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150 Jahre MHD (Buch)

Geschichte des Marien Hospital

Geschichte des Marien Hospital

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Ulrich Brzosa<br />

<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital<br />

Düsseldorf


Herausgeber: Katholische Stiftung Marien Hospital zu Düsseldorf<br />

Rochusstraße 2, 40479 Düsseldorf<br />

Telefon (02 11) 44 00-0<br />

Telefax (02 11) 44 00-26 10<br />

info@marien-hospital.de<br />

www.marien-hospital.de<br />

Juni 2014<br />

Auflage: 1.000<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

Druck und Bindung: Firmengruppe APPL<br />

aprinta druck GmbH, Senefelderstraße 3-11, 86650 Wemding<br />

Gestaltung: Leonard Sieg


Ulrich Brzosa<br />

<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong> Marien Hospital Düsseldorf<br />

Herausgegeben von<br />

der Katholischen Stiftung Marien Hospital<br />

zu Düsseldorf<br />

Düsseldorf 2014


Das Marien Hospital Düsseldorf - <strong>150</strong> <strong>Jahre</strong> bürgerschaftliches Engagement<br />

Liebe Leserin, lieber Leser!<br />

Schon im frühen Christentum war die Sorge um den kranken Menschen ein Wesens- und Unterscheidungsmerkmal<br />

zur ausgehenden Antike. Auf dem Konzil von Nicäa im Jahr 325 erging ein Erlass, der die Bischöfe zur<br />

Einrichtung von Pflegehäusern für kranke und hilfsbedürftige Menschen verpflichtete. Die professionelle Sorge<br />

um pflegebedürftige Menschen in Europa ist aus dieser Tradition christlicher Ordensgemeinschaften entstanden<br />

und gilt als der Ursprung der heutigen Krankenhaus landschaft.<br />

Von Anfang an mussten sich die vielfachen Gründungen mit der Frage der Finanzierung ihrer Vorhaben beschäftigen.<br />

Das rief gerade im 19. Jahrhundert das konfessionelle Bürgertum auf den Plan, das fest im Stadtund<br />

Kirchenleben verwurzelt war. Mit viel Engagement trugen katholische Bürger der Stadt Düsseldorf einen<br />

Kapitalstock von 20.382 Talern zusammen und gründeten 1864 eine Stiftung mit dem Zweck der Errichtung<br />

eines Krankenhauses - das uns heute als Marien Hospital Düsseldorf bekannt ist.<br />

Das Marien Hospital Düsseldorf kann in diesem Jahr auf sein <strong>150</strong>-jähriges Stiftungs jubiläum zurückblicken. Es feiert dieses im Bewusstsein<br />

an einen Auftrag, der im christlichen Selbstverständnis verankert ist, aber auch in Verpflichtung gegenüber den Stifterinnen und Stiftern,<br />

deren Willen es war, ein Krankenhaus auf fundier ter wirtschaftlicher Grund lage zu erbauen und für zukünftige Generationen zu erhalten.<br />

Seit 2007 gehört das Marien Hospital Düsseldorf dem Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf (VKKD) an. Der Zusammenschluss mit anderen<br />

benachbarten Krankenhäusern sichert nicht nur das Bestehen in einem sich nachhaltig verändernden Umfeld, sondern bietet auch<br />

die Chance zu einer Profilierung des medizinischen Spektrums, wie dies an allen Standorten des VKKD realisiert wird.<br />

Heute ist die Vision der Stifter ein fester Bestandteil des Krankenhauswesens in der Stadt Düsseldorf und Anspruch wie Ansporn zugleich<br />

für alle hier beschäftigten Berufs gruppen. Das Marien Hospital Düsseldorf ist überregional bekannt und erfreut sich eines großen Renommees.<br />

Neben der hohen medizinischen Expertise in den medizinischen Fachbereichen ist es besonders die pflegerische Zuwendung<br />

und die ganzheitliche Betrachtung des Menschen sowie die Investition in Zukunftstherapien, die Patienten mit diesem Haus verbinden.<br />

Zuletzt durch den Neubau der Strahlentherapie und die Anschaffung der entsprechenden Hoch leistungstechnik im Jahr 2013 kann das<br />

Marien Hospital Düsseldorf auf dem Niveau führender Tumorzentren arbeiten.<br />

Was Düsseldorfer Bürger im Jahr 1864 mit ihrem Engagement angestoßen haben, hat sich heute zu einem anerkannten Zentrum, u. a. für<br />

die Tumormedizin, entwickelt, das in die universitäre und internationale Medizin eingebunden ist, aktuelle Entwicklungen auf dem neuesten<br />

wissenschaftlichen Stand in Therapiekonzepte umsetzt und den Patienten Behandlung aus „einer Hand“ anbieten kann. Bei allen<br />

diesen Entwicklungen steht heute noch immer der Anspruch, zugleich den seelischen Bedürfnissen im Umfeld von Hochleistungsmedizin<br />

gerecht zu werden und so das ursprüngliche Anliegen der christlichen Caritas im täglichen Medizinbetrieb zu bewahren.<br />

Das alles ist für die Stiftung, das Haus und alle darin Beschäftigten im Jahr 2014 ein Grund zu feiern. Als Begleiter für das Festjahr hat<br />

die Katholische Stiftung Marien Hospital zu Düsseldorf dieses Jubiläumsbuch herausgegeben. Es lässt in seinem ersten Teil die Geschichte<br />

des Hauses bis in die neueste Zeit Revue passieren. Im Anschluss befinden sich zahlreiche Abbildungen der Zeitgeschichte, die Entstehung<br />

und Wandel des Hauses dokumentieren.<br />

Wir wünschen viel Freude beim Lesen und ein interessantes<br />

Jubiläumsjahr mit dem Marien Hospital Düsseldorf!<br />

Düsseldorf, im Juni 2014<br />

Bernd Eversmann, Vorsitzender des Kuratoriums der Katholischen Stiftung Marien Hospital zu Düsseldorf


Stationäre Krankenpflege in<br />

Düsseldorf vom Mittelalter<br />

bis zur Aufklärung<br />

Stationäre Krankenpflege in<br />

Düsseldorf vom Mittelalter<br />

bis zur Aufklärung<br />

Wie überall sind auch in Düsseldorf die<br />

meisten Krankenanstalten im Sinne von<br />

Heilanstalten erst in der zweiten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts entstanden. Bis zu dieser<br />

Zeit war Krankenpflege in der Regel Privatkrankenpflege<br />

in der eigenen Wohnung,<br />

in die sich auch der herbeigerufene Arzt<br />

begab. Zwar gab es auch in früheren Zeiten<br />

Häuser, in denen Kranke aufgenommen<br />

wurden; aber sie beschränkten sich nicht<br />

auf diese, sondern gewährten Bedürftigen<br />

verschiedener Art Einlass: Armen, Waisen,<br />

Pilgern und Siechen. Kranke fanden weniger<br />

zum Zweck der Heilung Aufnahme,<br />

sondern weil sie wegen unheilbarer oder<br />

ekelerregender Leiden und Gebrechen<br />

nirgendwo unterkommen konnten. Multifunktionale<br />

Häuser dieser Art wurden<br />

Xenodochium, Gasthaus oder Hospital<br />

genannt und waren seit dem Mittelalter in<br />

jeder größeren Stadt anzutreffen.<br />

Das Gasthaus in Düsseldorf war über<br />

mehrere Jahrhunderte die einzige nennenswerte<br />

Fürsorgeanstalt der Stadt. Die erste<br />

urkundliche Erwähnung eines Hospitals<br />

findet sich in einer Zoll‐ und Kellnereirechnung<br />

aus dem <strong>Jahre</strong> 1382, in der es<br />

heißt: „Omnium sanctorum gerechnet<br />

mit meister Luydken aas vam hospitail,<br />

asso dat hey darin vermurt hadde 132000<br />

steens“. Ob es sich dabei um einen von<br />

Gasthausmeister und Hausarme in Düsseldorf, 1629<br />

Kreuzherrenkirche, Ratinger Straße 2, um 1910<br />

Hôtel Dieu in Paris, um <strong>150</strong>0<br />

5


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Herzog Wilhelm I. veranlassten Neubau oder um die Erweiterung<br />

eines bereits seit dem 13. Jahrhundert bestehenden<br />

Hauses handelte, kann nicht entschieden werden.<br />

Als gesichert gilt, dass das Gasthaus neben der Liebfrauenkapelle<br />

vor den Toren der Stadt (heute Ratinger Str. 2) stand.<br />

Dies geht aus einer Urkunde von 1395 hervor, die zugleich<br />

den Zweck des Düsseldorfer Gasthauses umschrieb als eine<br />

Stiftung, um „de arme peilgrime, seeken ind lamen ind blynden<br />

to spysen ind to laven ... in dat Hospitael ind Gasthuys,<br />

dat gelegen is zo Dusseldorpe vur lieven Vrouwen porte“.<br />

Wie in vielen anderen Städten hatte auch in Düsseldorf das<br />

Gasthaus die Doppelfunktion, Kranke und Arme zu unterstützen<br />

und durchreisende Fremde und Pilger zu beherbergen.<br />

Als Düsseldorf im ausgehenden Mittelalter seine frühere<br />

Gedenkblatt zur Einweihung des Hubertushospitals<br />

an der Kasernenstraße, 1712<br />

Flingerstraße 21, um 1900<br />

Aufnahme neuer Ritter in den Hubertusorden, 1769<br />

Vorrangstellung unter den niederrheinischen<br />

Wallfahrtsorten verlor, transformierte<br />

das Gasthaus der Stadt immer mehr von<br />

einem Xenodochium zu einem Armenhaus.<br />

Spätestens seit dieser Zeit hatte im Gasthaus<br />

die Sorge für einheimische Arme,<br />

Alte und Waisen, Kranke und Invalide,<br />

überhaupt für alle der Hilfe Bedürftigen<br />

den Vorrang. Obwohl das Gasthaus eine<br />

profane Einrichtung war und keine Bindung<br />

an den Klerus oder eine kirchliche Institution<br />

besaß, hatte es unverkennbar „einen<br />

kirchlichen Anstrich“. Nach Ausweis der<br />

Akten mussten nicht selten diejenigen,<br />

„welche bleibend ... aufgenommen sein<br />

wollten, ihre weltliche Kleidung ablegen,<br />

allem Eigenthume entsagen, und häufigerem<br />

Gebet und gottesdienstlicher Übung<br />

obliegen, als sonst bei Laien gewöhnlich<br />

war“.<br />

Im Zuge der Planungen zum Bau<br />

eines Klosters für die Kreuzbrüder, die<br />

Herzog Gerhard nach Düsseldorf berufen<br />

und 1443 mit der Liebfrauenkapelle und<br />

dem angrenzenden Gasthaus ausgestattet<br />

hatte, wurde das Xenodochium vor dem<br />

Liebfrauentor aufgehoben und ein neues<br />

Hospital auf dem heutigen Grundstück<br />

Flinger Str. 21 eingerichtet, das spätestens<br />

in den <strong>Jahre</strong>n 1449/50 seine Pforten für<br />

Bedürftige öffnete.<br />

Trotz solider Finanzbasis geriet die<br />

Armenanstalt im Laufe der Zeit zunehmend<br />

in Verfall. Äußeres Indiz für den Niedergang<br />

ist der Befund, dass immer mehr vermögende<br />

Bürger in das Hospital aufgenommen<br />

und verpflegt wurden und die ursprünglich<br />

intendierte Armenfürsorge nur noch<br />

eine untergeordnete Rolle spielte. Erst zu<br />

Beginn des 18. Jahrhunderts wurde unter<br />

Kurfürst Johann Wilhelm eine grundlegende<br />

Reformierung der Anstalt in die Wege<br />

6


Stationäre Krankenpflege in<br />

Düsseldorf vom Mittelalter<br />

bis zur Aufklärung<br />

geleitet, die sowohl auf Erhöhung des<br />

Stiftungskapitals wie auch auf effizientere<br />

Koordination der verschiedenen Fürsorgeorgane<br />

ausgerichtet war. Zur Aufstockung<br />

des Gasthausfonds wurden die Einkünfte<br />

mehrerer milder Stiftungen gebündelt und<br />

dem Hospital zugeführt. Zusätzlich reaktivierte<br />

der Herzog 1708 den bereits 1444<br />

gestifteten, „aber durch die bey nach und<br />

nach zufälligen unglücklichen Zeitwechslungen<br />

erfolgte Empörungen in Untergang<br />

gerathenen Ritterlichen Orden des Heyligen<br />

Huberti“ und band die caritativ wirkende<br />

Adelsvereinigung an das Gasthaus.<br />

Die bedeutende Vermehrung des Stiftungskapitals<br />

erlaubte es, die Zahl der<br />

Hospitaliten von 22 auf 100 zu erhöhen. Da<br />

die vorhandenen Räumlichkeiten für eine<br />

derartige Erweiterung nicht ausreichten,<br />

ließ der Kurfürst das Gasthaus, mittlerweile<br />

„eine elende Hütte zur Unzierde der Stadt“,<br />

in ein neu zu errichtendes Hospital an der<br />

heutigen Kasernenstraße verlegen. Dieses<br />

neue, speziell für die Zwecke einer Fürsorgeanstalt<br />

konzipierte Gebäude wurde 1710<br />

von den ersten Gasthausinsassen bezogen,<br />

nachdem ein Jahr zuvor auf einem von Johann<br />

Wilhelm gestifteten Grundstück der<br />

Grundstein zu einem großzügig angelegten<br />

Gebäudekomplex gelegt worden war. Eine<br />

vom Kurfürsten erlassene Regula schrieb<br />

vor, nur „alte, arme, preßhafte, miserable<br />

Personen“ in das Hospital aufzunehmen.<br />

Als weiteres Auswahlkriterium trat die<br />

Zugehörigkeit zur katholischen Kirche hinzu.<br />

Man erwartete, „daß alle und Jede so<br />

schwärer unpäßlichkeit halber nicht gehindert,<br />

Täglich dem ordinairen Gottesdienst,<br />

und gebett mit innerlich und äußerlicher<br />

andacht beywohnen“.<br />

In den siebziger <strong>Jahre</strong>n des 18.<br />

Jahrhunderts musste das Gasthaus, das<br />

mittlerweile St. Hubertushospital<br />

genannt wurde, erneut<br />

verlegt werden, da die Räumlichkeiten<br />

zur Einrichtung eines<br />

Militärlazaretts benötigt wurden.<br />

Als Ersatz für die abgetretenen<br />

Liegenschaften erhielt<br />

das Hubertushospital im <strong>Jahre</strong><br />

1772 eine Immobilie in der<br />

Neustadt, die allgemein unter<br />

dem Namen „Judenhaus“<br />

(heute Neusser Str. 25) bekannt<br />

war. Das im <strong>Jahre</strong> 1712 erbaute<br />

Haus des kurpfälzischen Hoffaktors<br />

Joseph Jacob van Geldern<br />

hatte der jüdischen Gemeinde als<br />

Synagoge gedient, bis es von der Garnison<br />

als Kommissbäckerei übernommen wurde.<br />

Als sich die wirtschaftlichen Verhältnisse<br />

des wesentlich verkleinerten Hubertushospitals<br />

mehr und mehr konsolidierten,<br />

drohte dem Gasthaus mit dem Verlust<br />

des linken Rheinufers an die Franzosen<br />

im <strong>Jahre</strong> 1794 der völlige Untergang. Da<br />

die Einkünfte der Anstalt zu etwa zwei<br />

Dritteln aus linksrheinischen Besitzungen<br />

stammten, war an eine Fortführung der Tätigkeit<br />

im bisherigen Umfang nicht mehr zu<br />

denken. Aus eigener Kraft konnte die einst<br />

bedeutendste Institution des Düsseldorfer<br />

Fürsorgewesens, die um die Wende zum<br />

19. Jahrhundert zu einer reinen Wohnanstalt<br />

für mittellose Frauen herabgesunken<br />

war, die erlittenen Einkommensverluste<br />

nicht kompensieren<br />

Aus Sicht des Hubertushospitals war<br />

es ein Glücksfall, dass zur Zeit seines Niederganges<br />

eine andere Fürsorgeanstalt<br />

ins Leben trat, die wenig später mit dem<br />

Gasthaus fusionierte und das einstige Xenodochium<br />

vor der kaum noch abwendbaren<br />

Schließung bewahrte.<br />

Hubertushospital,<br />

Neusser Straße 25, 18. Jh.<br />

Hubertushospital, Annakapelle,<br />

Neusser Straße 25, um 1930<br />

7


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Das Max-Joseph-Krankenhaus<br />

Bei dieser Institution handelte<br />

es sich um das Max-Joseph-<br />

Krankenhaus, das seine Entstehung<br />

einer Initiative der<br />

Marianischen Bürger-Sodalität<br />

verdankte und in der Düsseldorfer<br />

Medizingeschichte<br />

als erstes Krankenhaus im<br />

eigentlichen Sinne gilt. Den<br />

entscheidenden Anstoß zur<br />

Einrichtung einer stationären<br />

Unterkunft für Kranke gab der<br />

Düsseldorfer Textil-Kaufmann<br />

Carl Eberhard Roosen im <strong>Jahre</strong><br />

1798, „wo die Stadt noch<br />

nicht ein einziges Bett besaß,<br />

auf dem sie arme Kranke hätte<br />

pflegen und heilen können“.<br />

Der rührige Geschäftsmann<br />

und engagierte Bürger-Sodale<br />

hatte auf seinen Reisen vielfach<br />

Gelegenheit gefunden,<br />

Einrichtungen zur Pflege und<br />

Versorgung erkrankter Personen<br />

kennen zu lernen. Nachdem<br />

Carl Eberhard Roosen<br />

zur Gründung einer Krankenanstalt<br />

in seiner Heimatstadt<br />

aufgerufen hatte, beschloss die<br />

Marianische Bürger-Sodalität<br />

am 11. September 1798, ein<br />

allgemeines Krankenhaus einzurichten,<br />

in dem mittellose<br />

Reuterkaserne, um 1900<br />

Andachtsbuch der Marianischen<br />

Bürgersodalität Düsseldorf, 1826<br />

Hubertushospital, Binnenhof,<br />

Neusser Straße 25, um 1910<br />

Patienten ohne Unterschied der Religion<br />

und des Standes aufgenommen und verpflegt<br />

werden sollten. Der Sodalitätsvorstand<br />

bat den Kurfürsten, „einige Stuben<br />

zu diesem Behuf miethen zu dürfen“, die<br />

ihm, wie es im ersten <strong>Jahre</strong>sbericht des<br />

Krankenhauses heißt, „den 17. Juli 1799<br />

und zwar mit Erlassung aller Miethzinsen<br />

gnädigst zugestanden“ wurden.<br />

Von der Marianischen Bürger-Sodalität<br />

wurden in der Reuterkaserne zwei Zimmer<br />

„geschwind und zweckmäßig“ hergerichtet.<br />

Im November 1799 konnten die<br />

ersten Patienten aufgenommen werden,<br />

von denen einer „aus den Bilker Gärten“<br />

stammte und mit einer Porto-Chaise überführt<br />

wurde. Bis Ende September 1800<br />

wurden 16 Kranke versorgt, „von welchen<br />

nur Drey starben; Sieben aber das Haus gesund<br />

verließen“. Während einige Mitglieder<br />

der Bürger-Sodalität, die um die Wende<br />

zum 19. Jahrhundert rund 600 Sodalen<br />

zählte, ehrenamtlich die Aufsicht über den<br />

Pflegebetrieb führten, wurde Carl Eberhard<br />

Roosen zum hauptamtlichen Direktor und<br />

Verwalter des Krankenhauses bestellt. Für<br />

die medizinische Betreuung konnten der<br />

Stadtphysicus und zwei Chirurgen, für<br />

die seelsorgliche Betreuung Jesuitenpater<br />

Heinrich Wüsten und die protestantischen<br />

Prediger Theodor Hartmann und Carl Ludwig<br />

Pithan gewonnen werden, von denen<br />

„jeder in seinem Fache, unentgeltlich mit<br />

zum Besten der Anstalt“ wirkte.<br />

Als die Räume in der Reuterkaserne<br />

den wachsenden Anforderungen und Ansprüchen<br />

nicht mehr genügten, wurde das<br />

Armen-Krankenhaus der Marianischen Bürger-Sodalität<br />

in die leer stehenden Zimmer<br />

8


Die Cellitinnen<br />

Die Cellitinnen<br />

des Hubertushospitals verlegt. Pfalzgraf<br />

Maximilian Joseph ordnete am 8. Juli 1802<br />

von München aus die Fusion beider Anstalten<br />

an, wobei er beabsichtigte, das<br />

Hubertushospital „nach und nach durch<br />

das Absterben der noch lebenden Hospitaliten,<br />

welche einstweilen im Spital noch<br />

beizubehalten“ waren, eingehen zu lassen.<br />

Bei der Aufnahme in das neue Krankenhaus<br />

sollte wie bisher die Zugehörigkeit zu einer<br />

bestimmten Konfession keine Rolle spielen,<br />

„sondern bloß auf das Bedürfnis und die<br />

übrigen aus der Natur eines solchen Instituts<br />

fließenden Erfordernisse zur Aufnahme<br />

Rücksicht genommen werden“. Obwohl<br />

sich beide Institute unter einem Dach befanden<br />

und der Oberaufsicht eines Direktors<br />

unterstellt waren, blieben sie rechtlich<br />

getrennt. Letzteres kam vor allem darin zum<br />

Ausdruck, dass das Krankenhaus, welches<br />

auf Anordnung des Kurfürsten vom 8. Juli<br />

1802 den Namen „Max-Joseph-Spital“<br />

trug, unter der Leitung von Kaufmann Carl<br />

Eberhard Roosen blieb und seine Betriebskosten<br />

allein aus Spendensammlungen der<br />

Bürger-Sodalität deckte.<br />

Die durch das Max-Joseph-Krankenhaus<br />

in Düsseldorf erstmals verwirklichte<br />

medizinische und organisatorische Struktur<br />

der stationären Krankenpflege setzte sich<br />

in der Stadt nur langsam durch. Erst nach<br />

Überlassung des alten Karmelitessenklosters<br />

in der Altestadt an den Cellitinnenorden<br />

im <strong>Jahre</strong> 1831 wurde in Düsseldorf eine<br />

weitere Krankenanstalt eröffnet.<br />

Unter den caritativen Ordensgenossenschaften<br />

Düsseldorfs war die nach der<br />

Augustinerregel lebende Kongregation der<br />

Cellitinnen der älteste Pflegekonvent. Ihre<br />

Niederlassung erfolgte während einer der<br />

zahlreichen Pestepidemien des 17. Jahrhunderts,<br />

mit der Absicht, Pestilenzopfer<br />

zu pflegen. Im Dezember 1650 kamen<br />

sechs Schwestern aus Köln in die bergische<br />

Kapitale, „um ihre Liebesdienste anzubieten<br />

und den Grund zu einem Kloster zu<br />

legen“. Von der ersten, heute nicht mehr zu<br />

lokalisierenden Unterkunft der Cellitinnen<br />

ist nur überliefert, dass sie baufällig war<br />

und den Anforderungen des klösterlichen<br />

Lebens nicht genügte. Daher baten 1681<br />

die Schwestern den Landesherrn Johann<br />

Wilhelm um Erlaubnis, ein nebenan liegendes<br />

Haus ankaufen zu dürfen. Im gleichen<br />

Jahr bewilligte der Stadtrat den Schwestern<br />

für ihre „so enge und baufällige“ Wohnung<br />

eine Kollekte, weil das Haus einzustürzen<br />

drohte und „die Bewohner sich nicht vor<br />

dem Regen schützen“ konnten. Ohne die<br />

Sammlung wäre der Orden kaum in der<br />

Lage gewesen, vor dem <strong>Jahre</strong> 1689 auf<br />

dem „Hundts-Ruggen“ (heute Hunsrückenstr.<br />

10) ein Klostergebäude und eine<br />

Kirche zu erbauen, die 1699 zu Ehren der<br />

Hl. Elisabeth geweiht wurden. Wie aus<br />

Notizen um die Wende zum 18. Jahrhundert<br />

hervorgeht, beschäftigten sich die<br />

Düsseldorfer Cellitinnen ausschließlich mit<br />

ambulanter Krankenpflege in der Stadt und<br />

im nahen Umland.<br />

Cellitinnenkloster, Hunsrückenstraße 10, 1837<br />

Unbekannte Düsseldorfer Cellitin, 18. Jh.<br />

9


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Die Heilanstalt für weibliche<br />

Kranke im Elisabethkloster<br />

Trotz gesicherter Einkünfte war die Funktionsfähigkeit des<br />

Elisabethklosters, dessen Schwestern aufgrund eines kurfürstlichen<br />

Erlasses als „Krankenwärterinnen“ von der allgemeinen<br />

Klosteraufhebung des <strong>Jahre</strong>s 1803 ausgenommen waren<br />

und weiterhin ambulante Krankenpflege in der Stadt leisten<br />

durften, nach der Säkularisation rückläufig. Mitte der 1820er<br />

<strong>Jahre</strong> waren von den zehn Schwestern drei altersschwach,<br />

vier alt und nur im Tagesdienst tätig. Hinzu kam, dass die<br />

alte Behausung der Cellitinnen gegenüber der Andreaskirche<br />

immer weniger den Arbeitserfordernissen der Schwestern<br />

entsprach und zusehends baufällig wurde. Zu Beginn des<br />

Karmelitessenkloster, Rheinflügel, Altestadt 2-4, vor 1909<br />

St. Elisabethkloster, Altestadt 2-4, 1836<br />

Karmelitinnenpriorin Anna de S. Teresa, nach 1667<br />

19. Jahrhunderts „bedauerten sie täglich,<br />

daß der beschränkte Raum ihres Klosters<br />

ihnen nicht gestattete, unbemittelte Kranke<br />

und Dienstboten zu sich zu nehmen, um<br />

ihnen bessere Pflege zu gewähren. Nur zu<br />

oft machten die Schwestern die Erfahrung,<br />

daß alle Sorge und Mühe vergeblich war,<br />

weil es dem Kranken an einem ordentlichen<br />

Lager, oder an der nöthigen Ruhe, Reinlichkeit,<br />

frischer Luft, und oft an allem dem<br />

fehlte, was die Genesung fördern kann“.<br />

In dieser Situation schlug der angesehene<br />

Schul- und Konsistorialrat Johann Vinzenz<br />

Josef Bracht im <strong>Jahre</strong> 1826 eine Einweisung<br />

der Cellitinnen in das aufgehobene<br />

und nur noch von drei Nonnen bewohnte<br />

Karmelitessenkloster in der Altestadt vor.<br />

Obwohl der Kölner Erzbischof Ferdinand<br />

August von Spiegel und der Düsseldorfer<br />

Landdechant Wilhelm Heinzen den Plänen<br />

der Regierung bald ihre Zustimmung gaben,<br />

ließ die Ausführung der Neuordnung<br />

noch fünf <strong>Jahre</strong> auf sich warten. In dieser<br />

Zeit, im Spätherbst 1828 kam auch der Plan<br />

auf, mit dem Kloster eine Krankenanstalt<br />

zu verbinden, zu deren Fundierung eine<br />

Stiftung von 4000 Talern bereitstand.<br />

Am 1. Januar 1831 übertrug König<br />

Friedrich Wilhelm III. durch Kabinettsorder<br />

unentgeltlich das Klostergebäude der Karmelitinnen,<br />

ihre Kirche und das vorhandene<br />

Kapitalvermögen mit den darauf ruhenden<br />

Lasten dem Cellitinnenorden. Nach dem<br />

Umbau des Karmelitessenklosters zu einem<br />

Spital eröffneten die Cellitinnen am 1. Januar<br />

1832 eine „Heilanstalt für weibliche<br />

Kranke im Elisabethen-Kloster“, in der am<br />

24. Januar die erste Patientin Aufnahme<br />

fand und stationär versorgt wurde. Bereits<br />

am 28. Mai 1831 hatte die Düsseldorfer<br />

Regierung verfügt, die Krankenaufnahme<br />

im Max-Joseph-Hospital auf Männer und<br />

10


Die Heilanstalt für weibliche<br />

Kranke im Elisabethkloster<br />

im Elisabethkloster auf Frauen zu beschränken.<br />

Um zu verhindern, dass die neue<br />

Einrichtung sich zu einem Siechenhaus<br />

entwickelt, wurden Greise abgewiesen und<br />

als längste Verweildauer ein Aufenthalt<br />

von drei Monaten festgelegt. Arme sollten<br />

kostenlos, Vermögende für einen Tagesatz<br />

von fünf Silbergroschen verpflegt werden.<br />

Auch wenn die Schwestern wenig<br />

geschult waren, bedeutete die Ausübung<br />

stationärer Krankenpflege durch die Cellitinnen<br />

ohne Zweifel einen bedeutsamen<br />

Fortschritt auf dem Gebiet der Düsseldorfer<br />

Krankenhausfürsorge. Mag das<br />

Max-Joseph-Hospital in der Neustadt medizingeschichtlich<br />

auch als erstes Krankenhaus<br />

in Düsseldorf gelten, so boten die<br />

„Barmherzigen Schwestern“, wie sich die<br />

Cellitinnen seit dem Umzug in den Karmel<br />

selbst bezeichneten, mit ihrer neuen Heilanstalt<br />

erstmals mehr als eine bloße Verwahranstalt<br />

für Kranke. In einer Beschreibung<br />

des <strong>Jahre</strong>s 1836 heißt es über die Vorzüge<br />

der Anstalt nahe des Rheinufers: „Das Gebäude<br />

vereiniget viele Eigenschaften, die<br />

seinen Werth für die jetzige Bestimmung<br />

erhöhen. Die ruhige Lage, die vortheilhafte<br />

Richtung der Krankensäle (nach Morgen),<br />

der abgeschlossene, jeder fremden Einsicht<br />

entzogene Garten, die frische Rheinluft, die<br />

freie Aussicht in eine anmuthige Landschaft<br />

und der Anblick des Rheinstroms und seiner<br />

belebten Ufer sind Vortheile, die kein anderes<br />

Gebäude unsrer Stadt darbietet, und<br />

die man auf solche Weise vereint, in vielen<br />

andern Städten vergebens suchen wird“.<br />

Da die Aufgabe, das von der Bevölkerung<br />

immer mehr in Anspruch genommene<br />

Krankenhaus zu leiten, bald die Kräfte<br />

der Cellitinnen überstieg, übernahmen<br />

1852 zunächst fünf Töchter vom Heiligen<br />

Kreuz den Dienst in der Anstalt, bis sie<br />

1859 formell den Barmherzigen<br />

Schwestern aus Aspel als<br />

Eigentum überwiesen wurde.<br />

Das Haus erfreute sich unter<br />

der Leitung der neuen Ordenskongregation<br />

großer Beliebtheit<br />

und behielt im Volksmund<br />

den Namen „Kloster der Barmherzigen<br />

Schwestern“ bei,<br />

auch als es nach dem großen<br />

Um- und Erweiterungsbau im<br />

<strong>Jahre</strong> 1912 den Namen Theresienhospital<br />

erhalten hatte.<br />

Rheinfront mit Karmelitessenkloster<br />

und Kohlentor, um 1900<br />

Theresienhospital, Töchter vom<br />

Hl. Kreuz, Altestadt 2-4, 1933<br />

11


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Städtische contra konfessionelle<br />

Krankenhäuser<br />

Katasterplan Pempelfort, 1866<br />

Düsseldorfer Röhren- und Eisenwalzwerke<br />

AG, Kölner Straße 172, um 1930<br />

Als die Töchter vom Heiligen<br />

Kreuz 1852 die Heilanstalt in<br />

der Altestadt übernahmen,<br />

hatten sich die Anforderungen<br />

an ein Krankenhaus bereits<br />

entscheidend geändert. Im Gegensatz<br />

zu dem als Armenversorgungshaus<br />

eingerichteten<br />

Gasthaus stand im „Kloster der<br />

Barmherzigen Schwestern“ die<br />

Heilung auf Grund ärztlicher<br />

Behandlung und sachgemäßer Pflege im Vordergrund. Nicht<br />

mehr der arme, unverschuldet in Not geratene oder alte,<br />

meist alleinstehende Mensch sollte hier Unterkunft finden,<br />

sondern das durch Krankheit kurzfristig ausgefallene Mitglied<br />

einer sich neu formierenden Gesellschaft. Nicht mehr der<br />

Anspruch auf Versorgung, sondern immer mehr der Wunsch<br />

nach Wiederherstellung und Heilung wurde an das sich neu<br />

orientierende Haus für Kranke gestellt.<br />

Als Mitte des 19. Jahrhunderts auch in Düsseldorf die<br />

Industrialisierung durch den Ausbau der Eisenbahnstrecken,<br />

durch den Einsatz von Dampfmaschinen und durch<br />

die Telegraphie mit Macht einsetzte und das Anwachsen<br />

Maria-Hilf-Hospital in Aachen, vor 1914<br />

des städtischen Proletariats soziale Probleme<br />

wie nie zuvor aufwarf, stieß auch die<br />

medizinische Versorgung schnell an ihre<br />

Leistungsgrenzen. Den Bedürfnissen der<br />

prosperierenden Stadt Düsseldorf (1831:<br />

28710, 1858: 46849 Einwohner) genügten<br />

das Max-Joseph-Hospital in der Neustadt,<br />

die Krankenpflegeanstalt der Barmherzigen<br />

Schwestern in der Altestadt und das 1849<br />

eröffnete Krankenhaus der evangelischen<br />

Gemeinde in der Berger Straße nicht mehr.<br />

Als sich mehr und mehr die Erkenntnis<br />

durchsetzte, dass ein Neubau unumgänglich<br />

sei, beauftragte die Verwaltung im<br />

Frühjahr 1858 den Gemeinderat Christian<br />

Schlienkamp, in Begleitung des Chirurgen<br />

Dr. Franz Zens und Stadtbaumeisters<br />

Eberhard Westhofen, die Krankenhäuser<br />

in Köln, Bonn und Aachen zu visitieren.<br />

Obwohl die Delegation am 6. März 1858<br />

einen Bericht über ihre Erfahrungen vorlegte,<br />

wurde der Bau eines neuen allgemeinen<br />

städtischen Krankenhauses bald wieder<br />

verworfen, „weil die hiesigen Konfessionsgemeinden<br />

die Absicht kundgegeben haben,<br />

dem vorhandenen Bedürfnisse durch<br />

ihrerseits alsbald zu erbauende konfessionelle<br />

Krankenhäuser abzuhelfen“.<br />

Nachdem die Verwaltung für den<br />

Bau eines städtischen Krankenhauses das<br />

31 Morgen große Gut Stockkamp (Am<br />

graulichen Bongert) am 23. Juli 1859 für<br />

18000 Taler angekauft hatte, wandte sich<br />

das Kuratorium der evangelischen Gemeinde<br />

am 3. März 1860 an Oberbürgermeister<br />

Ludwig Hammers und fragte an, „ob das<br />

evangelische Krankenhaus nach wie vor<br />

12


Städtische contra konfessionelle<br />

Krankenhäuser<br />

neben dem städtischen bestehen solle, oder<br />

ob es nicht zweckmäßiger sein dürfte, daß<br />

die katholischen Gemeinden einerseits, und<br />

die evangelische Gemeinde andererseits<br />

durch ein von der Stadt aufzubringendes<br />

Baucapital in den Stand gesetzt würden,<br />

die für die Bedürfnisse, jeder Konfession<br />

ausreichenden Krankenhäuser jede für<br />

sich zu erbauen“. Der Magistrat sollte die<br />

Oberaufsicht behalten, doch hätte er nicht<br />

mehr die Last der Verwaltung und des<br />

Unterhalts zu tragen brauchen. Außerdem<br />

wäre den konfessionellen Gemeinden so<br />

„die längst gewünschte Möglichkeit geboten,<br />

die Pflege der Kranken den geeigneten<br />

Orden und Bruderschaften zu übergeben,<br />

und die geistliche Pflege der Kranken in der<br />

jeder Konfession entsprechenden Weise<br />

zu ordnen“.<br />

Als die katholischen Gemeinden Düsseldorfs<br />

am 31. März 1860 dem Auf- und<br />

Ausbau kircheneigener Krankenhäuser<br />

gleichfalls den Vorzug gaben, beschlossen<br />

die Stadtverordneten am 31. Oktober 1860<br />

die Einrichtung konfessioneller Heilanstalten.<br />

Die Förderung von Krankenhäusern<br />

in kirchlicher Trägerschaft ließen die Stadt<br />

erhebliche Einsparungen erwarten. Auf<br />

evangelischer Seite dachte man an einen<br />

Neubau, während die katholischen Pfarreien<br />

am 4. Januar 1861 eine Erweiterung<br />

der Heilanstalt der Töchter vom Hl. Kreuz<br />

von 40 auf 250 Betten in Betracht zogen.<br />

Da noch unklar war, wer für die Durchführung<br />

des Bauvorhabens verantwortlich sein<br />

sollte, schlug ein Leser des Düsseldorfer<br />

Anzeigers am 1. Dezember 1860 vor: „Wie<br />

wäre es, wenn der verehrliche Verein zur<br />

Errichtung einer Mariensäule den Gedanken<br />

der Erbauung eines ‚Marien-Hospitals‘<br />

zu dem seinigen machen würde?“. Zwar<br />

wurde die Anregung nicht weiter verfolgt,<br />

doch blieb zumindest der Name „Marienhospital“ weiter im<br />

Gespräch.<br />

Trotz mehrfacher Umarbeitungen wurde 1862 „die von<br />

den katholischen Pfarrgemeinden beabsichtigte Erweiterung<br />

des Klosters der barmherzigen Schwestern zu einem größeren<br />

katholischen Krankenhause ... Seitens der königlichen Regierung<br />

aus medizinal-polizeilichen Gründen für unstatthaft<br />

erklärt und ein anderer Plan zur Beschaffung eines katholischen<br />

Krankenhauses eingefordert“. Da ein Neubau nicht in<br />

Frage kam, verfolgten die Vertreter der katholischen Kirche<br />

nun den Plan, das Max-Joseph-Hospital in der Neustadt zu<br />

erwerben, mit dem Hubertushospital zu verbinden und beide<br />

Anstalten durch Um- oder Neubau zu einem Krankenhaus<br />

zu erweitern. Wegen der komplizierten und verwickelten<br />

Eigentumsverhältnisse des Hubertusstiftes wurden von der<br />

Stadtverwaltung verschiedene<br />

Gutachten über die Rechtslage<br />

in Auftrag gegeben. Obwohl<br />

der Besitzstand nicht eindeutig<br />

zu klären war, erkannte die<br />

Stadtverordnetenversammlung<br />

am 13. Oktober 1863 „das<br />

Hubertus-Hospital als rein katholische<br />

Anstalt und als Eigentümerin<br />

des sogenannten<br />

Max-Joseph-Kranken- und Verpflegungshaus<br />

... unter der<br />

Verpflichtung der Einrichtung<br />

dieser Immobilien zu einem katholischen<br />

Krankenhause und<br />

Aufnahme der von der Stadt<br />

zu verpflegenden Kranken“<br />

an. Am 30. Dezember 1863<br />

erklärte sich das Kuratorium<br />

des Hubertushospitals zur Einrichtung<br />

eines katholischen<br />

Krankenhauses bereit, wenn<br />

die katholischen Pfarreien das<br />

hierzu erforderliche Kapital bereitstellten. Optimistisch prognostizierte<br />

der städtische Verwaltungsbericht des <strong>Jahre</strong>s 1863:<br />

„Die in Folge dessen zwischen dem Hubertus-Hospital und<br />

den katholischen Pfarrern gepflogenen Unterhandlungen<br />

Hubertushospital,<br />

Neusser Straße 25, um 1910<br />

13


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

St. Andreas, Andreasstraße 10, um 1900<br />

Aufruf des Comités für die Errichtung<br />

eines katholischen Kranken- und<br />

Verpflegungshauses zu Düsseldorf,<br />

1. März 1864<br />

Oberbürgermeister Ludwig Hammers<br />

(1849-1876), um 1900<br />

sind ihrem Abschlusse nahe und hängt hiernach die endliche<br />

Herstellung geeigneter, geräumiger konfessioneller Krankenhäuser<br />

nur noch davon ab, ob die hiesige katholische<br />

Bevölkerung im Stande sein wird, in gleicher Weise, wie<br />

dies von den evangelischen Bewohnern der Stadt bereits<br />

geschehen ist, die Geldmittel für die Einrichtung jener, von<br />

ihnen gewünschten, konfessionellen Anstalt aufzubringen“.<br />

Dem Optimismus der Stadtverwaltung gegenüber stand<br />

der Pessimismus der Düsseldorfer Geistlichkeit, die nicht<br />

zu Unrecht fürchtete, viele Katholiken könnten sich einer<br />

freiwilligen Spende entziehen. Ein abschlägiger<br />

Bescheid des Kirchenvorstandes von<br />

St. Andreas führte am 6. Februar 1864 zur<br />

Begründung des Votums an: „Leitend für<br />

diesen Beschluß ist die Betrachtung, daß<br />

es gesetzlich Sache der Zivilgemeinde ist,<br />

für ihre erkrankten Gemeindemitglieder die<br />

Sorge in vollem Maße zu übernehmen, daß<br />

zu dieser Sorge wesentlich auch gehört,<br />

diese Kranken in einem zweckentsprechendem<br />

Raume unterzubringen, wozu<br />

sich am besten empfiehlt die Erbauung<br />

von einem oder mehreren Krankenhäusern,<br />

die den Anforderungen der Wissenschaft<br />

und der Erfahrung an solche entsprechen:<br />

daß es der Zivilgemeinde besonders bei<br />

so geordneten Finanzen, wie in unserer<br />

Gemeinde, ein Leichtes ist, die nötigen<br />

Gelder für die Errichtung oder Einrichtung<br />

von Krankenhäusern auf gesetzlichem<br />

Wege aufzubringen: daß es aber nicht im<br />

Entferntesten wahrscheinlich ist, daß in den<br />

betreffenden Pfarreien im Wege des freiwilligen<br />

Sammelns die enormen Summen<br />

aufgebracht werden, die nach dem Projekte<br />

in Aussicht gestellt sind, zumal sogar der<br />

Zivilgemeinde die Gebäulichkeiten für das<br />

katholische Krankenhaus noch besonders<br />

mit 13000 Talern aus den Liebesopfern<br />

der Pfarrkinder erstattet werden sollen“.<br />

Am 15. Februar 1864 beriet Oberbürgermeister<br />

Ludwig Hammers die Angelegenheit<br />

mit den Pfarrern von St. Lambertus,<br />

St. Maximilian und St. Andreas.<br />

Zwar gelang es ihm nicht, den Klerus für<br />

den Ausbau des Max-Joseph-Hospitals zu<br />

gewinnen, doch erhielt er von den Geistlichen<br />

die Zusage für die Veranstaltung einer<br />

Spendensammlung. Alle Pfarrgemeinden<br />

benannten Mitglieder zu einem „Comitè<br />

für die Errichtung eines katholischen Kranken‐<br />

und Verpflegungshauses“, das sich am<br />

14


Die Gründung des<br />

Marienhospitalvereins<br />

1. März 1864 erstmals mit einem Aufruf<br />

an die Katholiken der Stadt Düsseldorf<br />

wandte. Der Appell blieb jedoch ohne<br />

nennenswerte Resonanz und brachte kaum<br />

800 Taler ein.<br />

Die katholischen Kräfte waren erst<br />

durch eine Entscheidung in der Stadtverordnetenversammlung<br />

vom 7. Juni 1864<br />

zu mobilisieren. Hier hatte der Magistrat<br />

unter dem Vorsitz von Oberbürgermeister<br />

Ludwig Hammers beschlossen, die für<br />

den Krankenhausneubau vorgesehenen<br />

Einzugsgelder in Höhe von 29406 Talern<br />

nach der Kopfzahl auf die drei Konfessionen<br />

zu verteilen. Die Auszahlung war<br />

an folgende Bedingungen geknüpft: „Es<br />

soll der auf die Evangelischen hiernach<br />

fallende Anteil dem hiesigen Presbyterium<br />

derselben als Vertreter der evangelischen<br />

Gemeinde, der auf die Katholiken fallende<br />

Anteil dem Vorstande des Vereins, welcher<br />

sich zu diesem Zwecke unter den Katholiken<br />

der Oberbürgermeisterei Düsseldorf<br />

bilden wird und Korporationsrechte erhalten<br />

haben muß, und der auf die Israeliten<br />

fallende Anteil dem Vorstande der hiesigen<br />

Synagogengemeinde übergeben werden,<br />

sobald der Erwerb des zur Erbauung des<br />

Krankenhauses erforderlichen Terrains und<br />

dessen Privilegien- und Hypothekenfreiheit<br />

oder doch die Beschaffung des zum<br />

Ankaufe des Terrains erforderlichen Fonds<br />

und mindestens ein Drittel der Bausumme,<br />

binnen zwei <strong>Jahre</strong>n von heute ab, nachgewiesen<br />

sein wird“.<br />

Die Gründung des<br />

Marienhospitalvereins<br />

Die Kirchenvorstände der sieben<br />

Düsseldorfer Pfarreien beschlossen<br />

am 10. Juni 1864 die<br />

Errichtung eines katholischen<br />

Krankenhauses und riefen am<br />

6. Juli ein Komitee zur Bildung<br />

eines „Marien-Hospital-Vereins“<br />

ins Leben, der Ende des<br />

<strong>Jahre</strong>s bereits 1401 Mitglieder<br />

zählte und über 20382 Taler<br />

gezeichnete Stiftungsmittel<br />

verfügte. Ziel des Zusammenschlusses<br />

war es, „ein ganz<br />

neues, allen Anforderungen<br />

entsprechendes Krankenhaus<br />

zu erbauen, in welchem es<br />

nicht nötig werden würde, auf<br />

den ursprünglichen beschränkteren<br />

Plan, die Gebäude des<br />

Max-Joseph-Krankenhauses<br />

zu einem katholischen Krankenhause<br />

einzurichten“. Das<br />

„Statut für die zu errichtende<br />

katholische Kranken- und<br />

Verpflegungs‐Anstalt in der<br />

Sammtgemeinde Düsseldorf“ vom 22. Juli 1864 formulierte<br />

den Zweck mit den Worten: „Es bildet sich ein Verein zum<br />

Zwecke der Gründung und Leitung einer Anstalt mit Corporationsrechten<br />

unter dem Namen ‚Marienhospital‘ zur<br />

Verpflegung heilbarer und unheilbarer Kranken und womöglich<br />

auch zur Verpflegung altersschwacher Personen, ohne<br />

Rücksicht auf religiöses Bekenntniß (§ 1)“. Nach Annahme<br />

der Statuten auf einer Mitgliederversammlung am 3. August<br />

1864 in der Tonhalle wurde der „Marien-Hospital-Verein“<br />

am 16. Dezember 1864 durch die Wahl von Hermann von<br />

Mallinckrodt zum Vorsitzenden und Emil Schauseil zum<br />

Stellvertreter endgültig konstituiert.<br />

Statut der katholischen<br />

Kranken- und Verpflegungsanstalt<br />

Düsseldorf, 22. Juli 1864<br />

15


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Evangelisches Krankenhaus,<br />

Fürstenwall 91, um 1900<br />

Fürstin Josephine von Hohenzollern<br />

(1813-1900), um 1880<br />

Die Finanzierung<br />

Angetrieben von den deutlichen Fortschritten beim Bau des<br />

evangelischen Krankenhauses am Fürstenwall, dessen Grundsteinlegung<br />

am 15. Juli 1864 erfolgt war, veranstaltete der<br />

Hospitalverein zur Vermehrung seiner Mittel eine Vielzahl von<br />

Kollekten und Bazaren. Zur Koordination der verschiedenen<br />

Benefizveranstaltungen wurde am 4. Juni 1867 ein „Hülfscomite<br />

des Marien-Hospitals“ ins Leben gerufen, das schon<br />

wenige Tage nach seiner Konstituierung mit folgendem Aufruf<br />

an die Öffentlichkeit trat: „Der Verein für das Marien-Hospital<br />

verdient gewiß die Unterstützung Aller, denen das Wohl der<br />

leidenden Menschheit am Herzen liegt; denn er strebt nach<br />

einem großen, wahrhaft würdigen Ziele, der Errichtung<br />

eines Krankenhauses, welches zur Aufnahme aller Kranken<br />

ohne Unterschied der Confession bestimmt ist. Mit Freude<br />

sehen wir daher der Stunde entgegen, wo der Grundstein<br />

zu dem schönen Werke gelegt werden soll; zur Vollendung<br />

aber reichen die Mittel noch lange nicht aus ... und es wird<br />

das Zusammenwirken aller Kräfte erfordern, bis das ganze<br />

Baukapital zusammengebracht ist. Von dieser Überzeugung<br />

durchdrungen, haben sich die Unterzeichneten zu einem<br />

Hülfscomite vereinigt und zunächst die Veranstaltung eines<br />

Bazars beschlossen, dessen Eröffnung gegen Ende Juli des<br />

<strong>Jahre</strong>s in Aussicht genommen ist“.<br />

Mit welchem Engagement der katholische Bevölkerungsteil<br />

den Bau eines eigenen Krankenhauses in Düsseldorf<br />

betrieb, erhellt der Befund, dass sich wenige Wochen nach<br />

Gründung des „Hülfscomite des Marien-Hospitals“ ein<br />

„Damen-Comite“ konstituierte, um die Bemühungen des<br />

ausschließlich aus Männern bestehenden Hilfskomitees auf<br />

Jahr Einwohner Katholiken Protestanten Juden Sonstige<br />

1831 29233 24612 (84,19 %) 4118 (14,09 %) 498 (1,70 %) 5 (0,02 %)<br />

1864 58015 45187 (77,89 %) 12017 (20,71 %) 773 (1,33 %) 38 (0,07 %)<br />

1867 63389 49540 (78,15 %) 12930 (20,39 %) 870 (1,38 %) 49 (0,08 %)<br />

1871 69365 53055 (76,49 %) 15298 (22,06 %) 919 (1,32 %) 93 (0,13 %)<br />

1875 80695 61089 (75,70 %) 18393 (22,79 %) 924 (1,14 %) 289 (0,37 %)<br />

Konfessionsstatistik Düsseldorf<br />

ihre Weise zu unterstützen. In einem<br />

Inserat, abgedruckt im Düsseldorfer<br />

Anzeiger vom 3. August 1867, rief die<br />

rührige Frauenvereinigung insbesondere<br />

zur Unterstützung des bereits geplanten<br />

Bazars zu Gunsten des Marienhospitals<br />

auf. „Angeregt durch den jüngst entstandenen<br />

Hülfsverein für das Marien-<br />

Hospital“, so die Sprecherinnen des<br />

Damenkreises, „haben sich die Unterzeichneten<br />

zu dem Zwecke vereinigt,<br />

den genannten Verein in seinen Bestrebungen<br />

thatkräftig zu unterstützen und<br />

besonders die Errichtung des zunächst in<br />

Aussicht genommenen Bazars verwirklichen<br />

zu helfen. Auf unser Ansuchen<br />

hat auch Ihre Königliche Hoheit die<br />

Frau Fürstin von Hohenzollern, welche<br />

stets, wo es gilt, das Gute zu fördern,<br />

mit ihrem Beispiele voranleuchtet, sich<br />

nicht nur bereit erklärt, unser Unternehmen<br />

nach Kräften zu unterstützen,<br />

sondern auch das Protektorat unseres<br />

Vereins huldvoll übernommen. Unsere<br />

Aufgabe ist nun zunächst, Geschenke<br />

für den Bazar zu sammeln“.<br />

Nur wenige Wochen nach den<br />

Appellen des „Hülfscomite des Marien-Hospitals“<br />

und des „ Damen-Comite“<br />

konnte der Bazar zu Gunsten<br />

des Marienhospitals am 25., 26. und<br />

27. November 1867 im Rittersaal der<br />

Tonhalle durchgeführt werden. „Eine<br />

überaus reiche Anzahl von Gegenständen“,<br />

so der Düsseldorfer Anzeiger vom<br />

16. November 1867 in einem Vorbericht,<br />

„werden an diesen Tagen zum<br />

Besten des neu zu erbauenden katholischen<br />

Krankenhauses zum Verkaufe<br />

kommen. Der Einsender hat sich durch<br />

eigene Anschauung überzeugt, wie viel<br />

Schönes und Zweckmäßiges durch den<br />

16


Die Finanzierung<br />

arbeitsvollen Eifer der Damen hier zusammen<br />

gekommen ist. Werthvolle Stickereien wechseln<br />

mit hunderterlei Gegenständen anderer<br />

Art, so daß Jeder für seinen Geschmack und<br />

seine besondere Liebhaberei etwas finden<br />

wird, wofür er gewiß gerne eine Ausgabe<br />

macht. Reiche Beiträge von Ölgemälden sind<br />

von unseren biedern Künstlern geschenkt<br />

worden, und es befinden sich darunter Piecen<br />

von den ersten Mustern, außerdem eine<br />

Menge von Kupferstichen“.<br />

Das Engagement der Initiatoren war<br />

nicht vergebens. Am 26. November 1867<br />

berichtete der Düsseldorfer Anzeiger über<br />

den Verlauf des ersten Verkaufstages: „Ihre<br />

Königliche Hoheit die Fürstin von Hohenzollern,<br />

die hohe Protectorin des Vereins, wurde<br />

am Eingange des Tonhallen-Lokals von dem<br />

Ausschusse ehrfurchtsvoll empfangen ... Den<br />

Herren des Hülfs-Comites wurde dieselbe<br />

Ehre zu Theil. ... Die hohen Herrschaften<br />

machten besonders reiche Einkäufe. ... Der<br />

Besuch war ein sehr starker, der nach den<br />

eingegangenen Entreegeldern auf <strong>150</strong>0-<br />

1800 Personen angeschlagen werden darf.<br />

Zusätzlich bemerken wir noch, daß folgende<br />

Bilder verkauft worden sind. Seine Königliche<br />

Hoheit der Fürst von Hohenzollern kaufte das<br />

große Gemälde von Professor Karl Wilhelm<br />

Hübner: ‚Trost im Gebete‘, und das von<br />

Christian Jakob Sell; weiter wurden verkauft<br />

Ölgemälde von Andreas Achenbach, Oswald<br />

Achenbach, Ernst Deger, ... Franz Ittenbach,<br />

Albert Arnz, Carl Jungheim“.<br />

Da die Düsseldorfer Künstler durch unentgeltliche<br />

Überlassung einer großen Anzahl<br />

von Bildern nicht unwesentlich am großen Erfolg<br />

des Bazars mit einem Reinerlös von 9478<br />

Talern beigetragen hatten, sah sich der Vorstand<br />

des Marienhospitalvereins veranlasst,<br />

„um die ausgezeichneten Verdienste der<br />

hiesigen Künstlerschaft um die Vollendung<br />

des Marien-Hospitals dauernd<br />

zu ehren und ihrer Dankbarkeit<br />

gegen dieselbe thatsächlichen<br />

Ausdruck zu geben ... , dem<br />

hiesigen Künstler-Unterstützungs-Verein<br />

für seine hülfsbedürftigen<br />

Mitglieder in dem<br />

zu erbauenden Krankenhause<br />

eine Anzahl von Betten zur<br />

Verfügung zu stellen“.<br />

Neben Bazaren und Kollekten,<br />

vor allem der jährlichen<br />

Sammlung zu Pfingsten<br />

in allen katholischen Kirchen<br />

der Oberbürgermeisterei Düsseldorf,<br />

gingen nicht unerhebliche<br />

Beiträge und Umlagen<br />

für den Krankenhausbau aus<br />

wissenschaftlichen Vorträgen<br />

ein, die Wissenschaftler aller<br />

Fakultäten und Persönlichkeiten<br />

des öffentlichen Lebens<br />

aus dem gesamten Rheinland<br />

„zum Besten des Marienhospital-Vereins“<br />

in Düsseldorf<br />

hielten. Den Auftakt machten<br />

Professoren der Universität<br />

Bonn, die zwischen dem 11.<br />

Januar und 15. Februar 1865<br />

zu sechs Vorlesungen verschiedener<br />

Wissensgebiete in die<br />

Aula des Gymnasiums (heute<br />

Heinrich-Heine-Allee 32) einluden.<br />

Im März 1865 berichtete<br />

der Düsseldorfer Regierungsrat<br />

Tonhalle, Schadowstraße 91,<br />

vor 1880<br />

Plakat des Hülfscomités des<br />

Marienhospitals, 31. Mai 1869<br />

Alte Kunstakademie,<br />

Burgplatz 2, um 1890<br />

17


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Der Ankauf eines<br />

Bauplatzes<br />

Gymnasium, Heinrich-Heine-Allee 32, um 1890<br />

Ferdinand Schlünkes, Der deutsche Pilgerzug nach dem<br />

heiligen Lande, 1865<br />

Einlasskarte, 10. Juli 1867<br />

Situationsplan Pempelfort, 1878<br />

Ferdinand Schlünkes an drei Abenden über<br />

eine Pilgerfahrt in das Heilige Land. Sein<br />

tagebuchartiger Reisebericht lockte nicht<br />

nur eine große Zahl von Interessierten<br />

in die Tonhalle, sondern erschien noch<br />

im gleichen Jahr unter dem Titel „Der<br />

deutsche Pilgerzug nach dem heiligen<br />

Lande im <strong>Jahre</strong> 1864“ im Düsseldorfer F.<br />

M. Kampmann Verlag. Während sich die<br />

Referenten der Vorlesungen des <strong>Jahre</strong>s<br />

1866 aus dem Kreis der Honoratioren<br />

des Düsseldorfer Katholizismus rekrutierten,<br />

waren zum Vortragszyklus 1867 in<br />

der Mehrzahl wieder auswärtige Wissenschaftler<br />

eingeladen.<br />

I m ersten Schritt für den Ankauf eines geeigneten<br />

Baugrundstückes veröffentlichte<br />

der Vorstand des Marienhospitalvereins am<br />

19. Dezember 1864 folgende Bekanntmachung:<br />

„Die Gründung des Marien-Hospitals<br />

erfordert den Erwerb eines sowohl nach<br />

Lage als Beschaffenheit für den Bau und die<br />

Zwecke eines Kranken‐ und Pflegehauses<br />

geeigneten Grundstückes zur Größe von<br />

etwa 6-10 Morgen. Wir ersuchen daher<br />

Diejenigen, welche sich im Besitze solcher<br />

Grundstücke befinden und zu deren Veräußerung<br />

geneigt sind, ihre desfalligen<br />

Anerbietungen unter genauer Bezeichnung<br />

der betreffenden Grundstücke, Beifügung<br />

einer Situationsskizze und Angabe der Verkaufsbedingungen<br />

bis spätestens 1. März<br />

1865 ... schriftlich einzusenden“. Schon<br />

Ende Februar 1865 wurden zwei zum Kauf<br />

offerierte Grundstücke in Bilk vom Vorstand<br />

besichtigt, doch gab der Verein dem von<br />

der Stadt für den Bau eines kommunalen<br />

Krankenhauses erworbenen Gut Stockkamp<br />

nach kurzen Verhandlungen den Vorzug.<br />

Am 23. Mai 1865 erklärte sich der Stadtrat<br />

bereit, „dem Marien-Hospitalverein den zur<br />

Erbauung eines katholischen Kranken- und<br />

Verpflegungshauses den nötigen Teil des<br />

Gutes Stockkamp, welchen näher zu bestimmen<br />

die Stadtverordnetenversammlung<br />

sich vorbehält, zum selbstkostenden Preise<br />

zu verkaufen“.<br />

In der Sitzung vom 15. August 1866<br />

fasste der Ausschuss des Marienhospitalvereins<br />

den Beschluss, „daß der 10,5 Morgen<br />

große, zwischen dem Düsselbache und der<br />

Winkelsfelderstraße gelegene Theil des<br />

18


Der Ankauf eines Bauplatzes<br />

Stockkampgutes von der Stadt Düsseldorf<br />

auf den Namen des Herrn Dechanten<br />

Philipp Joesten (St. Lambertus) für den Preis<br />

von 7700 Thalern und gegen Übernahme<br />

des 80 Thaler betragenden ratirlichen Antheils<br />

einer auf dem Grundstücke haftenden<br />

Rente von <strong>150</strong> Thalern zu Gunsten der Frau<br />

von Kyllmann angekauft ... werde“. Der<br />

Vertrag mit der Stadt Düsseldorf über den<br />

Ankauf des Anwesens wurde unter dem<br />

5. November 1866 abgeschlossen.<br />

Ausdrücklich war im Vereinsbericht<br />

1865 festgehalten worden, dass das Grundstück<br />

in Pempelfort (Sternstr. 91) „sich nach<br />

dem Gutachten von Sachverständigen,<br />

sowohl der Lage als der Beschaffenheit<br />

nach ganz besonders für das zu errichtende<br />

Hospital“ eignete. Dass das positive Urteil<br />

der Sachverständigen über die Beschaffenheit<br />

des Bauplatzes nicht von allen geteilt<br />

wurde, geht aus einer Zuschrift an den<br />

Düsseldorfer Anzeiger hervor, der am 11.<br />

April 1867 unter der Überschrift „Ernste,<br />

wohlgemeinte, laute Frage“ folgende Anfrage<br />

zum Abdruck brachte: „Ist es zweckmäßig,<br />

das neue katholische Krankenhaus<br />

in‘s Winkelsfeld zu bauen! Man gehe hinaus<br />

und sehe, wie fast das ganze, für das<br />

Krankenhaus bestimmte Grundstück hoch<br />

überschwemmt ist. Kann sich eine solche<br />

Überschwemmung nicht möglicher Weise<br />

von Jahr zu Jahr wiederholen? Und was<br />

sagen die Herren Baumeister, was sagen<br />

die Herren Ärzte dazu?“.<br />

Um eine lang andauernde Diskussion<br />

über den Bauplatz zu verhindern, trat der<br />

Vorstand des Marienhospitalvereins bereits<br />

fünf Tage später mit einer Gegendarstellung<br />

an die Öffentlichkeit: „Wir sehen uns<br />

... veranlaßt“, so die Rechtfertigung im<br />

Düsseldorfer Anzeiger vom 16. April 1867,<br />

„hierdurch zur öffentlichen Kenntniß zu<br />

bringen, daß sich die Bedenken<br />

gegen die Wahl des Bauplatzes<br />

im Stockkamp bei der von uns<br />

veranlaßten Untersuchung als<br />

gänzlich unbegründet herausgestellt<br />

haben“. Nach einem<br />

Gutachten, das der Vorstand<br />

beim Düsseldorfer Wasserbauinspektor<br />

Johannes Hild<br />

in Auftrag gegeben hatte, war<br />

das in Aussicht genommene<br />

Grundstück mit nur geringem<br />

Aufwand gegen Hochwasser<br />

„vollständig“ zu schützen.<br />

Zur Kostensenkung wurde<br />

im Mai 1866 mit Genehmigung<br />

der Stadtverordnetenversammlung<br />

auf dem westlich der Düssel<br />

(heute Prinz-Georg-Straße)<br />

gelegenen Teil des Stockkampgutes<br />

für den Bau des Marienhospitals<br />

eine Ziegelei angelegt.<br />

Unter der Aufsicht eines<br />

„Ziegelbaas“, der für je 1000<br />

gebrannte Steine einen Taler<br />

erhielt, wurden bereits im ersten<br />

Jahr für den projektierten<br />

Neubau mehr als 1265000 Ziegel hergestellt.<br />

„Diese Selbstfabrikation der Ziegelsteine bei<br />

dem schönen Material, was wir auf unserem<br />

Grundstück besitzen“, so der Rechenschaftsbericht<br />

zur <strong>Jahre</strong>swende 1866/67, „ist für den<br />

Verein von sehr wesentlichem Vortheil, und<br />

sind bereits für nächstes Jahr die Verträge mit<br />

den betreffenden Ziegelmeistern zur Fertigstellung<br />

von weiteren 1200000 Ziegelsteinen<br />

abgeschlossen“.<br />

Düsselgraben,<br />

Prinz-Georg-Straße, um 1900<br />

Alte Hofstelle am Stockkämpchen,<br />

Stockkampstraße, um 1930<br />

19


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Architekt August Rincklake (1843-<br />

1915), um 1910<br />

Die Baukonkurrenz<br />

Etwa zeitgleich mit dem Aufziegeln des Baugeländes erfolgte<br />

am 26. Februar 1866 die Ausschreibung einer Konkurrenz<br />

zur Einreichung von Bauplänen, in der für den besten Plan<br />

eine Prämie von 50 Friedrichsdor ausgesetzt war. Infolge der<br />

Konkurrenzausschreibung waren bis zum 1. August 1866 vier<br />

verschiedene Entwürfe für den Bau des Marienhospitals eingegangen.<br />

„Die Jurry“, so der Vereinsbericht 1866, „welche<br />

zur Beurtheilung dieser Pläne zusammengetreten ist, verlieh<br />

2 Plänen die in den Concurrenz-Ausschreiben zugesicherten<br />

Prämien, während die Pläne Eigenthum des Vereins bleiben.<br />

Bei Beurtheilung dieser Pläne erkannte die Jurry sowie später<br />

andere Sachverständige, daß wohl keiner dieser beiden<br />

prämiirten Pläne so ganz zur<br />

Ausführung sich eigne, theils<br />

weil die Anlage zu kostspielig,<br />

theils die Situation der einzelnen<br />

Gebäude, als: Krankenhaus,<br />

Capelle und Pflegehaus<br />

keine zweckmäßige sei, jedoch<br />

sonst zu einem neuen Projekt<br />

sehr schätzenwerthes Material<br />

böten. Später sind nun unter<br />

Zugrundelegung dieser beiden<br />

prämiirten Pläne sowie nach<br />

einer von einzelnen Mitgliedern<br />

des Vorstandes und Herrn<br />

Architekten August Rincklake<br />

unternommenen Reise zur<br />

Besichtigung der Krankenhäuser<br />

in Aachen, Cöln, Bonn<br />

etc. andere Situations-Pläne<br />

entstanden. Dieselben haben<br />

einer Commission, bestehend<br />

aus den Herren Regierungs-<br />

Architekt August Rincklake<br />

(1843-1915), um 1910<br />

Bauprogramm für das Marienhospital,<br />

26. Februar 1866<br />

und Baurath Krüger, Doctor Windscheid<br />

und Stadtbaumeister Westhoven, vorgelegen,<br />

und hatte jeder der Herren die<br />

Freundlichkeit, ein besonderes schriftliches<br />

Gutachten hierüber abzugeben. In diesen<br />

drei Gutachten sprachen die Herren sich<br />

einstimmig dahin aus, daß sie die Situation<br />

der verschiedenen Gebäude, wie sie in einem<br />

der vorgelegten Pläne aufgestellt, für<br />

zweckmäßig und praktisch hielten und in<br />

der Eintheilung der Grundrisse etc. einige<br />

sehr zweckentsprechende Verbesserungen<br />

fänden“. Nachdem Architekt August<br />

Rincklake im Winter 1866/67 unter Berücksichtigung<br />

der Gutachten einen neuen<br />

Plan entworfen und für das Krankenhaus<br />

ohne Kapelle und Pflegehaus einen mit<br />

90000 Talern abschließenden Kostenvoranschlag<br />

angefertigt hatte, gab dieser<br />

„bei seiner demnächstigen Prüfung durch<br />

die zuständige Behörde in baupolizeilicher<br />

und sanitätspolizeilicher Beziehung nicht<br />

allein zu Erinnerungen keinen Anlaß“, so<br />

der Düsseldorfer Anzeiger vom 11. Dezember<br />

1867, „sondern fand wegen seiner<br />

Zweckmäßigkeit und Schönheit allgemeine<br />

Anerkennung“.<br />

Baubeginn und<br />

Grundsteinlegung<br />

Nach Eingang der Bauerlaubnis durch die<br />

Königliche Regierung beschloss der Ausschuss<br />

des Marienhospitalvereins in der<br />

Sitzung vom 17. Mai 1867, den Bau des<br />

Krankenhauses in drei Schritten auszuführen.<br />

Im <strong>Jahre</strong> 1867 sollte der Bau bis zum<br />

Erdgeschoss geführt, 1868 unter Dach<br />

gebracht und 1869 im Innern ausgebaut<br />

sein. Zugleich genehmigte der Ausschuss<br />

20


Baubeginn und Grundsteinlegung<br />

den Beginn des Baues. Noch im selben<br />

Monat wurden die Erdarbeiten und die<br />

Mauererarbeiten am Souterrain in Angriff<br />

genommen. Unterstützt wurden die Bauarbeiter<br />

in Pempelfort von Steinmetzen, die<br />

durch die Unterbrechung des Baues der<br />

Dominikanerkirche an der Herzogstraße<br />

frei geworden waren und in einer auf<br />

dem Bauplatz errichteten Steinmetzhütte<br />

unter der Leitung ihres Meisters beschäftigt<br />

werden konnten.<br />

Schon wenige Wochen nach Aufnahme<br />

der Bauarbeiten erfolgte am 17. September<br />

1867 in Gegenwart zahlreicher Ehrengäste<br />

die feierliche Grundsteinlegung für den<br />

Hospitalbau. Überschwänglich berichtete<br />

der Düsseldorfer Anzeiger noch am gleichen<br />

Tag: „Mit der heute Vormittag erfolgten<br />

feierlichen Grundsteinlegung zu dem St.<br />

Maria-Hospital und Verpflegungshause<br />

ist endlich das langersehnte Krankenhaus<br />

in Angriff genommen, dessen Vollendung<br />

von jedem Düsseldorfer, der es mit seiner<br />

Vaterstadt gut meint, ernstlich gewünscht<br />

wird, und das damit unseren armen kranken,<br />

alters- und körperschwachen Mitbürgern<br />

eine trostreiche Zufluchtsstätte zu bereiten<br />

und ihnen ein freundliches Unterkommen<br />

und liebreiche Pflege zu gewähren bestimmt<br />

ist. Die Feier begann heute Morgen um 9<br />

Uhr mit einem feierlichen Hochamte in<br />

der St. Lambertus-Pfarrkirche ... Nach dem<br />

Hochamte erfolgte der festliche Auszug<br />

sämmtlicher städtischen Pfarren, ... nach der<br />

Baustelle durch die festlich geschmückten<br />

Straßen unserer Stadt, in einer großartigen<br />

gemeinschaftlichen Prozession ... Die Baustelle<br />

war festlich geschmückt mit Fahnen<br />

und Flaggen aller Art und in Mitten derselben<br />

erhob sich die Statue der Patronin<br />

des Vereins unter zierlichen Topfpflanzen.<br />

Umringt von einer ungemein großen Anzahl<br />

Marienhospital, Entwurfszeichnung von August Rincklake, um 1868<br />

und Theilnehmenden eröffnete der Vicepräsident des St.<br />

Marien-Hospital-Vereins, Herr Advokat-Anwalt Emil Schauseil,<br />

die Festlichkeit mit einer Ansprache, in welcher die Entstehungsgeschichte<br />

des Vereins in kurzen Zügen skizzirt, der<br />

Bürgerschaft Düsseldorfs Dank ausgesprochen wird, für das<br />

einträchtige Zusammenwirken zur Beschaffung der zum Bau<br />

nöthigen Mittel, zu welcher Art beigetragen, der Reiche, wie<br />

der Arme, zu der Dienstboten ihre sauren Ersparnisse willig<br />

geopfert und die Kinder ihre Sparbüchsen umgestürzt hätten. ...<br />

Er verlas dann die in den Grundstein zu versenkende Stiftungsurkunde<br />

und ersuchte den erzbischöflichen Commissar, Herrn<br />

Domkapitular Philipp Joesten,<br />

dem Grundstein die kirchliche<br />

Weihe zu ertheilen. ... Mit<br />

dem Segensworte des Herrn<br />

Domkapitular schloß die Feier,<br />

und in der anständigsten<br />

Haltung kehrte die anwesende<br />

Volksmenge, welche die<br />

Festlichkeit zusammengezogen<br />

hatte, zur Stadt zurück“.<br />

Dominikanerkloster,<br />

Herzogstraße 17, um 1925<br />

Einladungskarte,<br />

17. September 1867<br />

21


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Fortschritt und Stillstand<br />

