierung<br />

kommt es auch dann, wenn die Vergütung an eine<br />

dem Anteilseigner nahe stehende Person i.S.d. §1 Abs.2<br />

AStG oder einen Dritten gezahlt worden ist, der auf den<br />

Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person hat<br />

zurückgreifen können. Auch hier unterbleibt die Hinzurechnung<br />

als vGA, wenn die Kapitalgesellschaft nachweisen<br />

kann, dass sie das Fremdkapital unter sonst gleichen<br />

Umständen auch von einem fremden Dritten erhalten hät-<br />

Rechtsprechung<br />

Steuerrecht<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

te. Nach §8a Abs.1 S.2 KStG 1999 n.F. unterbleibt eine<br />

Hinzurechnung zudem dann, wenn die Vergütung bei dem<br />

Anteilseigner im Inland im Rahmen einer Veranlagung erfasst<br />

worden ist.<br />

[19] a) <strong>Die</strong> Beteiligten gehen übereinstimmend davon<br />

aus, dass die Voraussetzungen dieser Regelungen erfüllt<br />

sind. Der Senat hat auch in diesem Punkt keine Veranlassung,<br />

etwas anderes anzunehmen. <strong>Die</strong> Zinsen, welche die<br />

Kl.in in den Streitjahren an GH gezahlt hat, waren folglich<br />

dem Gewinn der Kl.in als vGA außerbilanziell hinzuzurechnen.<br />

[20] b) Das FG hat der Klage der Kl.in dennoch entsprochen,<br />

weil es in der Umqualifizierung der Zinsen in vGA<br />

nach Maßgabe von §8a KStG 1999 in seinen jeweiligen<br />

für die Streitjahre einschlägigen Fassungen einen Verstoß<br />

gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot<br />

des Art.25 Abs.3 DBA-Schweiz 1971/1992 angenommen<br />

hat. Dem ist beizupflichten (ebenso – bezogen auf die entsprechende<br />

Regelung des Art.24 Abs.5 OECD-MustAbk –<br />

z.B. Hageböke in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA,<br />

Art.24 OECD-MA Rz.108.1; Rust in Vogel/Lehner, DBA,<br />

5.Aufl., Art.24 Rz.165a; Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung<br />

im europäischen Konzern, 2005, S.41ff.;<br />

Hirsch, Gesellschafterfremdfinanzierung inländischer Kapitalgesellschaften<br />

durch ausländische Anteilseigner,<br />

1999, S.295; Gosch, KStG, 1.Aufl., §8a Rz.29).<br />

[21] aa) <strong>Die</strong> Unternehmen eines Vertragsstaats, deren<br />

Kapital ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar, einer<br />

in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Person oder<br />

mehreren solchen Personen gehört oder ihrer Kontrolle<br />

unterliegt, dürfen nach Art.25 Abs.3 DBA-Schweiz 1971/<br />

1992 in dem erstgenannten Vertragsstaat weder einer Besteuerung<br />

noch einer damit zusammenhängenden Verpflichtung<br />

unterworfen werden, die anders oder belastender<br />

sind als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden<br />

Verpflichtungen, denen andere ähnliche Unternehmen<br />

des erstgenannten Staats unterworfen sind oder unterworfen<br />

werden können. Das ist unter den hier in Rede stehenden<br />

Gegebenheiten der Fall.<br />

[22] aaa) <strong>Die</strong> Kl.in ist ein Unternehmen eines Vertragsstaats<br />

i.S.v. Art.25 Abs.3 i.V.m. Art.3 Abs.1 Buchst.f<br />

DBA-Schweiz 1971/1992. Sie hat ihren Sitz in der<br />

Schweiz, hatte jedoch ihre Geschäftsleitung in den Streitjahren<br />

in Deutschland und war damit nach Lage der Dinge<br />

in beiden Vertragsstaaten unbeschränkt steuerpflichtig und<br />

zugleich i.S.v. Art.4 Abs.1 DBA-Schweiz 1971/1992 in<br />

beiden Vertragsstaaten ansässig. Eine derart doppelansässige<br />

Gesellschaft gilt aus Abkommenssicht als in dem<br />

Vertragsstaat ansässig, in dem sich der Mittelpunkt ihrer<br />

tatsächlichen Geschäftsleitung befindet (Art.4 Abs.8 S.1<br />

DBA-Schweiz 1971/1992). <strong>Die</strong>s war nach den tatrichterlichen<br />

Feststellungen in den Streitjahren in Deutschland.<br />

<strong>Die</strong> Kl.in kann also den Diskriminierungsschutz des<br />

Art.25 Abs.3 DBA-Schweiz 1971/1992 beanspruchen.<br />

[23] bbb) Für die der Kl.in nachteilige Umqualifizierung<br />

der geleisteten Zinsen in vGA unterscheiden sowohl §8a<br />

Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F. als auch §8a Abs.1 S.1<br />

Nr.2 i.V.m. S.2 KStG 1999 n.F. in ihren tatbestandlichen<br />

Voraussetzungen im Ergebnis danach, ob es sich um eine<br />

im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft mit<br />

einem nicht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten<br />

Anteilseigner bzw. mit einem im Inland veranlagten<br />

Anteilseigner handelt. Ist dies der Fall, unterbleibt<br />

die Umqualifizierung und Hinzurechnung. Damit werden<br />

stets und insbesondere diejenigen Unternehmen eines Ver-


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 49<br />

tragsstaats, deren Kapital ganz oder teilweise, unmittelbar<br />

oder mittelbar einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen<br />

Person oder mehreren solchen Personen gehört oder<br />

ihrer Kontrolle unterliegt, gegenüber entsprechenden Unternehmen<br />

mit im Inland ansässigen Anteilseignern steuerlich<br />

benachteiligt. Dass die tatbestandlichen Unterscheidungsmerkmale<br />

der fehlenden Anrechnungsberechtigung<br />

zur Körperschaftsteuer (in §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG<br />

1999 a.F.) bzw. der fehlenden Veranlagung (in §8a Abs.1<br />

S.1 Nr.2 i.V.m. S.2 KStG 1999 n.F.) unmittelbar nicht auf<br />

die Ansässigkeit der Anteilseigner abstellen, tut insoweit<br />

nichts zur Sache. Vielmehr ist unbeschadet aller sonstigen<br />

Unterschiede zwischen den unionsrechtlichen Diskriminierungsverboten<br />

einerseits und den abkommensrechtlichen<br />

Diskriminierungsverboten andererseits jedenfalls in<br />

diesem Punkt vollumfänglich auf die insoweit – was den<br />

Vergleichsmaßstab anbelangt – parallele gemeinschaftsrechtliche<br />

Sicht zu verweisen (s. auch BFH v. 29.1.2003 –<br />

I R 6/99, BFHE 201, 463 = BStBl. II 2004, 1043 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 2003, 722), wie sie sich aus dem Urt. des ...<br />

EuGH v. 12.12.2002 – C-324/00 – „Lankhorst-Hohorst“,<br />

Slg. 2002, I-11779 = <strong>GmbH</strong>R 2003, 44 ergibt. Ausschlaggebend<br />

ist hier wie dort, dass sowohl von der fehlenden<br />

Nichtanrechnungsberechtigung als auch von der fehlenden<br />

Veranlagungsmöglichkeit vorrangig im anderen Vertragsstaat<br />

ansässige Anteilseigner betroffen sind und dadurch<br />

im Ergebnis eine diskriminierende Ungleichbehandlung<br />

von Kapitalgesellschaften mit in- und ausländischen Anteilseignern<br />

bewirkt wird. Damit ist die steuerliche Behandlung<br />

von Inlandsgesellschaften mit in der Schweiz<br />

ansässigen Anteilseignern i.S.v. Art.25 Abs.3 DBA-<br />

Schweiz 1971/1992 – und zwar unmittelbar und nicht lediglich<br />

mittelbar – anders oder belastender als die Besteuerung,<br />

denen – nach Tätigkeit ebenso wie nach<br />

Rechtsform (vgl. dazu z.B. Rust in Vogel/Lehner, DBA,<br />

5.Aufl., Art.24 Rz.168)– „andere ähnliche Unternehmen“<br />

in Deutschland unterworfen sind oder unterworfen werden<br />

können. Der Umstand, dass §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG<br />

1999 a.F./n.F. in bestimmten Situationen gleichermaßen<br />

auch für Gesellschaften mit inländischen Anteilseignern<br />

einschlägig werden kann, tritt dahinter zurück; Zielrichtung<br />

der genannten Vorschriften zur steuerlichen Beschränkung<br />

der Gesellschafter-Fremdfinanzierung bei Kapitalgesellschaften<br />

ist nach Regelungssinn und -zweck in<br />

erster Linie und in der tatsächlichen Auswirkung die Erfassung<br />

grenzüberschreitender Sachverhalte der Gesellschafter-Fremdfinanzierung<br />

mit ausländischen Anteilseignern.<br />

Konsequenz dieser Ungleichbehandlung und des daraus<br />

abzuleitenden Verstoßes gegen Art.25 Abs.3 DBA-<br />

Schweiz 1971/1992 ist die Nichtanwendung der diskriminierenden<br />

Steuerregelungen.<br />

[24] bb) Das Vorbringen der Revision ist nicht geeignet,<br />

an diesem Ergebnis etwas zu ändern. Das betrifft namentlich<br />

das Vorbringen, eine schädliche Ungleichbehandlung<br />

scheide schon deswegen aus, weil die durch §8a KStG<br />

1999 a.F./n.F. bewirkte Rechtsfolge – die Umqualifizierung<br />

der Zinsen in vGA und deren außerbilanzielle Hinzurechnung<br />

– in Einklang mit den allgemeinen Verrechnungspreisgrundsätzen<br />

stünde, wie sie in Art.9 Abs.1 u.<br />

Art.11 Abs.6 OECD-MustAbk und in Einklang damit<br />

auch in Art.9 u. Art.11 Abs.4 DBA-Schweiz 1971/1992<br />

niedergelegt seien.<br />

[25] <strong>Die</strong>se Abkommensregelungen betreffen den sog.<br />

Fremdvergleichsgrundsatz („dealing at arm’s length“) bei<br />

Unternehmen oder Personen, die nach Maßgabe qualifi-<br />

Steuerrecht<br />

zierter, auch im Streitfall zwischen der Kl.in und der H-<br />

AG gegebener Merkmale miteinander verbunden sind<br />

(Art.9 DBA-Schweiz 1971/1992), oder Schuldner und<br />

Gläubiger, zwischen denen – wie im Streitfall zwischen<br />

der Kl.in und ihrem Alleingesellschafter GH – besondere<br />

Beziehungen bestehen (Art.11 Abs.4 DBA-Schweiz<br />

1971/1992). Sind solche miteinander verbundene Unternehmen<br />

oder Personen in ihren kaufmännischen oder finanziellen<br />

Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen<br />

gebunden, die von denen abweichen, die unabhängige<br />

Unternehmen miteinander vereinbaren würden,<br />

dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese<br />

Bedingungen erzielt hätte, wegen jener Bedingungen<br />

aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens<br />

zugerechnet oder entsprechend besteuert werden (Art.9<br />

DBA-Schweiz 1971/1992). Entsprechendes regelt Art.11<br />

Abs.4 DBA-Schweiz 1971/1992 für Schuldner und Gläubiger,<br />

zwischen denen besondere Beziehungen bestehen:<br />

Übersteigen wegen dieser Beziehungen die gezahlten Zinsen,<br />

gemessen an den zugrunde liegenden Forderungen,<br />

den Betrag, den Schuldner und Gläubiger ohne diese Beziehungen<br />

vereinbart hätten, so wird Art.11 DBA-<br />

Schweiz 1971/1992 nur auf diesen letzten Betrag angewandt<br />

(Art.11 Abs.4 S.1 DBA-Schweiz 1971/1992) und<br />

kann der übersteigende Betrag nach dem Recht jedes Vertragsstaats<br />

und unter Berücksichtigung der anderen Bestimmungen<br />

dieses Abkommens besteuert werden (Art.11<br />

Abs.4 S.2 DBA-Schweiz 1971/1992).<br />

[26] Den wiedergegebenen abkommensrechtlichen Berichtigungserlaubnissen<br />

soll nach Ansicht der Finanzverwaltung<br />

auch §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./n.F.<br />

unterfallen. Denn in Nr.3 des OECD-Musterkommentars<br />

(OECD-MustKomm) 2008 zu Art.9 OECD-MustAbk<br />

wird die Auffassung vertreten, dass „zwischen den Abkommen<br />

und den innerstaatlichen Regelungen über die<br />

Unterkapitalisierung eine Wechselwirkung (besteht), die<br />

für den Anwendungsbereich des Artikels von Bedeutung“<br />

ist. <strong>Die</strong>se Auffassung ist seit 1992 in den OECD-Musterkommentar<br />

aufgenommen worden. Es mag dahinstehen,<br />

ob sie gleichwohl auch für das ursprünglich schon im Jahre<br />

1971 vereinbarte DBA-Schweiz 1971/1992 bedeutsam<br />

ist (vgl. zu einem derartigen sog. dynamischen in Abgrenzung<br />

zu einem sog. statischen Verständnis aber auch z.B.<br />

BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BFHE 229, 322). Es mag<br />

ebenfalls dahinstehen, ob dann, wenn man dies bejahen<br />

würde, §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./n.F. infolge<br />

der in §8a Abs.1 S.2 KStG 1999 a.F./§8a Abs.1 S.3<br />

KStG 1999 n.F. enthaltenen, dem Steuerpflichtigen eingeräumten<br />

Nachweismöglichkeit, dass die Zinszahlung mit<br />

dem Fremdvergleichsmaßstab übereinstimmt, tatsächlich<br />

in Einklang mit Art.9 Abs.1 und Art.11 Abs.6 OECD-<br />

MustAbk stünde (vgl. dazu z.B. Rust in Vogel/Lehner,<br />

DBA, 5.Aufl., Art.24 Rz.147; Wassermeyer in Debatin/<br />

Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art.9 MA Rz.107;<br />

Gosch, KStG, 1.Aufl., §8a Rz.29; Köplin/Koch in Erle/<br />

Sauter, KStG, 2.Aufl., §8a KStG Rz.19ff.; ferner Wunderlich<br />

in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/<br />

USA, Art.24 Rz.42, jeweils m.w.N.). Und dahinstehen<br />

mag schließlich, ob es sich bei §8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG<br />

1999 a.F./n.F. bezogen auf vorgängig abgeschlossene Abkommen<br />

zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht im<br />

Ergebnis um ein faktisches sog. Treaty override handelt,<br />

dessen völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Zulässigkeit<br />

bezweifelt werden kann (vgl. auch dazu BFH v.<br />

19.5.2010 – I B 191/09, BFHE 229, 322; s. zu §8a KStG<br />

auch Knobbe-Keuk, DB 1993, 60).


