(F) „Technische Lebensdauer von Bauteilen u. Bauteilschichten“ (F ...

Vortrag am 02.06.2008 in Deggendorf – LVS-Gruppe Bezirk Niederbayern
(F) „Technische Lebensdauer von Bauteilen u. Bauteilschichten“
(F) Begriff Lebens- bzw. Nutzungsdauer:
Nutzungsdauer ist der Zeitraum, in dem ein Bauteil unter allmählicher
Abnutzung durch Alterung seinen Zweck erfüllen muss.
Was in diesem Zusammenhang unter „Alterung“ zu verstehen ist, definiert
die DIN 50035-1:
DIN 50035-1:1989-03 Begriffe auf dem Gebiet der Alterung von Materialien;
Grundbegriffe:
„1 Alterung
Gesamtheit aller im Laufe der Zeit in einem Material irreversibel ablaufenden
chemischen und physikalischen Vorgänge.“
Die Lebensdauer eines Baustoffs oder Bauteils ist keine exakte Größe. Sie
ist vielmehr abhängig von: (F)
• Der Stoff- und Schichtqualität
• Den Bauteileigenschaften
• Der Ausführungsqualität
• Den Konkreten Beanspruchung
• Der Komplexität des Bauteils
• Von der Verarbeitung, der Umwelt
• Der Nutzung, der Schadensanfälligkeit,
• Der Wartung und Pflege sowie den regelmäßigen Instandsetzungen.
(F) Verwendung:
• Bei Wertermittlungsgutachten von Immobilien
• Zur Berechnung des Vorteilsausgleichs (Abzug neu für alt)
• Zur Berechnung des Zeitwerts aus dem Neuwert
• Bei Versicherungsgutachten
• Bei Schadenersatzansprüchen
• Zur Untersuchung der Dauerhaftigkeit von Ausführungs-Alternativen
(z.B. KMB-Abdichtung oder Bahnenabdichtung)
> KMB-Abdichtung ca. 30-50 Jahre
> Kunststoffbahn ca. 40-60 Jahre

• Untersuchung zur Nachhaltigkeit von Bauweisen (F)
(z.B. Gesamtnutzungsdauer Holzrahmenbau / Massivbau)
- siehe Tabelle
(F) Abzug Neu für Alt:
Die Berechnung eines Abzuges „Neu für Alt“ ist meist der ausschlaggebende
Faktor. In meiner Praxis mache ich hierfür folgende Berechnungsschritte
- siehe Tabelle.
Berechnung Abzug „neu für alt“:
Bei der Berechnung des Abzugs „neu für alt“ wird von einer linearen Wertminderung für Alter
und Abnutzung ausgegangen. Als Berechnungsgrundlage wird meine Kostenschätzung im
Gutachten vom 28.09.2007, Seite 9, zugrunde gelegt. Gerüstarbeiten sowie das Abdecken
von Bauteilen bleiben außer Betracht, weil diese Kosten ohnehin bei einer Erneuerung der
Anstriche nach Ablauf der Lebens- bzw. Nutzungsdauer anfallen würden und somit dem
Neuwert zuzurechnen sind (siehe hierzu auch: „Minderung und Schadenersatz“ – Sonderdruck aus der BVS-
Zeitschrift „der Sachverständige“ 11/1993; Verfasser Dipl.-Ing. Peter-Andreas Kamphausen). (F)
Bauteil/Bauteilschicht
Nutzungsdauer nach
IEMB
Nutzungsdauer
nach SV
Österreichs
Für Berechnung
zugrunde gelegte
Nutzungsdauer
Fassadenanstrich 20 Jahre i.M. 15 Jahre 18 Jahre
Abzug „neu für alt“ = Neuwert abzüglich Wiederbeschaffungswert
Alter der vorh. Anstriche: 5 Jahre
Faktor Abzug „neu für alt“:
Berechnung des Abzugs:
5 Jahre / 18 Jahre = 28 %
Lohn-/Materialkosten – siehe Gutachten Seite 9 Nr. 300.3 (anteilig), 300.4, 300.6, = 890,00 €
Abzug 28 % = 890,00 * 0,28 = 249,20 €
Fazit: Der Abzug „neu für alt“ für die Erneuerung der Anstriche beträgt ca. 250,- €
zuzügl. der gesetzl. Mehrwertsteuer.
(F) In der Praxis wird in der Regel von einer linearen Wertminderung für
Alter und Abnutzung ausgegangen.
Zur Berechnung muss die technische Lebensdauer bzw. Nutzungsdauer
bekannt sein.
Es sind die üblicherweise anfallenden Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten
zu berücksichtigen.
Ein global berechneter Abzug ist meist falsch. Eine Prüfung der Umstände
des Einzelfalls ist immer erforderlich.