Das Jahr 1868, das später auch in eisernen<br />

Ziffern an der Front des Gebäudes angebracht<br />

wurde, war für das Marienhospital<br />

das wichtigste Baujahr. Über die Fortschritte<br />

des Bauvorhabens seit der Grundsteinlegung<br />

berichtete der Düsseldorfer Anzeiger am 29.<br />

Mai 1868 aus Anlass der jährlichen Pfingstkollekte:<br />

„Nachdem nämlich im vorigen <strong>Jahre</strong><br />

Fundamente und Souterrains im Rohbau in<br />

Angriff genommen und vollendet worden<br />

sind, hat der Weiterbau im März dieses <strong>Jahre</strong>s<br />

wieder begonnen und ist augenblicklich<br />

das Erdgeschoß vollendet und wird gleich<br />

nach Pfingsten auch der Aufbau der beiden<br />

Etagen in Angriff genommen werden. Diese<br />

Mauerarbeiten müssen vor Ende des Monats<br />

September beendet sein, um frühzeitig vor<br />

Eintritt des Winters das ganze Gebäude noch<br />

im Rohbau unter Dach bringen zu können“.<br />

Bereits im Herbst war der Neubau des<br />

Marienhospitals so weit fortgeschritten, dass<br />

am 2. Oktober 1868 die „Aufrichtung“ mit<br />

Vokal- und Instrumentalmusik wie auch Kanonendonner<br />

begangen werden<br />

konnte. Im folgenden Jahr<br />

kamen die Pliester- und ein<br />

großer Teil der Schreinerarbeiten<br />

zur Ausführung. Außerdem<br />

wurde an die Küche eine<br />

Waschküche und Trockenkammer<br />

angebaut.<br />

Die Belastungen der Vereinskasse<br />

durch das rasche<br />

Fortschreiten des Kranken-<br />

Marienhospital, Haupteingang mit<br />

Zieranker „1868“, um 1930<br />

Marienhospital, Gartenplan<br />

von Joseph Clemens Weyhe, 1870<br />

hausbaues in den <strong>Jahre</strong>n 1868 und 1869<br />

machte es notwendig, wiederholt an die<br />

Opferbereitschaft der katholischen Bevölkerung<br />

zu appellieren. Der Vorstand erließ<br />

bereits am 28. Mai 1868 einen Aufruf an<br />

die Bewohner der Stadt, sich mit großzügigen<br />

Spenden am Zustandekommen des<br />

Krankenhauses zu beteiligen. „Es waren<br />

wiederum das Hülfs- und das Damen-Comité“,<br />

so der Rückblick im Rechenschaftsbericht<br />

1868/69, „welche dem Vorstande<br />

in der aufopferndensten Weise ihre Unterstützung<br />

gewährten. Diese Comités trafen<br />

nämlich die Vorbereitungen, zum Besten<br />

des Marien-Hospitals eine Verloosung zu<br />

veranstalten. Die Sache fand auch diesmal,<br />

besonders unter den Künstler, die lebhafteste<br />

Theilnahme. ... Die Ausstellung der<br />

zur Verloosung bestimmten Sachen wurde<br />

am 13. Mai 1869 in der Aula der Realschule<br />

(Klosterstr. 7) in Gegenwart Ihrer Königlichen<br />

Hoheit der Fürstin von Hohenzollern<br />

eröffnet und ... zahlreich besucht. ... Das<br />

Ergebniß derselben übertraf selbst die<br />

kühnsten Erwartungen, indem ein Reinertrag<br />

von 21187 Thaler 15 Silbergroschen<br />

erzielt wurde“.<br />

Einnahmen mit Hilfe von Kollekten in<br />

den Pfarreien, Spenden von Wohltätern,<br />

Stiftungen und Legaten stellten auch in<br />

den folgenden <strong>Jahre</strong>n die wesentliche<br />

Einnahmequelle dar. Obwohl die Spendenbereitschaft<br />

der katholischen Bevölkerung<br />

ungebrochen anhielt, waren die Rücklagen<br />

des Marienhospitalvereins Ende der sechziger<br />

<strong>Jahre</strong> infolge der hohen Baukosten<br />

erheblich geschrumpft. Um einer Zahlungsunfähigkeit<br />

des Vereins zuvorzukommen,<br />

hatte der Vorstand den Beschluss gefasst,<br />

die Vergabe der noch notwendigen Arbeiten<br />

an der Innenausstattung des Krankenhausneubaues<br />

über einen längeren<br />

22


Eröffnung wider Willen<br />

Zeitraum zu strecken. Wörtlich heißt es<br />

im Rechenschaftsbericht: „Im <strong>Jahre</strong> 1870<br />

war noch die innere Fertigstellung des<br />

Marien-Hospitals, namentlich die Anfertigung<br />

der Thüren, der Treppen, der Bodenund<br />

Flurbelegungen, die Einrichtung der<br />

Gas- und Wasserleitung, der Bäder etc.<br />

zu bewirken und die Gartenanlage, wozu<br />

der Herr Garten-Inspektor Joseph Clemens<br />

Weyhe eine Plan angefertigt hatte, auszuführen.<br />

Mit Rücksicht darauf, daß zur<br />

Deckung der damals noch für erforderlich<br />

erachteten Baumittel von 40000 Thalern<br />

nur der Betrag von etwa 25000 Thalern<br />

vorhanden war, also noch <strong>150</strong>00 Thaler<br />

fehlte, sowie auf den Umfang der bis zur<br />

gänzlichen Vollendung des Krankenhauses<br />

noch zu fertigenden Arbeiten, lag es in<br />

der Absicht des Vorstandes, die Letzteren<br />

in der Weise ausführen zu lassen, daß das<br />

Marien-Hospital im Frühjahr 1871 seiner<br />

Bestimmung übergeben werden könne“.<br />

Eröffnung wider Willen<br />

Der besonnene Verfahrensplan zum Weiterbau<br />

des Marienhospitals wurde mit<br />

Ausbruch des deutsch-französischen Krieges<br />

1870/71 Makulatur, da der Vorstand<br />

am Tag der Kriegserklärung (18. Juli 1870)<br />

den Beschluss fasste, „das Unterhaus und<br />

den ersten Stock des Marien-Hospitals so<br />

rasch wie möglich provisorisch zu vollenden,<br />

und dasselbe für die Verwundeten<br />

einzurichten“.<br />

Unter der Überschrift „An unsere Mitbürger!“<br />

setzte der Vorstand am 18. Juli<br />

1870 folgenden Aufruf in Umlauf: „Der<br />

durch Frankreichs Übermuth in der unverantwortlichsten<br />

Weise heraufbeschworene<br />

Krieg macht es uns zur Pflicht, unser Ma-<br />

König Wilhelm I. auf dem Schlachtfeld von Sedan, 1870<br />

rien-Hospital in kürzester Frist zur Aufnahme der kranken<br />

und verwundeten Krieger fertig zu stellen. Mit Gottes Hülfe<br />

werden wir in der Lage sein, das Gebäude binnen 3 Wochen<br />

den wackern Kämpfern als eine Zufluchtstätte, wo sie die<br />

aufopferndste Pflege finden werden, anzubieten. Behufs<br />

Beschaffung der innern Einrichtung des Hauses und der zur<br />

Verpflegung der Militairkranken dienlichen Gegenstände wird<br />

das in seiner Fürsorge für unser Krankenhaus stets unermüdliche<br />

Damen-Comite von Neuem seine Thätigkeit eröffnen.<br />

Uns liegt es ob, die zur Vollendung des Baues noch erforderlichen<br />

Arbeiten so schleunig wie möglich ausführen zu lassen.<br />

Wir richten an unsere Mitbürger hiermit die dringende Bitte,<br />

uns durch Zuwendung reichlicher Geldbeiträge in der Ausführung<br />

unseres Vorhabens zu unterstützen“. Dem Appell<br />

zur Einrichtung des noch im Bau befindlichen Marienhospitals<br />

als Militärlazarett schloss sich am folgenden Tag das Damen-<br />

Comité mit einer eigenen Erklärung an. „Unter den Bewohnern<br />

unserer Stadt und Umgegend zeigte sich ein solcher<br />

Wetteifer in der Opferwilligkeit“, hebt der Vereinschronist<br />

später begeistert hervor, „daß in kurzer Zeit die für vorerwähnte<br />

Räume erforderlichen Einrichtungsgegenstände,<br />

sowie eine Menge von Naturalien, Verbandstücken und Labungsmitteln<br />

beschafft waren. Für die Anschaffung von<br />

Einrichtungsgegenständen allein verausgabte das Damen-<br />

Comité ... aus den von ihm gesammelten Geldern den Betrag<br />

23


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Pfarrer Philipp Joesten<br />

(St. Lambertus, 1841-1874), vor 1874<br />

Schlacht von Gravelotte,<br />

1870<br />

von 6382 Thalern 23 Silbergroschen 9 Pfennig. Gleichzeitig<br />

gelang es den unermüdlichen Anstrengungen des Vorstandsmitgliedes<br />

Herrn Carl Hilgers, die im Marien-Hospital noch<br />

nöthigen Arbeiten in der kurzen Frist von 4 Wochen ausführen<br />

zu lassen und die unteren Räume des Krankenhauses zur<br />

Aufnahme von Kranken herzurichten“. Was die Chronik<br />

verschweigt, ist der Umstand, dass zur Finanzierung der<br />

beschleunigten Bauarbeiten verschiedene Wertpapiere im<br />

Wert von 5800 Talern nur mit hohem Verlust veräußert<br />

werden konnten.<br />

Schon am 15. August 1870, am Fest Maria Himmelfahrt,<br />

erfolgte die Einweihung des Marienhospitals, die der Not<br />

der Zeit geschuldet, nur in einem bescheidenen Rahmen<br />

begangen wurde. Knapp meldete der Düsseldorfer Anzeiger<br />

am folgenden Tag über den Gottesdienst in der provisorisch<br />

eingerichteten Krankenhauskapelle und die Benediktion des<br />

Hauses: „Die Einweihung des Marienhospitals wurde gestern<br />

durch ein feierliches Hochamt, celebrirt durch den Herrn Dechant<br />

Philipp Joesten, eingeleitet ... . Dem Gottesdienste ...<br />

folgte die Einsegnung der einzelnen Räume des Hauses, worauf<br />

dem Publikum der Eingang in dasselbe gestattet wurde“.<br />

Noch am Abend des gleichen Tages wurden die ersten<br />

Verwundeten in das Marienhospital aufgenommen, denen<br />

nach der Schlacht von Gravelotte (18.<br />

August 1870) größere Transporte folgten.<br />

Nach einem Zwischenbericht des Damen-<br />

Comités vom 13. September 1870 waren<br />

infolge der Aufrufe zur Einrichtung des<br />

Marienhospitals als Militärlazarett so viele<br />

Spenden an Geld und Naturalien eingegangen,<br />

dass der Vorstand in der Lage war,<br />

„einstweilen zur Aufnahme von <strong>150</strong> unserer<br />

verwundeten, tapferen Krieger sowohl<br />

die vollständigen Betten, als auch das<br />

sämmtliche Leinen (Leintücher, Kissenzüge,<br />

Handtücher, Taschentücher, Hemden, Jacken<br />

usw.) und sonstige Gegenstände zu<br />

beschaffen“. Über 100 Betten waren mit<br />

Kranken belegt und täglich wurden Neuankommende<br />

versorgt. „Indem wir uns<br />

vorbehalten“, so das Damen-Comité, „später<br />

detaillirte Mittheilungen über unsere<br />

Wirksamkeit zu geben, danken wir einstweilen<br />

allen bekannten und unbekannten<br />

Gebern für die große patriotische Opferwilligkeit,<br />

mit der dieselben in dieser schweren<br />

Zeit zur Erleichterung der Lage unserer<br />

tapferen Verwundeten ein Scherflein beigetragen<br />

haben. ... Haben unsere Krieger<br />

für uns geblutet, so ist es unsere Pflicht,<br />

sie zu pflegen“.<br />

Bis zum Sommer des <strong>Jahre</strong>s 1871 wurden<br />

1043 Soldaten an 34005 Verpflegungstagen<br />

in der Pempelforter Anstalt versorgt.<br />

Die erzielten Heilresultate wurden vom<br />

Krankenhausvorstand in einem Rückblick<br />

als „sehr günstig“ bezeichnet, „da von<br />

sämmtlichen verpflegten Soldaten, ungeachtet<br />

sich unter denselben sehr viele<br />

schwer Verwundete und Kranke befanden<br />

und der weite, häufig mangelhafte Transport<br />

vom Gefechtsfelde bis hierher für den<br />

Zustand der Verwundeten meistens von<br />

den nachtheiligsten Folgen gewesen war,<br />

nur 19 oder 2,3 % gestorben sind. Unsere<br />

24


Die Franziskanerinnen<br />

Anstalt hat hiernach ihren Zweck, zur Linderung<br />

menschlichen Elends beizutragen,<br />

schon vor ihrer Vollendung in glänzender<br />

Weise erfüllt“.<br />

Die Behandlung der verwundeten<br />

Soldaten lag zunächst in den Händen des<br />

Medizinalrates Dr. Eduard Beyer, dann in<br />

der Verantwortung des Stabsarztes Dr.<br />

Gustav Windscheid. Die organisatorische<br />

Leitung des Lazarettes oblag der „Rheinisch-Westfälischen<br />

Johanniter-Malteser-<br />

Genossenschaft“, die vor allem den Kontakt<br />

zu den militärischen Dienststellen und<br />

der Berliner Zentralstelle für die freiwillige<br />

Krankenpflege hielt. Anerkennend ist im<br />

Generalbericht der Genossenschaft für die<br />

Kriegsjahre 1870/71 über das Düsseldorfer<br />

Marienhospital vermerkt: „Die vorzügliche<br />

Pflege der Schwestern, die kräftigende<br />

Kost und die ausgezeichnete ärztliche Behandlung<br />

hat von den ersten Sanitätsbehörden<br />

eine hervorragende Anerkennung<br />

gefunden“.<br />

Die Franziskanerinnen<br />

Ohne ausdrücklich beim Namen genannt<br />

zu werden, galt das Kompliment der<br />

„vorzüglichen Pflege der Schwestern“<br />

der Ordensgenossenschaft der Armen Franziskanerinnen,<br />

die zu Beginn des deutschfranzösischen<br />

Krieges zehn Schwestern für<br />

das Marienhospital abgestellt hatten. Unter<br />

den zahlreichen neugegründeten Orden<br />

und Genossenschaften in der ersten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts kam den 1845 in<br />

Aachen von Franziska Schervier gestifteten<br />

„Armenschwestern vom Heiligen Franziskus“<br />

eine überragende Bedeutung zu. Ihre<br />

Zielsetzung und Formung waren das ganz<br />

persönliche Werk der Gründerin. Franziska<br />

Schervier (1819-1876) war die Tochter eines Aachener Nadelfabrikanten.<br />

Ihr Weg zum Dienst an den Armen war durchaus<br />

religiös motiviert, wurde aber auch durch das in der Heimatstadt<br />

sichtbare Elend der Frühindustrialisierung bestimmt.<br />

Franziska Scherviers Gemeinschaft lebte als Kongregation<br />

nach der dritten franziskanischen Ordensregel (Tertiarinnen).<br />

Die Nachfolge Christi gemäß den evangelischen Räten sah<br />

sie als ihre primäre Aufgabe an, außerdem verpflichtete sie<br />

sich zu allen Werken tätiger Nächstenliebe im Dienste der<br />

Armen, speziell in städtischem Milieu. Außer einem Mutterhaus<br />

und einem Noviziatshaus sollte die Gemeinschaft<br />

kein Eigentum besitzen. Die Schwestern verzichteten auf<br />

persönliches Eigentum und erklärten ihre Bereitschaft, für die<br />

Armen zu kollektieren. Am Anfang ihrer caritativen Tätigkeit<br />

stand die offene Armenpflege; mit der wachsenden Bedeutung<br />

der stationären Krankenpflege übernahmen sie aber<br />

auch Krankenanstalten und Waisenhäuser, allerdings nicht<br />

solche der öffentlichen Hand. Am 12. August 1851 wurde<br />

die Genossenschaft offiziell errichtet. Mutterhaus wurde das<br />

ehemalige Klarissenkloster in der Aachener Kleinmarschierstraße.<br />

Schon 1852 setzte eine rasche Filialbildung ein. Im<br />

Raum Düsseldorf eröffneten die Franziskanerinnen 1854 im<br />

Ratinger „Gasthaus zum hl. Geist“ (heute St. Marienkrankenhaus)<br />

ihre erste Niederlassung. Es folgte die Übernahme von<br />

Franziska Schervier (1819-1876),<br />

um 1870<br />

Düsseldorfer Anzeiger,<br />

7. August 1870<br />

25


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienkrankenhaus, Suitbertus-Stiftsplatz 11/15, um 1930 Annastift, Ritterstraße 20/22, um 1915<br />

Städtisches Pflegehaus, Himmelgeister Straße 152, 1930<br />

Herz-Jesu-Kloster, Mendelssohnstraße 13/15, vor 1939 Antoniushaus, Achenbachstraße 142/144, 1907<br />

Josephskloster, Hammer Dorfstraße 121, nach 1911<br />

Marienhospital, Aachen-Burtscheid, um 1930<br />

caritativen Einrichtungen in Kaiserswerth<br />

(Marienkrankenhaus 1855), in der Neustadt<br />

(Max-Joseph-Hospital und Städtisches<br />

Pflegehaus 1868), in Pempelfort (Marienhospital<br />

1870), in der Altstadt (Annastift<br />

1871), in Flingern (Herz-Jesu-Kloster 1888),<br />

in Düsseltal (St. Antoniushaus 1908), in<br />

Stoffeln (Städtisches Pflegehaus 1892) und<br />

in Hamm (Josephskloster 1911).<br />

Wie der Kontakt zwischen dem Vorstand<br />

des Düsseldorfer Marienhospitals und<br />

den Aachener Franziskanerinnen entstand,<br />

geht aus den überlieferten Unterlagen<br />

leider nicht hervor. Fest steht jedoch, dass<br />

der Marienhospitalverein sehr früh die<br />

Berufung der Aachener Schwestern erwog.<br />

Bereits im Protokoll der Vorstandssitzung<br />

vom 10. August 1866 findet sich<br />

der Vermerk, für die Krankenpflege in<br />

der Anstalt „die Franziskanerinnen, deren<br />

Mutterhaus sich in Aachen befindet,<br />

an erster Stelle in Aussicht zu nehmen“.<br />

Was in der genannten Vorstandssitzung<br />

noch nach Absicht klingt, scheint bis zur<br />

Generalversammlung am 10. Dezember<br />

1866 verbindliche Übereinkunft geworden<br />

zu sein, berichtete doch der Düsseldorfer<br />

Anzeiger über den Versammlungsverlauf:<br />

„Herr Landrath Graf Wilderich von Spee<br />

ergriff nun das Wort und theilte mit, daß<br />

der Ausschuß die Pflege in dem zu erbauenden<br />

Krankenhause den Franziskanerinnen<br />

aus dem Mutterhause in Aachen, das unter<br />

der Aufsicht der General‐Oberin Franziska<br />

Schervier stehe, übertragen habe. Er berichtete,<br />

daß er mit dem Herrn Hilgers, im<br />

Auftrage des Ausschusses, in Aachen, Cöln<br />

und Bonn von dem Wirken der Schwestern<br />

Einsicht genommen habe, und ertheilte<br />

denselben das höchste Lob. Er habe<br />

überall die sorgfältigste Pflege, Ordnung<br />

und Reinlichkeit, und die Hospitaliten bei<br />

26


Die Franziskanerinnen<br />

gesundem und fröhlichem Aussehen gefunden.<br />

... Er gedachte des Abkommens,<br />

welches die Commission mit der Oberin<br />

Franziska Schervier getroffen, wonach<br />

der Orden für das hiesige Krankenhaus<br />

18 Schwestern und mit dem Pflegehause<br />

25 Schwestern zu stellen habe, wofür der<br />

Verein nur die Beköstigung und Bekleidung<br />

der Schwestern zu liefern habe, während<br />

die Schwestern alle Arbeiten im Krankenhause<br />

am Krankenbette und in der Küche<br />

zu besorgen hätten“.<br />

Gemäß einer Absprache sollten bei der<br />

Aufnahme des Krankenhausbetriebes 25<br />

Schwestern die Pflege im Marienhospital<br />

übernehmen, was aber infolge des Einsatzes<br />

zahlreicher Schwestern auf den Kriegsschauplätzen<br />

und in den Lazaretten bei<br />

Ausbruch des deutsch-französischen Krieges<br />

nicht möglich war. Die Vorarbeiten zur<br />

Aufnahme des Pflegedienstes in Pempelfort<br />

mussten von den bereits seit zwei <strong>Jahre</strong>n im<br />

Max-Joseph-Hospital bzw. im Städtischen<br />

Pflegehaus in der Neustadt (Neusser Str.<br />

23/27) tätigen Schwestern übernommen<br />

werden. „Es war für diese“, so die Ordenschronik,<br />

„ein sehr mühsames Arbeiten, da<br />

alles Nothwendige aus der noch ziemlich<br />

weit entfernten Stadt beschafft werden<br />

mußte. Die Schwestern vom armen Kinde<br />

Jesus (Annakloster, Annastr. 62/64), welche<br />

abgesehen von den Bewohnern einiger<br />

zerstreut liegenden Hütten, die nächsten<br />

Nachbaren der Hospitalbewohner waren,<br />

suchten diese in opferwilligster Weise bei<br />

ihren Arbeiten zu unterstützen. Auch die<br />

armen Clarissen (Kaiserstr. 40) wollten bei<br />

diesem guten Werke nicht zurückstehen<br />

und baten daher die Franziskanerinnen,<br />

welche zu ihren Mahlzeiten noch den weiten<br />

Weg zur Neustadt machen mußten,<br />

das Mittagsmahl bei ihnen zu nehmen, bis<br />

die Küche des Hospitals eingerichtet<br />

sei, welches liebevolle<br />

Anerbieten mit Dank und Freude<br />

angenommen wurde. Bald<br />

konnten einige der bis dahin<br />

im Hospitale thätigen Schwestern<br />

darin Wohnung nehmen,<br />

deren sich bald mehrere aus<br />

dem Mutterhause zugesellten,<br />

bis ihre Zahl auf zehn gestiegen<br />

war. Schwester Cleopha, die<br />

Vorgesetzte des Armenhauses<br />

(Neustadt), stand anfangs auch<br />

den Schwestern des Hospitals<br />

Annakloster, Annastraße 62/64, um 1910<br />

vor und kam täglich mit mehreren Schwestern und arbeitsfähigen<br />

Pfleglingen, denen sich manche andere Frauen<br />

freiwillig anschlossen, dorthin, sich an mühevollen Arbeiten<br />

zu betheiligen. Es war weder Gas- noch Wasserleitung<br />

vorhanden und alles Wasser mußte aus den für die Ziegelei<br />

bestimmten Brunnen herausgeholt werden. Sobald der<br />

linke Flügel des Hauses eingerichtet war, beeilte man sich<br />

den ersten Saal desselben in eine Kapelle umzugestalten, in<br />

welcher die hohen Herrn Patres Franziskaner (Oststr. 62/64)<br />

den Gottesdienst übernahmen“.<br />

Für ihren aufopfernden Dienst im Lazarett hatten<br />

die Franziskanerinnen vom Marienhospitalverein keine<br />

Entschädigung beansprucht, doch übergab ihnen<br />

der Vorstand nach der Auflösung des Lazarettes am 15.<br />

März 1871 ein „einmaliges Almosen von 20 Thalern“.<br />

Klarissenkloster,<br />

Kaiserstraße 40, um 1925<br />

Franziskanerkloster,<br />

Oststraße 62/64, um 1925<br />

27


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, Fotografie von<br />

Karl Ed. Becker, 1871<br />

Kaiser Wilhelm I. (1797-1888),<br />

um 1885<br />

Aus den Überschüssen der Verpflegungssätze erhielt jeder<br />

Verwundete bei seiner Entlassung aus dem Lazarett ein vom<br />

Düsseldorfer Photographen Karl Ed. Becker angefertigtes<br />

Lichtbild des Marienhospitals.<br />

Die Verleihung der<br />

Korporationsrechte<br />

Völlig unerwartet, „geruhte Seine Majestät der König“<br />

mitten in den Wirren des deutsch-französischen Krieges<br />

vom Hauptquartier Ferrières aus, dem Düsseldorfer Marienhospital<br />

am 2. Oktober 1870 „vorbehaltlich des Oberaufsichtsrechts<br />

des Staates und der Feststellung des Statuts<br />

durch den Oberpräsidenten der Rheinprovinz“ die Rechte<br />

einer juristischen Person zu verleihen. Mit dem Eingang<br />

des königlichen Schreibens endete ein mehr als fünf <strong>Jahre</strong><br />

dauerndes Antragsverfahren, das ohne die<br />

„patriotische Haltung“ des Marienhospitals<br />

bei Kriegsausbruch möglicherweise nie zu<br />

einem Abschluss gekommen wäre.<br />

Das langwierige Prozedere begann,<br />

als der Vorstand des Marienhospitalvereins<br />

die Königliche Regierung in Düsseldorf<br />

am 10. April 1865 und noch einmal am<br />

2. Oktober 1865 um die Verleihung der<br />

Korporationsrechte ersuchte. Obwohl der<br />

Vorstand von der preußischen Regierung<br />

auf beide Eingaben keine Antwort erhielt,<br />

gab der Vorsitzende Hermann von Mallinckrodt<br />

auf der Generalversammlung am 5.<br />

Dezember 1865 hoffnungsvoll zu Protokoll:<br />

„Ein Bescheid hierzu sei zur Zeit noch nicht<br />

ertheilt, indessen stehe derselbe in kurzer<br />

Zeit zu erwarten, da der Antrag, nachdem<br />

derselbe die vorgeschriebenen Instanzen<br />

passirt habe, gegenwärtig den königlichen<br />

Ministerien zu Berlin vorliege“. Offenbar<br />

traute der Vorsitzende seinen eigenen Worten<br />

nur wenig, denn nur so ist zu erklären,<br />

dass Hermann von Mallinckrodt zur Ausräumung<br />

verschiedener Missverständnisse<br />

noch im gleichen Monat eine Reise nach<br />

Berlin unternahm, „welche indeß nicht den<br />

erwünschten Erfolg hatte“. Im Gegenteil:<br />

Mit Ministerialreskript vom 29. Mai 1866<br />

machten die Berliner Stellen die Erwirkung<br />

der Korporationsrechte davon anhängig,<br />

dass alle im Raum stehenden Bedenken zunächst<br />

durch eine Abänderung der Statuten<br />

beseitigt werden mussten. Strittig waren<br />

nach einer Einschätzung des Vorstandes<br />

vor allem die Fragen, „ob dem Vereine oder<br />

der zu gründenden Anstalt diese Rechte<br />

verliehen werden könnten, ob nicht in<br />

der durch die Statuten vorgeschriebenen<br />

Leitung des Marienhospitals durch Mitglieder<br />

eines nicht näher bezeichneten Ordens<br />

eine indirekte Umgehung des § 13 der<br />

28


Die Verleihung der<br />

Korporationsrechte<br />

Verfassungsurkunde gefunden werden<br />

müsse und ob nicht durch die Statuten dem<br />

kirchlichen Element ein zu großer Einfluß<br />

auf die Anstalt eingeräumt sei“.<br />

Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom<br />

31. Januar 1850, Artikel 13:<br />

„Die Religionsgesellschaften, so wie die<br />

geistlichen Gesellschaften, welche keine<br />

Korporationsrechte haben, können diese<br />

Rechte nur durch besondere Gesetze<br />

erlangen“.<br />

Um Immobilien und Kapitalien auf den<br />

Namen des Marienhospitals zu erwerben,<br />

war der Besitz der Korporationsrechte<br />

eine unabdingbare Voraussetzung. Nachdem<br />

die betreffenden Ministerien in den<br />

weiteren Verhandlungen den Standpunkt<br />

einnahmen, „daß dem Verein diese Rechte<br />

nicht ertheilt werden könnten, daß aber<br />

nichts im Wege stehe, dieselben der Anstalt<br />

zu gewähren, sobald diese ins Leben gerufen<br />

sei“, schien der Marienhospitalverein<br />

vor einem unlösbaren Dilemma zu stehen.<br />

Wie sollte das Krankenhaus gebaut und<br />

eröffnet werden, wenn es vorab ein hierzu<br />

erforderliches Grundstück wegen fehlender<br />

Korporationsrechte nicht erwerben<br />

konnte? Es spricht für das Geschick des<br />

Vorstandes sowohl für dieses wie auch für<br />

andere Probleme, die sich aus dem Mangel<br />

an Korporationsrechten ergaben, Lösungen<br />

gefunden zu haben. Wie bereits berichtet,<br />

umging der Vorstand die Schwierigkeit des<br />

Grundstückankaufes dadurch, dass das<br />

Stockkamp Gut für den Verein auf den<br />

Namen der Privatperson Dechant Philipp<br />

Joesten erworben wurde.<br />

Die nach Eingang des königlichen Reskriptes<br />

vom 2. Oktober 1870 noch für<br />

nötig erachteten Änderungen des Statuts<br />

wurden in der Generalversammlung des Marienhospitalvereins<br />

am 11. Januar 1871 befürwortet und vom Koblenzer Oberpräsidenten<br />

am 11. Februar 1871 genehmigt. Von nun an gab<br />

es eine mit Korporationsrechten<br />

ausgestattete „katholische<br />

Kranken‐ und Verpflegungsanstalt<br />

Marien-Hospital zu Düsseldorf“<br />

und daneben einen<br />

neu konstituierten „Marien-<br />

Hospital-Verein“. Der Vorstand<br />

in beiden Vereinen bestand in<br />

allen Ämtern aus den gleichen<br />

Persönlichkeiten. Ein wesentlicher<br />

Unterschied war, dass die<br />

übrigen Mitglieder des Marienhospitalvereins<br />

der Anstalt<br />

Marienhospital nicht angehörten.<br />

Die einzige Aufgabe des<br />

„Marien-Hospital-Vereins“ war<br />

„die Fortexistenz der durch<br />

seine Bemühungen geschaffenen,<br />

unter dem Namen<br />

‚Marien-Hospital‘ zu Düsseldorf<br />

mit Corporationsrechten<br />

versehene Anstalt durch jährliche<br />

Beiträge sicher zu stellen<br />

(§ 1)“. Die Aufgabe der Anstalt<br />

Marienhospital war in ihren<br />

Statuten viel umfassender formuliert:<br />

„Die zu Düsseldorf<br />

unter dem Namen ‚Marien-<br />

Hospital‘ bestehende Anstalt<br />

hat zum Zwecke die Verpflegung<br />

heilbarer und unheilbarer<br />

Kranken und wo möglich auch<br />

die Verpflegung altersschwacher<br />

Personen, ohne Rücksicht<br />

auf religiöses Bekenntniß. Die Anstalt hat die Rechte einer<br />

juristischen Person und ihr Domizil zu Düsseldorf, ihr steht das<br />

Eigenthum an dem für die Ausführung des Krankenhausbaues<br />

erworbenen Grund und Boden nebst den darauf errichteten<br />

Gebäulichkeiten und der gesammten inneren Einrichtung<br />

Statut der katholischen<br />

Kranken- und Verpflegungsanstalt<br />

Marien-Hospital, 11. Januar 1871<br />

29


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, Treppenaufgang,<br />

um 1930<br />

Marienhospital, Frauenabteilung,<br />

um 1930<br />

der letzteren zu (§ 1)“. Die Verwaltung der Anstalt sollte<br />

unter der gesetzlichen Oberaufsicht des Staates durch einen<br />

Vorstand erfolgen, „welcher aus dem von dem Erzbischof zu<br />

ernennenden Commissar und dem Oberbürgermeister, sofern<br />

dieser katholisch ist, sonst dessen Stellvertreter als geborenen<br />

Mitgliedern und aus sieben von dem ... Verwaltungsrathe<br />

zu wählenden Personen besteht (§ 4)“. Der Verwaltungsrat<br />

bestand aus den katholischen Pfarrern der Stadt Düsseldorf<br />

und dreißig weiteren Mitgliedern (§ 6).<br />

Pockenepidemie 1871 und<br />

verschleppte Fertigstellung<br />

Vom Juni 1871 ab, als das Marienhospital von verwundeten<br />

und erkrankten Soldaten allmählich geräumt war, überwies die<br />

städtische Verwaltung, um Raum für Pockenkranke im städtischen<br />

Pflegehaus in der Neustadt zu gewinnen, die „sonstigen<br />

männlichen Kranken aus dem letzteren dem Marienhospital“.<br />

Wegen Aufnahme dieser Patienten, die nach Ausweis der<br />

Ordenschronik „in Möbelwagen“ nach Pempelfort transportiert<br />

wurden, konnte die Absicht des Verwaltungsrates, „das<br />

Marien-Hospital zum Zwecke des beim Ausbruche<br />

des Krieges unterbrochenen inneren<br />

Ausbaues gänzlich zu räumen, nicht zur<br />

Ausführung gelangen; die Fertigstellung des<br />

Gebäudes mußte vielmehr trotz mancher,<br />

daraus entstehender Unzuträglichkeiten<br />

und Mehrkosten während der Benutzung<br />

desselben als Krankenhaus allmählich bewirkt<br />

werden“.<br />

Zu den gefährlichsten „Unzuträglichkeiten“<br />

im halbfertigen Krankenhaus<br />

gehörten ohne Zweifel die nur ungenügend<br />

hergerichteten Flure und Treppen. Im<br />

Sommer 1871, als die Zahl der Schwestern<br />

auf 25 gestiegen und Schwester Bernardin<br />

zur ersten Oberin ernannt worden war, berichtet<br />

die Ordenschronik von regelrechten<br />

„Stolperfallen“ in der Anstalt: „Die Gänge<br />

des Hauses waren sehr mangelhaft mit Ziegelsteinen<br />

belegt und hölzerne Hülfstreppen<br />

führten zu den oberen Räumen. Nicht<br />

selten ereignete es sich, daß die Schwestern<br />

in den unebenen Gängen stolperten<br />

und dabei, wenn auch nicht immer sich<br />

selbst, doch wenigstens das, was sie trugen,<br />

zum Falle kam. Einmal aber fand man eine<br />

Schwester, welcher der Arzt aufgetragen<br />

ihn eiligst etwas von unten zu holen, blutend<br />

am Fuße einer Treppe liegend; sie war<br />

hinuntergestürzt, hatte sich aber doch nur<br />

unerheblich verletzt“.<br />

Wann die beschriebenen „Unzuträglichkeiten“<br />

abgestellt und der Innenausbau<br />

des Marienhospitals endgültig abgeschlossen<br />

waren, ist den überlieferten Schriftstücken<br />

nicht genau zu entnehmen. Der<br />

Vorstand gab am 18. September 1871<br />

bekannt, „daß die innere Einrichtung des<br />

Krankenhauses zu zwei Dritteln zum Winter<br />

und der Rest im Frühjahre fertiggestellt<br />

sein werde“. Offenbar wurde der Zeitplan<br />

eingehalten, vermeldete Rudolph Ulrich in<br />

30


Pockenepidemie 1871 und<br />

verschleppte Fertigstellung<br />

der Vorstandssitzung vom 16. Dezember<br />

1872, „daß der Bau des Hospitals nunmehr<br />

als vollendet zu betrachten sei“. Ohne<br />

Zweifel waren im Frühjahr 1874 alle notwendigen<br />

Arbeiten am Krankenhaus zu<br />

Ende gebracht, da aus diesem Jahr eine<br />

Beschreibung der „in baulicher Vollendung<br />

uns entgegentretenden Anstalt“ erhalten<br />

ist. Besucher, die durch das Eingangstor am<br />

stumpfen Winkel von Stern-, Stockkampund<br />

Winkelsfelder Straße das Krankenhausgelände<br />

betraten, hatten zu jener Zeit<br />

folgendes Bild vor Augen: „Das Hauptgebäude<br />

des Marien-Hospitals, zu dessen<br />

Haupteingang man durch einen 47,08<br />

Meter tiefen, den Luftströmungen von<br />

allen Seiten zugänglichen Garten gelangt,<br />

ist im sogenannten gothischen Rohbaustyl<br />

aufgeführt und hat eine Gesammtlänge von<br />

75,32 Meter. Dieselbe wird unterbrochen<br />

durch einen 16,63 Meter breiten Mittelbau<br />

und zwei 11,93 Meter Flügelbauten, die in<br />

einer Tiefe von 37,03 Meter die Enden des<br />

Baues abschließen. Von dem hinter dem<br />

Haupteingange gelegenen Vestibül, welches<br />

mit einem von 8 freistehenden Granit-<br />

Säulen getragenen Kreuzgewölbenetze<br />

überdeckt und mit einer Statue der Patronin<br />

unseres Krankenhauses geschmückt<br />

ist, gelangt man rechts und links in die<br />

Corridore, geradeaus vermittelst zweier<br />

getrennter Treppen in den ersten Stock und<br />

indirekt in die Küche, welche in dem hinter<br />

das Gebäude verlängerten Mittelbau sich<br />

befindet. Über der Küche liegen die Zellen<br />

der Ordensschwestern vom heil. Franziskus,<br />

deren im Marien-Hospitale gegenwärtig<br />

24 ihrem schweren und opferreichen<br />

Berufe der Krankenpflege obliegen. ...<br />

Marienhospital, Sternstraße 91, um 1920<br />

Marienhospital, Vestibül, um 1930<br />

31


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Die Säle und Zimmer der Kranken<br />

liegen nach Süden, Osten<br />

und Westen, die Corridore, die<br />

Apotheke, der Operationsaal<br />

und die Closets nach Norden.<br />

Im Souterrain befinden<br />

sich 8 Räume für Krätzkranke<br />

und 7 Räume für Irre. Das<br />

Erdgeschoß (innere Station)<br />

enthält 7 große Säle und 12<br />

Zimmer für Kranke, sowie<br />

die provisorische Hauskapelle<br />

im rechten Seitenflügel. Die<br />

erste Etage (äußere Station)<br />

hat acht große Säle und 14<br />

Krankenzimmer nebst dem<br />

Operationsaal, und die zweite<br />

Etage (für unheilbare Kranke<br />

mit der abgeschlossenen<br />

Station für Syphiliten) 9 große<br />

Säle und 14 Zimmer. Jede<br />

Etage enthält vier Theeküchen<br />

Marienhospital, Hospitalküche,<br />

um 1930<br />

Marienhospital, Badeabteilung,<br />

um 1930<br />

Marienhospital, Fieberpavillion, 1871<br />

und zwei Wärterzimmer, welche zwischen<br />

den Sälen liegen. Die in den Seitenflügeln<br />

befindlichen, von den übrigen Räumen<br />

abgeschlossenen kleineren Krankenzimmer<br />

sind für Pensionäre I. und II. Klasse<br />

bestimmt. Die Räume werden durch gewöhnliche<br />

eiserne Öfen mittelst Kohlen<br />

geheizt. Diese Öfen stehen in den größeren<br />

Krankensälen in der Mitte; sie sind mit einem<br />

Blechmantel umgeben, welcher unten<br />

luftdicht verschlossen ist; in den dadurch<br />

gewonnenen Raum wird die äußere Luft<br />

durch abschließbare, unter dem Fußboden<br />

befindliche Röhren geleitet, daselbst<br />

erwärmt und durch die oben gelassene<br />

Öffnung dem Saale zugeführt, während<br />

die Zimmerluft unterhalb des Rostes in den<br />

Ofen gelangt und durch den Zug desselben<br />

entfernt wird. Außerdem sind in jedem<br />

größeren Krankensaale 2 Ventilationen,<br />

welche die Zimmerluft abführen und 2<br />

Ventilationen, welche frische Luft zuführen.<br />

Die Krankensäle und das Haus werden<br />

durch Gas erleuchtet. Das Wasser, welches<br />

durch die städtischen Wasserwerke aus<br />

dem Rheine zugeführt und mittelst Röhren<br />

durch die ganze Anstalt geleitet wird, ist<br />

frisch und gut trinkbar und zum Reinigen<br />

der Wäsche vorzüglich geeignet. In den<br />

Badezimmern, deren im Souterrain, im Erdgeschoß<br />

und auf jeder Etage im Mittelbau<br />

zwei und in den beiden Seitenflügeln je<br />

eines, im Ganzen also 14 (und außerdem<br />

im Pavillon zwei) vorhanden sind, werden<br />

warme und kalte Wasserbäder mit Douche<br />

und Brause gegeben. Der Fieber-Pavillon,<br />

welcher 62,77 Meter vom Hauptgebäude<br />

nach dem Barackensystem mit Fachwänden<br />

erbaut ist, hat nur ein Stockwerk, in<br />

welchem sich zwei große Krankenzimmer<br />

und 2 Glasterassen mit den erforderlichen<br />

Nebenräumen befinden“.<br />

32


Pockenepidemie 1871 und<br />

verschleppte Fertigstellung<br />

Der zuletzt genannte Fieberpavillon, die<br />

sogenannte „Villa“, verdient besondere<br />

Beachtung. Schon während des deutschfranzösischen<br />

Krieges hatten sich Versuche,<br />

im Hauptgebäude die Isolierung ansteckender<br />

Krankheiten zu erzielen, als erfolglos<br />

erwiesen. Daher war schon früh der Plan<br />

aufgekommen, auf dem Krankenhausgelände<br />

einen separaten Pavillon für Ruhr-,<br />

Pocken-, Typhus- und Cholerakranke zu<br />

errichten. Die Baracke wurde im <strong>Jahre</strong><br />

1871 östlich des Haupthauses, nahe der<br />

heutigen Prinz-Georg-Straße nach einem<br />

von Baumeister Julius Emmerich angefertigten,<br />

auf etwa 50 Kranke berechneten<br />

Plan begonnen und im folgenden Jahr<br />

fertig gestellt. Der ebenerdige Pavillon<br />

hatte zwei abgetrennte Krankensäle für<br />

je 14 weibliche und männliche Patienten.<br />

Neben den Baderäumen und Toiletten für<br />

Frauen und Männer gab es in der Baracke<br />

ein Leinenzimmer, eine Teeküche und ein<br />

Schwesternzimmer mit zwei Betten. An<br />

das Haupthaus schloss sich rechts und links<br />

eine geschlossene Terrasse für zusätzlich<br />

je sechs Betten an, von der eine Treppe in<br />

den Garten führte.<br />

Die Anlage des Gartens, die nach dem<br />

Tod des Garteninspektors Joseph Clemens<br />

Weyhe (†1871) sein Amtsnachfolger Oskar<br />

Hering übernommen hatte, war erst<br />

Mitte der siebziger <strong>Jahre</strong> des 19. Jahrhunderts<br />

abgeschlossen. Der größte Teil<br />

der auf dem Gelände des Marienhospitals<br />

angepflanzten Bäume und Ziersträucher<br />

ging auf eine Spende des Grafen August<br />

von Spee zurück. In einem abgesonderten<br />

Teil des Gartens war der Viehbestand der<br />

Krankenanstalt untergebracht, der im <strong>Jahre</strong><br />

1873 aus fünf Kühen, drei Schweinen<br />

und einer größeren Zahl von Enten und<br />

Hühnern bestand. „Je mehr aber“, so ein<br />

Rückblick aus späterer Zeit, „die umliegende<br />

Gegend bebaut wurde, desto schwieriger<br />

wurde die Futterbesorgung für Kühe, und<br />

man beschränkte sich deshalb auf das Halten<br />

von Schweinen und Federvieh, was sich bei<br />

der großen Menge von Abfall sehr rentierte“.<br />

Wenn der Vorstand im Frühjahr 1874<br />

der Öffentlichkeit das Marienhospital als ein<br />

„allen Anforderungen entsprechendes Krankenhaus“<br />

vorstellte, war dies nicht unbegründet.<br />

Das Hospital in Pempelfort brauchte den<br />

Vergleich mit anderen Krankenhäusern nicht<br />

zu scheuen, obwohl in Deutschland gerade<br />

nach Gründung des Kaiserreiches infolge des<br />

ökonomischen Aufstiegs eine sowohl zahlenmäßig<br />

als auch in Typenvielfalt beachtliche<br />

Bautätigkeit von Krankenanstalten einsetzte.<br />

Marienhospital, Haupteingang, um 1910<br />

Marienhospital, Gartenplan von<br />

Joseph Clemens Weyhe (Ausschnitt), 1870<br />

Marienhospital, Männergarten, um 1930<br />

33


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Sanierungsbedürftige Wohnhäuser,<br />

Grabbeplatz, um 1900<br />

Marktplatz, um 1890<br />

Dabei wurde insbesondere<br />

versucht, hygienische Vorstellungen,<br />

ärztliche Ansprüche<br />

und sozialpolitische Interessen<br />

miteinander zu verbinden. Das<br />

Krankenhaus wurde – mit den<br />

neuen Möglichkeiten der klinischen<br />

Medizin – zu einem unverzichtbaren<br />

Bestandteil der<br />

Gesellschaftspolitik. Mit dem<br />

durch die aufstrebende Arbeiterbewegung<br />

geforderten und<br />

seit 1883 geschaffenen sozialen<br />

Versicherungssystem auf<br />

der einen Seite und angesichts<br />

zunehmend schlechter Wohnverhältnisse der arbeitenden<br />

Bevölkerung auf der anderen Seite, kam als Möglichkeit<br />

und Notwendigkeit einer auch komplizierter werdenden<br />

Heilbehandlung letztlich nur das Krankenhaus in Frage.<br />

Dem sozialen Interesse der Krankenhausförderer entsprechend<br />

sollte dem Kranken während seines stationären Aufenthaltes<br />

sowohl eine qualitative ärztliche und pflegerische<br />

Versorgung gewährleistet als auch<br />

das entsprechende Milieu etwa hinsichtlich<br />

der Umgebung, der Einrichtung, der Hygiene<br />

und der Ernährung geschaffen werden.<br />

Viele der genannten Wünsche vermochte<br />

das für 144862 Taler errichtete<br />

Marienhospital zu erfüllen. Nach seiner<br />

endgültigen Fertigstellung konnte das von<br />

der Regierung am 3. Juli 1871 zum Betrieb<br />

einer Krankenanstalt konzessionierte Marienhospital<br />

etwa 200 Kranke aufnehmen,<br />

eine für die damalige Zeit beachtenswerte<br />

Zahl. Mit der Eröffnung der neuen Anstalt<br />

wurden alle „städtischen Kranken“ je nach<br />

Konfession in das evangelische Krankenhaus<br />

am Fürstenwall oder ins katholische<br />

Marienhospital an der Sternstraße überwiesen<br />

und die leer stehenden Räumlichkeiten<br />

des Max-Joseph-Hospitals zur Unterbringung<br />

von „altersschwachen und geistig<br />

oder körperlich gebrechlichen Personen“<br />

genutzt. Im Dezember 1871, als etwa 2/3<br />

der Räume des Marienhospitals benutzbar<br />

waren, befanden sich 180 Kranke im Haus.<br />

Wasserversorgung und<br />

Kanalisation<br />

Unter dem Eindruck von Cholera- und<br />

Pockenepidemien hatte sich in Düsseldorf<br />

im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein<br />

Umdenken in Fragen der Trinkwasserversorgung<br />

angebahnt, wenn auch langsam.<br />

Zwar wurden die Todesfälle noch nicht mit<br />

verschmutztem Trinkwasser in Verbindung<br />

gebracht, da man weiterhin vor allem an<br />

die infizierende Wirkung von Fäulnisgasen<br />

in der Luft glaubte. Ärzte, städtische Behörden<br />

und Öffentlichkeit richteten ihre<br />

34


Wasserversorgung<br />

und Kanalisation<br />

Aufmerksamkeit daher weiter auf die Beseitigung<br />

eventueller Verunreinigung der<br />

Luft durch Maßnahmen wie regelmäßige<br />

Desinfektion von Düngergruben, doch gab<br />

es auch erste Ansätze zur Schaffung einer<br />

Abwasser-Kanalisation des Stadtgebietes.<br />

Bei Inbetriebnahme des Militärlazarettes<br />

1870 bezog das Marienhospital den gesamten<br />

Wasserbedarf aus einem Brunnen<br />

auf seinem Gelände, der ursprünglich für<br />

die Ziegelei bestimmt war. Die Eröffnung<br />

des Fleher Wasserwerkes im gleichen Jahr<br />

Als jedoch im <strong>Jahre</strong> 1885 der Klärteich nahe<br />

der Düssel zur Offenlegung der Prinz‐Georg‐<br />

Straße von der Stadt eingezogen wurde,<br />

war die Verwaltung des Krankenhauses zum<br />

Handeln gezwungen. Das veraltete System<br />

aus Vorsenken, Abtritts- und Senkgruben, die<br />

den Klärteich mit Abwässern gespeist hatten,<br />

verschwanden vom Gelände des Hospitals und<br />

machten modernen Entwässerungsanlagen<br />

Platz, die mit dem neu angelegten Kanalnetz<br />

der Stadt an der Sternstraße in Verbindung<br />

standen.<br />

erlaubte es dem Krankenhaus, sich bereits<br />

Wasserwerk Flehe, um 1925<br />

1871 an die zentrale Wasserversorgung<br />

durch das städtische Wasserwerk anzuschließen,<br />

wofür der Vorstand des Marienhospitals<br />

5200 Taler bewilligte.<br />

Zu den von Hygienikern geforderten<br />

Maßnahmen der Stadthygiene gehörte<br />

auch die geregelte Beseitigung der Abwässer<br />

und Fäkalien aus dem Wohnumfeld. Bis<br />

weit in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein<br />

wurden in Düsseldorf Exkremente, auch<br />

von ansteckenden Kranken, noch meist im<br />

Erdreich nahe der Häuser vergraben. Soweit<br />

sich die Möglichkeit bot, wurden die Abwässer<br />

in der Altstadt durch kurze Kanäle<br />

dem Rhein, in anderen Stadtteilen den<br />

beiden Düsselarmen und den von diesen Müllentsorgung, Graf-Adolf-Straße, um 1905<br />

gebildeten Zierteichen zugeführt. Die Unzulänglichkeit<br />

der Entwässerungsverhältnisse<br />

führte schließlich zu dem Entschluss, für<br />

Düsseldorf eine systematische Kanalisation<br />

einzurichten, mit deren Realisierung 1884<br />

begonnen wurde.<br />

Einem Anschluss an die städtische<br />

Kanalisation stand der Verwaltungsrat des<br />

Marienhospitals wegen der hohen Kosten<br />

zunächst abwartend gegenüber, da die<br />

Entsorgung der Abwässer seit der Eröffnung<br />

des Krankenhauses kostengünstig<br />

über einen Klärteich in die Düssel erfolgte. Marienhospital, Klärteich, 1885 Düsselgraben, Prinz-Georg-Straße, um 1930<br />

35


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Betriebskosten<br />

Die jährlichen Betriebskosten deckte das Marienhospital<br />

vor allem aus den Pflegegeldern,<br />

deren Höhe sich im Laufe der Zeit nur wenig<br />

änderte. Die Pflegesätze für Patienten wurden<br />

bei der Eröffnung des allgemeinen Krankenhauses<br />

im <strong>Jahre</strong> 1871 für die I. Klasse auf<br />

2 Taler, für die II. Klasse auf 1,10 Taler und<br />

für die III. Klasse auf 20 Silbergroschen pro<br />

Tag festgesetzt. Die Pflegesätze blieben mit<br />

kleineren Schwankungen bis zum <strong>Jahre</strong> 1911<br />

gültig, als die Krankenkassen mit den anderen<br />

Düsseldorfer Krankenanstalten neue Tarife<br />

vereinbarten. Patienten der I. Klasse zahlten<br />

nun 7 Mark, Kranke der II. Klasse 5 Mark und<br />

Angehörige der III. Klasse 2,75 Mark, Kinder<br />

unter 12 <strong>Jahre</strong>n 2 Mark. Für die städtischen<br />

Armen kam die Stadtverwaltung auf, deren<br />

Verpflegungssatz mit dem Marienhospital<br />

jährlich neu ausgehandelt wurde, aber stets<br />

unter dem Betrag für die dritte Klasse lag.<br />

AOK Düsseldorf, Kasernenstraße 61, um 1910<br />

Donatus-Bruderschaft, Statuten, 25. Februar 1798<br />

Kranken- und Sterbekassen in Düsseldorf, 1889<br />

Marienhospital, Bilanzrechnung, 1886<br />

Die Einnahmen aus den Pflegegeldern<br />

waren viel geringer als die Auslagen an<br />

Pflegekosten, mit der Folge, dass in den<br />

Rechnungsbüchern des Marienhospitals<br />

schon in den ersten drei <strong>Jahre</strong>n ein Fehlbetrag<br />

von über 3100 Talern verzeichnet ist.<br />

Die Pflegegelder wurden teils von den<br />

Patienten selbst, teils von der Städtischen<br />

Armenverwaltung oder den Krankenkassen<br />

bezahlt. Letztere hatten sich schon lange<br />

vor der unter Reichskanzler Otto von Bismarck<br />

1883 eingeführten Krankenversicherung<br />

als freie Kranken-, Sterbe- und Unterstützungskassen<br />

etabliert. Die zur Vorsorge<br />

vor Verarmung gegründeten Kassen waren<br />

auf dem Prinzip der Selbsthilfe beruhende<br />

Vereinigungen von Handwerkern oder<br />

Arbeitern zur gegenseitigen Unterstützung<br />

in Fällen von Krankheit, Arbeitsunfähigkeit<br />

und Tod, teils konfessionell, teils örtlich,<br />

teils beruflich organisiert. Die ersten<br />

Düsseldorfer Kranken- und Sterbeladen<br />

gingen aus Unterstützungseinrichtungen<br />

hervor, die kirchliche Bruderschaften oder<br />

Sodalitäten bereits vor der Säkularisation<br />

entweder als Kranken-, Alten- oder Hinterbliebenenkasse<br />

ins Leben gerufen hatten.<br />

Dazu gehörte etwa der seit 1692 nachweisbare<br />

„Verein zur Unterstützung alter<br />

und kranker Sodalen“ der Marianischen<br />

Junggesellensodalität oder die 1798 als<br />

Sterbekasse gegründete „Bruderschaft unter<br />

dem Schutze und zu Ehren des heiligen<br />

Donati, Patronen des Hochgewitters in der<br />

Hauptstadt Düsseldorf“. Das zunehmende<br />

Bedürfnis nach nichtbruderschaftlicher<br />

Absicherung sozialer Risiken führte in der<br />

ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur<br />

Gründung einer Vielzahl neuer Unterstützungskassen,<br />

die sich bewusst auch niedrigeren<br />

Ständen öffneten. Unter dem Diktat<br />

konkurrierender Mitarbeiterabwerbung,<br />

36


Betriebskosten<br />

besonders aber gesetzlicher Vorgaben<br />

richteten nach 1870 Düsseldorfer Industriebetriebe<br />

Kranken- und Sterbekassen<br />

für Arbeiter ein, auch um sie an sich zu<br />

binden. Hierzu gehörten etwa die Unterstützungskassen<br />

der Dampfkesselfabrik J.<br />

Piedboeuf, der Nagelfabrik Dawans, Orban<br />

& Cie, des Röhrenwerkes Lierenfeld oder<br />

der Firma Haniel & Lueg.<br />

In den achtziger <strong>Jahre</strong>n schufen das<br />

Reichsgesetz „betreffend die Krankenversicherung<br />

der Arbeiter“ vom 15. Juni<br />

1883 und das Unfallversicherungsgesetz<br />

vom 6. Juli 1884 umfassende und einheitlichere<br />

Regelungen zum Kranken- und<br />

Unfallschutz, auch der Angehörigen. Auf<br />

Grund von Ortsstatut und gerade erlassenem<br />

Gesetz wandelten sich 1885 die<br />

allgemeinen kommunalen Unterstützungskassen<br />

in Düsseldorf wie in vielen anderen<br />

Kommunen auch zur „Ortskrankenkasse zu<br />

Düsseldorf“. Dies war die Geburtsstunde<br />

der AOK Düsseldorf (Akademiestr. 5, später<br />

Kasernenstr. 61). Sie war von dieser Zeit<br />

an für alle diejenigen Pflicht‐Auffangkasse,<br />

die keiner anderen berufsständischen<br />

oder freiwilligen Kasse angehörten. Aus<br />

den ursprünglichen Zwangskassen wurde<br />

ein allgemeiner Kassenzwang. Dieser<br />

Versicherungszwang oder besser diese<br />

Versicherungspflicht, der Rechtsanspruch<br />

auf Versicherungsleistung, die Unabhängigkeit<br />

von staatlichen Fürsorgestellen<br />

sowie die Abkehr vom Armutsprinzip als<br />

Voraussetzung für Leistungen haben bis<br />

in die heutige Zeit ihre Gültigkeit behalten.<br />

Insbesondere wurde Krankenhausbehandlung<br />

in den Leistungskatalog der<br />

Krankenversicherung aufgenommen. Die<br />

Krankenversicherung von 1883 hatte daher<br />

allgemein großen Einfluss auf Ausstattung<br />

und Verbesserung der Krankenhäuser. Die<br />

ein Jahr später verabschiedete Unfallversicherung von 1884<br />

förderte die Etablierung und den Ausbau chirurgischer Stationen.<br />

Das Pempelforter Marienhospital erhielt 1894 zum<br />

ersten Mal eine chirurgische Abteilung mit dem Arzt Dr.<br />

Ludwig Sträter als verantwortlichem Chirurgen.<br />

Im <strong>Jahre</strong> 1875 wurde am Marienhospital ein „Dienstbotenabonnement“<br />

eingeführt, das Dienstbotinnen gegen<br />

einen jährlichen Beitrag von 2 Talern im Falle einer Krankheit<br />

vier Wochen die unentgeltliche Behandlung und Pflege im<br />

Krankenhaus garantierte. Auch andere Standesvereinigungen<br />

sowie Unternehmen wollten ihren Mitgliedern bzw. Arbeitern<br />

die Vorteile einer Krankenhausversicherung bieten. Dem<br />

Katholischen Kaufmännischen Verein gegenüber erklärte<br />

sich der Vorstand des Marienhospitals im Januar 1871 bereit,<br />

dessen Mitglieder gegen einen <strong>Jahre</strong>sbeitrag von 2 Talern als<br />

Kranke in der zweiten Klasse ohne zeitliche Begrenzung zu<br />

verpflegen. Ende Dezember 1879 wollte die Bleiweißfabrik<br />

Deuss & Moll (Kölner Str. 44) ein <strong>Jahre</strong>sabonnement für ihre<br />

Arbeiter einrichten. Leider sind keine Unterlagen erhalten,<br />

aus denen hervorgeht, ob die Verhandlungen mit den beiden<br />

genannten Antragsstellern zu einem positiven Abschluss<br />

gelangten.<br />

Marienhospital, Operationsraum,<br />

um 1930<br />

Katholischer Kaufmännischer<br />

Verein Confidentia Düsseldorf,<br />

Festschrift, 1930<br />

37


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, Haupteingang<br />

und Vestibül, um 1930<br />

Sodalitätsbuch der Marianischen<br />

Bürgersodalität Düsseldorf, 1796<br />

Jesuitenkolleg, Mühlenstraße 27/31,<br />

um 1910<br />

Spenden und milde Stiftungen<br />

Von Anbeginn an lässt sich ein ständiges Ringen um Einnahmen,<br />

Ausgaben, Kostendeckung, Modernisierungen,<br />

Erweiterungen beobachten. Defizite und „Finanznotstand“<br />

begleiten den Alltag des Hauses, wie die überlieferten<br />

Kassenunterlagen belegen. Der Unterhalt und der Ausbau<br />

der Gebäude des Marienhospitals waren teuer, zumal es zu<br />

Beginn der Tätigkeit noch keine staatlichen oder kommunalen<br />

Zuschüsse gab. So war die Anstalt neben den laufenden<br />

Einnahmen aus der Krankenpflege auf Finanzierungsmodelle<br />

anderer Art angewiesen: Spenden, Legate, milde Stiftungen,<br />

Vermächtnisse, Kollekten.<br />

Dass das Marienhospital Wirklichkeit wurde und die<br />

Aufbaujahre überstand, war zu nicht geringen Teilen dem<br />

finanziellen Engagement der Marianischen Kongregation<br />

in Düsseldorf zu verdanken. Als der Gottesmutter geweihte<br />

Vereinigung lag den Angehörigen der Kongregation die<br />

Gründung eines Krankenhauses unter dem Patronat Mariens<br />

besonders am Herzen.<br />

Kongregationen als Zusammenschluss gläubiger<br />

Christen hat es in Düsseldorf seit der<br />

Niederlassung von Jesuiten in der Hauptstadt<br />

des Herzogtums Berg im März 1616<br />

gegeben. Bald nach ihrer Ankunft hatten<br />

die Jesuiten in Düsseldorf am 26. Mai 1619<br />

eine „Kongregation von der Verkündigung<br />

der seligsten Jungfrau“ errichtet, die in<br />

späterer Zeit die „lateinische Sodalität“ oder<br />

das „Pactum Marianum“ genannt wurde.<br />

Ziel des Zusammenschlusses von „Herren<br />

und Gelehrten“ war es, „unter dem Schutze<br />

der großen Himmelskönigin Maria, mit<br />

gemeinschaftlichem Eifer die Tugend und<br />

wahre Religion zu handhaben“.<br />

Um möglichst allen Bewohnern der<br />

Stadt Düsseldorf den Beitritt zu einer Sodalität<br />

zu eröffnen, ließ Herzog Wolfgang<br />

im <strong>Jahre</strong> 1621 eine Vereinigung für den<br />

Bürgerstand errichten, „worinn alle Klassen<br />

und Zünfte desselben, Verheirathete und<br />

Unverheirathete, Kaufleute und Handwerker,<br />

unter der Leitung eines Priesters der<br />

Gesellschaft Jesu auf den Sonntagen und<br />

Festen der seligsten Jungfrau versammelt,<br />

und durch eifrige Ermahnung und einhellige<br />

Zusammenstimmung der Gemüther alle<br />

irrige Glaubensmeynungen ausgerottet, die<br />

christliche Liebe, die wahre Andacht und<br />

Gottseligkeit in alle Stände wieder eingeführet<br />

würde“. Im Mittelpunkt der Kongregationsregeln<br />

standen die Verehrung der<br />

Gottesmutter und die Aufforderung, ihrem<br />

tugendhaften Lebenswandel nachzueifern.<br />

Wie bereits berichtet, verdankte das 1798<br />

eröffnete Max-Joseph-Krankenhaus in der<br />

Neustadt seine Entstehung einer Initiative<br />

der Marianischen Bürgersodalität. Neben<br />

der Abstellung von ehrenamtlichen Pflegern<br />

hielt die Kongregation durch regelmäßige<br />

38


Spenden und milde Stiftungen<br />

Kollekten in der Stadt den Betrieb der<br />

Anstalt aufrecht. Es spricht für den solidarischen<br />

Geist der Kongregationisten, dass sie<br />

ungeachtet der Bedürftigkeit ihrer eigenen<br />

Einrichtung seit 1866 sich mit großem Eifer<br />

um die Einziehung kleinerer Beiträge für das<br />

Marienhospital kümmerten. In einem Aufruf<br />

des Vorstandes des Marienhospitalvereins<br />

vom 1. Januar 1867 heißt es dazu: „Seit<br />

Anfang des vorigen <strong>Jahre</strong>s hat die hiesige<br />

wohllöbliche Marianische Bürger-Sodalität<br />

das mühsame Geschäft des Einsammelns<br />

der kleineren Beiträge übernommen und<br />

mit unermüdlicher Thätigkeit ausgeführt.<br />

Ihrem regen und treuen Eifer verdankt<br />

der Verein eine Einnahme von über 1000<br />

Thalern, ein Ergebniß, welches für die<br />

Beitragenden wie für die Sammler gleich<br />

rühmlich ist“. Bis zum <strong>Jahre</strong> 1869 vermochte<br />

die Marianische Kongregation aus den<br />

von ihnen veranstalteten Sammlungen<br />

mehr als 2500 Taler zum Baufond für das<br />

Marienhospital beizusteuern.<br />

Als weitere Geldquelle standen dem<br />

Vorstand die Erträge des Marienhospitalvereins<br />

zur Verfügung, dessen Mitglieder<br />

sich auch nach Fertigstellung des Hospitals<br />

zu Beitragszahlungen verpflichtet hatten.<br />

Nach den Unterlagen brachte der Verein<br />

zwischen 1864 und 1873 folgende Beiträge<br />

in den Krankenhausetat ein:<br />

Jahr Taler<br />

1864 3074<br />

1865 6337<br />

1866 2478<br />

1867 3059<br />

1868 3690<br />

1869 626<br />

1870 1106<br />

1871 267<br />

1872 539<br />

1873 847<br />

Als die Beiträge immer spärlicher flossen,<br />

wurde der Verein schließlich im <strong>Jahre</strong> 1897<br />

aufgelöst.<br />

Einige im Hospital aufgestellte Opferstöcke<br />

brachten nur geringe Erträge. Bedeutendere<br />

Mittel flossen dem Hospital aus<br />

Vermächtnissen zu. Im Stiftungsbuch des<br />

Marienhospitals findet man als größere Spender<br />

die Namen der „ersten“ katholischen<br />

Familien Düsseldorfs wieder, die häufig genug<br />

untereinander enge Familienbindungen<br />

besaßen. „Ein hiesiger Herr“ stellte durch<br />

seine Gattin 1000 Taler zur Verfügung. Ein<br />

Geistlicher vermachte dem Verein über 2000<br />

Taler. Die großzügige Stiftung des Geheimen<br />

Kommerzienrates Gerhard Baum zum goldenen<br />

Firmenjubiläum seines Kommissions- und<br />

Spediteurgeschäftes wurde ebenso dankbar<br />

angenommen wie die anonyme Stiftung von zwei Aktien über<br />

100 Taler der Brohler Wasseranstalt. Die geläufigste Form<br />

der Stiftung bestand aus anlagefähigem Kapital, aus dessen<br />

Zinsen nicht selten ein oder mehrere Freibetten bereitgestellt<br />

wurden. Im <strong>Jahre</strong> 1875 hatte der Vorstand auf vier Stiftungen<br />

dieser Art mit einem Gesamtkapital von 21000 Talern<br />

Zugriff, darunter auf das Legat der Witwe Elisabeth Bremer<br />

in Höhe von 16000 Talern, deren jährlicher Zinsertrag von<br />

etwa 1000 Talern zur unentgeltlichen Verpflegung armer<br />

Kranker eingesetzt wurde.<br />

Stephan Hohenrath, Gönner des<br />

Marienhospitals, um 1875<br />

Marienhospital, Stiftungsverzeichnis<br />

(Auszug), um 1875<br />

Marienhospitalverein, Statuten,<br />

11. Januar 1871<br />

39


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Mit viel praktischem Engagement<br />

unterstützte das Damencomité<br />

des Marienhospitalvereins<br />

die Arbeit des Verwaltungsrates<br />

und der Ordensschwestern<br />

weit über die Eröffnung der Anstalt<br />

hinaus. Für das Jahr 1871 ist<br />

in der Hauschronik der Franziskanerinnen<br />

dazu vermerkt: „Mit<br />

Hülfe des Damenvereins konnte<br />

in der ersten Zeit, jedes Jahr<br />

eine Weihnachtsbescherung veranstaltet<br />

werden, deren erste<br />

für die verwundeten Soldaten<br />

besonders glänzend ausgefallen<br />

war. Der im Vestibül aufgestellte<br />

Weihnachtsbaum ragte in die<br />

erste Etage hinein, und die ihn<br />

umgebenden Tische waren mit<br />

praktischen Geschenken beladen,<br />

ein den Franzosen ganz<br />

neuer und sie freudig überraschender<br />

Anblick“.<br />

Marienhospital, Vestibül mit<br />

Weihnachtsschmuck, um 1950<br />

Theresienhospital, Altestadt 2/4, 1926<br />

Ursulinenkloster, Ritterstraße 12/14,<br />

um 1915<br />

Martinskloster, Martinstraße 7,<br />

um 1910<br />

Kulturkampf und<br />

kaiserlicher Besuch<br />

Der Aufstieg sozial-caritativer Einrichtungen,<br />

in denen Ordensgemeinschaften tätig<br />

waren, kam mit den klosterfeindlichen<br />

Maßnahmen des preußischen Kulturkampfes<br />

für nahezu ein Jahrzehnt empfindlich<br />

ins Stocken. Den Auftakt bildete die Entfernung<br />

der Ordensleute aus den Elementarschulen.<br />

Ein Erlass des Kultusministeriums<br />

vom 15. Juni 1872 bestimmte, „daß die<br />

Mitglieder einer geistlichen Congregation<br />

oder eines geistlichen Ordens in Zukunft<br />

als Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen<br />

Schulen nicht mehr zuzulassen und zu<br />

bestätigen sind“. Einschneidender war<br />

das „Gesetz, betreffend die geistlichen<br />

Orden und ordensähnlichen Kongregationen<br />

der katholischen Kirche“ vom 31.<br />

Mai 1875, auf Grund dessen alle religiösen<br />

Genossenschaften mit Ausnahme jener,<br />

die sich der Krankenpflege widmeten,<br />

aus Preußen ausgewiesen wurden (§ 2). In<br />

Düsseldorf mussten zunächst die Seelsorgeorden<br />

(Franziskaner, Dominikaner) und<br />

kontemplativen Gemeinschaften (Klarissen)<br />

ihre Niederlassungen aufgeben. Die<br />

Kranken pflegenden Orden blieben wie<br />

bei der Säkularisation auch im Kulturkampf<br />

von der Verbannung ausgenommen. Sie<br />

wurden jedoch der Staatsaufsicht unterstellt<br />

(§§ 2‐3) und die Aufnahme neuer<br />

Mitglieder bedurfte der Genehmigung des<br />

Oberpräsidenten, dem auch jede personelle<br />

Veränderung innerhalb der Niederlassungen<br />

anzuzeigen war. Unter die Ausnahmeregelung<br />

fielen im Kreis Düsseldorf<br />

die Armen Schwestern vom Hl. Franziskus<br />

(Hubertusstift Neustadt, Städtisches<br />

40


Kulturkampf und<br />

kaiserlicher Besuch<br />

Pflegehaus Neustadt, Marienhospital Pempelfort,<br />

Marienkrankenhaus Kaiserswerth),<br />

die Töchter vom Hl. Kreuz (Krankenhaus<br />

Altestadt) und die Armen Dienstmägde Jesu<br />

Christi (Krankenambulanzen Bilk, Karlstadt,<br />

Oberbilk, Benrath).<br />

Den Franziskanerinnen im Düsseldorfer<br />

Marienhospital gelang es, in zahlreichen<br />

Einzelfällen die restriktive Gesetzgebung<br />

des <strong>Jahre</strong>s 1875 zu umgehen oder von<br />

Amts wegen Milderungen zu erreichen.<br />

Da das Mutterhaus in Aachen jedoch auf<br />

die staatliche Genehmigung zur Aufnahme<br />

neuer Mitglieder verzichtet hatte, wirkte<br />

sich der ausbleibende Nachwuchs sehr bald<br />

hindernd auf die Arbeit aus. Beeinflusst<br />

von Kaiserin Augusta, die die Arbeiten<br />

caritativer Genossenschaften mehrfach<br />

durch eigene Anschauung kennengelernt<br />

und nachdrücklich gefördert hatte, äußerte<br />

Kaiser Wilhelm I. schon wenige Wochen<br />

nach Erlass des Gesetzes vom 31. Mai<br />

1875 schwere Bedenken gegen dessen<br />

Durchführung und Folgen. Auf den Einfluss<br />

der Kaiserin ging wohl auch ein kaiserlicher<br />

Erlass an die Minister des Inneren und der<br />

geistlichen Angelegenheiten vom 9. Juni<br />

1875 zurück, der größte Schonung bei<br />

der Durchführung des Gesetzes vorschrieb.<br />

Vor dem Hintergrund dieser Haltung<br />

verwundert es wenig, dass Kaiserin Augusta<br />

im <strong>Jahre</strong> 1877 bei einem Besuch der Bürgermeisterei<br />

Düsseldorf geradezu demonstrativ<br />

die beiden wichtigsten Krankenhäuser<br />

der Stadt visitierte. Nachdem sie zunächst<br />

das Evangelische Krankenhaus am Fürstenwall<br />

aufgesucht hatte, begab sie sich<br />

nach Pempelfort, wo sie vom Vorstand, den<br />

Ärzten und den Schwestern<br />

des Marienhospitals respektvoll<br />

in Empfang genommen<br />

wurde. Über den kaiserlichen<br />

Besuch der Anstalt am 7. September<br />

1877 ist in der Chronik<br />

der Armen Franziskanerinnen<br />

vermerkt: „Nachdem Ihre Majestät,<br />

die Kaiserin, von dem<br />

stellvertretenden Vorsitzenden,<br />

Herrn Lupp in den Empfangssaal<br />

geleitet und daselbst von<br />

dem Vorstandsmitgliede, Herrn<br />

Schauseil mit einer kurzen<br />

Ansprache begrüßt worden,<br />

ließen Ihre Majestät Sich die<br />

Vorstandsmitglieder und die<br />

Ärzte vorstellen. Sodann ließen<br />

Ihre Majestät Sich von dem<br />

Oberarzte des Marienhospitals,<br />

Dr. Windscheid Mittheilungen<br />

machen über die Einrichtungen<br />

des Krankenhauses und geruhten<br />

dann die einzelnen Räume<br />

Kaiserin Augusta (1811-1890), um 1870<br />

Marienhospital, Erinnerungsblatt an den Besuch<br />

von Kaiserin Augusta, 7. September 1877<br />

41


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Kardinal Paulus Melchers (1813-1895),<br />