50<br />

[27] Denn unabhängig davon kann von einem derartigen<br />

tatbestandlichen Vorbehalt für das DBA-Schweiz 1971/<br />

1992 keine Rede sein. Es trifft zwar zu, dass solche Regelungsvorbehalte<br />

in Art.24 Abs.4 OECD-MustAbk enthalten<br />

sind. Nach dessen S.1 sind u.a. Zinsen, die ein Unternehmen<br />

eines Vertragsstaats an eine im anderen Vertragsstaat<br />

ansässige Person zahlt, bei der Ermittlung der steuerpflichtigen<br />

Gewinne dieses Unternehmens unter den gleichen<br />

Bedingungen wie Zahlungen an eine im erstgenannten<br />

Staat ansässige Person zum Abzug zuzulassen, vorausgesetzt,<br />

es ist nicht Art.9 Abs.1, Art.11 Abs.6 oder<br />

Art.12 Abs.4 OECD-MustAbk anzuwenden. Unterstellt,<br />

§8a Abs.1 S.1 Nr.2 KStG 1999 a.F./n.F. ist mit Art.9<br />

Abs.1 und Art.11 Abs.6 OECD-MustAbk vereinbar, entfiele<br />

folglich auch ein Verstoß gegen Art.24 Abs.4<br />

OECD-MustAbk (s. dazu Rust, ebenda; s. auch Nr.79 u.<br />

Nr.74 OECD-MustKomm 1992/2008 zu Art.24 Abs.4<br />

OECD-MustAbk). Eine derartige Abkommensregelung,<br />

wie sie Art.24 Abs.4 OECD-MustAbk vorgibt, fehlt im<br />

DBA-Schweiz 1971/1992 indessen. Aus diesem Fehlen<br />

lässt sich jedoch keineswegs ableiten, dass hinsichtlich<br />

von Zinszahlungen ein Diskriminierungsschutz nach dem<br />

Willen der Vertragsstaaten des DBA-Schweiz 1971/1992<br />

von vornherein entzogen wäre: Das OECD-Musterabkommen<br />

stellt, wie schon das Wort „Musterabkommen“ belegt,<br />

keine zwingende inhaltliche Verständigungsvorgabe<br />

für die Vertragsstaaten dar; etwaige Abweichungen lassen<br />

mithin keinen Rückschluss auf inhaltliche Einschränkungen<br />

zu. Es gibt deshalb auch keinen Grund, Zinszahlungen<br />

vom Anwendungsbereich des Art.25 Abs.3 DBA-<br />

Schweiz 1971/1992 auszunehmen. Überdies wurde Art.24<br />

Abs.4 OECD-MustAbk erst seit 1977 Bestandteil des<br />

Musterabkommens und war darin vordem – und damit<br />

auch bei Abschluss des DBA-Schweiz 1971 in seiner ursprünglichen<br />

und insoweit maßgeblichen Fassung – nicht<br />

enthalten (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer,<br />

Doppelbesteuerung, Art.24 MA Rz.9). Auch für die<br />

Annahme eines entsprechenden – ungeschriebenen –<br />

Anwendungsvorrangs von Art.9 Abs.1 sowie Art.11<br />

Abs.6 OECD-MustAbk (hier Art.9 u. Art.11 Abs.4<br />

DBA-Schweiz 1971/1992) zum Nachteil von Art.24<br />

Abs.5 OECD-MustAbk (und hier von Art.25 Abs.3<br />

DBA-Schweiz 1971/1992) ist nicht nur vom Regelungswortlaut<br />

her „auf den ersten Blick“ (so aber neuerdings<br />

Nr.79 S.1 OECD-MustKomm 2008 zu Art.24 Abs.5<br />

OECD-MustAbk), sondern auch in historischer und systematischer<br />

Sicht nichts ersichtlich. Es verbleibt deswegen<br />

allein bei denjenigen Anforderungen an eine Abkommensgleichbehandlung,<br />

wie sie in Art.25 Abs.3 DBA-<br />

Schweiz 1971/1992 enthalten sind (ebenso zu Art.24<br />

Abs.5 OECD-MustAbk z.B. Rust in Vogel/Lehner, DBA,<br />

5.Aufl., Art.24 Rz.165a; von Pannwitz in Haase, AStG/<br />

DBA, Art.24 MA Rz.7; unklar Wassermeyer in Debatin/<br />

Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art.24 MA Rz.102).<br />

Und diese Voraussetzungen sind, wie dargestellt, hier erfüllt.<br />

Doppelbesteuerung: Abkommensrechtliche<br />

Behandlung von Lizenzzahlungen als Sondervergütungen<br />

EStG 1997/2002 §15 Abs.1 S.1 Nr.2 S.1; EStG 2002<br />

i.d.F. des JStG 2009 §50d Abs.10 S.1, §52 Abs.59a S.8;<br />

GewStG 1999/2002 §7 S.1; GewStG 2002 i.d.F. des JStG<br />

2009 §7 S.6, §36 Abs.5 S.2; DBA-USA 1989 a.F. Art.7<br />

Abs.1, Abs.2 u. Abs.6, Art.12 Abs.1 u. Abs.3<br />

Rechtsprechung<br />

Steuerrecht<br />

Erhält ein in den USA ansässiger Gesellschafter einer deutschen<br />

Personengesellschaft Lizenzvergütungen für von ihm<br />

der Gesellschaft eingeräumte Rechte, so dürfen diese Vergütungen<br />

nach Art.12 Abs.1 DBA-USA 1989 a.F. nur in den<br />

USA und nicht in Deutschland besteuert werden (Anschluss<br />

an BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BFHE 219, 518 = BStBl. II<br />

2009, 356 = <strong>GmbH</strong>R 2008, 447 [LS]). <strong>Die</strong> in §50d Abs.10<br />

S.1 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2009 angeordnete Umqualifizierung<br />

von Sondervergütungen i.S.v. §15 Abs.1 S.1 Nr.2<br />

S.1 zweiter Halbsatz EStG 1997/2002 in abkommensrechtliche<br />

Unternehmensgewinne ändert daran nichts (gegen BMF<br />

v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905<br />

= BStBl. I 2010, 354, dort Tz. 2.2.1 u. 5.1).<br />

BFH, Urt. v. 8.9.2010 – I R 74/09<br />

n Aus den Gründen:<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

I.<br />

[1] <strong>Die</strong> Klägerin (Kl.in) ist eine zum 30.6.2001 formwechselnd<br />

aus einer <strong>GmbH</strong>, der H-<strong>GmbH</strong>, entstandene<br />

KG. An ihr sind seit 10.8.2001 Wirtschaftsprüfer und<br />

Steuerberater GW mit 74,9v.H. sowie die in den USA ansässige<br />

Beigeladene, eine Inc., mit 25,1v.H. als Kommanditisten<br />

und eine <strong>GmbH</strong> als Komplementärin beteiligt.<br />

[2] Mit Vertrag v. 7.5.2001 gewährte die Beigeladene als<br />

Lizenzgeberin der H-<strong>GmbH</strong> als Lizenznehmerin die Erlaubnis,<br />

ihre Produkte zu verkaufen, zu vermarkten und zu<br />

verteilen und <strong>Die</strong>nstleistungen zu erbringen sowie die<br />

Marke und den Handelsnamen der Beigeladenen zu benutzen.<br />

Im Gegenzug verpflichtete sich die H-<strong>GmbH</strong> zur<br />

Zahlung einer Lizenzgebühr von 8v.H. auf den Jahresumsatz<br />

der H-<strong>GmbH</strong> für alle Geschäfte, die sich auf Produkte<br />

oder <strong>Die</strong>nstleistungen oder die Verbindung der Marke des<br />

Handelsnamens der Beigeladenen beziehen.<br />

[3] Das FA gelangte zu der Auffassung, dass es sich in<br />

den Streitjahren 2001 bis 2003 bei den Lizenzzahlungen<br />

der Kl.in an die an ihr als Gesellschafterin beteiligte Beigeladene<br />

um Sondervergütungen i.S.d. §15 Abs.1 S.1<br />

Nr.2 S.1 Halbs.2 EStG 1997/2002 handele, die nach §49<br />

Abs.1 Nr.2 Buchst.a EStG 1997/2002 (i.V.m. §2 Nr.1<br />

und §8 Abs.1 KStG 1999/2002) deren inländischer Betriebsstätte<br />

zuzurechnen seien. Aufgrund der Umsatzverhältnisse<br />

stehe die insoweit maßgebliche wirtschaftliche<br />

Zugehörigkeit der den Lizenzen zugrunde liegenden<br />

Rechte zum (Sonder-)Betriebsvermögen der deutschen<br />

Betriebsstätte der Beigeladenen fest. Da das Abkommen<br />

zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten<br />

Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung<br />

und zur Verhinderung der Steuerverkürzung<br />

auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen<br />

und einiger anderer Steuern v. 29.8.1989 (BGBl. II<br />

1991, 355 = BStBl. I 1991, 94) – DBA-USA 1989 a.F. –<br />

die Einkünfteeinstufung nicht ausdrücklich regele, bestimme<br />

sich die Zugehörigkeit zur Betriebsstätte nach dem jeweiligen<br />

Steuerrecht des Anwendestaats. Danach sei aus<br />

deutscher Sicht maßgebend, dass diese Rechte der Tätigkeit<br />

der inländischen Betriebsstätte dienten. Aufgrund der<br />

Zuordnung der Lizenzen zur inländischen Betriebsstätte<br />

sei – abweichend von Art.12 Abs.1 DBA-USA 1989 a.F.<br />

(Lizenzgebühren), wonach Lizenzgebühren im Ansässigkeitsstaat<br />

der die Lizenzgebühren beziehenden Person<br />

(hier: den USA) zu besteuern sind – über Art.12 Abs.3<br />

DBA-USA 1989 a.F. (sog. Betriebsstättenvorbehalt) die<br />

Vorschrift des Art.7 DBA-USA 1989 a.F. (gewerbliche<br />

Gewinne) anzuwenden. Nach Art.7 Abs.1 DBA-USA


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 51<br />

1989 a.F. seien die Lizenzgebühren wegen der Zurechnung<br />

zur inländischen Betriebsstätte als gewerbliche Gewinne<br />

dem Betriebsstättenstaat (Deutschland) zuzuweisen.<br />

[4] <strong>Die</strong> Klage gegen die hiernach ergangenen Steuer- und<br />

Feststellungsbescheide war erfolglos. Das FG stützte sich<br />

zur Begründung auf die neugeschaffene Vorschrift des<br />

§50d Abs.10 EStG 2002 i.d.F. des Jahressteuergesetzes<br />

2009 (EStG 2002 n.F.), die gemäß §52 Abs.59a S.8 EStG<br />

2002 n.F., für die Gewerbesteuer gemäß §36 Abs.5 S.2<br />

i.V.m. §7 S.1 u. 6 GewStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes<br />

2009 (GewStG 2002 n.F.), rückwirkend auf noch nicht bestandskräftige<br />

Bescheide anzuwenden ist (FG München v.<br />

30.7.2009 – 1 K 1816/09, EFG 2009, 1954)<br />

[5] ... [8] Das dem Verfahren beigetretene BMF folgt in<br />

der Sache dem FA (s. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 -<br />

S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, dort Tz. 1.2.3; jetzt<br />

BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 – DOK<br />

2009/0716905 = BStBl. I 2010, 354, dort Tz. 2.2.1 u. 5.1),<br />

stellt jedoch keine eigenen Anträge.<br />

II. ... III.<br />

[10] <strong>Die</strong> Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung<br />

der angefochtenen Vorentscheidung und zur anderweitigen<br />

Steuerfestsetzung. Das FG hat zu Unrecht ein deutsches<br />

Besteuerungsrecht an den in Rede stehenden Lizenzvergütungen<br />

angenommen.<br />

1. Kein Besteuerungsrecht Deutschlands nach DBA<br />

[11] Das FG hat die Lizenzvergütungen zutreffend als Betriebsausgabe<br />

der Kl.in berücksichtigt. Es hat ebenso zutreffend<br />

angenommen, dass es sich bei den entsprechenden<br />

Vergütungen aus der Sicht der Beigeladenen um Sondervergütungen<br />

handelt, die gemäß §15 Abs.1 S.1 Nr.2<br />

EStG 1997/2002 (i.V.m. §49 Abs.1 Nr.2 Buchst.a EStG<br />

1997/2002 und §2 Nr.1, §8 Abs.1 KStG 1999/2002), für<br />

die Gewerbesteuer i.V.m. §7 S.1 GewStG 2002, den Einkünften<br />

aus Gewerbebetrieb zuzuordnen sind. Dennoch<br />

durfte es im Rahmen des angefochtenen Bescheids die Lizenzvergütungen<br />

nicht den in Deutschland zu besteuernden<br />

Einkünften der Beigeladenen zurechnen, da sie nach<br />

Art.12 Abs.1 DBA-USA 1989 a.F. nur in den USA besteuert<br />

werden dürfen.<br />

[12] a) <strong>Die</strong> Beigeladene ist in den USA ansässig. Lizenzvergütungen,<br />

die eine in einem Vertragsstaat ansässige<br />

Person als Nutzungsberechtigter bezieht, dürfen nach<br />

Art.12 Abs.1 DBA-USA 1989 a.F. nur in diesem Staat besteuert<br />

werden. <strong>Die</strong>se Regelung greift im Streitfall unbeschadet<br />

dessen ein, dass die Lizenzvergütungen nach<br />

deutschem Recht als solche aus gewerblichen Einkünften<br />

zu behandeln sind und als solche an sich den Einkünften<br />

aus gewerblichen Gewinnen nach Maßgabe von Art.7<br />

Abs.1 S.2 u. Abs.2 DBA-USA 1989 a.F. unterfallen; die<br />

speziellere abkommensrechtliche Einkunftsart des Art.12<br />

DBA-USA 1989 a.F. geht insofern infolge des Art.7<br />

Abs.6 DBA-USA 1989 a.F. und des darin angeordneten<br />

sog. Spezialitätenvorrangs vor. Im Einzelnen verweist der<br />

Senat dazu, um Wiederholungen zu vermeiden, auf sein<br />

Urt. v. 17.10.2007 – I R 5/06 (BFH v. 17.10.2007 – I R 5/<br />

06, BFHE 219, 518 = BStBl. II 2009, 356 = <strong>GmbH</strong>R<br />

2008, 447 [LS]), welches – bezogen auf Zinserträge nach<br />

Maßgabe von Art.11 Abs.1 DBA-USA 1989 a.F. – zu der<br />

vergleichbaren Situation einer Darlehensgewährung er-<br />

Steuerrecht<br />

gangen ist. <strong>Die</strong> dort aufgestellten Rechtsgrundsätze, an denen<br />

der Senat uneingeschränkt festhält, gelten hier wie<br />

dort gleichermaßen.<br />

[13] b) Ein Besteuerungsrecht Deutschlands lässt sich<br />

auch nicht aus der Rückverweisung in Art.12 Abs.3<br />

DBA-USA 1989 a.F., dem sog. Betriebsstättenvorbehalt,<br />

ableiten. Danach ist Art.12 Abs.1 DBA-USA 1989 a.F.<br />

nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige<br />

Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat eine<br />

gewerbliche Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte<br />

ausübt und die Rechte oder Vermögenswerte, für die<br />

die Lizenzgebühren gezahlt werden, Betriebsvermögen<br />

dieser Betriebsstätte sind. In diesem Fall ist Art.7 DBA-<br />

USA 1989 a.F. (gewerbliche Gewinne) anzuwenden. <strong>Die</strong>se<br />

Voraussetzung ist aber im Streitfall nicht erfüllt.<br />

[14] FA und FG sind zwar zu Recht davon ausgegangen,<br />

dass die Beigeladene im Inland eine gewerbliche Tätigkeit<br />

durch eine hier gelegene Betriebsstätte ausgeübt hat. Denn<br />

sie war Gesellschafterin der Kl.in, und die Betriebsstätten<br />

einer Personengesellschaft sind abkommensrechtlich deren<br />

Gesellschaftern als eigene zuzurechnen (vgl. dazu<br />

BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BFHE 219, 518 = BStBl. II<br />