(F) Verwendung Technische Unterlagen:
Es gibt diverse Veröffentlichungen von Listen mit Angabe von Orientierungswerten.
Es kann sich hierbei nur jeweils um Orientierungswerte handeln, da die
Lebensdauer eines Bauteils je nach Randbedingung sehr verschieden
ausfallen kann.
z.B. Bodenbelag eines Wohnzimmers im Einfamilienhaus – oder
Bodenbelag im Eingangsbereich eines besucherintensiven Gewerbebaus.
In sinnvoll tabellarischen Auflistungen werden daher immer Spannen
angegeben, deren Grenzwerte häufig sehr weit auseinander liegen.
Eine Prüfung im Einzelfall ist immer erforderlich.
z.B. kann eine Holzlasur bei stark bewittertem Holz je nach Pigmentierung
alle 2-3 Jahre zu erneuern sein, während dieselbe Beschichtung an der
Dachuntersicht mind. 8-10 Jahre hält.
Tabellen mit Berücksichtigung der Randbedingungen fehlen leider meist,
wären jedoch wünschenswert.
Dies bleibt somit dem Bewertenden überlassen.
(F) Wie solche Tabellen aussehen können, haben Kille, Lind, Scheewe und
Schwarzmann dahingehend dokumentiert, dass sie in der
Nutzungsdauertabelle für Bodenbeläge den Erhaltungszustand
berücksichtigen – siehe Tabelle.
(F) In deutschen Regelwerken sind bisher noch keine Angaben zur
technischen Lebensdauer aufgenommen worden.
Begründung: Es wird – unbegründet – befürchtet, dass Lebensdauerangaben
mit den Verjährungsfristen von Mängelansprüchen gleichgesetzt.
Ableitung der Lebensdauer aus künstlich simulierten Alterungstests: Ein
unmittelbarer, zahlenmäßiger Rückschluss auf die tatsächliche
Produktlebensdauer ist in der Regel nicht ableitbar – siehe z.B. DIN EN
13707: 2005-01 Abdichtungsbahnen – Bitumenbahnen mit Trägereinlage für
Dachabdichtungen – ausdrücklicher Hinweis unter 5.2.19, dass die
Ergebnisse der Untersuchungen zu künstlichem Alterungsverhalten nach

DIN EN 1296:2001-03 „keinen Bezug zur Produktlebensdauer in der Praxis“
haben.
(F) Tabellen im Einzelnen:
Bei der Anwendung der Tabellen ist zu beachten:
Die Lebenserwartung ist aus den vorgenannten Gründen mit von-bis-Werten
angegeben. Für die Bewertung kann die mittlere Lebenserwartung als
Orientierung angesetzt werden. Die tatsächliche Lebenserwartung weicht je
nach praktischer Bauteilbeanspruchung ggf. von den angegebenen Werten
ab.
• (F) Wertermittlungsrichtlinien WERTR; Hierzu ist das Standardwerk
von Simon/Kleiber aus dem Jahr 1996 zu nennen: „Schätzung und
Ermittlung von Grundstückwerten“ – siehe Tabelle
Hinweis: In der aktuellen Ausgabe vom März 2006 sind keine Tabellen
zur Lebensdauer mehr enthalten.
• (F) Erste Tabellen sind bereits auf den achtziger Jahren bekannt. Sie
waren nicht sehr umfangreich, es sind nicht alle
Bauteile/Bauteilschichten enthalten; z.B. Heinz Schmitz:
„Altbaumodernisierung – Konstruktions- und Kostenvergleiche“ – R.
Müller Verlag 1984 – siehe Tabelle
• (F) In den neunziger Jahren wurde vom Bundesamt für Kulturfragen
in Bern eine sehr umfangreiche Studie zum Thema
„Alterungsverhalten von Bauteilen und Unterhaltskosten“
veröffentlicht. Sie kann kostenlos im Internet heruntergeladen werden:
http://www.bbase.ch/pdf/tipps/441%20Alterungsverhalten.pdf
(F) Die Studie wurde sehr umfangreich und feingliedrig betrieben und
deshalb leider auch z.T. sehr unübersichtlich. Vorteilhaft ist jedoch,
dass sie verschiedene Gebäudetypen berücksichtigt und mehrere
Quellen zur Beurteilung heranzieht. Leider sind die verwendeten
Quellen meist schon über 20 Jahre alt – siehe Tabellen.