um 1875<br />

Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler<br />

(1811-1877), um 1870<br />

W.E. von Ketteler, Die Arbeiterfrage und<br />

das Christenthum, 1864<br />

der Anstalt: die Kapelle, die Krankensäle, den Operationssaal<br />

und die Küche zu besuchen, wobei Ihre Majestät Sich huldvoll<br />

und theilnehmend nach einigen Kranken erkundigten.<br />

In den Empfangssaal zurückgekehrt geruhten Ihre Majestät<br />

eine über diesen allerhöchsten Besuch angefertigte Urkunde<br />

Höchsteigenständig zu unterzeichnen ... Dem im Protokoll<br />

Enthaltenen ist noch beizufügen, daß zu den Kranken, nach<br />

welchen Ihre Majestät Sich huldvoll und theilnehmend zu<br />

erkundigen geruhten, ein krankes dreijähriges Mädchen,<br />

Tochter eines Bahnwärters aus Immigrath gehörte, welchem<br />

von der Eisenbahn beide Beine abgefahren worden waren.<br />

Ihre Majestät stellten einige Fragen an das Kind und versprachen<br />

ihr eine Puppe, die auch nach 14 Tagen eintraf und<br />

selbstverständlich ein Prachtexemplar war. Das Kind lebte<br />

noch einige Monate“.<br />

Dass Kaiserin Augusta die Entwicklung des Marienhospitals<br />

auch später aufmerksam verfolgte, geht aus einer<br />

kurzen Notiz in den Katholischen Missionsblättern vom 4.<br />

Juli 1880 hervor, in denen ein Korrespondent von einem<br />

weiteren Besuch der Monarchin in Düsseldorf mitteilte: „Wie<br />

aus einem vom Herrn Oberbürgermeister an die Stände der<br />

hiesigen Wohlthätigkeitsanstalten gerichteten Schreiben<br />

hervorgeht, hat die Kaiserin Augusta bei ihrer jüngsten Anwesenheit<br />

in unserer Stadt sich nach den Verhältnissen der<br />

hiesigen Wohlthätigkeitsanstalten wiederholt und eingehend<br />

erkundigt. Ihre Majestät bedauerte den Verlust, den das<br />

Marienhospital durch den Tod seines Chefarztes, Herrn Dr.<br />

Windscheid erlitten, und beauftragte den Herrn Oberbürgermeister<br />

ausdrücklich, den Vorständen mitzutheilen, wie<br />

Allerhöchstdieselbe dem Gedeihen der wohlthätigen Anstalten<br />

nach wie vor das größte Interesse widme, und nur die<br />

Kürze des diesmaligen hiesigen Aufenthaltes sie darauf habe<br />

verzichten lassen müssen, sich von dem Zustande derselben<br />

persönlich Überzeugung zu verschaffen“.<br />

Besuche geistlicher Würdenträger<br />

Neben gekrönten Häuptern durfte das Marienhospital in<br />

den ersten <strong>Jahre</strong>n seines Bestehens auch mehrere Bischöfe<br />

in seinen Räumen begrüßen. Für das Jahr 1872 ist in der<br />

Ordenschronik neben einem Besuch des Kölner Erzbischofs<br />

Paulus Melchers auch der Aufenthalt eines<br />

Bischofs aus Japan im Marienhospital bezeugt.<br />

„Während die Schwestern mit den<br />

Kranken in der Kapelle den Rosenkranz<br />

beteten“, so der Eintrag der Chronistin,<br />

„wurde ein fremder Bischof gemeldet,<br />

ein französischer Missionär aus Japan,<br />

welcher die Stadt durchgereist sei und hier<br />

um Gastfreundschaft bäte. Noch an dem<br />

selben Morgen celebrirte der hohe Herr<br />

die hl. Messe und noch drei Wochen lang<br />

hatte das Hospital die Ehre, den hochwürdigsten<br />

Herrn zu logieren, währenddem er<br />

in der Stadt eine Collecte für seine Mission<br />

abhielt“.<br />

Wenige Monate nach dem Besuch<br />

des Kölner Erzbischofs folgte eine Visite<br />

des Mainzer Bischofs Wilhelm Emmanuel<br />

von Ketteler, der sich im September 1873<br />

für kurze Zeit in der Stadt Düsseldorf aufhielt.<br />

Wilhelm Emmanuel von Ketteler<br />

(1811-1877) gehörte zu den prägenden<br />

Figuren des sozialen Katholizismus im 19.<br />

Jahrhundert. Wie kaum ein anderer nahm<br />

er an den sozialen Debatten seiner Zeit teil<br />

und setzte sich für gerechte Löhne, verkürzte<br />

Arbeitszeiten wie auch ein Verbot der<br />

Kinderarbeit ein. Trotz dieser Forderungen<br />

wünschte der „Arbeiterbischof“ die liberalistisch<br />

geprägten Wirtschaftsstrukturen<br />

nicht im Sinne einer sozialen Revolution<br />

umzustürzen, sondern im Sinne einer auf<br />

konkrete Problemstellungen akzentuierten<br />

Sozialpolitik zu reformieren. Die Industriegesellschaft<br />

als unabdingbares Erfordernis<br />

der Zeit hatte Wilhelm Emmanuel von<br />

Ketteler anerkannt, es galt nur, das ihr<br />

entsprechende „soziale Netz“ zu schaffen.<br />

Um das soziale Netz stabil zu halten,<br />

hatte Wilhelm Emmanuel von Ketteler<br />

neben gesetzlichen Maßnahmen im Parlament<br />

vor allem die Einrichtung und den<br />

42


Besuche geistlicher Würdenträger<br />

Ausbau caritativer Anstalten durch die<br />

Kirche gefordert. Vor diesem Hintergrund<br />

verwundert es wenig, dass der Besuch des<br />

Mainzer Bischofs im Marienhospital nicht<br />

nur höfliche Geste, sondern politisches Programm<br />

war. Unter der Überschrift „Hoher<br />

Besuch im Marien-Hospital“ berichtete das<br />

Düsseldorfer Volksblatt am 23. September<br />

1873 aus Pempelfort: „Gestern Nachmittag<br />

beehrte der hochwürdigste Herr Bischof<br />

von Mainz, Freiherr von Ketteler, das hiesige<br />

St. Marienhospital durch seinen hohen<br />

Besuch. Hochderselbe sprach seine vollste<br />

Anerkennung über die schönsten und<br />

stattlichen Räumlichkeiten der Anstalt,<br />

besonders aber über das segensreiche<br />

Wirken, die musterhafte Ordnung und<br />

Reinlichkeit der armen Schwestern vom<br />

hl. Franziskus aus, unter deren Leitung das<br />

St. Marienhospital steht. Beim Abschied<br />

wünschte er der ehrwürdigen Oberin das<br />

beste Gedeihen der Anstalt und ertheilte<br />

schließlich allen Insassen des Hauses den<br />

bischöflichen Segen“.<br />

Pius XI. (1857-1939)<br />

war Papst von 1922 bis 1939.<br />

1879 zum Priester geweiht, wurde er<br />

1882 zum Professor in Mailand berufen<br />

und 1888 Bibliothekar an der dortigen<br />

Biblioteca Ambrosiana.<br />

Im Jahr 1907 wurde er deren Präfekt,<br />

bis ihn Papst Pius X. 1911 nach Rom<br />

holte.<br />

„Papst Pius XI.“ besucht das Marienhospital<br />

Ordenschronik der Franziskanerinnen 1925 (Auszug)<br />

25. Juni 1925: Folgende Mitteilung darf keinesfalls in der Chronik des Marienhospitals fehlen:<br />

Im <strong>Jahre</strong> 1907 lag hier im Marienhospital ein Herr<br />

Alex Riccardi aus Mailand und zwar in der Privatabteilung<br />

für Herren I. Etage, Zimmer Nr. 12 unter der<br />

Pflege unserer Schw. Eulalia. Unser jetziger hl. Vater,<br />

Papst Pius XI., war zur Zeit Hausfreund bei den<br />

Eltern des Herrn Riccardi. Die Mutter dieses Herrn<br />

richtete mehrere Mal ein Schreiben an die pflegende<br />

Schwester, um Mitteilung über das Befinden, aber<br />

auch über das Betragen ihres Sohnes zu erhalten.<br />

Schw. Eulalia schrieb ab und zu nach Mailand<br />

an die Eltern des Herrn Riccardi. Unser jetziger<br />

hl. Vater übersetzte diese Briefe, und so erfuhr die<br />

Mutter stets das Genaueste über ihren Sohn, und<br />

antwortete der jetzige hl. Vater den Schwestern nun<br />

wieder auf Deutsch. Eines Tages nun besuchte unser<br />

jetziger hl. Vater im Auftrage der Eltern des Herrn<br />

Riccardi den Kranken und brachte der Schw. Eulalia<br />

ein schönes Bildchen mit, das Schmerzensantlitz des<br />

lieben Heilandes darstellend, worauf eine Widmung<br />

der Mutter des Patienten und das Datum: 22. März<br />

1907 stand. Also ist unser jetziger hl. Vater Pius XI.<br />

im <strong>Jahre</strong> 1907 im St. Marienhospital in Düsseldorf,<br />

Zimmer Nr. 12, Herren Abteilung I. Stock gewesen.<br />

43


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Die Kranken<br />

Marienhospital, Kinderabteilung,<br />

um 1930<br />

Marienhospital, Krankheitsfälle, 1910<br />

Marienhospital, Privatabteilung,<br />

um 1930<br />

Jahr 1871 1872 1873<br />

Patienten 692 909 1036<br />

Verpflegungstage 21593 38178 27163<br />

Geheilt entlassene Patienten 397 614 749<br />

Verstorbene Patienten 74 120 155<br />

Nicht geheilt entlassene Patienten 31 36 42<br />

Verbliebene Patienten 190 139 90<br />

Dauer der Aufnahme eines Patienten (Tage) 43 42 36<br />

Normalzahl der Betten 200 224 255<br />

Belegte Betten (Durchschnitt) 124 135 106<br />

Im „Statut der katholischen Kranken- und<br />

Verpflegungsanstalt Marien‐Hospital zu<br />

Düsseldorf“ vom 11. Januar 1871 war<br />

genau dargelegt, wer Aufnahme in das<br />

Krankenhaus fand. Wörtlich war im ersten<br />

Paragraphen der Statuten festgeschrieben:<br />

„Die zu Düsseldorf unter dem Namen<br />

‚Marien-Hospital‘ bestehende Anstalt hat<br />

zum Zwecke die Verpflegung heilbarer und<br />

unheilbarer Kranken und wo möglich auch<br />

die Verpflegung altersschwacher Personen,<br />

ohne Rücksicht auf religiöses Bekenntniß“.<br />

Prinzipiell war im Marienhospital kein Patient<br />

von einer Aufnahme, Behandlung<br />

und Pflege ausgeschlossen, so dass die<br />

Pempelforter Anstalt in Düsseldorf als allgemeines<br />

Krankenhaus in privater, näherhin<br />

katholischer Trägerschaft galt.<br />

Im ersten Jahr nach der Eröffnung<br />

des zivilen Krankenhauses wurden 692<br />

Patienten aufgenommen und verpflegt,<br />

von denen 397 geheilt und 31 ungeheilt<br />

entlassen werden konnten, 74 starben.<br />

1872 stieg die Zahl der im Laufe des <strong>Jahre</strong>s<br />

behandelten Patienten auf 909, im dritten<br />

Jahr stieg sie weiter auf 1036 Patienten.<br />

Die deutliche Abnahme der Verpflegungstage<br />

im <strong>Jahre</strong> 1873 im Vergleich zum<br />

Vorjahr resultierte daher, dass die städtische<br />

Armenverwaltung seit 1872 bedürftige<br />

Kranke katholischer Konfession nicht nur<br />

in das Marienhospital sondern auch in<br />

das Max-Joseph-Krankenhaus (Neustadt)<br />

und das Krankenhaus der Töchter vom<br />

Hl. Kreuz (Altestadt) einweisen ließ. „Die<br />

Zunahme der Sterblichkeit erklärt sich daraus“,<br />

so der dazugehörige <strong>Jahre</strong>sbericht<br />

des Marienhospitals, „daß im <strong>Jahre</strong> 1873<br />

dem Marien-Hospitale vorzugsweise die<br />

44


Die Kranken<br />

schweren, den beiden anderen vorerwähnten<br />

Krankenhäusern dagegen die leichteren<br />

Kranken überwiesen wurden und daß in<br />

sehr vielen Fällen die Aufnahme erst im<br />

letzten Stadium der Krankheit (allein in 13<br />

Fällen nur einen Tag vor dem Hinscheiden)<br />

erfolgte“.<br />

Den weit formulierten Aufnahmekriterien<br />

entsprechend, werden in den<br />

Nachweisungen über die in der Anstalt<br />

behandelten Patienten eine Vielzahl an<br />

Krankheiten genannt. Unter den aufgenommenen<br />

Personen befanden sich Infektionskranke,<br />

Kranke mit inneren Leiden,<br />

Schwerverletzte, aber auch Alte und Sieche<br />

mit nur geringen Heilungsaussichten. Das<br />

Krankenhaus erlebte wachsende Anerkennung<br />

in der Stadt, was sich an den stetig<br />

steigenden Patientenzahlen ablesen lässt.<br />

Die Patientenzahlen waren gleichzeitig der<br />

Beweis für die dringende Notwendigkeit<br />

eines weiteren Ausbaues der stationären<br />

Krankenpflege in Düsseldorf.<br />

Viele der auftretenden Krankheiten<br />

muten heute befremdlich an. Karbunkel,<br />

Skrofulose, Schlagfuss, Gliedschwamm,<br />

Wassersucht, Nervenfieber, gastrisches<br />

Fieber oder Wechselfieber, um nur einige zu<br />

nennen. Die Schwindsucht, d. h. Lungen-<br />

Tuberkulose, lässt sich wie die meisten<br />

dieser Krankheiten mit den schwierigen<br />

Lebensbedingungen in Armut korrelieren.<br />

Viele der in den ersten <strong>Jahre</strong>n Gestorbenen<br />

hatten jeweils nur wenige Tage im Krankenhaus<br />

zugebracht. Sie litten unter typischen<br />

hochinfektiösen „Arme-Leute-Gebrechen“:<br />

Nervenfieber und Schwindsucht als Mangelkrankheit.<br />

Als häufigste Ursachen für<br />

den Krankenhausaufenthalt lassen sich im<br />

Patientenbuch diffuse Fieberzustände und<br />

dermatologische Krankheiten ausmachen.<br />

Dazu gehörten Flechten und Geschwüre,<br />

auch Augenentzündungen und besonders Krätze. Berücksichtigt<br />

man die bescheidenen Lebenssituationen, dann lässt sich<br />

das Ausmaß möglicher Infektionsquellen ermessen. In vielen<br />

Düsseldorfer Wohnungen war nicht einmal das eigene Bett<br />

für jedes Familienmitglied selbstverständlich. Zudem waren<br />

in den meisten Häusern fließendes Wasser und Abwassersysteme<br />

noch nicht vorhanden und Kloaken dünsteten in<br />

offenen Hofstellen aus.<br />

Unhygienische, feuchte und enge Wohnungen begünstigten<br />

jede Art von Infektionskrankheiten. Geschlechtskrankheiten<br />

Arbeiterwohnhaus,<br />

Gumbertstraße 49/51, um 1900<br />

Müllentsorgung, Ritterstraße, 1885<br />

Düsselgraben, Mühlenstraße,<br />

um 1920<br />

45


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Fabrikarbeiterinnen in einer<br />

Weberei, um 1930<br />

Lederfabrik Franze de Hesselle,<br />

Siegburger Straße 139, 1895<br />

Cholerainfizierte in einem<br />

Behandlungssaal, 1892<br />

Marienhospital,<br />

Fieberpavillon, um 1930<br />

wie Syphilis waren ebenso häufig wie fiebrige Erkältungen.<br />

Den privaten Lebensumständen fügten sich externe Ursachen<br />

an. Je mehr sich die Industrie in Düsseldorf ausbreitete, desto<br />

stärker nahmen auch Beeinträchtigungen der Luft und der<br />

Gewässer zu. Die Belastungen durch Abwässer in die Düssel<br />

bzw. den Rhein und durch Emissionen in die Luft waren häufiger<br />

Anlass zu Beschwerden von Anwohnern. Die Arbeiter<br />

und Arbeiterinnen in Webereien waren vom feinen Staub des<br />

Garns oder Leinens am Arbeitsplatz eingehüllt, der für die<br />

Atemwege gefährlich werden konnte, die giftigen Farben des<br />

eingefärbten Garns verursachten Geschwüre an Fingern und<br />

Armen. Auch die Gerbereien entwickelten giftige Dämpfe,<br />

die Atemwege und Augen belasteten. Arbeitsschutzbestimmungen<br />

wurden erst im Laufe<br />

des späteren 19. Jahrhunderts<br />

entgegengesetzt.<br />

Auch die für die Bevölkerung<br />

besonders erschreckenden,<br />

periodisch auftretenden<br />

Epidemien: Cholera, Typhus,<br />

Pocken, Tuberkulose, Fleckfieber<br />

fehlen nicht in den<br />

Nachweisungen über die in<br />

der Anstalt behandelten Patienten.<br />

Da der zur Aufnahme<br />

von Infektionskranken vorgesehene<br />

Fieberpavillon nur über<br />

je 20 Betten für männliche bzw. weibliche<br />

Personen verfügte, waren die vorgehaltenen<br />

Kapazitäten im Epidemiefall schnell<br />

erschöpft. Die Folge war, dass es bis zum<br />

Ersten Weltkrieg zwischen dem Marienhospital<br />

und den Gesundheitsbehörden<br />

immer wieder zu Streitigkeiten kam, wenn<br />

das Krankenpflegepersonal die Aufnahme<br />

epidemisch Kranker außerhalb des Fieberpavillons<br />

verweigerte. Nicht zu Unrecht zog<br />

sich der Vorstand in den Korrespondenzen<br />

mit den städtischen Behörden auf die Position<br />

zurück, Patienten mit ansteckenden<br />

Krankheiten dürften in das Haupthaus nicht<br />

aufgenommen werden.<br />

Welche fatalen Folgen eine medizinisch<br />

unsachgemäße Versorgung epidemischer<br />

Patienten haben konnte, belegt<br />

eine Begebenheit aus der Frühzeit des<br />

Marienhospitals. Kurz vor der Fertigstellung<br />

und Inbetriebnahme des Fieberpavillons<br />

ist über den plötzlichen Tod einer Mitschwester<br />

in der Chronik der Franziskanerinnen<br />

vermerkt: „Am 16. August 1872<br />

berief der liebe Gott die erste Schwester<br />

aus dem Marienhospitale zu sich. Es war<br />

Schwester Medarda, die sich in der Pflege<br />

der Ruhrkranken, bevor dieselben in die<br />

Villa verlegt wurden, den Tod zuzog. Sie<br />

stand der Frauenstation in den unteren<br />

Räumen des Hauses vor und trug eines<br />

Morgens früh die Leiche eines eben an der<br />

Ruhr verstorbenen Kindes in das im Souterain<br />

gelegenen Leichenzimmer. Mittags<br />

in der Recreation erzählte sie einer anderen<br />

Schwester den Vorfall und äußerte dabei,<br />

die Leiche, welche sie habe vom Saale<br />

schaffen wollen, bevor sie den Kranken<br />

daselbst das Frühstück bringen musste,<br />

sei ihr, da sie selbst noch nüchtern gewesen,<br />

außergewöhnlich schwer geworden,<br />

und beim Niederlegen derselben habe<br />

46


Wunderheilungen<br />

und Bekehrungen<br />

sie gedacht, jetzt bekommst auch Du die<br />

Ruhr. Die Schwester suchte ihr alle Furcht<br />

auszureden, aber schon in der nächsten<br />

Nacht zeigten sich an Schwester Medarda<br />

alle Symptome der bösen Krankheit, der<br />

die gute Schwester schon am vierten Tage<br />

erlag, nachdem sie vorher ihr junges Leben<br />

von einigen zwanzig <strong>Jahre</strong>n dem lieben<br />

Gott bereitwilligst zum Opfer gebracht<br />

hatte“.<br />

Wunderheilungen und<br />

Bekehrungen<br />

Viele Patienten, die in den ersten <strong>Jahre</strong>n ins<br />

Marienhospital eingeliefert wurden, galten<br />

bei der Aufnahme als unheilbarer Fall, da<br />

nur wenige Erkrankungen medizinisch behandelt<br />

werden konnten. Kam es wider aller<br />

Erwartung bei einem todkranken Patienten<br />

zu einer Heilung, wurde dies in der Regel<br />

nicht dem medizinischen Können der Ärzte,<br />

sondern dem Beistand der himmlischen Patronin<br />

des Hauses zugeschrieben. „So wurde<br />

einmal ein junger Ziegelbäcker ins Spital<br />

gebracht“, berichtet die Hauschronik, „dessen<br />

Arm infolge einer Blutvergiftung ganz<br />

dunkel und entsetzlich angeschwollen war.<br />

Der Arzt erklärte, nur durch eine Amputation<br />

des Armes könne das Leben des Kranken<br />

erhalten werden. Hierzu aber konnte sich<br />

der arme Junge nicht entschließen und bat<br />

deshalb den Arzt, wenigstens noch einige<br />

Tage zusehen zu wollen, worauf dieser<br />

antwortete: ‚In einigen Tagen wird man Sie<br />

begraben können‘. Doch der Kranke ließ<br />

sich nicht irre machen; er habe eine Novene<br />

zur lieben Mutter Gottes angefangen, sagte<br />

er, und sei fest überzeugt, daß diese ihm<br />

helfen werde ... Die liebe Mutter Gottes<br />

ließ ihn in seinem Vertrauen nicht zu Schanden<br />

werden. Geschwulst und schwarze Farbe des<br />

Armes verloren sich und nach Beendigung<br />

der Novene verließ der junge Mann gänzlich<br />

hergestellt das Hospital, wobei der Arzt ehrlich<br />

gestand: ‚Den hab ich nicht geheilt‘“.<br />

Zahlreiche medizinisch nicht erklärbare<br />

Genesungen schrieben die Franziskanerinnen<br />

dem „Lourdeswasser“ zu, das im Haus offenbar<br />

immer in großer Menge vorgehalten wurde.<br />

„Das Dienstmädchen einer wohlhabenden<br />

Familie in Derendorf war von dem elfjährigen<br />

Sohn des Hauses“, so die Ordenschronik, „der<br />

mit dem geladenen Gewehr seines Vaters<br />

spielte, tödtlich in den Hals getroffen worden.<br />

Hier angekommen, wurde das arme Mädchen<br />

sofort mit den hl. Sterbesakramenten versehen,<br />

und jeden Augenblick konnte der Tod eintreten.<br />

Die Herrschaft war untröstlich und von ihrem<br />

Jammer gerührt, begannen die Schwestern<br />

sogleich mit ihr eine Novene zu Unserer lieben<br />

Frau von Lourdes, mit dem Versprechen, die<br />

Heilung im Sendboten veröffentlichen zu lassen.<br />

Gleichzeitig gab man dem Mädchen das<br />

Wasser von Lourdes zu trinken und schon nach<br />

14 Tagen war die vollständige Heilung erfolgt“.<br />

War der Körper eines Menschen trotz<br />

aller medizinischen Bemühungen der Ärzte<br />

und flehentlichen Bitten der Schwestern nicht<br />

mehr zu heilen, trat die Sorge für einen „guten<br />

Tod“ und das Seelenheil des Erkrankten in den<br />

Mittelpunkt der Hilfe. So berichtet die Chronistin<br />

der Franziskanerinnen: „Ein Mann, der<br />

dem Tode nahe war, war ... trotz alles Zuredens<br />

nicht zu bewegen, die hl. Sterbesakramente zu<br />

empfangen. Da bat man ihn, im Vertrauen auf<br />

Augustaklinik, Schwanenmarkt 4,<br />

Vierzellenbad, um 1915<br />

Marienhospital, Lourdesgrotte, um 1930<br />

Theresienhospital, Altestadt 2/4,<br />

Trauerkapelle, 1926<br />

47


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, Frauenabteilung,<br />

um 1930<br />

die liebe Mutter Gottes etwas Wasser von Lourdes zu nehmen;<br />

diese würde ihm dann das Sterben erleichtern. Er that<br />

es, während die Schwestern für ihn beteten. Dann wurde er<br />

ruhig, begehrte bald die hl. Sakramente und nach andächtigem<br />

Empfang derselben verschied er sanft im Herrn“.<br />

Statut geregelt gewesen sein. Inhaltlich<br />

dürfte es den Hausordnungen der übrigen<br />

Krankenhäuser in Düsseldorf entsprochen<br />

haben, allem voran dem „Reglement für<br />

die Kranken“ im Krankenhaus der Töchter<br />

vom Hl. Kreuz in der Altestadt aus dem<br />

<strong>Jahre</strong> 1875.<br />

Marienhospital Düsseldorf<br />

Speiseordnung<br />

Sonntag, den 6. Oktober 1912<br />

I. Klasse<br />

Bouillonsuppe mit Markklöschen,<br />

Geflügelpastete,<br />

Blumenkohl mit Kalbskoteletts,<br />

Hasenbraten mit Apfelkompott,<br />

Weinpudding mit Vanillesauce,<br />

Trauben und Birnen.<br />

II. Klasse<br />

Bouillonsuppe mit Markklöschen,<br />

Blumenkohl mit Kalbskoteletts,<br />

Hähnchen mit Kompott,<br />

Weinpudding mit Vanillesauce.<br />

III. Klasse<br />

Bouillonsuppe mit Markklöschen,<br />

Kotelette mit gekochtem Obst<br />

und Kartoffeln.<br />

Reglement für die Kranken<br />

Patienten, die in das Marienhospital eingewiesen wurden,<br />

konnten sich darauf verlassen, dass sowohl Ärzte wie auch<br />

Pflegeschwestern sich in der gewissenhaftesten Weise um<br />

sie kümmerten. Dem Recht auf eine gute Behandlung durch<br />

das Personal stand die Pflicht der Erkrankten zur Einhaltung<br />

der Hausordnung gegenüber. Deren Regeln und die Kontrolle<br />

durch die Schwestern lassen die Vorstellung erkennen, „daß<br />

die Patienten möglicherweise, in jedem Fall jedoch in hygienischer<br />

Sicht zu erziehen seien“. Dazu gehörte in moralischer<br />

Hinsicht, dass die Franziskanerinnen darüber zu wachen hatten,<br />

dass „eine strenge Absonderung nach den Geschlechtern<br />

stattfindet“, im Haus wie auch in der Benutzung des Gartens.<br />

Auch wenn in schriftlicher Form kein Pflichtenkatalog des<br />

Marienhospitals überliefert ist, so wird der Aufenthalt von<br />

Patienten im Krankenhaus ohne Zweifel durch ein eigenes<br />

Verpflegung der<br />

Patienten<br />

Die Versorgung der Patienten mit Essen war<br />

im Marienhospital wiederholt Gegenstand<br />

heftiger Auseinandersetzungen zwischen<br />

Ärzten und Pflegeschwestern. Während<br />

die Franziskanerinnen den Kranken zu den<br />

Mahlzeiten oftmals mehr als die vorgesehenen<br />

Speisen verabreichten, forderten<br />

die Ärzte aus Kostengründen die genaue<br />

Einhaltung der vorgegebenen Essenspläne.<br />

Über den Vorgang, der die Einführung eines<br />

verbindlichen „Speiseregulativs“ im Marienhospital<br />

mit sich brachte, berichtet die<br />

Hauschronik: „Zu der am 8. Mai 1877 im<br />

Hospitale abgehaltenen Vorstandssitzung<br />

wurde die Schwester Raphaela und der<br />

Oberarzt Dr. Gustav Windscheid citiert, um<br />

Vorschläge zu Ersparnissen zu machen, da<br />

sich beim letzten <strong>Jahre</strong>sabschluß ein großes<br />

Deficit herausgestellt habe. Schwester<br />

Raphaela erklärte, sie wisse nicht, wie man<br />

hinsichtlich der Verpflegung der Kranken<br />

noch sparsamer sein könne und halte es<br />

für unzuträglich, daß zweite Frühstück ganz<br />

abzuschaffen. Auch könne sie nicht auf den<br />

Vorschlag eingehen, die Zahl der Schwestern<br />

zu vermindern, da bereits eine Verminderung<br />

des Dienstpersonals stattgefunden<br />

habe. Herr Dr. Windscheid brachte nun die<br />

Klage vor, daß einem Kranken längere Zeit<br />

48


Die Ärzte<br />

hindurch eine Zulage zum 2. Frühstück<br />

verabreicht worden sei, die er doch nur<br />

für ein einziges mal bewilligt habe, worauf<br />

Schwester Raphaela versichern konnte,<br />

daß die irrthümlich verabreichte unnötige<br />

Zulage bereits beseitigt sei. Um nun doch<br />

einige Ersparnisse zu erzielen, wurde auf<br />

Wunsch des Herrn Dr. Windscheid ein<br />

Speise-Regulativ eingeführt“.<br />

Dass die neu eingeführte Regelung<br />

im Marienhospital schon in kurzer Zeit<br />

die gewünschte Wirkung zeigte, geht aus<br />

dem Rückblick auf das Jahr 1877 hervor,<br />

wo es u.a. heißt: „Das im Mai eingeführte<br />

Speiseregulativ hatte sich hinsichtlich<br />

der Kostenersparung so bewährt, daß<br />

man noch vor Abschluß des <strong>Jahre</strong>s zu der<br />

Überzeugung gelangte, daß die Ausgaben<br />

bei weitem nicht so sehr die Einnahmen<br />

übersteigen würden, als man gefürchtet<br />

hatte. Diese Wahrnehmung veranlaßte nun<br />

aber auch die großmüthige Verordnung,<br />

daß die Verpflegung der Kranken dritter<br />

Klasse verbessert werde, indem zu Bouillon<br />

und Kaffee fortan anstatt eines trockenen,<br />

ein geschmiertes Brödchen und Abends ein<br />

Glas Bier verabreicht werden solle“.<br />

Die Ärzte<br />

Nachdem der Vorstand in der Sitzung vom<br />

28. Juni 1871 beschlossen hatte, „aus Mangel<br />

an Mitteln einstweilen von der Berufung<br />

eines weitberühmten Arztes abzusehen“,<br />

war die medizinische Verantwortung im<br />

Marienhospital am 9. Juli 1871 dem früheren<br />

Lazarettarzt Dr. Gustav Windscheid<br />

für ein jährliches Gehalt von 500 Talern<br />

übertragen worden. Den Düsseldorfer Adressbüchern<br />

ist zu entnehmen, dass Gustav<br />

Windscheid seit dem <strong>Jahre</strong> 1862 in Düs-<br />

seldorf als praktischer Arzt und<br />

Arzt der „Departemental-Irrenanstalt<br />

zu Düsseldorf“ (Fürstenwall)<br />

wirkte. Außerdem<br />

war er an der Düsseldorfer<br />

Kunstakademie beschäftigt,<br />

wo er einen Lehrauftrag für<br />

Anatomie hatte. Als Gustav<br />

Windscheid am 15. Juni 1880<br />

als Folge einer Blutvergiftung<br />

zum Opfer seines Berufes wurde,<br />

ließ der Vorstand des Marienhospitals<br />

im Düsseldorfer<br />

Volksblatt folgenden Nachruf<br />

zum Abdruck bringen: „Ausgezeichnet<br />

durch den reichen<br />

Schatz eines hervorragenden<br />

Wissens und grosser Erfahrung,<br />

war er für die Anstalt,<br />

der er seit der vor 10 <strong>Jahre</strong>n<br />

erfolgten Eröffnung ihrer Thätigkeit<br />

als Oberarzt angehörte,<br />

nicht bloss der rastlos thätige,<br />

umsichtige und in der Heilung<br />

und Linderung der Krankheiten<br />

seinen höchsten Lohn findende<br />

Arzt der Kranken, sondern<br />

auch der uneigennützige Förderer<br />

der Interessen der Anstalt, der ohne Rücksicht auf die<br />

Last der sonstigen Obliegenheiten seines Berufs kein Opfer<br />

scheute, um in freudigster Weise und mit voller Kraft bei Tage<br />

und bei Nacht für die Kranken der Anstalt einzutreten. Das<br />

Hospital verliert in dem Verstorbenen den liebevollen Freund<br />

und Wohlthäter der Anstalt wie der Kranken; es wird ihm ein<br />

dauerndes dankbares Andenken bewahren“.<br />

Am 8. Juli 1880 wählte der Vorstand des Marienhospitals<br />

Dr. Ludwig Sträter zum Oberarzt. 1848 in Rheine geboren,<br />

Theresienhospital, Altestadt 2/4,<br />

Krankenreglement, um 1875<br />

Marienhospital, Dr. Ludwig Sträter<br />

(1848-1925), um 1900<br />

49


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

studierte er nach dem Besuch<br />

des Gymnasiums in Würzburg<br />

und Bonn bis 1872 Medizin.<br />

Nach der Promotion war Ludwig<br />

Sträter von 1873 bis 1876<br />

Assistenzarzt im Maria-Hilf-<br />

Spital in Aachen, wo er von<br />

1877 bis zu seiner Berufung<br />

nach Düsseldorf auch als praktischer<br />

Arzt wirkte. Ludwig<br />

Sträter stand dem Düsseldorfer<br />

Marienhospital 30 <strong>Jahre</strong> lang<br />

als leitender Arzt vor und erwies<br />

während dieser Zeit „der<br />

leidenden Menschheit viel Gutes<br />

an Leib und Seele“.<br />

Schon am 1. August 1894<br />

hatte das Marienhospital einen<br />

zweiten Oberarzt in der<br />

Person von Dr. Eduard Wirsing<br />

erhalten. Im <strong>Jahre</strong> 1887<br />

approbiert, war er von 1888<br />

bis 1894 an der Medizinischen<br />

Klinik in Würzburg tätig. Im<br />

Marienhospital unterstand ihm<br />

die Behandlung der inneren<br />

Krankheiten, während Ludwig<br />

Sträter die chirurgische Abteilung<br />

leitete. Nach der Berufung<br />

von Eduard Wirsing an das<br />

Berliner Hedwigkrankenhaus<br />

übernahm Ludwig Sträter<br />

1898 wieder allein die ganze<br />

Leitung im Marienhospital,<br />

Augustaklinik, Schwanenmarkt 4,<br />

Röntgenzimmer, um 1915<br />

Allgemeine Städtische Krankenanstalten,<br />

Moorenstraße 5,<br />

Großer Operationssaal, 1926<br />

Marienhospital, Dienstanweisung<br />

für die Oberärzte, 15. Februar 1907<br />

worin er von einem Sekundärarzt und mehreren<br />

Assistenzärzten unterstützt wurde.<br />

Die Stelle des Sekundärarztes bekleideten<br />

von 1898 bis 1903 Dr. Hermann Peters,<br />

von 1903 bis 1907 Dr. Alex Max Florange.<br />

Die Aufgaben und Tätigkeiten der Ärzte<br />

am Marienhospital waren in hauseigenen<br />

Statuten festgehalten. Erhalten ist eine<br />

„Dienst‐Anweisung für die Oberärzte des<br />

Marienhospitals“, die am 15. Februar 1907<br />

vom Vorstand in Kraft gesetzt wurde. Als<br />

selbstverständlich galt, „dass die Oberärzte<br />

den ihnen zugewiesenen Kranken ihre<br />

Tätigkeit in der gewissenhaftesten Weise<br />

zu widmen haben. Es ist deshalb ein Morgenbesuch<br />

der ganzen Abteilung zu einer<br />

möglichst im voraus bestimmt festzusetzenden<br />

und immer zu haltenden Stunde<br />

(½ 10 Uhr) erforderlich, und haben die<br />

Oberärzte außerdem auch gegen Abend<br />

das Hospital zu besuchen, um bei besonders<br />

schwer Erkrankten, bei unmittelst<br />

neu Aufgenommenen, oder wo es sonst<br />

erforderlich ist, ihre ärztliche Hülfe eintreten<br />

zu lassen. Außerdem haben die Oberärzte,<br />

wenn sie in dringenden Fällen gerufen werden<br />

müßen, zu jeder Tages- und Nachtzeit<br />

einem solchen Rufe zu folgen und sich<br />

sogleich in das Hospital zu begeben“ (§ 5).<br />

In ihrer ärztlichen Wirksamkeit waren die<br />

Oberärzte selbständig. Es wurden ihnen<br />

alle zur Behandlung erforderlichen Mittel<br />

und Instrumente bereitgehalten, doch<br />

waren sie verpflichtet, „soweit es irgend<br />

möglich ist, die genaueste Sparsamkeit<br />

zu beobachten“ und „die im Etat derfalls<br />

vorgesehenen Credite“ einzuhalten. Die<br />

Behandlung von Kranken, die nicht in das<br />

Krankenhaus aufgenommen waren, war<br />

den Oberärzten verboten, wenn die medizinische<br />

Hilfeleistung im Marienhospital gegen<br />

Bezahlung erfolgte. Bei unentgeltlicher<br />

50


Die Krankenhausapotheke<br />

Behandlung ambulanter Patienten hatten<br />

die Ärzte dafür zu sorgen, „daß für die<br />

dabei verbrauchten Materialien des Hospitals,<br />

insbesondere für Verbandzeug und<br />

Medicamente, entsprechende Zahlung an<br />

das Hospital erfolgt“. Die Zuziehung von<br />

auswärtigen Ärzten und Studierenden<br />

sollte vermieden werden und war nur in<br />

Ausnahmefällen gestattet. Die Entlassung<br />

der Patienten, die erfolgen musste, „sobald<br />

sie in der Genesung weit genug vorgeschritten“<br />

waren, konnte ausschließlich<br />

vom zuständigen Oberarzt angeordnet<br />

werden (§ 9). Ermahnungen, zu denen<br />

etwa eine der Pflegeschwestern Anlass gab,<br />

waren niemals in Gegenwart der Kranken<br />

zu machen. Vielmehr hatten die Oberärzte<br />

diese zunächst bei der Oberin anzubringen,<br />

der ausschließlich die Disziplin über die<br />

Schwestern zustand (§ 11).<br />

Die<br />

Krankenhausapotheke<br />

Die Armenschwestern vom Heiligen Franziskus<br />

hatten von Anfang ihrer Gründung<br />

an die Herstellung von Heilkräutern, Salben<br />

und Verbandmaterial für die Behandlung<br />

der Kranken als Teil ihrer Berufstätigkeit<br />

geübt. In Preußen galt seit 1853 ein Ministerialerlass,<br />

der in konfessionellen Krankenhäusern<br />

die Zubereitung und Abgabe<br />

von Arzneimitteln durch ausgebildete Ordensangehörige<br />

gestattete, die in einer<br />

staatlichen Prüfung ihre Kenntnisse bewiesen<br />

hatten. Diese „Dispensierschwestern“<br />

(Apothekerinnen; nicht identisch mit heutigen<br />

approbierten Apothekern) wurden<br />

von Ärzten oder Apothekern ausgebildet<br />

und nach erfolgreich bestandenem Examen<br />

unter der Aufsicht eines Arztes in den Dispensieranstalten<br />

(Hausapotheken) eingesetzt.<br />

Nachdem der Vorstand am 28. Juni 1871<br />

die Königliche Regierung in Düsseldorf ersucht<br />

hatte, im Marienhospital eine Apotheke<br />

einrichten und betreiben zu dürfen, sprach<br />

diese vier Wochen später die hierzu erforderliche<br />

Genehmigung aus. Die Erlaubnis<br />

war an den Vorbehalt geknüpft, „daß der<br />

Arzney-Debit sich nur auf die Bedürfnisse des<br />

Marien-Hospitals erstreckt, und daß durchaus<br />

keine Arzney irgend welcher Person außer<br />

dem Marien-Hospital Wohnende verabfolgt<br />

werden“ durfte.<br />

In der Apotheke des Marienhospitals,<br />

die nach Erhalt der staatlichen Genehmigung<br />

„im ersten Zimmer linker Hand vom<br />

Haupteingang“ eingerichtet wurde, war seit<br />

Marienkrankenhaus, Suitbertus-<br />

Stiftsplatz 11/15, Visite, um 1920<br />

Marienhospital, Apotheke, um 1930<br />

51


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

von 5 Prozent an das Krankenhaus weiter.<br />

Bei der Anlieferung von Blutegeln gab<br />

es einen Rabatt von 10 Prozent auf den<br />

staatlich festgesetzten Normalpreis. Für<br />

das Zerkleinern resp. Zuschneiden von<br />

Vegetabilien wurden bei Rinden, Wurzeln<br />

und Samen zwei Silbergroschen pro Pfund,<br />

bei Kräutern ein Silbergroschen berechnet.<br />

Elephanten-Apotheke,<br />

Bolkerstraße 46, um 1910<br />

Marienhospital, Liefervertrag<br />

mit dem Apotheker Eduard Bausch,<br />

28. Mai 1872<br />

1871 Schwester Constantia tätig, die zusammen mit zwei<br />

anderen Schwestern über das erforderliche Examen verfügte.<br />

Arzneimittel, die im Krankenhaus nicht hergestellt werden<br />

durften, lieferte der Düsseldorfer Apotheker Eduard Bausch,<br />

mit dem der Vorstand des Marienhospitals am 28. Mai 1872<br />

einen exklusiven Abnahmevertrag geschlossen hatte. Der<br />

Arzneihändler von der Elephanten-Apotheke (Bolkerstr. 46)<br />

war verpflichtet, „den Bedarf an<br />

Arzneymitteln für das Marien-<br />

Hospital während der Zeit vom<br />

1. Juny 1872 bis Ende December<br />

1873 zu liefern“, wogegen der<br />

Vorstand des Marienhospitals die<br />

Verpflichtung übernahm, „diesen<br />

Bedarf während des genannten<br />

Zeitraums ausschließlich aus der<br />

Apotheke des Dr. Eduard Bausch<br />

zu beziehen“. Für den Ankauf von<br />

„undispensirten Arzneyen“ resp.<br />

„pharmacentischen Präparaten“<br />

in seiner Apotheke räumte Eduard<br />

Bausch dem Marienhospital<br />

einen Rabatt von 30 Prozent ein.<br />

Gefäße und sonstige Utensilien<br />

gab die Apotheke zum Selbstkostenpreis<br />

mit einem Aufschlag<br />

Die Seelsorge<br />

Die seelsorgliche Betreuung von Kranken<br />

war von Anfang an ein zentrales Anliegen<br />

der Kirche. Dahinter stand der Auftrag zur<br />

Krankenheilung, den Jesus seinen Jüngern<br />

gegeben hatte (Mt 10,8), und der<br />

evangelische Rat zum Krankenbesuch (Mt<br />

25,36). In dem Maße, wie eine Verlagerung<br />

der Verantwortung für Kranke von den<br />

Familien und Kirchengemeinden auf die<br />

Anstaltspflege geschah, erfolgte auch die<br />

Herausbildung einer speziellen Krankenhausseelsorge.<br />

Im Pempelforter Marienhospital war die<br />

Realisierung der christlichen Verantwortung,<br />

„trostbedürftige Kranke” durch „trostspendende<br />

Krankenpfleger” zu stärken,<br />

außer den Armenschwestern vom Heiligen<br />

Franziskus vor allem den Geistlichen an<br />

der Pfarrkirche Hl. Dreifaltigkeit und den<br />

Hausgeistlichen der Anstalt in die Hände<br />

gelegt. Der Ort ihrer Wirksamkeit war neben<br />

dem Krankenzimmer die Kapelle, deren<br />

Altar im Marienhospital zunächst in einem<br />

profanen Raum, bald aber schon in einem<br />

eigenen Gotteshaus aufgestellt war. Schon<br />

wenige Tage nach der Eröffnung hatte das<br />

Kölner Generalvikariat am 19. August 1871<br />

genehmigt, in einem provisorisch als Kapelle<br />

benutzten Zimmer des Marienhospitals die<br />

heilige Messe lesen und das Allerheiligste<br />

52


Die Seelsorge<br />

Sakrament aufbewahren zu dürfen. Wie<br />

aus den überlieferten Aufzeichnungen<br />

hervorgeht, war die Hauskapelle zu Zeiten<br />

des Militärlazarettes im linken Seitentrakt,<br />

nach Fertigstellung des Allgemeinen Krankenhauses<br />

im Erdgeschoss des gegenüberliegenden<br />

Flügels untergebracht. Die<br />

Kapelle war der „Mutter vom guten Rat”<br />

geweiht, unter deren Schutz sich auch die<br />

Armenschwestern vom Heiligen Franziskus<br />

gestellt hatten. „Im Altar derselben”,<br />

so berichtet die Ordenschronik, „waren<br />

anfangs drei Gyps-Statuen angebracht<br />

gewesen, deren mittlere aber schon bald<br />

durch ein Ölgemälde, die Himmelskönigin<br />

darstellend, welches die hochwürdigen Herren<br />

Patres Franziskaner zu diesem Zwecke<br />

geliehen hatten, ersetzt worden war. Als<br />

Seitenbilder zu diesem wurden im <strong>Jahre</strong><br />

1872 von Herrn Professor Franz Ittenbach<br />

zwei sehr werthvolle Ölgemälde, der hl.<br />

Franziskus und die hl. Elisabeth, gemalt und<br />

dem Hospitale zum Geschenke gemacht”.<br />

Mit der provisorischen Kapelle im<br />

rechten Seitenflügel war den Bedürfnissen<br />

der Schwestern zunächst Rechnung<br />

getragen, doch zieht sich der Wunsch<br />

nach einer eigenen Sakralstätte für das<br />

Marienhospital wie ein roter Faden durch<br />

die Ordenschronik. Nicht zu Unrecht erinnerten<br />

die Franziskanerinnen daran, dass<br />

der Bau eines würdigen Gottesdienstraumes<br />

getrennt vom Hauptgebäude schon 1866<br />

im „Programm für den Entwurf eines Bau-<br />

Plans zum Marien-Hospital” vorgesehen<br />

war. Schon in den ersten Bauzeichnungen<br />

des Architekten August Rincklake war der<br />

Bau einer Kapelle auf dem Gelände des<br />

Marienhospitals westlich des Hauptgebäudes<br />

vorgesehen. Die Realisierung des<br />

Vorhabens wurde aber schon kurz nach<br />

der Grundsteinlegung für das Krankenhaus<br />

auf die Zeit nach der Fertigstellung<br />

des Hauptgebäudes verschoben,<br />

da die notwendigen<br />

Mittel für den Bau der Anstalt<br />

nur langsam flossen. Obwohl<br />

der Vorstand noch in seinem<br />

Rechenschaftsbericht für das<br />

Jahr 1874 notierte, mit dem<br />

Bau einer Kapelle könne „erst<br />

nach einigen <strong>Jahre</strong>n begonnen<br />

werden”, nutzten die Pflegeschwestern<br />

seit ihrer Ankunft<br />

in Düsseldorf jede Gelegenheit,<br />

die Gelder für die Errichtung<br />

eines eigenen Gotteshauses zu<br />

mehren. Hoffnungsfroh, aber<br />

ohne große Euphorie heißt es<br />

in der Chronik: „Herr Rendant<br />

Carl Hilgers hatte versprochen,<br />

den Vorstand zum Beginn des<br />

Baues zu bestimmen, sobald die<br />

Summe von 4 bis 5000 Thaler<br />

beschafft sei, ... – da brach der<br />

Kulturkampf aus und mit dem<br />

Kirchenbauen war es zu Ende.<br />

Der Vorstand legte das bereits<br />

gesammelte Geld, über 3000<br />

Thaler verzinslich an, bis auf<br />

bessere Zeiten”.<br />

Die besseren Zeiten<br />

schienen gegeben, nachdem<br />

Reichskanzler Otto von Bismarck<br />

zu Beginn der achtziger<br />

<strong>Jahre</strong> erkannt hatte, dass er<br />

mit den Kulturkampfgesetzen<br />

das von ihm erstrebte Ziel nicht<br />

Kapelle, Altarraum,<br />

um 1900<br />

Kapelle, Nichtausgeführte<br />

Entwurfszeichnung von<br />

August Rincklake, 1870<br />

53


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Kapelle, Entwurfszeichnungen<br />

von August Rincklake und<br />

Caspar Clemens Pickel, 1880<br />

Kapelle, Altarraum mit der<br />

Hl. Elisabeth (li.) und dem<br />

Hl. Franziskus (re.) von Franz<br />

Ittenbach, um 1930<br />

erreichen konnte. Um sich aus der politischen Bedrängnis<br />

zu befreien, erließ er „Milderungsgesetze”, die den Vollzug<br />

der antikirchlichen Verordnungen der <strong>Jahre</strong> 1872 bis 1875<br />

abschwächen sollten.<br />

Wie bereits berichtet, war das Marienhospital als stationäre<br />

Krankenpflegeeinrichtung von den Gesetzen der<br />

Kulturkampfzeit nur mittelbar betroffen, doch wurden mit<br />

Erlass der Milderungsgesetze und der Wiederherstellung der<br />

Rechtssicherheit für katholische Einrichtungen auch hier neue<br />

Kräfte für den weiteren Ausbau der Anstalt freigesetzt. Schon<br />

am 6. November 1879 meldete das Düsseldorfer Volksblatt<br />

aus Pempelfort: „Die Armenschwestern vom hl. Franziskus<br />

im hiesigen Marienhospital wurden zum<br />

vorgestrigen Feste ihres Stifters durch die<br />

Nachricht beglückt, daß eine hiesige, ungenannt<br />

sein wollende, edle Wohlthäterin<br />

dem Kapellenfond beim Marien-Hospital das<br />

reiche Geschenk von 3000 Mark mit dem<br />

Wunsche überwiesen habe, daß dasselbe<br />

zu neuen Beiträgen für den Kapellenbau<br />

anregen möge. Sicherem Vernehmen nach<br />

ist hierdurch der Kapellenfonds auf circa<br />

20000 Mark angewachsen, während noch<br />

eine weitere Summe von wenigstens 25000<br />

Mark erforderlich erachtet wird, ehe mit<br />

dem Bau eines für das wachsende Bedürfniß<br />

der Anstalt ausreichenden und würdigen<br />

Gotteshauses begonnen werden kann”.<br />

Die unverhoffte Schenkung einer unbekannten<br />

Wohltäterin beflügelte den<br />

Verwaltungsrat des Marienhospitals, am 2.<br />

Januar 1880 den Beschluss zu fassen, mit<br />

dem Bau der Kapelle zu beginnen, obwohl<br />

die notwendigen Mittel hierzu noch gar<br />

nicht ausreichend waren. Woher die notwendigen<br />

Geldmittel für den Bau und die<br />

Ausstattung der Kapelle kommen sollten,<br />

ließ der Vorstand offen, doch glaubte er,<br />

sich auf den gläubigen Enthusiasmus der<br />

Düsseldorfer Katholiken verlassen zu können.<br />

In einem Vorbericht zur Grundsteinlegung<br />

für den projektierten Kapellenbau<br />

spornte das Düsseldorfer Volksblatt am<br />

25. Mai 1880 seine Leser noch einmal an:<br />

„Den katholischen Bewohnern Düsseldorfs<br />

wird die Nachricht willkommen sein, daß<br />

am Freitag den 28. Mai, nachmittags um<br />

5 Uhr, die feierliche Grundsteinlegung für<br />

die Marienhospital‐Kapelle stattfindet.<br />

Manches Herz hat sich nach diesem Tage<br />

seit <strong>Jahre</strong>n gesehnt, denn der Bau einer<br />

Kapelle war eine unabweisbare Notwendigkeit<br />

geworden; ... aber es fehlt noch viel,<br />

bis wir den Schlüssel in die Thüre stecken<br />

54


Die Seelsorge<br />

können ... Die vorhandenen Mittel und die<br />

letzten frommen Gaben reichen kaum für<br />

den Rohbau. Das kleine Kirchlein aber soll<br />

eine würdige Stätte der Andacht werden<br />

und an Schönheit dem Hospitale nicht<br />

nachstehen. Mit dem Steigen der Mauern<br />

mögen denn auch die Gaben reichlicher<br />

fließen! Wer dem Herrn leiht, leiht auf<br />

hohe Zinsen, und wer den Armen dient,<br />

hat Gott zum Herrn!”<br />

Über den Ablauf der Feierlichkeiten<br />

zur Grundsteinlegung, die von Dechant<br />

Johannes Kribben vollzogen wurde, berichtete<br />

das Düsseldorfer Volksblatt am 1. Juni<br />

1880: „Nachdem die über den wichtigen<br />

Akt aufgenommene Urkunde, welche in den<br />

zu weihenden Grundstein eingeschlossen<br />

werden sollte, von den anwesenden Mitgliedern<br />

der Geistlichkeit der Stadt, des<br />

Vorstandes und des Verwaltungsrates des<br />

Marienhospitals-Vereins sowie anderen<br />

eingeladenen Herren unterzeichnet worden<br />

war, ... zog die Versammlung, unter<br />

Vortragung des Kreuzes an die im Westen<br />

des Hospitals gelegene Baustätte, wo die<br />

Fundamente bereits allerseits geöffnet und<br />

am Orte des zukünftigen Altars ein einfaches<br />

Kreuz vorschriftsmäßig aufgepflanzt war,<br />

und es erfolgte dann ... die Einschließung<br />

der Urkunde, die Segnung des Grundsteins<br />

und der Rundgang um die Grenzen der<br />

Kapelle”.<br />

Genau ein Jahr nach der Grundsteinlegung<br />

erfolgte am 31. Mai 1881 die Einweihung<br />

der einschiffigen, vierjochigen<br />

neugotischen Kapelle, der als äußere Dominante<br />

„von den rühmlichst bekannten<br />

Architekten August Rincklake und Caspar<br />

Clemens Pickel“ ein kleiner Dachreiter<br />

aufgesetzt war.<br />

Von der im Zweiten Weltkrieg schwer<br />

beschädigten und 1965 niedergelegten<br />

Kapelle sind heute nur noch einige Photographien<br />

überliefert. Erhalten ist aber eine<br />

Beschreibung des kleinen Gotteshauses aus<br />

dem <strong>Jahre</strong> 1922, die nicht nur eine anschauliche<br />

Darstellung ihrer architektonischen<br />

Besonderheiten bietet, sondern auch ihre<br />

fortschreitende Ausstattung mit Mobiliar und<br />

Kunstwerken nachzeichnet. Wörtlich heißt<br />

es dort: „Die Kirche wurde vor dem westlichen<br />

Seitenflügel gebaut, so daß der rechte<br />

Hauptflur geradewegs in die Kirche führt.<br />

Die Räume im westlichen Flügel, denen durch den Anbau<br />

der Kirche das Licht entzogen wurde, und die bisher schon<br />

als Kapelle gedient hatten, wurden mit zur Kirche gezogen.<br />

Infolgedessen erhielt die Kirche drei größere Vorräume oder<br />

Chöre, die je wieder in zwei Teile geteilt sind. Ein solcher<br />

Vorraum befindet sich zu ebener Erde und je einer in den<br />

beiden Stockwerken, so daß von jedem Stockwerke aus<br />

Gelegenheit geboten ist, dem Gottesdienste beizuwohnen.<br />

Zur Kirche hin waren diese Chöre anfänglich durch Fenster<br />

abgeschlossen, die jedoch zu ebener Erde und im ersten<br />

Stockwerke später entfernt wurden. Der Chor im ersten<br />

Stockwerke wurde 1899 für die Schwestern eingerichtet und<br />

diesen damit ein Raum gewährt, wo sie abgesondert von<br />

den anderen Kirchenbesuchern ihren Gottesdienst halten<br />

können. In der Hospitalkirche selbst ist die ganze linke Seite<br />

für die Hausbewohner und Kranken reserviert, während die<br />

Kapelle, Innenansicht, um 1930<br />

Kapelle, Außenansicht, um 1965<br />

Einladungskarte, 28. Mai 1880<br />

Dechant Johannes Kribben<br />

(1833-1922), um 1875<br />

55


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Kapelle, Pietà, um 1930<br />

St. Lambertus, Kalvarienberg<br />

von Joseph Reiß, um 1900<br />

rechte Seite fast ganz den auswärtigen Besuchern<br />

freisteht, die durch einen besonderen<br />

Eingang von draußen in die Kirche gelangen.<br />

Die Kirche ist im gotischen Stile erbaut und<br />

besteht aus der Apsis und vier Jochen. Auch sie<br />

ist von außen mit hellen Oberkasseler Steinen<br />

verblendet. Die Baukosten betrugen 65000<br />

Mark. Auch die innere Ausstattung der Kirche<br />

wurde immer mehr vervollständigt und erlebte<br />

im Laufe der <strong>Jahre</strong> manche Veränderung.<br />

Außer dem Hochaltar hat die Kirche noch<br />

zwei Seitenaltäre, die alle in Holz geschnitzt<br />

sind. Der Hochaltar ist der Himmelskönigin,<br />

die beiden Seitenaltäre dem hl. Herzen Jesu<br />

und dem hl. Joseph geweiht, wie die Statuen<br />

anzeigen, die dieselben schmücken. Zu<br />

Weihnachten 1897 wurde im Hochaltar das<br />

kunstvolle und kostbare Tabernakel eingebaut.<br />

Bei der weiterten Ausstattung der Kirche ist<br />

vor allem der Ordensangehörigkeit der im<br />

Hospital pflegenden Schwestern Rechnung<br />

getragen. So schmücken die Kirche die Statuen<br />

der vorzüglichen Heiligen aus dem Franziskanerorden.<br />

Im Chorbogen stehen St. Franziskus<br />

von Assisi und St. Antonius von Padua. Auf<br />

dem Hochaltare zu Seiten der thronenden<br />

Himmelskönigin mit dem Jesuskind erblickt<br />

man St. Klara und St. Elisabeth in stehender<br />

Stellung. Zwei Beichtstühle und eine Kanzel,<br />

ebenfalls aus Holz, vervollständigen die Innenausstattung<br />

der Kirche. Anfang 1904 wurden<br />

... in der Kirche nochmals größere Veränderungen<br />

vorgenommen. Der gotische Bogen<br />

am Eingang des Chores wurde erweitert. Die<br />

Kommunionbank, zu der sonst einige Stufen<br />

hinaufführten, wurde zu ebener Erde und<br />

mehr in die Kirche hinein verlegt, wodurch<br />

das Chor größer wurde. Hinter den Figuren<br />

des Hochaltars wurden Scheiben angebracht,<br />

die die Statuen besser hervortreten lassen.<br />

Der Hochaltar und das ganze Chor wurde mit<br />

einem Kranze elektrischer Lichter umgeben.<br />

Der Schwesternchor wurde durch den Anbau<br />

einer Empore, die als Singchor dient,<br />

bedeutend vergrößert. Die Glaswände<br />

und Türen, welche den Chor zu ebener<br />

Erde von der Kirche schieden, wurden<br />

weggenommen und die beiden Räume<br />

so in engere Verbindung mit der Kirche<br />

gebracht. Die hohe Bretterwand, welche<br />

die beiden Räume trennte, wurde durch<br />

eine niedrige, reich gearbeitete Holzwand<br />

ersetzt. Infolge dieser Veränderungen war<br />

eine Neudekorierung der Kirche notwendig<br />

geworden. Die erste Dekoration war im<br />

<strong>Jahre</strong> 1888 von Maler Wilhelm Westermeyer<br />

ausgeführt worden; jetzt wurde sie dem<br />

Kunstmaler Odenthal aus Köln‐Ehrenfeld<br />

übertragen. Die Wandgemälde zu beiden<br />

Seiten des Chores und das Gemälde oberhalb<br />

des Chores wurden ausgeführt von<br />

Maler Rütters, einem Schüler von Professor<br />

Eduard von Gebhardt. Einen künstlerischen<br />

Schmuck erhielt das Hospital durch die<br />

Erwerbung der Kunstmodelle des Bildhauers<br />

Joseph Reiß. ... Als im <strong>Jahre</strong> 1898 der<br />

Bildhauer Joseph Reiß ganz ins Hospital<br />

übersiedelte, schenkte er demselben alle<br />

in seiner Werkstatt noch vorhandenen<br />

Modelle. Dieselben fanden Aufstellung<br />

in der Kirche, im Schwesternchor, in der<br />

Sakristei und draußen am Leichenhause.<br />

Eine Zierde der Kirche bildet vor allem die<br />

herrliche Pietà. Beim Bau der Kirche hatte<br />

man auf den Bau einer geräumigen Sakristei<br />

wenig Bedacht genommen. Der für<br />

diesen Zweck bestimmte Raum war ganz<br />

ungenügend; die kirchlichen Gewänder<br />

und Gerätschaften mußten in einem unter<br />

der Kirche liegenden Raum aufbewahrt<br />

werden, zu dem Wendeltreppen hinabführten.<br />

Diesem Übelstande suchte man<br />

abzuhelfen. Im <strong>Jahre</strong> 1900 machte man<br />

noch einen Anbau an die Kirche, wozu<br />

56


Die Seelsorge<br />

eine besondere Wohltäterin, Frau Dessire<br />

Bicheroux, das Kapital von 19000 Mark<br />

schenkte. Dieser Anbau zieht sich an der<br />

Südseite der Kirche unterhalb der Fenster<br />

an der ganzen Kirche entlang. Seitwärts<br />

vom Chore wurde dadurch eine helle und<br />

geräumige Sakristei gewonnen. Seitwärts<br />

der Kirche entstand ein großer Saal zum<br />

Aufbewahren und Ausbessern der Paramente.<br />

Unter diesen Räumen richtete man<br />

eine zweite Leichenhalle ein für verstorbene<br />

Hausbewohner, die mit entsprechenden<br />

Statuen ausgestattet ist. So ist der Plan der<br />

frommen Stifter doch in Erfüllung gegangen.<br />

Das Marienhospital besitzt eine Kirche,<br />

die allen Ansprüchen der Hausbewohner<br />

und Kranken genügt, und die auch von<br />

Auswärtigen gerne besucht wird”.<br />

Dem Bericht aus dem <strong>Jahre</strong> 1922 ist<br />

nachzutragen, dass die Kapelle am 30. Juni<br />

1927 eine Orgel erhielt und ein Jahr später<br />

vom Düsseldorfer Kunstmaler Bernhard<br />

Gauer neu ausgemalt wurde.<br />

Für den Dienst am Altar der Kapelle<br />

waren zunächst die Patres aus dem<br />

Franziskanerkloster an der Oststraße wie<br />

auch die Geistlichen an der Derendorfer<br />

Dreifaltigkeitskirche verantwortlich, doch<br />

konnte das Marienhospital schon im <strong>Jahre</strong><br />

1871 einen eigenen Hausgeistlichen verpflichten.<br />

Möglich wurde die Anstellung<br />

dank einer von den Gebrüdern Graf August<br />

und Kanonikus Leopold von Spee im<br />

September 1870 zugewendeten Stiftung<br />

in Höhe von 4000 Talern, deren Zinsen zur<br />

Besoldung eines Hausgeistlichen verwendet<br />

werden sollten. Da die Franziskaner keinen<br />

Pater für die Seelsorge abstellen konnten,<br />

wurde Kaplan Arnold Hubert Lofgnié aus<br />

Eschweiler am 9. Oktober 1871 durch den<br />

Kölner Erzbischof zum ersten Rektor an der<br />

Kapelle im Marienhospital ernannt.<br />

Kapelle, Innenraum nach der Neuausmalung von Bernhard Gauer, um 1930<br />

Hubert Ritzenhofen (1879-1961), Derendorfer Fronleichnamsprozession mit Statio am Marienhospital, um 1925<br />

Programmblatt, 30. Juni 1927<br />

57


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Prinz-Georg-Straße, Ballonaufnahme, um 1910<br />

Marienhospital, In den Ziertürmen zwischen<br />

Hauptgebäude und Seitenflügeln befanden<br />

sich die Toilettenanlagen, um 1920<br />

Personalhäuser Rochusstraße 2 & 4, 1929<br />

Telegrafen- und Fernmeldeamt,<br />

Karl-Theodor-Straße 1, um 1935<br />

Marienhospital, Aufzugsanlage, um 1930<br />

Ausbauten<br />

Im Laufe der <strong>Jahre</strong> mussten Teile des angekauften<br />

Stockkamp Gutes infolge Anlegung<br />

neuer Straßen (z. B. Prinz-Georg-Straße) abgetreten<br />

werden. Andere Grundstücke wurden<br />

getauscht, wieder andere als Bauplätze verkauft,<br />

besonders an der Ehrenstraße, was dem<br />

Marienhospital nicht unerhebliche Geldmittel<br />

einbrachte. Durch die verschiedenen Immobiliengeschäfte<br />

arrondierte sich im Laufe der<br />

Zeit das Gelände des Marienhospitals zu dem<br />

heutigen Karee zwischen Stern-, Stockkamp-,<br />

Prinz-Georg-, Ehren- und Rochusstraße. Schon<br />

1876 war damit begonnen worden, die Grundstücke<br />

des Marienhospitals durch eine Mauer<br />

mit eisernen Durchgangstoren einzufrieden.<br />

Im Frühjahr 1879 wurde das erste Gartenhaus<br />

gebaut, dem in den nächsten<br />

<strong>Jahre</strong>n noch mehrere Lauben folgen sollten.<br />

Zur Aufbahrung der im Krankenhaus<br />

verstorbenen Patienten wurde 1881 an<br />

der südwestlichen Ecke des Grundstückes<br />

(nördlich des Wohnhauses Rochusstr. 2) ein<br />

Leichenhaus errichtet, das den Unwillen<br />

verschiedener Anlieger an der Ehrenstraße<br />

und Hospitalstraße erregte, nach dem Gang<br />

durch alle gerichtlichen Instanzen aber<br />

weiter benutzt werden durfte. Im <strong>Jahre</strong><br />

1888 kaufte der Vorstand von der Witwe<br />

Caspar Schiffer die beiden an das Hospitalgrundstück<br />

grenzenden Häuser Rochusstr.<br />

2 und 4, die dem Krankenhausgeistlichen<br />

und Assistenzärzten bzw. dem Rendanten<br />

als Wohnung dienten.<br />

Drängende Enge und neue Vorschriften<br />

leiteten in den neunziger <strong>Jahre</strong>n neue<br />

Ausbaupläne des Krankenhauses in die<br />

Wege. Um allen eingewiesenen Patienten<br />

die Aufnahme zu ermöglichen, gab der<br />

Vorstand des Marienhospitals im <strong>Jahre</strong> 1893<br />

den Umbau des gesamten Dachgeschosses<br />

in Krankenzimmer in Auftrag. Nach Fertigstellung<br />

der umgebauten Räume konnten<br />

in der Pempelforter Anstalt 413 Patienten<br />

aufgenommen werden, von denen viele<br />

in der neu eingerichteten Kinder- und<br />

Frauenstation behandelt wurden.<br />

Mit der Erweiterung des Platzangebotes<br />

ging die Verbesserung der Infrastruktur<br />

durch den Einbau moderner technischer<br />

Einrichtungen einher. Im <strong>Jahre</strong> 1892 wurde<br />

das Marienhospital an das Düsseldorfer<br />

Fernsprech-Vermittlungsamt angeschlossen<br />

und war seitdem unter der Rufnummer 899<br />

telefonisch erreichbar. Zwei <strong>Jahre</strong> später<br />

wurde ein Wasseraufzug angelegt, der den<br />

Verkehr vom Erdgeschoß mit allen Etagen bis<br />

zum Dachgeschoß ermöglichte. Im Herbst<br />

58


Ausbauten<br />

1894 erhielt das ganze Haus Glühlicht, das<br />

acht <strong>Jahre</strong> später durch elektrisches Licht<br />

ersetzt wurde. Ein Gasmotor mit 6 PS wurde<br />

1897 angeschafft, zwei <strong>Jahre</strong> später für das<br />

ganze Hospital eine Dampfheizung angelegt,<br />

die von einem besonderen Kesselhaus<br />

aus betrieben wurde.<br />

Ein Bericht von Dr. Ludwig Sträter<br />

aus dem <strong>Jahre</strong> 1898 vermittelt in einer<br />

Momentaufnahme ein gutes Bild der Leistungsfähigkeit<br />

des Krankenhauses nach<br />

den bis zu diesem Jahr erfolgten Um- und<br />

Ausbauten. In einem Begleitbuch zur 70.<br />

<strong>Jahre</strong>stagung deutscher Naturforscher und<br />

Ärzte in Düsseldorf beschrieb der leitende<br />

Oberarzt des Marienhospitals seine Anstalt<br />

wie folgt: „Das Hospital hat 350 Betten,<br />

die auf 24 größeren Sälen und 40 kleineren<br />

Zimmern vertheilt sind. ... Sämmtliche Krankenräume<br />

schauen nach Osten, Süden und<br />

Westen, die Corridore, die Apotheke, die<br />

Operationszimmer, eins für frische Wunden,<br />

eins für inficirte, das Laboratorium der internen<br />

Abtheilung nach Norden. Die Closets,<br />

ebenfalls nach Norden gelegen, verdienen<br />

ein besonderes Wort der Erwähnung. Sie<br />

befinden sich in 2 vom Hauptgebäude<br />

getrennten Thürmen, die in der Front des<br />

Hauses, da wo der Langbau an die Seitenflügel<br />

anstößt, ingeniös angebracht sind, so<br />

daß sie sogar dem ganzen Bau zur Zierde<br />

gereichen. Die in der Front zugewandte<br />

Hälfe der Seitenflügel, welche besondere<br />

Eingänge und Treppen haben, dient den<br />

Patienten der I. und II. Klasse. Es sind dort<br />

30 kleinere Zimmer, 18 für Herren und 12<br />

für Damen. Oberhalb des Hauptportals in<br />

der ersten Etage ist das Operationszimmer<br />

unmittelbar gegenüber dem Elevator. Dasselbe<br />

ist nach den Vorschriften der Asepsis<br />

angelegt mit Terrazzo-Fußboden, abwaschbaren<br />

Wänden, Tischen und Schränken aus<br />

Schreiben von Bewohnern der Rochusstraße (früher Hospitalstraße) an Oberbürgermeister Wilhelm Marx (06.03.1904)<br />