2009, 356 = <strong>GmbH</strong>R 2008, 447 [LS], m.w.N.). <strong>Die</strong>ser<br />

Grundsatz gilt auch für Zwecke der Anwendung des<br />

DBA-USA 1989 a.F. Jedoch greift Art.12 Abs.3 DBA-<br />

USA 1989 a.F. im Streitfall deshalb nicht durch, weil die<br />

besagten Rechte oder Vermögenswerte nicht zu der deutschen<br />

Betriebsstätte gehören. Der Umstand, dass die Lizenzvergütung<br />

nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts<br />

als Sondervergütungen der Beigeladenen i.S.v. §15 Abs.1<br />

S.1 Nr.2 S.1 Halbs.2 EStG 1997/2002 anzusehen sind,<br />

welche dem Gewinn der Gesellschaft und mithin den von<br />

ihr unterhaltenen Betriebsstätten zuzuordnen sind, widerspricht<br />

dem nicht. Ausschlaggebend ist, dass die Rechte<br />

oder Vermögenswerte nur dann in der gebotenen tatsächlich-funktionalen<br />

Weise zu der Betriebsstätte gehören können,<br />

wenn sie aus der Sicht der Betriebsstätte einen Aktivposten<br />

bildet. Auch zu diesem Punkt verweist der Senat<br />

auf ... BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BFHE 219, 518 =<br />

BStBl. II 2009, 356 = <strong>GmbH</strong>R 2008, 447 [LS], und die<br />

darin gegebenen weiteren Erwägungen und Nachweise.<br />

2. Kein Besteuerungsrecht aufgrund Umqualifizierung<br />

der Sondervergütungen in Unternehmensgewinne<br />

[15] In Reaktion auf die zitierte Spruchpraxis des erkennenden<br />

Senats sowie ebenfalls jener des II.Senats des<br />

BFH (BFH v. 9.8.2006 – II R 59/05, BFHE 214, 518 =<br />

BStBl. II 2009, 758) hat der Gesetzgeber des Jahressteuergesetzes<br />

2009 allerdings mit §50d Abs.10 EStG 2002 n.F.<br />

eine Regelung geschaffen, welche darauf abzielt, das deutsche<br />

Besteuerungsrecht unbeschadet dieser Spruchpraxis<br />

sicherzustellen (vgl. BT-Drucks. 16/11108, S.23). Nach<br />

dessen S.1 gelten Vergütungen i.S.d. §15 Abs.1 S.1 Nr.2<br />

S.1 Halbs.2 u. Nr.3 Halbs.2 EStG 2002, auf die die Vorschriften<br />

eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung<br />

anzuwenden sind, das – wie das DBA-USA<br />

1989 a.F. – keine solche Vergütungen betreffende ausdrückliche<br />

Regelung enthält, für Zwecke der Anwendung<br />

des Abkommens ausschließlich als Unternehmensgewinne.<br />

§52 Abs.59a S.8 EStG 2002 n.F. bestimmt, dass die<br />

neue Regelung des §50d Abs.10 EStG 2002 n.F. in allen<br />

Fällen anzuwenden ist, in denen die Einkommen- und<br />

Körperschaftsteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt


52<br />

ist. Gleiches gilt nach §36 Abs.5 S.2 i.V.m. §7 S.6<br />

GewStG 2002 n.F. für die Gewerbesteuer.<br />

[16] a) Konsequenz dieser Neuregelungen ist, dass für<br />

Sondervergütungen im Ausgangspunkt allein Art.7 des<br />

Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation<br />

and Development (OECD-MustAbk) – und damit<br />

im Streitfall Art.7 DBA-USA 1989 a.F. – anzuwenden ist.<br />

Nach Art.7 Abs.1 S.1 DBA-USA 1989 a.F. können gewerbliche<br />

Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats<br />

nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn,<br />

das Unternehmen übt seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat<br />

durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. Übt das<br />

Unternehmen seine Tätigkeit auf diese Weise aus, so können<br />

die gewerblichen Gewinne des Unternehmens im anderen<br />

Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie<br />

dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können (Art.7<br />

Abs.1 S.2 DBA-USA 1989 a.F.). Nach Art.7 Abs.2<br />

DBA-USA 1989 a.F. werden dieser Betriebsstätte die gewerblichen<br />

Gewinne zugerechnet, die sie hätte erzielen<br />

können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter<br />

gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges<br />

und unabhängiges Unternehmen ausgeübt hätte.<br />

[17] b) Auch die Voraussetzungen des §50d Abs.10 S.1<br />

EStG 2002 n.F. erfüllt der hier zu beurteilende Sachverhalt<br />

indessen nicht. Dabei mag unbeantwortet bleiben, ob<br />

der Tatbestand der Vorschrift bezogen auf das DBA-USA<br />

1989 a.F. schon deshalb zu kurz greift, weil die Sondervergütungen<br />

in „Unternehmensgewinne“ umqualifiziert werden<br />

sollen, nicht aber – wie dies für Art.7 Abs.1 DBA-<br />

USA 1989 a.F. aber erforderlich wäre – in „gewerbliche<br />

Gewinne“. Denn in jedem Fall leidet die Absicht des Gesetzgebers,<br />

das deutsche Besteuerungsrecht unbeschadet<br />

der Abkommensvorschriften und der dazu ergangenen<br />

Rspr. mittels einer unilateral fingierten Einkunftsqualifikation<br />

durchzusetzen, in ihrer Wirkkraft daran, dass diese<br />

Fiktion tatbestandlich zu kurz greift. Sie ordnet lediglich<br />

die abkommensrechtliche Einkunftsart an, suspendiert jedoch<br />

nicht zugleich von den Erfordernissen der (abkommensrechtlichen)<br />

Existenz einer Betriebsstätte (Art.5<br />

OECD-MustAbk) sowie der (ebenfalls abkommensrechtlichen)<br />

Betriebsstättenzurechnung:<br />

[18] aa) Indem §50d Abs.10 S.1 EStG 2002 n.F. Sondervergütungen<br />

abkommensrechtlich den Unternehmensgewinnen<br />

unterwirft, kommt zwar – jedenfalls im Ausgangspunkt<br />

– Art.7 OEDC-MustAbk (hier Art.7 DBA-<br />

USA 1989 a.F.) und kommen nicht Art.10, Art.11 u.<br />

Art.12 OECD-MustAbk zum Zuge. Doch bedingt dies<br />

strenggenommen einen Zirkelschluss der Anwendung,<br />

weil dann nicht nur Art.7 Abs.1 OECD-MustAbk, sondern<br />

diese Abkommensvorschrift insgesamt anzuwenden<br />

ist, also einschließlich des sog. Spezialitätenvorrangs in<br />

Art.7 Abs.7 OECD-MustAbk (hier Art.7 Abs.6 DBA-<br />

USA 1989 a.F.), der – wenn auch seinerseits unter dem<br />

sog. Betriebsstättenvorbehalt in Art.10 Abs.4, Art.11<br />

Abs.4 u. Art.12 Abs.3 OECD-MustAbk – wiederum zu<br />

Einkünften nach den jeweils spezielleren Einkunftsarten<br />

führt. So gesehen würde der Anwendungsbefehl des §50d<br />

Abs.10 S.1 EStG 2002 n.F. schon im Ansatz unterlaufen.<br />

[19] bb) Selbst wenn man dem aber nicht folgt und lediglich<br />

Art.7 Abs.1 – und nicht zugleich Abs.7 – OECD-<br />

MustAbk für anwendbar erachtet, ändert dies nichts. Denn<br />

dann richten sich die Zuordnungsmaßstäbe infolge der<br />

unilateralen Umqualifizierung fortan zwar nicht mehr an<br />

dem tatsächlich-funktionalen Zugehören i.S.d. sog. Betriebsstättenvorbehalts<br />

(u.a. in Art.12 Abs.3 DBA-USA<br />

Rechtsprechung<br />

Steuerrecht<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

1989 a.F.) aus; vielmehr ist Art.7 Abs.1 S.2, Abs.2<br />

OECD-MustAbk, hier: Art.7 Abs.1 S.2 u. Abs.2 DBA-<br />

USA 1989 a.F., einschlägig und greifen deswegen für die<br />

Beantwortung der Zurechnungsfrage allgemeine Verursachungs-<br />

und Veranlassungsgesichtspunkte. Auch diese Gesichtspunkte<br />

orientieren sich indessen an dem „wirklich“<br />

wirtschaftlich Verwirklichten und stimmen weitgehend<br />

mit den Zurechnungsmaßstäben der genannten Betriebsstättenvorbehalte<br />

überein. Dass der Senat (BFH v.<br />

13.2.2008 – I R 63/06, BFHE 220, 415 = BStBl. II 2009,<br />

414 = <strong>GmbH</strong>R 2008, 780) insoweit bezogen auf Sonderbetriebsvermögen<br />

eine abweichende Zuordnung verfolgt<br />

hat, widerspricht dem nicht, zum einen deshalb, weil diese<br />

Zuordnung allein zu Art.13 Abs.2 OECD-MustAbk, nicht<br />

zu Art.7 Abs.1 S.2 OECD-MustAbk ergangen ist (s. auch<br />

Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art.13 OECD-<br />

MA Rz.80f.), zum anderen deshalb, weil es dort an einer<br />

anderweitigen Betriebsstätte fehlte, und schließlich deshalb,<br />

weil §50d Abs.10 S.1 EStG 2002 n.F. lediglich<br />

Sondervergütungen, aber nicht auch Sonderbetriebsvermögen<br />

fiktiv umqualifiziert. Aber auch dann, wenn man diesen<br />

Weg nicht mitgehen will und annimmt, die Frage der<br />

Betriebsstättenzurechnung nach Maßgabe von Art.7<br />

Abs.1 S.2 u. Abs.2 OECD-MustAbk beantworte sich allein<br />

nach nationalem Recht, ergäbe sich nichts anderes,<br />

weil die (nationale) Einkünftequalifikation und Zurechnungsfiktion<br />

des §15 Abs.1 S.1 Nr.2 EStG 1997/2002<br />

nichts zur (abkommensrechtlichen) Betriebsstättenzurechnung<br />

aussagt (vgl. z.B. Wassermeyer, IStR 2010, 37 [41];<br />

Wassermeyer, IStR 2010, 241; Blumers/Zillmer, BB 2010,<br />

1375 [1379]; mit abweichendem Begründungsansatz auch<br />

Kramer, IStR 2010, 239; anders Frotscher, IStR 2009,<br />

593; Mitschke, DB 2010, 303).<br />

[20] Es verbleibt mithin bei den allgemeinen Zurechnungserfordernissen<br />

des jeweiligen Abkommens zur Vermeidung<br />

der Doppelbesteuerung und es beantwortet sich<br />

die Zurechnungsfrage ihrerseits allein unter autonomer<br />

Abkommensauslegung (ebenso z.B. Hahn-Joecks in<br />

Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, §50d Rz.L3; Gosch<br />

in Kirchhof, EStG, 9.Aufl., §50d Rz.45; Boller/Eilinghoff/Schmidt,<br />

IStR 2009, 109; Boller/Schmidt, IStR 2009,<br />

852; Chr.Schmidt, IStR 2010, 413; s. auch FG Nürnberg v.<br />

3.12.2009 – IV 322/2005, n.v.; anders Frotscher, IStR<br />

2009, 866; Frotscher, IStR 2009, 593).<br />

[21] c) Vor diesem Auslegungshintergrund sind im Streitfall<br />

die den Lizenzvergütungen zugrunde liegenden Rechte<br />

und Vermögenswerte der Kl.in und der durch diese ihren<br />

Gesellschaftern abkommensrechtlich vermittelten Betriebsstätten<br />

nur dann zuzurechnen, wenn sie diesen Betriebsstätten<br />

in wirtschaftlicher Hinsicht gebühren würden.<br />

Daran fehlt es. Das FG hat festgestellt, dass die Lizenzrechte<br />

in den USA verwaltet und von dort aus weltweit<br />

vermarktet werden. Damit sind sie ebenso wie die daraus<br />

generierten Gewinne aus Sicht des Art.7 Abs.1 S.2 u.<br />

Abs.2 DBA-USA 1989 a.F. dem US-amerikanischen<br />

„Stammhaus“ der Beigeladenen und nicht der Kl.in zuzurechnen.<br />

<strong>Die</strong> entgegenstehende Schlussfolgerung des FG<br />

ist nicht haltbar. Sie lässt sich insbesondere nicht darauf<br />

stützen, dass die Kl.in in den Streitjahren ihrerseits lizenzbehaftete<br />

Umsatzanteile von 86,6v.H. (2001), 98,6v.H.<br />

(2002) sowie 86,1v.H. (2003) erzielt haben mag. Ausschlaggebend<br />

für die abkommensrechtliche Gewinnzurechnung<br />

ist allein, wo und von wo aus die Lizenzrechte<br />

verwaltet und vermarktet worden sind.