Neuere Tabellenwerke gibt es von:
• (F) Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung – „Leitfaden
Nachhaltiges Bauen“ – Stand Jan. 2001 – siehe Tabelle
Kostenlos im Internet unter:
http://www.bmvbs.de/Anlage/original_8183/Leitfaden-Nachhaltiges-Bauen.pdf
Die Tabellen wurden in der IEMB-Veröffentlichung von 2006
aktualisiert.
• (F) Institut für Bauforschung e.V., Hannover – „Lebensdauer der
Baustoffe und Bauteile zur Harmonisierung der wirtschaftlichen
Nutzungsdauer im Wohnungsbau“, aus dem Jahr 2004 – siehe
Tabelle
Kostenlos im Internet unter:
http://www.bbr.bund.de/nn_21784/DE/Forschungsprogramme/FoerderungBauforschung/Bau
konstruktionenBaustoffe/Downloads/DL__2464,templateId=raw,property=publicationFile.pd
f/DL_2464.pdf
• (F) Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken (IEMB),
Berlin, in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Bauwesen und
Raumordnung: „Lebensdauer von Bauteilen und Bauteilschichten“,
Stand Dez. 2006 – siehe Tabelle
Kostenlos im Internet unter:
http://www.kompetenzzentrum-iemb.de/informationssystem/downloads/themen/0612-4-
2.pdf
• (F) Eine sehr ausführliche Veröffentlichung ist vom Hauptverband der
allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen
Österreichs ausgearbeitet worden: „Nutzungsdauerkatalog baulicher
Anlagen und Anlagenteile“, Stand 2006 – siehe Tabelle.
Es kann über folgende Adresse bezogen werden:
Landesverband Steiermark und Kärnten 8020 Graz, Griesgasse 10
Telefon: 0316/711018, Fax 0316/711018-20 E-Mail: office@sachverstaendige.at
Preis: 45,- € zuzügl. 10 % MwSt. und Versandkosten
(F) Vergleiche unter den einzelnen Tabellenwerken zeigen, dass meist
ähnliche Angaben enthalten sind – siehe Tabelle

Tabellen zur Erfordernis der Instandsetzung von sind nur wenige
Veröffentlichungen bekannt. Anzuführen ist hier:
• (F) „Häufigkeitskatalog von Instandhaltungsmaßnahmen bei
Wohngebäuden ...“ des Gesamtverbandes gemeinnütziger
Wohnungsunternehmen e.V., Köln – siehe Tabelle
Der Katalog ist meines Wissens nicht mehr erhältlich. Die Angaben
beziehen sich auf eine Lebenserwartung von 80 Jahren.
• (F) Von Wilhelm Klocke ist 1988 ein Buch zu diesem Thema
erschienen: „Mein Haus wird älter – Was tun?“. Das Buch über z.B.
über amazon noch erhältlich: http://www.amazon.de/Mein-Haus-wird-
%C3%A4lter-Unterhaltung/dp/3762526265
(F) Fazit:
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass man bei einzelnen Bauteilen
durchaus auf Erfahrungswerte aus Tabellen zurückgreifen kann und dass sie
bei Berücksichtigung der entsprechenden Randbedingungen in vielen
Einzelfällen relativ sichere Aussagen zulassen.
Insgesamt bleibt jedoch die Frage der Dauerhaftigkeit mit Unsicherheiten
verbunden, wodurch manches Mal nur grobe Einschätzungen möglich sind.
Die richtige Anwendung und Deutung von verfügbaren Tabellenwerken muss
dem einzelnen Anwender überlassen bleiben.
Deshalb gilt auch hier der Leitsatz: Erst prüfen und denken, dann
schreiben!

Bezugsquellen für Tabellen und Veröffentlichungen zum Thema
„Lebensdauer von Bauteilen“:
Schweizer Bundesamt für Kulturfragen, Bern:
http://www.bbase.ch/pdf/tipps/441%20Alterungsverhalten.pdf
Leitfaden Nachhaltiges Bauen, BMVBS:
http://www.bmvbs.de/Anlage/original_8183/Leitfaden-Nachhaltiges-Bauen.pdf
Institut für Bauforschung, Hannover:
http://www.bbr.bund.de/nn_21784/DE/Forschungsprogramme/FoerderungBauforschung/Baukonstruk
tionenBaustoffe/Downloads/DL__2464,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/DL_2464.pdf
Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken IEMB:
http://www.kompetenzzentrum-iemb.de/informationssystem/downloads/themen/0612-4-2.pdf
Hauptverband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten
Sachverständigen Österreichs:
Landesverband Steiermark und Kärnten 8020 Graz, Griesgasse 10
Telefon: 0316/711018, Fax 0316/711018-20 E-Mail: office@sachverstaendige.at
„Mein Haus wird älter – Was tun?“ von Wilhelm Klocke, 1988:
http://www.amazon.de/Mein-Haus-wird-%C3%A4lter-Unterhaltung/dp/3762526265