Gesuch der Anwohner der Hospitalstraße – vulgo „Memento mori Straße“<br />

– um Beseitigung des Leichenhauses in der Nähe der Straße und der Häuser<br />

Die unterzeichneten Anwohner der Hospitalstraße<br />

beklagen mit Recht die Nähe des<br />

Todtenhauses des Marienhospitals. Die fast<br />

täglich sich wiederholenden Beerdigungen aus<br />

dem besagten Leichenhause, das vorherige<br />

Hereinschleppen der Särge, die Besuche der<br />

Angehörigen der Verstorbenen und das damit<br />

verbundene stetige Öffnen und Schließen der<br />

Halle, die Auffahrt der Leichenwagen und die<br />

Scenen beim Leichenabholen selbst, dann<br />

das Öffnen des Todtenhauses, das Lüften<br />

und das Reinigen desselben und die damit<br />

verbundenen Ausdünstungen, alles dieses<br />

sind für einiger Maaßen fühlende Menschen,<br />

namentlich für das weibliche Geschlecht so<br />

aufregende Scenen, daß die Beseitigung der<br />

Ursachen nicht nur wünschenswerth ist, sondern<br />

von den Unterzeichneten dringend beantragt<br />

wird. Die vorgenannten fast täglich<br />

sich wiederholende Scenen – unangenehm<br />

und aufregend zugleich – können allerdings<br />

nicht ganz beseitigt, aber doch gemildert werden,<br />

wenn das unstreitig zu nahe an unseren<br />

Wohnstätten gelegene Leichenhaus beseitigt<br />

und an eine mehr verborgene Stelle des sonst<br />

so großen Complexes des Marienhospitals<br />

verlegt wird. Die vorerwähnten Übelstände<br />

erklären die große Entwerthung der Häuser<br />

der Hospitalstraße! Der Ankäufer oder der<br />

Mieter ahnt die vorerwähnten Unannehmlichkeiten<br />

nicht und wird sich derselben<br />

nach einiger Zeit bewußt. Der Verkauf und<br />

die Vermietung der Häuser ist aus diesen<br />

Gründen recht schwierig. Verschiedene Häuser<br />

sind <strong>Jahre</strong> lang unbewohnt geblieben!<br />

Erst als vor einigen <strong>Jahre</strong>n sich Mangel an<br />

Wohnungen fühlbar machte, siedelte sich die<br />

Hospitalstraße erst an. Wenn die im Inneren<br />

des Hospitalshofes stehenden hohen Bäume<br />

im Sommer wenigsten die unangenehmen<br />

Scenerien etwas verstecken, etwas mildern, so<br />

steht uns die große Unannehmlichkeit bevor,<br />

daß die Verwaltung des Marienhospitals beabsichtigt,<br />

diese Bäume zu „kappen“, wie solches<br />

bereits in der Stockkampstraße geschehen ist.<br />

Das Unterlassen dieser Veränderung sowie eine<br />

entsprechende Erhöhung der Mauer nach der<br />

Straße zu könnte die Unannehmlichkeiten zwar<br />

mindern aber nicht beseitigen und bitten wir,<br />

diese unsere Petition auf irgend eine Weise zu<br />

berücksichtigen, am geeignetesten aber durch<br />

gänzliche Beseitigung der Leichenhalle.<br />

Marienhospital, Leichenhaus, 1881<br />

59


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, Röntgenabteilung,<br />

um 1930<br />

Marienhospital, Waschküche,<br />

um 1930<br />

Statut der katholischen<br />

Kranken- und Verpflegungsanstalt<br />

Marien-Hospital, 4. März 1889<br />

Marienhospital, Kesselhaus, 1899<br />

Glas und Eisen construirt. Lautenschlägers Dampfsterilisator<br />

und Schimmelbuschs Apparat zur Sodasterilisation der Instrumente<br />

sind vorhanden, ebenso ein Röntgen-Apparat. Im<br />

dritten (wirtschaftlichen) Flügel befindet sich im Erdgeschoß<br />

die sehr geräumige, auf 2 gegenüberliegenden Seiten mit je 3<br />

Fenstern versehene Küche, hinter derselben die Spülküche, im<br />

Souterrain die Waschküche, welche von einem Gasmotor von<br />

6 Pferdestärken getrieben wird. Der Motor versorgt außerdem<br />

die Wasserpumpe für den Elevator, treibt im Souterrain 2<br />

Kartoffelschäl- und Gemüseschneidemaschinen, Schleifstein<br />

und Pferdehaarzupfmaschine zum Reinigen der Matratzen, in<br />

der Küche Brot- und Fleischschneidmaschinen, Kaffeemühle<br />

und Kartoffelquetsche. Östlich vom Hauptgebäude befindet<br />

sich im Garten ein Pavillon für Infectionskrankheiten. Derselbe<br />

hat 4 größere Räume mit je 12 Betten und 2 kleinere. Der<br />

Pavillon hat 3 separate Eingänge. Westlich vom Hospital ist<br />

das Leichenhaus. Das Hospital besitzt einen großen Desinfectionsapparat,<br />

in den ganze Bettstellen gebracht werden<br />

können, welche mit strömendem Wasserdampf sterilisiert<br />

werden. ... Der Etat des Hospitals balancirt in Einnahme und<br />

Ausgabe mit circa 180000 Mark. Die Verpflegungskosten<br />

für die Kranken betragen:<br />

für die I. Klasse mit 2 Zimmern 8 Mark, für<br />

die I. Klasse mit 1 Zimmer 6 Mark, für die<br />

II. Klasse mit 1 Zimmer 4 Mark, für die III.<br />

Klasse im allgemeinen Saal 2 Mark. Der<br />

Vorstand verfügt über eine Anzahl Freibetten<br />

infolge gemachter Stiftungen. Die<br />

ärztliche Behandlung leiten 2 Oberärzte,<br />

je einer die innere und die chirurgische<br />

Abtheilung; ersterem ist ein Assistenzarzt,<br />

letzterem ein Assistenzarzt und ein Volontärarzt<br />

zugewiesen. Die Pflege wird von 38<br />

Krankenschwestern aus der Genossenschaft<br />

der Armenschwestern vom hl. Franziskus ...<br />

versehen. Außerdem sind 6 Krankenwärter<br />

an der Anstalt thätig. ... Die Anzahl der Operationen<br />

wuchs entsprechend der Zunahme<br />

der Krankenzahl, so daß in den letzten 3<br />

<strong>Jahre</strong>n durchschnittlich 750 Operationen<br />

gemacht wurden”.<br />

Statutenänderung<br />

Ende der achtziger <strong>Jahre</strong> des 19. Jahrhunderts<br />

hatte das Marienhospital ein<br />

Geschäftsvolumen erreicht, das durchaus<br />

mit einem Mittelbetrieb der Industrie und<br />

Wirtschaft vergleichbar war. Der Haushalt<br />

des <strong>Jahre</strong>s 1885 wies Einnahmen in<br />

Höhe von 123944 Mark und Ausgaben<br />

in Höhe von 105707 Mark aus. Zu den<br />

Einnahmen und Ausgaben des Hospitals<br />

kam die Verwaltung der Legate und Stiftungen,<br />

die Betreuung des Grundbesitzes<br />

und die Sorge um Kranke, Schwestern<br />

und Mitarbeiter. Wer die Verantwortung<br />

für die einzelnen Aufgabenbereiche trug,<br />

war in den Statuten vom 11. Januar 1871<br />

festgeschrieben. Nach mehr als zehn <strong>Jahre</strong>n<br />

Krankenhausbetrieb zeigte sich indes, dass<br />

60


Mariensäule und Marienhospital<br />

das Marienhospital trotz fortschreitender<br />

Geschäftsentwicklung in seiner Organisationsform,<br />

seiner Arbeitsablaufgestaltung<br />

und seiner innerbetrieblichen Organisation<br />

auf dem Stand eines Kleinunternehmens<br />

geblieben war. Um die Anstalt im Alltagsgeschäft<br />

handlungsfähig zu halten, war<br />

eine Reform der Verwaltung unumgänglich<br />

geworden. Durch Beschluss des Vorstandes<br />

und Verwaltungsrates vom 23. November<br />

1888 wurden die Paragraphen 5, 8 und 11<br />

des Statuts abgeändert und in der neuen<br />

Fassung vom Erzbischöflichen Kommissar<br />

unter dem 16. Dezember 1888 und dem<br />

Oberpräsidenten unter dem 4. März 1889<br />

genehmigt.<br />

Mit der Revision der Satzung wurde<br />

dem Vorstand, der nach wie vor jedes Jahr<br />

aus seiner Mitte den Vorsitzenden, dessen<br />

Stellvertreter, den Rendanten und den<br />

Sekretär wählte, die gesamte Verwaltung<br />

der Anstalt übertragen. Die Kontrolle über<br />

die Geschäftsführung des Vorstandes führte<br />

der Verwaltungsrat.<br />

Mariensäule und<br />

Marienhospital<br />

Am 8. Dezember 1854 verkündete Papst<br />

Pius IX. in Rom in der Bulle „Ineffabilis<br />

Deus” das Dogma der „unbefleckten Empfängnis”<br />

der Gottesmutter Maria. Nach<br />

der Verkündigung des Dogmas setzte im<br />

Erzbistum Köln, das Kardinal Johannes von<br />

Geissel 1855 unter den besonderen Schutz<br />

der Gottesmutter Maria gestellt hatte, eine<br />

lebhafte Verehrung der Immaculata ein.<br />

Angeregt durch die „Entschließung wegen<br />

der unbefleckten Empfängniß“ wurden im<br />

Bistum vielerorts Kirchen, Kapellen und<br />

Hospitäler der Immaculata gewidmet wie auch Mariensäulen<br />

errichtet.<br />

In Düsseldorf konstituierte sich am 23. Januar 1859 ein<br />

Verein, dessen alleiniger Zweck es war, „zum Andenken an<br />

die Verkündigung des Dogmas der unbefleckten Empfängniß<br />

Mariä auf einem der öffentlichen Plätze der Stadt Düsseldorf<br />

eine Marien-Säule zu errichten”. Als der Verein zur Errichtung<br />

einer Mariensäule mit der Sammlung von Beiträgen begann,<br />

ahnte niemand, dass der noch zu bestimmende Ort zur Aufstellung<br />

des Denkmals in der Bürgerschaft eine jahrelange<br />

und hitzige Debatte auslöste. Der Antrag des Marienvereins,<br />

die Mariensäule auf einem repräsentativen Platz der Stadt<br />

wie zum Beispiel dem heutigen Grabbeplatz aufstellen zu<br />

dürfen, wurde von der liberalen Mehrheit der Düsseldorfer<br />

Stadtverordnetenversammlung mehrfach abgelehnt. Erst<br />

nach 14 <strong>Jahre</strong>n leidenschaftlicher Auseinandersetzungen<br />

beugte sich der Verein dem Votum des Stadtrates und stellte<br />

die Mariensäule 1873 auf dem damals wenig beachteten<br />

Maxplatz in der Karlstadt auf, wo sie noch heute katholisches<br />

Selbstverständnis demonstriert. Die bereits 1865 vollendete<br />

Hauptfigur der Madonna war aus den Händen des Düsseldorfer<br />

Bildhauers Joseph Reiß hervorgegangen.<br />

Bereits wenige Wochen nach Gründung des Marienhospitalvereins<br />

war der Vorschlag aufgekommen, das<br />

Mariendenkmal „auf dem Vorhofe” des zu errichtenden<br />

Krankenhauses aufzustellen. „Das Bild – die Helferin der<br />

Bedrängten, die Zuflucht der Notleidenden – dürfte wohl”,<br />

so eine Zuschrift im Düsseldorfer Anzeiger vom 23. März<br />

1865, „nirgendwo passender angebracht werden können<br />

In Düsseldorf wurde im <strong>Jahre</strong> 1891<br />

mit Errichtung der Pfarrgemeinde<br />

Maria Empfängnis im südlichen<br />

Pempelfort eine Kirche der<br />

unbefleckten Empfängnis geweiht.<br />

Papst Piux IX. (1792-1878), um 1860<br />

Kardinal Johannes von Geissel<br />

(1796-1864), um 1850<br />

Maria Empfängnis, Oststraße 40,<br />

um 1915<br />

Programmblatt, 22. September 1872<br />

61


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Mariensäule,<br />

Orangerie straße/<br />

Poststraße, um 1910<br />

Wilhelm Herchenbach<br />

(1818-1889), um 1885<br />

Marienhospital,<br />

Eingangsportal, 1900<br />

und kein Platz würde sich zur Verehrung der Gottesmutter<br />

mehr empfehlen, als der Eingang zu dem Krankenhause,<br />

das ihren Namen trägt”. Der Gedanke einer Aufstellung der<br />

Säule außerhalb des eigentlichen Stadtgebietes erregte unter<br />

der Bürgerschaft großes Aufsehen. „Die Bürger Düsseldorf’s<br />

nämlich”, so ein Leser im Düsseldorfer Anzeiger vom 30. März<br />

1865, „durch deren Scherflein hauptsächlich doch das großartige<br />

Kunstwerk nahezu vollendet wurde, haben nur in dem<br />

festen Glauben dazu beigesteuert, daß dasselbe auf einem<br />

öffentlichen Platze der Stadt errichtet werden sollte ... . Auch<br />

würde kein Fremder da hinausgehen, um<br />

das Werk zu betrachten, dessen Gleichen<br />

wohl schwerlich ringsum zu finden ist; selbst<br />

der hiesige Bürger würde nur auf einem<br />

gelegentlichen Spaziergange sich an der<br />

Schönheit desselben ergötzen; somit wäre<br />

diese erhabene Kunstzierde fast ganz für<br />

die Stadt verloren“. Trotz der vorgetragenen<br />

Bedenken der Düsseldorfer Katholiken hielt<br />

die Mehrheit des Stadtrates daran fest, „die<br />

Säule aus der Stadt, draußen in’s Feld vor<br />

das Marienhospital” zu verweisen. Gegen<br />

die unnachgiebige Haltung der liberalen<br />

Stadtverordneten erhob sich Ende der<br />

sechziger <strong>Jahre</strong> unter den Katholiken der<br />

Stadt ein Sturm der Entrüstung, der in eine<br />

Petition mit 11000 Unterschriften mündete.<br />

Zu den Wortführern der Petenten gehörte<br />

Wilhelm Herchenbach, der am 26. Januar<br />

1870 in der Stadtverordnetenversammlung<br />

erklärte: „Meine Herren, hören Sie auf die<br />

Stimmen der 11000, welche das Denkmal<br />

nicht im Winkelsfelde, sondern in der Stadt<br />

haben möchten”. Der rührige Katholik gab<br />

zu bedenken, dass die räumliche Verbindung<br />

von Marienhospital und Mariensäule<br />

schon aus künstlerischen Erwägungen<br />

heraus untunlich sei. Das Marienhospital<br />

werde im gotischen Stil errichtet, während<br />

die Mariensäule romanische Züge aufweise.<br />

Nach der Flammenrede von Wilhelm Herchenbach<br />

war von einer Aufstellung der<br />

Mariensäule vor dem Marienhospital keine<br />

Rede mehr. Dessen ungeachtet fand 1870<br />

gleichwohl das Modell, nach dem Joseph<br />

Reiß die Hauptfigur für die noch aufzustellende<br />

Mariensäule angefertigt hatte, wider<br />

aller „Sünden gegen den ästhetischen Geschmack”<br />

im Vestibül des neu eröffneten<br />

Marienhospitals einen dauerhaften Platz,<br />

„wo sie als Patronin des Hauses jeden<br />

Eintretenden begrüßte”.<br />

62


Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten<br />

in Düsseldorf<br />

Kranken-, Heil- und<br />

Pflegeanstalten in<br />

Düsseldorf<br />

Als das Marienhospital in Pempelfort im<br />

<strong>Jahre</strong> 1870 seine Arbeit aufnahm, glaubten<br />

die für die medizinische Versorgung der<br />

Bevölkerung zuständigen Stellen, mit dem<br />

neueröffneten Hospital und den bereits bestehenden<br />

Anstalten die Krankenhausfrage<br />

in Düsseldorf auf viele Jahrzehnte gelöst<br />

zu haben. Niemand vermochte damals<br />

zu ahnen, dass die Errichtung der beiden<br />

konfessionellen Krankenhäuser lediglich<br />

den Beginn einer Bauwelle an Kranken-,<br />

Heil- und Pflegeanstalten in Düsseldorf<br />

markierte. Gab es mit der Eröffnung des<br />

Marienhospitals in Düsseldorf bei 70000<br />

Einwohnern drei allgemeine Krankenhäuser,<br />

so vervierfachte sich die Zahl der Anstalten<br />

in der Stadt innerhalb eines halben<br />

Jahrhunderts. Als das Marienhospital im<br />

<strong>Jahre</strong> 1920 auf seine fünfzigjährige Wirksamkeit<br />

zurückblickte, konnten die 400000<br />

Bewohner der Stadt im Krankheitsfall unter<br />

14 größeren Heilanstalten wählen.<br />

Die mit Abstand größte medizinische<br />

Einrichtung in Düsseldorf waren die Allgemeinen<br />

städtischen Krankenanstalten.<br />

Bereits am 17. August 1897 hatte die Stadtverordnetenversammlung<br />

beschlossen, ein<br />

Krankenhaus in kommunaler Trägerschaft<br />

mit zunächst 300 Betten einzurichten. Von<br />

der Herzoglich Arenbergschen Verwaltung<br />

wurde in Stoffeln ein Grundstück erworben<br />

und in den <strong>Jahre</strong>n 1904 bis 1907 mit einem<br />

Kostenaufwand von rund 7 Millionen Mark<br />

bebaut. Als die Anstalten am 27. Juli 1907<br />

ihrer Bestimmung übergeben wurden,<br />

umfasste die Anlage 25 Einzelbauten mit 745 Krankenbetten,<br />

verteilt auf einer Fläche von 9 Hektar. Die Gruppe der eigentlichen<br />

Krankenhausbauten bestand aus 15 festen Gebäuden<br />

und drei Baracken, die sieben verschiedenen ärztlichen Diensten<br />

zugeordnet waren: Medizinische Klinik, Klinik für Hals-,<br />

Nasen- und Ohren-Krankheiten, Klinik für Augenheilkunde,<br />

Klinik für Kinderheilkunde, Klinik für Frauenheilkunde und<br />

Geburtshilfe, Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten,<br />

Klinik für Infektionskranke. Nach einem Rundgang über das<br />

Anstaltsgelände schrieb der Redakteur vom Düsseldorfer<br />

Tageblatt am 7. Juli 1907 über die Vorzüge der einzelnen<br />

Klinikbereiche: „Ihr Gesamteindruck ist ein überaus wohltuender;<br />

überall drängt sich dem Besucher die Überzeugung auf,<br />

daß etwas möglichst Vollkommenes geschaffen ist, daß allen<br />

Anforderungen an die moderne medizinische Wissenschaft<br />

entspricht, daß das Beste von allen Erfahrungen verwirklicht<br />

worden, die durch die medizinischen Forschungen gesammelt<br />

worden sind. Und so dürften unsere neuen Krankenanstalten<br />

vorbildlich, ja in mancher Beziehung sogar bahnbrechend<br />

werden für ähnliche Anstalten”.<br />

Allgemeine Städtische<br />

Krankenanstalten,<br />

Moorenstraße 5, 1934<br />

63


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Der Plan der Stadtverwaltung, ein eigenes Krankenhaus<br />

zu errichten, stellte den Vorstand des Marienhospitals vor<br />

die schwierige Aufgabe, das eigene Haus auf einen wirtschaftlichen<br />

Konkurrenzkampf vorzubereiten, den es unter<br />

den Düsseldorfer Heilanstalten bisher nicht gegeben hatte.<br />

Schon im Bericht für das Jahr 1908 musste der Vorstand<br />

einräumen: „Die Belegung des Hospitals mit Kranken war im<br />

<strong>Jahre</strong> 1908 schwächer als im Vorjahr. Die Zahl der Kranken<br />

betrug 2909, 1907 3602, die Zahl der geleisteten Pflegetage<br />

106875, 1907 120079. Die Ursachen dieses ... Rückgangs<br />

ist ... in der Verminderung der städtischerseits überwiesenen<br />

Armenkranken zu erblicken; sie verminderten sich von 654<br />

Personen mit 21760 Pflegetagen auf 319 Personen mit<br />

12500 Pflegetagen”. Aus naheliegenden Gründen war die<br />

Armenverwaltung darauf bedacht, auf<br />

Kosten der Stadt zu behandelnde Patienten<br />

in das kommunale Krankenhaus in Stoffeln<br />

einzuweisen. Um gegen die Allgemeinen<br />

städtischen Krankenanstalten wie auch die<br />

übrigen konfessionellen und privaten Krankenhäuser<br />

bestehen zu können, musste das<br />

Marienhospital nicht nur stetig ausgebaut<br />

und modernisiert werden, sondern auch<br />

Präsenz in der Öffentlichkeit zeigen.<br />

Krankenanstalten in Düsseldorf und Umgebung, 1920<br />

Allgemeine städtische<br />

Krankenanstalten<br />

Moorenstr. 5<br />

Gründung: 1907<br />

Träger: Stadt Düsseldorf<br />

Pflege: Weltliche Schwestern<br />

Augusta-Klinik<br />

Schwanenmarkt 4<br />

Gründung: 1912<br />

Träger: Dr. Karl Josef Wederhake<br />

Pflege: Weltliche Schwestern<br />

Augusta-Krankenhaus<br />

Amalienstr. 9<br />

Gründung: 1904<br />

Träger: Töchter vom Hl. Kreuz<br />

Pflege: Töchter vom Hl. Kreuz<br />

Diakonissen-Krankenhaus<br />

Alte Landstraße 179<br />

Gründung: 1836<br />

Träger: Kaiserswerther Diakonie<br />

Pflege: Diakonissen<br />

64


Kranken‐, Heil‐ und Pflegeanstalten<br />

in Düsseldorf<br />

Krankenhaus der<br />

Dominikanerinnen<br />

Rheinallee 26/27<br />

Gründung: 1902<br />

Träger: Dominikanerinnen<br />

Pflege: Dominikanerinnen<br />

Evangelisches Krankenhaus<br />

Fürstenwall 91<br />

Gründung: 1849<br />

Träger: Kuratorium<br />

Pflege: Diakonissen<br />

Freytag-Krankenhaus<br />

Gartenstr. 15<br />

Gründung: 1919<br />

Träger: Dr. Katharine Freytag<br />

Pflege: Schwestern vom<br />

Roten Kreuz<br />

Hellendall-Klinik<br />

Elisabethstraße 39<br />

Gründung: 1901<br />

Träger: Dr. Hugo Hellendall<br />

Pflege: Katholischer Krankenfürsorgeverein<br />

vom<br />

Roten Kreuz<br />

St. Josephs-Krankenhaus<br />

Hospitalstr. 1<br />

Gründung: 1892<br />

Träger: Bürgermeisterei Benrath<br />

Pflege: Arme Dienstmägde<br />

Jesu Christi<br />

St. Josephs-Krankenhaus<br />

Kruppstr. 23<br />

Gründung: 1898<br />

Träger: Vinzentinerinnen<br />

Pflege: Vinzentinerinnen<br />

Luisenkrankenhaus<br />

Degerstr. 8/10<br />

Gründung: 1901<br />

Träger: Dr. Paul Kuliga<br />

Pflege: Weltliche Schwestern<br />

Marienhospital<br />

Sternstr. 91<br />

Gründung: 1870<br />

Träger: Kuratorium<br />

Pflege: Arme Schwestern<br />

vom Hl. Franziskus<br />

65


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marien-Krankenhaus<br />

An St. Swidbert 17<br />

Gründung: 1855<br />

Träger: Kirchengemeinde<br />

St. Suitbertus<br />

Pflege: Arme Schwestern<br />

vom Hl. Franziskus<br />

Martinuskrankenhaus<br />

Martinstr. 7<br />

Gründung: 1914<br />

Träger: Pfarrgemeinde St. Martin<br />

Pflege: Arme Dienstmägde Christi<br />

Provinzial Heil- und Pflegeanstalt<br />

Grafenberg<br />

Bergische Landstr. 2<br />

Gründung: 1876<br />

Träger: Rheinprovinz<br />

Pflege: Weltliche Schwestern<br />

Theresienhospital<br />

Stiftsplatz 13<br />

Gründung: 1832<br />

Träger: Töchter vom Hl. Kreuz<br />

Pflege: Töchter vom Hl. Kreuz<br />

Tuberkulose-Kinderheilstätte<br />

Waldesheim<br />

Stadtwaldstraße 1<br />

Gründung: 1909<br />

Träger: Landesversicherungsanstalt<br />

Rheinprovinz<br />

Pflege: Weltliche Schwestern<br />

Vinzenzhaus<br />

Schloßstr. 81/85<br />

Gründung: 1894<br />

Träger: Vinzentinerinnen<br />

Pflege: Vinzentinerinnen<br />

Westdeutsche Kieferklinik<br />

Sternstr. 35/41<br />

Gründung: 1917<br />

Träger: Verein „Westdeutsche<br />

Kieferklinik“<br />

Pflege: Weltliche Schwestern<br />

Wöchnerinnenheim<br />

Flurstraße 14<br />

Gründung: 1882<br />

Träger: Frauenverein zur<br />

Unterhaltung eines<br />

Wöchnerinnen-Asyls<br />

Pflege: Weltliche Schwestern<br />

66


<strong>Jahre</strong>sberichte<br />

<strong>Jahre</strong>sberichte<br />

Um die interessierte Öffentlichkeit regelmäßig<br />

über die wirtschaftliche, organisatorische<br />

und medizinische Fortentwicklung des<br />

Marienhospitals zu unterrichten, wurden<br />

seit der Eröffnung der Allgemeinen städtischen<br />

Krankenanstalten die jährlichen<br />

Rechenschaftsberichte des Vorstandes und<br />

der ärztlichen Stationsleiter in gedruckter<br />

Form veröffentlicht und auf diese Weise<br />

einem breiteren Publikum zugänglich<br />

gemacht. Unter dem Titel „Bericht des<br />

Marienhospitals zu Düsseldorf über das Jahr<br />

1907” erschien erstmals ein broschürtes<br />

Heftchen, in dem die Verantwortlichen des<br />

Marienhospitals auf 28 Seiten Rechenschaft<br />

über ihre geleistete Arbeit im genannten<br />

Zeitraum gaben.<br />

Wie der Patientenstatistik des Marienhospitals<br />

für das Jahr 1907 zu entnehmen<br />

ist, war die Abteilung für Innere Krankheiten<br />

bei der Behandlung von Magengeschwüren<br />

außerordentlich erfolgreich. Glaubt man den<br />

Aufzeichnungen von Dr. Paul Franz Leopold<br />

Engelen, war das gute Ergebnis dem Einsatz<br />

alternativer Therapien zu verdanken. „Bei<br />

der Behandlung des Ulcus ventriculi”, so der<br />

Leiter der Abteilung für Innere Krankheiten<br />

im Marienhospital, „wurde nach dem Vorgange<br />

von Lenhartz von der meistüblichen<br />

Ziemssen-Leubeschen Ruhe- und Schonungsdiät<br />

Abstand genommen und eine<br />

möglichst konzentrierte eiweissreiche Ernährung<br />

durchgeführt. In dieser Weise sind 27<br />

Magengeschwüre, von denen mehrere mit<br />

direkt bedrohlichen Blutungen eingeliefert<br />

wurden, behandelt und geheilt worden;<br />

Misserfolge, Todesfälle, Notwendigkeit<br />

chirurgischen Eingreifens hatten wir nicht zu<br />

verzeichnen. Bei Blutbrechen oder starkem<br />

Blutgehalt des Stuhles wurde<br />

zunächst nur Eis gegeben und<br />

bei Nachlass der bedrohlichen<br />

Erscheinungen zuerst Gelatine.<br />

Wenn dann Blut nicht mehr<br />

erbrochen wurde resp. wenn<br />

der Blutgehalt des Faces nicht<br />

mehr erheblich war, wurde die<br />

Bekömmlichkeit geschlagener<br />

Eier versucht, deren Zahl pro<br />

Tag bei Tolleranz des Magens<br />

gegen diese Nahrung in schneller<br />

Folge auf 8 Stück gesteigert<br />

wurde. Baldmöglichst wurde<br />

auch rohes gehacktes Fleisch<br />

in häufigen kleinen über den<br />

ganzen Tag verteilten Portionen gereicht. Sehr bewährt<br />

hat sich als Kräftigungsmittel Tropon, das bei hochgradiger<br />

Anaemie in Form von Eisentropon gereicht wurde. Fast immer<br />

Marienhospital, <strong>Jahre</strong>sbericht, 1907<br />

Dr. Paul Engelen (1876-1945), um 1940<br />

Das Marienhospital in den <strong>Jahre</strong>n 1904 bis 1913<br />

1904 1905 1906 1907 1908<br />

Patienten - 3070 3579 3602 2909<br />

Pflegetage - 109580 120560 120079 106875<br />

Höchster Krankenstand - 375 - 370 371<br />

Niedrigster Krankenstand - 240 - 279 245<br />

Durchschnittliche Aufenthaltsdauer (Tage) - 30,25 - 33,33 36,66<br />

Freibetten (Patienten) - 127 - 113 121<br />

Freibetten (Pflegetage) - 16424 - 20599 19023<br />

Einnahme Pflegekosten (Mark) - - 250789,85 255995,67 242964,19<br />

Ausgaben Krankenpflege (Mark) - - 239366,67 259623,67 24757,43<br />

1909 1910 1911 1912 1913<br />

Patienten 3141 3257 3950 4348 -<br />

Pflegetage 111932 111911 114427 130398 140551<br />

Höchster Krankenstand 340 339 335 411 -<br />

Niedrigster Krankenstand 282 265 292 - -<br />

Durchschnittliche Aufenthaltsdauer (Tage) 35,66 34,5 29 - -<br />

Freibetten (Patienten) 120 132 112 114 -<br />

Freibetten (Pflegetage) 17630 17394 15118 15742 -<br />

Einnahme Pflegekosten (Mark) 261734,33 271988,86 288887,38 358485,70 -<br />

Ausgaben Krankenpflege (Mark) 253304,23 251469,89 273715,22 321953,50 -<br />

67


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Unter der Rubrik „seltene und interessante Operationen” beschreibt der Leiter der chirurgischen<br />

Abteilung, Dr. Ludwig Sträter, im <strong>Jahre</strong>sbericht 1907 einige ungewöhnliche Krankenfälle und<br />

ihre medizinische Behandlung im Marienhospital.<br />

„Volvulus. Wilhelm U., 39 <strong>Jahre</strong> alt, wurde<br />

am 9. Oktober 1907 wegen Unwegsamkeit<br />

des Darmes aufgenommen. Der Leib war<br />

hochgradig aufgetrieben und mit Flüssigkeit<br />

angefüllt. Seit etwa 8 Tagen bestand Stuhlverhaltung<br />

und zeitweiliges Erbrechen. Da von<br />

einer innerlichen Medikation ein Erfolg nicht<br />

zu erwarten stand, so erfolgte nach 2 Tagen<br />

die Laparotomie. Bei derselben entleerte sich<br />

zunächst eine große Menge serös milchiger<br />

Flüssigkeit. Ferner fand sich eine kolossale<br />

Anfüllung der Mesenterialgefäße; alle Venen<br />

waren Gänsekieldick angeschwollen. Das<br />

Hinderniß konnte zunächst nicht gefunden<br />

werden. Zweimal mußte der ganze Dünndarm<br />

hervorgeholt werden, als man endlich<br />

fand, daß das Mesenterium um seine Achse<br />

gedreht war und damit gleichzeitig der an<br />

demselben befindliche Dünndarm. Nachdem<br />

die Masse Dünndarmschlingen an die richtige<br />

Stelle umgelegt war, erfolgte die Schließung<br />

der Wunde. Der gewünschte Erfolg trat sofort<br />

ein. Die Störung der Passage war behoben, indem<br />

Gase per vias naturales entleert wurden.<br />

Im weiteren Verlaufe wurde die Heilung durch<br />

ziemlich hartnäckigen Diarrhöen verzögert.<br />

Nachdem diese durch Opiate beseitigt waren,<br />

verließ U. am 7. November 1907 geheilt das<br />

Hospital”.<br />

„Talmasche Operation wegen Lebercirrhose.<br />

Michael B., 36 <strong>Jahre</strong> alt, kam am 26. März<br />

1907 wegen hochgradiger Bauchwassersucht<br />

ins Hospital. Aus der Anamnese ging<br />

hervor, daß Patient übermäßig stark dem<br />

Alkohol ergeben war, weshalb die Diagnose<br />

auf Leberschrumpfung gestellt wurde. Bei<br />

einer zunächst vorgenommenen Punktion<br />

des Leibes wurden 8 Liter Flüssigkeit entleert,<br />

jedoch stellte sich die Wassersucht nach 14<br />

Tagen in gleich hohem Grade wieder ein.<br />

Die vorgeschlagene Operation nach Talma<br />

wurde angenommen und am 16. April 1907<br />

ausgeführt. Der Leib wurde eröffnet und das<br />

parietale Bauchfell mit dem scharten Löffel<br />

wundgemacht, hierauf das Netz mit der<br />

Bauchwand durch Matratzennähte fixiert<br />

und ein Teil desselben in die Bauchwunde<br />

eingenäht, darüber die Hautwunde vereinigt.<br />

Der Erfolg der Operation bestand darin, daß<br />

eine Ansammlung von Flüssigkeit später nicht<br />

mehr konstatiert wurde. Es wurde so durch<br />

die Talmasche Operation ein Collateralkreislauf<br />

gebildet, welcher die vorher bestandene<br />

Stauung in der Leber ausglich. Da die Operation<br />

jedoch auf die Leberschrumpfung keinen<br />

Einfluß ausübt und der Patient zudem derart<br />

dem Alkoholgenusse fröhnte, daß er sogar in<br />

der Rekonvalescenz demselben nicht entsagte,<br />

sondern stets heimlich extravagierte, so ist<br />

nicht wahrscheinlich, daß die Operation einen<br />

dauernden Erfolg haben wird. Am Tage der<br />

Entlassung, dem 8. Juni 1907 bestand eine<br />

Bauchwassersucht nicht mehr”.<br />

konnte schon nach wenigen Tagen diese<br />

etwas einförmige Diät durch Zufügen von<br />

Schleimsuppen, Milch, Sahne, Butterkügelchen<br />

etwas reichhaltiger gestaltet werden.<br />

(Zeitweise wurde ausgesetzt, um den Stuhl<br />

chemisch auf das Vorhandensein von geringen<br />

Blutmengen prüfen zu können). Bei<br />

nicht mehr blutenden Geschwüren, (d.i.<br />

wenn der Stuhl chemisch blutfrei war) wurde<br />

dann breiige Kost: Kartoffelbrei, Zwieback<br />

in Milch geweicht, Puddings, Makkaroni,<br />

Kalbshirn, gekochte und zerkleinerte Eier,<br />

sehr lange gewässerter und ganz weich<br />

gekochter Reis etc. hinzugefügt. Dann<br />

erfolgte ganz allmählich und vorsichtig tastend<br />

der Übergang zur gewöhnlichen Kost,<br />

wobei nur für lange Zeit grobe und schwer<br />

verdauliche Speisen zu meiden sind. Medikamentös<br />

wurde Wismut (durchschnittlich<br />

3 mal täglich 2 gr.) gegeben, einmal war<br />

bei sehr starker Blutung eine Adrenalin-<br />

Injektion erforderlich. Solange Blut chemisch<br />

nachweisbar war, wurde eine Eisblase auf<br />

die Magengegend appliziert, bei nicht mehr<br />

blutendem aber noch schmerzhaftem und<br />

druckempfindlichen Ulcus feuchte Wärme.<br />

Die geschilderte diätetische Therapie hat<br />

große Vorteile gegen die schon seit etwa 70<br />

<strong>Jahre</strong>n (Cruveilhier) souveräne reichlichste<br />

Milchzufuhr. Bei forcierter Milchernährung<br />

stellt sich meist recht bald ein heftiger Widerwillen<br />

gegen dieses Nahrungsmittel ein,<br />

so daß die Durchführung dieses Regimes<br />

auf großen Widerstand stößt und nicht<br />

Konfessionsstatistik Marienhospital 1905<br />

Katholische Patienten 2500<br />

Evangelische Patienten 530<br />

Jüdische Patienten 28<br />

Dissidenten 2<br />

Griechisch-katholische Patienten 1<br />

Summa 3061<br />

68


Erweiterungsbauten 1910/1912<br />

selten wegen unüberwindlicher Abneigung<br />

unmöglich ist. Bei vorzugsweiser Milchdiät<br />

erfolgt häufig eine lästige und beschwerliche<br />

Auftreibung des Leibes, die bei oben<br />

geschilderter Ernährungsweise verhindert<br />

wird. Weiter hat sich diese Diät als vorzüglich<br />

geeignet erwiesen zur Bekämpfung der bei<br />

der Entstehung des Magengeschwüres sehr<br />

einflussreichen Blutarmut. Während bei<br />

Durchführung des Ruhe- und Schonungsprinzipes<br />

die Kranken stark abmagern und<br />

erheblich entkräftet werden, können sie<br />

bei obiger Diätform nach kurzer Zeit (4-5<br />

Wochen) in blühendem und vollkräftigem<br />

Gesundheitszustand entlassen werden.<br />

Die wesentliche Kürzung der Kurdauer ist<br />

schließlich ein weiterer beachtenswerter<br />

Vorzug der jetzt angewandten Diätvorschriften.<br />

Die erreichten Erfolge sprechen aber<br />

in jeder Beziehung zugunsten der neuen<br />

diätischen Therapie”.<br />

Erweiterungsbauten<br />

1910/1912<br />

Spätestens mit Eröffnung der Allgemeinen<br />

städtischen Krankenanstalten hatte der Vorstand<br />

erkannt, dass das über dreißig <strong>Jahre</strong><br />

alte Marienhospital „in etwa rückständig<br />

geblieben war“ und dringend erweitert und<br />

modernisiert werden musste. Schon im <strong>Jahre</strong>sbericht<br />

1908 beklagte der Vorstand: „Die<br />

notwendige Erweiterung der bestehenden<br />

Räume am Marienhospital, die eine Ausgabe<br />

von weit über 100000 Mark erfordern wird,<br />

konnte im Berichtsjahre wegen anderwertiger<br />

Anforderungen nicht im erwünschten<br />

Maße gefördert werden. Doch bleibt diese<br />

Aufgabe sehr dringlich und wird nunmehr<br />

ohne Verzug der Lösung entgegengeführt“.<br />

Bis mit der Ausführung der<br />

Baupläne begonnen werden<br />

konnte, vergingen jedoch noch<br />

zwei <strong>Jahre</strong>. Nachdem im März<br />

1910 die Pläne zum Erweiterungsbau<br />

fertiggestellt waren<br />

und „die Entscheidung über<br />

deren Genehmigung durch<br />

das Entgegenkommen aller<br />

Behörden so gefördert, dass am<br />

9. Juni 1910 die Bauerlaubnis“<br />

vorlag, wurden im September<br />

1910 die Arbeiten aufgenommen<br />

und die Fertigstellung aller<br />

Erweiterungsbauten im März<br />

1912 erreicht.<br />

Die feierliche Einweihung<br />

wurde am 16. April 1912 von Prälat Johannes Kribben vorgenommen,<br />

worüber das Düsseldorfer Tageblatt am folgenden<br />

Tag berichtete: „Für das Marienhospital war der gestrige Tag<br />

ein Ehrentag. Vertreter der kirchlichen, staatlichen und städtischen<br />

Behörden und der ärztlichen Wissenschaft gedachten<br />

Marienhospital,<br />

Erweiterungsbauten, 1911<br />

Marienhospital, Rückfront mit<br />

Erweiterungsbauten von 1912,<br />

um 1935<br />

69


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, Hauptfront,<br />

um 1910<br />

Marienhospital, Liegehalle<br />

der Männer, um 1930<br />

dankbar der großen Verdienste, die sich das Marienhospital<br />

während mehr als vierzig <strong>Jahre</strong> auf dem Gebiete der christlichen<br />

Caritas erworben hat. In herzlichen Worten wurde der Anstalt<br />

der Dank für ihre segensreiche Tätigkeit ausgesprochen und<br />

alle Gratulanten vereinigten sich in dem Wunsche, daß das<br />

Marienhospital in demselben Geiste weiter wirken möge wie<br />

Marienhospital,<br />

Röntgenabteilung, 1912<br />

Marienhospital, Veranda, 1912<br />

Marienhospital,<br />

Badeabteilung, 1912<br />

bisher. ... Oberbürgermeister Dr. Adalbert<br />

Oehler dankte dafür, daß ihm Gelegenheit<br />

geboten worden sei, das Marienhospital<br />

kennen zu lernen. Unter den Krankenanstalten<br />

Düsseldorfs nehme das Marienhospital<br />

eine hervorragende Stellung ein. Ströme<br />

christlicher Nächstenliebe seien von hier<br />

aus in die Bürgerschaft Düsseldorfs geflossen.<br />

... Es folgte dann eine Besichtigung<br />

der neuen Räume, deren zweckdienlichen<br />

Einrichtungen allseitig Verwunderung und<br />

Anerkennung fanden“.<br />

Mit der Planung und Bauausführung<br />

bei laufendem Krankenhausbetrieb war<br />

wieder der Architekt Caspar Clemens Pickel<br />

beauftragt. Die Kosten beliefen sich auf etwa<br />

540000 Mark, wozu noch die Auslagen<br />

für die medizinische Ausstattung und das<br />

Mobiliar hinzukamen.<br />

Nach seiner Fertigstellung im Frühjahr<br />

1912 stellte sich das Krankenhaus mit den<br />

Erweiterungsbauten als imposante dreiflügelige<br />

Anlage mit drei neuen Anbauten<br />

zur Straßenseite (Sternstraße) bzw. zum<br />

Garten (Ehrenstraße) dar. Äußerlich bot es<br />

damit an der Sternstraße schon fast das für<br />

Jahrzehnte gültige Bild des Pempelforter<br />

Marienhospitals. In einer Beschreibung, die<br />

aus Anlass der Einweihung in einer größeren<br />

Stückzahl vertrieben wurde, heißt es über<br />

die Erweiterungsbauten: „Die neuen Bauten<br />

gliedern sich in drei verschiedene Anbauten,<br />

während außerdem das alte Haus mit einem<br />

Kostenaufwand von etwa 80000 Mark zeitgemäß<br />

erneuert wurde. Zwei der Anbauten,<br />

straßenwärts der Ost- und der Westflügel<br />

enthalten 34 Zimmer I. und II. Klasse, die<br />

nach Größe und Ausstattung nunmehr<br />

auch verwöhnteren Ansprüchen Genüge<br />

leisten dürften. Doppeldecken und andere<br />

Schalldämpfungseinrichtungen, eigene<br />

elegante Badezimmer, Toiletten, Teeküchen<br />

70


Erweiterungsbauten 1914/1915<br />

und Speiseaufzüge tragen ferner dazu bei,<br />

bei diesen Stationen alle Forderungen der<br />

Bequemlichkeit und Hygiene ausgiebig zu<br />

erfüllen. Indessen haben sich unsere Privatkranken-Zimmer<br />

nicht um diese volle Zahl<br />

vermehrt, vielmehr sind 17 kleinere Zimmer<br />

durch Umbau in solche Nebenräume und in<br />

Lichtflure weggefallen. Wir werden daher<br />

auch in Zukunft, getreu dem Gedanken der<br />

Gründer unseres Hauses in der Verpflegung<br />

der minderbemittelten Klassen, insbesondere<br />

auch des Mittelstandes den Schwerpunkt<br />

unseres Betriebes legen. Zu diesem Zweck<br />

sind in den Obergeschossen des dritten<br />

Anbaues, des Ostflügels gartenwärts drei<br />

helle geräumige Stationen dritter Klasse<br />

von je etwa 20 Betten mit prächtigen,<br />

im Winter heizbaren Liegehallen, großen<br />

Fluren und dergleichen eingerichtet. Auch<br />

hier ist alles erdenkliche für die Bequemlichkeit<br />

und Hygiene geschehen, wie es<br />

auch die Angabe dartut, das im Ganzen<br />

neu hergestellt wurden: 3 Aufzüge, 13<br />

Badezimmer, 17 Toiletten, 4 Teeküchen, 9<br />

Liegehallen, 3 Balkons, 9 Fernsprechapparate<br />

usw.. Der Hauptgesichtspunkt aber, der den<br />

Gedanken des Baues leitete, war nicht die<br />

Raumvermehrung, sondern die Erfüllung<br />

der durch die Fortschritte der Chirurgie,<br />

wie der inneren Medizin gestellten Forderungen<br />

nach vollendeten Operations- und<br />

therapeutischen Einrichtungen. Deshalb sind<br />

auch die Ausmessungen des vornehmlich<br />

für sie bestimmten Ostflügels mit über 40<br />

Meter Länge, denen der andern Bauten weit<br />

voranstehend. Hier dehnt sich im Untergeschoß<br />

zunächst die therapeutische Station<br />

für die innere Abteilung aus, dahinter der<br />

Röntgensaal und die medico-mechanische<br />

Einrichtung“.<br />

Erweiterungsbauten 1914/1915<br />

Eine weitere größere Erweiterung<br />

des Marienhospitals<br />

wurde 1914/15 mit dem Ausbau<br />

der Wirtschaftsräume, der<br />

Wohnungen für die Hausangestellten<br />

und der Klausur für die<br />

Pflegeschwestern vorgenommen.<br />

Schon 1884 war der dem<br />

Eingang gegenüberliegende<br />

Südflügel zur Einrichtung neuer<br />

Wohnräume für die Schwestern<br />

erhöht worden. Kurz vor<br />

Ausbruch des Ersten Weltkrieges<br />

erweiterte man diesen Flügel<br />

erneut, so dass er an Höhe<br />

und Tiefe dem östlichen Südflügel<br />

fast gleichkam. Wie der<br />

Hauschronik zu entnehmen<br />

ist, waren die vom Architekten<br />

Caspar Clemens Pickel betreuten<br />

Erweiterungsbauten, zu<br />

denen am 31. Mai 1914 der<br />

Grundstein gelegt wurde, Ende<br />

des <strong>Jahre</strong>s im Rohbau fertig gestellt<br />

und konnten im Sommer<br />

1915 in Benutzung genommen<br />

werden. Neben der Errichtung<br />

des neuen Schwesternhauses<br />

mit Spülküche, Bügel- und<br />

Mangelraum wurde im Zuge<br />

der Erweiterungsmaßnahmen<br />

auch das Maschinenhaus<br />

umgebaut, wo ein neuer<br />

Doppelkessel und eine Desinfektionsanlage<br />

ihren Platz<br />

fanden. Die Ordenschronik der<br />

Pflegeschwestern berichtete<br />

zur Fertigstellung der Erweiterungsbauten:<br />

„Am 6. April<br />

Marienhospital,<br />

Maschinenhaus, um 1930<br />

Marienhospital,<br />

Erweiterungsbauten, 1914<br />

Marienhospital,<br />

Mangelraum, um 1930<br />

71


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital,<br />

Bügelraum, um 1930<br />

Marienhospital,<br />

Erweiterungsbauten, 1914<br />

Paulushaus, Luisenstraße 33,<br />

um 1915<br />

konnten die ersten 4 Zellen der<br />

III. Etage, und am 13. Mai 1915<br />

dem Feste Christi Himmelfahrt<br />

das schöne neue Refectorium<br />

mit den anliegenden Räumen<br />

benutzt werden. ... Der Umbau<br />

des Klausurflügels erstreckt<br />

sich hauptsächlich auf die<br />

Schlafzellen der Schwestern<br />

und des Dienstpersonals. Nach<br />

baupolizeilicher Verordnung<br />

mußten die alten Gänge verbreitert und mit einem Lichtflur<br />

versehen werden, wodurch mehrere Räume in Wegfall kamen.<br />

Das Dachgeschoß durfte nur mehr Räume nach einer Seite<br />

hin haben. Ende Mai konnten sämtliche Zellen, Zimmer und<br />

Wirtschaftsräume fertig bezogen werden. Das Mangelzimmer<br />

wurde durch einen hydraulischen Wäscheaufzug mit dem<br />

Leinwandzimmer verbunden, und im Bügelzimmer ein elektrischer<br />

Bügelofen angelegt. Durch die in den letzten <strong>Jahre</strong>n<br />

vorgenommenen Umänderungen und Neueinrichtungen<br />

kamen auch eine Anzahl elektrischer Motoren in Aufstellung<br />

und setzten nunmehr 21 ... Maschinen und Apparate<br />

in Bewegung“.<br />

Kriegsbegeisterung<br />

Der Erste Weltkrieg brachte für den Düsseldorfer Katholizismus<br />

mannigfache Belastungsproben. An der Kriegsbegeisterung,<br />

die im August<br />

1914 die Massen im ganzen<br />

Land ergriff, hatte er vollen<br />

Anteil. Überzeugt von der Notwendigkeit,<br />

das Vaterland zu<br />

verteidigen, das ihnen zu Unrecht<br />

angegriffen schien, galt<br />

den Katholiken der Krieg als<br />

gerecht, und viele sahen auch<br />

kein Hindernis, nach einem<br />

deutschen Sieg weitgehende<br />

Gewinne an Land und Gut vom<br />

niedergeworfenen Gegner zu<br />

fordern. Zwei Tage vor der Kriegserklärung<br />

Österreich-Ungarns an Serbien am 28. Juli<br />

1914 fand im Paulushaus (Luisenstr. 33)<br />

eine Versammlung des „Vereins christlicher<br />

Arbeiter und Handwerker“ statt, die in charakteristischer<br />

Weise die Stimmung unter<br />

den Düsseldorfer Katholiken widerspiegelt.<br />

Ein Bericht des Düsseldorfer Tageblatts gibt<br />

die Ansprache des Gastredners Pfarrer Johann<br />

Adenauer (St. Joseph, Rath) mit den<br />

Worten wieder: „Tiefe Ruhe herrschte im<br />

Saale, als Herr Pfarrer Adenauer mit fester<br />

begeisterter Stimme fortfuhr: ‚Die Zeit ist<br />

ernst! Die Zeit ist schwer! Bange Sorgen<br />

birgt die nächste Zukunft. Die Gefahr des<br />

Krieges schwebt über uns, und es gilt harte<br />

Opfer zu bringen. Wir geben sie gern,<br />

und wenn auch bange Sorgen die Zurückbleibenden<br />

erfüllen, es gilt weit mehr: es<br />

gilt die Verteidigung des Vaterlandes. Da<br />

wollen wir beweisen, daß wir treue Söhne<br />

des Reiches sind, und beweisen, daß<br />

der Schimpf vaterlandsloser Gesinnung<br />

ein ruchloses Geschwätz unserer Gegner<br />

ist. ... Hierbei stärkt uns unser Glaube,<br />

und Gott in den Himmeln wird uns die<br />

Wege weisen. Ihm stets zugetan und seiner<br />

heiligen Kirche. So sei es!‘ Eine wahre<br />

Begeisterung toste durch den Saal, als der<br />

Redner geendet. Herr Meyer forderte alle<br />

auf zu dem patriotischen Lied: ‚Es braust<br />

ein Ruf wie Donnerhall‘, das stürmisch zu<br />

Ende gesungen wurde“.<br />

Als vier Tage später in Berlin die Nachricht<br />

von der russischen Mobilmachung<br />

eintraf, erklärte die deutsche Regierung<br />

gemäß Artikel 68 der Reichsverfassung den<br />

„Zustand drohender Kriegsgefahr“, von<br />

dem die Düsseldorfer Bevölkerung noch<br />

am gleichen Abend durch Anschlagzettel<br />

unterrichtet wurde.<br />

72


Kriegsbegeisterung<br />

Neben Oberbürgermeister Adalbert Oehler,<br />

der mit einem Aufruf „An meine Mitbürger“<br />

alle Zweifel an einer ausreichenden<br />

Lebensmittelversorgung zerstreuen wollte,<br />

gab am gleichen Tag auch das „Pfarrkapitel<br />

der Stadt Düsseldorf“ eine Erklärung „An<br />

die katholischen Krieger“ heraus: „Noch<br />

ist die Mobilmachung der gesamten Landund<br />

Seemacht nicht erfolgt: aber wenn sie<br />

erfolgt ist, dann wird die Eröffnung der<br />

Feindseligkeiten nicht mehr lange auf sich<br />

warten lassen. Was die Zukunft bringen<br />

wird, Gott mag es wissen. Hoffen wir zuversichtlich,<br />

daß er, der 1870/71 die Waffen<br />

der Väter gesegnet hat, auch 1914 uns als<br />

Alliierter zur Seite steht. Das eine ist aber<br />

sicher, der Erfolg hängt zum guten Teil ab<br />

von der moralischen Kriegsbereitschaft. Aus<br />

dieser Erwägung heraus richtet das Pfarrkapitel<br />

der Stadt Düsseldorf folgenden Aufruf<br />

an die katholischen Krieger: Katholische<br />

Krieger! Der Kaiser ruft Euch zur Fahne;<br />

vielleicht werdet Ihr bald für das Wohl des<br />

Vaterlandes kämpfen müssen. Deutsche<br />

Tapferkeit und deutschen Heldenmut könnt<br />

Ihr um so herrlicher erweisen, wenn Ihr<br />

Euch im Frieden mit Gott, dem Lenker der<br />

Schlachten, wißt. Schaut Ihr dann nicht<br />

um so kühner den Gefahren des Krieges,<br />

selbst dem Tode, ins Auge? Darum empfanget<br />

die hl. Sakramente, ehe Ihr einrückt.<br />

Gelegenheit zur Beichte ist an allen Tagen<br />

in allen Kirchen der Stadt, zu jeder Zeit!“.<br />

Was jedermann ahnte, trat am Nachmittag<br />

bzw. Abend des 1. August 1914<br />

ein: In Deutschland wurde die allgemeine<br />

Mobilmachung der gesamten Streitkräfte<br />

angeordnet und Russland der Krieg erklärt.<br />

Da sich Deutschland stark genug für<br />

einen Zweifrontenkrieg fühlte, scheute es<br />

nicht davor zurück, am 3. August 1914<br />

auch Frankreich den Krieg zu erklären.<br />

In der vaterländischen Begeisterung der ersten Augusttage<br />

schien es für einen Augenblick, als seien die inneren Parteiungen<br />

der deutschen Gesellschaft überwunden. Der weit<br />

verbreiteten Stimmung gab das Düsseldorfer Tageblatt vom<br />

gleichen Tag mit den Worten Ausdruck: „Deutschlands Heer<br />

ist ein Volksheer: zu den Waffen eilen die Männer aus den<br />

Fabriken und Kontoren, die wetterharten Bauernsöhne und<br />

die Akademiker, es gilt kein Ansehen von Person und Stand.<br />

Nebeneinander als Waffenbrüder stehen sie im Glied, bieten<br />

die Brust dem Feind, wissen, daß auch die feindliche Kugel<br />

nicht nach Stand und Rang fragt, ja den Offizier lieber sucht<br />

als den gemeinen Mann. Und der Krieg, den wir nicht zum<br />

Angriff, sondern zur Verteidigung führen, ist ein Volkskrieg.<br />

... Wer heute durch die Straßen unserer Stadt wanderte, dem<br />

mußten Freudentränen ins Auge treten. Welch wunderbare<br />

Ruhe und Entschlossenheit! Eine Kundgebung deutscher<br />

Tatkraft, die jedes Deutschen<br />

Herz mit Stolz erfüllt. ... Es gibt<br />

keinen politischen, keinen sozialen<br />

Kampf mehr; die sich<br />

vordem in bitterer Fehde entgegenstanden,<br />

kennen jetzt<br />

nur noch die freudige Pflicht,<br />

die die gemeinsame Not, die<br />

Sorge um die höchsten idealen<br />

Güter gebiert, kennen nur<br />

noch das stolze Bewußtsein,<br />

daß wir alle Deutsche sind. ...<br />

Und wir hoffen, daß der Sieg,<br />

den Gott unserer gerechten<br />

Sache schenken möge, nicht<br />

nur unserem Volke Freiheit und<br />

Macht sichern wird, sondern<br />

auch durch die Not des Krieges<br />

ihm eine Wiedergeburt und<br />

innerer Festigung bescheren<br />

wird. ... Und so vereinen wir<br />

unsern Rufe mit dem Rufe unserer<br />

Krieger: Gott mit uns! Es<br />

lebe der Kaiser!“.<br />

Düsseldorfer Generalanzeiger,<br />

1. August 1914<br />

Hauptbahnhof, Mobilmachung, 1914<br />

Ratinger Tor, Mobilmachung, 1914<br />

73


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marktstraße 7,<br />

Kartoffelgeschäft, um 1915<br />

Brotkarte, 1915<br />

Rathaus, Zentralstelle für freiwillige<br />

Liebestätigkeit, um 1915<br />

Ritterstraße, Liebesgaben-<br />

Sammelstelle, um 1915<br />

Kriegsfolgen für Düsseldorf<br />

Der „Hurra-Patriotismus“ der ersten Kriegstage war nicht von<br />

langer Dauer und wurde schon bald von drückenden Sorgen<br />

des Kriegsalltages verdrängt. Da Deutschland im <strong>Jahre</strong> 1914<br />

nur auf eine kurze Kriegsdauer eingestellt war, wurde für<br />

den Großteil der Bevölkerung die mangelnde wirtschaftliche<br />

Vorsorge besonders in der bald einsetzenden Lebensmittelverknappung<br />

spürbar. Verbitterung und Ressentiments<br />

lösten im Gefolge des Hungers die innere Geschlossenheit,<br />

die das deutsche Volk in den ersten Kriegsmonaten gezeigt<br />

hatte, allmählich auf. In Düsseldorf wurde schon am 2. August<br />

1914 beschlossen, „alle größeren Vorräte an Getreide,<br />

Mehl, Futter, die in den großen Mühlen des Bezirks oder<br />

auf Rheinschiffen unterwegs waren“, aufzukaufen. „Die<br />

Stadt Düsseldorf erwarb so 30000 Zentner<br />

Weizen, 20000 Zentner Roggenmehl, 305<br />

Eisenbahnwagen Roggenschrot, 4000 Sack<br />

Reis und Graupen, die mit Schiffen von<br />

Holland kamen, mehrere Eisenbahnwagen<br />

Nudeln und Schmalz. Die Stadt richtete<br />

auch sofort 7 Verkaufsstellen ein, in denen<br />

nur an die Verbraucher zu den von der Stadt<br />

vorgeschriebenen Preisen verkauft wurde“.<br />

Wie überall in Deutschland, so wurde auch<br />

in Düsseldorf im März 1915 die Brotkarte<br />

als erste Maßnahme zur Zwangsbewirtschaftung<br />

der Lebensmittel eingeführt.<br />

Später traten noch Butter-, Fett- Fleisch-,<br />

Kartoffel-, Zucker- und Eierkarten sowie<br />

eine Karte für sonstige Lebensmittel hinzu.<br />

Seit dem <strong>Jahre</strong> 1916 war das Anstehen<br />

vor Lebensmittelgeschäften in Düsseldorf<br />

ein gewohntes Bild. Im Steckrübenwinter<br />

1916/17 stand Milch nur noch Kindern<br />

und Kranken zur Verfügung. Als von der<br />

Stadt im Frühjahr 1917 nahezu keine Kartoffeln<br />

ausgegeben wurden, hatte dies<br />

zur Folge, dass Mangelerscheinungen und<br />

Unterernährung zunahmen. Verschlimmert<br />

wurde die Ernährungsmisere durch den<br />

Mangel an Heizmaterial. Viele Dinge des<br />

alltäglichen Lebens waren nur noch über<br />

den Schleichhandel zu erhalten.<br />

Zentralstelle<br />

für freiwillige<br />

Liebestätigkeit<br />

In den <strong>Jahre</strong>n 1914 bis 1918 war fast jede<br />

vierte Düsseldorfer Familie auf Kriegsunterstützung<br />

angewiesen. Glaubt man den<br />

Worten des Düsseldorfer Oberbürgermeisters<br />

Adalbert Oehler (1911‐1919), wollten<br />

74


Lazarette<br />

vom ersten Kriegstage an, „alle helfen<br />

und sich nützlich machen“. Zum Rathaus<br />

seien Tausende geströmt, „um ihre Hilfe<br />

oder die Hilfe ihrer Vereine anzubieten“.<br />

Um den Freiwilligen „den Weg zu zeigen,<br />

wie alle diese Kräfte in geregelter und<br />

geordneter Weise für die vielen Aufgaben<br />

... nutzbar zu machen“ waren, wurde am<br />

3. August 1914 in den Zeitungen unter<br />

der Überschrift „Düsseldorfs Frauen und<br />

Mädchen!“ folgender Aufruf veröffentlicht:<br />

„In dieser ernsten Stunde sind viele<br />

Hände bereit, zu helfen. Damit diese Hilfe<br />

nicht zersplittert, sondern wirksam an all<br />

die, denen sie gilt, herangebracht werden<br />

kann, ist ein Zusammenschluß unerläßlich.<br />

Heute früh hat sich zu diesem Zweck, zusammengefaßt<br />

unter dem Zweigverein vom<br />

Roten Kreuz für den Stadtkreis Düsseldorf<br />

und dem Vaterländischen Frauenverein für<br />

den Stadtkreis Düsseldorf und der Stadtverwaltung<br />

Düsseldorf, eine Zentrale für die<br />

gesamte freiwillige Liebestätigkeit am Orte<br />

gebildet. Wir bitten dringend alle, die helfen<br />

wollen, Vereine sowohl wie Private, sich<br />

dieser Zentrale anzuschließen und ihre Einrichtungen<br />

und Hilfskräfte zur Verfügung<br />

zu stellen“. Das Büro für die Zentralstelle<br />

für freiwillige Liebestätigkeit wurde im<br />

Düsseldorfer Rathaus eingerichtet.<br />

Der Aufruf genügte, so Oberbürgermeister<br />

Adalbert Oehler, „um eine kaum<br />

absehbare Schar von weiblichen Hilfskräften<br />

zum Rathause zu führen“. Der Andrang<br />

„von der greisen Witwe bis zum gerade<br />

der Schule entwachsenen Mädchen“ war<br />

so groß, dass die Zahl der Helferinnen<br />

zunächst auf 3000 beschränkt werden<br />

musste. Um zu erreichen, „daß jede Aufgabe,<br />

die irgendwie auftauchte, ihre Lösung<br />

fand, daß eine bestimmte Stelle oder<br />

eine Mehrheit von Kräften dafür bestimmt<br />

wurde, die Verantwortung hatte, aber auch<br />

die Mittel dafür erhielt, daß andererseits nicht<br />

auf demselben Gebiet, bei derselben Aufgabe<br />

gleichzeitig mehrere nebeneinander oder auch<br />

gegeneinander arbeiteten“, wurde für die<br />

„Zentralstelle für freiwillige Liebestätigkeit“<br />

sofort ein straffer Arbeits‐ und Organisationsplan<br />

entwickelt.<br />

Lazarette<br />

Neben staatlichen und kommunalen Stellen<br />

waren in Düsseldorf für die Errichtung und<br />

Versorgung der Reservelazarette das Rote<br />

Kreuz und der Vaterländische Frauenverein<br />

verantwortlich. Ursprünglich hatten diese den<br />

Aufbau eines zentralen Reservelazarettes in<br />

der städtischen Tonhalle (Schadowstr. 89/93)<br />

vorgesehen, doch wäre damit der Stadt die<br />

einzige größere Versammlungsstätte entzogen<br />

worden. „Die Zentralstelle für freiwillige Liebestätigkeit“,<br />

so berichtet Oberbürgermeister<br />

Gerresheim, Volksküche, um 1915<br />

Graf-Adolf-Straße, Verpflegungsstation, um 1915<br />

Hauptbahnhof, um 1915<br />

Tonhalle, Schadowstraße 89/93, um 1925<br />

Hauptbahnhof, um 1915<br />

75


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Bilker Allee, Floragarten, um 1910<br />

Katholisches Gesellenhaus,<br />

Bilker Straße 36/42, um 1910<br />

Katholisches Gesellenhaus,<br />

Birkenstraße 14, um 1920<br />

Katholisches Gesellenhaus,<br />

Blücherstraße 4/8, um 1920<br />

Bilker Bahnhof, Lazarettzug,<br />

um 1915<br />

Adalbert Oehler, „mit der die Vereine vom Roten Kreuz sich<br />

zusammengetan hatten, kam nicht in Verlegenheit. Es fanden<br />

sich sofort ausreichende Anstalten und Räume zur Errichtung<br />

von Reservelazaretten, vor allem die großen öffentlichen<br />

Krankenanstalten, die einen Teil ihrer Betten und ihre ganze<br />

Einrichtung nebst Personal hierfür zur Verfügung stellten;<br />

auch andere geeignete Räume konnten hierfür verwendet und<br />

eingerichtet werden“. Zur Disposition standen vor allem jene<br />

Gebäude, für die es in der Kriegszeit keine Verwendung gab<br />

wie dem Jägerhaus (Grafenberg), der Rheinlust (Oberkassel),<br />

dem Ausstellungspalast (Pempelfort), der Flora (Bilk) oder<br />

den Hospizen des Katholischen Gesellenvereins (Karlstadt,<br />

Flingern, Derendorf). Neben den unter militärischer Leitung<br />

stehenden Reservelazaretten konnte die Zentralstelle für<br />

freiwillige Liebestätigkeit eine Vielzahl von Vereinslazaretten<br />

einrichten, die gleichfalls unter ständiger militärischer und<br />

ärztlicher Aufsicht mit geschultem Pflegepersonal standen.<br />

Meist handelte es sich um kleinere Pflegestätten mit geringer<br />

Bettenzahl, die hauptsächlich der Versorgung von Leichtverwundeten<br />

und Genesenden dienten. Insgesamt war das<br />

Angebot an Pflegeplätzen in allen Kriegsjahren größer als der<br />

Bedarf. Die Folge war, dass viele zumeist aus patriotischem<br />

Überschwang eingerichtete Pflegestätten noch vor Kriegsende<br />

aufgelöst wurden. Soweit die Einrichtung der Lazarette nicht<br />

auf Kosten einzelner Spender erfolgte, übernahm es die Zentralstelle<br />

für freiwillige Liebestätigkeit, „die Lazarette entsprechend<br />

einzurichten, die Betten, Geräte, nötigenfalls, sonstige<br />

gesundheitliche Anlagen, auf ihre Kosten zu beschaffen, die<br />

nötigen Arzneien und Verbandsmittel zu<br />

liefern, die Pflegekräfte zu stellen, mit den<br />

Ärzten Verträge abzuschließen, auch mit<br />

den Inhabern des betreffenden Hauses oder<br />

sonstigen opferwilligen Persönlichkeiten,<br />

die die Verwaltung eines solchen Lazarettes<br />

zu übernehmen sich bereit fanden, welche<br />

Vergütung für die Beköstigung auf den<br />

Kopf und Tag zu zahlen sei“.<br />

Ende des ersten Kriegsmonats waren<br />

in den Düsseldorfer Lazaretten bereits mehr<br />

als 2500 Verwundete untergebracht. Am<br />

12. September 1914 standen 7100 Betten<br />

zur Verfügung; kurze Zeit später war<br />

mit 8000 Pflegeplätzen die höchste Zahl<br />

verfügbarer Betten erreicht. In den <strong>Jahre</strong>n<br />

1914 bis 1918 wurden in 53 Lazaretten und<br />

Privatpflegestätten der Stadt und in 16 Lazaretten<br />

in den Gemeinden des Landkreises<br />

Düsseldorf mehr als 113500 verwundete<br />

und kranke Soldaten versorgt. Nach einer<br />

Aufstellung von Oberbürgermeister Adalbert<br />

Oehler waren von den 53 Düsseldorfer<br />

Lazaretten 16 in katholischen Anstalten<br />

und Einrichtungen untergebracht.<br />

Zu Beginn des Krieges war die Verteilung<br />

der verwundeten Soldaten, die<br />

am Bahnhof Bilk eintrafen und von hier<br />

mit speziell zum Krankentransport umgerüsteten<br />

Straßenbahnen weitergeleitet<br />

wurden, ohne System. Erst im Laufe der<br />

Zeit spezialisierten sich die Lazarette auf<br />

die Behandlung bestimmter Schwerverwundeter.<br />

So war im Marienhospital ein<br />

psychologisches Laboratorium zur Erforschung<br />

traumatischer Neurosen und eine<br />

Spezialabteilung der peripheren Nervenverletzungen<br />

eingerichtet worden. Erblindete<br />

Soldaten wurden im Lazarett des katholischen<br />

Knabenwaisenhauses in Oberbilk<br />

behandelt.<br />

76


Kriegsfürsorge des<br />

Marienhospitals<br />

Kriegsfürsorge des<br />

Marienhospitals<br />

Zu den ersten Düsseldorfer Krankenhäusern,<br />

die der Militärverwaltung ihre Räumlichkeiten<br />

für Lazarettzwecke anboten,<br />

gehörte das Krankenhaus Marienhospital in<br />

Pempelfort. Patienten, deren Gesundheitszustand<br />

es erlaubte, wurden nach Hause<br />

entlassen und die Aufnahme neuer Kranker<br />

stark beschränkt. Der Militärbehörde<br />

wurden bei Ausbruch der Feindseligkeiten<br />

sofort 90 Betten überlassen, deren Zahl sich<br />

in wenigen Wochen auf 250 erhöhte. Nach<br />

einem Bericht des Düsseldorfer Tageblatts<br />

vom 29. Oktober 1914 konnten von den<br />

eingelieferten Verwundeten 15 Prozent<br />

dienstfähig entlassen und 55 Prozent in<br />

Reservelazarette überwiesen werden;<br />

2,3 Prozent starben. „Wie schon im Kriege<br />

1870 der Ruf des Hauses sich bewährte auf<br />

vielfache Art“, so der Berichterstatter des<br />

Tageblatts weiter, „so auch jetzt. Rührend<br />

ist oft die Dankbarkeit der Entlassenen und<br />

manchmal hörte Schreiber der Zeilen das<br />

deutsche Wort: Hier sieht man doch, wofür<br />

die Klöster gut sind. Über den Kranken<br />

schwebt einher der Geist echt christlicher<br />

Liebe. Von draußen wurden Liebesgaben<br />

aller Art von Freunden und Gönnern des<br />

Hospitals gebracht. Gesangschöre aus der<br />

Stadt wetteifern durch ernste und heitere<br />

Lieder die Tapferen zu erfreuen. ... Alles,<br />

was das Menschenherz in schwerer Zeit<br />

aufrichten kann“.<br />

Über die Vorgänge und Ereignisse im<br />

Marienhospital im Laufe des ersten Kriegsjahres<br />

berichtet die Chronik der Armenschwestern<br />

vom Heiligen Franziskus:<br />

„Die Parterre gelegene erste Frauen-Station<br />

und zwei Privatabteilungen mußten<br />

geräumt und für Belegung der<br />

Verwundeten benutzt werden,<br />

da alleine die Männer-Stationen<br />

nicht ausreichten; denn es<br />

mußte wegen der Krankenkassen<br />

auch eine Anzahl von Civilpersonen<br />

aufgenommen<br />

werden können. Eine große<br />

Wohlthäterin des Hauses<br />

schenkte sofort eine bedeutende<br />

Geldsumme zur Beschaffung<br />

von 18 eisernen Bettgestellen,<br />

wozu gleich die<br />

erforderlichen Einlagen angefertigt<br />

wurden; dieselben wurden für die Zimmer der Privatabtheilungen<br />

... benutzt. Herr Chefarzt Dr. Franz Kudlek<br />

wurde gleich mit 4 Assistenzärzten ins Feld berufen. Herr Dr.<br />

Alex Max Florange aus Crefeld, der früher lange <strong>Jahre</strong> (1901-<br />

1913) am Hospital tätig war, und trotz seiner mehrjährigen<br />

Abwesenheit dem Hause seine wohlwollende Gesinnung<br />

namentlich den Schwestern gegenüber stets bewiesen, bot<br />

sofort seine Hülfe als freiwilliger Arzt an, was vom Vorstande<br />

und den Vorgesetzten mit großem Dank und Freude<br />

Freistellungsbescheid<br />

für Dr. Franz Kudlek,<br />

14. Oktober 1915<br />

Marienhospital,<br />

Lazarettraum, um 1915<br />

77


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital,<br />

Verwundetenfürsorge,<br />

um 1915<br />

angenommen wurde. Ohne jede Vergütung hat Herr Dr.<br />

Florange seine Zeit und seine Kräfte dem Hospital gewidmet;<br />

täglich mußte er von Crefeld nach hier kommen, da dort<br />

seine Anwesenheit auch notwendig war. Ferner wurde<br />

Stabsarzt Herr Sanitätsrat Dr. Hermann Becker von hier zum<br />

Lazarettdienste von der Militärbehörde kommandiert. Auch<br />

eine unserer Schwestern, die Schwester Hieronyma, erhielt<br />

von der Würdigen Mutter aus Aachen die Aufforderung mit<br />

noch 14 anderen Schwestern der Genossenschaft, auf dem<br />

Schlachtfelde bzw. Kriegslazaretten zur Ehre Gottes und Wohl<br />

des Vaterlandes der armen Verwundeten zu pflegen. Bereitwillig<br />

und opferfreudig kam Schwester Hieronyma dem<br />

Wunsche der Würdigen Mutter nach. Zuerst übten die<br />

Schwestern ihre Tätigkeit in einem Lazarett in Luxemburg<br />

aus; nach einigen Monaten in einem Lazarett in Vouziers in<br />

Frankreich. Sofort bei Beginn der Feindseligkeiten wurden in<br />

vier getrennten Abteilungen 76 Damen und 28 Herren theoretisch<br />

und praktisch unter Leitung der Herren: Dr. Paul<br />

Franz Leopold Engelen, Dr. Klemens Zumbroich und Dr. Emil<br />

Hesse in der Krankenpflege ausgebildet. Der Eifer im Lernen<br />

wurde durch die patriotische Begeisterung noch gehoben,<br />

und in kurzer Zeit konnte die Prüfung mit<br />

gutem Erfolg in Gegenwart der Frau Regierungspräsident<br />

Francis Kruse, bzw. des<br />

Herrn Medizinalrates Dr. Franz Schrakamp<br />

abgelegt werden. Auch ein gutbesuchter<br />

Röntgenkursus wurde erteilt. Auf Veranlassung<br />

der Frau von Weise wurden am 5.<br />

September von der Stadt Düsseldorf fünf<br />

dieser ausgebildeten Helferinnen zur Gründung<br />

einer Sammelstelle für Verwundete<br />

nach Maubeuge gesandt; der ersten dieser<br />

Einrichtung auf französischem Boden. Nach<br />

Beendigung der Lehrkurse blieben 18 Damen<br />

und 5 Herren während des Krieges<br />

als freiwillige Helferinnen bzw. Helfer im<br />

Marien-Hospital tätig. Am 12. August erhielten<br />

wir die ersten Verwundeten. Nachdem<br />

anfangs meist Fußkranke zur Aufnahme<br />

geschickt wurden, hat sich dies auf<br />

ärztliche Vorstellung hin bald geändert, so<br />

daß nach einigen Wochen eine große Zahl<br />

Schwerstverwundeter, je nach Eintreffen<br />

der Transportzügen, Aufnahme fanden.<br />

Wie schon im Kriege 1870-71 der Ruf des<br />

Hauses sich bewährte auf vielfache Art, so<br />

nahm das Marien-Hospital als größtes<br />

katholisches Krankenhaus Düsseldorfs auch<br />

in dieser ernsten Zeit einen regen Anteil an<br />

der Linderung der Wunden, die der Krieg<br />

geschlagen. Rührend war oft die Geduld<br />

und Dankbarkeit der armen Helden; unter<br />

denselben herrschte durchweg eine heitere,<br />

zufriedene Stimmung. Liebesgaben<br />

aller Art und Menge wurden von Freunden<br />

und Gönnern des Hospitals gebracht; das<br />

in jederweise freundliche Entgegenkommen<br />

der Centralstelle der freiwilligen Liebestätigkeit<br />

muß gleichfalls dankend anerkannt<br />

werden. Gesangchöre aus der<br />

Stadt wetteiferten durch ernste und heitere<br />

Lieder die Tapferen zu erfreuen. Die<br />

Künstlervereine, sowie Herr Brockerhof<br />

78


Kriegsfürsorge des<br />

Marienhospitals<br />

veranstalteten manchen musikalischen<br />

Abend, und verstand letzterer es besonders<br />

den armen Verwundeten wiederholt recht<br />

unterhaltende und fröhliche Stunden zu<br />

bereiten. Liebesgabenlotterien, Lichtbildervorträge<br />

usw. wurden abwechselnd geboten.<br />

Auch wurde gestattet, daß an den<br />

Sonntagen evangelischer Gottesdienst, in<br />

einem der Tagesräume, gehalten wurde.<br />

Alles, was das arme Menschenherz in<br />

schwerer Zeit aufrichtet. St. Nikolaus kam<br />

und an zwei Abenden bedachte der hl.<br />

Mann seine tapferen Krieger. Am Nikolausabend<br />

war die übliche Feier wie in sonstigen<br />

<strong>Jahre</strong>n; doch für viele Kranke eine neue<br />

unbekannte Feier. St. Nikolaus von Knecht<br />

Ruprecht und einem ‚vierfüßigen‘ Feldgrauen<br />

begleitet, zog unter Gesang in feierlichem<br />

Zuge von Saal zu Saal durchs ganze<br />

Haus, jedem seine Gaben, ein Teller Süßigkeiten,<br />

spendend; gewürzt mit einigen<br />

Worten des Trostes und der Erheiterung.<br />

Nach einigen Abenden erschien St. Nikolaus<br />

wieder, begleitet von 20 kleinen Zwergen<br />

und Husaren, dazu noch eine große<br />

Schar, ca. 300 kleinere und größere Schülerinnen<br />

des Lyceums vom armen Kinde<br />

Jesus (Prinz-Georg-Str. 2), reich beladen<br />

mit großen Körben voller Gaben für die<br />

Krieger. Es war eine große Freude und<br />

Überraschung; St. Nikolaus ließ seine Gaben<br />

durch die Zwerge und kleinen Husaren<br />

verteilen. Jeder Kranke erhielt ein hübsch<br />

fein hergerichtetes Paketchen mit einliegendem<br />

Verschen oder Briefchen der Schülerinnen,<br />

die es sich zur größten Freude<br />

gemacht, für die Liebespaketchen zu sorgen.<br />

Die Waisenkinder dieser Anstalt, die<br />

auch teilweise an der Bescherung teilgenommen,<br />

sangen zur größten Freude der<br />

Soldaten mehrstimmige Lieder. So verlief<br />

dieser Abend in der schönsten Weise, und<br />

Geber und Empfänger waren hochbeglückt. Obgleich man<br />

in diesen traurigen Kriegszeiten lieber Abstand genommen<br />

von allen sonst so schönen Festangelegenheiten, so mußte<br />

doch wiederum gesorgt werden, den tapferen Vaterlandshelden<br />

die liebe, ferne Heimat in etwa zu ersetzen, und so<br />

wurde in der sonst üblichen schönen Weise, auch das Weihnachtsfest<br />

gefeiert. Jeder Kranke erhielt ein Paket mit nützlichem<br />

und drolligem Inhalt; weiß gekleidete Kinder trugen<br />

auf jeder Krankenstation am schön gezierten Weihnachtsbaum<br />

sinnreiche Gedichte und Lieder vor, wobei manches<br />

Auge sich mit Tränen füllte. Auch die Centralstelle der Liebestätigkeit<br />

setzte für jeden Verwundeten ein Geschenk von<br />

3 Mark aus, das mit der Weihnachtsgabe des Hauses verbunden<br />

wurde. Die Stadt Düsseldorf widmete jedem ein<br />

schönes Bild. So hat auch das Weihnachtsfest den armen<br />

Soldaten manche Freude bereitet und über Schmerz und<br />

Trennung hinweggeholfen. Die freiwilligen Pfleger und Pflegerinnen,<br />

die während des Krieges im Hospital tätig waren,<br />

schenkten zum Weihnachtsfeste, der vorgesetzten Schwester<br />

Veronika, ein großes Bild Seiner Majestät des Kaisers<br />

Wilhelm II. in prachtvollem Rahmen, das nun seinen Ehrenplatz<br />

im großen Sitzungssaale hat. Gleichzeitig wurden der<br />

Marienhospital,<br />

Verwundetenfürsorge,<br />

um 1915<br />

79


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Franziskanerkloster Oststraße 62/64,<br />