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 53<br />

3. Keine weiteren Erwägungen zur rückwirkenden<br />

Anwendung<br />

[22] Es bedarf angesichts dessen keiner weiteren Überlegungen<br />

dazu, ob die rückwirkende Anwendung von §50d<br />

Abs.10 EStG 2002 n.F. nach §52 Abs.59a S.8 EStG<br />

2002 n.F., §36 Abs.5 S.2 i.V.m. §7 S.6 GewStG 2002<br />

n.F. gegen das in Art.20 Abs.3 GG verankerte Rechtsstaatsgebot<br />

verstößt (z.B. Gosch in Kirchhof, a.a.O., §50d<br />

Rz.47; Chr.Korn, DStR 2009, 2366; Hils, DStR 2009,<br />

888; anders z.B. Frotscher, IStR 2009, 866) oder ob die<br />

Neuregelung insgesamt als sog. Treaty override völkerund<br />

verfassungsrechtswidrig ist (so z.B. Frotscher, IStR<br />

2009, 593; anders BT-Drucks. 16/11108, S.25).<br />

4. Entscheidungsreife und Ergebnis<br />

[23] <strong>Die</strong> von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung<br />

weicht von jener des erkennenden Senats ab. Ihr Urteil<br />

war aufzuheben. <strong>Die</strong> Sache ist spruchreif. <strong>Die</strong> angefochtenen<br />

Steuerbescheide sind antragsgemäß zu ändern. <strong>Die</strong> Ermittlung<br />

und Berechnung der festzusetzenden und festzustellenden<br />

Beträge wird dem FA nach Maßgabe der Gründe<br />

dieser Entscheidung überlassen (§121 S.1 i.V.m. §100<br />

Abs.2 S.2 FGO).<br />

Doppelbesteuerung: Abzugsteuer auf Gewinnbeteiligung<br />

i.S.d. DBA-Österreich 2000<br />

DBA-Österreich 2000 Art.3 Abs.2, Art.10 Abs.3, Art.11<br />

Eine Gewinnbeteiligung i.S.d. Art.11 Abs.2 DBA-Österreich<br />

2000 kann bei der Übernahme von Genussscheinen einer<br />

Bank auch darin liegen, dass die vereinbarte Ausschüttung<br />

im Falle eines Bilanzverlusts der Bank unterbleiben soll.<br />

BFH, Urt. v. 26.8.2010 – I R 53/09<br />

n Aus den Gründen:<br />

I.<br />

[1] Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin<br />

(Kl.in) die auf ihre Einkünfte aus drei Genussscheinen der<br />

L-Bank, einer deutschen Landesbank, einbehaltenen und<br />

abgeführten Abzugsteuern nach §50d EStG 2002 zu erstatten<br />

sind.<br />

[2] <strong>Die</strong> Kl.in ist eine in Österreich ansässige Bank. Sie<br />

hielt in den Jahren 2003 und 2004 drei (Namens-)Genussscheine<br />

der L-Bank mit den Nr.1, 2 u. 3, deren Laufzeit<br />

begrenzt war.<br />

[3] <strong>Die</strong> Genussscheine gewährten der Kl.in einen Anspruch<br />

auf eine auf das jeweilige Geschäftsjahr bezogene<br />

jährliche Ausschüttung i.H.v. 7,36% (Nr.1), 5,6% (Nr.2)<br />

und 5,65% (Nr.3) des Nennwerts des Genussscheins.<br />

Nach den Genussscheinbedingungen (GSB) sollte der Anspruch<br />

auf die Ausschüttung jedoch ausgeschlossen sein,<br />

wenn und soweit durch die Ausschüttung ein Bilanzverlust<br />

bei der L-Bank entstanden wäre. Sollte dementsprechend<br />

keine oder keine volle Ausschüttung vorgenommen<br />

werden können, so gewährten die Genussscheine während<br />

ihrer Laufzeit ein Nachzahlungsrecht für die folgenden<br />

Geschäftsjahre. <strong>Die</strong> Ausschüttungs- und Nachzahlungsansprüche<br />

hatten Vorrang vor einer Ausschüttung an die Gewährträger<br />

der L-Bank sowie der Dotierung von Rücklagen<br />

(§2 GSB).<br />

Steuerrecht<br />

[4] <strong>Die</strong> Rückzahlung der Genussscheine sollte grundsätzlich<br />

zum Nennwert erfolgen (§3 Abs.3 GSB). Sollte sich<br />

jedoch durch die Rückzahlung ein Bilanzverlust der L-<br />

Bank ergeben, minderte sich der Rückzahlungsanspruch<br />

jedes Genussscheininhabers in demselben Verhältnis, in<br />

dem das in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital einschließlich<br />

Genussscheinkapital durch die Tilgung des Bilanzverlusts<br />

gemindert würde. Während der Laufzeit der<br />

Genussscheine in den Folgejahren sollten in diesem Fall<br />

vorrangig vor Ausschüttungen an die Gewährträger der L-<br />

Bank und vor Dotierung von Rücklagen zunächst die verminderten<br />

Rückzahlungsansprüche wieder auf den Nennbetrag<br />

aufgefüllt und dann die ausgefallene Ausschüttung<br />

nachgeholt werden, wenn und soweit dadurch kein Bilanzverlust<br />

entstehen würde (§4 GSB).<br />

[5] <strong>Die</strong> Genussscheine verbrieften keine Teilnahme-, Mitwirkungs-<br />

und Stimmrechte in den Versammlungen der<br />

Gewährträger der L-Bank und keinen Anspruch auf Beteiligung<br />

am Liquidationserlös bei Auflösung der L-Bank.<br />

<strong>Die</strong> Ansprüche aus den Genussscheinen traten gegenüber<br />

allen nicht nachrangigen Gläubigern der L-Bank im Rang<br />

zurück und sollten daher im Falle der Liquidation oder des<br />

Konkurses der L-Bank erst nach Befriedigung aller nicht<br />

nachrangigen Gläubiger bedient werden (§5 GSB).<br />

[6] <strong>Die</strong> L-Bank behielt auf die in den Jahren 2003 und<br />

2004 erfolgten Ausschüttungen an die Kl.in Kapitalertragsteuer<br />

und Solidaritätszuschlag ein und führte die Abzugsteuern<br />

an das zuständige FA ab.<br />

[7] <strong>Die</strong> Kl.in beantragte beim ... vormaligen Bundesamt<br />

für Finanzen (seit dem 1.1.2006 Bundeszentralamt für<br />

Steuern – BZSt –) nach §50d Abs.1 EStG 2002 i.V.m.<br />

dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland<br />

und der Republik Österreich zur Vermeidung der<br />

Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen<br />

und vom Vermögen v. 24.8.2000 (BGBl. II 2002,<br />

735 = BStBl. I 2002, 584) – DBA-Österreich 2000 – u.a.<br />

die Erstattung der bei den Ausschüttungen der L-Bank<br />

einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge. <strong>Die</strong>s<br />

lehnte das BZSt ab. <strong>Die</strong> dagegen erhobene Klage blieb<br />

ohne Erfolg (FG Köln v. 30.4.2009 – 2 K 2375/06, EFG<br />

2009, 1437). ...<br />

II.<br />

[10] <strong>Die</strong> Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen<br />

(§126 Abs.2 FGO). Das FG hat zutreffend erkannt,<br />

dass die Kl.in die Erstattung der in den Jahren 2003<br />

und 2004 einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge<br />

nach den in den Ausschüttungszeitpunkten geltenden<br />

Fassungen des §50d EStG 2002 (i.V.m. Art.27 DBA-<br />

Österreich 2000) nicht mit Erfolg beanspruchen kann.<br />

1. Voraussetzungen für Erstattung der Abzugsteuer<br />

[11] Voraussetzungen einer Erstattung gemäß §50d<br />

Abs.1 S.2 EStG 2002 sind, neben der Einbehaltung und<br />

Abführung der Steuerabzugsbeträge, das Vorliegen einer<br />

Steuerentlastung gemäß §43b EStG 2002 – für die im<br />

Jahr 2004 ausgezahlten Vergütungen auch nach §50g<br />

EStG 2002 – oder eines Abkommens zur Vermeidung der<br />

Doppelbesteuerung, das Fehlen des Anspruchsausschlusses<br />

gemäß §50d Abs.3 EStG 2002 sowie ein Antrag auf<br />

amtlich vorgeschriebenem Vordruck (§50d Abs.1 S.3,<br />

S.6 EStG 2002) unter Beifügung einer Ansässigkeitsbestätigung<br />

(§50d Abs.4 S.1 EStG 2002). Ob der Schuldner


54<br />

der Kapitalerträge berechtigterweise Steuern einbehalten<br />

und abgeführt hat und ob daher überhaupt Einkünfte vorliegen,<br />

die in Deutschland steuerpflichtig oder aus anderen<br />

als den in §50d Abs.1 S.2 EStG 2002 genannten Gründen<br />

von der Besteuerung freizustellen sind, ist im Erstattungsverfahren<br />

nach §50d Abs.1 EStG 2002 nicht zu entscheiden<br />

(vgl. BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BFHE 224,<br />

556 = <strong>GmbH</strong>R 2009, 940 m. Komm. Rehm/Nagler; vgl.<br />

zum Freistellungsverfahren BFH v. 19.11.2003 – I R 22/<br />

02, BFHE 205, 37 = BStBl. II 2004, 560; v. 28.6.2005 – I<br />

R 33/04, BFHE 212, 37 = BStBl. II 2006, 489).<br />

2. Keine Erstattung der Steuerabzugsbeträge<br />

aufgrund des Quellenbesteuerungsrechts<br />

Deutschlands<br />

[12] Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob eine<br />

Steuerentlastung aufgrund des DBA-Österreich 2000 vorliegt,<br />

die dem Quellenbesteuerungsrecht Deutschlands entgegensteht.<br />

Aufgrund der den streitigen Vergütungen zugrunde<br />

liegenden Genussscheinbedingungen sind diese jedoch<br />

als Zinsen aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung<br />

i.S.d. Art.11 Abs.2 DBA-Österreich 2000 zu qualifizieren,<br />

so dass Deutschland das Quellenbesteuerungsrecht<br />

hat. Denn nach Art.11 Abs.1 DBA-Österreich 2000 dürfen<br />

zwar Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und<br />

an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt<br />

werden, wenn diese Person der Nutzungsberechtigte ist,<br />

nur im anderen Staat besteuert werden. <strong>Die</strong>ses dem Ansässigkeitsstaat<br />

zugewiesene ausschließliche Besteuerungsrecht<br />

wird jedoch – wie im Streitfall – gemäß Art.11<br />

Abs.2 DBA-Österreich 2000 u.a. für Einkünfte aus Rechten<br />

oder Forderungen mit Gewinnbeteiligungen zugunsten<br />

des Quellenstaats verdrängt. Eine Erstattung nach §50d<br />

Abs.1 S.2 EStG 2002 ist demzufolge ausgeschlossen.<br />

[13] a) <strong>Die</strong> Ausschüttungen auf das Genussscheinkapital<br />

unterfallen Art.11 des DBA-Österreich 2000, da sie Zinsen<br />

i.S.d. Art.11 Abs.3 DBA-Österreich 2000 darstellen.<br />

[14] a) Nach Art.11 Abs.3 S.1 DBA-Österreich 2000<br />

sind Zinsen grundsätzlich als Einkünfte aus Forderungen<br />

jeder Art zu verstehen. Zur Methodik der Auslegung abkommensrechtlicher<br />

Begriffe hat das FG zu Recht darauf<br />

hingewiesen, dass nach der gefestigten Rspr. des erkennenden<br />

Senats zunächst nach dem Wortlaut und den Definitionen<br />

des Abkommens, sodann nach dem Sinn und<br />

dem Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens<br />

und schließlich nach den Begriffsbestimmungen des<br />

innerstaatlichen Rechts auszulegen ist (vgl. BFH v.<br />

25.2.2004 – I R 42/02, BFHE 206, 5 = BStBl. II 2005, 14<br />

= <strong>GmbH</strong>R 2004, 1234 m. Komm. Roser, m.w.N.). Zu berücksichtigen<br />

ist zudem, dass ein im Abkommen nicht definierter<br />

Begriff nach Art.3 Abs.2 DBA-Österreich 2000,<br />

wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, die Bedeutung<br />

hat, die ihm im Anwendungszeitraum nach dem<br />

Recht dieses Staats über die Steuern zukommt, für die das<br />

Abkommen gilt, wobei die Bedeutung nach dem in diesem<br />

Staat anzuwendenden Steuerrecht den Vorrang vor einer<br />

Bedeutung hat, die der Ausdruck nach anderem Recht<br />

dieses Staats hat.<br />

[15] Obwohl das DBA-Österreich 2000 die Begriffe<br />

„Genussrecht“ oder „Genussschein“ nicht definiert, sind<br />

nach dem weiten Zinsbegriff des Art.11 Abs.3 S.1 DBA-<br />

Österreich 2000 die auf die Genussscheine gezahlten Ausschüttungen<br />

als Einkünfte aus Forderungen abkommens-<br />

Rechtsprechung<br />

Steuerrecht<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

rechtlich Zinsen. <strong>Die</strong>s wird auch von den Beteiligten nicht<br />

in Frage gestellt.<br />

[16] bb) Darüber hinaus grenzt Art.11 Abs.3 S.2 DBA-<br />

Österreich 2000 Zinsen von Dividenden ab, in dem er<br />

vorschreibt, dass zu den Zinsen nicht die in Art.10 DBA-<br />

Österreich 2000 behandelten Einkünfte (Dividenden) gehören.<br />

<strong>Die</strong>se Einschränkung des Zinsbegriffs ist im Streitfall<br />

allerdings nicht einschlägig. Nach Art.10 Abs.3 S.1<br />

DBA-Österreich 2000 werden Einkünfte aus Genussrechten<br />

oder Genussscheinen nur dann als Dividenden behandelt,<br />

wenn sie nach dem Recht, in dem die ausschüttende<br />

Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien<br />

steuerlich gleichgestellt sind. Insofern verweist das DBA-<br />

Österreich 2000 zur näheren Ausgestaltung des Dividendenbegriffs<br />

auf das nationale Recht, insbesondere §20<br />

Abs.1 Nr.1 S.1 EStG 2002. Danach gehören zu den Einkünften<br />

aus Kapitalvermögen neben den Gewinnanteilen<br />

(Dividenden), Ausbeuten und sonstigen Bezügen aus Aktien<br />

auch solche aus Genussrechten, mit denen das Recht<br />

am Gewinn und Liquidationserlös des ausschüttenden<br />

Rechtsträgers verbunden ist. Indessen gewährten die streitgegenständlichen<br />

Genussrechte (Genussscheine) gemäß<br />

§5 Abs.1 S.2 GSB ausdrücklich keinen Anspruch auf Beteiligung<br />

am Liquidationserlös bei Auflösung der L-Bank.<br />

Zugleich war der Rückzahlungsanspruch der Kl.in am<br />

Ende der Laufzeit der Genussscheine auf die Höhe des<br />

hingegebenen Genussscheinkapitals (Nennwert) begrenzt<br />

(§3 Abs.3 GSB). Demzufolge sind die Genussrechte nach<br />

innerstaatlichem Recht nicht der Besteuerung von Aktien<br />

gleichgestellt, so dass sie keine Dividenden i.S.d. Art.10<br />

Abs.3 S.1 DBA-Österreich 2000 sind.<br />

[17] Aus diesen Gründen ist auch der Dividendenbegriff<br />

des Art.10 Abs.3 S.2 DBA-Österreich 2000 nicht erfüllt.<br />

Danach werden u.a. auch Einkünfte eines stillen Gesellschafters<br />

aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter,<br />

Einkünfte aus partiarischen Darlehen, Gewinnobligationen<br />

und ähnliche Vergütungen dann als Dividenden qualifiziert,<br />

wenn sie nach dem Recht des Staates, aus dem sie<br />

stammen, bei der Ermittlung des Gewinns des Schuldners<br />

nicht abzugsfähig sind. Nach dem insoweit anwendbaren<br />

§8 Abs.3 S.2 KStG mindern nur Ausschüttungen jeder<br />

Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung<br />

am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft<br />

verbunden ist, das Einkommen nicht. Demzufolge<br />

liegen unter dem wiederum maßgebenden Gesichtspunkt<br />

der fehlenden Beteiligung am Liquidationserlös und<br />

der darauf beruhenden Abzugsfähigkeit der Vergütungen<br />

auf der Ebene des deutschen Vergütungsschuldners abkommensrechtlich<br />

Zinsen und nicht Dividenden vor. Davon<br />

gehen auch beide Beteiligte übereinstimmend aus.<br />

[18] b) Das zunächst dem Ansässigkeitsstaat der Kl.in<br />

zugewiesene Besteuerungsrecht für Zinsen wird in Art.11<br />

Abs.2 DBA-Österreich 2000 auf den Quellenstaat erweitert.<br />

Danach dürfen Einkünfte aus Rechten oder Forderungen<br />

mit Gewinnbeteiligung einschließlich der Einkünfte<br />

eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller<br />

Gesellschafter oder aus partiarischen Darlehen und Gewinnobligationen<br />

auch in dem Staat besteuert werden, aus<br />

dem sie stammen. <strong>Die</strong>se Voraussetzung ist nach den Verhältnissen<br />

im Streitfall erfüllt, da die Genussscheinbedingungen<br />

eine solche Gewinnbeteiligung vorsehen.<br />

[19] Das DBA-Österreich 2000 enthält keine Definition<br />

des Begriffs „Gewinnbeteiligung“, so dass zunächst nur<br />

auf den Wortlaut abgestellt werden kann. Ausgangspunkt<br />

für die Auslegung nach dem Wortlaut ist der allgemeine


Rechtsprechung<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011 55<br />

Sprachgebrauch (vgl. BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94,<br />

BFHE 180, 410 = BStBl. II 1997, 57; v. 29.5.1996 – I R<br />

167/94, BFHE 180, 415 = BStBl. II 1997, 60; v. 29.5.1996<br />

– I R 21/95, BFHE 180, 422 = BStBl. II 1997, 63; vgl.<br />

auch zur Heranziehung der gewöhnlichen Bedeutung des<br />

Wortes als Auslegungsmittel Art.31 Abs.1 des Wiener<br />

Übereinkommens über das Recht der Verträge –BGBl.II<br />

1985, 927 –, sowie Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer,<br />

Doppelbesteuerung, MA Art.3 Rz.78). Der allgemeine<br />

Sprachgebrauch muss im Einklang mit dem Sinn und Vorschriftenzusammenhang<br />

des Abkommens stehen.<br />

[20] Zutreffend weist die Vorinstanz darauf hin, eine Beteiligung<br />

am Gewinn liege danach ganz allgemein nur<br />

dann vor, wenn die Leistung, die der Forderungsinhaber<br />

verlangen kann, unmittelbar oder auch nur mittelbar von<br />

der Höhe des Gewinns abhängt. Für dieses weite Verständnis<br />

des Begriffs „Gewinnbeteiligung“ spricht der<br />

Vergleich mit den in Art.11 Abs.2 DBA-Österreich 2000<br />

genannten Beispielen der Einkünfte eines stillen Gesellschafters<br />

aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter<br />

oder aus partiarischen Darlehen und Gewinnobligationen.<br />

Auch diese Finanzierungsformen enthalten nicht notwendig<br />

eine unbegrenzte und unmittelbare Beteiligung am Gewinn<br />

des Unternehmens, sondern können auf einer auf einen<br />

bestimmten Prozentsatz der geleisteten Einlage bzw.<br />

des ausstehenden Darlehens begrenzten Gewinnbeteiligung<br />

beruhen. Daher bedarf es für die Annahme einer Gewinnbeteiligung<br />

i.S.d. Art.11 Abs.2 DBA-Österreich<br />

2000 keiner Orientierung am Gewinn dergestalt, dass Bezugsgröße<br />

für die Ausschüttung zwingend die Dividende<br />

der Aktionäre, der Jahresüberschuss oder eine andere Bilanzkennziffer<br />

ist. Auch wenn, worauf die Kl.in hinweist,<br />

die Höhe des Bilanzgewinns in den Grenzen des §268<br />

Abs.1 HGB durch die Bildung und Auflösung von Rücklagen<br />

gestaltbar ist, bewirkt dies nicht, dass ihr eine feste,<br />

sondern dass ihr eine in den durch die Genussscheinbedingungen<br />

vereinbarten Grenzen variable Vergütung zustand.<br />

Gewinnbeteiligungen stehen somit im Gegensatz zu solchen<br />

Vergütungen (Zinsen), die unabhängig von der Erzielung<br />

eines Gewinns, also auch im Verlustfall, zu entrichten<br />

sind. Für die Annahme einer Gewinnbeteiligung reicht<br />

daher eine bloße Gewinnabhängigkeit der geschuldeten<br />

Vergütung, die sich auch am Bilanzgewinn oder -verlust<br />

orientieren kann, aus.<br />

[21] Zwar wird im Streitfall die Vergütung selbst nach<br />

dem jeweils in §2 Abs.1 GSB vereinbarten grundsätzlich<br />

festen Prozentsatz berechnet. Sie ist aber durch die Notwendigkeit<br />

eines ausreichenden Bilanzgewinns ertragsabhängig.<br />

<strong>Die</strong> Verzinsung konnte demzufolge – je nach der<br />

Höhe des erzielten Bilanzgewinns – zwischen null und der<br />

jeweils vereinbarten höchsten Verzinsung liegen. Aus diesem<br />

Grund kann die Kl.in nicht mit Erfolg einwenden, der<br />

Annahme einer Gewinnbeteiligung stehe entgegen, dass<br />

sie nur weniger als den vereinbarten Zins, nicht aber mehr<br />

als diesen hat erzielen können.<br />

[22] Ebenso wenig scheitert das Vorliegen einer Gewinnbeteiligung<br />

daran, dass, so der Vortrag der Kl.in, eine reine<br />

Verlustbeteiligung vorliege. Denn die Verlustbeteiligung<br />

ist, worauf das FG zutreffend abstellt, nach den Genussscheinbedingungen<br />

nur eine Umschreibung des Umstands,<br />

dass die zugesagte Vergütung unter einem Ergebnisvorbehalt<br />

steht, also von der Erzielung eines Bilanzgewinns<br />

abhängig ist. Hängt damit die Höhe des auszuzahlenden<br />

Zinses von der Höhe eines etwaigen Verlusts ab,<br />

handelt es sich nicht um eine Verlustbeteiligung in Form<br />

Steuerrecht<br />

einer Nachschusspflicht. <strong>Die</strong> Stellung der Kl.in beschränkt<br />

sich auf die entgeltliche Überlassung von Kapital; sie war<br />

lediglich den Risiken des Kapitalausfalls und des Erzielens<br />

einer geringeren Vergütung als der jeweils vereinbarten<br />

(Höchst-)Verzinsung (§2 Abs.1 GSB) ausgesetzt. Angesichts<br />

dessen kann nicht davon gesprochen werden, die<br />

Verlustbeteiligung stehe im Vordergrund und trete an die<br />

Stelle der Gewinnbeteiligung.<br />

[23] Für die dargelegte Sichtweise spricht zudem, dass<br />

nach allgemeinen ökonomischen Überlegungen anzunehmen<br />

ist, dass der Kapitalgeber zur Übernahme des Risikos<br />

eines nach unten variablen Zinssatzes nur bei Vereinbarung<br />

einer entsprechend höheren Zinsobergrenze bereit ist<br />

und deshalb eine Gewinnabhängigkeit der Vergütung auch<br />

in der vereinbarten Zinshöhe zum Ausdruck kommt.<br />

[24] Das Vorliegen eines Bilanzverlusts ist schließlich<br />

auch nicht bloße Stundungsvoraussetzung im Zusammenhang<br />

mit der Fälligkeit der Festverzinsung. Bei Zinsausfall<br />

bestand ein Nachzahlungsrecht gemäß §2 Abs.3 S.1<br />

GSB beschränkt auf die Laufzeit des Genussscheins.<br />

Wäre in der jeweiligen Restlaufzeit kein ausreichender Bilanzgewinn<br />

erzielt worden, so wäre daher auch der Vergütungsanspruch<br />

ersatzlos erloschen.<br />

[25] c) Da die streitgegenständlichen Vergütungen nach<br />

abkommensautonomer Auslegung als Zinsen mit Gewinnbeteiligung<br />

zu qualifizieren sind, kommt es zum einen auf<br />

die Auslegung des Begriffs des Rechts der Beteiligung am<br />

Gewinn i.S.d. §8Abs.3 S.2 KStG (vgl. dazu auch Gosch,<br />

KStG, 2.Aufl., §8 Rz.151 mit Hinweis auf das Urt. des<br />

RFH v. 16.12.1931 – II A 394/31, RStBl. 1932, 746) und<br />

zum anderen auf die von der Kl.in vorgetragenen innerstaatlichen<br />

zivilrechtlichen Abgrenzungskriterien bei Genussscheinen<br />

im Zusammenhang mit §221 Abs.3 AktG<br />

nicht an.<br />

Verwaltungsanweisungen<br />

Gewinnermittlung: Steuerermäßigung nach § 35<br />

EStG bei mehrstöckigen Personengesellschaften<br />

BMF, Schr. v. 25.11.2010 – IV C 6 - S 2296-a/09/10001 – DOK<br />

2010/0912228<br />

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der<br />

Länder wird das BMF-Schr. zur Steuerermäßigung bei<br />

Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß §35 EStG v.<br />

24.2.2009 – IV C 6 - S 2296-a/08/10002 – DOK 2007/<br />

0220243, BStBl I 2009, 440 = <strong>GmbH</strong>R 2009, 501 – geändert<br />

durch BMF-Schr. v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2296-a/<br />

08/10002 – DOK 2009/0862400, BStBl. I 2010, 43 =<br />

<strong>GmbH</strong>R 2010, 167 – wie folgt geändert:<br />

<strong>Die</strong> Randziffern 10, 27 und 28 werden wie folgt gefasst:<br />

[10] Sind dem Steuerpflichtigen als Einzelunternehmer<br />

oder Mitunternehmer Gewinne aus mehreren Gewerbebetrieben<br />

zuzurechnen, sind die jeweiligen GewSt.-Messbeträge<br />

für jeden Gewerbebetrieb und für jede Mitunternehmerschaft<br />

getrennt zu ermitteln, mit dem Faktor 3,8 zu<br />

vervielfältigen und auf die zu zahlende Gewerbesteuer zu<br />

begrenzen. Dabei sind bei negativen gewerblichen Einkünften<br />

eines Betriebs oder aus einer Beteiligung der<br />

– aufgrund von Hinzurechnungen entstehende – zugehörige<br />

GewSt.-Messbetrag und die zu zahlende Gewerbesteuer<br />

nicht zu berücksichtigen. <strong>Die</strong> so ermittelten Beträge


56<br />

sind zur Berechnung des Anrechnungsvolumens zusammenzufassen.<br />

Bei zusammenveranlagten Ehegatten sind<br />

die Anrechnungsvolumina der Ehegatten zusammenzufassen.<br />

Zu den Besonderheiten bei mehrstöckigen Gesellschaften<br />

vgl. Rz.27 u. 28.<br />

6.2. Besonderheiten bei mehrstöckigen<br />

Gesellschaften<br />

[27] Bei mehrstöckigen Mitunternehmerschaften sind bei<br />

der Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags nach §35<br />

EStG die Einkünfte aus der Obergesellschaft (einschließlich<br />

der Ergebnisse der Untergesellschaft) als gewerbliche Einkünfte<br />

zu berücksichtigen. Es sind zudem die anteilig auf<br />

die Obergesellschaft entfallenden GewSt.-Messbeträge<br />

sämtlicher Untergesellschaften den Gesellschaftern der<br />

Obergesellschaft nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels<br />

zuzurechnen (§35 Abs.2 S.5 EStG).<br />

<strong>Die</strong>s gilt auch für die Zurechnung eines anteiligen GewSt.-<br />