Lazarettraum, um 1915<br />

Vorgesetzten im Namen des Oberbürgermeisters drei große<br />

Kupferstiche in schönen Rahmen, mit einer unten angebrachten<br />

Widmung, als Anerkennung für geleistete Dienste und<br />

Pflege der Verwundeten, überreicht. Die Gesamtzahl der<br />

aufgenommenen Verwundeten betrug am 31. Dezember<br />

1914 sechshundertzweiundsiebzig. Die Pflegesätze für die<br />

Verwundeten waren durch Verhandlung der Stadt mit dem<br />

Generalkommando Münster am 14. September 1914 festgesetzt,<br />

und wurde für Mannschaften 3-5 Mark täglich je<br />

nach Art der Aufwendungen für Verbände, Medikamente<br />

etc. und für Offiziere 7 Mark gerechnet. Im Oktober 1914<br />

weilte der Hochwürdigste Herr Weihbischof Dr. Peter Lausberg<br />

mehrere Tage zur Spendung der hl. Firmung in der Stadt.<br />

Trotz der vielen Arbeiten besuchte der Hochwürdigste Herr<br />

auch unser Hospital, obgleich die Firmlinge des Hauses, wie<br />

in den letzten <strong>Jahre</strong>n üblich, zur Pfarrkirche St. Rochus geführt<br />

worden waren. Recht feierlich und herzlich wurde Herr<br />

Weihbischof von den Herren des Vorstandes und der Schwestern<br />

empfangen, begab sich dann zur Kapelle, wo die Kranken<br />

versammelt waren, hielt dort denselben eine kurze<br />

Ansprache; unterdessen hatten sich die Schwestern im Recreationszimmer<br />

versammelt und richtete der Hochwürdigste<br />

Herr dann auch an diese einige liebevolle, belehrenden<br />

Worte, namentlich in Bezug<br />

auf die schwere Kriegszeit.<br />

Alsdann verweilten die Herren<br />

noch eine kurze Zeit in gemütlicher<br />

Weise im großen Sitzungssaale“.<br />

Der Krieg lastete nicht nur<br />

wegen der Verwundetenpflege<br />

und des Ausfalls wichtiger Leistungsträger<br />

auf dem Alltag des<br />

Marienhospitals. Die Pflegekosten<br />

für die Verwundeten,<br />

überhaupt die ganze Umstellung<br />

auf Kriegswirtschaft mit den starken Verteuerungen<br />

von Grundnahrungsmitteln, ließen die Ausgaben in die Höhe<br />

schnellen. Angewiesen war man auf freiwillige Pflegekräfte.<br />

Wieder funktionierte freiwillige bürgerliche Wohltätigkeit.<br />

Töchter aus dem wohlbekannten Bürgertum der Stadt Düsseldorf<br />

lernten in Kursen Krankenpflege und wurden im<br />

Lazarettdienst eingesetzt. Die Gesamtzahl<br />

der im Krankenhaus verpflegten Kriegsverwundeten<br />

betrug 1915 etwa 1700.<br />

Die hohe Gesamtzahl an pflegebedürftigen<br />

Soldaten täuscht darüber hinweg,<br />

dass schon im Januar 1915 der Transport<br />

der Verwundeten in das Marienhospital<br />

nachgelassen hatte. Ursache waren die<br />

zahlreichen Feld- und Etappenlazarette,<br />

die man mittlerweile überall entlang<br />

des Frontverlaufs zur Vermeidung weiter<br />

Transporte eingerichtet hatte. Mitte April<br />

1915 war die Zahl der belegten Betten von<br />

Militärpersonen auf <strong>150</strong> bis 160 herabgesunken,<br />

wodurch die unteren Säle wieder<br />

der Frauenstation zugewiesen und ein<br />

Teil der Privatabteilung wieder hergestellt<br />

werden konnte.<br />

Die Entwicklung während des zweiten<br />

Kriegsjahres fand im <strong>Jahre</strong>sbericht des<br />

Marienhospitals für 1915 wie folgt seinen<br />

Ausdruck: „Der Krieg erschwerte und beeinflußte<br />

die Verwaltung der Anstalt auf<br />

die verschiedenste Weise. Die Schwierigkeiten<br />

in der ärztlichen Versorgung dauerten<br />

an, da der Chefarzt für Chirurgie<br />

und fünf Assistenzärzte zu den Fahnen<br />

berufen waren. Nur dank des aufopfernden<br />

Eintretens hiesiger und auswärtiger<br />

anderer Ärzte, insbesondere der Herren<br />

Klemens Zumbroich, Alex Max Florange,<br />

Hermann Becker, gelang es, die Versorgung<br />

der vielen Schwerverwundeten und<br />

Kranken genügend durchzuführen. Im<br />

Oktober 1915 wurde dann unser Chefarzt<br />

für Chirurgie, Stabsarzt Dr. Franz Kudlek,<br />

wieder an das Reservelazarett der Anstalt<br />

zurückbeordert. Eine fernere Schwierigkeit<br />

war die dauernde Überbelegung infolge<br />

der Einrichtung des Reservelazaretts. Je<br />

länger der Krieg andauerte, desto schwieriger<br />

gestaltete sich beim Marienhospital,<br />

80


Kriegsfürsorge des<br />

Marienhospitals<br />

wie bei allen anderen hiesigen größeren<br />

Krankenanstalten, die Unterbringung der<br />

Kranken aus der Düsseldorfer Bürgerschaft.<br />

Besonders fühlbar wurde dies auch für die<br />

hiesigen Krankenkassen, die in vielen Fällen<br />

die wünschenswerte Krankenhauspflege<br />

nicht gewähren konnten. Die Verwaltung<br />

hat deshalb die Militärbehörde ersucht die<br />

Belegungszahl im Reservelazarett erheblich<br />

zu mindern. Dieser Bitte ist teilweise entsprochen<br />

worden. Sehr fühlbar war für die<br />

Verwaltung auch die fortschreitende Teuerung<br />

und Knappheit mancher Lebensmittel<br />

und vieler Gegenstände der Krankenpflege.<br />

Da die allgemeine Verteuerung sich schon<br />

in den letzten <strong>Jahre</strong>n deutlich zeigte, schloß<br />

sich auch das Marienhospital der Kündigung<br />

des Verpflegungsvertrages mit den<br />

Krankenkassen an, welche Maßnahme<br />

zu einem Neuabschluß mit einem um 50<br />

Pfennig erhöhten Pflegesatz führte. Im<br />

übrigen hat auch die Anstalt das Ihrige zur<br />

wirtschaftlichen Ausnutzung der Nahrungsstoffe,<br />

zur Sammlung und Verwertung der<br />

Abfälle und Fettrückstände usw. getan. Drei<br />

Fettfänger wurden eingebaut. Ein schmerzliches<br />

Opfer war der Abbruch unserer fast<br />

neuen Nickel-Dampf-Kocheinrichtung<br />

im Werte von 12000 Mark, infolge der<br />

Metall-Beschlagnahme. Trotz aller dieser<br />

Schwierigkeiten blieb der Betrieb dank der<br />

Hingabe unserer Pflegeschwestern ganz<br />

auf seiner Höhe. ... Unser Reservelazarett<br />

war im <strong>Jahre</strong> 1915 durchschnittlich täglich<br />

mit 220 Militärpersonen belegt. ... Zwölf<br />

hiesige Damen leisteten ununterbrochen<br />

in deren Pflege wirksame Hilfe“.<br />

In besonderer Weise bedrückend<br />

waren die großen Versorgungsengpässe,<br />

die die Menschen allgemein und auch<br />

das Marienhospital schon recht bald<br />

nach Kriegsbeginn und, je länger der<br />

Krieg dauerte, trafen. Das traditionell auf Nahrungsmittelimporte<br />

angewiesene Kaiserreich, das mit Kriegsbeginn von<br />

Außenhandelsbeziehungen so gut wie abgeschnitten war,<br />

musste mit Zwangsbewirtschaftung im Inneren auf diese<br />

Situation reagieren. Die Vorstandsprotokolle und die Hauschronik<br />

der Franziskanerinnen spiegeln diese bedrückenden<br />

Umstände, die Nahrungsmittelknappheit, nur sehr sparsam<br />

wider. Sie geben überhaupt nur in geringem Maße Hinweise<br />

auf die Kriegssituation, sie vermitteln fast business as usual.<br />

Die Rationierung von Lebensmitteln, besonders Mehl und<br />

Brot, traf das Krankenhaus zum ersten Mal zu Beginn des<br />

<strong>Jahre</strong>s 1915. Der Oberbürgermeister hatte den Düsseldorfer<br />

Krankenhäusern den Beschluss der Reichsverteilungsstelle<br />

vom 25. Januar 1915 über eine Beschränkung des Brotverbrauchs<br />

mitzuteilen, wonach „jeder Kommunalverband<br />

Sorge tragen muß, daß ... nicht mehr Mehl verbraucht wird<br />

als durchschnittlich 225 Gramm pro Kopf der versorgungsberechtigten<br />

Bevölkerung“ pro Woche. Der Kommunalverband<br />

war dem Kriegsernährungsamt weisungsgebunden, das Mitte<br />

1916 als neue Verwaltungsbehörde zur Durchführung zentraler<br />

Bewirtschaftung geschaffen worden war. Nach einer<br />

Verordnung über die Regelung des Brotverkehrs in der Stadt<br />

Düsseldorf vom 11. März 1915 wurde immerhin festgelegt:<br />

„Für öffentliche Kranken‐ und Pflegeanstalten, Waisenhäuser<br />

Das Marienhospital in den <strong>Jahre</strong>n 1914 bis 1918<br />

1914 1915 1916 1917 1918<br />

Patienten 4345 - - - -<br />

Pflegetage 149797 168769 173809 173091 176622<br />

Höchster Krankenstand 455 510 511 511 534<br />

Niedrigster Krankenstand 243 411 445 - -<br />

Freibetten (Pflegekosten) - 35000 - - -<br />

Einnahme Pflegekosten (Mark) 429147 534872 582771 653324 739307<br />

Ausgaben Krankenpflege (Mark) 362075 386441 443736 555058 595423<br />

Das Reservelazarett im Marienhospital in den <strong>Jahre</strong>n 1914 bis 1918<br />

Verwundete 1914 1915 1916 1917 1918<br />

Mannschaften - 1580 883 - -<br />

Offiziere - 106 39 - -<br />

Feldgeistliche - 2 - - -<br />

Summa 672 1688 922 - -<br />

Durchschnitt - 220 170 175 110<br />

81


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, Frauenabteilung,<br />

um 1930<br />

und dergleichen werden Berechtigungsausweise ohne Bezeichnung<br />

bestimmter Bezugsmengen von Brot und Mehl<br />

ausgestellt“. Es war aber Tagebuch über Bezug und Verbrauch<br />

zu führen. Auch Öle und Fette waren und wurden wertvoll.<br />

Doppelt wertvoll war das Milchprodukt Butter wegen der<br />

eingeschränkten Milchwirtschaft. Auch für Öle und Fette gab<br />

es eine Behörde, die Reichsstelle für Speisefette. Fette durften<br />

bei der Brotherstellung nicht mehr zum Bestreichen von<br />

Schwarzbrot und sogenanntem Kriegsbrot verwandt werden.<br />

Im Laufe des Krieges spitzte sich die Versorgungssituation<br />

ständig zu. Praktisch alle Nahrungsmittel, insbesondere auch<br />

Fleisch, Fisch, Zucker, Eier und Kartoffeln, waren rationiert. Im<br />

September 1915 wurden Milch und Milchprodukte auch beim<br />

Brotbacken verboten. Vollmilch sollte nur noch werdenden<br />

und stillenden Müttern, Kindern bis zu sechs <strong>Jahre</strong>n sowie<br />

Kranken zukommen. Mit Tränen in den Augen wussten die<br />

Küchenschwestern im Marienhospital manches Mal nicht, was<br />

sie zur Verpflegung der Patienten zubereiten sollten. Um in<br />

der Öffentlichkeit nicht in ein falsches Licht zu geraten, wählte<br />

der Vorstand im <strong>Jahre</strong>sbericht des Marienhospitals für 1916<br />

zur Versorgungslage der Patienten gleichwohl diplomatische<br />

Formulierungen: „Die Pfleglinge waren mit der vereinfachten<br />

Beköstigung durchweg zufrieden .... Wenngleich schwere<br />

Sorge um das ‚tägliche Brot‘ der 600 Insassen an manchen<br />

Tagen die Herzen der Schwestern bedrückte, so gelang doch<br />

die Belieferung durch die städtische Verwaltung immer noch<br />

so zeitig, daß ernste Verlegenheiten nicht eintraten. Ein großer<br />

Übelstand aber blieb es, daß auch für so große Verwaltungen<br />

die freihändige Beschaffung<br />

aus den früheren Quellen ganz<br />

lahmgelegt war. Einen großen<br />

Ersatz boten die Anschaffungen<br />

der Heeresverwaltung, die<br />

aber natürlich nicht für die Zivilinsassen<br />

bestimmt und ausreichend<br />

waren. Die Ausgaben<br />

für die Beköstigung zeigten ein<br />

weiteres Ansteigen. Sie betrugen<br />

1914: Mark 209646 -, für<br />

den Pflegetag und Kopf 1,40<br />

Mark; 1915: Mark 271126 -,<br />

für den Pflegetag und Kopf<br />

1,60 Mark; 1916: Mark 349680 -, für den<br />

Pflegetag und Kopf 2,01 Mark. Auf die<br />

gleiche Zahl der Pflegetage berechnet,<br />

ergibt dies ein Mehr von 66412 Mark“.<br />

Da sich nicht nur Lebensmittel mehr<br />

und mehr verteuerten, sondern auch fast<br />

alle übrigen Ausgaben (z. B. Handwerkerdienste,<br />

Gebrauchswaren, Arzneien,<br />

Löhne) stiegen, war das Marienhospital wie<br />

die übrigen Krankenhäuser der Stadt gezwungen,<br />

mit den zuständigen Verwaltungen<br />

eine Erhöhung der Pflegesätze auszuhandeln.<br />

Dieselben traten am 1. April 1916<br />

in Kraft: Patienten der I. Klasse zahlten nun<br />

je nach Zimmerkomfort zwischen 13 und<br />

20 Mark, Kranke der II. Klasse zwischen<br />

4,50 und 7,50 Mark und Angehörige der<br />

III. Klasse 3,50 Mark, Kinder unter 12 <strong>Jahre</strong>n<br />

2 Mark.<br />

Am Tag der Feststellung neuer Pflegesätze<br />

wurde zwischen dem Reichsmilitärfiskus<br />

und dem Marienhospital ein neuer<br />

Vertrag über die Aufnahme und Pflege<br />

verwundeter und erkrankter Heeresangehöriger<br />

in Pempelfort unterzeichnet. Die<br />

Pflege erstreckte sich auf die Gewährung<br />

ärztlicher Behandlung, soweit der Krankenanstalt<br />

dies bei dem noch verbliebenen<br />

Personal möglich war, auf die vollständige<br />

Beköstigung nach den von den Ärzten<br />

erteilten Verordnungen, auf die Verabreichung<br />

von Reinigungsbädern und auf die<br />

Behandlung mit medico-mechanischen<br />

Apparaten. Die Königliche Intendantur<br />

gewährte für den Tag und Kopf der Verpflegung<br />

folgende Pflegesätze: für Offiziere<br />

ohne Rangunterschied und Feldgeistliche<br />

7,50 Mark, für alle übrigen Heeresangehörigen<br />

4,25 Mark und für das militärische<br />

Aufsichtspersonal 2 Mark.<br />

Die große Zahl eingewiesener Kriegsverletzter,<br />

der Pflegeaufwand für diese<br />

82


Kriegsfürsorge des<br />

Marienhospitals<br />

Verwundeten und die Mehrarbeit der Ärzte<br />

schufen viele Engpässe, doch gab der Vorstand<br />

im <strong>Jahre</strong>sbericht des Marienhospitals<br />

für 1916 zu Protokoll, „auch die etwas<br />

enger gewordene Belegung wurde gern<br />

ertragen, wenn nur in schweren Krankheitsfällen<br />

überhaupt Aufnahme und Hülfe<br />

gewährt wurde. Dies war ja zu unserem<br />

Bedauern nicht in allen dringenden Fällen<br />

möglich. Wir haben unsere Bemühungen<br />

fortgesetzt, von der Militärverwaltung etwa<br />

40 weitere Betten für die Zivilbevölkerung<br />

freizubekommen. Das Entgegenkommen<br />

der Lazarettdirektion I ermöglichte, daß<br />

wir der chirurgischen Frauenstation ihre<br />

früheren luftigen Räume im Erdgeschoß<br />

zurückgeben konnten. Auch der ärztliche<br />

Dienst wurde, trotz des Fehlens mehrer<br />

Hilfskräfte, durch die vermehrten Anstrengungen<br />

der Chefärzte und die freiwillige<br />

Mitwirkung der Herren Klemens Zumbroich<br />

und Alex Max Florange in zufriedenstellender<br />

Weise weitergeführt“.<br />

Je länger die Kriegshandlungen andauerten,<br />

umso schwieriger wurde die<br />

Beschaffung von Lebensmitteln, obwohl<br />

Krankenhäuser und Lazarette bei der Lebensmittelzuteilung<br />

privilegiert waren.<br />

Gleichwohl waren die Pflegeschwestern<br />

ständig darum bemüht, den Rekonvaleszenten<br />

ihren Aufenthalt so erträglich<br />

wie möglich zu gestalten. Mit Sorge um<br />

die Sicherstellung einer ausreichenden Ernährung<br />

der Patienten notierte die Oberin<br />

der Franziskanerinnen 1917 in der Hauschronik:<br />

„Die Ausgaben für die Beköstigung<br />

zeigten ein weiteres Ansteigen. Sie<br />

betrugen 405807 Mark; es stellt sich ein<br />

Mehr heraus von 62207 Mark gegen das<br />

Vorjahr. ... Um in etwa einen Begriff der<br />

Teuerungslage zu erhalten, folgen einige<br />

Preisangaben. Für Fleisch wurde gezahlt<br />

7,80 Mark das Pfund; freies Fleisch 9 Mark; Milch 65 Pfennig<br />

der Liter und wo wir sonst für den täglichen Bedarf 400 Liter<br />

erhielten, gab‘s durchschnittlich 100 und lange Zeit nur 40-<br />

50 Liter täglich, sogar wochenlang keine Milch und mußte<br />

kondensierte Büchsenmilch oder Milchpulver zur Bereitung<br />

der Speisen verwandt werden. Der Preis der Gemüse betrug<br />

das 10fache, und der Kartoffeln das 8fache, Zucker, Cacao,<br />

Hülsenfrüchte das 4fache, Mehl das 10fache mehr als in<br />

Friedenszeiten. Die Lebensmittel als Brod, Mehl, Zucker,<br />

Hülsenfrüchte, Graupen, Gerste usw. waren rationiert; das<br />

pro Kopf bestimmte Quantum mußte ausreichen; so gab‘s<br />

an Fleisch pro Woche für jede Person 125 Gramm, Mehl<br />

3,5 Pfund incl. Brod, Butter 50 Gramm, Kartoffeln 7 Pfund,<br />

Zucker 175 Gramm usw.. Daß es für die Küchenschwestern<br />

oft sehr, sehr schwer war und große Sorgen mit sich brachte,<br />

ist längst begreiflich; doch der liebe Gott hat uns bis heute<br />

nie verlassen, ja er hat uns, gegenüber der großen Notlage<br />

der Weltläufe stets reichlich geholfen und gesegnet. Von<br />

wohltätiger Seite wurde dem Hause manches überlassen<br />

und zugewiesen; die Militärverwaltung wie auch die städtische<br />

Verwaltung sorgten, was in ihren Kräften stand, uns<br />

zu helfen. Eine Küchenschwester war aber fast beständig an<br />

den betreffenden Lebensmittelstellen, im Schlachthof, Hafen<br />

oder Garnisonsspeicher. Großen Nutzen brachte aber auch<br />

unsere Schweine- und Hühnerzucht. Von ersterer Sorte waren<br />

fast 25 Stück vorhanden, und war dies für die Küche, wenn<br />

Kasernengebäude, Kasernenstraße,<br />

um 1910<br />

Dominikanerkloster Herzogstraße 17,<br />

Verwundetenfürsorge, um 1915<br />

83


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, Küche, um 1930<br />

auch mit vielen Mühen, doch mit großem Vorteil verknüpft.<br />

Der Hühnerhof, den Schwester Claver mit großem Fleiß und<br />

Mühe pflegte, versorgte die Küche stets mit frischen Eiern<br />

und konnte in der Hauptlegezeit monatlich mit 200 Eiern<br />

gerechnet werden; uns war das, bei dem hohen Preis 80-95<br />

Pfennig das Stück, und dem großen Mangel an Eiern, die<br />

oft wochenlang ausblieben, ein großer Vorteil und Segen,<br />

so daß wenigstens die ganz schwer Kranken ein Ei erhalten<br />

konnten. In den meistern Krankenanstalten mußte wegen<br />

Mangel an Lebensmitteln das 2. Frühstück den Kranken<br />

entzogen werden, und war die Zeit des Aufstehens deshalb<br />

eine Stunde später vorgeschrieben; doch Gott Dank wußte<br />

unsere vortreffliche Küchenschwester es stets so einzurichten,<br />

daß in unserem Hause die Mahlzeiten konnten bestehen<br />

bleiben, wenn auch in knapper oder vereinfachter Form.<br />

So bekamen die Frauen- und Kinderstation als 2. Frühstück<br />

eine gute Suppe, wie auch Abends eine sehr lange Zeit, da<br />

großer Kartoffelmangel war. Die Männerstationen erhielten<br />

zum 2. Frühstück eine Schnitte ungeschmiertes Brod, aber<br />

mit Zulage. ... Wöchentlich wurden fürs ganze Haus zwei<br />

auch schon drei fleischlose Tage festgelegt; die Privatkranken<br />

erhielten kleinere Portionen, wie auch einfachere Speisen, da<br />

ja manches wie Geflügel etc. mangelte.<br />

Im Allgemeinen waren die Kranken trotz<br />

alldem mit der Verpflegung recht zufrieden<br />

und hörte man selten eine Klage“.<br />

Nach den Berechnungen des Reichsgesundheitsamtes<br />

verlor jede erwachsene<br />

Person während des Krieges 10 bis 15<br />

Kilogramm, das heißt rund 20 % ihres Gewichtes.<br />

Die landwirtschaftliche Erzeugung<br />

lag 40 bis 60 % unter der Vorkriegszeit.<br />

Die Nahrungsmittelrationen sollen nur<br />

noch 20 % des Verbrauchs an Fleisch,<br />

11 % des Verbrauchs an Schmalz, 21 % an<br />

Butter, 41 % an Pflanzenfetten, 47 % an<br />

Mühlenprodukten gegenüber dem schon<br />

schlimmen Kriegsjahr 1917/18 betragen<br />

haben. Kein Wunder, dass in der allgemeinen<br />

Mangelsituation epidemischen<br />

Krankheiten, wie Grippewellen, geringer<br />

Widerstand entgegengesetzt werden konnte.<br />

Die Grippe grassierte im Herbst 1918.<br />

Die Anzahl der Opfer war erschreckend<br />

hoch, die Leichenhalle des Marienhospitals<br />

dauernd überfüllt, waren doch an<br />

manchen Tagen fünf Tote zu beklagen.<br />

Bis zum 5. November 1918 starben in<br />

Düsseldorf 757 Infizierte an Grippe und<br />

ihren Nachkrankheiten, Lungen- und Rippenfellentzündung.<br />

Das für 500 Kranke<br />

berechnete Marienhospital war im Herbst<br />

1918 mit mehr als 530 Patienten völlig<br />

überbelegt. „Trotzdem die Betten enger<br />

gestellt, teilweise die Gänge belegt waren“,<br />

vermeldet der Rechenschaftsbericht,<br />

„mußten zu unserem größten Leide in den<br />

Monaten Oktober und November öfter bis<br />

zu 25 Kranke am Tage abgewiesen werden.<br />

... Auch die Sterblichkeit war infolge der<br />

Grippe übermäßig hoch. 1918 = 391 (303<br />

im Vorjahre, 1916 = 254)“.<br />

Schuld an der hohen Zahl von Opfern<br />

bei epidemischen Krankheiten war neben<br />

84


Kriegsfürsorge des<br />

Marienhospitals<br />

der unzureichenden Nahrungsmittelversorgung<br />

auch der Mangel an Heizmaterialien.<br />

Wie die Bevölkerung hatte hierunter auch<br />

das Marienhospital zu leiden. Im <strong>Jahre</strong> 1917<br />

vermerkte der Rechenschaftsbericht hierzu:<br />

„Eine große Sorge war die Kohlenbeschaffung,<br />

bei der namentlich der Mangel an<br />

Gespannen sich höchst fühlbar machte.<br />

Die Heizung mußte infolgedessen häufig zu<br />

früher Nachmittagsstunde schon abgestellt<br />

werden, ein öfters in den Bade‐ und Operationsräumen<br />

als unleidlich empfundener<br />

Umstand“.<br />

Da das Marienhospital seine Räumlichkeiten<br />

sofort zu Lazarettzwecken zur<br />

Verfügung gestellt hatte, blieb es von Beschlagnahmungen<br />

weitgehend verschont.<br />

Gleichwohl musste es 1915 eine fast neue<br />

„Nickel-Dampf-Kocheinrichtung“ im Wert<br />

von 12000 Mark und 1918 die Blitzableiteranlage<br />

im Wert von 3700 Mark zur Waffenverarbeitung<br />

an den Reichsmilitärfiskus<br />

abführen. Zu den finanziellen Opfern, die<br />

das Marienhospital für den Weltkrieg leisten<br />

musste, gehörte die Zeichnung von Kriegsanleihen<br />

aus dem Reservefonds und aus<br />

zurückfließenden Hypotheken. Zwischen<br />

1914 und 1918 wurden neun Kriegsanleihen<br />

aufgelegt. Alle Anleihen waren zu 5<br />

Prozent verzinslich und wurden zunächst<br />

zum Zeichnungskurs von 98,5 Prozent,<br />

von der fünften Kriegsanleihe an zu 98<br />

Prozent aufgelegt. Die erste Kriegsanleihe<br />

im September 1914 brachte in Deutschland<br />

4,2 Milliarden Mark, davon in Düsseldorf<br />

80830000 Mark Zeichnungen.<br />

Infolge der hohen Zeichnungen für<br />

Kriegsanleihen hatte das Marienhospital<br />

während des Ersten Weltkrieges ständig<br />

mit Geldschwierigkeiten zu kämpfen. Die<br />

Bilanzen der <strong>Jahre</strong> 1916 und 1917 zeigen<br />

deutlich, dass das Marienhospital bereits<br />

von seiner Substanz lebte. Der Verlust aus beiden <strong>Jahre</strong>n belief<br />

sich auf 89047 Mark. Vor diesem Hintergrund verwundert<br />

es wenig, dass der Bericht über die letzte Versammlung des<br />

Vorstandes im Kriegsjahr 1918 mit einem düsteren Ausblick<br />

des Vorsitzenden über die Schwierigkeiten bei der Beköstigung,<br />

der Pflege der Kranken, Mangel an Lebensmitteln und<br />

Wäsche, der gewaltigen Steigerung der Preise für Verbandsmittel<br />

und Kohle, Erhöhung der Pflegesätze in allen Klassen<br />

schließt. Die Schwierigkeiten im Marienhospital konnten nur<br />

durch die übermenschliche Arbeit der Ärzte, Schwestern und<br />

freiwilligen Helfer gemildert werden, von denen viele für ihren<br />

Lazaretteinsatz mit dem Roten-Kreuz-Verdienstkreuz III. Klasse<br />

ausgezeichnet wurden. Ende 1918 hatte die Zahl der im Ganzen<br />

aufgenommenen Militärpersonen die Höhe von 4816 erreicht.<br />

Kriegsanleihen durch das Marienhospital 1914-1918<br />

Zeichnungswert in Mark<br />

1. Kriegsanleihe 1914 ?<br />

2. Kriegsanleihe 1915 25000<br />

3. Kriegsanleihe 1915 10000<br />

4. Kriegsanleihe 1916 60000<br />

5. Kriegsanleihe 1916 250000<br />

6. Kriegsanleihe 1917 105000<br />

7. Kriegsanleihe 1917 ?<br />

8. + 9. Kriegsanleihe 1918 130000<br />

Rath, Metallwerke, um 1920<br />

Werbeplakat, um 1915<br />

85


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Oberkasseler Brücke,<br />

Truppenrückzug, 1918<br />

Luegallee,<br />

Truppenrückzug, 1918<br />

Die Revolution 1918/1919<br />

Nach dem verlorenen Krieg<br />

und dem Zusammenbruch<br />

des Kaiserreiches waren die<br />

Startbedingungen der neuen<br />

Republik äußerst ungünstig.<br />

Die wirtschaftlichen und finanziellen<br />

Schwierigkeiten in<br />

der Anfangsphase der Weimarer<br />

Republik von 1919 bis<br />

1923, die durch die Demobilisierung,<br />

die Umstellung<br />

der Industrieproduktion von<br />

Kriegs- auf Friedenswirtschaft,<br />

Arbeitslosigkeit, Reparationsforderungen,<br />

Inflation und<br />

Ruhrbesetzung bedingt waren,<br />

brachten insbesondere<br />

das überkommene deutsche Sozial- und Fürsorgesystem in<br />

äußerste Bedrängnis. Sechs Millionen Soldaten und über drei<br />

Millionen Kriegshinterbliebene und Kriegsbeschädigte waren<br />

zu integrieren. Zu ihnen kamen verarmte Angehörige und<br />

weitere Arbeitslose der Umstellung von Kriegs- auf Friedensproduktion.<br />

Staat und Kommunen waren verschuldet und<br />

eine wachsende Inflation, die das Sparvermögen vernichten<br />

würde, schien nur eine Frage der Zeit. Auf diese Weise war<br />

aus der vor dem Krieg relativ<br />

begrenzten Schicht von „Armen“<br />

eine bedrohlich breite<br />

Schicht geworden, die nicht<br />

nur durch Kriegsopfer, sondern<br />

auch durch einen um seine<br />

Ersparnisse gebrachten Mittelstand<br />

aufgefüllt wurde.<br />

Wie so oft in wirtschaftlich<br />

schlechten Zeiten schnellte<br />

auch in Düsseldorf die Zahl<br />

der Diebstähle und Einbrüche<br />

nach Ende des Ersten Weltkrieges<br />

in die Höhe. „Täglich<br />

hörte man von unerhörten Schwindeleien<br />

und Räubereien“, so ein Eintrag in<br />

der Ordenschronik zu Beginn des <strong>Jahre</strong>s<br />

1919. „Durch Gottes Schutz blieb unser<br />

Haus aber immer verschont, bis wir in der<br />

Nacht vom 5. Januar 1919 auf einmal von<br />

einem so unliebsamen Ereignis betroffen<br />

wurden. Gegen 3 Uhr morgens bemerkte<br />

Herr Rendant Biesenbach, welcher mit<br />

seinem Vetter Leutnant Statz ein Zimmer<br />

im Herrenpensionatparterre innehatte, wie<br />

sich jemand leise und suchend seinem Bette<br />

näherte; auf seinen lauten Ruf nach seinem<br />

Zimmerkameraden ergriff der Dieb die<br />

Flucht, Herr Biesenbach war im Nu hinter<br />

ihm her und sah ihn noch gerade, wie er<br />

im Pförtnerzimmer durch das Fenster in den<br />

Garten sprang. Ehe die Nachtschwester auf<br />

das Läuten an der Hauspforte erschien,<br />

hatte der Dieb durch Überklettern des Gartentores<br />

das Freie erreicht und entkam. Nun<br />

untersuchte Herr Biesenbach mit seinem<br />

Vetter, welcher ihm auf dem Fuße gefolgt<br />

war, den Garten und fand die Schuhe,<br />

Überzieher und Brieftasche mit Personalien<br />

des Einbrechers vor; im Pförtnerzimmer sah<br />

es schrecklich aus, der Dieb hatte offenbar<br />

versucht den eisernen Wandschrank zu<br />

erbrechen, wahrscheinlich in der Meinung<br />

es sei ein Geldschrank; auch an Pult und<br />

Tischschublade versuchte er seine Künste,<br />

jedoch ohne Erfolg; wahrscheinlich hat er<br />

sich nach vergeblichen Bemühungen ins<br />

Herrenpensionat begeben. Nach späteren<br />

Feststellungen ist er durch das kleine<br />

Schalterfenster eingedrungen, deshalb<br />

wurde dieses sofort mit einem eisernen<br />

Gitter versehen. Von diesem Tage an wurde<br />

an der Pforte und im Leinwandzimmer<br />

eine männliche Person zum Schutze und<br />

eventueller Hülfe einquartiert“.<br />

86


Die Revolution 1918/1919<br />

Die deutsche Gesellschaft und ihre Politik<br />

waren durch Kriegsverlust und außenpolitische<br />

Demütigung verstört, die bislang<br />

herrschenden Klassen teils gestürzt, teils<br />

desorientiert. Die sich seit Anfang November<br />

1918 überstürzenden Ereignisse<br />

im Gefolge des militärischen Zusammenbruchs,<br />

die am 9. November 1918 zum<br />

Sturz der Monarchie führten, trafen auch<br />

die deutschen Katholiken ebenso unerwartet<br />

und unvorbereitet wie die Übernahme<br />

der Regierungsgewalt durch selbsternannte<br />

republikanische Volksbeauftragte der<br />

MSPD und USPD. Zwar hatte der deutsche<br />

Katholizismus bei der Neuordnung nach<br />

der Revolution, die er nicht gewollt und<br />

nicht bejaht hatte, politisch vieles von dem<br />

erreichen können, was lange Zeit unerfüllt<br />

geblieben war, doch wurde die neue<br />

staatliche Ordnung von den Katholiken<br />

keineswegs einhellig begrüßt.<br />

Auch in Düsseldorf waren die Monate<br />

nach der Abdankung Kaiser Wilhelm II. für<br />

die Katholiken eine Zeit des Hoffens und<br />

Bangens. Bereits am Nachmittag des 8.<br />

November 1918 hatte die revolutionäre Bewegung<br />

auf Düsseldorf übergegriffen und<br />

sich ein Arbeiterrat aus USPD, SPD und Soldaten<br />

konstituiert, der die öffentliche Ruhe,<br />

Sicherheit und Ordnung aufrechterhalten<br />

wollte, um die Lebensmittelversorgung, die<br />

Kohlezufuhr sowie die Kriegsunterstützung<br />

und andere Wohlfahrtseinrichtungen zu<br />

sichern. Wie ein Großteil der Düsseldorfer<br />

Bevölkerung waren auch viele Katholiken<br />

der Stadt Monarchisten aus tiefster<br />

Überzeugung. Selbstverständlich kannten<br />

und respektierten sie die Lehre von Papst<br />

Leo XIII., dass die katholische Kirche nicht<br />

an eine bestimmte Staatsform gebunden<br />

sei. Schon am Tag nach der Abdankung<br />

stellte sich das Düsseldorfer Tageblatt als<br />

Sprachrohr der Katholiken auf den berühmten „Boden<br />

der Tatsachen“ und kommentierte den Vorgang mit den<br />

Worten: „Man darf die Ereignisse dieser Tage nicht mit<br />

dem Herzen, sondern nur mit dem kühlen Verstande beurteilen.<br />

Die geschehenen Dinge sind nicht ungeschehen<br />

zu machen; wir müssen sie als Tatsachen hinnehmen“.<br />

Der November 1918, der eigentliche Revolutionsmonat,<br />

verlief in Düsseldorf verhältnismäßig ruhig, ruhiger<br />

als in zahlreichen anderen deutschen Städten. Das Zurückfluten<br />

des Feldheeres und die im Waffenstillstand<br />

zugestandene Räumung des linken Rheinufers und damit<br />

auch der linksrheinischen Stadtteile Düsseldorfs nahmen<br />

die Öffentlichkeit vorerst noch in Anspruch. Glaubt man<br />

der Ordenschronik, verlief auch im Marienhospital der<br />

Übergang vom Kaiserreich zur Republik ohne besondere<br />

Zwischenfälle: „Infolge der Revolution und der Umwälzung<br />

am 9. November 1918 hob die Intendantur den<br />

Pflegesatz für Offiziere völlig auf, wünscht aber auch<br />

für sie die gleiche Behandlung wie für Mannschaften.<br />

Außer dieser angeordneten Gleichheit der Offiziere und<br />

Mannschaften in Kost und Pflegesatzes kam noch, daß<br />

von den Soldaten einige Obmänner gewählt wurden,<br />

die mit dem Chefarzt ins Benehmen traten, und daß<br />

einige Soldaten sich ohne Entlassungsbefehl entfernten.<br />

Wenn auch die Gemüter vielfach erregt waren, so war<br />

im Übrigen die Ordnung des Hauses in keiner Weise<br />

gestört und beeinflußt. Dazu half jedenfalls die Ankündigung,<br />

daß jede Unordnung zum sofortigen Aufhören<br />

der Pflege und zur Entlassung<br />

führen werde“.<br />

Kurz bevor am 4. Dezember<br />

1918 belgische Truppen<br />

das linke Rheinufer gegenüber<br />

der Stadt in Besitz nahmen,<br />

wurden dem Marienhospital<br />

am 28. November 1918 etwa<br />

15 Verwundete aus dem Reservelazarett<br />

der Dominikanerinnen<br />

in Heerdt überwiesen, da<br />

diese Anstalt wegen der Räumung<br />

als Lazarett geschlossen<br />

werden musste.<br />

Vorwärts, 9. November 1918<br />

Krankenhaus der Dominikanerinnen<br />

Rheinallee 26/27, Lazarettraum, um 1915<br />

87


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Ellerstraße/Kruppstraße,<br />

Spartakistenunruhen, 1919<br />

Ellerstraße 97,<br />

Spartakistenunruhen, 1919<br />

Als Spartakisten am 8. Januar 1919 in Düsseldorf die Herrschaft<br />

ergriffen und alle öffentlichen Einrichtungen der Stadt<br />

unter ihre Kontrolle brachten, stand auch das Marienhospital<br />

in der Gefahr, in den Strudel der politischen Ereignisse hineingerissen<br />

zu werden. Ein Vollzugsrat übernahm die öffentliche<br />

Gewalt. Am 10. Januar 1919 erklärten die Spartakisten Oberbürgermeister<br />

Adalbert Oehler für abgesetzt und machten<br />

einen Mann aus ihrer Mitte zum Chef der Stadtverwaltung.<br />

Die Folge war, dass die städtischen Beamten die Arbeit niederlegten<br />

und die demokratische und die sozialdemokratische<br />

Partei, zusammen mit den christlichen Gewerkschaften,<br />

Gegendemonstrationen veranstalteten. In blutigen Zusammenstößen,<br />

bei denen es auf der Graf-Adolf-Straße 14 Tote<br />

und 28 Schwerverwundete gab, blieben die Spartakisten<br />

aber Herren der Stadt. Sie riefen den Generalstreik aus, verboten<br />

die bürgerlichen Zeitungen, sperrten den gesamten<br />

Telefonverkehr nach außerhalb. Der Vollzugsrat kontrollierte<br />

die öffentliche Sicherheit, es gab Ausgangsbeschränkungen.<br />

Auch das Personal und die Schwestern des Marienhospitals<br />

machten hier keine Ausnahme.<br />

Unter dem 11. Januar 1919 ist in der Hauschronik des<br />

Marienhospitals über die Unruhen in Düsseldorf zu lesen:<br />

„Einer der schlimmsten Tage und der traurigsten Ereignisse<br />

die Düsseldorf je gesehen, sollte der heutige Tag bieten.<br />

Die Empörung über das Treiben der Spartakusleute war bei<br />

der gutgesinnten Bevölkerung auf das<br />

höchste gestiegen; deshalb wurde eine<br />

große Demonstration gegen erstere beschlossen;<br />

Bürger und Arbeiter vereinigten<br />

sich zu einem großen Zuge und vaterländische<br />

Lieder singend, zogen sie durch<br />

die Hauptstraßen der Stadt; in die Nähe<br />

des Bahnhofes angekommen, wurden sie<br />

plötzlich von Schüssen, welche die Spartakisten<br />

aus Maschinengewehren abgaben,<br />

empfangen, wohin sich die Menge auch<br />

wendete, an fast allen Straßenecken wurde<br />

geschossen und bald gab es zahlreiche<br />

Verwundete und Tote unter den harmlosen<br />

Teilnehmern. Gleich bei den ersten<br />

Schüssen wurden wir auch schon mit den<br />

unglücklichen Opfern bedacht; um 5 ½<br />

Uhr kam der erste Verletzte und in Zeit von<br />

einer starken Stunde hatten wir schon sieben;<br />

die Feuerwehr fuhr dauernd die Leute<br />

aufzusuchen, das Licht brannte infolge der<br />

Spartakusregierung nur spärlich, jede Tragbahre<br />

mußte mit einer Kerze beleuchtet ins<br />

Operationszimmer gebracht werden, das<br />

alles erschwerte die erste Hülfeleistung. Der<br />

erste, welcher an den Folgen eines schweren<br />

Bauchschusses starb, war ein Bürger<br />

aus unserer nächsten Nachbarschaft, Herr<br />

Vogel, nach 2-3 Stunden hatte er schon<br />

ausgelitten. Der zweite, ein junger Mann,<br />

Prokurist der Mannesmannwerke starb<br />

infolge schwerer Unterleibsschüsse unter<br />

großen Schmerzen am zweiten Tage nach<br />

seiner Einlieferung; sein alter Vater und seine<br />

junge Frau, er war erst 4 Monate verheiratet,<br />

waren untröstlich. Ein anderer junger<br />

Mann, Herr Adler, hatte offenbar Gottes<br />

Schutz erfahren; mit einem Kopfschuß<br />

wurde er eingeliefert, immer rief er: ‚Nun<br />

verbindet mich schnell, damit ich wieder<br />

heraus kann, die Spartakusbande niederschießen!‘.<br />

Seine Geduld wurde aber auf<br />

88


Die Revolution 1918/1919<br />

eine harte Probe gestellt; erst drei Monate<br />

später konnte er als geheilt entlassen werden.<br />

Unter den Verletzten befanden sich<br />

auch Spartakusleute; zwei schwer durch<br />

Bauch- und Brustschuß verletzt; einer starb<br />

in derselben Nacht, seine Schußwunde<br />

kam allen unbedenklich vor, deshalb wurde<br />

er, da alles überfüllt war, ins Badezimmer<br />

untergebracht, dort fand man ihn morgens<br />

tot vor, in der Tasche seines Überziehers<br />

die schriftliche Austrittserklärung aus der<br />

katholischen Kirche – vielleicht, daß er doch<br />

im letzten Augenblick mit einem Act der<br />

Reue vor den Richterstuhl Gottes trat; der<br />

zweite lebte noch 3 Tage und starb dann<br />

nach andächtigem Empfang der Hl. Sakramente;<br />

Andere leichtverwundete kamen<br />

noch und wurden nach dem Notverband<br />

wieder entlassen; die Schießerei dauerte<br />

noch bis genau 9 Uhr, als die Nacht völlig<br />

hereinbrach, war alles ruhig und still, die<br />

wachehaltenden Schwestern, es waren<br />

jetzt deren immer 2, fanden Spartakus<br />

und deren Opfer friedlich nebeneinander<br />

liegen. Die folgenden Tage waren ruhiger,<br />

jedoch der 13. Januar verlangte wieder<br />

neue Opfer; einer der Verwundeten starb<br />

auch bald infolge seines schweren Halsschusses<br />

nach andächtigem Empfang der<br />

Hl. Sakramente“.<br />

Ein Generalstreik mit einem Ausfall<br />

an Strom und Gas, an Wasser und Kohle<br />

lähmte den Krankenhausbetrieb im Marienhospital<br />

in allen Bereichen. Ein Appell<br />

der Düsseldorfer Ärzte an die Bevölkerung<br />

und an die Militärverwaltung, zu deren<br />

Unterzeichnern auch Dr. Franz Kudlek<br />

vom Marienhospital gehörte, sollte Hilfe<br />

bringen. Unter dem 5. Februar 1919 berichtet<br />

die Ordenschronik: „Mittags 12 Uhr<br />

begann der große Generalstreik. Ausgehend<br />

von den vereinigten Beamten- und<br />

Berufsorganisationen legte alles die Arbeit nieder; die Eisenbahnen<br />

und Elektrische fuhren nicht mehr; Gas und Wasser<br />

wurde abgesperrt; die Bürgerschaft Düsseldorf‘s empfand<br />

wohl am meisten den Mangel an Beleuchtung, wohingegen<br />

sich bei uns im Hospital der Wassermangel empfindlicher bemerkbar<br />

machte; glücklicherweise entdeckten wir bald im<br />

Erdgeschoß ein Krähnchen, welches noch sparsam das jetzt<br />

so seltene Naß lieferte; mit Eimern und Kannen war es dann<br />

auch den ganzen Tag belagert, bis glücklich am Abend des<br />

6. Februar infolge Verhandlungen des Vollzugsrates mit den<br />

Verbänden der Streik als beendet erklärt wurde. Viel trug zu<br />

der baldigen Beendigung des Streikes auch die Festigkeit der<br />

Ärzte bei, welche erklärten, nicht mehr arbeiten zu wollen,<br />

wenn nicht bald geordnete Zustände in Düsseldorf zurückkehrten;<br />

die Spartakisten wollten allerdings die Ärzte zwingen<br />

die Patienten zu behandeln; mehrere derselben wurden<br />

infolge Weigerung verhaftet; auch vor unserer Hospitalpforte<br />

erschien ½ 3 Uhr das berüchtigte Auto der Spartakusleute<br />

und verlangte die Vorgesetzte oder den Chefarzt zu sprechen.<br />

Da erstere beim Gebet mit der Gemeinde war, sagte sie<br />

auf Bescheid der Pförtnerin, man solle die Leute zu Dr. Kudlek<br />

schicken. In rasendem Tempo sauste nun das Auto dorthin;<br />

aber schnell benachrichtigten wir denselben von dem<br />

bevorstehenden ... Besuch, so daß er noch gerade Zeit hatte,<br />

sich in seiner Kellertreppe in Sicherheit zu bringen. Frau<br />

Dr. Kudlek verhandelte mit den Roten und es gelang ihr die<br />

Leute bis auf 5 Uhr zu vertrösten; glücklicherweise wurde um<br />

½ 4 Uhr das Ende des Streiks bekannt gegeben“.<br />

Grabenstraße 19,<br />

Spartakistenunruhen, 1919<br />

Flingern, Stadtwerke, um 1925<br />

89


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Weimar, Nationalversammlung,<br />

6. Februar 1919<br />

Zum Hirschchen, Alt-Pempelfort 2,<br />

um 1915<br />

Ordenschronik der Franziskanerinnen 1920 (Auszug)<br />

Den Patienten I. und II. Klasse wurde<br />

mitgeteilt, die Bettwäsche selbst zu stellen,<br />

da die Wäsche des Hospitals fast ganz<br />

verbraucht und an eine Neuanschaffung in<br />

diesen schlimmen Zeiten nicht zu denken<br />

ist. Ebenso wurde den Privatpatienten,<br />

welche des nachts Licht verbrennen,<br />

dasselbe besonders berechnet und zwar<br />

gleich der Wäsche mit einer Mark pro Tag.<br />

Der Revolutionsspuk endete,<br />

als zum 28. Februar 1919<br />

das Freikorps Lichtschlag in<br />

Düsseldorf einrückte und die<br />

Kontrolle der Stadt wieder<br />

in die Hände der Regierung<br />

fiel. Großen Rückhalt bei der<br />

Gesamteinwohnerschaft der<br />

Stadt hatte der Vollzugsrat zu<br />

keiner Zeit gehabt. Besonders<br />

deutlich wurde dies am 19.<br />

Januar 1919 bei den Wahlen<br />

zur Nationalversammlung in<br />

Weimar, bei der in Düsseldorf von 245238 Wahlberechtigten<br />

187464 ihre Stimme gültig abgaben. An der Wahl zur Nationalversammlung<br />

durften die Frauen in Deutschland zum<br />

ersten Mal wählen. Mit der Änderung des Wahlrechts wurden<br />

auch die Franziskanerinnen aus dem Marienhospital am 19.<br />

Januar 1919 an die Urne gerufen. Über die<br />

erste Teilnahme der Schwestern an einer Volksabstimmung<br />

gab die Chronistin zu Protokoll:<br />

„Am 19. Januar war großer Wahltag; infolge<br />

des neuen Wahlrechtes auch für das weibliche<br />

Geschlecht gab es natürlich neue Aufgaben<br />

zu erledigen; alles war auf den Beinen und<br />

wem das nicht möglich, dem wurde Pferd<br />

und Wagen, Fahrstühle und sonstiges Fortbewegungsmaterial<br />

zur Verfügung gestellt. Von<br />

21 <strong>Jahre</strong>n angefangen bis hinauf zur ältesten<br />

Großmama bei Schwester Canisia lernte alles<br />

den Weg zum Hirschchen (Alt-Pempelfort 2),<br />

das war unser Wahllokal, kennen. Die Vorgesetzte<br />

mit den älteren Schwestern, dann<br />

wieder ein Trupp der jüngeren, die Postulanten,<br />

alles marschierte zum Hirschchen und gab<br />

seinen Zettel ab; knurrend ließen die Roten die<br />

Schwarzen durch und unter einiger Aufregung,<br />

denn man befürchtete immer unangenehme<br />

Zwischenfälle, kamen alle wieder glücklich,<br />

von den Beschützern begleitet, zum Hospital<br />

zurück. Einige Leutnants und Hausleute hatten<br />

sich nämlich mit festen Stöcken bewaffnet für<br />

eventuelle Vorfälle gerüstet und sorgten in<br />

bester Weise, daß das Marienhospital mit<br />

seinen Insassen im Wahllokal zu seinem<br />

Rechte kam“.<br />

Nach der deutschen Kapitulationserklärung<br />

im Herbst 1918 konnte das Marienhospital<br />

in kurzer Zeit seinen Betrieb<br />

wieder auf Zivilbelegung umstellen. Ein<br />

Problem blieben die aus dem Lazarett zur<br />

Weiterbehandlung verbliebenen Soldaten,<br />

die wie zivile Patienten behandelt wurden,<br />

sich aber ohne militärische Führung nur<br />

widerwillig den Anordnungen des Pflegepersonals<br />

unterwarfen. „Für Ärzte und<br />

Schwestern war der Umgang mit den Patienten<br />

besonders auf der Männerstation<br />

außerordentlich schwierig“, beginnt ein<br />

Eintrag in der Chronik der Franziskanerinnen<br />

im April 1919. „Die meisten waren<br />

verhetzt und aufrührerisch gesinnt; die<br />

größte Vorsicht mußte gebraucht werden,<br />

wollte man auch nur einigermaßen die<br />

Beobachtung der Hausordnung verlangen.<br />

‚Ich lasse mir von Niemand etwas sagen‘,<br />

das hörte man täglich; einer sagte sogar<br />

zum Chefarzt: ‚Sie haben mir überhaupt<br />

nichts zu sagen!‘ Ein anderer bemerkte der<br />

Stationsschwester: ‚Wartet, es soll schon<br />

bald anders mit Euch kommen‘. ... Die<br />

großen Unordnungen, welche durch Aufhebung<br />

der militärischen Disziplin in den<br />

Lazarettabteilungen der Krankenhäuser<br />

hervorgerufen wurde, hatte zur Folge, daß<br />

sich die Vertreter der betreffenden Lazarette<br />

veranlaßt sahen an das Generalkommando<br />

eine Klageschrift zu richten, welche diesen<br />

Zuständen ein Ende machten. Es wurden<br />

auch Maßregeln getroffen, welche wieder<br />

einigermaßen Ordnung brachten, jedoch<br />

war es der sehnlichste Wunsch aller, daß<br />

bald die Möglichkeit geschaffen wurde, die<br />

Lazarette vollständig aufheben zu können“.<br />

90


Die Französische Besatzung<br />

1921/1925<br />

Die Französische<br />

Besatzung 1921/1925<br />

Die Niederschlagung des Spartakistenaufstandes<br />

ließ der Düsseldorfer Bevölkerung<br />

nur kurze Zeit zum Durchatmen.<br />

Als Deutschland die durch den Versailler<br />

Vertrag auferlegten Reparationsansprüche<br />

nicht mehr erfüllen konnte, wurden Düsseldorf<br />

und einige Ruhrgebietsstädte von den<br />

Alliierten besetzt. Am 8. März 1921 rückten<br />

französische Truppen in die Stadt ein und<br />

übernahmen die Gewalt. Die Besatzungsmacht<br />

rief den Belagerungszustand aus,<br />

ließ Theater, Kinos und Lokale schließen,<br />

requirierte Wohnungen, kontrollierte den<br />

Straßen- und Personenverkehr. Außerdem<br />

gab es Post- und Pressebeschränkungen<br />

sowie Einschränkungen in der Versammlungsfreiheit.<br />

Zwar wurden viele Bestimmungen<br />

nach kurzer Zeit gelockert oder<br />

zurückgenommen, doch blieb das tägliche<br />

Leben beschwert. Drückend war vor allem<br />

die Wohnungsnot, da die französische Besatzungsmacht<br />

neben Kasernen, Schulen<br />

und Vereinsheimen auch unzählige Privathäuser<br />

zur Unterbringung ihrer Streitkräfte<br />

beschlagnahmte.<br />

Da die Franzosen auch kirchliche und<br />

medizinische Einrichtungen requirierten,<br />

befürchteten der Vorstand und die Franziskanerinnen<br />

für das Marienhospital das<br />

Schlimmste. In der Ordenschronik heißt es:<br />

„Die Franzosen beschlagnahmten zuerst 60<br />

Betten und am 10. April 1921 sogar <strong>150</strong>“.<br />

Am Ende begnügte sich die Besatzungsmacht<br />

mit der Inanspruchnahme eines<br />

Teils der Männerstationen nebst Büro und<br />

Operationssaal, „die sie dann einige Monate<br />

in entgeltliche Benutzung nahmen“.<br />

Nach dem von beiden Seiten<br />

im April 1921 unterzeichneten<br />

Vertrag musste das Marienhospital<br />

dem französischen Militär<br />

„eine Anzahl Betten zur<br />

Verfügung halten, den Kranken<br />

und dem dazu gehörigen<br />

militärischen Pflegepersonal<br />

Unterkunft und Verpflegung<br />

gewähren, die technischen<br />

Einrichtungen gegen Bezahlung<br />

zur Verfügung stellen,<br />

desgl. auch dem militärischen<br />

Chefarzt die benötigten Räume<br />

einrichten“. Bereits Ende Dezember 1921 wurden die<br />

unter Zwang abgetretenen Räume nicht mehr benötigt und<br />

von den Franzosen wieder freigegeben.<br />

Aller deutschen Propaganda gegen die französischen<br />

Besatzungstruppen zum Trotz, denen ständig Gräueltaten und<br />

Übergriffe gegen die deutsche Zivilbevölkerung zugeschrieben<br />

wurden, zeigten die in das Marienhospital eingewiesenen<br />

Soldaten gegenüber den Ärzten und Schwestern ein korrektes<br />

Verhalten. „An Geburtstagen und Namenstagen der Schwestern“,<br />

so die Ordenschronik, „trafen Gratulationsbriefe ein,<br />

welche davon Zeugnis geben, wie die Besatzungstruppen<br />

das Wohlwollen zum Ausdruck bringen, daß sie stets den<br />

Schwestern entgegenbrachten“. So erhielt beispielsweise<br />

Oberin Sw. Athanasia an ihrem Namenstag (2. Mai 1921)<br />

zahlreiche Zuschriften und Geschenke von französischen<br />

Soldaten. In einem Dankschreiben an den französischen<br />

Generaloberarzt in Mainz erwiderte sie: „Im Namen aller<br />

Kasernenstraße, Französische<br />

Besatzung, um 1923<br />

Tonhallenstraße, Französische<br />

Besatzung, um 1923<br />

Schloss Jägerhof, Französische<br />

Besatzung, um 1923<br />

91


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Propagandaflugblatt, um 1923<br />

Ordenschronik der Franziskanerinnen 1921 (Auszug)<br />

In unserem Hospital befanden sich unter<br />

den Franzosen auch Besatzungstruppen,<br />

Neger aus Madagaskar. Darunter war<br />

auch ein an schwerer Grippe erkrankter<br />

Mann mit Namen Esandraodha, der noch<br />

nicht getauft war. Als die ihn pflegende<br />

Schwester auf den lebensgefährlichen Zustand<br />

seiner Krankheit aufmerksam machte,<br />

verlangte er nach einem Priester. ...<br />

Schwestern des Marienhospitals, der ganzen<br />

Genossenschaft und im eigenen Namen dankt<br />

Unterzeichnete recht herzlich für das uns überreichte<br />

Geschenk (Ciborium) und die schönen<br />

nützlichen Bücher für die einzelnen Schwestern.<br />

Was die pflegenden Schwestern während der<br />

Grippe-Epidemie im Frühjahr 1921 den französischen<br />

Kranken getan, hätte auch jede andere<br />

Schwester bereitwilligst übernommen, wenn<br />

sie im Gehorsam damit beauftragt worden<br />

wäre; somit kommt das Verdienst der ganzen<br />

Genossenschaft zugute, die ihre Aufgabe und<br />

ihre Pflicht darin findet aus Liebe zu Gott allen<br />

Kranken ohne Unterschied nach Kräften die<br />

bestmögliche Pflege angedeihen zu lassen. ...<br />

Ich bitte der hohen Commission, der französischen<br />

Republik, dem Herrn General Jean-Marie<br />

Degoutte unseren besten Dank übermitteln zu<br />

wollen. gez. Schw. Athanasia, Oberin“.<br />

Schon während des Ersten Weltkrieges<br />

hatte sich die deutsche Propaganda lautstark<br />

über den Einsatz von Kolonialtruppen empört.<br />

Deutsche Zeitungen schrieben von „einem<br />

schmachvollen Schauspiel“; die Westmächte<br />

hetzten „Mongolen und Neger auf die weiße<br />

Rasse“. Nach der Niederlage empfanden viele<br />

Deutsche die Afrikaner am Rhein als besondere<br />

Demütigung. „Die Verwendung farbiger Truppen<br />

niederster Kultur als Aufseher über eine<br />

Er betete immer, und so ward ihm die große<br />

Gnade zuteil, die hl. Taufe zu empfangen.<br />

... Ein schon katholisch gewordener Corporal,<br />

auch Neger, besuchte ihn öfter und die<br />

Beiden beteten zusammen den Rosenkranz.<br />

Der arme Kranke litt viel, aber er hatte soviele<br />

Kraft und Trost in der katholischen Religion<br />

gefunden, daß er voll Vertrauen wartete, bis<br />

sein Schöpfer ihn am 5. April 1921 zu sich rief.<br />

Bevölkerung von der hohen geistigen und<br />

wirtschaftlichen Bedeutung der Rheinländer“,<br />

so Reichspräsident Friedrich Ebert, sei<br />

eine „Verletzung der Gesetze europäischer<br />

Zivilisation“. Die Schwestern im Marienhospital<br />

ließen sich von der Propaganda nicht<br />

beeinflussen und behandelten farbige Soldaten,<br />

wie die erhaltenen Dankschreiben<br />

von „schwarzen Truppen“ im Ordensarchiv<br />

zeigen, mit der gleichen Fürsorge, die auch<br />

alle anderen Patienten erfuhren.<br />

Nachdem sich das Verhältnis zwischen<br />

Besatzungsregime und Bevölkerung bis zu<br />

einem gewissen Grad eingependelt hatte,<br />

zerbrachen die friedlichen Beziehungen<br />

abrupt am 11. Januar 1923 mit dem Einmarsch<br />

französischer und belgischer Truppen<br />

ins Ruhrgebiet. Die deutsche Regierung<br />

ordnete Trauerbeflaggung an und rief die<br />

Bevölkerung im besetzten Gebiet zum<br />

Widerstand auf. Die Franzosen verstärkten<br />

demgegenüber den Druck in den alten<br />

Sanktionsgebieten, belasteten noch mehr<br />

den Wohnungsmarkt und versuchten vor<br />

allen Dingen, den passiven Widerstand<br />

der Beamten durch Geld- und Haftstrafen<br />

sowie Ausweisungen zu brechen.<br />

Das Marienhospital wurde vom 12.<br />

Januar bis 29. Dezember 1923 teilweise<br />

wieder von französischen Soldaten belegt.<br />

Hierzu war erneut ein Vertrag mit der<br />

Besatzungsmacht geschlossen worden,<br />

da sonst eine Beschlagnahme gedroht<br />

hätte. Ungeachtet des Vertrages stand im<br />

Herbst 1923 die gesamte Beschlagnahme<br />

des Marienhospitals bevor, doch kam es<br />

hierzu nicht, da sich die Franzosen für eine<br />

Requirierung des Evangelischen Krankenhauses<br />

am Fürstenwall entschieden hatten.<br />

92


Das 50jährige Bestehen<br />

des Marienhospitals<br />

Das 50jährige Bestehen<br />

des Marienhospitals<br />

Höhepunkt des <strong>Jahre</strong>s 1922 waren die Feierlichkeiten<br />

zum 50jährigen Bestehen des<br />

Marienhospitals. „Äußere Umstände“, wie<br />

es in der Chronik heißt, hatten verhindert,<br />

das Jubiläum im Sommer des Vorjahres zu<br />

begehen. Dass die Festlichkeiten zur Erinnerung<br />

an die Eröffnung des Marienhospitals<br />

im Juli 1871 erst ein Jahr später stattfinden<br />

konnten, stand ohne Zweifel im Zusammenhang<br />

mit dem unerwünschten Aufenthalt<br />

französischer Besatzungssoldaten in der<br />

Anstalt. „Auch heute ist zum Festefeiern<br />

gewiß nicht die Zeit“, erklärte der Vorstand<br />

in einer von Pater Bertold Bockolt OFM aus<br />

Anlass des Jubiläums verfassten Schrift über<br />

die bisherige Entwicklung des Marienhospitals.<br />

Nach der Freigabe des Hauses glaubten<br />

die Verantwortlichen jedoch, „jetzt, wo die<br />

äußeren Hindernisse des Vorjahres nicht<br />

mehr bestehen, geistliche und weltliche<br />

Behörden, Mitarbeiter und Freunde des<br />

Hauses zu einer schlichten Kundgebung<br />

einladen zu sollen, um zunächst Gott zu<br />

danken für seinen bisherigen Schutz, um<br />

dann auch dankbar zu gedenken aller Gönner<br />

und Freunde der Anstalt, um ferner die<br />

Öffentlichkeit auf die stille Arbeit katholischer<br />

Karitas hinzuweisen und um endlich<br />

alle zu bitten, die Arbeiten des Hauses auch<br />

in Zukunft mit Wohlwollen und tatkräftiger<br />

Unterstützung zu begleiten“.<br />

Nach einem feierlichen Hochamt, das<br />

vom Kölner Kardinal Karl Joseph Schulte<br />

zelebriert wurde, fand am 19. Oktober<br />

1922 im Festsaal des Krankenhauses<br />

der Empfang der zahlreich erschienenen<br />

Ehrengäste statt.<br />

Ordenschronik der Franziskanerinnen 1923 (Auszug)<br />

Am 9. Januar 1923 wurde unser Hospital<br />

wieder in große Aufregung versetzt, da sich<br />

wiederum die Franzosen hier angemeldet haben.<br />

Es wurde tapfer gebetet, damit der liebe<br />

Gott doch diese Gefahr von unserem Hause<br />

ablenken möge. Unter der französischen<br />

Besatzung war eine große Grippe-Epidemie<br />

ausgebrochen, und war die Zahl der Erkrankten<br />

nicht unterzubringen. Deshalb kamen die<br />

französischen Offiziere wiederum zu uns, um,<br />

wie es schien, hier wieder sich einzuquartieren.<br />

Die Arbeit nahm, weil das Haus außerdem<br />

sehr überbelegt war, überhand, zumal 10<br />

Schwestern schwer an der Grippe erkrankt<br />

waren. Die gute Schwester Blasia, welche alle<br />

mit großer Aufopferung pflegte, erkrankte<br />

ernstlich. Es schien, als wolle der liebe Gott sie<br />

zu sich nehmen, und stellten wir dem lieben<br />

Gott in flehentlichem Gebete alles anheim. ...<br />

Am 10. Januar 1923 schellte das Besatzungsamt<br />

hier an, daß also wieder 50 Betten für<br />

Marienhospital, Hauptfront, um 1920<br />

französische Truppen beschlagnahmt wären.<br />

Also forderte der liebe Gott wiederum dieses<br />

Opfer von uns. Es mußte so schnell ausgeräumt<br />

werden, da an uns die Mitteilung erging, daß<br />

sobald als möglich die Betten belegt würden.<br />

Da nun gerade Sonntag war, mußte trotzdem<br />

die Verlegung der Krankenkassen-Patienten zu<br />

der I. Männerstation vorgenommen werden,<br />

und schon am 12. Januar 1923 wurde die ganze<br />

II. Männerstation mit Franzosen belegt. ...<br />

Am 6. October 1923 wurden wir wiederum<br />

in große Aufregung versetzt wegen<br />

neuer wiederholter Beschlagnahme unseres<br />

Hospitals durch die Franzosen. Gott sei Dank<br />

lenkte der liebe Gott alle Gefahren von uns<br />

ab, und schon am 10. October 1923 verkündeten<br />

die Zeitungen die Beschlagnahme des<br />

Evangelischen Krankenhauses. Wir dankten<br />

dem lieben Gotte für seine Fürsorge und dem<br />

hl. Antonius für seine treue Hilfe.<br />

93


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Die Inflation<br />

Jubiläumsgedicht, 1895<br />

Einladungskarte, 19. Oktober 1922<br />

Marienhospital, Kinderabteilung<br />

Knaben, um 1930<br />

Die anlässlich des Jubiläums eingegangenen<br />

Spenden aus der Düsseldorfer Industrie erlaubten<br />

es dem Marienhospital, in der Folgezeit die<br />

Kinderstation der Anstalt auszubauen und einen<br />

Bestrahlungsapparat zur Behandlung krebskranker<br />

Patienten anzuschaffen, der in anderen<br />

Krankenhäusern der Stadt bereits seit längerer<br />

Zeit zur Standardeinrichtung gehörte.<br />

Der passive Widerstand gegen die Besatzungsmächte<br />

konnte nur aufrechterhalten<br />

werden, weil das Reich mit Lohnsicherungen<br />

und Krediten half. Es war abzusehen,<br />

dass die Finanzkraft des Reiches den Belastungen<br />

der Rheinlandbesatzung auf Dauer<br />

nicht gewachsen war. Die Quelle, die den<br />

passiven Widerstand speiste, musste in<br />

absehbarer Zeit versiegen. Die Lasten, die<br />

sich das Reich mit der Finanzierung des<br />

Ruhrkampfes auferlegt hatte, beschleunigten<br />

zudem den Verfall der ohnehin zerrütteten<br />

Geldwirtschaft immer schneller. Die<br />

deutschen Notenpressen liefen auf vollen<br />

Touren und bewirkten eine nie dagewesene<br />

Hochinflation.<br />

Die Geldentwertung führte dazu, dass<br />

der wirtschaftliche Betrieb des Marienhospitals<br />

1923 sich nur noch im Barzahlungsverkehr<br />

abspielte und mit schwindelerregenden<br />

Zahlen operierte. In der Tat hatte<br />

die Teuerungsrate astronomische Summen<br />

erreicht. Betrug der tägliche Pflegesatz<br />

für die dritte Klasse im Mai 1922 noch 80<br />

Mark, so war er im September 1923 bereits<br />

auf 7,1 Millionen Mark gestiegen.<br />

„Die Berechnung von Allem“, so die<br />

Schwesternchronik, „wurde mit jedem<br />

Tage schwieriger. Man geriet in eine geradezu<br />

kritische Lage, aus der man sich<br />

äußerst schwer herauszuwinden verstand.<br />

Sämtliche Stiftungsgelder wurden wertlos,<br />

alle Gehälter mußten aufgewertet<br />

werden, ebenso alle Vergütungen. Die<br />

Gehälter für die Chefärzte wurden wie<br />

folgt ausgerechnet: Das Friedensgehallt<br />

multipliziert mit dem vom Reichswohlfahrtsminister<br />

festgesetzten Teuerungs-<br />

Index, jedoch sollten die Gehälter für Beide<br />

94


Selbstversorgung<br />

3 % der Gesamteinnahme III. Klasse nicht<br />

übersteigen. Die Ausstellung der Rechnung<br />

war äußerst schwierig. Man mußte sich alle<br />

Tage nach dem Dollarkurs erkundigen und<br />

hiermit wurde der Preis ausgerechnet. Daher<br />

kamen ganz schrecklich große Zahlen<br />

zum Vorschein, welche am Anfang sehr<br />

schwer zu lesen waren“.<br />

Ordenschronik der Franziskanerinnen 1923 (Auszug)<br />

Die Teuerung nimmt täglich zu.<br />

Am 1. November 1923 kostete:<br />

1 Pfund Brot 3 Milliarden<br />

1 Pfund Fleisch 36 Milliarden<br />

1 Glas Bier 4 Milliarden<br />

Am 15. November 1923 kostete:<br />

1 Pfund Brot 80 Milliarden<br />

1 Pfund Fleisch 900 Milliarden<br />

1 Glas Bier 52 Milliarden<br />

Am 1. Dezember 1923 kostete:<br />

1 Pfund Brot 260 Milliarden<br />

1 Pfund Fleisch 3 Billionen,200 Milliarden<br />

Ende 1923 wurde der wertlosen Papiermark<br />

zunächst die Goldmark, dann die<br />

Rentenmark entgegengestellt. Letztere<br />

wurde am 30. August 1924 durch die<br />

Reichsmark abgelöst, die wieder durch<br />

Gold und wertbeständige Devisen gedeckt<br />

war. Durch das Vertrauen der Bevölkerung<br />

in die neue Währung blieben der Wert des<br />

Geldes und die Preise stabil. Im Februar<br />

1924 wurde der Pflegesatz der dritten Klasse<br />

auf 4,20 Mark festgelegt, wodurch fast<br />

wieder das Niveau des Friedenssatzes von<br />

3 Mark erreicht worden war. Nach mehreren<br />

<strong>Jahre</strong>n des wirtschaftlichen Verfalls<br />

konnte der Vorstand des Marienhospitals<br />

zum Ende des <strong>Jahre</strong>s 1924 wieder einen<br />

Finanzbericht mit günstigem Abschluss<br />

vorlegen.<br />

Selbstversorgung<br />

Im Juli 1924 wurde gegenüber dem Isolierhaus ein<br />

großes Treib- und Gewächshaus für Wintergemüse,<br />

Salat und Gurken errichtet. Das Marienhospital sollte<br />

so den ganzen Winter hindurch mit frischem Gemüse<br />

und Salat versorgt werden.<br />

Den Verfall des Wertes der deutschen Währung<br />

stellt die folgende Übersicht der Pflegesätze im<br />

Marienhospital dar:<br />

Preise pro Tag<br />

ab 1. Juli 1922<br />

III. Klasse 110,- Mark<br />

IIb. Klasse <strong>150</strong>,- Mark<br />

IIa. Klasse 200,- Mark<br />

I. Klasse 275-300,- Mark<br />

ab 16. November 1922<br />

III. Klasse 1340,- Mark<br />

IIb. Klasse 1000,- Mark<br />

IIa. Klasse 1600,- Mark<br />

I. Klasse 2000,- Mark<br />

ab 1. August 1923<br />

III. Klasse 97000,- Mark<br />

IIb. Klasse 159000,- Mark<br />

IIa. Klasse 212000,- Mark<br />

I. Klasse 424000,- Mark<br />

ab 1. September 1923<br />

III. Klasse 2467000,- Mark<br />

IIb. Klasse 4353000,- Mark<br />

IIa. Klasse 5804000,- Mark<br />

I. Klasse 11608000,- Mark<br />

ab 9. September 1923<br />

III. Klasse 7140000,- Mark<br />

IIb. Klasse 12600000,- Mark<br />

IIa. Klasse 16800000,- Mark<br />

I. Klasse 33600000,- Mark<br />

ab 16. September 1923<br />

(Einführung der Goldmark-Berechnung)<br />

III. Klasse 3,30 Goldmark<br />

IIb. Klasse 4,50 Goldmark<br />

IIa. Klasse 6,- Goldmark<br />

I. Klasse 9,- Goldmark<br />

1 Goldmark entspricht 1 Billionen Mark<br />

Notgeldschein der Stadt Düsseldorf, 1923<br />

Inflationsgeld, um 1923<br />

95


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, Gewächshäuser, um 1930<br />