Messbetrags einer Untergesellschaft an den mittelbar beteiligten<br />

Gesellschafter, wenn sich auf der Ebene der Obergesellschaft<br />

ein negativer Gewerbeertrag und damit ein<br />

GewSt.-Messbetragvon0Euroergibt.EinGewSt.-Messbetrag<br />

der Unter- oder Obergesellschaft, dem jedoch negative<br />

Einkünfte auf Ebene der Obergesellschaft unter Berücksichtigung<br />

der Einkünfte aus der Untergesellschaft zugrunde liegen<br />

(z.B. aufgrund von Hinzurechnungen), ist nicht zu berücksichtigen<br />

(vgl. Rz.10). Für die Berücksichtigung der<br />

tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer (§35 Abs.1 S.5<br />

EStG) gelten die Sätze 1 bis 4 entsprechend.<br />

<strong>Die</strong> Berechnung der Beschränkung des Anrechnungsvolumens<br />

auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer (§35<br />

Abs.1 S.5 EStG) (Vergleich zwischen dem mit dem Faktor<br />

3,8 vervielfältigten GewSt.-Messbetrag und der tatsächlich<br />

zu zahlenden Gewerbesteuer) ist bei mehrstöckigen<br />

Mitunternehmerschaften ausschließlich in Bezug auf<br />

die (anteiligen) GewSt.-Messbeträge der Ober- und Untergesellschaft(en)<br />

und die (anteilige) tatsächlich zu zahlende<br />

Gewerbesteuer der Ober- und Untergesellschaft(en) des<br />

anrechnungsberechtigten Mitunternehmers der Obergesellschaft<br />

vorzunehmen (vgl. Rz.10).<br />

[28] Beispiel: A ist zu 70% an der <strong>GmbH</strong> & Co KGI<br />

(KGI) beteiligt, die wiederum zu 50% an der <strong>GmbH</strong><br />

& Co KGII (KGII) beteiligt ist. <strong>Die</strong> KGII erzielt einen<br />

Gewinn von 100.000 .. FürdieKGIIwirdunter<br />

Berücksichtigung von §§8 u. 9 GewStG ein GewSt.-<br />

Messbetrag von 1.000 . festgestellt; die tatsächlich<br />

zu zahlende Gewerbesteuer beträgt 3.600 .. <strong>Die</strong>s<br />

führt damit zu einem der KGI zuzurechnenden anteiligen<br />

GewSt.-Messbetrag von 500 . (50% von<br />

1.000 . entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel)<br />

und einer zuzurechnenden anteiligen<br />

tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer von<br />

1.800 . (50% von 3.600 . entsprechend dem allgemeinen<br />

Gewinnverteilungsschlüssel).<br />

Der KGI werden aus der Beteiligung an der KGII Einkünfte<br />

von 50.000 . zugewiesen. <strong>Die</strong> KGI erzielt aus<br />

dem operativen Geschäft einen Verlust von 40.000 .<br />

und somit einen negativen Gewerbeertrag. <strong>Die</strong>s führt<br />

zu einem GewSt.-Messbetrag und zu einer zu zahlenden<br />

Gewerbesteuer von 0 .. A werden aus der Beteiligung<br />

an der KGI insgesamt Einkünfte von 7.000 . zugewiesen<br />

(unter Einbezug des [anteiligen] Ergebnisanteils<br />

aus der KGII). Der aus der Beteiligung an der<br />

KGII stammende anteilige GewSt.-Messbetrag von<br />

Verwaltungsanweisungen<br />

<strong>GmbH</strong>R 1/2011<br />

500 . und die anteilige zu zahlende Gewerbesteuer<br />

von 1.800 . ist in die Feststellung nach §35 Abs.2<br />

EStG bei der KGI einzubeziehen und dem Gesellschafter<br />

A anteilig entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel<br />

zuzurechnen.<br />

Der auf A entfallende GewSt.-Messbetrag beträgt<br />

hiernach 350 . (70% von 500 .) und die auf A entfallende<br />

tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer 1.260 .<br />

(70% von 1.800 .). Bei A ist aufgrund seiner Beteiligung<br />

an der KGI eine Steuerermäßigung nach §35<br />

EStG i.H.d. 3,8-fachen GewSt.-Messbetrags von<br />

350 . (= 1.330 .), höchstens der Ermäßigungshöchstbetrag<br />

nach §35 Abs.1 S.2 EStG und begrenzt auf<br />

die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer von<br />

1.260 . zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung des<br />

Ermäßigungshöchstbetrags für A sind in Bezug auf<br />

die Beteiligung an der KGI positive Einkünfte aus<br />

Gewerbebetrieb von 7.000 . anzusetzen.<br />

Das Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Es<br />

wird im BStBl. I veröffentlicht.<br />

Doppelbesteuerung: Deutsch-norwegisches<br />

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-NOR);<br />

Anwendung des Schachtelprivilegs<br />

BMF, Schr. v. 10.11.2010 – IV B 3 - S 1301-NOR/0-04 – DOK<br />

2010/0866801<br />

Zur Frage, ob Beteiligungserträge nach dem DBA-NOR<br />

nur dann in Deutschland freigestellt werden können, wenn<br />

diese Erträge tatsächlich in Norwegen einer Besteuerung<br />

unterlegen haben, nehme ich wie folgt Stellung:<br />

Dividenden i.S.v. Art.10 Abs.3 DBA-NOR sind bei dem<br />

deutschen Bezieher nach Art.23 Abs.2 S.2 Buchst.a S.3<br />

i.V.m. S.1 DBA-NOR von der deutschen Besteuerung<br />

freizustellen.<br />

Art.23 Abs.2 S.2 Buchst.a S.3 i.V.m. S.1 DBA-NOR,<br />

nach dem eine Besteuerung dieser Einkünfte aus norwegischen<br />

Quellen erfordert, dass sie „nach dem Abkommen<br />

im Königreich Norwegen besteuert werden können“, der<br />

Quellenstaat Norwegen aber nach Art.10 Abs.3 DBA-<br />

NOR „keine Steuern auf Dividenden erheben“ kann, steht<br />

dem nicht entgegen.<br />

Der Ausschluss des norwegischen Quellenbesteuerungsrechts<br />

bedeutet, dass das Königreich Norwegen nach diesem<br />

Abkommen nicht die nach Deutschland ausgeschütteten<br />

Schachteldividenden besteuern darf. In diesem Sinne<br />

wird in dem vergleichbaren Fall einer nach Deutschland<br />

ausgeschütteten Schachteldividende aus französischen<br />

Quellen statt der Formulierung „kann ... keine Steuer auf<br />

Dividenden erheben“ die Formulierung gebraucht „können<br />

... nicht besteuert werden“.<br />

Nach der Rspr. des BFH (nicht im BStBl. veröffentlichtes<br />

Urt. des BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, <strong>GmbH</strong>R 2010,<br />

1004, mit Verweis auf BFH v. 29.5.1996 – I R 21/95,<br />

BStBl. II 1997, 64) stellt der Methodenartikel aber „nur<br />

auf die allgemeine Quellenbesteuerungsnorm ... und nicht<br />

auf die Sondervorschrift“ der Quellensteuerbefreiung ab.<br />

Sinn dieser Regelung ist es, bei verbundenen Unternehmen<br />

die zwischengesellschaftlichen Zahlungsflüsse weitgehend<br />

oder – wie im vorliegenden Fall – ganz von der<br />

Besteuerung freizustellen und sie auf die im Quellenstaat<br />

erzielten Einkünfte zu beschränken.<br />

<strong>Die</strong>ses Schreiben wird im BStBl. I veröffentlicht.


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das Arbeitsverhältnis bereits beendet sei. Klageweise verlangt<br />

der Kläger nun von der Beklagten Einsicht in seine<br />

Personalakte.<br />

Das BAG hat dem Antrag, entgegen den Vorinstanzen,<br />

stattgegeben, so dass die Beklagte dem Kläger Einsicht in<br />

seine Personalakte zu gewähren hatte. Der Arbeitgeber<br />

habe im Rahmen seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht<br />

(§241 Abs.2 BGB) auf das Wohl und die berechtigten<br />

Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.<br />

Hierzu zähle auch das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht<br />

des Arbeitnehmers resultierende Recht auf informationelle<br />

Selbstbestimmung. Daraus folge, dass der Arbeitnehmer<br />

auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

ein berechtigtes Interesse daran habe, den Inhalt seiner<br />

fortgeführten Personalakte auf ihren Wahrheitsgehalt zu<br />

überprüfen. <strong>Die</strong>ser Anspruch stütze sich jedoch nicht auf<br />

§32 BDSG, da die dort geregelten Ansprüche auf Auskunft<br />

und Einsicht noch nicht für nur in Papierform dokumentierte<br />

personenbezogene Daten gelte.<br />

Zurzeit befindet sich ein entsprechendes Änderungsgesetz<br />

in der parlamentarischen Beratung.<br />

– ckh –<br />

Fristlose Kündigung wegen des Verdachts des<br />

Pfandbonmissbrauchs<br />

Das ArbG Berlin hatte sich in seiner Entscheidung vom<br />

28.9.2010–1Ca5421/10miteinerfristlosenKündigungwegen<br />

des Verdachts des Pfandbonmissbrauchs auseinanderzusetzen.<br />

Nach der aktuellen sog. „Emmely-Entscheidung“<br />

des BAG vom 10.6.2010 – 2 AZR 541/09 (dazu <strong>GmbH</strong>R 2010,<br />

R218) kommt dieser Entscheidungen insoweit besondere<br />

Bedeutung zu, als zu beobachten ist, wie die Instanzgerichte<br />

mit der Entscheidung des BAG umgehen.<br />

In dem vorliegenden Fall bezichtigte die Beklagte den Kläger,<br />

einen als Verkäufer mit Kassentätigkeit seit 17 Jahren<br />

beschäftigten Arbeitnehmer, manuell Pfandbons erstellt zu<br />

haben, ohne dass dem ein tatsächlicher Kassiervorgang<br />

gegenübergestanden hätte, und das entsprechende Geld<br />

(2,003 und 4,063) durch den Kläger eingenommen worden<br />

sei.<br />

Das ArbG Berlin hat der Kündigungsschutzklage nicht<br />

stattgegeben. Das Gericht hat diesbezüglich einen dringenden<br />

Tatverdacht angenommen und u.a. darauf abgestellt,<br />

dass der Kläger gegenüber der Beklagten und auch<br />

im Prozess jeweils wechselnde Darstellungen des Sachverhalts<br />

angegeben hat. Aufgrund dessen sei sein gesamtes<br />

Vorbringen unglaubwürdig. Im Rahmen der Interessenabwägung<br />

sei zwar zugunsten des Klägers die 17-jährige<br />

Beschäftigungszeit, dies insbesondere unter Berücksichtigung<br />

der neuen Rechtsprechung des BAG, zu berücksichtigen.<br />

Jedoch habe maßgeblich gegen den Kläger gesprochen,<br />

dass er als Verkäufer mit Kassentätigkeit im originären<br />

Kernbereich seiner Tätigkeit derartige dringende Verdachtsmomente<br />

gesetzt habe. In diesem Zusammenhang<br />

könne auch der relativ geringe Schadensbetrag (2,003 und<br />

4,063) nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. <strong>Die</strong>-<br />

se Entscheidung erscheint mit der neuen Rechtsprechung<br />

des BAG vereinbar, da sie dem vom BAG aufgestellten Prüfungsschema<br />

entspricht und insbesondere eine nachvollziehbare<br />

Interessenabwägung vornimmt.<br />

– ckh –<br />

Europa-Praxis<br />

1/2011x R10<br />

Jochen Clausnitzer, Rechtsanwalt, Deutscher Industrieund<br />

Handelskammertag (DIHK), Brüssel<br />

EuGH stellt erneut Verstoß gegen Kapitalverkehrsfreiheit<br />

durch „Golden Shares“ fest<br />

<strong>Die</strong> Regelungen des portugiesischen Rechts über die Privatisierung<br />

(Lei Quadro das Privatizações) bzw.diedarauf<br />

basierenden Verordnungen verstoßen gegen Art.56 EG. Sie<br />

ermöglichen dem portugiesischen Unternehmen Energias<br />

de Portugal (EDP) Satzungsregelungen, um dem portugiesischen<br />

Staat bzw. anderer öffentlicher Einrichtungen Sonderaktien<br />

einzuräumen, die Portugal auch aufrechterhält<br />

(EuGH v. 11.11.2010 – C-543/08).<br />

<strong>Die</strong> EU-Kommission hatte das Vertragsverletzungsverfahren<br />

gegen die Portugiesische Republik eingeleitet. Das portugiesische<br />

Recht über die Privatisierung ermöglicht Satzungsregelungen<br />

für sog. „Golden Shares“, die im Eigentum<br />

des Staats stehen, in zu privatisierenden Gesellschaften.<br />

Voraussetzung hierfür sind Gründe des nationalen Interesses.<br />

<strong>Die</strong>se Sonderaktien enthalten ein Vetorecht des<br />

Staats u.a. bei Satzungsänderungen, ein Widerspruchsrecht<br />

bei der Wahl der Verwaltungsratsmitglieder und ein<br />

Recht, eine andere Person als Verwaltungsratsmitglied zu<br />

benennen. Darüber hinaus enthält die Satzung eine Begrenzung<br />

der Stimmrechte jedes Aktionärs, mit Ausnahme<br />

des Staats, auf höchstens 5%.<br />

Der EuGH sieht in der Aufrechterhaltung der Sonderrechte<br />

durch Portugal eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit:<br />

Das Vetorecht gibt Portugal bei einer Beteiligung von<br />

„nur“ 25,73% eine maßgebliche Einflussnahme bzw. Kontrollmöglichkeit.<br />

<strong>Die</strong>se könnte Wirtschaftsteilnehmer aus<br />

anderen Mitgliedstaaten von Investitionen (Direktinvestitionen,<br />

Portfolioinvestitionen) abhalten, denn sie können nicht<br />

entsprechend ihrer Beteiligung an dem Unternehmen Einfluss<br />

ausüben. <strong>Die</strong> Begrenzung der Stimmrechte auf<br />

höchstens 5% (unter Ausnahme des portugiesischen<br />

Staats) und das Recht des portugiesischen Staats, ein Verwaltungsratsmitglied<br />

zu bestimmen, schränkt die Möglichkeit<br />

anderer Aktionäre ebenfalls ein und kann Direktinvestitionen<br />

von Anlegern anderer Mitgliedstaaten unattraktiv<br />

machen. Eine Rechtfertigung ist dem EuGH zufolge nicht<br />

gegeben bzw. würde gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

verstoßen.<br />

Im Juli hatte der EuGH bereits die Goldenen Aktien der<br />

portugiesischen Regierung an der Portugal Telecom SGPS<br />

SA für unzulässig erklärt (EuGH v. 8.7.2010 – C-171/08).<br />

Annika Böhm, Rechtsanwältin, DIHK Berlin


Offenlegung des Engagements in Umweltund<br />

sozialen Bereichen im Lagebericht<br />

<strong>Die</strong> EU-Kommission überlegt, ob die Unternehmen stärker<br />

dazu verpflichtet werden sollten, in ihren Jahresabschlüssen<br />

alle nichtfinanziellen Engagements etwa für den Umweltschutz<br />

oder soziale Belange offenzulegen. <strong>Die</strong>s soll ein<br />

nachhaltiges Wirtschaftswachstum fördern. An der Online-<br />

Konsultation der EU-Kommission kann bis zum 24.1.2011<br />

teilgenommen werden.<br />

<strong>Die</strong> EU-Kommission erwägt auf Basis der Konsultation die<br />

4. Bilanzrichtlinie zu überarbeiten. Bisher sieht die 4. Bilanzrichtlinie<br />

in Art.46 Abs.1b vor, dass der Lagebericht, soweit<br />

dies für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses<br />

oder der Lage der Gesellschaft erforderlich<br />

ist, eine Analyse beinhaltet, die die wichtigsten finanziellen<br />

und – soweit angebracht – nichtfinanziellen<br />

Leistungsindikatoren, die für die betreffende Geschäftstätigkeit<br />

von Bedeutung sind, einschließlich Informationen in<br />

Bezug auf Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, enthält.<br />

Nach der Richtlinie können die Mitgliedstaaten kleine Kapitalgesellschaften<br />

vom Lagebericht insgesamt und mittlere<br />

Gesellschaften von der Analyse der finanziellen und der<br />

nichtfinanziellen Leistungsindikatoren befreien.<br />

<strong>Die</strong> vorliegende Online-Konsultation thematisiert, ob die aktuelle<br />