Ordenschronik der Franziskanerinnen 1925 (Auszug)<br />

12. April 1925: Bis zu dem hochheiligen<br />

Osterfeste bot das neu errichtete Treibhaus<br />

schon ca. 400 Köpfe Salat und etwa<br />

130 große Gurken. Neben den neuen<br />

Wirtschaftsgebäuden wurde ein großer<br />

Keller aufgebaut für Kartoffel und Gemüse<br />

unterzubringen. Über demselben wurde<br />

eine großartige Bleiche angelegt.<br />

Wirtschafts-Ertrag 1925:<br />

22 Schweine 6779,50 Mark<br />

72 Hühner 316,00 Mark<br />

14837 Eier 2256,83 Mark<br />

Erzeugnisse aus der Gemüsezucht im<br />

<strong>Jahre</strong> 1925 in der Treibhausanlage:<br />

1000 Pfund Spinat<br />

590 Pfund Feldsalat<br />

75 Pfund Kresse<br />

90 Bund Radieschen<br />

1300 Pfund Stielmus<br />

1550 Stück Kopfsalat<br />

250 Pfund Schnittgemüse<br />

111 Pfund Strauchbohnen<br />

140 Pfund Kurze Möhren<br />

835 Stück Blumekohl<br />

1540 Stück Schlangengurken<br />

745 Pfund Tomaten<br />

Das Marienhospital im<br />

Jahr der GESOLEI<br />

Aufsehen weit über die Grenzen der Stadt<br />

Düsseldorf und des Deutschen Reiches hinaus<br />

erregte im <strong>Jahre</strong> 1926 die Ausstellung<br />

„Gesundheitspflege, Soziale Fürsorge und<br />

Leibesübungen“ (Gesolei), die am 8. Mai<br />

auf dem Ausstellungsgelände in Golzheim<br />

eröffnet wurde. Ziel der Messe war es, „das<br />

gesundheitsgeschädigte deutsche Volk“ nach<br />

dem Ersten Weltkrieg und der Wirtschaftsrezession<br />

„für die Zukunft auszurüsten und<br />

für die Kraftanspannung des Neuaufbaus zu<br />

Gesolei, 1926<br />

ertüchtigen“. Auf einem Gelände von 400000<br />

qm waren 171 Ausstellungsbauten mit einer<br />

Fläche von 120000 qm errichtet, die für<br />

die Arbeitsfelder Gesundheitspflege, Soziale<br />

Fürsorge und Leibesübungen zeigen sollten,<br />

„was bereits geschieht und wo noch wichtige<br />

Aufgaben liegen, die in der Zukunft<br />

zu lösen sind“. Dem Ruf, die Ausstellung<br />

zu beschicken, waren das Reich, einzelne<br />

Länder, städtische Verwaltungen sowie<br />

zahlreiche private Organisationen gefolgt.<br />

Wie aus einem Bericht des Düsseldorfer<br />

Tageblatts vom 8. Mai 1926 hervorgeht,<br />

befand sich unter den zahlreichen<br />

Ausstellungsobjekten, die einen Einblick<br />

in die Einrichtungen und Betätigungen<br />

der Düsseldorfer Kranken‐, Heil‐ und Pflegeanstalten<br />

geben sollten, auch ein Modell<br />

des Pempelforter Marienhospitals.<br />

Bedauerlicherweise sind weder das Ausstellungsobjekt<br />

selbst noch photographische<br />

Dokumente, auf denen es abgelichtet war,<br />

erhalten geblieben.<br />

Das Modell des Marienhospitals in der<br />

Ausstellungshalle dürfte im wesentlichen<br />

den Entwicklungsstand der Anstalt widergespiegelt<br />

haben, den der Chefarzt Franz<br />

Kudlek 1926 in einem zur Gesolei veröffentlichen<br />

Begleitbuch über die Düsseldorfer<br />

Kranken‐, Heil‐ und Pflegeanstalten wie<br />

folgt beschrieb: „Das Hauptgebäude gliedert<br />

sich in einen Mittelbau, 2 Seitenflügel<br />

und einen Mittelflügel. An die Westseite<br />

des Hauptbaues schließt sich ... die Kapelle<br />

an. Ostwärts vom Hauptbau liegt das Isolierhaus,<br />

südwärts das Maschinen- und Kesselhaus,<br />

von dem aus das ganze Hospital<br />

beheizt und mit warmem Wasser versorgt<br />

wird, und eine Reihe Wirtschaftsgebäude.<br />

Zu beiden Seiten des Hauptgebäudes<br />

sind Grünanlagen vorhanden, die den<br />

Rekonvaleszenten Bewegung und Ruhe im<br />

Freien ermöglichen. In dem außerdem noch<br />

vorhandenen Gemüse‐ und Obstgarten ist<br />

die neue Gewächshaus-Anlage errichtet.<br />

Das Geschoß zur ebenen Erde im Hauptteil<br />

dient im wesentlichen Wirtschaftszwecken,<br />

96


Das Marienhospital<br />

im Jahr der GESOLEI<br />

wie Bäckerei, Koch-, Waschküche, Mangelraum,<br />

Bügelzimmer, Apparate- und Aufbewahrungsräume,<br />

Werkstätte für Schreiner<br />

und Anstreicher usw.. In dem nach Süden<br />

zu gelegenen Teil des Ostflügels liegt die<br />

physikalisch-therapeutische Abteilung; daran<br />

angegliedert ist das Röntgeninstitut<br />

und das Laboratorium für die chirurgische<br />

Abteilung. Das 1. Obergeschoß enthält<br />

im Mittelbau die Empfangs-, Warte-, Aufnahme-<br />

und Verwaltungsräume, sowie das<br />

Ärzte‐Casino. Nach Osten hin vom Eingang<br />

liegt die chirurgisch-gynäkologische Station.<br />

Davon durch einen etwa 30 qm großen<br />

Raum getrennt und vollkommen für sich<br />

abgeschlossen liegt die aus 7 Räumen bestehende<br />

Operationsabteilung. In den übrigen<br />

Geschossen befinden sich die Räume<br />

für die Unterbringung der Kranken. In dem<br />

straßenwärts gelegenen Teil des Ost‐ und<br />

Westflügels befinden sich die Krankenzimmer<br />

der Privatstation, die sich durch 3 Geschosse<br />

hindurchziehen und miteinander<br />

durch gesonderte Treppenverbindungen<br />

in Zusammenhang stehen. Die einzelnen<br />

Geschosse sind miteinander durch breite<br />

Steintreppen und 2 Personen-Aufzüge verbunden.<br />

Im ganzen Krankenhaus wurden,<br />

um den in den letzten <strong>Jahre</strong>n immer mehr<br />

zunehmenden Straßenlärm vollkommen<br />

auszuschalten und den Kranken, trotz der<br />

Zentrallage des Krankenhauses, den Aufenthalt<br />

möglichst angenehm zu gestalten,<br />

in sämtlichen Räumen Doppelfenster eingebaut.<br />

Der rückwärtige Mittelflügel stellt in<br />

seinen unteren 3 Geschossen das Schwesternhaus<br />

dar, während das obere Geschoß<br />

als Schlaf- und Aufenthaltsraum für das<br />

weibliche Dienstpersonal zur Verfügung<br />

steht. Bei allen baulichen Veränderungen<br />

war der leitende Gesichtspunkt nicht allein<br />

die Raumvermehrung für Krankenbetten,<br />

sondern die Erfüllung der durch die Fortschritte der Chirurgie<br />

sowie der inneren Medizin und Hygiene bedingten Forderung<br />

nach vollkommenen Operations‐, Laboratoriums‐ und therapeutischen<br />

Einrichtungen. Deshalb sind auch die Ausmessungen<br />

des vornehmlich für diese bestimmten Ostflügels mit über<br />

40 m Länge denen der anderen Bauten weit voranstehend.<br />

Hier dehnt sich ... im Untergeschoß zunächst die physikalischtherapeutische<br />

Abteilung aus, daran angrenzende das Röntgeninstitut.<br />

Die erstgenannte Abteilung setzt sich zusammen<br />

aus: a) Dem Institut für Bäder- und elektrische Behandlung.<br />

Dasselbe enthält die Badeeinrichtung für Voll- und Teilbäder<br />

(Sitz-, Fuß- Handbäder<br />

usw.), eine Einrichtung für allerlei<br />

Duschen, Dampfkasten<br />

und elektrisches Lichtbad, ein<br />

elektrisches Vierzellenbad, Diathermieapparate,<br />

elektrische<br />

Percussionsmassage usw., 12<br />

Stück medicomechanische<br />

Pendelapparate und eine Bogheansche<br />

Atmungsmaschine,<br />

vornehmlich verwendbar für<br />

Gesolei, Gesamtansicht, 1926<br />

Gesolei, Teilansicht mit<br />

Restaurant Rheinterasse, 1926<br />

97


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Gesolei, Liliputbahn mit Feuerwehrturm, 1926<br />

Die Düsseldorfer Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten 1926<br />

Anstalt Adresse Betten<br />

Allgemeine städtische Krankenanstalten Moorenstr. 5 1450<br />

Westdeutsche Kieferklinik Sternstr. 35/41 70<br />

Augusta-Krankenhaus Amalienstr. 9 200<br />

Auguste-Viktoria-Haus Blumenthalstr. 12 140<br />

Krankenhaus der Dominikanerinnen Rheinallee 26/27 180<br />

Dorotheenheim Dorotheenstr. 85 160<br />

Evangelisches Krankenhaus Fürstenwall 91 360<br />

Freytag-Krankenhaus Gartenstr. 15 25<br />

Gertrudisheim Ulmenstr. 83 180<br />

Privatklinik Golzheim Kaiserswerther Str. 329 80<br />

St. Josephs-Krankenhaus Kruppstr. 23 130<br />

St. Josephs‐Heil‐ und Pflegeanstalt Unterrather Str. 1 252<br />

Luisenkrankenhaus Degerstr. 8/10 60<br />

Marienhospital Sternstr. 91 450<br />

Martinuskrankenhaus Martinstr. 7 60<br />

Provinzial Heil‐ und Pflegeanstalt Grafenberg Bergische Landstr. 2 840<br />

Städtisches Pflegehaus Himmelgeister Str. 152 785<br />

Theresienhospital Stiftsplatz 13 200<br />

Tuberkulose-Kinderheilstätte Waldesheim Stadtwaldstr. 3 135<br />

Vinzenzhaus Schloßstr. 81/85 80<br />

Wöchnerinnenheim Flurstr. 14 50<br />

chronisch Lungen- und Herzkranke mit<br />

gestörter Atmungstätigkeit. Diesem Institut<br />

ist angegliedert auch die Licht-Therapie.<br />

In demselben sind untergebracht ein für<br />

therapeutische Bestrahlungen bestimmter<br />

Röntgenapparat, eine Krohmeyersche<br />

Quarzlampe, 2 Bachsche und 1 Jesionecksche<br />

Höhensonne und 2 Solluxlampen.<br />

Außerdem sind die letztgenannten Strahlenapparate<br />

in nochmaliger Ausführung<br />

auf der neu ausgebauten Kinderstation in<br />

einem eigens dazu hergestellten Raum aufgestellt,<br />

um möglichst ausgiebig bei der Behandlung<br />

spezifischer Kindererkrankungen<br />

Verwendung zu finden. b) Dem diagnostischen<br />

Röntgeninstitut. Dasselbe enthält<br />

einen allen Anforderungen genügenden<br />

Röntgenapparat mit sämtlichen in Betracht<br />

kommenden Hilfseinrichtungen. Demselben<br />

sind angegliedert ein phototechnisches<br />

Laboratorium zur Entwicklung und Weiterverarbeitung<br />

der Röntgenplatten und<br />

sonstiger, für wissenschaftliche Zwecke<br />

benötigter photographischer Aufnahmen.<br />

Über den eben genannten Räumen liegt die<br />

Operations‐Abteilung. Sie ist vom übrigen<br />

Krankenhaus völlig getrennt und besteht<br />

aus 7 Räumen: 2 großen Operationssälen<br />

mit Oberlicht, je einem Vorbereitungszimmer,<br />

einem weiteren Auskleidezimmer,<br />

einem Endoskopierraum und Sterilisationsraum.<br />

In dem einen Operationssaal<br />

werden alle Operationen ausgeführt, die<br />

teils als dringend bezeichnet werden und<br />

teils nicht als absolut steril anzusehen sind,<br />

während in dem zweiten Operationssaal<br />

nur Operationen ausgeführt werden, bei<br />

denen man absolut sicher weiß, daß man<br />

auf keinen Eiter stößt. Die spezifisch septischen<br />

Erkrankungen werden in einem<br />

besonders dafür bestimmten Raum auf<br />

der Station ausgeführt“.<br />

98


Das Marienhospital<br />

im Jahr der GESOLEI<br />

Dank der Stabilisierung der wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse hatte das Marienhospital<br />

schon 1925 und 1926 ein umfangreiches<br />

Erneuerungs- und Erweiterungsprogramm<br />

aufstellen und verwirklichen können, das<br />

den Bau einer neuen Liegehalle und Terrasse,<br />

Ausbau und Neueinrichtung des<br />

dritten Stockwerkes im mittleren Flügel,<br />

Neubau eines Glockenturmes, Umbau<br />

des Pförtnerhauses, Einbau automatischer<br />

Fernsprechanlangen, Umgestaltung der<br />

Waschküche und Anlage neuer Gärten und<br />

Kühlanlagen umfasste. Gleichen Schritt mit<br />

den baulichen Erweiterungen hielt auch die<br />

ständige Modernisierung in hygienischer<br />

und technischer Beziehung, so dass das<br />

Marienhospital seine Vorrangstellung unter<br />

den konfessionellen Krankenanstalten<br />

behaupten konnte. Mit 450 Krankenbetten<br />

war es Mitte der zwanziger <strong>Jahre</strong> nach den<br />

Allgemeinen städtischen Krankenanstalten<br />

das zweitgrößte Krankenhaus in der Stadt<br />

Düsseldorf. 1925 wurden im Marienhospital<br />

4800 Kranke mit 136854 Verpflegungstagen<br />

von 11 Ärzten behandelt und 60<br />

Franziskanerinnen und 7 Krankenwärtern<br />

gepflegt.<br />

Das Marienhospital war als Institution<br />

aus der Stadt nicht mehr wegzudenken. In<br />

der medizinischen Versorgung der Stadt<br />

nahm es eine herausragende Rolle ein, was<br />

durch seine offenbar hohen Belegungsziffern<br />

unterstrichen wurde. Als besonders<br />

fortschrittlich in der medizinischen Therapie<br />

und als Ergänzung für physikalische Therapien<br />

galt die bereits erwähnte Sonnenterrasse.<br />

Hier ließen sich Tuberkulose-Kranke<br />

und solche mit Gelenkerkrankungen therapieunterstützend<br />

Luft- und Sonnenbädern<br />

aussetzen.<br />

Dorotheenheim,<br />

Dorotheenstraße 85, um 1950<br />

Privatklinik Golzheim,<br />

Kaiserswerther Straße 329, um 1935<br />

Martinuskrankenhaus,<br />

Martinstraße 7, um 1950<br />

Gertrudisheim,<br />

Ulmenstraße 83, um 1930<br />

St. Josephs-Heil- und Pflegeanstalt,<br />

Unterrather Straße 1, um 1930<br />

Marienhospital,<br />

Treppenaufgang, um 1930<br />

99


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Die Privatabteilungen<br />

Mediziner, Psychiater, Theoretiker hatten<br />

sich schon lange mit Fragen der inneren<br />

Differenzierung der Patienten im<br />

Krankenhaus beschäftigt. Sanitätspolizeiliche<br />

Vorgaben schrieben die Trennung<br />

von Patientengruppen im Krankenhaus<br />

aus medizinischen Erwägungen, etwa<br />

der Absonderung ansteckender Kranker<br />

oder so genannter Irrer, schon immer vor.<br />

Isolierung der Kranken nach Krankheitsgruppen<br />

senkte das Sterblichkeitsrisiko<br />

spürbar. Die Differenzierung nach inneren<br />

und äußeren Krankheiten wurde ebenfalls<br />

gefordert und im Marienhospital von<br />

Beginn an durchgeführt. Praktische Erwägungen<br />

der Trennung von leichten und<br />

Marienhospital, Privatabteilung, um 1930<br />

Marienhospital, Privatzimmer, um 1930<br />

Marienhospital, Privatabteilung, um 1930<br />

schweren Erkrankungsfällen, alten und<br />

jungen Kranken ergaben sich im Alltag des<br />

Krankenhauses von selbst.<br />

Subjektivem Empfinden der Kranken,<br />

der Wahrung von Intimität durch die<br />

Möglichkeit der Abgrenzung gegen Mitpatienten<br />

maß 1892 der Privatdozent der<br />

Medizin in Berlin, Martin Mendelsohn, vor<br />

dem Hintergrund oft großer Krankensäle einen<br />

zusätzlichen „Heilfaktor“ bei: „Gewiss,<br />

man kann dort nicht jedem sein eigenes<br />

Zimmer geben – es wäre dies auch gar<br />

nicht vortheilhaft, denn der Kranke fühlt<br />

sich vereinsamt und vernachlässigt – aber<br />

es könnte doch wenigstens dafür gesorgt<br />

werden, dass der einzelne Kranke, zum<br />

mindestens zeitweise, vermag, sich dieser<br />

absoluten Gemeinschaft zu entziehen. Es ist<br />

zum wenigstens nicht Jedermanns Sache,<br />

vor neunzehn anderen Menschen Stuhlgang<br />

zu produziren, und man braucht nicht<br />

einmal ein junges Mädchen zu sein um in<br />

solchem Falle, wenn man sich schließlich<br />

dazu entschlossen hat, zu keinem Resultate<br />

zu kommen“.<br />

Im <strong>Jahre</strong> 1904 gab es im Marienhospital<br />

30 Privatkrankenzimmer, 1912 erhöhte<br />

man sie auf 34. Was sprach dafür? Geschah<br />

dies vorwiegend aus ökonomischen Gründen?<br />

Soziale Abgrenzung? Die Schaffung<br />

von Privatzimmern erschien 1914 zum<br />

Beispiel dem Osnabrücker Vorsitzenden<br />

der kommunalen Krankenhauskommission<br />

wünschenswert, „weil diese besonders<br />

begehrt sind und ihre Belegung eine<br />

wesentliche nicht zu unterschätzende<br />

Einnahmequelle für das Krankenhaus bedeutet“.<br />

Wenn diese ökonomische Kalkulation<br />

zuträfe, müssten die Pflegesätze der<br />

Privatpatienten mehr kostendeckend die<br />

der anderen Klassen mitfinanzieren. Bei<br />

einer Gesamt-Bettenzahl im Pempelforter<br />

100


Die Wirtschaftskrise 1930/32<br />

Marienhospital von 450 Betten stellten<br />

1921 die rund 60 Privatbetten aber nur<br />

13 % des Gesamtangebotes dar.<br />

Bleibt der Aspekt, den der Berliner<br />

Arzt und Sozialhygieniker Alfred Grotjahn<br />

1908 vermutete: „An manchen Orten liegt<br />

in den Sonderklassen nach den hieraus erfließenden<br />

ärztlichen Honoraren leider ein<br />

Ausgleich für das kümmerliche oder ganz<br />

fehlende Gehalt des Chefarztes, wodurch<br />

das System selbst noch weniger verteidigenswert<br />

erscheint“. Die Differenzierung<br />

nach sozialen Gesichtspunkten war dann<br />

nicht mehr weit. Sie stellte aber eine vom<br />

Marienhospital von Beginn an und später<br />

immer wieder verurteilte interne Abgrenzung<br />

dar. Gleichwohl hatte die Anstalt<br />

seit ihrer Eröffnung in den Seitenflügeln<br />

einige von den übrigen Räumen abgeschlossene<br />

kleinere Krankenzimmer zur<br />

Aufnahme von „Pensionären“ der I. und<br />

II. Klasse bestimmt. Die Privatkranken mit<br />

besonderem Zimmer hatten etwa dreimal<br />

so viel zu zahlen wie der Armenpflegesatz<br />

ausmachte und nicht ganz doppelt so viel<br />

wie Privatkranke ansonsten.<br />

Mit der „Normalität“ der Institution<br />

Krankenhaus, mit seinem „Erfolg“ auch<br />

in bürgerlichen Kreisen als dem Ort der<br />

Heilung gegenüber häuslicher Krankenbehandlung<br />

war die „ganze Gesellschaft“<br />

ins Marienhospital eingezogen und mit<br />

ihr bisher in einem Krankenhaus nicht<br />

anzutreffende Schichten und Bedürfnisse.<br />

Also musste die „medizinische Attraktivität<br />

durch eine entsprechende standesgemäße<br />

Absonderung und Unterbringung in<br />

Einzel- bzw. Zweibettzimmern ergänzt<br />

werden“; auch ein Zugeständnis an das<br />

dem Krankenhaus stets wohlwollende Düsseldorfer<br />

Bürgertum, das dem „Geruch der<br />

Armut“ in den normalen Krankenzimmern<br />

ausweichen wollte. Die Privatabteilungen im Marienhospital<br />

stellten eine abgegrenzte, dem „Pöbel“ entzogene Welt dar.<br />

Die Wirtschaftskrise 1930/32<br />

Dem Ansehen des Marienhospitals in der Stadt entsprach die<br />

Finanzlage nur selten. Im Verlauf der Wirtschaftskrisenjahre<br />

Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger <strong>Jahre</strong> lag die Belegungsziffer<br />

des Marienhospitals<br />

bei durchschnittlich 190<br />

bis 200 Patienten und sank<br />

zeitweise auf eine Auslastung<br />

von nur <strong>150</strong> Betten. Die dramatische<br />

Minderbelegung<br />

hatte praktisch alle Krankenhäuser<br />

im Land erfasst und in<br />

den Verbänden allgemein die<br />

Diskussion um Herabsetzung<br />

von Krankenhausleistungen<br />

in Gang gesetzt. Im Hintergrund<br />

standen dabei auch die<br />

gesundheitspolitischen Vorstellungen<br />

des Wohlfahrtsstaates<br />

Weimarer Republik,<br />

Leistungen des Krankenhauses<br />

nach einheitlichen Prinzipien<br />

Marienhospital, Hauptfront,<br />

um 1930<br />

Ärztehaus, Ehrenstraße 14a,<br />

1928 fertig gestellt<br />

101


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, Anleihe, 1930<br />

Düsseldorfer Nachrichten,<br />

2. Oktober 1932<br />

festlegen zu können. Die Arbeitsgemeinschaft der Versicherungsträger<br />

beantragte auch noch die Herabsetzung der<br />

Pflegesätze für die 95 % der bei ihnen versicherten Patienten,<br />

was die Finanzausfälle noch vergrößert hätte. Damit stieß sie<br />

auf einhellige Ablehnung der Krankenhäuser. Lediglich der<br />

Pauschalsatz für Entbindungen wurde nach Verhandlungen<br />

geringfügig herabgesetzt. Der Wohlfahrtsstaat stieß an<br />

seine Grenzen. Das Gesundheitswesen musste der allgemeinen<br />

Wirtschafts- und Finanzkrise, die mit dem „Schwarzen<br />

Freitag“ im Oktober 1929 ihren Höhepunkt gefunden<br />

hatte, Tribut zollen. Sparansätze durch Verminderung von<br />

Krankenhausleistungen, durch Vorenthaltung von Krankenhausbehandlung<br />

infolge Nichteinweisung ins Krankenhaus,<br />

drastische Pflegesatzsenkungen forderten unisono Staat und<br />

Arbeitsgemeinschaft der Versicherungsträger.<br />

Erweiterungsbauten<br />

1931/1932<br />

Bereits zwei <strong>Jahre</strong> nach Abschluss des Erneuerungs-<br />

und Erweiterungsprogramms<br />

hatte Chefarzt Dr. Franz Kudlek im Oktober<br />

1928 für das Marienhospital ein weiteres<br />

Bauvorhaben entwickelt. Vorgesehen war<br />

die Errichtung eines neuen Flügels mit<br />

100 Betten zur Aufnahme berufsgenossenschaftlicher<br />

Patienten. Der Neubau<br />

sollte mit einer therapeutischen Abteilung,<br />

einer Diathermieabteilung, Gemeinschaftsräumen<br />

für Frauen und drei getrennten<br />

Abteilungen mit zwei bis drei Betten für Infektionskranke<br />

im Erdgeschoss ausgestattet<br />

sein. Angesichts der Weltwirtschaftskrise<br />

war an die Ausführung des etwa 900000<br />

Mark teuren Bauprojektes jedoch vorerst<br />

nicht zu denken.<br />

Obwohl die Finanzlage noch mehr<br />

als dramatisch war, unterbreitete Regierungsbaumeister<br />

Karl Brocker dem Vorstand<br />

im Frühjahr 1931 ein vermindertes<br />

Umbau- und Erweiterungsprogramm, das<br />

für den Neubau der Röntgenabteilung, die<br />

Errichtung einer gynäkologisch-geburtshelferischen<br />

Abteilung, die Verbesserung<br />

der therapeutischen Einrichtung und die<br />

Änderung der alten Heizungsanlage einen<br />

Gesamtaufwand von 850000 Mark vorsah.<br />

Dank einer Anleihe über 1,2 Millionen<br />

Gulden bei einer Amsterdamer Inkassobank,<br />

für die der gesamte Grundbesitz des<br />

Marienhospitals verpfändet wurde, konnte<br />

noch im gleichen Jahr die Bauausführung<br />

in Angriff genommen werden. Kurz vor<br />

seiner Fertigstellung berichteten die Düsseldorfer<br />

Nachrichten am 2. Oktober 1932<br />

über den sechsgeschossigen Neubau an der<br />

102


Die Zeit des Nationalsozialismus<br />

Prinz-Georg-Straße: „Seit Monaten ist der<br />

Rohbau bereits fertig, und auch mit der<br />

Inneneinrichtung geht es gut voran, so daß<br />

im November, spätestens Anfang Dezember<br />

der Neubau in Benutzung genommen<br />

werden kann. ... Wenn in einigen Wochen<br />

die Arbeiten im Marienhospital beendet<br />

sein werden, wird das Krankenhaus an der<br />

Sternstraße zu den bedeutendsten Düsseldorfer<br />

Heilanstalten gerechnet werden<br />

müssen“.<br />

Wie aus der Chronik der Ordensschwestern<br />

hervorgeht, konnte ein Teil<br />

der Räume des Neubaues bereits am 23.<br />

Oktober 1932 in Gebrauch genommen<br />

werden. Nach einem Rundgang des Vorstandes<br />

und der Mitarbeiter durch den<br />

Neubau war die Zufriedenheit vor allem<br />

bei den Schwestern sehr groß.<br />

Die Zeit des<br />

Nationalsozialismus<br />

Die Nationalsozialisten hatten unter den<br />

deutschen Katholiken nur mäßige Wahlerfolge<br />

erzielen können. Um nach der<br />

Machtergreifung vom 30. Januar 1933<br />

den katholischen Bevölkerungsteil in das<br />

neue System einzugliedern, mussten die<br />

drei Stützen unterminiert werden, auf<br />

denen seit der Zeit des Kulturkampfes<br />

der deutsche Katholizismus ruhte: Klerus<br />

und Orden, Vereins‐ und Verbandswesen,<br />

Schul- und Bildungswesen. Das zunächst<br />

garantierte Vereins- und Schulwesen der<br />

Kirche wurde im Laufe der <strong>Jahre</strong> mehr und<br />

mehr ausgehöhlt und bis auf unbedeutende<br />

Reste zurückgedrängt. Schwieriger<br />

war es, den Einfluss von Priestern und<br />

Ordensleuten auf die Gesellschaft zu unterbinden, da ihr<br />

Handeln nicht einfach gleichgeschaltet werden konnte. Gegen<br />

Angehörige des geistlichen Standes setzte daher schon früh<br />

eine Diffamierung in Wort und Bild ein, die alle Grenzen des<br />

Geschmacks hinter sich ließ. Den Nationalsozialisten wäre die<br />

Diskreditierungskampagne weit schwerer geworden, wenn<br />

nicht Tatsachen bekannt geworden wären, die zu ernsten<br />

Zweifeln an der moralischen Integrität von Klerikern und<br />

Ordensleuten Anlass gaben. Seit März 1935 wurden unter<br />

dem Verdacht von Devisenvergehen zahlreiche männliche<br />

und weibliche Ordensangehörige, aber auch Weltpriester<br />

verhaftet. Die Tatbestände, die den Festnahmen und späteren<br />

Verurteilungen zugrunde lagen, waren unbestreitbar. Ordensgenossenschaften<br />

und andere kirchliche Gesellschaften, die<br />

durch ihre internationale Verflechtung Auslandsverbindlichkeiten<br />

besaßen, hatten die aus der Zeit der Weimarer Republik<br />

stammende Devisengesetzgebung umgangen oder verletzt,<br />

wobei nicht immer klar war, ob sie sich der strafrechtlichen<br />

oder moralischen Seite ihres Tuns bewusst waren. Von der<br />

Möglichkeit, solche Prozesse niederzuschlagen und gleichsam<br />

nachträglich Amnestie zu gewähren, die rechtlich gegeben<br />

war, machte das Regime keinen Gebrauch. Im Gegenteil – die<br />

nationalsozialistische Presse und die Sonntagsredner der Partei<br />

sparten nicht mit Kommentaren, die nur als antikirchliche<br />

Hetze zu bezeichnen sind.<br />

Marktplatz, um 1935<br />

103


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Das Schwarze Korps, 6. Mai 1937<br />

Oberbürgermeister Hans Wagenführ<br />

(1933-1937), um 1935<br />

Schreiben von Oberbürgermeister Hans Wagenführ an den Vorstand des<br />

Marienhospitals am 25. Oktober 1935, in dem er es ablehnte, einen Vertreter<br />

in die Vorstandssitzungen des Hospitals zu entsenden und seinen Vertreter,<br />

Stadtrat Wilhelm Füllenbach, gleichzeitig abberuft (Auszug):<br />

Nach den Grundsätzen des nationalsozialistischen Staates ist es<br />

nicht mehr angängig, daß die Stadt Vertreter zu Organisationen<br />

stellt, die nach konfessionellen Gesichtspunkten ausgewählt<br />

werden. Ich habe daher Herrn Stadtrat Dr. Füllenbach von<br />

seinem Posten als Vertreter im Vorstand des Marienhospitals<br />

abberufen.<br />

Durch Denunziationen wie durch Ermittlungen in<br />

Devisenangelegenheiten waren Polizeiorgane zur<br />

gleichen Zeit auf Sittlichkeitsdelikte gestoßen, die<br />

verschiedenen Priestern und Ordensangehörigen zur<br />

Last gelegt wurden. Das Propagandaministerium trieb<br />

ihre publizistische Vermarktung voran und wies die<br />

Presse an, nicht von „Einzelfällen“ sondern von einer<br />

für die Kirche „symptomatischen Erscheinung“ zu<br />

sprechen. Ihren Höhepunkt erreichte die Kampagne<br />

mit der Rede des Reichspropagandaministers Joseph<br />

Goebbels vom 28. Mai 1937 in der Deutschlandhalle<br />

in Berlin. In Orden und Weltklerus habe sich „herdenmäßig<br />

Unzucht“ ausgebreitet, diese „Schweinereien“<br />

würden von der Gesamtheit des Standes gedeckt.<br />

„Tausende von Geistlichen und Ordensbrüdern“,<br />

Tausende von kirchlichen Sexualverbrechern seien<br />

auf „planmäßige sittliche Verwilderung Tausender<br />

von Kindern und Kranken aus“. Die Kirche habe das<br />

Recht verloren, den nationalsozialistischen Staat zu<br />

kritisieren und an der Erziehung der Jugend weiter<br />

mitzuwirken.<br />

Aus heutiger Sicht hat die publizistische Offensive<br />

gegen den Klerus und die Orden trotz des<br />

gewaltigen Aufgebots ihr Ziel nicht erreicht. Zweifellos<br />

hat sie antiklerikale Affekte, wo sie bereits<br />

vorhanden waren, weiter gesteigert, doch konnte<br />

sie kirchentreue Katholiken nicht in die Irre führen.<br />

Gleichwohl gingen die beiden großen Diffamierungskampagnen<br />

an Priestern und Ordensleuten nicht<br />

spurlos vorbei. Auch wenn die propagandistisch<br />

gesteuerte Diskreditierung seit dem <strong>Jahre</strong><br />

1937 verstummte, war ein Ende der gegen<br />

den geistlichen Stand gerichteten Maßnahmen<br />

nicht abzusehen. Als Repräsentanten<br />

einer Institution, die sich als normative Kraft<br />

des menschlichen Lebens mit universalem<br />

Gestaltungsanspruch versteht, blieben<br />

Priester und Ordensangehörige weiterhin<br />

unter scharfer Beobachtung der Machthaber.<br />

Ihre Tätigkeit wurde auf „staatsfeindliche<br />

Aktivitäten“ hin überwacht und<br />

schon kleinste „Vergehen“ konnten für<br />

die Betroffenen unabsehbare Folgen nach<br />

sich ziehen. Im Prinzip standen Klerus und<br />

Orden im nationalsozialistischen Deutschland<br />

unter Ausnahmerecht. Die Angst war<br />

in Pfarrhäusern und Klöstern ein ständiger<br />

Hausgenosse.<br />

In Furcht lebten auch die Franziskanerinnen<br />

des Düsseldorfer Marienhospitals.<br />

Zwar blieben ihnen Diffamierungen im<br />

Gefolge der Devisen- und Sittlichkeitsprozesse<br />

erspart, doch spricht aus vielen<br />

Dokumenten des Ordensarchivs die latente<br />

Sorge um die Zukunft der Anstalt.<br />

Sterilisation<br />

Das Ziel, die katholische Caritas in ihrer<br />

Wirksamkeit zu schwächen und aus der<br />

Öffentlichkeit zurückzudrängen, verfolgten<br />

die nationalsozialistischen Machthaber nicht<br />

nur in propagandawirksamen Bereichen,<br />

sondern auch auf dem Feld, das das Regime<br />

freien Wohlfahrtseinrichtungen zunächst<br />

explizit belassen hatte: die Behindertenfürsorge.<br />

Den Auftakt bildete das „Gesetz<br />

zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“,<br />

das am 1. Januar 1934 in Kraft trat und<br />

bestimmte: „Wer erbkrank ist, kann durch<br />

chirurgischen Eingriff unfruchtbar gemacht<br />

104


Sterilisation<br />

(sterilisiert) werden, wenn nach den Erfahrungen<br />

der ärztlichen Wissenschaft mit<br />

großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist,<br />

daß seine Nachkommen an schweren körperlichen<br />

oder geistigen Erbschäden leiden<br />

werden“ (§ 1.1). Als erbkrank im Sinne des<br />

Gesetzes galt, wer an folgenden Erkrankungen<br />

litt: „1. Angeborenem Schwachsinn,<br />

2. Schizophrenie, 3. zirkulärem (manischdepressivem)<br />

Irresein, 4. erblicher Fallsucht,<br />

5. erblichem Veitstanz, 6. erblicher Blindheit,<br />

7. erblicher Taubheit, 8. schwerer erblicher<br />

körperlicher Mißbildung“ (§ 2.1). Zuständig<br />

für die Entscheidung über eine Zwangssterilisation<br />

waren eigens eingerichtete<br />

„Erbgesundheitsgerichte“ (§ 5), die aus<br />

einem Amtsrichter, einem beamteten Arzt<br />

und einem mit der „Erbgesundheitslehre“<br />

besonders vertrauten Mediziner zusammengesetzt<br />

waren (§ 6.1).<br />

Die Meldepflicht an die Erbgesundheitsgerichte<br />

verlangte von katholischen Ärzten<br />

und Pflegern eine Form der Mitwirkung,<br />

die durch die Enzyklika „Casti connubii“<br />

untersagt war. „Zu verwerfen“, so die autoritative<br />

Stellungnahme von Papst Pius XI.<br />

im <strong>Jahre</strong> 1930 zur Sterilisationsfrage, „sind<br />

jene bedenklichen Bestrebungen, die zwar<br />

zunächst das natürliche Recht des Menschen<br />

auf die Ehe, tatsächlich aber unter gewisser<br />

Rücksicht auch das Gut der Nachkommenschaft<br />

angehen. Es finden sich nämlich<br />

solche, die in übertriebener Sorge um die<br />

‚eugenischen‘ Zwecke nicht nur heilsame<br />

Ratschläge zur Erzielung einer starken und<br />

gesunden Nachkommenschaft geben ... ,<br />

sondern dem ‚eugenischen‘ Zwecke den<br />

Vorzug vor allen andern, selbst denen einer<br />

höheren Ordnung geben. ... Ja sie gehen<br />

so weit, solches von Gesetzes wegen, auch<br />

gegen ihren Willen, durch ärztlichen Eingriff<br />

jener natürlichen Fähigkeit berauben zu<br />

lassen, und zwar nicht als Körperstrafe<br />

für vergangene Verbrechen, noch auch<br />

um künftigen Vergehen solcher Schuldigen<br />

vorzubeugen, sondern indem sie<br />

gegen alles Recht und alle Gerechtigkeit<br />

für die weltliche Obrigkeit eine Gewalt<br />

in Anspruch nehmen, die sie nie gehabt<br />

hat und rechtmäßigerweise nicht haben<br />

kann. Sie vergessen zu Unrecht, daß die<br />

Familie höher steht als der Staat, und daß<br />

die Menschen nicht an erster Stelle für die<br />

Zeit und Erde, sondern für den Himmel<br />

und die Ewigkeit geboren werden“.<br />

Zu Recht stellte der Deutsche Caritasverband<br />

nach der Veröffentlichung<br />

des Gesetzes im August 1933 fest: „Uns<br />

Katholiken bringt dieses Gesetz ... in<br />

eine besondere Lage, die der Schwierigkeiten<br />

nicht entbehrt“. Wohl mahnten<br />

die Bischöfe die Gläubigen wiederholt<br />

zur Einhaltung der lehramtlichen Normen,<br />

doch blieben sie eine Antwort auf<br />

die Frage schuldig, wie sich Ärzte und<br />

Pfleger einer Mitwirkung an dem Gesetz<br />

entziehen sollten. Bemerkenswert ist<br />

daher eine vertrauliche Aktennotiz von<br />

NS-Propagandaplakat, um 1935<br />

Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Grafenberg,<br />

Bergische Landstraße 2, um 1930<br />

Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Grafenberg,<br />

Patientenakte, 1934<br />

105


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Referendum vom<br />

19. August 1934<br />

August Gronarz, dem Vorstandsvorsitzenden<br />

des Marienhospitals, datiert mit dem 6. Februar<br />

1934: „In Ausführung des Beschlusses des Vorstandes<br />

vom 2. Februar begab ich mich gestern<br />

mit Herrn Dechant Max Döhmer nach Köln zum<br />

Herrn Generalvikar, um mit ihm die Frage der<br />

Zulässigkeit einer <strong>Buch</strong>führung von endgültigen<br />

Entscheidungen des Erbgesundheitsgerichtes zu<br />

besprechen. Das Ergebnis dieser Besprechung war,<br />

daß die Ausführung des im Gesetz zur Verhütung<br />

erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 vorgesehenen<br />

chirurgischen Eingriffs nach der kirchlichen<br />

Lehre nicht erlaubt ist, und daß sich daher<br />

das Marienhospital hier zu nicht bereit erklären<br />

darf“. Wieweit die Ärzte der Pempelforter Anstalt<br />

wie auch die übrigen katholischen Mediziner in<br />

der Stadt der Ansicht folgten, ist nicht bekannt.<br />

Desillusioniert musste die Konferenz der Bischöfe<br />

der Kölner Kirchenprovinz am 27./28. März 1935<br />

in Bensberg feststellen, dass an der Umsetzung<br />

und Ausführung des Sterilisierungsgesetzes viele<br />

Katholiken beteiligt waren. Dessen ungeachtet<br />

erinnerte das Kölner Generalvikariat die Krankenpflegeorden<br />

noch Ende Juli 1936 daran, dass jede<br />

Vorbereitung, Beteiligung und Durchführung von<br />

Sterilisationsoperationen verboten sei.<br />

Volksparole, 20. August 1934<br />

Wilhelm-Marx-Haus, Heinrich-Heine-Allee 53, um 1935<br />

Marienhospital, Stimmabgabe für die Reichstagswahl, 1938<br />

Als nach dem Tod Paul von Hindenburgs die<br />

Regierung am 19. August 1934 in einem<br />

Plebiszit vom deutschen Volk die Zustimmung<br />

zu einer Vereinigung der Ämter des<br />

Reichspräsidenten und des Reichskanzlers<br />

einforderte, bildeten die meisten Düsseldorfer<br />

Krankenhäuser (Patienten, Ärzte,<br />

Pflegepersonal etc.) eigene Wahlbezirke.<br />

Während die Wähler in den meisten Anstalten<br />

mit über 85 % für eine Annahme<br />

des geplanten Gesetzesvorhabens stimmten<br />

(z.B. Städtische Krankenanstalten Moorenstraße<br />

88 %, Evangelisches Krankenhaus<br />

Fürstenwall 90 %, Liebfrauenkrankenhaus<br />

Degerstraße 88 %, Martinuskrankenhaus<br />

Gladbacherstraße 92 %, Diakonissenkrankenhaus<br />

Alte Landstraße 100 %), votierten<br />

im Marienhospital an der Sternstraße von<br />

243 Wählern 124 (51 %) gegen die geplante<br />

Ämterneuordnung. Wie ein Schreiben von<br />

Caritasdirektor Johannes Becker an die Zentrale<br />

des Deutschen Caritasverbandes belegt,<br />

brach nach Bekanntgabe der Düsseldorfer<br />

Wahlergebnisse gegen das Marienhospital<br />

ein inszenierter Sturm der Empörung<br />

los. „Als am Sonntag abend von der nationalsozialistischen<br />

Zeitung ‚Volksparole‘<br />

das Resultat durch Lautsprecher bekannt<br />

gegeben wurde“, so der Bericht des Düsseldorfer<br />

Caritasdirektors vom 22. August<br />

1934, „setzte der Sprecher die evangelische<br />

Diakonissenanstalt und das katholische<br />

Marienhospital mit einer das letztere<br />

verunglimpfenden Bemerkung nebeneinander.<br />

Durch die öffentliche Diskreditierung<br />

veranlaßt, erhält das Marienhospital sehr<br />

viele anonyme Telefonanrufe und offene<br />

106


Referendum vom 19. August 1934<br />

Postkarten haßerfüllten, nicht wiederzugebenden<br />

Inhaltes. Daneben kommen gleich<br />

viele Sympathie-Kundgebungen an, die die<br />

Selbständigkeit und Charakterfestigkeit des<br />

Hauses lobend anerkennen. Wie die Oberin<br />

versichert, hat sie weder Anweisung erhalten<br />

noch gegeben, wie die (70) Schwestern<br />

des Hauses wählen sollten. Auch weiß sie<br />

nicht, wie die einzelne Schwester gewählt<br />

hat. Heute sind bereits Vertreter der Stadtverwaltung<br />

im Hause gewesen, um die<br />

Wohlfahrtspatienten zu verlegen. Es ist nach<br />

diesem Vorgehen zu befürchten, daß auch<br />

die Kassenpatienten heraus genommen werden.<br />

Damit würde die in dem beigefügten<br />

Schreiben angedrohte wirtschaftliche Vernichtung<br />

erreicht werden. Die entstehenden<br />

Folgen wären beklagenswert. Düsseldorf verlöre<br />

sein größtes katholisches Krankenhaus.<br />

Abgesehen von den 70 Ordensschwestern,<br />

die von der Genossenschaft anderweitig<br />

verwendet werden können, würden 104<br />

Angestellte (Ärzte, Pflegekräfte, Hausgehilfinnen<br />

etc.) stellenlos und fielen dem<br />

Arbeits- und Wohlfahrtsamt zur Last. Die<br />

holländischen Hypothekengläubiger – vor<br />

einigen <strong>Jahre</strong>n wurden an 2 Millionen für<br />

einen Erweiterungsbau aufgenommen –<br />

hätten, was Zins- und Tilgungszahlungen<br />

betrifft, das Nachsehen. Die ohnehin stark<br />

belasteten Beziehungen würden um ein<br />

Weiteres belastet. Ganz zu schweigen von<br />

der eintretenden Zerklüftung der doch regierungsseitig<br />

geförderten und geforderten<br />

Volksgemeinschaft! Ich bemerke noch, daß<br />

seitens des Kuratoriums des Marienhospitals<br />

entsprechende Schritte zur Rettung des<br />

Hauses unternommen sind“.<br />

Bei dem angefügten Schreiben, das<br />

mit der „wirtschaftlichen Vernichtung“ der<br />

Anstalt drohte, handelte es sich um einen<br />

Rundbrief, den der Vorsitzende des Vereins<br />

der Ärzte Düsseldorfs e.V. am 21. August 1934 an seine „Kollegen“<br />

gesandt hatte. Wörtlich hieß es darin: „Das Düsseldorfer<br />

Marienhospital hat am Sonntag den 19. August 1934, bei der<br />

Wahl mit mehr als 50 % den Führer und den Nationalsozialismus<br />

abgelehnt. Dieses Wahlergebnis bedeutet eine Herausforderung<br />

des Standes, der Stadt und darüber hinaus des Staates.<br />

Die Düsseldorfer Ärzteschaft wird diese landesfremde Gesinnung<br />

durch schärfste Aussperrung des Hospitals bis zu seiner<br />

wirtschaftlichen Vernichtung gutzumachen versuchen. Ich<br />

ordne deshalb an, daß Überweisungen an das Marienhospital<br />

strengstens untersagt sind. Die deutschen Ärzte, die trotz des<br />

Verbotes noch Einweisungen vornehmen, gebe ich durch ein<br />

Rundschreiben öffentlich bekannt“.<br />

Welches Aufsehen der Rundbrief des Vereinsvorsitzenden<br />

Dr. Heinrich Seiler über Düsseldorf hinaus erregte, belegt die<br />

Tatsache, dass das Schreiben am 13. September 1934 vom<br />

„L‘Osservatore Romano“ abgedruckt wurde. Unter dem Titel<br />

„Da Gerico a Düsseldorf“ (Von Jericho nach Düsseldorf) kommentierte<br />

das Organ des Vatikans den Vorgang mit den Worten:<br />

„Wir glauben nicht, dass die Ärzte Düsseldorfs sich allzu sehr<br />

geehrt gefühlt haben durch<br />

dieses Rundschreiben, das von<br />

jedem von ihnen unterstellt,<br />

dass er von der gleichen unqualifizierbaren<br />

menschlichen,<br />

bürgerlichen und beruflichen<br />

Gefühllosigkeit besessen sei,<br />

und von seiner eigenen sektiererischen<br />

Überempfindlichkeit.<br />

Während nämlich der Führer<br />

des Staates in Nürnberg proklamierte,<br />

dass keinerlei Verfolgung<br />

stattgefunden habe<br />

gegen solche, die ihre Neinstimme<br />

in die Wahlurnen gelegt<br />

haben, ging ein gewisser<br />

Seiler in Düsseldorf hin und<br />

dekretierte eine Ächtung, die<br />

dahin auslief, den Kranken Beistand,<br />

den Sterbenden letzte<br />

Hilfe zu versagen. Unglaublich!<br />

Unbeschreiblich!, aber wahr!“.<br />

L‘Osservatore Romano,<br />

13. September 1934<br />

107


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Stadtdechant Max Döhmer<br />

(1934-1946), um 1945<br />

Graf-Adolf-Platz, um 1935<br />

Der angedrohte Boykott gegen das Marienhospital blieb aus.<br />

Bereits am 25. August 1934 wandte sich Heinrich Seiler erneut<br />

an seine „Kollegen“ und teilte mit, „die von der Verwaltung<br />

des Marienhospitals getroffenen Maßnahmen rechtfertigen<br />

die hiermit ausgesprochene Aufhebung meiner Verfügung<br />

vom 22.8.1934“. Außerdem habe der Vorstand des Marienhospitals<br />

„mit größter Vorbehaltlosigkeit zum Ausdruck<br />

gebracht, daß er das Abstimmungsergebnis in seinem Hospital<br />

auf das tiefste bedauere und bereit ist, jeden vom Hospital<br />

fernzuhalten und von ihm auszuschließen, der die Einheit der<br />

Deutschen Volksgemeinschaft zu stören sucht“.<br />

Welche „Maßnahmen“ den Widerruf der angedrohten<br />

Sanktionen „rechtfertigten“, erschließt ein am 30. August<br />

1934 von Stadtdechant Max Döhmer an das Generalvikariat<br />

gerichtetes Protestschreiben, das folgende Mitteilung enthielt:<br />

„Der Vorsitzende des Kuratoriums des Marienhospitals hat<br />

nach Rücksprache mit einem der beiden Chefärzte des<br />

Hauses, angeblich weil größte Eile im Handeln geboten gewesen<br />

sei, die Drohungen des Vorsitzenden des Ärztevereins<br />

dadurch abwenden zu sollen geglaubt, daß er ohneweiters<br />

die in dessen Schreiben enthaltenen Vorwürfe als berechtigt<br />

anerkannte und als Sühne die Entfernung der Oberin sowie<br />

des Anstaltspfarrers anbot. Ich kann nicht anders als diese<br />

Aktion als eine himmelschreiende Ungerechtigkeit bezeichnen<br />

und zwar aus folgenden Gründen: 1. Nichts berechtigt<br />

den Vorsitzenden<br />

des Ärztevereins<br />

zu der Behauptung,<br />

daß die im Marienhospital<br />

abgegebenen<br />

124 ‚Nein‘-<br />

Stimmen von den<br />

Schwestern und<br />

dem Dienstpersonal<br />

des Hauses stammen.<br />

Selbst wenn<br />

es richtig wäre, was<br />

die Gegner behaupten,<br />

daß die Zahl<br />

der ‚Nein‘-Stimmen<br />

genau der Zahl der<br />

Schwestern und<br />

Hausangestellten entspräche, so könnte<br />

daraus doch nicht gefolgert werden, daß<br />

diese ‚Nein‘-Stimmen von den Schwestern<br />

und dem übrigen Hauspersonal herrührten.<br />

Aber tatsächlich haben, wie dies aus den<br />

Wahlscheinen nachgeprüft werden kann,<br />

nur 64 Schwestern bzw. ca. 15 Hausangestellte<br />

im Marienhospital gewählt. 2. Der<br />

Vorwurf, die Oberin habe die Schwestern<br />

und Hausangestellten zur Abgabe der<br />

‚Nein‘‐Stimmen beeinflußt, ist eine durch<br />

nichts begründete willkürliche Verdächtigung<br />

und kann durch die gegenteilige<br />

eidliche Erklärung sämmtlicher Schwestern<br />

widerlegt werden. Geradezu absurd muß<br />

demgegenüber der andere von denselben<br />

Leuten erhobene Vorwurf gegen die Oberin<br />

erscheinen, sie habe ihre Pflicht versäumt,<br />

wenn sie die ihr unterstellten Schwestern<br />

und Hausangestellten nicht im Sinne der<br />

Abgabe von ‚Ja‘‐Stimmen beeinflußt habe.<br />

3. Vor allem möchte ich darauf hinweisen,<br />

daß die Freiheit der Wahl garantiert war.<br />

Das besagt aber doch wohl, daß vor der<br />

Wahl niemand genötigt sein solle, seine<br />

Stimme in einer bestimmten Richtung<br />

abzugeben und daß nach der Wahl niemandem<br />

aus seiner Stimmabgabe irgend<br />

welcher Nachteil erwachsen solle. Gegen<br />

den Anstaltspfarrer sind meines Wissens<br />

von keiner Seite im Zusammenhang mit<br />

der Wahl Anklagen erhoben worden. Da<br />

fragt man sich doch, mit welchem Rechte<br />

der Vorsitzende des Kuratoriums zur Beschwichtigung<br />

kirchenfeindlicher Geister<br />

den Herrn als Sündenbock in die Wüste<br />

schicken will“.<br />

Da der Ärzteverein seine Boykottandrohung<br />

bereits zurückgezogen hatte,<br />

gab das Generalvikariat am 4. September<br />

1934 Max Döhmer beschwichtigend zur<br />

Antwort: „Der Vorsitzende des Kuratoriums<br />

108


Referendum vom 19. August 1934<br />

des Marienhospitals ist am 21. August<br />

1934 nachmittags bei uns in der Angelegenheit<br />

vorstellig geworden. Er glaubte,<br />

im damaligen Augenblick wohl nicht unbegründet,<br />

daß das Marienhospital durch<br />

die von ihm gefürchteten Maßnahmen von<br />

Stadt, Ärzteschaft und vielleicht auch Partei<br />

wohl vor der wirtschaftlichen Vernichtung<br />

stände. ... Die von dem Kuratoriumsvorsitzenden<br />

in Verbindung mit einzelnen<br />

Ärzten und Mitgliedern des Kuratoriums<br />

getroffenen Maßnahmen, die gewiß vom<br />

grundsätzlichen Standpunkte aus nicht in<br />

allem als glücklich anzusehen sind, sind<br />

aus einem starken Verantwortungsgefühl<br />

für das künftige Schicksal der Anstalt zu<br />

beurteilen. Wir glauben allerdings, daß<br />

die entschiedene Verwahrung gegen die<br />

Terrormaßnahmen, die sofort von uns aus<br />

vorgenommen wurde, sich als wirksamer<br />

herausgestellt hat. Bereits am 22. August<br />

1934 hat unser Sachbearbeiter, Herr Prälat<br />

Albert Lenné, fernmündlich gegen die Terrormaßnahmen<br />

gegen das Marienhospital<br />

bei der Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk<br />

Düsseldorf protestiert. Wir<br />

haben ferner in einem Schreiben vom 24.<br />

August 1934 gegen die Ungeheuerlichkeit,<br />

die in dem Schreiben des Vorsitzenden des<br />

Düsseldorfer Ärztevereins gegenüber dem<br />

Charakter der Volksabstimmung als einer<br />

freien und geheimen Wahl zu sehen sei,<br />

bei der Staatspolizeistelle auch schriftlich<br />

Verwahrung eingelegt und ein möglichst<br />

umgehendes Einschreiten der Staatspolizei<br />

verlangt. ... Wir halten es aber für nicht<br />

förderlich, nachdem die Stellungnahme<br />

der kirchlichen Behörde bekanntgegeben<br />

ist und überdies die Terrormaßnahmen<br />

zurückgenommen worden sind, die Lage<br />

des schwerringenden Marienhospitals noch<br />

durch scharfe Auseinandersetzungen im<br />

Kuratorium zu erschweren. Es muß vielmehr versucht werden,<br />

ohne Preisgabe der grundsätzlichen Stellungnahme das<br />

Vertrauen zwischen Kuratorium, Ärzteschaft und Schwesternschaft<br />

wiederherzustellen, da sonst der Kampf um die<br />

Existenz des Hospitals nicht erfolgreich geführt werden<br />

kann. Der Vorsitzende des Kuratoriums hat es unter allen<br />

Umständen gut und selbstlos gemeint. Die Ärzte kämpfen<br />

um ihre Existenz. ... Wir würden es daher begrüßen, wenn<br />

Euer Hochwürden als Erzbischöflicher Kommissar des Marienhospitals<br />

nun erfolgreich bemüht wären, die bleibenden<br />

Schwierigkeiten zu überwinden“.<br />

Offenbar war es Max Döhmer schon bald gelungen, sein<br />

gespanntes Verhältnis mit dem Kuratorium des Marienhospitals<br />

zu entkrampfen. Auf der Kuratoriumssitzung vom 2.<br />

Oktober 1934 verlas er ein vorbereitetes Papier, in dem er u.a.<br />

das Schreiben des Düsseldorfer Ärztevereins „aufs tiefste“<br />

beklagte, „da es allem Recht und aller Gerechtigkeit Hohn<br />

spricht. ... Nachdrücklich muß ich sowohl die ehrwürdige<br />

Schwester Oberin und die ganze Schwesternschaft des<br />

Hauses, sowie auch den Herrn Pfarrer Heinrich Hamacher<br />

gegen die gegen sie erhobenen, völlig unbegründeten Angriffe<br />

in Schutz nehmen. ... Der ruhigen und abgeklärten<br />

Auffassung, der Demut und Friedensliebe der Generaloberin<br />

haben wir es zu verdanken, daß sie den ihr hingeworfenen<br />

Königsallee, 1937<br />

109


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Burgplatz, um 1935<br />

Graf-Adolf-Straße/Königsallee,<br />

um 1935<br />

Fehdehandschuh nicht aufgenommen<br />

und sofort die ganze<br />

Schwesternschaft zurückgezogen<br />

hat. ... Bezüglich des Herrn<br />

Pfarrers Hamacher hat die erzbischöfliche<br />

Behörde keinen<br />

Zweifel darüber gelassen, und<br />

auch der Staats-Regierung mitgeteilt,<br />

daß sie eine Versetzung<br />

des Herrn in Zusammenhang<br />

mit dem in Frage stehenden<br />

Wahlergebnis grundsätzlich<br />

ablehne. ... Ich bin persönlich<br />

der Überzeugung, daß das<br />

Kuratorium ruhig den Kampf<br />

mit dem Vorsitzenden des<br />

Ärzte-Vereins hätte aufnehmen<br />

und mit allen Mitteln und<br />

in allen Instanzen durchführen<br />

sollen. Der Endsieg wäre<br />

Unser gewesen. Auf unserer<br />

Seite hätte nicht bloß die weit<br />

überwiegende katholische<br />

Bürgerschaft, sondern auch<br />

eine große Zahl von Ärzten<br />

und auch Krankenkassen gestanden.<br />

... Ich möchte meine<br />

Ausführungen zu diesen beklagenswerten<br />

Ereignissen nicht<br />

schließen, ohne dem wegen seiner unermüdlich, selbstlosen<br />

Arbeit im Dienste des Marien-Hospitals von uns allen, und<br />

ich darf hinzufügen, auch von der erzbischöflichen Behörde<br />

hochgeschätzten Vorsitzenden, Herrn Landeskulturamts-<br />

Direktor August Gronarz, der selig unsagbar unter dem Druck<br />

der Ereignisse gelitten hat, zu danken für seine, von edelster<br />

Gesinnung getragenen Sorgen und Opfer. Lassen Sie uns<br />

alle, Kuratorium, Ärzte- und Schwesternschaft, einträchtig<br />

zusammen wirken, um die noch bestehenden Schwierigkeiten<br />

zu überwinden“.<br />

Spielte das Wahlergebnis vom 19. August 1934 für die<br />

Belegung und Auslastung des Hauses in der Folgezeit auch<br />

keine Rolle, so schwebte der Vorgang gleichwohl wie ein<br />

Damoklesschwert über dem Marienhospital<br />

und hatte die Anstalt für lange Zeit mit<br />

dem Kainsmal gezeichnet. Im Ganzen betrachtet,<br />

entpuppte sich die Hetzkampagne<br />

des Düsseldorfer Ärztevereins als Sturm<br />

im Wasserglas, doch lassen die übereilten<br />

Reaktionen des Kuratoriums erahnen, unter<br />

welchen Druck die Verantwortlichen des<br />

Marienhospitals geraten waren. Festzuhalten<br />

bleibt, dass weder der Anstaltsgeistliche<br />

noch eine Schwester gezwungen waren,<br />

die Anstalt in Pempelfort zu verlassen. Zwar<br />

wurden im Januar 1935 Oberin Hugolina<br />

Jansen und im Dezember 1935 Rektor<br />

Heinrich Hamacher vom Marienhospital<br />

abberufen, doch erfolgten ihre Versetzungen<br />

unabhängig von den geschilderten<br />

Ereignissen.<br />

Ausbauten 1935/1936<br />

Ungeachtet aller Repressionen wurde auch<br />

in der Zeit des Nationalsozialismus das medizinische<br />

Programm des Marienhospitals<br />

weiter spezialisiert. Ende des <strong>Jahre</strong>s 1934<br />

griff der Vorstand einen bereits vier <strong>Jahre</strong><br />

zuvor aufgekommenen, aber im Zeichen<br />

der Wirtschaftskrise zurückgestellten Plan<br />

wieder auf, in einem Teil des Neubaues an<br />

der Prinz-Georg-Straße neben der schon<br />

vorhandenen chirurgisch-gynäkologischen<br />

eine geburtshilflich‐gynäkologische Abteilung<br />

mit eigenem Chefarzt einzurichten.<br />

Nach Aufstockung des Vorbaues an der<br />

Nordfront und Einrichtung geeigneter Ordinationsräume<br />

konnte die Frauenklinik<br />

zusammen mit einer neuen Kinderabteilung<br />

am 1. Oktober 1935 ihren Betrieb<br />

aufnehmen. Die neue Klinik war sowohl<br />

für Entbindungen als auch für gynäkologisch-operative<br />

und strahlentherapeutische<br />

110


Ausbauten 1935/1936<br />

Frauenerkrankungen eingerichtet. Nach einem<br />

Rundgang durch die neu eröffnete Abteilung<br />

schrieb das Düsseldorfer Tageblatt<br />

am 14. Oktober 1935: „ Die Krankenzimmer,<br />

die im aufgestockten Stockwerk liegen,<br />

überraschen durch ihre Fülle von Licht<br />

und Luft. Die breiten Fenster sind rückwärts<br />

gelegen. Erstmalig in Deutschland wurde<br />

ein Bad- und Toilettenraum in unmittelbarer<br />

Verbindung mit dem Krankenzimmer angeordnet.<br />

Eine Frischluftzuführung temperiert<br />

und entlüftet die hygienisch vollkommenen<br />

und außerordentlich freundlichen Räume.<br />

Dasselbe Prinzip finden wir in den neuen<br />

Räumen der Gemeinschaftsklasse, der früheren<br />

dritten, durchgeführt“.<br />

Mit Eröffnung der Klinik verfügte das<br />

Marienhospital zum ersten Mal über drei<br />

vollwertige bettenführende Abteilungen<br />

mit Chefarzt. Die chirurgische Abteilung<br />

unterstand Dr. Franz Kudlek, die innere Abteilung<br />

leitete Dr. Gustav Pfeffer. Zur Eröffnung<br />

der gynäkologisch‐geburtshilflichen<br />

Abteilung war Dr. Georg Josef Pfalz als<br />

neuer leitender gynäkologischer Facharzt<br />

eingestellt worden. Ihm zugeordnet wurde<br />

der Assistenzarzt Dr. Jakob Müller, in dessen<br />

Verantwortungsbereich die Aufsicht über<br />

die Kinderabteilung lag.<br />

Zeitgleich mit der Frauenklinik wurde<br />

im Marienhospital eine Anlage zur eigenen<br />

Wasserversorgung installiert, um das<br />

Krankenhaus vom Netz der städtischen<br />

Wasserwerke unabhängig zu machen.<br />

Ferner ließ der Vorstand ein neues Isolierhaus<br />

mit Luftschutzkeller errichten, das<br />

am 7. Dezember 1936 eingeweiht und<br />

dem Hl. Joseph zum Schutz übergeben<br />

wurde. Eine Woche später konnte ein neu<br />

aufgestocktes Säuglingszimmer unter dem<br />

Patronat „Maria Erwartung“ von „kleinen<br />

Engelchen“ bezogen werden.<br />

Marienhospital, Geburtsstation, 1946<br />

Gertudisheim Ulmenstraße 83,<br />

Geburtsstation, um 1935<br />

Marienhospital, Isolierabteilung, 1936<br />

Marienhospital, Isolierabteilung,<br />

um 1945<br />

111


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Synagoge, Kasernenstraße 67b,<br />

um 1910<br />

Blick auf die brennende Synagoge,<br />

10. November 1938<br />

Mobiliar einer jüdischen Familie vor<br />

dem Haus Hüttenstraße 81,<br />

10. November 1938<br />

Das Pogrom vom<br />

9./10. November 1938<br />

Als Ernst vom Rath, Sekretär<br />

der deutschen Botschaft<br />

in Paris, von einem über die<br />

Zwangsdeportation seiner Eltern<br />

erbitterten Juden erschossen<br />

wurde, wurde dieser Mord<br />

zum Anlass für befohlene und<br />

planmäßige Gewalttaten an jüdischen<br />

Mitbürgern und ihrem<br />

Eigentum in der Nacht vom 9.<br />

zum 10. November 1938. Wie<br />

in anderen Städten des Reiches,<br />

ging auch in Düsseldorf<br />

die große Synagoge an der<br />

Kasernenstraße in Flammen<br />

auf. An zahlreichen Stellen in<br />

der Stadt wurden in den frühen Morgenstunden noch Wohnungseinrichtungen<br />

und Kunstgegenstände von höchstem<br />

Wert zerschlagen. Aus Augenzeugenberichten ist bekannt,<br />

dass bei der befohlenen Aktion in Düsseldorf nicht nur zahlreiche<br />

Menschen misshandelt und schwer verletzt, sondern<br />

auch mindestens acht ermordet wurden.<br />

Auch wenn nur wenige Nachrichten erhalten sind, so<br />

steht fest, dass in der Pogromnacht zahlreiche verletzte<br />

Düsseldorfer Juden im Marienhospital notärztlich versorgt<br />

wurden. So berichtet etwa der jüdische<br />

Maler Albert Herzfeld in seinem Tagebuch<br />

von folgender Begebenheit, die sich während<br />

der Reichskristallnacht in unmittelbarer<br />

Nähe des Marienhospitals ereignete:<br />

„Ich lag nach meinem Herzkollaps schwer<br />

leidend im Parterre straßenwärts im Bett<br />

und wurde in der Nacht von Mittwoch auf<br />

Donnerstag gegen 12 Uhr durch ein starkes<br />

Stoßen und Poltern gegen die Haustüre des<br />

uns genau gegenüberliegenden Hauses in<br />

der Feldstraße 34 und ein nachfolgendes<br />

Weh- und Schmerzensgeschrei geweckt.<br />

Ich war viel zu schwach, um aufzustehen,<br />

aber ich weckte die im nebenan liegenden<br />

Eßzimmer zu meiner eventuellen Hilfeleistung<br />

während der Nacht schlafende<br />

Hausangestellte Frau Auguste Stiltz. Ich<br />

war mir sofort klar, daß ein antisemitischer<br />

Exzeß gegen den hochanständigen<br />

Hausinhaber Salomon Loeb, einem Kombattanten<br />

aus dem Weltkrieg, statt fand.<br />

Frau Stiltz öffnete etwas die Jalousie und<br />

sah dann daß wilde Horden unter Führung<br />

von SA-Männern in das Haus eingedrungen<br />

waren, nachdem sie die Haustüre demoliert<br />

hatten. Wir hörten, wie alle Scheiben<br />

zerschlagen und die Hausbewohner, nach<br />

ihrem Schreien zu urteilen, in der gröbsten<br />

Weise mißhandelt wurden. Nach einer<br />

halben Stunde zogen die Horden ab, und<br />

es fuhr ein städtisches Krankenauto vor, in<br />

dem ein in Tücher eingewickelter Mann,<br />

wie sich später ergab, Herr Loeb selbst,<br />

ins Krankenhaus abtransportiert wurde. Er<br />

hatte, wie Frau Stiltz einige Tage später von<br />

seinem Angestellten hörte, 9 Dolchstiche<br />

erhalten und befindet sich heute noch als<br />

Patient im Marienhospital“.<br />

112


Die Stadt Düsseldorf während<br />

des Zweiten Weltkrieges<br />

Krankenhelferkurse<br />

statt<br />

Krankenpflegeschule<br />

Von verschiedenen Seiten war mehrfach<br />

angeregt worden, am Marienhospital eine<br />

Krankenpflegeschule zu eröffnen, doch<br />

mangelte es der Anstalt lange Zeit an den<br />

hierzu notwendigen Einrichtungen. Als<br />

der Gedanke im Sommer 1939 erneut<br />

aufgegriffen wurde, unterstützte der Düsseldorfer<br />

Regierungspräsident einen entsprechenden<br />

Antrag, doch versagte die<br />

Gauleitung der NSDAP in Düsseldorf ihre<br />

Zustimmung. Wie der Chronik der Franziskanerinnen<br />

zu entnehmen ist, war trotz der<br />

fehlenden Konzession im Herbst 1939 eine<br />

Krankenpflegeschule am Marienhospital<br />

unter Leitung der Chefärzte Franz Kudlek<br />

und Gustav Pfeffer und der Pflegeschwester<br />

Elfreda eingerichtet worden. Mit den<br />

Behörden sollten die Verhandlungen zur<br />

Erteilung der staatlichen Anerkennung<br />

weitergeführt werden, doch bereitete der<br />

Ausbruch des Zweiten Weltkrieges allen<br />

Bemühungen ein abruptes Ende. „Da die<br />

Errichtung der Krankenpflegeschule uns<br />

bis heute noch nicht gelungen ist“, so der<br />

<strong>Jahre</strong>srückblick 1939, „sei ... erwähnt,<br />

daß nach einem neueren Ministerialerlass<br />

zur Errichtung einer solchen Schule die<br />

Zustimmung der Gauleitung erfordert. Da<br />

diese nicht herbeigeführt werden konnte,<br />

gab die Regierung unseren Antrag an das<br />

Innenministerium weiter, letzteres an das<br />

Büro des Stellvertreters des Führers nach<br />

München. Am 11. November 1939 erhielten<br />

wir die Mitteilung, daß der Antrag<br />

abgelehnt sei. Nun sind in Zusammenarbeit<br />

mit dem ‚Roten Kreuz‘ und der NSV Kurse für<br />

Helferinnen in der Krankenpflege eingerichtet<br />

worden, die je 20 Stunden umfaßten und von<br />

je 65 Helferinnen besucht wurden. Außerdem<br />

wurden auf Anordnung der Heeresverwaltung<br />

Sanitätsschüler und Sanitätssoldaten<br />

ausgebildet, sodaß also von unserer Seite<br />

alles geschieht, um den Erfordernissen der<br />

Kriegszeit gerecht zu werden“.<br />

Die Stadt Düsseldorf<br />

während des Zweiten Weltkrieges<br />

Die Düsseldorfer Bevölkerung nahm die Auswirkungen des<br />

Krieges anfänglich nur in ihren Einzelerscheinungen und am<br />

Rande wahr. Die Blitzkriege verliefen zunächst erfolgreich<br />

und unterbanden möglicherweise aufkommende Ängste<br />

und Unmut. Die Versorgung mit Gütern des alltäglichen<br />

Lebens verknappte sich zwar, aber sie verschlechterte sich<br />

Theresienhospital, Schwesternschülerinnen,<br />

um 1955<br />

Marienhospital, Rotkreuzschwestern,<br />

um 1943<br />

113


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Klosterstraße, um 1945<br />