Offenlegung der Untenehmen ausreichend ist bzw.<br />

erweitert werden sollte mit Informationen über Corporate<br />

Social Responsibility, Geschäftsrisiken aus Sozial- und Umweltbelangen,<br />

Informationen zu Arbeitnehmerbeschäftigung<br />

(u.a. Weiterbildungspolitik für Arbeitnehmer, Gleichstellung,<br />

Vielfalt, Kundenzufriedenheit etc.), Angaben zu Forschung<br />

und Entwicklung, Angaben zur Umweltpolitik,<br />

Wahrnehmung des Unternehmens in der Öffentlichkeit,<br />

Achtung der Menschenrechte oder über Risiken, die mit<br />

Korruption und Bestechung verbunden sind bzw. die Strategien<br />

dagegen. Zudem wird gefragt, ob die Kosten und<br />

Vorteile der aktuellen Offenlegung von ökologischen und<br />

sozialen Informationen bereits bekannt sind, welche zusätzlichen<br />

Informationen verpflichtend erfolgen bzw. für welche<br />

Unternehmen sie verpflichtend werden sollten, ob sie von<br />

Wirtschaftsprüfern geprüft werden oder auch, ob eine EU-<br />

Maßnahme über solche Informationen Grundsätze und/<br />

oder wesentliche Leistungsindikatoren enthalten sollte.<br />

Teilweise decken sich die Fragen auch mit jenen aus dem<br />

Grünbuch Wirtschaftsprüfung.<br />

Annika Böhm, Rechtsanwältin, DIHK Berlin<br />

EU-Kommission will Anlegerschutz beim Kauf<br />

von Kleinanlegerprodukten verbessern<br />

<strong>Die</strong> Generaldirektion Binnenmarkt und <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

der Europäische Kommission hat am 26.11.2010 eine Konsultation<br />

zur Verbesserung des Anlegerschutzes beim Kauf<br />

von Kleinanlegerprodukten (Packaged Retail Investment<br />

Products – PRIPs) veröffentlicht. So sollen die Regeln für<br />

Vertrieb und Information für alle Kleinanlegerprodukte vereinheitlicht<br />

werden. Bei der Konsultation soll geklärt wer-<br />

den, für welche Produkte die gleichen Bestimmungen gelten<br />

sollen. So werden z.B. Investmentfonds, strukturierte<br />

Wertpapiere, strukturierte Cash-Konten und fondsgestützte<br />

Lebensversicherungen genannt. Auch für Rentenpapiere<br />

wird diese Frage aufgeworfen.<br />

Bei den Informationspflichten will sich die Kommission an<br />

den Produktinformationsblättern (Key Investor Information<br />

Documents) der Investmentfondsrichtlinie orientieren. <strong>Die</strong><br />

Vertriebsregeln sollen im Zuge der für das 2. Quartal 2011<br />

vorgesehenen Überarbeitung der Finanzmarktrichtlinie (Mi-<br />

FID) bzw. im Rahmen der geplanten Überarbeitung der Versicherungsvermittlerrichtlinie<br />

angepasst werden.<br />

Zusammen mit der Konsultation ist auch eine Studie über<br />

Kosten und Nutzen der Einführung eines MiFID ähnlichen<br />

Regelungswerkes für den Vertrieb von bestimmten Versicherungsprodukten<br />

veröffentlicht worden. <strong>Die</strong> Kosten für<br />

die Versicherungsvermittler, Versicherungen und Banken<br />

werden auf insgesamt 350–550Mio.3 geschätzt.<br />

–jc–<br />

Kompromiss zur Sprachenfrage beim<br />

EU-Patenterneutgescheitert<br />

Spanien und Italien haben beim Wettbewerbsfähigkeitsrat<br />

am 10.11.2010 erneut ihre Position bekräftigt, auf Patentübersetzungen<br />

in ihre Sprachen zu bestehen. Sie haben damit<br />

die Verhandlungen und den Weg zu einem gemeinsamen<br />

EU-Patent (früher Gemeinschaftspatent) erneut blockiert.<br />

<strong>Die</strong> belgische Ratspräsidentschaft hatte es sich zur Aufgabe<br />

gemacht, die rechtlichen und sprachlichen Probleme<br />

für die Schaffung eines EU-Patents zu beseitigen. <strong>Die</strong> Belgier<br />

haben diesbezüglich schon mehrere Anläufe unternommen.<br />

Auch der als aussichtsreich angesehene letzte<br />

Kompromissvorschlag wurde nunmehr abgelehnt. Damit<br />

ist das Inkrafttreten der Regeln zur Schaffung EU-Patents<br />

weiter fraglich. Als nächster Schritt wird wohl eine verstärkte<br />

gemeinsame Zusammenarbeit der Staaten in dieser Frage<br />

geprüft werden müssen, die sich ein Drei-Sprachen-Regime<br />

– wie beim jetzigen europäischen Patent – vorstellen<br />

können. <strong>Die</strong>s würde bedeuten, dass mindestens neun EU-<br />

Länder ein solches Vorgehen beschließen müssten.<br />

Doris Möller, Rechtsanwältin, DIHK Berlin<br />

EU-Parlament beurteilt ACTA-Abkommen<br />

positiv<br />

1/2011x R11<br />

Am 24.11.2010 hat das Europäische Parlament auf seiner<br />

Sitzung in Straßburg eine positive Entschließung zum<br />

Übereinkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie<br />

(ACTA) abgegeben (P7_TA-PROV[2010]0432).<br />

Nach der heftigen Kritik im Vorfeld, die sich vor allem auf<br />

die Verhandlungsführung und die nicht-öffentliche Diskussion<br />

dazu konzentrierte, scheint dadurch der Weg für dieses<br />

internationale Abkommen näher gerückt. Schon vor<br />

dem Abschluss der Verhandlungen wurden durch Veröffentlichung<br />

des Verhandlungsstands die Kritiker besänftigt.


<strong>Die</strong>se befürchteten, dass der Text des Abkommens über<br />

die bestehenden europäischen Regeln hinaus reichen<br />

würde. <strong>Die</strong>s ist nicht geschehen. <strong>Die</strong> Entschließung begrüßt<br />

daher insbesondere in Ziff.4, dass das Verfahren der<br />

Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums im digitalen<br />

Umfeld vollständig dem gemeinschaftlichen Besitzstand<br />

entspricht und weder Personendurchsuchungen<br />

noch das sog. Three-Strikes-Verfahren (nach dreimaliger<br />

Verwarnung Abschaltung vom Internet) in das Abkommen<br />

Einzug hielten. Der EVP-Abgeordnete Daniel Caspary betonte<br />

in einer Pressemeldung: „ACTA sei ein Instrument zur<br />

Steigerung der Wirksamkeit der bisherigen Normen, vor allem<br />

für einen besseren Schutz vor Verstößen gegen Urheberrechte,<br />

Marken, Patente, Muster und geografische Herkunftsangaben“.<br />

Allerdings müssen auch noch die EU-Mitgliedstaaten<br />

das Abkommen billigen und ratifizieren. Ob<br />

und wie viele Staaten außerhalb der an den Verhandlungen<br />

Beteiligten das Abkommen letztlich zeichnen werden,<br />

bleibt abzuwarten. Nur wenn eine bedeutende Anzahl<br />

auch von Schwellen- und Entwicklungsländern sich mit<br />

den Regelungen einverstanden erklärt, dürfte das Ziel, europäische<br />

Unternehmen und ihre Waren weltweit besser<br />

vor Marken- und Produktpiraterie zu schützen, erreicht werden.<br />

Doris Möller, Rechtsanwältin, DIHK Berlin<br />

EU-Kommission veröffentlicht Strategie zur<br />

Überarbeitung der EG-Datenschutz-Richtlinie<br />

Am 4.11.2010 stellte die EU-Kommission ihre neue Strategie<br />

zum Schutz personenbezogener Daten in der EU<br />

(KOM[2010]609 endgültig) vor. Ein konkreter Richtlinienvorschlag<br />

ist für das nächste Jahr angekündigt. Bis zum<br />

15.1.2011 kann zu der neuen Strategie im Rahmen einer öffentlichen<br />

Konsultation Stellung genommen werden.<br />

Folgende Punkte sieht die EU-Kommission als möglichen<br />

Regelungsinhalt einer novellierten Richtlinie an:<br />

– Anpassung an neue Technologien<br />

– Verbesserung des Datentransfers in Drittländer<br />

– Stärkung der Datenschutzaufsicht<br />

– Vereinfachung von Aufsichtstätigkeiten innerhalb der<br />

EU<br />

– Vereinheitlichung des Rechtrahmens auf EU-Ebene<br />

– Erhöhung der Transparenz der Datenverarbeitung<br />

– Informationspflicht bei Verstößen<br />

– Stärkung des Rechts auf Datenzugang, Berichtigung,<br />

Sperren und Löschen<br />

– Stärkung des Grundsatzes der Datensparsamkeit/-vermeidung<br />

– „Recht auf Vergessen“<br />

– Verbesserung des Datentransports von einem Service<br />

zum einem anderen<br />

– Stärkung der Datenschutzkompetenz insbesondere bei<br />

jüngeren Menschen<br />

– Stärkung der Einwilligung<br />

– Überprüfung der Definition der sensiblen Daten<br />

– Klagerecht für die Datenschutzaufsicht und Verbände<br />

– Einführung strafrechtlicher Sanktionen, die über bisherige<br />

Buß- bzw. Ordnungsgeldvorschriften hinaus gehen<br />

– Verbesserung der Gültigkeit von aufsichtsbehördlichen<br />

Maßnahmen<br />

– Stärkung der Verbindlichkeit der aufsichtsbehördlichen<br />

Maßnahmen auf EU-Ebene<br />

– Stärkung der Verantwortlichkeit der verantwortlichen<br />

Stelle<br />

– Einführung eines Gütesiegels<br />

– Stärkung des Datenschutzes in Drittländern und Verbesserung<br />

der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen<br />

Annette Karstedt-Meierrieks, DIHK Berlin<br />

Stellungnahme des EU-Parlaments zur<br />

Umsetzung des Stockholmer Programms<br />

1/2011x R12<br />

Das Europäische Parlament hat am 23.11.2010 einen Bericht<br />

zu zivil-, handels- und familienrechtlichen Aspekten<br />

sowie zu Aspekten des internationalen Privatrechts des Aktionsplans<br />

zur Umsetzung des Stockholmer Programms<br />

verabschiedet (P7_TA-PROV[2010]0426).<br />

<strong>Die</strong> Abgeordneten beglückwünschen die Europäische<br />

Kommission zu dem Aktionsplan und nehmen u.a. zu einzelnen<br />

Aspekten im Bereich des Zivilrechts und des internationalen<br />

Privatrechts Stellung.<br />

<strong>Die</strong> Initiative der Kommission für ein europäisches Vertragsrechtsinstrument,<br />

das von Vertragsparteien auf freiwilliger<br />

Basis angewandt werden kann, wird unterstützt. Auch eine<br />

Gesetzesinitiative für eine Verordnung zur effizienteren Vollstreckung<br />

von Urteilen in der Europäischen Union betreffend<br />

die Transparenz von Schuldnervermögen und eine<br />

ähnliche Verordnung zur Kontenpfändung wird begrüßt.<br />

Außerdem solle ein eigenständiges europäisches Rechtsmittel<br />

geschaffen werden, das dem Offenlegen und/oder<br />

Einfrieren von Vermögen in grenzüberschreitenden Fällen<br />

dienen würde.<br />

<strong>Die</strong> Parlamentarier fordern die Kommission und die Mitgliedstaaten<br />

auf, für eine einheitlichere Anwendung der<br />

EU-Rechtsvorschriften zu sorgen, um das Funktionieren<br />

des Binnenmarkts und des freien Wettbewerbs zu gewährleisten.<br />

Zudem solle eine schnelle Lösung grenzüberschreitender<br />

Handelsprobleme für Verbraucherkäufe im Internet gefunden<br />

werden. Das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmer<br />

in den grenzüberschreitenden elektronischen Handel<br />

solle auch durch den verstärkten Kampf gegen Computer-


kriminalität und Fälschungen erhöht werden. Weiterhin wird<br />

die Entwicklung einer Europäischen Charta der Verbraucherrechte<br />

im Bereich der Online-<strong>Die</strong>nste und des elektronischen<br />

Geschäftsverkehrs gefordert.<br />

Mit Verweis auf das Cartesio-Urteil des EuGH vom<br />

16.12.2008 – Rs. C-210/06, <strong>GmbH</strong>R 2009, 86 m. Komm.<br />

W.Meilicke wird die Europäische Kommission aufgefordert,<br />

bestehende Lücken im Bereich des internationalen Gesellschaftsrechts<br />

zu schließen.<br />

Nachdrücklich wird die Europäische Kommission aufgefordert,<br />

das Projekt eines internationalen Gerichtsstandsübereinkommens<br />

wiederzubeleben.<br />

–jc–<br />

Konsultation zur Versicherungsvermittlerrichtlinie<br />

(IMD II)<br />

<strong>Die</strong> Europäische Kommission führt eine öffentliche Konsultation<br />

zur Revision der Versicherungsvermittlerrichtlinie (RiLi<br />

2002/92/EG) durch. Als Grundlage für die Konsultation und<br />

Diskussion hat die Generaldirektion Binnenmarkt und<br />

<strong>Die</strong>nstleistungen (GD MARKT) ein Arbeitsdokument mit<br />

Vorschlägen erstellt, welches sie auf ihrer Internetseite veröffentlicht<br />

hat. <strong>Die</strong> Konsultationsfrist läuft vom 26.11.2010 bis<br />

zum 31.1.2011. Alle interessierten Gruppen, wie öffentliche<br />

Einrichtungen, Verbände und Bürger, sind eingeladen, auf<br />

die in dem Diskussionspapier dargestellten Fragen zu antworten.<br />

<strong>Die</strong> EU-Kommission hat mit dem Call for Advice vom Januar<br />

2010 den Ausschuss der europäischen Versicherungsaufsichtsbehörden<br />

(Committee of European Insurance and<br />

Occupational Pensions Supervisors – CEIOPS) um Stellungnahme<br />

zur geplanten Revision der Versicherungsvermittlerrichtlinie<br />

gebeten. Dazu wurden bei CEIOPS Unterarbeitsgruppen<br />

für die Bereiche „Rechtsrahmen/Berufsqualifikation“,<br />

„Verbraucherschutz/Konfliktmanagement“ und<br />

„Sonstiges/Notifizierungsverfahren“ eingesetzt, die Diskussionspapiere<br />

zu diesen Themen vorbereitet haben. Auf den<br />

Vorarbeiten dieser Gruppen basiert das nun veröffentlichte<br />

Arbeitsdokument.<br />

Dr. Mona Moraht, Rechtsanwältin, DIHK Berlin<br />

Wirtschafts-Praxis<br />

Marianne Gajo, Dipl.-Verw. Wiss., Spaichingen<br />

Eigenkapitalquoten der österreichischen<br />

Mittelständler<br />

<strong>Die</strong> österreichische Forschungseinrichtung im Bereich<br />

Klein- und Mittelbetriebe, die KMU Forschung Austria, hat<br />

eine Auswertung ihrer Bilanzdatenbank vorgenommen, um<br />

die Eigenkapitalausstattung der kleinen und mittleren Unternehmen<br />

(KMU) in Österreich darzustellen. Für das Jahr<br />

2008/09 (Bilanzen mit Stichtagen zwischen 1.7.2008 und<br />

30.6.2009) wurden insgesamt rund 54.800 Bilanzen von<br />

KMU und etwa 1.300 Bilanzen von Großbetrieben ausgewertet.<br />

<strong>Die</strong> Datenbankauswertung hat gezeigt, dass die Eigenkapitalquote<br />

im Bilanzjahr 2008/09 im Durchschnitt<br />

rund 25% betrug. Im Vergleich zum Vorjahr hat ein Anstieg<br />

der Eigenmittelausstattung um rund 1,3 Prozentpunkte<br />

stattgefunden. Eine Betrachtung nach Größenklassen hat<br />

ergeben, dass die Kleinstbetriebe (mit weniger als 10 Beschäftigten)<br />

2008/09 mit einer Eigenkapitalquote von rund<br />

11% deutlich unter dem Durchschnitt lagen. <strong>Die</strong> Kleinbetriebe<br />