Luftschutzkeller, Gumbertstraße 169,<br />

um 1943<br />

Heizkraftwerk, Höherweg 100,<br />

um 1930<br />

insgesamt nicht entscheidend. Die Katastrophe versteckte<br />

sich hinter vermeintlichen Anfangserfolgen und bahnte sich<br />

nur langsam an. Der Frontverlauf lag weit im Westen bzw.<br />

Osten und nur gelegentlich, wie am 14. Mai 1940, fielen<br />

Bomben auf die Stadt.<br />

Im Jahr 1942 brach allerdings ein Feuersturm los, der bis<br />

zum Ende des Krieges nicht mehr aufhören sollte. Ein erster<br />

Großangriff am 1. August 1942 zielte auf die Friedrichstadt,<br />

Oberbilk, Oberkassel und die Königsallee. In der Folgezeit<br />

überflogen britische und amerikanische Kampfflugzeuge fast<br />

täglich die Stadt und ließen in unregelmäßigen<br />

Zeitabständen Bombenteppiche auf<br />

Düsseldorf und die nähere Umgebung niederregnen.<br />

Besonders verheerend war der<br />

Angriff in der Nacht des Pfingstsamstags,<br />

12. Juni 1943. Die Maschinen kamen aus<br />

allen Himmelsrichtungen und hinterließen<br />

vor allem in der Altstadt, Derendorf, im<br />

Gebiet um den Hauptbahnhof und in den<br />

südlichen Stadtteilen eine Spur der Verwüstung.<br />

Etwa 1200 Menschen kamen ums<br />

Leben, über 2000 wurden verwundet und<br />

140000 obdachlos. In dieser Zeit begann<br />

die Stadtverwaltung sowie zahlreiche Betriebe,<br />

ihre Büros an den Rand der Stadt<br />

zu verlegen. Die Grundversorgung der<br />

Bevölkerung drohte zusammenzubrechen:<br />

Das Wasserwerk in Flehe, das Kraftwerk<br />

in Flingern und die Kokerei in Grafenberg<br />

erlitten beträchtliche Schäden. Zwar gelang<br />

es verhältnismäßig rasch, die Grundversorgung<br />

der Düsseldorfer Bevölkerung wieder<br />

herzustellen. Aber das Leben änderte sich<br />

in der seit 1942 zerfallenden Stadt dramatisch.<br />

Der hastige Wechsel von Alarm und<br />

Entwarnung rief eine überreizte Stimmung<br />

unter den Menschen hervor.<br />

Das Marienhospital als<br />

Reservelazarett<br />

Wie schon in den Kriegen 1870/71 und<br />

1914/18 wurde auch während des Zweiten<br />

Weltkrieges im Marienhospital ein<br />

Reservelazarett für verwundete Soldaten<br />

eingerichtet. Zu Beginn des Krieges berichtet<br />

die Ordenschronik: „Mit Ausbruch<br />

des Krieges wurden Verhandlungen mit der<br />

Wehrmacht geführt wegen der Benutzung<br />

des Marienhospitals zu Lazarettzwecken.<br />

114


Das Marienhospital<br />

als Reservelazarett<br />

Herr Oberstabsarzt Dr. Westphal forderte im<br />

Auftrag der Wehrmacht, daß das Marienhospital<br />

300 Betten zur Verfügung stellen<br />

müsse, die Kieferklinik (Sternstr. 35/41) würde<br />

200 stellen. Sollte dieser Bestand nicht<br />

ausreichen, müßte als Notreserve das in der<br />

Nähe liegende Kolpinghaus (Blücherstr. 4/8)<br />

mit 100 Betten eingerichtet werden. Der<br />

Tag der Räumung steht noch nicht fest. Es<br />

muß allerdings damit gerechnet werden,<br />

daß die Räumung Anfang der kommenden<br />

Woche, also ab 13. September 1939 eintreten<br />

kann. Nach diesen Richtlinien wird<br />

unser Hospital mit über 50 % der Betten<br />

der Wehrmacht zugeführt, die ärztliche<br />

Oberleitung wird Herr Chefarzt Dr. Franz<br />

Kudlek übernehmen, für die militärischen<br />

Belange wird militärisches Verwaltungs- und<br />

Sanitätspersonal überwiesen werden, im<br />

übrigen bleibt Verwaltung und Betrieb des<br />

Hauses bestehen“.<br />

Mit dem 15. November 1939 nahm<br />

das Reservelazarett im Marienhospital seinen<br />

Betrieb auf. Wie vorgesehen, blieb<br />

die Verwaltung des Hauses, Verpflegung,<br />

Gestellung des Inventars, der Wäsche, der<br />

Schwestern und des Pflegepersonals, Arzneimittel<br />

etc. in den Händen des Marienhospitals.<br />

Die Heeresverwaltung stellte<br />

gemäß einer Übereinkunft zwischen Hospital<br />

und militärischem Oberkommando<br />

das ärztliche Personal und das erforderliche<br />

Sanitätspersonal. Schon zu Beginn<br />

der Kampfhandlungen war das Lazarett<br />

stark belegt. „Leider ist die Belegung eine<br />

dauernd wechselnde“, klagte am Ende<br />

des ersten Kriegsjahres die Chronistin der<br />

Pflegeschwestern. „Die Kranken sind keine<br />

Gefechtsverwundeten, sondern Unfallverletzte<br />

und sonstige Kranke für die innere<br />

Abteilung, Augen- und Ohrenabteilung<br />

usw.. Außerordentlich stark ist der Verkehr<br />

Marienhospital, Reservelazarett, 1940<br />

Marienhospital, Verwundetenbetreuung, 1940<br />

Scheibenstraße, Hinweisschild, 1940<br />

115


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital,<br />

Reservelazarett, 1940<br />

Marienhospital,<br />

Feldpostbrief, 1940<br />

Oberbürgermeister Carl Haidn<br />

besucht verletzte Zivilisten im<br />

Marienhospital, 1942<br />

ambulant behandelter Militärpersonen. Unsere mit neuen<br />

Apparaten ausgerüstete Röntgenabteilung, sowie der im Juli<br />

des <strong>Jahre</strong>s eingestellte Röntgenarzt Dr. Hans Jepkens sind<br />

in der militärischen und zivilen Abteilung voll in Anspruch<br />

genommen“.<br />

Von den 83 Schwestern aus der Kongregation des Hl.<br />

Franziskus, die zu Beginn des Krieges im Marienhospital tätig<br />

waren, wurden 19 in das Reservelazarett einberufen und von<br />

der Militärverwaltung übernommen. Militärisch<br />

eingezogen war auch der Chefarzt Dr.<br />

Franz Kudlek, der zum Chefarzt und Leiter<br />

des Reservelazarettes II am Marienhospital<br />

Düsseldorf kommandiert wurde. Nicht<br />

ohne Wehmut bemerkt die Hauschronik,<br />

dass „das Hospital ... die meisten Ärzte von<br />

allen Düsseldorfer Krankenhäusern dem<br />

Vaterland zur Verfügung gestellt“ hatte.<br />

Neben den beiden Chefärzten Gustav Pfeffer<br />

und Georg Josef Pfalz waren 1939 auch<br />

die Fachärzte Theodor Hünermann, Josef<br />

Etten, Jakob Müller, der Oberarzt Walter<br />

Wynen und die Assistenzärzte Broich und<br />

Ziebarth zum Heeresdienst eingezogen.<br />

Ab Juni 1940 musste das Marienhospital<br />

der Heeresverwaltung weitere<br />

100 Betten für das Lazarett überlassen,<br />

wodurch sich die Zahl der abgetretenen<br />

Pflegeplätze auf insgesamt 400 erhöhte.<br />

Die Gesamtzahl entsprach in etwa dem<br />

letzten Friedensstand mit 415 Betten, der<br />

nur in Ausnahmefällen überschritten wurde.<br />

Der Bericht der Pflegeschwestern für<br />

das Jahr 1940 bemerkt zu der bedrängten<br />

Lage: „Um den Kontakt mit der Düsseldorfer<br />

Bevölkerung nicht zu verlieren, um<br />

vielfachen Wünschen unseres Patientenkreises<br />

und auch der im Norden der Stadt<br />

gelegenen Rüstungs-Industrie, sowie der<br />

Unfallberufs-Genossenschaft Rechnung zu<br />

tragen, haben wir durch Einschiebung neuer<br />

Betten und sonstiger organisatorischer<br />

Maßnahmen nunmehr einschließlich der<br />

Privatabteilungen noch <strong>150</strong> Betten nebst<br />

30 Kinderbetten für Civilpatienten zur<br />

Verfügung. Wir glaubten auch deshalb die<br />

Civilabteilung noch in kleinerem Rahmen<br />

aufrecht erhalten zu sollen, weil wir damit<br />

selbst noch einen gewissen Einfluß auf das,<br />

was im Hause vorgeht, ausüben können. Im<br />

Reserve-Lazarett sind seit seiner Eröffnung<br />

116


Das Marienhospital<br />

in den <strong>Jahre</strong>n 1939/1942<br />

bis heute 4261 Soldaten, Offiziere und<br />

Unteroffiziere in stationärer, und 13713<br />

in ambulanter Behandlung gewesen. ...<br />

Von den Schwestern sind 19 für das Reservelazarett<br />

einberufen, weitere 6 werden<br />

demnächst folgen. Außerdem arbeitet<br />

natürlich unsere gesamte sonstige Gefolgschaft<br />

für das Reservelazarett, da das Haus<br />

ja vertragsgemäß die Pflege, Verpflegung<br />

und die sonstige Versorgung des Lazaretts<br />

zu tragen hat. Außerdem sind 3 Rote Kreuz<br />

Schwestern als freiwillige Helferinnen in<br />

unserem Lazarett tätig“.<br />

Das mit der Wehrmacht ausgehandelte<br />

Übereinkommen fand 1942 eine<br />

Änderung, als auf allgemeine Anordnung<br />

der Sanitätsbehörden innerstädtische Reservelazarette<br />

wegen der zunehmenden<br />

Luftangriffe in weniger gefährdete Gebiete<br />

verlegt werden sollten. Anstelle des Reservelazarettes<br />

wurde im Marienhospital<br />

ein Standortlazarett für die in Düsseldorf<br />

und Umgebung liegenden militärischen<br />

Abteilungen eingerichtet und ab dem 4.<br />

Juli 1942 die Bettenzahl von 400 auf 120<br />

herabgesetzt. Hierdurch war es möglich,<br />

die bisher überaus dichte Belegung zu<br />

vermindern. Betrug die Zahl der zu versorgenden<br />

Betten vor der Umstellung 605,<br />

so waren am <strong>Jahre</strong>sende 1942 noch 540<br />

aufgestellt, von denen 120 dem Standortlazarett<br />

und 420 der Zivilbevölkerung zur<br />

Verfügung standen. Trotz der Verkleinerung<br />

des Militärlazaretts blieb die Versorgung<br />

der eingelieferten Patienten schwierig.<br />

Im Rechenschaftsbericht 1942 gibt der<br />

Vorstand zu Protokoll: „Die kriegsbedingte<br />

Verknappung der Lebensmittel, Medikamente<br />

und aller Gegenstände des großen<br />

und vielseitigen Bedarfes eines modernen<br />

Krankenhauses, verbunden mit der ständig<br />

sich steigernden Schwierigkeit in der<br />

Beschaffung von Bezugsscheinen und Kontingenten wirkten<br />

sich auf die Betriebsführung des Hauses erschwerend aus<br />

und stellten erhöhte Anforderungen an die Verwaltung, die<br />

Krankenpflege, die Versorgung des Hauses mit den notwendigen<br />

Betriebsmitteln sowie an die laufende Instandhaltung<br />

der Gebäude, Krankenräume, sanitären und technischen<br />

Einrichtungen. Dank der einsatzfreudigen und vorbildlichen<br />

Haltung der Ärzte, Schwestern und der ganzen Gefolgschaft<br />

ist es jedoch allen Schwierigkeiten zum Trotz gelungen, im<br />

vergangenen <strong>Jahre</strong> das Niveau des Hauses auf einer fast<br />

gleichwertigen Höhe zu erhalten und sowohl den erkrankten<br />

und verwundeten Soldaten als auch der Zivilbevölkerung, wie<br />

in den bisherigen Kriegsjahren, Pflege und Hilfe angedeihen<br />

zu lassen. ... Das Verhältnis zwischen dem militärischen<br />

und zivilen Sektor des Hauses war, wie in den vergangenen<br />

Kriegsjahren, bei dem beiderseitigen guten Willen, einander<br />

zu helfen und Schwierigkeiten auszuräumen, einwandfrei“.<br />

Das Marienhospital<br />

in den <strong>Jahre</strong>n 1939/1942<br />

Als am 1. September 1939 deutsche Truppen in das weit<br />

entfernte Polen einmarschierten, glaubte das Marienhospital<br />

in Pempelfort nach damaligen Vorstellungen, alle erforderlichen<br />

Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu haben. So ist im<br />

<strong>Jahre</strong>srückblick 1939 ausdrücklich vermerkt:<br />

„Unter dem Isolierhaus wurde im<br />

Laufe des <strong>Jahre</strong>s ein neuer Luftschutzraum<br />

erbaut, der den gestellten Anforderungen<br />

entspricht. Die Verdunkelung ist, wenn<br />

sie richtig gehandhabt wird, im ganzen<br />

Hause, besonders auch in den Operationsräumen,<br />

durchgeführt. Das notwendige<br />

Luftschutzgerät, soweit es zu kaufen ist,<br />

wurde beschafft. Auch der Luftschutzbetriebsplan<br />

wurde aufgestellt. Die aktive<br />

Luftschutzgefolgschaft ist in einem, hier<br />

im Hause abgehaltenen Luftschutzkursus,<br />

an dem sich auch viele Schwestern beteiligten,<br />

ausgebildet“.<br />

Dr. Gustav Pfeffer, Chefarzt der Inneren<br />

Abteilung (1934-1964), um 1960<br />

Marienhospital,<br />

Luftschutzkeller, 1936<br />

117


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital,<br />

vor 1939<br />

Die ersten Luftangriffe auf die Stadt<br />

1940/41 überstand das Marienhospital<br />

unbeschadet, doch löste der Einfall feindlicher<br />

Flieger „furchtbaren Schrecken aus“.<br />

Die Chronik berichtet zu diesen Angriffen:<br />

„Der Luftkrieg mit seinen vielen Terrorangriffen<br />

stellte immer neue und größere<br />

Anforderungen; vor allem mußten auch<br />

weitgehendste Maßnahmen zur sicheren<br />

Unterkunft und Unterbringung in Luftschutzräumen<br />

geschaffen werden. Die<br />

Kellerräume wurden mit großem Kostenaufwand<br />

dazu umgebaut, von außen<br />

Schutzvorrichtungen geschaffen und auch<br />

mit Sitz- und Liegeeinrichtungen versehen.<br />

... Ein <strong>Buch</strong> könnte gedruckt werden von all<br />

den Opfern, welche diese Luftschutzmaßregeln<br />

von den Schwestern und von den<br />

Hausangestellten erforderten; wie sie oft<br />

2‐3 mal des nachts ihre Pflegebefohlenen<br />

herauf und herunter befördern mußten.<br />

... Doch alles ließ sich ertragen, wenn<br />

man beim Verlassen der Luftschutzräume<br />

nach oben kam und das Haus unbeschädigt<br />

blieb; dann stieg jedesmal ein heißes<br />

Dankgebet zum Himmel auf. Da die Lage<br />

immer schwerer wurde und die Angriffe<br />

häufiger und ernster, wurde im Souterrain<br />

eine Krankenstation eingerichtet, welche<br />

die Schwerkranken und Operierten gleich<br />

aufnahm, was sich in der Folge, als äußerst<br />

vorteilhaft erwies“.<br />

Im <strong>Jahre</strong> 1942 waren fast alle Teile der<br />

Düsseldorfer Innenstadt zur Zielscheibe der<br />

Fliegerangriffe geworden. Wie durch ein<br />

Wunder hatte das Marienhospital bei den<br />

Angriffswellen auf Derendorf und Pempelfort<br />

nur kleinere Schäden zu verzeichnen<br />

und keine Toten oder Verletzten zu beklagen.<br />

Beim Angriff am 1. August 1942 fielen<br />

30 Stabbomben auf das Gebäude und auf<br />

das Gelände des Hospitals, die allerdings<br />

118


Das Marienhospital<br />

in den <strong>Jahre</strong>n 1943/44<br />

nur ein Doppelbettzimmer im dritten Stockwerk<br />

in Brand setzten und fünf Betten in<br />

der zweiten Etage unbrauchbar machten.<br />

Auch das Treibhaus im Garten wurde getroffen<br />

und brannte vollständig aus. Als im<br />

September 1942 ein Bombenregen auf die<br />

Brauerei Dieterich an der Duisburger Straße<br />

niederprasselte, gingen im Marienhospital<br />

infolge des Luftdrucks fast alle Fensterscheiben<br />

zu Bruch. „Doch auch hier konnte man<br />

beim Verlassen des Luftschutzkellers“, so<br />

die Schwesternchronik, „wiederum Gott<br />

danken, daß er uns so gnädig beschützt<br />

und unser Haus verschont hatte“. Weiter<br />

heißt es zu den Bombardements des <strong>Jahre</strong>s<br />

1942: „Noch mehrere Male kamen kleinere<br />

und größeren Angriffe, und Düsseldorf<br />

wurde leider schwer mitgenommen so<br />

am 2. November 1942 beim Angriff auf<br />

Düsseldorf-Derendorf, wo viele Tote zu<br />

beklagen waren ... , während das Hospital<br />

Gott Dank nur mit Fensterschäden davonkam.<br />

So ... blieb das Haus im <strong>Jahre</strong> 1942<br />

Dank des besonderen Schutzes Gottes und<br />

der Patronin und Beschützerin des Hauses,<br />

der lieben Gottesmutter verschont“.<br />

Niederschrift der Vorstandssitzung 18. Juni 1942<br />

(Auszug)<br />

Abschließend bemerkte der Vorsitzende<br />

noch, daß im Zuge der sogenannten Glocken-Aktion<br />

auch die 3 Bronce-Glocken<br />

des Marienhospitals, die Kapellenglocke<br />

von 75 kg Gewicht und 2 Uhrenglocken<br />

von 25 und 15 kg Gewicht beschlagnahmt<br />

und ausgebaut worden seien. Da<br />

die Entfernung der Uhrenglocken sich<br />

im Betriebe sehr störend auswirkt, sind<br />

Verhandlungen eingeleitet, die Bronce-<br />

Glocken durch Stahlguss-Glocken zu<br />

ersetzen.<br />

Das Marienhospital<br />

in den <strong>Jahre</strong>n 1943/44<br />

Mit Beginn des <strong>Jahre</strong>s 1943 trafen<br />

die Fliegerangriffe das Marienhospital<br />

mit der gleichen Härte, die auch die<br />

Stadt traf. Über den verhängnisvollen<br />

Beschuss der Anstalt in der Nacht<br />

vom 27. zum 28. Januar 1943 hat<br />

die Chronistin des Hauses folgenden<br />

Ablauf der Geschehnisse festgehalten:<br />

„Am zweiten Josefs-Mittwoch abends<br />

7 Uhr wurde an der Flakdienststelle<br />

angefragt, ob Luftgefahr festzustellen<br />

sei, worauf es hieß: Alarmbereitschaft.<br />

So wurde es den Stationen gemeldet<br />

und sofort erfolgte vom 3. und<br />

2. Stock der Transport der Kranken<br />

in die Luftschutzräume; nach weiteren<br />

5 Minuten wurde Luftgefahr<br />

gemeldet, und nun flüchtete alles<br />

Brauerei Dieterich,<br />

Duisburger Straße 20/36, um 1930<br />

Flinger Straße, 1942<br />

Burgplatz, um 1945<br />

119


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

nach unten. Ein größerer friedlicher Verband an der Scheldemündung<br />

eingeflogen mit der Richtung auf Düsseldorf lautete<br />

die Meldung nach 5 Minuten. Noch weitere 5 Minuten und<br />

starke Flakgeschosse und Leuchtschirmchen über das Hospital<br />

künden uns nichts Gutes. Alle Insassen des Hauses, sind<br />

unten; wir sind schon in Erwartung und eifrig am beten, da,<br />

der erste schwere Einschlag, ein Knall, der das ganze Haus<br />

erschüttert, ein Klirren von Scheiben, die aus ihren Rahmen<br />

flogen, Türen und Fenster flogen hinaus. Im Augenblick steht<br />

das ganze Hospital in hellen Flammen, das ganze Gebäude,<br />

sämtliche Dächer waren von ungezählten Brandbomben<br />

getroffen und in ein Flammenmeer getaucht. Ein Beobachter<br />

meldete, daß aus einem Flugzeug Phosphormengen in loser<br />

Form abgeworfen wurde und sich aus der Ferne angesehen<br />

hätte, als ob Feuer in Eimern ausgeschüttet würde. An 300<br />

Bomben hatten das Haus getroffen und so entstand ein Feuermeer.<br />

Das Kesselhaus, Nähzimmer, Clausur, Doktorenhaus,<br />

Nachbarhaus, Sparkasse (Sternstr. 71/73) brennen lichterloh,<br />

der ganze Gartenweg ist wie mit leuchtenden Funken besät;<br />

zugleich geht eine Luftmine in die Brauerei Dieterich nieder,<br />

an deren Wirkungen die ganze Nachbarschaft zu leiden hatte.<br />

Die Kapelle dröhnte wieder von dem Bersten der Scheiben,<br />

das Singchor klingt wieder vom Krachen brennender Bänke<br />

und herabfallender Mauerstücke, alles nur ein Trümmerhaufen,<br />

und das Bombardement hält an; das Hospital steht<br />

im Mittelpunkt der Leuchtkugeln. Kranke und Angestellte<br />

bleiben auffallend und musterhaft ruhig. Schwestern und<br />

Hausangestellte leisten Übermenschliches im Löschen und<br />

Wassertragen. Die Feuerwehr wird alarmiert, kurze Zeit,<br />

und der erste Löschzug, dem bald sieben weitere folgen,<br />

fährt vor; beim Anblick des in Flammen stehenden Hospitals<br />

bekommt der Leiter des ersten Zuges einen Weinkrampf;<br />

unsere drei Hydranten, ganz neu, versagen ihr Wasser, weil<br />

von der Stadt abgestellt. Das Wasser wird aus der Düssel<br />

geholt; 14 lange Schläuche sind angelegt und mit Gefäßen<br />

jeglicher Art wird nachgeholfen. Außer dem Sicherheits- und<br />

Hilfsdienst nahmen etwa 200 Personen an den Löscharbeiten<br />

teil; selbst während des Löschens gingen noch Bomben auf<br />

das Haus nieder; der hintere Mittelflügel war am meisten<br />

getroffen. Nun fing ein furchtbares Wasserspiel an: Wasser,<br />

Geröll alles Mögliche kam die Treppe herunter, zum Überfluß<br />

platzte auch noch ein Schlauch und so sauste das Wasser<br />

wie ein reißender Strom allseitig die Treppe<br />

herunter; Matratzen und Betteile wurden<br />

hinausgeworfen, um zu retten, was eben<br />

möglich war. Schwestern, Pfleger und<br />

Pflegerinnen, Hausangestellte, alles half<br />

mit Besen aller Art und allen nur möglichen<br />

Geräten, das Wasser zu schöpfen und zu<br />

kehren und zu schleppen und so einen<br />

Weg zum Garten zu bahnen und einen<br />

Abfluß zu verschaffen; der Wasserzustrom<br />

war so stark, daß diese Arbeit bis 11 Uhr<br />

morgens anhielt, trotz aller Gegenarbeit<br />

und Abwehr. Nach 1,5-2 Stunden kam Entwarnung,<br />

die Rheinische Bahngesellschaft<br />

sandte gleich mehrere Autobusse zum<br />

Abtransport der Wehrmachtsangehörigen<br />

und Civilpersonen, es ging alles in bester<br />

Ordnung; viele hatten sich eingefunden für<br />

Hilfe zu leisten und die Leute weinten beim<br />

Anblick dieser Verheerung. Da, eine neue<br />

Welle feindlicher Flieger, neuer Alarm; es<br />

entsteht eine wahre Panik unter den Leuten;<br />

in diesem Riesenfeuer war es ja dem<br />

Feind ein Leichtes, die armen Menschen zu<br />

treffen; doch Gott Dank ging es bald vorüber,<br />

ohne weiteren Schaden anzurichten.<br />

Nach der Entwarnung ging es nun an die<br />

Aufräumungsarbeiten; im Hofe bot sich<br />

ein trostloser Anblick, brennende Balken,<br />

herabfallende Brocken hatten sich dort<br />

gelagert; nach den ersten Löscharbeiten<br />

ging es wieder ans Wasserschöpfen. Bei<br />

herannahendem Tageslicht erschien ein<br />

Trupp Holländer etwa <strong>150</strong> Mann stark,<br />

schätzungsweise ebenso zahlreich ein<br />

Trupp Franzosen als Hülfe und gegen 11<br />

Uhr erschien eine Hülfskommission, um<br />

die Arbeiten zu überwachen. Alle möglichen<br />

Arbeiter und Handwerker waren<br />

bald zur Stelle, Glaser, Klempner, Schreiner,<br />

Schlosser, Installateure, fast alle Innungen<br />

waren vertreten; es gab ein Aufräumen und<br />

120


Das Marienhospital<br />

in den <strong>Jahre</strong>n 1943/44<br />

Arbeiten fast ohne Ende. Auf dem Hof, im<br />

Garten, rund um das Hospital lag alles hoch<br />

aufgeschichtet von Geröll, Eisen, Balken,<br />

verkohlten Betten, Türen und Fenstereinfassungen<br />

und dergleichen mehr ein Greuel<br />

der Verwüstung. Jetzt waren wir arm dran,<br />

keine Heizung, kein Licht, weder warmes<br />

noch kaltes Wasser war da. Eine Metzgerei<br />

Gliedt (Duisburger Str. 84a) kochte uns<br />

Kaffee, die gute Schwester Ignatiana aus<br />

Kaiserswerth eilte herbei und brachte uns<br />

gut belegte Butterbrote und versorgte uns<br />

an den folgenden Tagen auch mit Eintopf-<br />

Speisung, die sie täglich mit dem Auto<br />

schickte; auch die Ratinger Schwestern<br />

beteiligten sich daran. So hat der liebe<br />

Gott in seiner Vatergüte und Sorge trotz<br />

allem seine Kinder doch nicht verlassen.<br />

Es war gewiß eine große Verheerung, Leid<br />

und Sorge und große Verluste, besonders<br />

für unsere gute Schwester Annuntiata<br />

und die Verwaltung, doch ist dieses noch<br />

zu ertragen und zu überbrücken, ist ja,<br />

Dank dem besonderen Schutze Gottes kein<br />

Menschenleben zu Schaden gekommen.<br />

Auch daß das Licht im Keller noch brannte,<br />

haben wir als Gottes Schutz erkannt.<br />

So ging der erste Tag vorüber, beständig<br />

fielen noch brennende Balken herunter, der<br />

Brandgeruch stieg immer mehr und abends<br />

½ 9 Uhr glimmten noch 8 Brandherde;<br />

die Stadt stellte uns eine 6 Mann starke<br />

Brandwache, die auch ihre Arbeit gut besorgten,<br />

sodaß wir etwas Sicherheit hatten.<br />

Schon in der Nacht und am folgenden Tag<br />

kamen Schwestern aus den benachbarten<br />

Filialen uns zu helfen, Annastift, Ratingen,<br />

Kaiserswerth, die auch Mädchen schickten<br />

zu räumen und zu putzen. So halfen sie uns<br />

denn, alles was an Matratzen, Bettzeug<br />

usw. herausgeworfen worden war, wieder<br />

zu sortieren und nach oben zu bringen; es Marienhospital, um 1943<br />

121


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, um 1943<br />

war ein buntes Durcheinander<br />

und erforderte viel Arbeit und<br />

Geduld. Viele Auswärtige boten<br />

sich auch an, zu helfen;<br />

es war rührend zu sehen, wie<br />

die Düsseldorfer Bevölkerung<br />

an unserem Mißgeschick teilnahm,<br />

viele weinten, mehrere,<br />

gute Leute hatten schon in<br />

der Nacht Obdach und Betten<br />

angeboten für die Schwestern;<br />

man sah es ihnen an, daß es<br />

ehrlich gemeint war und von<br />

Herzen kam; auch ihnen ein<br />

herzliches Vergelt‘s Gott für<br />

ihr Wohlwollen und ihre Hilfe;<br />

möge der liebe Gott es ihnen<br />

reichlich lohnen. ... Die Schlafräume<br />

der Hausangestellten<br />

waren auch abgebrannt und<br />

hatten diese alles verloren; so<br />

wurden Schlafmöglichkeiten<br />

auf alle verfügbaren Plätze im<br />

Bügelzimmer, Waschküche, in<br />

den Fluren usw. geschaffen“.<br />

Dem Bericht der Ordenschronik über die<br />

Ereignisse in der Nacht vom 27. auf den<br />

28. Januar 1943 ist zu ergänzen, dass noch<br />

während des Abklingens der Brände erste<br />

Maßnahmen zur Wiederherstellung des<br />

Marienhospitals unter Leitung des Architekten<br />

Wilhelm Dicken ergriffen wurden.<br />

Die Beschädigungen waren beträchtlich.<br />

Wesentlich sachlicher und nüchterner als<br />

der Bericht der Pflegeschwestern liest sich<br />

ein zeitgleich erstelltes Protokoll des Vorstandes,<br />

das den Schadensumfang an den<br />

verschiedenen Gebäuden des Marienhospitals<br />

wie folgt aufnahm:<br />

„Krankenhaus mit Schwesternflügel<br />

und Kapellenbau. Das Dach und das<br />

darunter liegende Dachgeschoß des Krankenhauses<br />

brannten ab. ...<br />

Kesselhaus mit Nebengebäuden. Das<br />

Dach über der Hochdruckkesselanlage<br />

brannte zum Teil und das über der Näherei<br />

vollständig ab. ... Die Kesselanlage<br />

mit den zugehörigen Apparaten wurde<br />

nur ganz gering beschädigt und blieb voll<br />

betriebsfähig.<br />

Isolierhaus mit anschließendem Anbau.<br />

Einige Stabbrandbomben durchschlugen<br />

das Dach und beschädigten die Decke.<br />

Die Krankenzimmereinrichtungen verbrannten.<br />

...<br />

Gefolgschaftshäuser Rochusstr. 2 und<br />

4. Stabbrandbomben durchschlugen das<br />

Dach. Im ersten Obergeschoß brannten<br />

die Balkendecke und fünf Räume aus. ...<br />

Ärztewohnungen Ehrenstr. 14a. Es traten<br />

im wesentlichen nur Glasschäden auf.<br />

Gärtnerei. Durch eine Stabbrandbombe<br />

entstanden geringe Beschädigungen“.<br />

122


Das Marienhospital<br />

in den <strong>Jahre</strong>n 1943/44<br />

Mit dem Luftangriff auf das Marienhospital<br />

waren der Stadt Düsseldorf in einer Nacht<br />

650 Krankenbetten verlorengegangen. Um<br />

Engpässe in der medizinischen Versorgung<br />

zu vermeiden, wurde von den Behörden<br />

noch in der Brandnacht beschlossen, die<br />

Wiederinbetriebnahme des Marienhospitals<br />

mit Nachdruck zu fördern, zumal<br />

sämtliche Operationssäle, Sterilisation,<br />

Röntgeninstitut, Badestation und technische<br />

Anlagen wie Heizung, Wasser- und<br />

Elektrizitätsversorgung, Küche, Bäckerei,<br />

Waschbetrieb, Fernsprechanlage noch<br />

einsatzbereit waren. Zum Fortgang der<br />

Reparaturarbeiten heißt es in einem Zwischenbericht<br />

des Vorstandes im Frühjahr<br />

1943: „Der Leiter der Sofortmaßnahmen<br />

der Stadt Düsseldorf hat ... als erste Anordnung<br />

die Aufräumungs- und Abbrucharbeiten<br />

sowie die notwendigen Reparaturen<br />

und die Verglasung usw. angeordnet. Das<br />

Haus wurde mit einem Not-Aschbetondach<br />

versehen und im übrigen die Instandsetzung<br />

nach der 18. Anordnung des Generalbevollmächtigten<br />

für die Regelung der<br />

Bauwirtschaft durchgeführt. Die Arbeiten<br />

wurden mit 50 deutschen Handwerkern<br />

aller Berufsgruppen und einer Kompanie<br />

vom Arbeits-Bataillon 7 (Holländer und<br />

Franzosen) begonnen. Als Ersatz für die<br />

durch die Zerstörung des Dachgeschosses<br />

ausgefallenen Räume wurde die Aufstellung<br />

zweier großer Wohnbaracken aus Holz<br />

auf dem Gartengelände zur Unterbringung<br />

des Pflege‐ und Hauspersonals sowie von<br />

Geschäftsräumen der Lazarettverwaltung<br />

und dergleichen genehmigt“.<br />

Auf behördliche Anordnung wurde<br />

Mitte Februar 1943 als Folge des Bettenverlustes<br />

im Marienhospital und in den<br />

übrigen Düsseldorfer Krankenhäusern in<br />

der Heil‐ und Pflegeanstalt Grafenberg<br />

eine behelfsmäßige „Innere<br />

Abteilung“ von etwa 100<br />

Betten eingerichtet, deren<br />

ärztlicher Dienst und stationäre<br />

Krankenpflege in den<br />

Händen der Pempelforter<br />

Anstalt lag.<br />

Am 20. März 1943<br />

konnte in der Kapelle des<br />

Marienhospitals „zur größten<br />

Freude aller“ wieder<br />

Gottesdienst gehalten werden;<br />

zwei Wochen später<br />

war auch die beschädigte<br />

Orgel spielbereit. Zur gleichen<br />

Zeit war die zivile Männerstation, ein<br />

Teil des Lazarettes und das Isolierhaus zur<br />

Aufnahme neuer Patienten fertig gestellt<br />

worden. Anfang April 1943 betrug die Zahl<br />

der stationär behandelten Kranken im Lazarett<br />

86, in den Zivilabteilungen 50 und im<br />

Ausweichkrankenhaus Grafenberg 86. Auch<br />

die Klausur der Franziskanerinnen konnte<br />

schnell wieder repariert und in Gebrauch<br />

genommen werden, so dass die Schwestern<br />

nicht mehr auf den Stationen zu schlafen<br />

brauchten. Als die Belegungsmöglichkeit im<br />

Marienhospital wieder auf über 400 Betten<br />

angestiegen war, wurden am 31. April 1943<br />

die ausgelagerten Versorgungskapazitäten von<br />

Grafenberg nach Pempelfort zurückgeführt.<br />

Durch die Zerstörung des Dachgeschosses<br />

fehlten dem Marienhospital in Ermangelung<br />

von Baustoffen und Arbeitskräften noch für<br />

längere Zeit 180 Betten; doch „sonst war das<br />

Haus wieder schön in Betrieb“.<br />

Obwohl die Schwestern seit Ende März<br />

1943 jeden Abend gemeinsam den Rosenkranz<br />

mit der besonderen Bitte um Schutz<br />

bei Fliegergefahr beteten, geriet das Marienhospital<br />

nur wenige Wochen nach der provisorischen<br />

Wiederherstellung wieder direkt<br />

Marienhospital, um 1943<br />

Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Grafenberg,<br />

Bergische Landstraße 2, um 1935<br />

123


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

St. Rochus, Prinz-Georg-Straße 110,<br />

um 1945<br />

in das Schussfeld der Angreifer. Am 12. Juni 1943, dem<br />

Samstag vor Pfingsten, ertönten um 0.50 Uhr die Sirenen<br />

und signalisierten Großalarm für Düsseldorf. Was sich nach<br />

der Warnung in jener Nacht und am folgenden Tag im und<br />

vor dem Marienhospital ereignete, hat die Chronistin der<br />

Franziskanerinnen in bewegenden Worten festgehalten:<br />

„Das Allerheiligste ist bereits durch den hochwürdigen Herrn<br />

Pastor Karl Tholen unten untergebracht, auch die Schwestern<br />

und die Angestellten sind, schon den Rosenkranz betend<br />

versammelt, als Schlag auf Schlag das Haus erzittern macht,<br />

die Erde bebt, es folgt ein furchtbares Krachen und Poltern,<br />

man befürchtet das Schlimmste, man fragt sich: wo mag es<br />

sein, wer ist getroffen, jeder denkt: Gott ruft mich, das letzte<br />

Stündlein ist gekommen; Herr Pastor erteilt uns allen, auch<br />

den Kranken in den anderen Räumen inbegriffen die General-<br />

Absolution. Es sind qual- und angstvolle Stunden; nach ungefähr<br />

2 Stunden 20 Minuten, vor 3 Uhr wird entwarnt; diese<br />

Zeit war allen wie eine Ewigkeit vorgekommen, und bangen<br />

Herzens begaben sich alle wieder nach oben; es hatte besser<br />

gegangen, als wir erwartet hatten. ... Die Betten der Kranken<br />

waren mit Glassplitter besät; doch hat wiederum niemand<br />

Schaden gelitten; wir können der göttlichen Vorsehung nicht<br />

genug danken für den Schutz, die sie uns in dieser großen<br />

Gefahr gewährte. Auf dem Dach lagen 7 Canister und 31<br />

Brandbomben, im Garten brannten 3 Baracken bis auf Grund<br />

und Boden ab, und konnte nichts gerettet werden, während<br />

auf dem Dach gelöscht<br />

werden konnte. Eine Baracke<br />

war gerade vor 14 Tagen als<br />

Marienheim – als Schlafstätte<br />

für die Mädchen eingerichtet<br />

worden, die zweite war im<br />

Anstrich und die dritte diente<br />

als Lagerraum der beim ersten<br />

Angriff im Januar geretteten<br />

Türen und Fenster. Auch die<br />

Kapelle erhielt einige Brandbomben,<br />

das Feuer konnte<br />

aber vom Dach aus gelöscht<br />

werden. Alles in der Umgebung<br />

brennt, Ehren-, Blücher-,<br />

Stern- und Stockkampstraße,<br />

es ist ein wahrer Brandherd; raucherfüllte<br />

Luft, ganz geschwärzt, erfüllt von Brandteilchen,<br />

die den flüchtenden Menschen<br />

draußen in die Augen fliegen und ihnen<br />

große Schmerzen und Beschwerden verursacht,<br />

sodaß jetzt ein großer Anlauf zum<br />

Hospital beginnt von Augenkranken, Verbrennungen,<br />

Verletzte aller Art. Ärzte und<br />

Schwester hatten voll auf zu tun und haben<br />

Unmenschliches geleistet. Das Rauchen<br />

der brennenden Häuser dauerte den ganzen<br />

Tag, an der Pforte wurden unzählige<br />

Menschen gespeist, es war förmlich eine<br />

Völkerwanderung von armen, kranken,<br />

verletzten, hungrigen, flüchtenden und<br />

hilfesuchenden Menschen, ein Betrieb<br />

wie es noch nie erlebt worden ist. Gott<br />

Dank wurde allen bestmöglich geholfen.<br />

Alle waren bestrebt den armen gequälten<br />

Menschen in tätiger Liebe zu begegnen<br />

und ihnen zu helfen. Selbst vom lieben<br />

Mutterhause trafen hier 24 Schwestern<br />

als Obdachlose ein und fanden auch hier<br />

ein neues Heim, war ja in Aachen dem Angriff<br />

alles zum Opfer gefallen. Im Hospital<br />

waren ungezählte Scheiben zertrümmert,<br />

besonders im Neubau, Operationszimmer,<br />

die großen schönen Scheiben, Löcher in<br />

den Decken und Wänden. Dachstuhl und<br />

Sakristei brennen, doch es konnte gelöscht<br />

werden, ehe es um sich griff; in der Kapelle,<br />

erst vor kurzem schön erneuert, sind alle<br />

Fenster herausgeworfen. Die Rochuskirche,<br />

Heilig Geist, Dreifaltigkeit, St. Paulus,<br />

Marienkirche, Franziskanerkloster, alles<br />

brennt. Herr Dechant Max Döhmer mit seinem<br />

Kaplan und Haushälterin haben alles<br />

verloren und kommen zu uns und finden<br />

Obdach. Der Gottesdienst von Rochus und<br />

Heilig Geist wurde nach hier verlegt. Die<br />

hl. Messen waren 6, ½ 8, ½ 9, 9, 10, 11,<br />

12 und abends 8 Uhr. Das Annakloster<br />

124


Das Marienhospital<br />

in den <strong>Jahre</strong>n 1943/44<br />

der Schwestern vom armen Kinde Jesu,<br />

Dienstmägde Christi, Clarissen, Ursulinen,<br />

Theresienhospital, Martinus-Krankenhaus,<br />

alles brennt und haben alles verloren, und<br />

kommen hierhin Obdach zu suchen. Die<br />

Schwestern schlafen teilweise hier im<br />

Hospital und auswärts; die Schwestern<br />

von Rochus, Dienstmägde Christi wohnen<br />

in unserer Clausur, im Kapitelzimmer zu<br />

sieben Schwestern; 4 Clarissen wurden<br />

am folgenden Tag nach Heerdt ins Krankenhaus<br />

geholt. ... Am Sonntag den 13.<br />

Juni 1943 schickte uns die Stadt einen<br />

Wasserwagen mit Trinkwasser, was uns<br />

alle sehr erfrischte und erquickte, war es<br />

uns jetzt ermöglicht, einen Trunk reinen<br />

Wassers zu trinken; die Menschen waren<br />

ja wie innerlich verbrannt und ausgedörrt<br />

von der Feuersbrunst und Rauch; so sorgt<br />

der liebe Gott doch immer wieder für die<br />

Seinen. ... Warmes Wasser, Suppe und<br />

Gemüse holten wir in der Duisburgerstraße<br />

in der Metzgerei Gliedt, der das Hospital<br />

großen Dank schuldet, da die Familie in<br />

rührender Weise für uns sorgte“. Nach<br />

dem schweren Pfingstangriff wurden im<br />

Marienhospital über zwei Wochen lang<br />

an ausgebombte Menschen täglich 200<br />

bis 300 Essen in einer improvisierten Suppenküche<br />

ausgegeben.<br />

Im weiteren Verlauf des <strong>Jahre</strong>s 1943<br />

wurden die Intervalle zwischen den einzelnen<br />

Fliegerangriffen auf Düsseldorf und<br />

damit auch auf das Marienhospital immer<br />

kürzer. Jedes Bombardement hinterließ<br />

am Pempelforter Krankenhaus sichtbare<br />

Schäden und ließ den Zustrom von Verletzten<br />

anschwellen. So berichtet die Chronik<br />

beispielsweise: „Am 5. Oktober 1943 um<br />

7 Uhr abends ist Großalarm, 16 Volltreffer<br />

trafen die Rhein-Metallfabrik und kamen<br />

dann auch die Verletzten; Tag und Nacht<br />

Theresienhospital, Josephskapelle, um 1945<br />

Alt-Pempelfort/Prinz-Georg-Straße, 1943<br />

Kaufhof, Königsallee 1, um 1945<br />

Schreiben der Oberin Sw. Annuntiata an die Generaloberin Sw. Rufina in<br />

Aachen (Auszug)<br />

Düsseldorf, den 14. Juni 1943<br />

Liebe, teure Mutter.<br />

Herzliche Grüsse, liebe Würdige Mutter. ... Wir haben<br />

einen Bombenangriff hinter uns, wie wir bisher noch<br />

keinen erlebten. Eine Unmenge Spreng- und Brandbomben<br />

und sehr viele Luftminen kamen über uns.<br />

Durch unser neues, schweres Betondach konnten die<br />

Brandbomben nicht durchschlagen. Sie blieben im<br />

Beton stecken. ...<br />

Dem Herrn sei Dank für seinen gnädigen Schutz.<br />

Es ist niemandem, weder Schwestern noch Patienten<br />

etwas passiert. Alle waren im Keller. Im ganzen Haus<br />

sind Tür- und Fensterrahmen stark beschädigt und<br />

zertrümmert, die Decken und Wände sehr gerissen.<br />

Unsere beiden neuen Baracken sind abgebrannt, die<br />

waren so schön – und nun stehen wieder 60 Mädchen<br />

obdachlos da. Aber alles wie Gott will.<br />

Düsseldorf allerdings ist ein großer Brand. Die<br />

ganze Stadt ist zertrümmert. Die armen Menschen<br />

sitzen auf der Strasse und behüten die paar geretteten<br />

Sachen. Wir haben die Obdachlosen abwechselnd zu<br />

Hunderten im Flur sitzen. Alle bekommen zu essen und<br />

zu trinken. Zur Augenabteilung strömen die Menschen<br />

zur Behandlung der entzündeten Augen. Der Andrang<br />

ist so stark, daß wir in drei verschiedenen Abteilungen<br />

die Augen versorgen bis in die Nacht hinein. Im Operationszimmer<br />

ist beständig an den Verletzten zu arbeiten.<br />

Viele sterben. Es ist kein elektrischer Strom da, kein Gas,<br />

kein Wasser. So fahren also auch keine Aufzüge, was<br />

die Arbeit ungeheuer erschwert. Alle Schwerkranken<br />

bleiben Tag und Nacht im Luftschutzkeller – wir können<br />

sie ja nicht alle hin- und hertragen. ...<br />

Mehrere Krankenhäuser mussten räumen – es ist<br />

kaum ein einziges Krankenhaus der Stadt in Ordnung. ...<br />

Kein Geschäft besteht mehr. Die großen Geschäftsstrassen<br />

bilden ein wahres Trümmerfeld.<br />

125


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

haben Ärzte und Schwestern gearbeitet, den Verletzten,<br />

Verwundeten und Verbrannten Hilfe zu leisten; 70-80 mußten<br />

notgedrungen aufgenommen werden und wurden darum im<br />

Flur der Röntgen-Abteilung, Betten übereinander gestellt, diese<br />

Armen aufzunehmen. Was es heißt, die Kranken jedesmal<br />

herunter zu tragen, weiß nur der, der es mitmachen mußte“.<br />

Obwohl sich die Lebensbedingungen für die Einwohner<br />

der Stadt Düsseldorf von Tag zu Tag verschlechterten, gab<br />

es immer noch Menschen, die dem Marienhospital uneigennützig<br />

ihre Hilfe und Unterstützung anboten. So überließ<br />

etwa Direktor Emil Fenger der Anstalt für die Zeit des Krieges<br />

gegen einen geringen Mietzins sein Wohnhaus Ehrenstr. 16<br />

zur Aufnahme erkrankter Kinder.<br />

Liest man heute die Aufzeichnungen der Franziskanerinnen,<br />

berührt das Gottvertrauen und die Gelassenheit, mit<br />

der Ärzte, Schwestern und Hausangestellte aller Gefahren<br />

zum Trotz ihre Arbeit im Marienhospital fortsetzten. An einen<br />

Schutz für Leib und Leben durch diejenigen, die den Zweiten<br />

Weltkrieg angezettelt hatten, glaubte im Krankenhaus schon<br />

lange niemand mehr. Vor dieser Folie wenig verwunderlich, in<br />

einer Zeit ständiger Überwachung und Bespitzelung jedoch<br />

mehr als bemerkenswert, rückte das obligatorische Hitlerbild<br />

im Eingangsbereich des Marienhospitals demonstrativ in die<br />

zweite Reihe: „Am 25. September 1943 ist unser Portal wieder<br />

frei von allem Gerümpel“, bekennt die Hauschronik freimütig,<br />

„die Mutter Gottes steht Gott Dank wieder im Mittelpunkt<br />

des Hospitals. Das Bild des Führers, das zwangsweise dieser<br />

vorgestellt war, wurde vom Baukomite rechts an der Wand<br />

aufgehangen; und wenn auch im Hintergrund gestellt, war<br />

und blieb sie die Herrin, Herrscherin und Schützerin des<br />

Hauses“.<br />

Trotz aller Anrufe der Muttergottes geriet das Marienhospital<br />

am 23. April 1944 wieder unter schweren Beschuss.<br />

„Gegen 12 Uhr nachts gab es Vollalarm, der aber bald vorüberging“,<br />

beginnt die Chronistin ihre Zusammenfassung über<br />

den bislang folgenschwersten Angriff auf das Krankenhaus.<br />

„Nach der Entwarnung ½ 1 Uhr neuer Alarm, der uns nicht<br />

sonderlich beunruhigt; in dem Gedanken es sind Rückflüge,<br />

waren wir nicht alle im Luftschutzkeller, als bereits die ersten<br />

Bomben fielen. Die neue Meldung hieß: Die Spitze der<br />

Kampfverbände auf Düsseldorf, und schon dröhnte Bombe<br />

auf Bombe, das Haus erhielt 4 schwere Sprengbomben,<br />

7 Phosphorkanister und 30 Brandbomben,<br />

zu beiden Seiten der Kapelle, wo die<br />

Josefs-Statute stand und an der anderen<br />

Seite in der Nähe des Schweinestalles fielen<br />

2 Minen; außerdem brannten aus das<br />

Doktorenhaus Rochusstr. 2-4 sowie das<br />

gemietete Fengerhaus, wo die Mädchen<br />

untergebracht waren, und so waren diese<br />

schon dreimal ausgebombt und abgebrannt<br />

mitsamt ihren Sachen, Kleider und<br />

Wäsche. Die Minen richteten unsäglichen<br />

Schaden an; im ganzen Haus war eine<br />

furchtbare Verheerung, die Operations-,<br />

Entbindungsräume in der Frauen-Abteilung,<br />

Augenabteilung, Clausur, Nähzimmer,<br />

Kohlenlager und Leichenhaus mit<br />

anschließendem Schuppen, Schweinestall<br />

und was das traurigste war, unsere schöne,<br />

im streng gotischem Stile erbaute Kapelle<br />

wurde ein Opfer dieses Angriffes. Der<br />

40 Meter hohe gemauerte Schornstein<br />

des Kesselhauses wurde schwer geschädigt;<br />

später wurde er vom Militär aus,<br />

da er einen gewaltigen Riß hatte, daher<br />

ganz schief stand und so lebensgefährlich<br />

war, gesprengt. Im zweiten Obergeschoß<br />

brannte es an 3 Stellen, auch das Notdach<br />

über dem Treppenhaus brannte aus. An<br />

fast allen Stellen des Hauses entstanden<br />

Luftdruckschäden; der Operationstisch der<br />

Augenabteilung wurde durch drei Wände<br />

hindurch und durch die eiserne Aufzugstür<br />

in den Aufzug geschleudert. Der Luftdruck<br />

war so stark, daß die Schwester, die unten<br />

im Röntgenflur die Kranken betreuten<br />

über die Betten der Kranken geschleudert<br />

wurden, die Schleier wurden ihnen vom<br />

Kopf, Rosenkranz und Kordeln von der<br />

Seite gerissen; im Hof lagen die Schweine<br />

herum, zwei Tage rührten sie sich nicht,<br />

bewußt- und bewegungslos lagen sie da,<br />

sodaß man nicht feststellen konnte, ob<br />

126


Das Marienhospital<br />

in den <strong>Jahre</strong>n 1943/44<br />

sie noch lebten, zwei waren so schwer<br />

verletzt, daß sie notgeschlachtet werden<br />

mußten. Eine Sprengbombe und eine Mine<br />

gingen in den Gebäudeteil zwischen Altund<br />

Neubau und hat alles vom Dach bis<br />

Erdgeschoß auseinandergerissen. Drei<br />

kleine Zimmer parterre waren total mit<br />

Betten, Schränken und jeglichem Inhalt<br />

verschwunden und war keine Spur mehr<br />

davon zu sehen. So war der Verkehr zwischen<br />

beiden Bauten unterbrochen und die<br />

Verpflegung der im Neubau befindlichen<br />

Kranken, besonders die Unterbringung bei<br />

Alarm sehr erschwert. Auch der Mangel<br />

an Heizung, deren Rohre durchgeschlagen<br />

und am Boden lagen, machte sich<br />

besonders empfindlich bemerkbar, sowie<br />

auch das Fehlen der Wärmeanlagen bei der<br />

Verteilung von Essen. Die Kranken wurden<br />

wieder notdürftig untergebracht, viele<br />

abtransportiert, es verblieben etwa noch<br />

134 Patienten hier; doch war auch diesmal<br />

kein Menschenleben zu beklagen. Für uns<br />

Schwestern bot die Kapelle wohl den traurigsten<br />

und schmerzlichsten Anblick, der<br />

Dachstuhl brannte lichterloh, Beicht- und<br />

Predigtstuhl, die schönen Kreuzwegbilder<br />

brannten in hellen Flammen, die Statuen<br />

der Heiligen stürzten auf den Boden, die<br />

herrliche Pietà, ein Geschenk des seligen<br />

Künstlers Herrn Joseph Reiß fiel auch zum<br />

Opfer. Und mitten in diesem Qualm und<br />

Knistern erschallen die sterbenden Töne<br />

unserer wunderbaren, fast noch neuen Orgel<br />

wie ein schauriges ‚De profundis‘ über<br />

dieses große Sterben. Erhalten blieb im<br />

Schwesternchörchen das ergreifende Bild<br />

am Beichtstuhle: ‚Der verlorene Sohn‘, und<br />

unverletzt sind die Worte, die der Künstler<br />

darunter geschrieben hat: ‚Vater, ich habe<br />

gesündigt‘. Sind es Worte der gezeichneten<br />

Welt, als Mahnzeichen unseres Volkes,<br />

oder der gezeichneten Stadt,<br />

oder des gezeichneten Hauses?<br />

Dem lieben Gott allein<br />

ist bekannt, er fordert Sühne<br />

und Buße, und nur in diesem<br />

Geiste lassen sich diese Strafgerichte<br />

Gottes tragen. Der<br />

Schrecken, die Angst und die<br />

Not, die wir während dieses<br />

Angriffes aushielten, waren<br />

sehr groß; mehrere der Kranken<br />

waren knapp an der Verschüttung<br />

vorbeigekommen,<br />

eine Ukrainerin kam unter die<br />

Trümmer, konnte aber noch<br />

lebend ausgegraben werden ohne wesentlichen Schaden<br />

erlitten zu haben. Dieser Angriff war in seinen Wirkungen<br />

der schwerste, der uns getroffen hat, die Bogen der Kapelle<br />

waren in Stücke gebröckelt, Schutt lag nicht nur innerhalb<br />

des Gartens, sondern auch meterhoch auf der Straße; im<br />

Garten war ebenfalls eine große Verwüstung, die Mutter-<br />

Gottes Statue und die Grotte war vollständig zerstört, die<br />

Franziskusgrotte teilweise. Besonders erschütternd wirkte<br />

die umgestürzte Statue des hl. Joseph, welcher im Garten<br />

Marienhospital, Kesselhaus<br />

und Schornstein, um 1945<br />

Marienhospital, Franziskus-Grotte,<br />

um 1930<br />

127


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Zwangsarbeiterlager,<br />

Ellerkirchstraße 65, 1940<br />

vor der Kapelle seinen Platz gefunden hatte ... . Gott Dank<br />

blieben sämtliche technischen Betriebe und die technischen<br />

Anlagen erhalten, wie Waschküche, Röntgen-Apparate,<br />

Fernsprechanlage und dergleichen mehr erhalten, sodaß die<br />

Arbeiten weitergeführt werden konnten“.<br />

Wie schon in den Monaten zuvor ließen sich die Mitarbeiter<br />

des Marienhospitals auch durch den erneuten Angriff<br />

nicht entmutigen und gingen „mit neuem Mut an die Aufräumungsarbeiten,<br />

speisten die Armen und Obdachlosen<br />

und leisteten Hilfe wo und wie es nur eben möglich war“. Im<br />

Sprechzimmer „Hermann-Josef“, das u.a. der Vorstand für<br />

seine Zusammenkünfte genutzt hatte, und dem anstoßenden<br />

Ärztekasino wurde aus den Resten des Kapellenmobiliars ein<br />

provisorisches Oratorium eingerichtet. Das ein Jahr zuvor aufgelöste<br />

Ausweichkrankenhaus in der Heil‐ und Pflegeanstalt<br />

Grafenberg wurde am 6. Mai 1944 mit 70 Betten wieder<br />

eröffnet und mit Personal und Gerät aus dem Marienhospital<br />

ausgestattet. Im gleichen Monat wurden drei „große, lange<br />

Rohre“ ins Marienhospital geliefert und „von fachkundiger<br />

Hand“ zu einem neuen Schornstein zusammenmontiert.<br />

Der Umfang und die Schwere der Zerstörungen einerseits,<br />

die weitere Verknappung an Baustoffen und Arbeitskräften<br />

andererseits, verbunden mit einer immer straffer<br />

einsetzenden behördlichen Lenkung der Bauwirtschaft<br />

hatten zur Folge, dass die Beseitigung der Schäden trotz aller<br />

Bemühungen nur langsam fortschritt. Dessen ungeachtet<br />

wurden die Schutzmaßnahmen wie Umwallung<br />

des Erdgeschosses, Ausbau der<br />

Luftschutzräume etc. weiter fortgesetzt,<br />

um gegen weitere Angriffe gerüstet zu<br />

sein. Diese traten jedoch in besonders<br />

schwerer Form nicht mehr in Erscheinung,<br />

sondern beschränkten sich auf Glas und<br />

mittlere Luftdruckschäden.<br />

Zwangsarbeiter im<br />

Marienhospital<br />

War es schon mühsam, nach einem Fliegerangriff<br />

geeignetes Baumaterial für<br />

wichtigste Instandsetzungsmaßnahmen<br />

zu beschaffen, so war es noch schwieriger,<br />

fachkundige Handwerker für Reparaturarbeiten<br />

zu finden. In Ermangelung deutscher<br />

Arbeitskräfte kamen mit zunehmender<br />

Dauer des Krieges im Marienhospital immer<br />

öfter Zwangsarbeiter zum Einsatz. Von<br />

<strong>150</strong> Niederländern und <strong>150</strong> Franzosen,<br />

die im Januar 1943 zu Aufräumarbeiten<br />

im Marienhospital abkommandiert waren,<br />

ist bereits an anderer Stelle berichtet worden.<br />

Ausführlich ist in der Hauschronik der<br />

Hilfseinsatz eines Ostarbeitskommandos<br />

festgehalten, das aus 40 sowjetischen<br />

Facharbeitern bestand und am 30. August<br />

1944 im Hospital eintraf. „Sie waren von<br />

einem Dolmetscher, einem Feldwebel und<br />

vier Wachmannschaften begleitet“, weiß<br />

die Chronistin zu berichten. „Fast jede<br />

Innung war vertreten; sie bewohnten das<br />

Isolierhaus, es waren ja auch viele Lungenkranke<br />

dabei. In der Küche wurde Essen<br />

geholt, im übrigen, putzen, spülen und<br />

dergleichen, versorgten sie sich selbst.<br />

Das Isolierhaus durfte weder von Schwestern,<br />

Mädchen noch von sonst jemand<br />

128


Das Marienhospital<br />

im Frühjahr 1945<br />

betreten werden; an den Fenstern wurden<br />

Stanketten angebracht, die im Kesselhaus<br />

gemacht und nach Besichtigung und auf<br />

Befehl des Hauptmannes noch verbessert<br />

werden mußten. Als die armen Menschen<br />

ankamen, waren sie sehr müde, ungepflegt<br />

und hungrig, waren sie ja viele Kilometer<br />

zu Fuß gegangen; sie setzten sich auf den<br />

Hof auf ihre Rucksäcke nieder, mußten<br />

aber wieder aufbrechen und den Weg<br />

zur Entlausung antreten; sie schleppten<br />

sich förmlich fort. Ob es unseren Brüdern<br />

und Männern nicht auch so ergangen ist?<br />

Zurückgekehrt wurde ihnen auf dem Hof<br />

das Haar geschoren, das Haus stellte ihnen<br />

reine Wäsche, sie badeten dazu und keiner<br />

durfte die Zelle betreten, ehe er vollständig<br />

gereinigt war; das geschah nun jeden<br />

Samstag. Nach der allgemeinen Reinigung<br />

standen sie nun in Reih und Glied, alles<br />

anständige, gute Menschen, das war jetzt<br />

ein anderes Bild wie vor 1 bis 2 Stunden. Da<br />

fanden sich zusammen: Elektrotechniker,<br />

Glaser, Schuster, Schreiner, Stuckateur, Maler,<br />

Anstreicher, Metzger, Bauarbeiter usw..<br />

So konnten sie überall helfen und haben<br />

es auch ehrlich getan. Als das Kesselhaus<br />

durch Bomben in Brand geriet, löschten die<br />

Russen und verließen das Dach nicht, bis<br />

alles außer Gefahr war ... ; alle waren nett<br />

ordentlich und fleißig. Auch waren sie alle<br />

gern hier, zumal sie ab und zu eine kleine<br />

Belohnung so ganz verstohlen erhielten,<br />

denn die Wachmannschaft durfte es nicht<br />

sehen; das geschah, wenn sie mal den Hof<br />

gekehrt hatten, und das taten sie sehr<br />

sorgfältig; jedes Eckchen wurde ordentlich<br />

gesäubert, dann legte die Schwester Anicia<br />

vom Brodzimmer ihnen Plätzchen, Teilchen<br />

oder ein Butterbrot auf die Fensterbank,<br />

und nachdem sie alsmal herübergeäugelt<br />

hatten, verschwand es“.<br />

Außer den in der Chronik erwähnten Zwangsarbeitern lassen<br />

sich aus anderen Quellen noch etwa 40 weitere Ausländer<br />

(u.a. aus Belgien, Frankreich, Kroatien, den Niederlanden,<br />

Polen, Slowakei, Sowjetunion, Ukraine) nachweisen, die<br />

zwischen 1941 und 1945 im Marienhospital<br />

pflegerisch oder hauswirtschaftlich<br />

tätig waren. Ohne Zweifel<br />

trafen sie vergleichsweise humane<br />

Arbeitsbedingungen in einer caritativen<br />

Anstalt vor, auch wenn sie für<br />

niedrige Arbeiten eingesetzt wurden.<br />

Das Marienhospital<br />

im Frühjahr 1945<br />

Als amerikanische Verbände von Westen her immer näher<br />

zum Rhein rückten und Düsseldorf im Frühjahr 1945 zum<br />

Frontgebiet wurde, setzte eine gewaltige Fluchtbewegung ein.<br />

Jeder freie Winkel im Marienhospital diente der Aufnahme<br />

verletzter oder erkrankter Soldaten bzw. Zivilisten sowie der<br />

Unterbringung ausgebombter bzw. auf der Flucht befindlicher<br />

Ordensleute. Obwohl die Stadt Düsseldorf im März und April<br />

1945 einem pausenlosen Beschuss ausgesetzt war, berichtet<br />

die Chronistin der Franziskanerinnen nicht ohne sentimentale<br />

Rührung, was sich in den letzten Kriegstagen im völlig überbevölkerten<br />

Marienhospital abspielte. „Bei Alarm wanderte alles<br />

Marienhospital,<br />

Lebenszeichenbrief, 1945<br />

129


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital,<br />

Verwundetenbetreuung, 1941<br />

Luftschutzkeller,<br />

Alt-Eller 27, um 1943<br />

in den Luftschutzkeller, wo auch ein Altar aufgeschlagen<br />

war und celebriert wurde. ... Auch<br />

schliefen mehrere Schwestern hier in Liegestühlen,<br />

die nachts zum Schlafen und tagsüber<br />

als Sitzgelegenheit beim Gottesdienst dienten<br />

... . Bei Alarm waren die Stationsschwestern<br />

bei ihren Kranken im Untergeschoß, wo auch<br />

jedes Eckchen mit Betten besetzt war. ... Im<br />

Flur lagen schwer verwundete Soldaten und<br />

nur durch einen Schirm von diesem Schwesternraum<br />

getrennt. Hier unten lagen Männer,<br />

Frauen, Soldaten, selbst Priester, alles durcheinander,<br />

es standen Bett an Bett und doch<br />

ging es; eine polnische Wirtschaft, aber schön<br />

war es doch; jeder war zufrieden, denn jeder<br />

fühlte sich in Liebe geborgen; es war eine<br />

große Familie, eine Gottesfamilie. ... In der<br />

sogenannten Entgiftungszelle wohnten 2<br />

Clarissen aus der Kaiserstraße, die erst auf die<br />

Straße gesetzt wurden und dann auch alles<br />

verloren ... . Das Hospital war wirklich eine<br />

Herberge für alle und unsere gute Schwester Annuntiata nahm<br />

auch ‚Alle‘ in Großmut und großer Uneigennützigkeit auf. ...<br />

Schwestern verschiedener Genossenschaften fanden hier ein<br />

Heim, unsere Schwestern von Kaiserswerth, Hamm, Ratingen,<br />

Herz-Jesu-Kloster, Mutterhaus,<br />

Provinzialat;<br />

Kind-Jesu Schwestern,<br />

Clarissen, Dienstmägde<br />

Christi, Ursulinen, Brüder,<br />

Ordens‐ und Weltpriester,<br />

mehrere Familien,<br />

denen hier eine<br />

Wohnungsmöglichkeit<br />

verschafft wurde. .. Das<br />

Haus war vollgepfropft<br />

und doch fand man<br />

immer wieder Rat den<br />

Armen und Heimatlosen<br />

zu helfen“.<br />

Anerkennend schrieb Karl Fritzen, Vorstandsvorsitzender<br />

für das Marienhospital,<br />

im Rechenschaftsbericht für das Jahr 1945:<br />

„Mit welchem Aufwand von Pflichterfüllung,<br />

Verantwortungsbewußtsein, Mut und<br />

Entbehrung die gesamte Gefolgschaft sich<br />

einsetzte, um das Haus und seine Insassen<br />

gegen alle Terrorangriffe zu verteidigen<br />

und zu schützen, können nur diejenigen<br />

ermessen, welche diese Zeiten, in denen<br />

fast der gesamte Krankenhausbetrieb sich<br />

Tag und Nacht größtenteils in den Kellern<br />

abwickeln musste und die Sirenen fast<br />

pausenlos ‚Fliegeralarm‘ heulten, selbst<br />

miterlebt haben“.<br />

Wie durch ein Wunder hatte das Marienhospital<br />

trotz ständiger Überbelegung<br />

und dauerndem Beschuss nur einmal ein<br />

Todesopfer während eines auf die Anstalt<br />

gerichteten Angriffes zu beklagen.<br />

Im März 1945 wurde Martha Hoppe, eine<br />

seit über 50 <strong>Jahre</strong>n im Marienhospital<br />

tätige Dienstmagd, tödlich verletzt, als sie<br />

einen Eimer Wasser aus dem Garten holen<br />

wollte. „Männer, die auf dem Turm die Rot-<br />

Kreuzfahne anbringen wollten“, so berichtete<br />

später eine Ordensschwester, „hatten<br />

dadurch die Aufmerksamkeit des Feindes<br />

auf das Hospital gelenkt, und so war der<br />

Beschuß ganz auf das Haus gerichtet. ...<br />

Martha bereitete schon für Ostern vor und<br />

frischte die Fahne vom guten Hirten auf,<br />

die ab Weißen Sonntag als Hintergrund am<br />

Altar diente ... . Es war ruhiger geworden<br />

und wir wollten wieder an unsere Arbeit<br />

gehen; wir gehen nun und sind eben im<br />

Durchgang als ein Knall und wieder einer<br />

ertönt und Martha geht in dem Augenblick<br />

heraus und wird tödlich getroffen; sie tat<br />

einen Schrei und fiel tot zu Boden“.<br />

130


Der Wiederaufbau<br />

Schreiben der Schwestern Laurentiana, Cotidia und<br />

Hildegarda an die Mutter Assistentin in Aachen<br />

(Auszug)<br />

Düsseldorf-Grafenberg, den 28. März 1945<br />

Bergische Landstraße 2, Haus 3<br />

Liebe, ehrwürdige Mutter Assistentin!<br />

Während ich diesen Brief schreibe, pfeifen<br />

die Granaten um das Haus herum. So geht<br />

es nun schon fast 3 Wochen. Wegen der<br />

täglichen sich steigernden Gefahr haben<br />

wir alle Patienten, die nicht gehen können,<br />

ganz im Keller liegen. Auch das Personal<br />

und wir Schwestern schlafen unten. Für uns<br />

3 haben wir einen abgeschlossenen Raum,<br />

in dem sogar der Heiland seine mehr als<br />

bescheidene Wohnung aufgeschlagen hat.<br />

Tag und Nacht ist Er dort – und wir schlafen<br />

dabei! Wir haben Liegestühle in dem Raum;<br />

Betten gehen nicht hinein. Aus Ehrfurcht<br />

vor dem Allerheiligsten ziehen wir uns nicht<br />

ganz aus. Wenn wir große Wäsche etc.<br />

halten wollen, dann bringen wir zuerst den<br />

Heiland vorübergehend in die Kapelle. ...<br />

Morgens sind wir immer noch trotz der<br />

Schießerei zur Pfarrkirche gegangen, gut 20<br />

Minuten hin und auch wieder zurück. Uns<br />

bangt schon vor dem Augenblick, wo das<br />

nicht mehr möglich ist. ...<br />

Die Verbindung mit dem Marienhospital<br />

wird durch die Verhältnisse immer<br />

schwieriger. Manchmal denke ich, wenn<br />

wir doch gut hier weg wären. Es ist nicht<br />

so leicht. Jetzt haben wir schon einen Teil<br />

Lungenkranke. Die inneren Kranken werden<br />

vor und nach entlassen. Es sind meist<br />

schwere Fälle, die man uns schickt. Wenn<br />

nur die Verpflegung entsprechend wäre.<br />

Man hat kaum etwas für die armen Leute.<br />

Es ist einfach nichts da! Und ob es nicht<br />

noch schlimmer wird?<br />

Der Wiederaufbau<br />

Das historische wie das moderne Düsseldorf, die Industrie-,<br />

Geschäfts- und Büroviertel der Stadt wie auch zahlreiche<br />

Wohngebiete waren in Bombentrichtern und unter Trümmerhügeln<br />

verschwunden. Als am 3. März 1945 amerikanische<br />

Truppen den Rhein erreichten, war Düsseldorf eine zerstörte<br />

und entvölkerte Stadt. Von Heerdt und Oberkassel aus beschoss<br />

die 83. US‐Division mit Artillerie und Tieffliegern das<br />

rechtsrheinische Düsseldorf, wo Gauleiter Karl Friedrich Florian<br />

und Polizeipräsident August Korreng am 29. März 1945 die<br />

noch verbliebene Bevölkerung (1939: 555000; 1945: 185000<br />

Einwohner) zu sinnlosem Widerstand angetrieben und die<br />

Räumung der Stadt angeordnet hatten. Um den Alliierten das<br />

Nachrücken zu erschweren, sollten alle Verkehrs-, Produktions-<br />

und Versorgungsanlagen vernichtet werden. Das ganze<br />

Ausmaß der Politik der „Verbrannten Erde“ überblickte kaum<br />

jemand, aber viele Menschen verweigerten die Unterstützung<br />

St. Margareta, Gerricusplatz 1,<br />

um 1938<br />

131


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Oberkasseler Brücke, um 1945<br />

Turmspitzen der Marienkirche, um 1945<br />

Hauptbahnhof, um 1945<br />

Düsseldorfer Trümmerhäuser, um 1945<br />

der Maßnahmen. In dieser Situation des<br />

apokalyptischen Widersinns und der kollektiven<br />

Verweigerung bewahrten einige<br />

Düsseldorfer ihre Vernunft und bereiteten<br />

Übergabeverhandlungen vor, um der Stadt<br />

weitere Kämpfe und Bombardements zu<br />

ersparen. Dank ihres Einsatzes zog am 17.<br />

April 1945 ein Bataillon der 97. amerikanischen<br />

Infanteriedivision kampflos und ohne<br />

Blutvergießen in die nahezu menschenleere<br />

Stadt ein und nahm hier Quartier.<br />

Die Hinterlassenschaft der menschenverachtenden<br />

Diktatur war Chaos, waren<br />

Trümmer in vielfacher Bedeutung des Wortes.<br />

Der Neuanfang war alles andere als<br />

leicht. Der erste städtische Verwaltungsbericht<br />

beschreibt die Situation in Düsseldorf<br />

nach Kriegsende mit den Worten: „Eine<br />

Trümmerstadt, durch einen brückenlosen<br />

und durch zahlreiche Schiffswracks<br />

gesperrten Strom in zwei Teile getrennt,<br />

eine Stadt, in der Tausende Menschen<br />

in Bunkern und Kellern wohnten, eine<br />

Großstadt, in der keine Straßenbahn fahren<br />

konnte, eine Stadt deren Bewohner durch<br />

die Schrecken des Krieges erschüttert und<br />

nach der politischen Verirrung mutlos geworden<br />

waren, eine Stadt, in der Hunger<br />

und Not herrschten und Verwahrlosung<br />

und Demoralisierung zu einer immer größeren<br />

Unsicherheit führten, eine Stadt, in<br />

der primitivste Regeln der Hygiene vielfach<br />

nicht mehr beachtet werden konnten, in der<br />

die notwendigsten Gebrauchsgegenstände<br />

fehlten und selbst keine Särge mehr für<br />

die Toten vorhanden waren, das war das<br />

traurige Erbe, das diejenigen vorfanden,<br />

die sich für die Wiederingangsetzung und<br />

den Wiederaufbau ... einsetzten“.<br />

Für das Marienhospital bedeutete das<br />

Kriegsende keine „Stunde Null“. Zu einer<br />

Zeit, als noch niemand wusste, ob die<br />

132


Der Wiederaufbau<br />

Stadt jemals wieder aufgebaut werden<br />

würde, wurden im Marienhospital erste<br />

Maßnahmen zur Reorganisation eines geregelten<br />

Krankenhausbetriebes in Gang<br />

gebracht. Patienten, Ärzte, Schwestern und<br />

Angestellte verließen die Schutzkeller der<br />

Anstalt und bezogen wieder die oberirdischen<br />

Krankenzimmer, Operationsräume,<br />

Behandlungsräume und die Klausur. „Ostern<br />

(1. April 1945) war noch Beschuß“, so die<br />

Hauschronik der Franziskanerinnen, „kurz<br />

darauf drang der Feind durch und die Stadt<br />

Düsseldorf ergab sich (17. April 1945).<br />

Auf Mariä Verkündigung und Ostern war<br />

die Gemeinde noch im Untergeschoß, der<br />

Namenstag unserer ehrwürdigen Schwester<br />

Annuntiata wurde still, ohne Festlichkeit<br />

gehalten und später, nachdem wir am<br />

Schutzfest des hl. Josef (18. April 1945)<br />

heraufgezogen waren, still und einfach<br />

nachgeholt. ... Die ganzen Clausurzellen,<br />

Refectorium und Recreationszimmer wurden<br />

wieder bezogen, nachdem die Hauptsache<br />

an Schutt usw. fortgeschafft, die Löcher notdürftig<br />

zugemacht und die zertrümmerten<br />

Scheiben vielfach mit Pappendeckel ersetzt<br />

waren. ... Vor und nach wurden auch die<br />

Stationen gesäubert und eingerichtet und<br />

die Kranken wieder herauftransportiert;<br />

mehrere Kranke waren so geschwächt und<br />

die Kellerluft hatte ihnen so zugesetzt, daß<br />

sie hintereinander starben, weil sie diese<br />

reine Luft nicht mehr vertragen konnten“.<br />

Der allgemeine Gesundheitszustand<br />

der Bevölkerung war den Lebensumständen<br />

entsprechend schlecht. Tuberkulose<br />

nahm gegenüber 1939 um 50 % zu. Die<br />

Säuglingssterblichkeit betrug 1945 mehr<br />

als 10 % (1939: 5 %). Hungerödeme und<br />

Eiweißmangelerkrankungen führten nicht<br />

selten zum Tod. Rachitische Symptome bei<br />

Säuglingen und Kleinkindern hatten extrem<br />

Schreiben der Oberin Sw. Annuntiata an die<br />

Generaloberin in Aachen (Auszug)<br />

Düsseldorf, den 20. April 1945<br />

Liebe, teure Mutter!<br />

... Gestern waren die Amerikaner hier<br />

und machten bezüglich des Krankenhauses<br />

statistische Aufnahmen. Heute<br />

baten sie, ihnen 10 Betten für ihre<br />

Verbandsstation zu überlassen, ein<br />

Offizier wurde hier verbunden. Ob<br />

sie noch kommen und einen Teil des<br />

Hauses vielleicht in Anspruch nehmen,<br />

weiß man noch nicht. Wir haben ihnen<br />

10 Betten gegeben, liebe Mutter. Seit<br />

vorgestern sind wir nun aus dem Keller.<br />

Im Augenblick haben wir 229 Kranke<br />

und außerdem viele Bombenbeschädigte<br />

im Hause wohnen.<br />

Erkrankungen und Sterbefälle an anzeigepflichtigen übertragbaren Krankheiten<br />

im Stadtkreis Düsseldorf in den <strong>Jahre</strong>n 1945 bis 1948<br />

Jahr Scharlach Diphtherie Typhus Ruhr Tbc<br />

Geschlechtskrankheiten<br />

1945 Erkrankungen 416 1070 225 124 627 -<br />

1945 Sterbefälle 11 88 23 5 292 20<br />

1946 Erkrankungen 211 1225 159 29 662 2119<br />

1946 Sterbefälle - 76 8 5 336 23<br />

1947 Erkrankungen 274 750 190 42 726 3696<br />

1947 Sterbefälle 1 30 14 1 317 34<br />

1948 Erkrankungen 405 423 114 5 66 5718<br />

1948 Sterbefälle 3 19 6 - 8 24<br />

Verwaltungsbericht der Landeshauptstadt Düsseldorf 1945 bis 1949 (Auszug)<br />

Gesundheitsamt (Amt 40)<br />

Außer den Städtischen Krankenanstalten<br />

(einschließlich Krankenhaus Benrath und<br />

Westdeutsche Kieferklinik) mit zusammen<br />

2145 Betten und der Heil‐ und Pflegeanstalt<br />

mit rund 1000 Betten, befanden sich<br />

US-Panzer rücken über die Flurstraße ein, 1945<br />

in Düsseldorf am Ende der Berichtszeit 19<br />

Krankenhäuser mit zusammen 2280 Betten,<br />

insgesamt also 5425 Krankenhausbetten<br />

gegenüber 4617 zu Beginn der Berichtszeit.<br />

133


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Gesundheitsamt Düsseldorf, um 1945<br />