(Unternehmen mit 10–50 Mitarbeiter) mussten zwischen<br />

2007/08 und 2008/09 im Durchschnitt einen geringen<br />

Rückgang der Eigenkapitalquote von 19,9% auf 19,4%<br />

verzeichnen. Im Segment der Mittelbetriebe (50–250 Mitarbeiter)<br />

stieg die Eigenkapitalquote dagegen von 29,6% auf<br />

31,3% an. Bei den Großbetrieben (über 250 Mitarbeiter)<br />

kam es hingegen zu einem Rückgang der Eigenkapitalausstattung<br />

um 2,8 Prozentpunkte, was das Forschungsinstitut<br />

vor allem auf die rückläufige Ertragskraft zurückführt.<br />

Rund 35% der KMU verfügten über kein Eigenkapital. Besonders<br />

häufig betroffen davon waren Kleinstunternehmen.<br />

Im längerfristigen Vergleich (seit 2004/05) hat sich gezeigt,<br />

dass der Anteil der KMU mit negativem Eigenkapital um<br />

rund 6 Prozentpunkte gesunken ist.<br />

Geschäftsführer-Demografie 2010<br />

1/2011x R13<br />

Eigenkapitalquote der österreichischen Unternehmen nach<br />

Größenklassen<br />

Eigenkapitalquote = Eigenkapital in % des Gesamtkapitals<br />

Quelle: KMU FORSCHUNG AUSTRIA, Bilanzdatenbank, Pressemitteilung<br />

vom 9.11.2010.<br />

<strong>Die</strong> Wirtschaftsauskunftei Bürgel hat eine neue Ausgabe ihrer<br />

Untersuchung zur Geschäftsführer-Demographie publiziert.<br />

Demnach arbeiten die meisten Geschäftsführer in<br />

Nordrhein-Westfalen. Das entspricht 236.882 der bundesweit<br />

insgesamt analysierten 1.020.302 Führungspersonen.<br />

Auf den weiteren Plätzen folgen Bayern (170.103), Baden-<br />

Württemberg (129.260) und Niedersachsen (86.488). Im Verhältnis<br />

zur Einwohnerdichte liegt Hamburg im Vergleich<br />

vorne. Jeder 50. Einwohner im Hamburg (2,0%) ist ein Geschäftsführer.<br />

Der Bundesdurchschnitt liegt bei 1,2%. Den<br />

geringsten Geschäftsführer-Anteil an der Bevölkerung halten<br />

Thüringen (0,8%) und Sachsen-Anhalt (0,9%).<br />

Im Durchschnitt ist der Geschäftsführer eines deutschen<br />

Unternehmens 51,1 Jahre alt. Das Durchschnittsalter bei<br />

den weiblichen Unternehmensführern liegt bei 50,6 Jahren,<br />

bei den männlichen Geschäftsführern sind es 51,3 Jahre.


Dabei finden sich in Bremen die ältesten Geschäftsführer<br />

mit einem Durchschnittsalter von 53,6 Jahren und in Berlin<br />

die jüngsten mit 49,8 Jahren. Unabhängig vom Geschlecht<br />

stellt die Gruppe der 45- bis 49-Jährigen das stärkste Geschäftsführersegment<br />

mit 183.988 Personen (18,0%). <strong>Die</strong><br />

zweitstärkste Gruppe der 40- bis 44-Jährigen umfasst<br />

15,2%. Das entspricht 155.336 Geschäftsführern. <strong>Die</strong> 18- bis<br />

24-Jährigen halten mit 4.753 Geschäftsführern lediglich einen<br />

Anteil von 0,5%. Bei den Über-75-Jährigen sind es immerhin<br />

noch 2,9% bzw. 30.032 Personen.<br />

Durchschnittsalter der Geschäftsführer (in Jahren)<br />

Quelle: Bürgel Wirtschaftsinformationen: Geschäftsführer-Demografie<br />

2010.<br />

Insgesamt gibt es fast fünfmal mehr männliche (83,2%) als<br />

weibliche Geschäftsführer. <strong>Die</strong> Bürgel-Auswertung weist<br />

insgesamt 848.866 männliche Firmenchefs aus und<br />

171.436 weibliche. Über den geringsten Geschäftsführerinnen-Anteil<br />

verfügt Bremen mit 15,2%, über den höchsten<br />

Berlin mit einer Quote von 18,8%. Während der Anteil an<br />

Firmenchefinnen in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen mit<br />

23,1% am größten ist, nimmt der Frauenanteil in jeder weiteren<br />

Altersgruppe bis hin zu den Über-75-Jährigen ab.<br />

Anteil weiblicher Führungskräfte pro Altersgruppe<br />

Quelle: Bürgel Wirtschaftsinformationen: Geschäftsführer-Demografie<br />

2010.<br />

Zeitschriftenspiegel<br />

Gesellschaftsrecht<br />

Berninger, Keine Haftung des atypisch stillen Gesellschafters<br />

im Außenverhältnis für Verbindlichkeiten des Handelsgeschäftsinhabers<br />

nach §§128,171 HGB. Zugleich eine Anmerkung<br />

zum Beschluss des BGH vom 1.3.2010 – II ZR<br />

249/08, DStR 2010, 1489 [= <strong>GmbH</strong>R 2010, 814], DStR46/<br />

2010, 2359ff.<br />

Brand/Reschke, <strong>Die</strong> Firmenbestattung im Lichte des §283<br />

Abs.1 Nr.8 StGB. Zugleich Besprechung BGH v. 24.3.2009<br />

– 5 StR 353/08, ZIP 2010, 471, ZIP 44/2010, 2134ff.<br />

Burkhardt/Costa, Vorabausschüttungen einer <strong>GmbH</strong> – Gestaltungsmöglichkeiten,<br />

BBK 23/2010,1140ff.<br />

Fleischer/Schneider, Zulässigkeit und Grenzen von Shoot-<br />

Out-Klauseln im Personengesellschafts- und <strong>GmbH</strong>-Recht,<br />

DB 49/2010, 2713ff.<br />

Priester, Wann endet das Sonderrecht der UG (haftungsbeschränkt)?<br />

Bemerkungen aus Anlass der Entscheidung<br />

OLG München v. 23.9.2010 – 31 Wx 149/10, ZIP 2010, 1991<br />

[= <strong>GmbH</strong>R 2010, 1210 m. Komm. Klose], ZIP 45/2010,<br />

2182ff.<br />

Ring/Olsen-Ring, Das neue dänische Gesellschaftsgesetz,<br />

IWB 23/2010, 865ff.<br />

Rönnau/Krezer, Darlehensverrechnungen im Cash-Pool –<br />

nach Inkrafttreten des MoMiG auch ein Untreue-Risiko<br />

(§266 StGB)?, ZIP 47/2010, 2269ff.<br />

Sernetz, Anrechnung und Bereicherung bei der verdeckten<br />

Sacheinlage, ZIP 45/2010, 2173ff.<br />

Werner, Der zwangsweise Ausschluss eines Gesellschafters<br />

aus der <strong>GmbH</strong>, NWB 47/2010, 3810ff.<br />

Steuerrecht<br />

1/2011x R14<br />

Bareis, Ordnungsmäßige Buchführung für vGA anstelle<br />

„außerbilanzieller Korrekturen“, DB 48/2010, 2637ff.<br />

Honert/Obser, Wann ist die Beteiligung an der Komplementär-<strong>GmbH</strong><br />

funktional wesentliche Betriebsgrundlage?,<br />

EStB 11/2010, 432ff.<br />

Hubertus/Fürwentsches, Das Körperschaftsteuerguthaben<br />

in der Insolvenz, DStR 47/2010, 2382ff.<br />

Janssen, Ein gefährlicher Irrtum bei Pensionszusagen –<br />

Entwarnung, NWB 49/2010, 4027ff.<br />

Lang, Aufwand auf inländische Gesellschafterdarlehen,<br />

NWB 47/2010, 3798ff.<br />

Lohr/Görges, Probleme und Zukunft der Organschaft, DB<br />

47/2010, 2576ff.<br />

Martini/Valta, Verdeckte Gewinnausschüttungen durch den<br />

Erwerb aktivierungspflichtiger Wirtschaftsgüter, DStR 46/<br />

2010, 2329ff.


Mutscher, Anwendungsbereich der fiktiven Steueranrechnung<br />

im UmwStG, IStR 22/2010, 820ff.<br />

Prinz, Steuerbilanzielle Korrekturnormen im Blickpunkt: Zur<br />

„fehlerfreien“ Gewinnermittlung, DB 48/2010, 2634ff.<br />

Richer/Heyd, <strong>Die</strong> Bedeutung des EuGH-Urteils in der Rs.<br />

Cartesio [<strong>GmbH</strong>R 2009, 86 m. Komm. W.Meilicke] für die<br />

deutsche Wegzugsbesteuerung unter besonderer Beachtung<br />

des grenzüberschreitenden Rechtsformwechsels,<br />

StuW 4/2010, 367ff.<br />

Schaumburg/Bäuml, Organschaft und Gewerbesteueranrechnung,<br />

FR 23/2010,1061ff.<br />

Scheffler/Krebs, Einfluss der Besteuerung von privaten Dividenden,<br />

Veräußerungsgewinnen und Zinsen auf die Unternehmensfinanzierung<br />

, IStR 23/2010,859ff.<br />

Spengel/Matenaer, Grenzüberschreitende Verrechnung<br />

von Betriebsstättenverlusten – ein kritischer Vergleich der<br />

EuGH-Rechtsprechung, IStR 22/2010, 817ff.<br />

Tagungshinweise<br />

Kolloquium „Aktuelle Rechtsfragen der<br />

Gesellschafterliste“<br />

Das Kolloquium des Instituts für Notarrecht an der Friedrich-Schiller-UniversitätJenafindetstattam<br />

Freitag, 28. Januar 2011, um 15:00 Uhr<br />

im Alten Schloss Dornburg, Dornburger Schlösser, Max-<br />

Krehan-Str. 4, 07778 Dornburg.<br />

Folgende Vorträge werden gehalten:<br />

– Dr. Marc Löbbe, Rechtsanwalt (SZA), Mannheim: „<strong>Die</strong><br />

Voraussetzungen der Legitimationswirkung nach §16<br />

Abs.1 S.1 <strong>GmbH</strong>G – Probleme und Perspektiven der<br />

Rechtsanwendung“<br />

– Dr. Johannes Schüßler, Hamburg: „Der gutgläubige Erwerb<br />

von <strong>GmbH</strong>-Anteilen“<br />

– Dr. Hartmut Wicke, LL.M., Notar, München: „Prüfungspflichten<br />

und Gestaltungsfragen bei der notariellen Gesellschafterliste<br />

gem. §40 Abs.2 <strong>GmbH</strong>G“<br />

Information und Anmeldung: Institut für Notarrecht an der<br />

Friedrich-Schiller-Universität Jena, Carl-Zeiß-Straße 3, 07743<br />

Jena; Telefon: 03641/942510, Telefax: 03641/942512; E-Mail:<br />

notarinstitut@uni-jena.de<br />

<strong>Die</strong> Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei.<br />

1/2011x R15<br />

Hamburger Forum für Unternehmensteuerrecht<br />

2011<br />

Das Hamburger Forum für Unternehmensteuerrecht 2011<br />

findet statt am<br />

Donnerstag, 17. Februar 2011, von 13.00 bis 18.30 Uhr (mit<br />

anschließendem Abendessen) und Freitag, 18. Februar<br />

2011, von 8.30 bis 17.45 Uhr<br />

in der Bucerius Law School, Jungiusstraße 6, 20355 Hamburg.<br />

<strong>Die</strong> 1,5-tägige Tagung steht unter der Schirmherrschaft von<br />

Prof.Dr.Dres.h.c.KarstenSchmidt, Präsident der Bucerius<br />

Law School, und Dr. Jan Grotheer, PräsidentdesFGHamburg<br />

a.D. Sie wird geleitet von Prof. Dr. Birgit Weitemeyer,Bucerius<br />

Law School Hamburg, Dr. Götz T. Wiese, Latham&<br />

Watkins LLP und Dr. Christian Ruoff, Freshfields Bruckhaus<br />

Deringer LLP. <strong>Die</strong> Referenten und Diskussionsteilnehmer aus<br />

der Finanzverwaltung, der Finanzgerichtsbarkeit, der Wirtschaft,<br />

der Beraterschaft und der wissenschaftlichen Lehre<br />

beschäftigen sich mit folgenden Themenblöcken:<br />

– Aktuelle Brennpunkte des nationalen und internationalen<br />

Unternehmensteuerrechts<br />

– Bilanzsteuerrecht und Besteuerung von Personengesellschaften<br />

– Körperschaft- und Umwandlungssteuerrecht<br />

Als Referenten und Diskussionsteilnehmer wirken mit:<br />

Peter Carstens (Otto <strong>GmbH</strong> & Co. KG), Dr. Andreas Herlinghaus<br />

(Richter am BFH), Prof. Dr. Ulrich Hufeld (Helmut-<br />

Schmidt-Universität der Bundeswehr), Prof. Dr. <strong>Die</strong>tmar<br />

Gosch (Vors. Richter am BFH), Dr. Christian Kaeser (Siemens<br />

AG), Dr. Andreas Körner (Volkswagen AG), Prof. Dr. Ursula<br />

Ley (Ebner Stolz Mönning Bachem), Regierungsdirektor<br />

Dr. Rolf Möhlenbrock (BMF), Dr. Helder Schnittker (Alpers<br />

& Stenger LLP), Dipl.-Finanzwirt (FH) Jan Uterhark<br />

(Richter am FG Hamburg), Prof. Dr. Christoph Urtz (Universität<br />

Salzburg), Dr. Sven-Christian Witt (Richter am FG Berlin-<br />

Brandenburg), Dipl.-Finanzwirt (FH) Torsten Zwirner (Finanzbehörde<br />

der Freien und Hansestadt Hamburg).<br />

Einzelheiten zum Programm unter:<br />

www.forum-unternehmensteuerrecht.de<br />

Tagungspreise: 4253, ermäßigter Preis für Studierende,<br />

Rechtsrefendare und Juniormitglieder 303 (begrenztes<br />

Kontingent), Tagungspreis für Mitglieder des Hamburger<br />

Forum für Unternehmensteuerrecht e.V. 3353.<br />

Information und Anmeldung: Hamburger Forum für Unternehmensteuerrecht<br />

e.V., c/o Bucerius Law School, Lehrstuhl<br />

für Steuerrecht, Frau Julia Theele, Jungiusstr. 6, 20355<br />

Hamburg. E-Mail: julia.theele@law-school.de, Tel. (040) 30<br />

706–270.


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