Behelfsunterkunft am Stoffeler Kapellenweg, um 1947<br />

Martin-Luther-Platz/Bismarckstraße, um 1945<br />

Oststraße/Graf-Adolf-Straße, 1948<br />

zugenommen. Der Gesundheitszustand der<br />

Schulkinder wurde im Verwaltungsbericht der<br />

Stadt Düsseldorf als ausgesprochen schlecht<br />

bezeichnet. Gewichtsstürze von 20 bis 30<br />

% bis zu extremer Magerkeit erhöhten die<br />

Infektanfälligkeit der Bevölkerung.<br />

Die Probleme des Gesundheitswesens<br />

ergaben sich aus dem Widerspruch der vernichteten<br />

materiellen und personellen Voraussetzungen<br />

und den erhöhten Anforderungen an<br />

die medizinische Betreuung. Krankenhäuser<br />

und Praxen waren zerstört, Medikamente<br />

wurden kaum neu produziert. Sulfonamide,<br />

Salvarsan und Insulin gab es nur<br />

in kleinsten Mengen. Der Schwarzmarkt<br />

mit Arzneimitteln wucherte. Ärzte und<br />

Pflegepersonal fehlten. Fast alle Organisationsformen<br />

des Gesundheitswesens<br />

waren zusammengebrochen. Die Zerstörung<br />

sanitärer Anlagen, wie Trinkwasseraufbereitung<br />

und Kanalisation, fehlende Hygiene,<br />

Mangelernährung und Wohnungsnot,<br />

begünstigten die Entstehung von Seuchen.<br />

Ungeregelte Bevölkerungsfluktuation und<br />

Promiskuität führten zum Ansteigen der<br />

Geschlechtskrankheiten.<br />

Die Anstrengungen des Vorstandes des<br />

Marienhospitals galten zunächst vorrangig<br />

den notwendigen Wiederaufbauplanungen<br />

der partiell zerstörten Gebäudeteile. Die<br />

Bombenangriffe auf Düsseldorf hatten<br />

das Marienhospital zu etwa 70 Prozent<br />

zerstört. Die Schäden reichten von zersplitterten<br />

Fenstern über ausgebrannte Räume<br />

bis zu total zerbombten Gebäudetrakten.<br />

Das ausgebaute Dachgeschoss und das<br />

dritte Stockwerk waren schwer beschädigt<br />

und nahezu unbrauchbar. Andere, lebenswichtige<br />

Einrichtungen waren unversehrt<br />

geblieben, wie Kesselanlage und Küche. Die<br />

Röntgenanlagen und Operationseinrichtungen<br />

waren zum Einsatz bereit. So konnte der<br />

Betrieb, wenn auch notdürftig, auch nach<br />

der Kapitulation aufrecht erhalten werden.<br />

Nachdem zunächst Chefarzt Gustav Pfalz<br />

seine Frauenstation im Neubau III wieder<br />

in Betrieb genommen hatte, eröffneten<br />

wenig später auch der Ohrenarzt Theodor<br />

Hünermann und der Augenarzt Josef Etten<br />

ihre früheren Stationen. „Selbstverständlich<br />

nicht wie früher“, wirft die Chronistin ein,<br />

„es hieß, sich einschränken, da ja durch den<br />

134


Der Wiederaufbau<br />

Ausfall des dritten Stockwerkes viel weniger<br />

Räume zur Verfügung standen“. Um die<br />

frühere Raumkapazität wieder erreichen<br />

zu können, waren umfangreiche Arbeiten<br />

erforderlich. Angesichts des Material- und<br />

Handwerkermangels war an eine schnelle<br />

Ausführung jedoch vorerst nicht zu denken;<br />

nur kleinere Instandsetzungsarbeiten waren<br />

möglich. Im Sommer 1945 berichtet die<br />

Chronik: „Die Arbeiten im Hause wurden<br />

nun fleißig begonnen. Maurer und Pliesterer<br />

fingen an, ein Zimmer nach dem anderen<br />

zu renovieren, ... die Fenster wurden mit<br />

Glas besetzt, während sie bis jetzt meistens<br />

mit Pappe bekleidet waren, die Schreiner<br />

machten neue Einfassungen für Türen und<br />

Fenster, aber es ging manchmal sehr langsam<br />

wegen Mangel an Material, Arbeitskräften<br />

und Beschaffungsschwierigkeit“.<br />

Marienhospital,<br />

Trümmerbeseitigung,<br />

um 1945<br />

Schreiben des Architekten Wilhelm Dicken an die Stadt Düsseldorf – Anlage zum Bauantrag 16. April 1946<br />

Vor Beginn des Krieges standen dem Hospital<br />

450 Krankenbetten und 200 Personalbetten<br />

sowie alle modernen medizinischen und<br />

technischen Einrichtungen zur Verfügung.<br />

Außer den Städtischen Krankenanstalten ist<br />

es das größte Krankenhaus in Düsseldorf. ...<br />

Beim ersten Kriegsschaden im Januar<br />

1943 brannten über dem gesamten Krankenhaus<br />

das Dach und das darunter liegende<br />

ausgebaute Dachgeschoss mit rund 3200<br />

qm Nutzfläche ab. ... Beim zweiten großen<br />

Schaden im April 1944 wurde ein fünfgeschossiger<br />

Baukörper zerstört, in dem die<br />

Operations‐ und Entbindungsräume der<br />

Frauenstation, der Säuglingssaal, die Augenklinik,<br />

der Verbindungsgang vom Alt- zum<br />

Neubau mit dem angrenzenden Vortragssaal<br />

(Pflegerinnenschule) und den Nebenräumen<br />

untergebracht waren. Ferner wurden das<br />

Treppenhaus, die Kranken-, Neben- und<br />

Toilettenräume des viergeschossigen Baues<br />

zwischen dem Hauptbau und dem Nordflügel<br />

zerstört. Der so vom Hauptbau getrennte<br />

und mittelschwer beschädigte Nordflügel<br />

kann seit dem Schadenstag nicht mehr bewohnt<br />

werden. ... Weiter wurden zerstört:<br />

die Personalhäuser Rochusstr. 2 und 4 und<br />

ein Teil des Arzthauses Ehrenstr. 14a, das<br />

Kohlenlager mit den darüber liegenden<br />

Räumen zur Unterbringung der Näherei,<br />

der 30 m hohe Massivschornstein des Kesselhauses,<br />

der Schweinestall, die Garage<br />

und 4 Schuppenbauten. Zwei während des<br />

Krieges erbaute Holzbaracken von je 500<br />

qm bebauter Fläche zur Unterbringung der<br />

Ärzte und des Personals brannten mit allem<br />

Inventar ab.<br />

Infolge der behördlich gelenkten Maßnahmen<br />

durfte mit dem Wiederaufbau der<br />

vorgenannten Schäden noch nicht begonnen<br />

werden. ... Es sind zurzeit wieder 350 Kranke,<br />

wenn auch teils in überbelegten Räumen<br />

untergebracht. ... Durchschnittlich werden<br />

heute monatlich 6000 Personen ambulant<br />

behandelt. Zurzeit müssen täglich 30-40<br />

Kranke abgewiesen werden, die um Aufnahme<br />

und Behandlung im Krankenhaus bitten.<br />

135


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Bericht des Vorstands 1945 (Auszug)<br />

Am 15. März 1945 schloss das Reserve-<br />

Lazarett Marienhospital seine Pforten und<br />

wickelte unter englischer Aufsicht die im Hause<br />

befindlichen schweren Fälle ab, während<br />

die leichteren Fälle verlegt wurden.<br />

Mit der Auflösung des Reserve-Lazaretts<br />

stellte auch das Deutsche Rote Kreuz seine<br />

Tätigkeit im Marienhospital ein. Allen Angehörigen<br />

des DRK, die im Marienhospital<br />

tätig waren, sei an dieser Stelle der Dank<br />

des Hauses für ihre Hilfe und Unterstützung<br />

ausgesprochen.<br />

Die Ausweichstelle unserer Inneren Abteilung,<br />

die am 23. April 1944 zum zweiten<br />

Male während der Kriegszeit in der Provinzial<br />

Heil- und Pflegeanstalt Grafenberg eröffnet<br />

worden war, wurde am 18. November 1945<br />

geschlossen.<br />

Inzwischen sind nach Entlassung unserer<br />

Chef- und Abteilungsärzte aus dem Wehrdienst<br />

die Hals-, Nasen- und Ohrenabteilung<br />

am 15. August 1945, die geburtshilfliche und<br />

gynäkologische Abteilung sowie die Augenabteilung<br />

am 1. Dezember 1945 wieder eröffnet<br />

worden, wenn auch mit Rücksicht auf<br />

Britisches Hauptquartier im<br />

Stahlhof, Bastionstraße 39,<br />

um 1945<br />

die Zerstörungen im Hause vorläufig nur im<br />

beschränkten Rahmen. Die Röntgenabteilung,<br />

deren wertvolles Inventar durch die Bombenangriffe<br />

wenig gelitten hatte, wurde durch<br />

die Angehörigen der Wehrmacht und die<br />

Zivilbevölkerung überaus stark in Anspruch<br />

genommen, da die Röntgenabteilungen in<br />

den anderen Krankenhäusern der Stadt und<br />

in der Umgegend infolge der Kriegshandlungen<br />

vielfach zerstört wurden und den<br />

an sie gestellten Anforderungen nicht mehr<br />

entsprechen konnten. ...<br />

Die Besetzung der Stadt Düsseldorf<br />

durch die amerikanische und anschließend<br />

durch die englische Wehrmacht hatte für das<br />

Haus keine nachteiligen Folgen. Das Zeichen<br />

des Roten Kreuzes wurde geachtet, und das<br />

Marienhospital blieb von Einquartierung und<br />

Plünderung verschont. Die Militärregierung<br />

bemühte sich, soweit die Verhältnisse auf<br />

dem Baustoff- und Arbeitsmarkt es zuließen,<br />

den Wiederaufbau zu fördern. Dieser ist<br />

jedoch außerordentlich umfangreich und<br />

schwierig.<br />

Herbergsgäste<br />

Die Ausbesserungs- und Erneuerungsarbeiten<br />

hatten gerade begonnen, da bezog<br />

der Kölner Erzbischof Joseph Frings Anfang<br />

Juli 1945 für einen mehrtägigen Aufenthalt<br />

in der Stadt Düsseldorf im Marienhospital<br />

Quartier. „Herr Dechant Max Döhmer holte<br />

in seinem violetten Ornat als Prälat den<br />

Hochwürdigsten Herrn Erzbischof von der<br />

Bahn ab“, weiß die Chronik zu berichten,<br />

„Herr Pastor Karl Tholen empfing<br />

den hohen Herrn beim Aussteigen aus<br />

dem Wagen, während unsere ehrwürdige<br />

Vorgesetzte und die übrigen Schwestern<br />

und Hausangestellten vom Hauptportal<br />

an Spalier bildeten. Schwester Annuntiata,<br />

als Oberin des Hauses, begrüßte<br />

den Hochwürdigsten Herrn, oder besser<br />

gesagt, Seine Eminenz begrüßte sie, richtete<br />

ihr den Ring zum Küssen und gab<br />

ihr den Segen. So schritt Seine Eminenz<br />

zur Kapelle (im Sprechzimmer Hermann-<br />

Josef), gefolgt von seinem Kaplan, den<br />

Schwestern und Hausangestellten. Seine<br />

Hochwürden begrüßte kurz den Heiland,<br />

hielt eine kleine Ansprache und, nachdem<br />

er alle Anwesenden gesegnet hatte, begab<br />

er sich ... in seine Wohnung. Am Dienstag<br />

... celebrierte der hohe Herr in unserer<br />

Kapelle ganz feierlich, wobei sein Kaplan<br />

assistierte ... . Gegen ½ 10 Uhr kam dann<br />

Seine Eminenz zu den Schwestern in der<br />

Clausur, wo sie im Kapitelzimmer versammelt<br />

waren. Seine Hochwürden war einfach<br />

und herzlich, ja väterlich. Er sprach uns<br />

einige ermunternde Worte zu, erkundigte<br />

sich noch nach der Zahl der Schwestern,<br />

sprach auch seine Freude darüber aus, daß<br />

er das Marienhospital und die Schwestern<br />

hätte kennen gelernt, dankte, wie er sich<br />

136


Herbergsgäste<br />

ausdrückte, zuerst der Schwester Oberin<br />

für die liebevolle Aufnahme und Aufmerksamkeit,<br />

die er hier gefunden habe, dankte<br />

zweitens der Köchin, die so gut gesorgt<br />

hätte trotz der schweren Zeit, er könne<br />

nicht begreifen, wie sie bei den schwierigen<br />

Verhältnissen, wo alles so knapp sei, noch<br />

alles so beschaffen und zubereiten könnte,<br />

besonders bei dieser großen Menge; drittens<br />

dankte er der Schwester Margarita<br />

vom Neubau III, sie habe ihn vollständig<br />

aufgebügelt, das Käppchen, Schärge, Talar<br />

oder Kleid; Mantel und alles in schönster<br />

Ordnung gebracht. ... Darauf gab er uns<br />

noch einmal Seinen Erzbischöflichen Segen<br />

und begab sich von der guten Schwester<br />

Annuntiata und den Schwestern begleitet<br />

zum Hauptportal, wo sein Kaplan und sein<br />

Diener ihn erwarteten“.<br />

Auch in den folgenden <strong>Jahre</strong>n war<br />

Kardinal Joseph Frings mehrfach im Marienhospital<br />

zu Gast. Bemerkenswert ist<br />

ein Treffen zwischen dem Kölner Metropoliten<br />

und dem nordrhein-westfälischen<br />

Ministerpräsidenten Rudolf Amelunxen,<br />

der seit September 1946 ein möbliertes<br />

Zimmer im Marienhospital bezogen hatte.<br />

Wie die Chronik berichtet, ging es bei der<br />

Besprechung in der Pempelforter Anstalt,<br />

an der auch „einige Herren der Regierung“<br />

teilnahmen, um Fragen der Versorgung mit<br />

Lebensmitteln.<br />

Vorübergehende Unterkunft fanden<br />

im Marienhospital nicht nur geistliche<br />

Würdenträger und hochrangige Politiker,<br />

sondern auch Vertriebene, die auf ihrer<br />

Flucht in der Stadt Düsseldorf strandeten.<br />

So berichtet die Chronik 1945 von einem<br />

„regen Verkehr an der Pforte mit Flüchtlingen“,<br />

die um Essen und Unterkunft für<br />

eine Nacht baten. „Am Bahnhof hieß es nur<br />

immer“, so der Rückblick weiter, „gehen<br />

Sie nur zum Marienhospital. Da bekommen Sie etwas,<br />

da können sie übernachten. Es war manchmal recht<br />

schwer, sie alle unterzubringen und noch schwerer<br />

sie fortzuschicken, weil kein Platz mehr da war; leider<br />

mußte auch das oft sein, weil es überhand nahm“.<br />

Niederschrift über die Vorstandssitzung<br />

vom 22. März 1948 (Auszug)<br />

Sodann brachte der Vorsitzende<br />

Karl Fritzen die Belegung von Krankenzimmern<br />

durch anstaltsfremde<br />

Personen zur Sprache, die 1945<br />

seitens der Landesregierung eingewiesen<br />

wurden. Zur Zeit wohnen<br />

noch hier im Haus Sozialminister<br />

Rudolf Amelunxen, Oberregierungsrat<br />

und Rechtsanwalt Dr. Schröder<br />

und Fräulein Pley, Sekretärin bei<br />

der Landesregierung. Im Vorstand<br />

bestand Einstimmigkeit darüber, daß<br />

mit allen Mitteln versucht werden<br />

müßte, die Zimmer bzw. die Betten<br />

wieder frei zu bekommen, da täglich<br />

immer noch 25 bis 30 Schwerkranke<br />

abgewiesen werden müssen.<br />

Kardinal Joseph Frings in Düsseldorf,<br />

Mariensäule, 1946<br />

Hauptbahnhof Düsseldorf,<br />

Flüchtlingskinder, um 1948<br />

Ministerpräsident Rudolf Amelunxen<br />

im Marienhospital, um 1946<br />

137


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Hungerdemonstration<br />

im Hofgarten, 1947<br />

Lebensmittelmarken, 1950<br />

Luisenheim, Schlossallee 2,<br />

Lebensmittelausgabe, um 1947<br />

Kinder beim Fringsen,<br />

Mühlenstraße, um 1947<br />

Lebensmittelversorgung<br />

Not hatte nach dem Einmarsch der Alliierten in Düsseldorf<br />

vielerlei Gesichter, doch galt es im Kampf ums nackte Überleben<br />

vor allem, Nahrungsmittel zu beschaffen. Durch die<br />

Abtrennung der agrarischen Überschussgebiete des Ostens,<br />

die Zusammenballung der Bevölkerung auf engem Raum,<br />

den Produktionsausfall infolge von Kriegseinwirkungen und<br />

Beeinträchtigung der Infrastruktur war die Versorgung der<br />

Bevölkerung in Düsseldorf wie in allen westdeutschen Städten<br />

ernstlich bedroht.<br />

Nicht ohne Sarkasmus berichtete die Rheinische Post von<br />

der Stadtverordnetensitzung am 13. Juni 1946, die u.a. die<br />

Ernährungslage und Hungerfolgen zum Gegenstand hatte,<br />

folgende Begebenheit: „Ein Wachtmeister trägt behutsam<br />

einen kleinen Glaskasten in den Stadtverordnetensaal und stellt<br />

ihn mit schlichter Sachlichkeit auf den Präsidententisch. Einige<br />

lächeln im Saal, aber es ist ein Lächeln mit fatalen Zügen. Da<br />

steht nun der kleine Kasten, schmucklos und sehr bestimmt.<br />

Corpora delicti unter Glas: nämlich ein armseliges Brot von<br />

1250 Gramm Gewicht, ein paar Stück Pergamentpapier mit<br />

175 Gramm Fleisch, 125 Gramm Marmelade und 100 Gramm<br />

Fett, daneben ein mikroskopisches Häufchen Käse von 15,6<br />

Gramm, eine Tüte mit 125 Gramm Zucker, eine mit 30 Gramm<br />

Ersatzkaffee und schließlich eine Tüte, von der nicht mit Sicherheit<br />

anzunehmen ist, daß sie mehr enthält als Luft. Dem Maß<br />

nach könnte sie 250 Gramm Nährmittel (die es seit längerem<br />

nicht mehr gibt) bequem fassen. Tröstlicherweise darf man sich<br />

zu diesem Konvolut noch etwas Magermilch und ein bißchen<br />

Hering hinzudenken. So also sieht, erbarmungslos<br />

demonstriert, die Wochenration<br />

eines Düsseldorfer Bürgers aus. ... Und so<br />

sieht, ins Statistische übersetzt, die sinnfällig<br />

servierte Addition von tausend und einigen<br />

Kalorien aus“.<br />

Zum Tagesordnungspunkt „Die Versorgungslage<br />

Düsseldorfs“ berichtete Walther<br />

Hensel in der Stadtverordnetensitzung:<br />

„Die nach dem Urteil aller internationalen<br />

Autoritäten ohnehin schon unzureichende<br />

Kalorienzahl von <strong>150</strong>0 täglich wurde mit<br />

Wirkung vom 4.3.1946 auf 1050 täglich<br />

herabgesetzt. Tatsächlich wurde selbst diese<br />

Zahl monatelang nicht erreicht, weil von<br />

Januar bis Mai die Magermilch mit 42 Kalorien<br />

je Tag für den Normalverbraucher<br />

völlig ausfiel. ... Unsere Ernährungslage ist<br />

im kritischsten Stadium, das wir überhaupt<br />

bisher erlebten. Der Hunger droht nicht nur,<br />

er ist bereits bei uns eingezogen“.<br />

Dass der Hunger in der Stadt vor dem<br />

Marienhospital nicht Halt machte, liegt<br />

auf der Hand. In erkennbarer Verbitterung<br />

über die Versorgung mit Lebensmitteln und<br />

sonstigen Dingen des täglichen Bedarfs<br />

schrieb die Chronistin des Marienhospitals<br />

ins Protokollbuch: „1946 setzte ... die Hungerblockade<br />

ein. ... Die Flüchtlinge kamen<br />

zu Tausenden in die Heimat zurück; es war<br />

eine große Not, nichts war zu haben, das<br />

Notwendigste fehlte. Garn, Wolle, Stoffe,<br />

Schuhe wie auch Lebensmittel waren nur<br />

ganz spärlich und mit großer Mühe und<br />

Schwierigkeit zu erlangen; es wanderte alles<br />

auf den Schwarzmarkt und nur wer ganz<br />

enorme, hohe Preise, mehr als Wucherpreise<br />

zahlen konnte, bekam etwas; da war alles<br />

vertreten, selbst ‚Schotts‘ Meßbücher. Die<br />

Masse aber, die arme Bevölkerung konnte<br />

nur zusehen. Schlimmer noch war es mit<br />

Kartoffeln, Gemüse, Brot und Nährmittel.<br />

138


Die Krankenpflegeschule<br />

Bald waren keine Kartoffeln da, kein Gemüse,<br />

keine Nährmittel, wenig oder oft<br />

genug mehrere Tage gar kein Brot oder nur<br />

in kleinen Mengen. Obst oder feines Gemüse<br />

wie Blumenkohl, Spargel, Tomaten, Erd- und<br />

Stachelbeeren galt dem Feind als Luxusartikel<br />

für den Deutschen; diese ließ man nach Holland<br />

zurückgehen oder segnete sich selbst<br />

damit. So entstand eine große Hungersnot,<br />

und mancher ist daran zu Grunde gegangen.<br />

Als im Winter auch noch kein Brand da war,<br />

... wurden Menschen auf Dachkammern und<br />

in Kellerwohnungen erfroren aufgefunden,<br />

nicht selten brachen die Leute auf der Straße<br />

vor Elend zusammen, bei eintretenden<br />

Krankheiten hatten sie keinen Widerstand<br />

und starben dahin wie die Fliegen“.<br />

Als die Versorgung mit Lebensmitteln<br />

sich im Laufe des <strong>Jahre</strong>s 1946 immer mehr<br />

verschlechterte, gingen auch die Schwestern<br />

des Marienhospitals auf Hamsterfahrt.<br />

Hierzu heißt es in der Hauschronik: „Da es<br />

diesen Sommer und im Herbst so wenig Gemüse<br />

... gab ... , sahen wir uns genötigt uns<br />

anderweitig zu bemühen. Mit den nötigen<br />

Erlaubnis- und Bezugsscheinen versehen,<br />

zogen nun mehrere Schwestern ... nach<br />

allen vier Windrichtungen aus, um etwas<br />

zu erbeuten ... . Oft gelang es etwas zu<br />

erwischen, es gab aber auch Mißerfolge und<br />

Enttäuschungen, besonders als Schwester<br />

Alana im Vorgebirge, wo ... sie etwas Gemüse<br />

und Obst erhalten hatte, sie von einem<br />

Schutzmann angehalten wurde, der ihr dann<br />

alles abnahm ... . Das zweite Mal hatte sie einen<br />

anderen Heimweg angetreten, trotzdem<br />

stand derselbe Schutzmann vor ihr, wie aus<br />

der Erde geschossen und nahm ihr trotz des<br />

Scheines ... 10 Zentner Stangenbohnen ab,<br />

die wir doch so sehr benötigten. ... Trotzdem<br />

konnten wir den armen Menschen, die hier<br />

um Brot oder Essen baten, noch helfen“.<br />

Die Krankenpflegeschule<br />

Das 1939 „aus politischen Gründen“ ausgesprochene<br />

Verbot, am Marienhospital eine Ausbildungsschule<br />

für Krankenpflege zu betreiben, wurde mit Erlass des<br />

Regierungspräsidenten vom 16. Juli 1945 rückgängig<br />

gemacht. Die Eröffnung der Krankenpflegeschule<br />

konnte jedoch erst erfolgen, nachdem der Vortragssaal,<br />

der als Luftschutzraum ausgebaut worden war,<br />

wieder für seinen früheren Zweck eingerichtet und die<br />

erforderlichen Räume zur Unterbringung der Schülerinnen<br />

geschaffen waren, die bestimmungsgemäß<br />

im Krankenhause wohnen sollten. Im Frühjahr 1946<br />

waren die Voraussetzungen hierzu geschaffen. Am<br />

1. April 1946 konnte die Krankenpflegeschule am<br />

Marienhospital unter der Leitung des Chefarztes Dr.<br />

Franz Kudlek den Unterrichtsbetrieb mit 25 Schülerinnen<br />

wieder aufnehmen.<br />

Schuhverkaufstelle im Tonhallengarten,<br />

Schadowstraße 89, um 1945<br />

Hamsterfahrt ins Düsseldorfer<br />

Umland, um 1949<br />

Marienhospital, Bestimmungen<br />

zur Aufnahme in die<br />

Krankenpflegeschule, 1946<br />

Theresienhospital,<br />

Schwesternschülerinnen, um 1955<br />

139


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, Wiederaufbau, 1947<br />

Marienhospital, Hauptportal, um 1946<br />

Bautätigkeit 1946-1955<br />

Die zweite Hälfte der 1940er <strong>Jahre</strong> und die erste Hälfte der<br />

1950er <strong>Jahre</strong> standen ganz im Zeichen von Ausbesserungsund<br />

Erneuerungsarbeiten. Im <strong>Jahre</strong> 1946 waren die provisorischen<br />

Sicherungsarbeiten soweit<br />

fortgeschritten, dass dem Marienhospital<br />

wieder 400 Betten zur Verfügung<br />

standen, was in etwa der<br />

Kapazität der Vorkriegszeit entsprach.<br />

Außer der Kinderabteilung<br />

waren alle übrigen Abteilungen<br />

(Chirurgie, Innere Krankheiten,<br />

Geburtshilfe und Gynäkologie,<br />

Augen-Krankheiten, Hals-, Nasenund<br />

Ohren‐Krankheiten, Strahleninstitut)<br />

wieder eingerichtet. Das<br />

Haus war dauernd voll belegt; viele<br />

Kranke mussten täglich wegen<br />

fehlender Krankenbetten abgewiesen<br />

werden. Seit den großen<br />

Kriegsbeschädigungen wohnten<br />

und schliefen die Mitarbeiter zum<br />

Teil in überbelegten Keller- und<br />

Nebenräumen. Zur Bereitstellung<br />

von Unterkünften für Ärzte, Pflege-<br />

und Hauspersonal wurde 1946<br />

im Garten und an der Rochusstraße<br />

mit der Errichtung von zwei<br />

Bericht über den Stand der Bauarbeiten am<br />

Marienhospital 27. Mai 1947 (Auszug)<br />

Die Bauarbeiten in den mit 375 Patienten<br />

belegten Räumen, den Operations‐,<br />

Untersuchungs-, Behandlungs-Räumen,<br />

im Laboratorium, in der Hals-, Nasenund<br />

Ohren‐Station, im Isolierhaus, den<br />

Küchen- und Neben-Räumen, der Waschküche,<br />

im Leichen- und Kessel-Haus, im<br />

Stallgebäude, sowie in den Gewächshäusern<br />

sind nahezu zum Abschluss gebracht.<br />

Die während des Krieges errichtete<br />

Luftschutz-Ummauerung um und<br />

im Krankenhaus wurde im verflossenen<br />

Herbst und Winter bis auf kleine Reste<br />

entfernt. Hierbei wurden rund 40000<br />

Stück Ziegelsteine gewonnen. Insgesamt<br />

wurden 8000 Tonnen Schutt transportiert.<br />

…<br />

Der Fortgang der Bauarbeiten ist<br />

zur Zeit nicht befriedigend. Die Ursache<br />

ist in der allgemeinen Wirtschaftslage<br />

begründet. Im Dezember 1946 wurden<br />

die letzten Baustoffbezugsrechte dem<br />

Krankenhaus zur Verfügung gestellt. ...<br />

Trotz all der Widerwärtigkeiten hoffen<br />

wir, dass noch in diesem Jahr vor<br />

Einbruch der Kälte der Nordflügel in Benutzung<br />

genommen werden kann.<br />

Behelfsheimen begonnen. Während im<br />

Gartenbau das Personal untergebracht<br />

werden sollte, sollte der Bau an der Rochusstraße<br />

zunächst an die evakuierten<br />

und vorübergehend im Marienhospital<br />

wohnenden Jesuitenpatres aus der Marienstraße<br />

vermietet werden. Nach dem<br />

Auszug der Jesuiten war das Behelfsheim<br />

zur Unterbringung unverheirateter Assistenzärzte<br />

vorgesehen.<br />

140


Bautätigkeit 1946-1955<br />

Briten zu Besuch<br />

Niederschrift über die Vorstandssitzung<br />

vom 29. Mai 1947 (Auszug)<br />

Der Vorsitzende Karl Fritzen machte alsdann<br />

Mitteilung von dem Besuch des Britischen<br />

Ministers für das englisch besetzte<br />

Gebiet, Lord Frank Pakenham, im Marienhospital<br />

am Freitag, den 9. Mai 1947.<br />

... Zuerst besichtigte der Herr Minister die<br />

Bombenschäden am Hause und besuchte<br />

dann in Begleitung des Chefarztes Dr.<br />

Gustav Pfeffer die im Untergeschoss des<br />

Nordflügels untergebrachten, an Hungerödemen<br />

leidenden, Patienten. ... Herr<br />

Prof. Theodor Hünermann empfing am<br />

Sonntag, den 4. Mai 1947 zwei konservative<br />

britische Abgeordnete, Mr. Sperman<br />

und Mr. Pool, die sich in eingehender und<br />

aufgeschlossener Weise über deutsche Ernährungsfragen,<br />

insbesondere diejenigen<br />

der Krankenhäuser unterrichten wollten.<br />

Im Laufe des <strong>Jahre</strong>s 1948 konnten mehrere<br />

Baumaßnahmen für das Marienhospital<br />

abgeschlossen werden. Der Ostflügel mit<br />

einer Frauenabteilung sowie Hals-Nasen-<br />

Ohren‐ und Augenabteilung im ersten<br />

Stock und einer gynäkologischen- und<br />

Wochenabteilung im zweiten Stock war<br />

fertig gestellt. Die Durchgänge vom Altzum<br />

Neubau waren bis zum dritten Obergeschoss<br />

wieder hergestellt. Das neu zu<br />

errichtende Ärztehaus-Behelfsheim an der<br />

Rochusstraße konnte in Benutzung genommen<br />

werden. Für das Personalhaus im<br />

Garten waren die Ausschachtungsarbeiten<br />

erledigt und die Errichtung der Fundamente<br />

vorbereitet. Ferner waren verschiedene Arbeiten<br />

an der Kapelle ausgeführt worden.<br />

So wurde das Dach gedeckt, die Fenster<br />

eingesetzt und das Gewölbe bearbeitet. Die Veranda an der<br />

hinteren Nordflügelseite wurde hochgezogen.<br />

Am Vigiltag von Pfingsten 1949 (4. Juni) konnte die neu<br />

restaurierte Kapelle durch den Kölner Weihbischof Joseph<br />

Ferche feierlich eingeweiht und wieder dem regelmäßigen<br />

Gottesdienst übergeben werden. In diesem Jahr konnte<br />

auch das Personalhaus fertig gestellt und am 1. Oktober<br />

von den Hausgehilfinnen bezogen werden. Bereits einen<br />

Monat zuvor war das zerstörte Ökonomiegebäude wieder<br />

hergestellt und das Kesselhaus mit einem neuen Schornstein<br />

ausgestattet worden.<br />

Lord Frank Pakenham zu Besuch<br />

im Marienhospital, 9. Mai 1947<br />

Weihbischof Joseph Ferche<br />

(1888-1965), 1961<br />

Britische Militärpolizei,<br />

Königsallee, um 1946<br />

141


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

1950 konnte die gynäkologische Frauenstation<br />

mit Untersuchungs‐, Operations‐ und<br />

Entbindungsraum und einem Saal für Neugeborene<br />

nach vollständiger Renovierung<br />

wieder in Benutzung genommen werden.<br />

Im Kesselhaus wurden die Wasserrückführungsanlage<br />

und die „total verkalkten“<br />

Rohrleitungen unter der Operationsabteilung<br />

erneuert. Die Wiederherstellung der<br />

zerstörten Veranden gegenüber dem Kesselhaus<br />

wurde durch das Einziehen neuer<br />

Stahlbetondecken, Einbau von Türen und<br />

Fenstern sowie Roll-Läden realisiert. In der<br />

Röntgenabteilung wurde eine schadhafte<br />

Entwickleranlage für Röntgenfilme erneuert.<br />

Gegen Ende des <strong>Jahre</strong>s wurden dem<br />

Bauamt die Entwürfe für den Aufbau des<br />

dritten Obergeschosses und des Dachgeschosses<br />

über dem Kapellenflügel, die die<br />

lang vermisste Kinderstation aufnehmen<br />

sollten, zur Prüfung vorgelegt. Nach Eintritt<br />

einer frostfreien Wetterlage wurde<br />

Mitte Januar 1951 im Westflügel mit der<br />

Ausführung des ersten Bauabschnittes für<br />

die Kinderstation begonnen. Am 15. November<br />

1951 konnten die 70 Betten der<br />

Station, die „im neuzeitlichen Stil mit allen<br />

Einrichtungen ausgestattet war, die zur besseren<br />

Gesundung der Kinder führen“, ihrer<br />

Bestimmung übergeben werden. Weiter<br />

heißt es zum Stand des Wiederaufbaus im<br />

<strong>Jahre</strong>sbericht 1952: „Für die Chirurgische<br />

Abteilung wurde die frühere Kinder-Station<br />

im Erdgeschoß als sogenannte ‚Wachstation’<br />

für Schweroperierte, die dauernder<br />

Überwachung bedürfen, neu eingerichtet.<br />

Sie liegt in unmittelbarer Nähe der Operationssäle.<br />

Die Unfallstation, die bisher in dem<br />

2. Stockwerk untergebracht war, wurde<br />

in das Unterhaus des Ostflügels verlegt“.<br />

Marienhospital, Situationsplan, 1949<br />

142


Bautätigkeit 1946-1955<br />

Obwohl das Marienhospital alle finanziellen<br />

Mittel ausschöpfte, um den Fortgang des<br />

Wiederaufbaues zu beschleunigen, blieb<br />

der erreichte Baufortschritt weit hinter den<br />

Bedarfen zurück. Im <strong>Jahre</strong>sbericht 1951<br />

stellt der Vorstand resignierend fest: „Der<br />

Bettenmangel bei den einzelnen Stationen<br />

des Hauses ist nach wie vor groß. Noch<br />

immer müssen schwerverletzte oder schwer<br />

kranke Aufnahmesuchende abgewiesen<br />

werden“. Neben dem allgemeinen Mangel<br />

an Krankenhausbetten in Düsseldorf führte<br />

der Vorstand die unbefriedigende Situation<br />

auf spezifische Besonderheiten der Pempelforter<br />

Anstalt zurück: „Das Marienhospital<br />

liegt in dem bevölkertsten Stadtteil von<br />

Düsseldorf mit zahlreichen Industrien und<br />

gewerblichen Betrieben, vielen Baustellen,<br />

großen Eisenbahnanlagen usw.. Der Anfall<br />

von Kranken ist daher sehr groß, nicht zuletzt<br />

auch deshalb, weil sich unsere Schwestern<br />

einer besonderen Beliebtheit in diesem Stadtbezirk<br />

Düsseldorfs erfreuen“.<br />

Nach der Fertigstellung des Westflügels<br />

geriet die Wiederherstellung der noch zerstörten<br />

Teile des Marienhospitals ins Stocken,<br />

da der Vorstand in Bauangelegenheiten sich<br />

nicht mehr auf ein gemeinsames Vorgehen<br />

verständigen konnte. In der Vorstandssitzung<br />

vom 27. Dezember 1951 kam der Richtungsstreit<br />

erstmals offen zum Ausbruch. Während<br />

einige Vorstandsmitglieder die sofortige Instandsetzung<br />

des Ost‐ und Mittelflügels forderten,<br />

was „eine überaus wertvolle Vermehrung<br />

der Bettenzahl um 115 Kranken- und<br />

mindestens 111 Personalbetten und damit<br />

eine erhebliche Verbesserung der Einnahmemöglichkeiten<br />

mit sich bringen würde“,<br />

wollten andere Mitglieder lieber den „zahlreichen<br />

und berechtigten Wünschen der<br />

Ärzte und Schwestern zur Modernisierung<br />

und Verbesserung bestehender Stationen,<br />

Liquidität<br />

Die zahlreichen Baumaßnahmen blieben nicht<br />

ohne Auswirkung auf die Bilanzen des Marienhospitals.<br />

Im Rechnungsabschluss für das Jahr 1951<br />

wird dies ausdrücklich vermerkt, doch werden für<br />

das Defizit auch andere Kostentreiber benannt:<br />

„Die finanzielle Lage des Hauses hat sich ...<br />

verschlechtert, eine Tatsache, die zwar bedauerlich<br />

ist, mit der unser Haus aber nicht allein steht.<br />

Die finanzielle Anspannung, um nicht zu sagen<br />

Verschuldung, hat bei den freien und gemeinnützigen<br />

Krankenhäusern mehr und mehr zugenommen.<br />

Der Wiederaufbau der Kriegszerstörungen<br />

konnte zum großen Teil nur mit Krediten und<br />

den entsprechenden Zinslasten durchgeführt<br />

werden. ...<br />

Auch durch das Pflege‐ und sonstige Personal<br />

des Hauses geht der Drang nach Erhöhung der<br />

Löhne und Gehälter, der bei der starken dienstlichen<br />

Beanspruchung vielfach berechtigt ist. Durch<br />

die Überbeanspruchung werden insbesondere<br />

auch die Ordensschwestern betroffen, die immer<br />

noch unter einem Mangel an Nachwuchs leiden,<br />

dem vorerst nur durch einen vermehrten Einsatz<br />

von freien Schwestern abgeholfen werden kann.<br />

Die Lage der freien Krankenhäuser in dem<br />

Zwiespalt zwischen der freien Marktwirtschaft,<br />

den Lohn- und Gehaltssteigerungen einerseits<br />

und der staatlichen Lenkung der Pflegesätze andererseits<br />

ist im hohen Maße kritisch geworden.<br />

Die staatlichen und kommunalen Krankenanstalten<br />

können ihre Betriebe durch Zuschüsse der<br />

öffentlichen Hand aufrechterhalten. Diese sollten<br />

auch den freien und gemeinnützigen Krankenhäusern<br />

gegeben werden, um sie lebensfähig<br />

zu erhalten, um so mehr als sie, wie u.a. auch in<br />

Düsseldorf, stets voll- und überbelegt sind und<br />

dadurch die Gemeinden von der Verpflichtung<br />

entlasten, übergroße und oft unwirtschaftliche<br />

Krankenanstalten zu errichten“.<br />

Marienhospital, Situationsplan, 1952<br />

Berliner Allee/Graf-Adolf-Straße, 1955<br />

143


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Flughafen Düsseldorf, um 1950<br />

Messe Düsseldorf, um 1955<br />

Dreischeibenhochhaus, um 1958<br />

von Kranken-, Personal-, Wirtschafts- und Betriebsräumen“<br />

entsprechen, was allerdings die<br />

Finanzmisere nicht verbessert hätte, „so sehr<br />

erwünscht die Modernisierungsarbeiten auch<br />

sein mögen“. Nach „einer lebhaften Debatte“<br />

wurde eine Baukommission gebildet, bestehend<br />

aus dem leitenden Arzt Dr. Gustav Pfeffer,<br />

Baurat Peter Dierichsweiler, Architekt Wilhelm<br />

Dicken, dem Vorstandsvorsitzenden Karl Fritzen<br />

und der Oberin Sw. Walburga.<br />

In der Vorstandssitzung des <strong>Jahre</strong>s 1952<br />

stand die Frage im Mittelpunkt, ob die weitere<br />

bauliche Rekonstruktion des Marienhospitals<br />

durch eine Gesamtsanierung mit Neuverschuldung<br />

oder in mehreren Teilabschnitten ohne<br />

Geldanleihen erfolgen sollte. Im Vorstandsprotokoll<br />

vom 27. Juni 1952 heißt es über den<br />

Verlauf der Kontroverse: „Die Erörterungen<br />

über diesen Punkt begannen mit der Grundfrage<br />

‚Aufbau und Zinsenaufbringung oder<br />

Verbesserungen im Inneren des Hauses?’ Der<br />

Vorsitzende Karl Fritzen befürwortete die Schaffung<br />

neuer Krankenbetten auf dem Wege des<br />

Wiederaufbaues der noch zerstörten Teile des<br />

Hauses. Die Nachfrage nach Betten sei weiter<br />

groß und würde auch groß bleiben, sowohl<br />

durch den steigenden Anfall von Verletzten<br />

aus dem Verkehr und den Betrieben in der<br />

Einflußzone des Marienhospitals, wie Eisenbahn,<br />

Industrieanlagen und Neubauten, als<br />

auch durch den ständigen und großen Bevölkerungszuwachs<br />

in Düsseldorf. ... Es entspann<br />

sich eine lebhafte Debatte über den Fortgang<br />

des Wiederaufbaues der noch zerstörten Teile<br />

unseres Hauses und die Frage ob man zunächst<br />

nur den 4. und 5. Bauabschnitt, der 41 Betten<br />

bringen würde, oder auch die übrigen zerstörten<br />

Teile (die Bauabschnitte 3, 6, 7 und 8) in<br />

Angriff nehmen solle, eine große Aufgabe,<br />

deren Lösung vorläufig durch die Beschaffung<br />

des erforderlichen Kapitals erschwert wird“.<br />

Mitten in der Diskussion über die Leitlinien der<br />

Instandsetzung des zerstörten Marienhospitals<br />

überraschte Peter Dierichsweiler den<br />

Vorstand in der Sitzung vom 6. Juli 1953<br />

mit einer Feststellung, die das gesamte Wiederaufbauprogramm<br />

in Frage stellte. „Herr<br />

Baurat Dierichsweiler hält es für fehlerhaft“,<br />

so das Protokoll, „das Marienhospital in der<br />

alten Gestaltung wieder aufzubauen. Es<br />

müsse einmal klar herausgestellt werden,<br />

daß das Haus von Anbeginn an insofern<br />

unrichtig gebaut sei, als auf der Südseite<br />

des Hauses Wirtschafts- und Versorgungsräume,<br />

wie Kesselhaus, Schornstein, Küche,<br />

Wäscherei usw. untergebracht sind, während<br />

die Krankenräume auf der Nordseite<br />

liegen. Vom hygienischen Standpunkt aus<br />

gesehen, müsse es genau umgekehrt sein“.<br />

Peter Dierichsweiler legte den überraschten<br />

Vorstandsmitgliedern eine Entwurfsskizze<br />

vor, „aus der zu ersehen war, daß es sich<br />

um eine gänzliche Umschichtung großer<br />

Bauteile mit erheblichen Neubauten handelte“,<br />

deren Kosten er auf ein Investitionsvolumen<br />

von 10 Millionen DM schätzte. Zu<br />

den Ausführungen des Baurates bemerkte<br />

der Vorstandsvorsitzende Karl Fritzen,<br />

„daß diese Umgestaltung weniger eine<br />

Architekten-Angelegenheit sei, sondern eine<br />

hygienische Notwendigkeit bedeute, der in<br />

allen modernen Krankenhäusern Rechnung<br />

getragen würde. Die größte Schwierigkeit sei<br />

aber die Finanzierung eines solchen Projekts<br />

und es lasse sich heute noch in keiner Weise<br />

übersehen, ob es jemals möglich sein werde,<br />

derartige Summen für ein privates Krankenhaus<br />

aufzubringen und vor allem auch zu<br />

verzinsen und zu tilgen“.<br />

Im Vorstand herrschte Einigkeit darüber,<br />

„daß dieser große Umbau ein Problem<br />

der Zukunft sei“. An eine baldige Ausführung<br />

war damals nicht zu denken, doch<br />

wollte man Sorge dafür tragen, „daß alle<br />

144


Bautätigkeit 1946-1955<br />

Wiederaufbauplanungen den Generalplan<br />

nicht behindern dürfen, vielmehr sich ihm<br />

zweckmäßig einzufügen hätten“. Es wurde<br />

ein Bauausschuss zur Erstellung eines Generalaufbauplans<br />

gebildet, der die Gedankenanstöße<br />

von Peter Dierichsweiler aufgreifen<br />

und weiter konkretisieren sollte.<br />

Bereits einen Monat später trat der Bauausschuss<br />

am 13. August 1953 zusammen<br />

und stellte fest, „daß auf dem bisher eingeschlagenen<br />

Weg des Wiederaufbaus nach<br />

den von Herrn Architekt Wilhelm Dicken<br />

bearbeiteten Plänen, d.h. mehr oder weniger<br />

Restauration des früheren Zustandes, nicht<br />

fortgefahren werden kann. Die in den letzten<br />

Jahrzehnten ausgeführten An- und Umbauten<br />

sind wohl nach dem Billigkeitsprinzip<br />

entstanden, haben aber zu einer baulichen<br />

Verfilzung und Unklarheit des Grundrisses<br />

und der Organisation geführt. Daher sind<br />

die nach den heutigen Gesichtspunkten an<br />

ein Haus von der Wichtigkeit des Marienhospitals<br />

zu stellenden Forderungen in keiner<br />

Weise erfüllt“. Der Ausschuss appellierte,<br />

„die jetzt zur Verfügung stehenden Mittel so<br />

zu verwenden, daß einem späteren Ausbau<br />

nach heutigen Forderungen keine Fesseln<br />

angelegt werden“. Um in keine Sackgasse<br />

zu geraten, wurde auf eine Wiederherstellung<br />

der südlichen Anbauten mit Blick auf<br />

einen in der Planung vorgesehenen Abbruch<br />

dieser Bauteile verzichtet. Vielmehr wurde<br />

versucht, mit den zur Verfügung stehenden<br />

Mitteln den Mitteltrakt und nordöstlichen<br />

Seitenflügel im vollem Kubus auszubauen,<br />

die nach dem Generalaufbauplan erhalten<br />

bleiben sollten.<br />

Der Plan eines vollständigen Neubaus<br />

und Abbruch des alten Hauses hatte mit<br />

dem Einwurf von Peter Dierichsweiler 1953<br />

erstmals konkrete Formen angenommen,<br />

doch war klar, dass aus finanziellen Gründen<br />

Referat Baurat Peter Dierichsweiler vom 30. November 1955 (Auszug)<br />

Der hier vorliegende Plan stellt zunächst<br />

eine private Überlegung dar und bedarf<br />

noch größerer Mitarbeit von Verwaltung und<br />

Ärzteschaft, um die heutigen Forderungen an<br />

ein modernes Haus zu erfüllen.<br />

Der Plan geht davon aus, vorerst alle im<br />

Laufe der Jahrzehnte eingefilzten und unzweckmäßigen<br />

Bauteile zu entfernen und den<br />

Krankenzimmern Luft und Sonne zukommen<br />

zu lassen. Dieses führt zunächst zum Abbruch<br />

und zur Verlegung des Schwesterntraktes<br />

mit darunter liegender Hauptküche, sowie<br />

Entfernung der jetzigen Heizzentrale und<br />

Nebenbauten.<br />

Diese Bauteile müssen an anderer Stelle<br />

zweckmäßiger untergebracht werden. Im<br />

Endausbau bei der gewünschten Kapazität<br />

von ca. 600 Krankenbetten wäre ein neues<br />

Bettenhaus in acht bis zehn Geschossen zu<br />

die Umsetzung des Vorhabens<br />

zunächst ein Fernziel bleiben<br />

musste.<br />

Ungeachtet der Tatsache,<br />

dass der Vorstand und Verwaltungsrat<br />

sich zu den Plänen und<br />

Vorschlägen eines Neubaues<br />

bekannt hatten, wurden im<br />

Marienhospital in den folgenden<br />

<strong>Jahre</strong>n „so nebenher“<br />

zahlreiche „kleinere und mittlere<br />

bauliche Verbesserungen“<br />

vorgenommen, um die Nachfrage<br />

nach Krankenbetten zu<br />

befriedigen. Mitte der 1950er<br />

<strong>Jahre</strong> konnte der Wiederaufbau<br />

des dritten Stockwerkes<br />

und des Dachgeschosses am<br />

kriegszerstörten Ostflügel<br />

errichten, dazu ein dreigeschossiges Behandlungsgebäude<br />

für Bäder, Röntgen- und Operationsabteilung.<br />

Eine zentrale Verteilungshalle,<br />

von der alle Stationen übersichtlich zu<br />

erreichen sind, wäre im Verbindungstrakt<br />

an Stelle der jetzigen Operationsabteilung<br />

richtig gelegen.<br />

Der Haupteingang kann an der Sternstraße<br />

bleiben, muss aber eine übersichtliche<br />

Einfahrt erhalten. Der Hautpeingang ist völlig<br />

umzugestalten, da der heutige Zustand untragbar<br />

ist. Nichtgehfähige Kranke und Verletzte<br />

werden angesichts der Patienten und<br />

Besucher ausgeladen. Alle Besucher müssen<br />

eine in Wind und Regen liegende Treppe<br />

passieren. Dieses ist nur durch Errichtung<br />

einer Halle mit Treppe und Aufzugsanlage zu<br />

lösen, wobei die Krankenwagen ungesehen<br />

unterfahren können.<br />

Marienhospital, Gebäudealter, um 1965<br />

145


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Niederschrift der Vorstandssitzung 31. Oktober 1956 (Auszug)<br />

Das Marienhospital aus der Sicht des Arztes und die Problematik des gemeinnützigen Krankenhauses (Referat des Herrn leitenden Arztes,<br />

Chefarzt Dr. Heinrich Bross)<br />

Herr Chefarzt Dr. Heinrich Bross schildert die immer<br />

noch schwierige Lage des konfessionellen Krankenhauses.<br />

Während die städtischen Anstalten viele<br />

Millionen Zuschüsse alljährlich erhalten, müssen<br />

die caritativen Häuser mit den Erträgen aus den<br />

Pflegesätzen auskommen. Die Lage wird allmählich<br />

unerträglich. Der angestaute Nachholbedarf kann<br />

nicht befriedigt und mit dem technischen Fortschritt<br />

nicht Schritt gehalten werden. Es besteht damit die<br />

Gefahr, auf einer zurückgebliebenen Entwicklungsstufe<br />

stehenzubleiben. Auch in unserem Hause<br />

ergeben sich noch viele Überholungsarbeiten. ...<br />

Die Stadt plant an der Peripherie mehrere Krankenhäuser<br />

zu errichten, die in ihrer Ausstattung<br />

dem neuesten Stand angepasst sind. Wir werden<br />

alles tun müssen, um uns durchzusetzen und die<br />

Gefahr der Abwanderung zu bannen.<br />

Bettenaufteilung<br />

Stand 1. Klasse 2. Klasse 3. Klasse Gesamt<br />

1939 24 23 366 413<br />

1953 13 60 424 497<br />

1955 12 64 472 548<br />

1956 12 77 472 561<br />

1959 12 80 527 619<br />

Dr. Heinrich Bross, Chefarzt<br />

der Chirurgischen Abteilung<br />

(1951-1979), um 1970<br />

Düsseldorfer Nachrichten,<br />

25. November 1955<br />

„nach Überwindung zahlloser Schwierigkeiten“<br />

abgeschlossen werden. In den<br />

wiederhergestellten Räumlichkeiten fand<br />

am 1. Dezember 1955 die Frauen- und geburtshilfliche<br />

Abteilung eine neue Bleibe.<br />

Zur gleichen Zeit stellte sich heraus, dass<br />

das erste und zweite Obergeschoss des<br />

Marienhospitals vom Hausschwamm befallen<br />

war. Es mussten umfangreiche und<br />

kostspielige Erneuerungsarbeiten durch<br />

den Einzug neuer Decken vorgenommen<br />

werden, um in diesen Etagen den Befall<br />

zu beseitigen. Die Röntgenapparaturen,<br />

die Fernsprechanlage und ein Teil der<br />

Aufzüge waren so veraltet und abgenutzt,<br />

dass keine Ersatzteile mehr zu beschaffen<br />

waren und Reparaturarbeiten sich nicht<br />

mehr lohnten. Sie mussten vollständig<br />

erneuert werden. Vergeblich versuchte<br />

man, auch die marode Heizung wieder<br />

in Gang zu bringen, was schließlich 1956<br />

die Installierung einer neuen Anlage erforderlich<br />

machte. Die neue Heizung wurde<br />

allerdings so erstellt, dass der neue Kessel<br />

wie auch der neue Tank für 50000 Liter<br />

Öl beim projektierten Neubau weiterverwendet<br />

werden konnten.<br />

146


Die Aufgabe des Hauses<br />

ist uns schmerzlich ...<br />

Schwesternwohnheim<br />

Bis Ende der 1950er <strong>Jahre</strong> waren die<br />

Hausangestellten, die im Marienhospital<br />

wohnten, im Dachgeschoss des Ostflügels<br />

untergebracht, wo 26 Zimmer mit 55 Personalbetten<br />

zur Verfügung standen. Da einerseits<br />

der Bedarf an Mitarbeiterunterkünften<br />

wesentlich höher war, andererseits die vorhandenen<br />

Plätze wertvollen Raum für neue<br />

Krankenzimmer blockierten, hatte sich<br />

der Vorstand des Marienhospitals schon<br />

1955 für den Neubau eines Schwesternwohnhauses<br />

ausgesprochen. Vorgesehen<br />

war ein siebenstöckiges Gebäude, das auf<br />

sechs Etagen verteilt 70 Einzelzimmer für<br />

freie Schwestern und 16 Dreibettzimmer<br />

für Schwesternschülerinnen erhalten sollte.<br />

Für das Untergeschoss war ein großer und<br />

kleiner Tagesraum mit Radio und Fernsehen,<br />

Gästezimmer sowie ein Näh- und<br />

Flickraum geplant. Der Entwurf, der auf<br />

dem Eckgrundstück Stockkampstraße/<br />

Prinz-Georg-Straße ausgeführt werden<br />

sollte, berücksichtigte „selbstverständlich<br />

alle heutigen Forderungen bezüglich Installation<br />

und Schallschutz“. Die Errichtung<br />

eines siebengeschossigen Gebäudes war<br />

dem Wunsch geschuldet, „die Grundfläche<br />

nur sparsam zu bebauen“.<br />

Nach der feierlichen Grundsteinlegung<br />

am 19. Juni 1957 konnte das neue Schwesternwohnheim<br />

an der Prinz-Georg-Straße<br />

57 knapp ein Jahr später seiner Bestimmung<br />

übergeben werden. Am 21. August<br />

1958 wurde der Neubau von Stadtdechant<br />

Ernst Kreuzberg feierlich gesegnet und von<br />

120 Schwestern bezogen.<br />

Die Aufgabe des Hauses ist uns<br />

schmerzlich ...<br />

Im Sommer 1960 gab der Vorstand des Marienhospitals bekannt,<br />

dass die Ordensgemeinschaft der Armen Schwestern<br />

vom Hl. Franziskus sich gezwungen sah, ihren Vertrag mit der<br />

Krankenpflegeeinrichtung zu kündigen. „Was seit längerer<br />

Zeit Gegenstand von Verhandlungen gewesen ist“, so die<br />

Pressemitteilung, „hat sich in diesen<br />

Tagen entschieden. Die ehrwürdigen<br />

Schwestern im Marienhospital<br />

Düsseldorf aus der Genossenschaft<br />

der Armen Schwestern vom heiligen<br />

Franziskus, Mutterhaus Aachen, verlassen<br />

im Laufe des nächsten <strong>Jahre</strong>s<br />

das Marienhospital, ... . Viele Kräfte<br />

sind am Werk, eine einigermaßen<br />

ansprechende Lösung zu finden, aber<br />

diese ist äußerst schwierig“.<br />

In der Tat waren alle Verantwortlichen<br />

gezwungen, sich seit längerer<br />

Zeit mit der Frage des Abzugs der<br />

Aachener Ordensschwestern und den<br />

Schwesternwohnheim,<br />

Prinz-Georg-Straße 57, um 1970<br />

Schwesternwohnheim, Grundsteinlegungsurkunde,<br />

19. Juni 1957<br />

Rochusstraße 4, Heim für ledige Ärzte,<br />

1958 errichtet, heute Verwaltungsgebäude<br />

147


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Franziskanerinnen in Düsseldorf,<br />

um 1955<br />

sich daraus ergebenden Konsequenzen auseinanderzusetzen.<br />

Die grundsätzliche Entscheidung, die Schervier-Schwestern<br />

aus Pempelfort abzuziehen, war bereits zwei <strong>Jahre</strong> zuvor<br />

gefallen. Auf der Tagung der Höheren Oberen, die im Februar<br />

1958 in Köln stattgefunden hatte, war die Führungsspitze der<br />

Genossenschaft zu der Einsicht gelangt, „daß wir nicht alle<br />

Niederlassungen halten können, wenn nicht die Schwestern<br />

Schaden leiden sollen“. In Düsseldorf waren die Franziskanerinnen<br />

Ende der 1950er <strong>Jahre</strong> außer im Marienhospital noch<br />

im Marienkrankenhaus (Kaiserswerth) und Annastift (Altstadt)<br />

in der Kranken‐ und Altenfürsorge tätig. Nach „reiflicher“<br />

Abwägung fällte der Konvent der Ordensoberen den Entschluss,<br />

in Düsseldorf das Marienhospital „aufzugeben“. Zur<br />

Begründung hieß es: „Das Haus wird laufend erweitert. Den<br />

fortgesetzt wachsenden Aufgaben und Belastungen entsprechend,<br />

können wir nicht nur den Schwesternbestand nicht<br />

vermehren, sondern die Einsatzfähigkeit der dort arbeitenden<br />

Schwestern nimmt stetig ab wegen Überbelastung“. Von den<br />

45 Schwestern, die 1958 im Marienhospital zusammen mit<br />

350 weltlichen Kräften rund 600 Krankenbetten zu versorgen<br />

hatten, waren eine Schwester 20 <strong>Jahre</strong>, 13 Schwestern über<br />

30 <strong>Jahre</strong>, 15 Schwestern über 50 <strong>Jahre</strong>, 7 Schwestern über<br />

60 <strong>Jahre</strong> und 9 Schwestern über 70 <strong>Jahre</strong> alt.<br />

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg war die Niederlassung<br />

der Franziskanerinnen im Marienhospital überaltert. Fast in<br />

jedem Jahr klagte der Vorstand, dass nicht alle in Pempelfort<br />

eingesetzten Ordensschwestern für die Krankenpflege ausreichend<br />

qualifiziert und den Belastungen der Alltagsarbeit<br />

gewachsen waren. Angesichts des seit Beginn der 1950er<br />

<strong>Jahre</strong> zu verzeichnenden Rückgangs an Frauen und Männern,<br />

die sich für ein Leben in einer klösterlichen Gemeinschaft<br />

entschieden, konnte die Absicht der Leitung<br />

der Franziskanerinnen keine große<br />

Überraschung sein. Gleichwohl wollte der<br />

Vorstand des Marienhospitals, nachdem er<br />

im Juni 1958 von der Aachener Provinzialoberin<br />

über die geplante Auflösung der<br />

Pempelforter Niederlassung unterrichtet<br />

worden war, die Entscheidung nicht akzeptieren.<br />

In mehreren schriftlichen Eingaben<br />

und persönlichen Gesprächen drängte der<br />

Vorstand die Ordensleitung, die Schwestern<br />

am Marienhospital zu belassen. Zwar<br />

mangelte es nicht an der Bereitschaft zu<br />

Kompromissen, doch wurde die Suche nach<br />

neuen Lösungen schnell von der Realität<br />

eingeholt. Am 7. März 1959 teilte Sw.<br />

Edigna, Provinzialoberin in Aachen, dem<br />

Kölner Generalvikariat mit, dass man eher<br />

als geplant die Schwestern aus dem Marienhospital<br />

zurückziehen müsse. „Die Lage<br />

des Hauses“, so die Provinzialoberin, „hat<br />

sich inzwischen weiterhin verschlechtert<br />

insofern, als wir ausgeschiedene Schwestern<br />

nicht ersetzen konnten und zum Teil<br />

wiederum einige aus gesundheitlichen<br />

Gründen dringend um Abberufung bitten.<br />

Wir dürfen der Kommunität Belastungen<br />

in dem bisherigen Maße nicht mehr auferlegen,<br />

und so sehen wir uns vor die<br />

unabwendbare Notwendigkeit gestellt, die<br />

Tätigkeit im Marienhospital aufzugeben. ...<br />

Wir bitten das Hochwürdigste Erzbischöfliche<br />

Generalvikariat, jetzt die Kündigung<br />

einreichen und die Schwestern ... zurückziehen<br />

zu dürfen“. Entsprechend dem<br />

Gestellungsvertrag mit dem Marienhospital<br />

sollte die Kündigung zum 1. Januar 1960<br />

erfolgen, „doch haben wir ... angeboten,<br />

unter Umständen dann doch noch ein halbes<br />

Jahr zu bleiben, um die Überbrückung<br />

zu erleichtern“.<br />

148


Die Aufgabe des Hauses<br />

ist uns schmerzlich ...<br />

Was der Abzug der Aachener Schwestern<br />

für die Stadt Düsseldorf und das Erzbistum<br />

Köln bedeutete, vermag man daran abzulesen,<br />

dass sich Kardinal Joseph Frings<br />

mehrfach persönlich in das Verfahren<br />

einschaltete. Am 7. Juni 1959 teilte er<br />

der Generaloberin in einem eigenhändig<br />

aufgesetzten Brief mit, dass es ihm<br />

„ungeheuer schwer fällt“, die Kündigung<br />

anzunehmen. „Gerade habe ich mich bei<br />

einer Visitation von neuem überzeugt“,<br />

so der Kölner Metropolit weiter, „wie sehr<br />

das Marienhospital mit seinen Schwestern<br />

in den Herzen der Düsseldorfer verankert<br />

ist und welchen ungeheuren Wert es für<br />

den katholischen Geist in der Stadt und für<br />

die Rettung unzähliger Seelen darstellt. ...<br />

Daher bitte ich Sie, noch einmal mit Ihrem<br />

Rat zu überlegen, ob es Ihnen nicht möglich<br />

ist, die Beibehaltung des Hauses von<br />

Herzen zu bejahen, das Haus auch weiter<br />

mit guten Schwestern zu versehen ... . Auf<br />

keinen Fall kann ich meine Zustimmung<br />

geben, daß Sie Ende Juni die Kündigung<br />

aussprechen“.<br />

Zwar versicherte die Ordensleitung<br />

wiederholt, dass die Weiterbesetzung des<br />

Marienhospitals wegen seiner Größe „eine<br />

Unmöglichkeit“ sei und es auch nicht damit<br />

getan sei, ein anderes Haus aufzugeben.<br />

„Denn in allen Niederlassungen sind so<br />

viele ältere und alte Schwestern, die für<br />

den Einsatz im Marienhospital garnicht<br />

in Frage kommen können“. Dass dem<br />

Entschluss, von Düsseldorf wegzugehen,<br />

„reifliche und wohlwollende Überlegungen<br />

vorausgegangen“ waren, bezweifelten<br />

sowohl der Düsseldorfer Vorstand wie<br />

auch das Kölner Generalvikariat. Am 30.<br />

April 1960 schrieb Kardinal Joseph Frings<br />

der Generaloberin zum bevorstehenden<br />

Rückzug der Schwestern: „Ich bin darüber<br />

bestürzt und kann mir für die Seelsorge der Stadt Düsseldorf<br />

schlecht einen schwereren Schlag vorstellen. Wieviel katholischer<br />

Geist ist von diesem Hause aus in die liberale Stadt<br />

Düsseldorf ausgestrahlt! Wieviele unsterbliche Seelen sind<br />

durch das stille Wirken der Schwestern für das ewige Heil<br />

gerettet worden! Wenn die Schwestern gehen, wird – so hat<br />

man berechnet – auf die Dauer ein jährliches Defizit von 2<br />

Millionen DM entstehen. Um das zu tragen, wird die Hilfe der<br />

Stadt angerufen werden müssen und auf lange Sicht gesehen,<br />

wird das Haus unter Mitbestimmung der Stadt kommen. Es<br />

wird dann wohl noch ein katholischer Seelsorger bleiben,<br />

aber die Atmosphäre des Hauses wird ‚weltlich’ sein! Ich<br />

bitte Sie daher flehentlich, noch einmal die Entschlüsse zu<br />

überprüfen. ... Ich weiß, daß ich mich durch diesen Kniefall<br />

verdemütige, aber ich tue es gern, wenn ich dadurch etwas<br />

retten kann. Ihre Gründe sind schwerwiegend, aber ist nicht<br />

durch Heranziehung von noch mehr weltlichen Kräften oder<br />

auf andere Weise doch noch ein Verbleiben der Schwestern<br />

im Hause möglich?“.<br />

Schreiben von Kardinal Joseph Frings<br />

an Generaloberin Alexiana, 7. Juni 1959<br />

Kardinal Joseph Frings, um 1955<br />

149


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Rheinische Post, 1. Juli 1960<br />

Marienhospital,<br />

Caritasschwestern, 1963<br />

Obwohl der Kölner Erzbischof die Franziskanerinnen massiv<br />

unter Druck setzte, war die Auflösung der Pempelforter<br />

Niederlassung nicht mehr abzuwenden. Am 5. Mai 1960<br />

drückte Generaloberin Sw. Alexiana dem Kardinal gegenüber<br />

ihre Betroffenheit aus, ließ aber keinen Zweifel, dass es keine<br />

anderen Optionen für den Orden gab: „Der Brief Euerer Eminenz<br />

hat mich bestürzt, ja er hat mich tief erschüttert, und<br />

nur mit Kummer gebe ich die Antwort zu Papier. ... Was mich<br />

schmerzt ist, daß gerade durch uns, Ihre Franziskanerinnen,<br />

Ihnen Leid bereitet wird. Was würde ich darum geben, wenn<br />

wir nicht so zu tun brauchten, Hochwürdigster Herr Kardinal.<br />

Aber es liegt ja schon nicht mehr in unserer Macht; die Verhältnisse<br />

des großen Düsseldorfer Hauses sind längst über<br />

unsere Kräfte hinausgewachsen. ... Nicht nur mir, nein ich darf<br />

sagen uns allen blutet das Herz ob dieser Tatsache“.<br />

Eine Woche später lenkte der Kölner Erzbischof<br />

in der Sache ein und entsprach dem Gesuch der<br />

Ordenskongregation. Am 14. Mai 1960 teilte er der<br />

Generaloberin mit: „Wenn mich auch Ihr<br />

Schreiben vom 5. Mai, wie Sie sich denken<br />

können, traurig stimmt, so kann ich doch<br />

nicht umhin, den Ernst Ihrer Situation und<br />

das Gewicht Ihrer Beweggründe anzuerkennen.<br />

Ich erteile Ihnen hiermit die Erlaubnis<br />

... den Vertrag mit dem Kuratorium des<br />

Marienhospitals in Düsseldorf zu kündigen,<br />

verbinde aber damit zwei herzliche Bitten,<br />

die ich zugleich zu Auflagen mache: 1.)<br />

In der Kündigung wollen Sie bitte dem<br />

Kuratorium mitteilen, dass Sie bereit seien,<br />

bis zum 30. Juni 1961 das Krankenhaus zu<br />

betreuen. Eine so lange Zeit ist erfahrungsgemäß<br />

notwendig, um die Umstellung zu<br />

vollziehen. 2.) Sie wollen bitte bis zum 30.<br />

Juni 1961 keine weiteren Schwestern aus<br />

dem Krankenhaus abziehen“.<br />

Genau ein Jahr vor dem Abzug wurde<br />

die Düsseldorfer Öffentlichkeit über die Absichten<br />

des Ordens unterrichtet. Das Bedauern<br />

über den Fortgang der Schwestern wie<br />

auch das Anerkennen ihrer aufopfernden<br />

Fürsorge in neun Jahrzehnten ging weit<br />

über den Kreis der Katholiken in der Stadt<br />

hinaus. Gleichzeitig richteten sich die Blicke<br />

auf die Zukunft des Krankenhauses. So<br />

schrieb die Rheinische Post am 1. Juli 1960:<br />

„Die Zeiten sind längst vorbei, in denen die<br />

konfessionellen Krankenhäuser nur von<br />

Angehörigen des gleichen Bekenntnisses<br />

belegt waren. Nicht nur die hervorragenden<br />

ärztlichen Kräfte, die von Anfang an den<br />

Ruf des Marienhospitals begründeten, auch<br />

die Fürsorge der opferwilligen Schwestern<br />

vom heiligen Franziskus hat das Haus berühmt<br />

gemacht. Ihr Scheiden, das wohl auf<br />

den Nachwuchsmangel zurückzuführen<br />

ist, der dem Orden die Betreuung eines so<br />

großen Hauses nicht mehr erlaubt, stellt<br />

für das mit städtischen Unterstützungen so<br />

kärglich bedachte Krankenhaus ein ernstes<br />

<strong>150</strong>


Endemie<br />

Problem dar. Doch besteht berechtigte<br />

Aussicht, einen Ausweg zu finden“.<br />

In der Tat fand sich schon bald eine Lösung.<br />

Als Ersatz für die Ordensschwestern<br />

konnten Caritasschwestern aus Köln für<br />

den Dienst am Marienhospital verpflichtet<br />

werden. Im Gegensatz zu Ordensschwestern<br />

gehörten Caritasschwestern dem<br />

weltlichen Stand an und waren keiner<br />

Kommunität angeschlossen.<br />

Die Ablösung der Franziskanerinnen<br />

durch weltliche Schwestern verlief geräuschlos<br />

und zügig. Dem ausdrücklichen<br />

Wunsch der Franziskanerinnen entsprechend<br />

wurde von einer offiziellen Abschiedsfeier<br />

Abstand genommen. In einem<br />

feierlichen Gottesdienst in der Kapelle<br />

des Marienhospitals, in dem noch einmal<br />

die Verdienste der Ordensgemeinschaft<br />

hervorgehoben wurden, nahmen am 30.<br />

Juni 1961 Vorstand, Verwaltungsrat und<br />

Mitarbeiter des Krankenhauses von den<br />

Schwestern Abschied. Am 1. Juli 1961<br />

traten 12 Kölner Caritasschwestern an die<br />

Stelle der Aachener Schervier-Schwestern<br />

und übernahmen zusammen mit 44 freien<br />

Schwestern den Pflege‐ und Wirtschaftsdienst<br />

wie auch die Krankenpflegeschule.<br />

Endemie<br />

Wegen einer Endemie, d.h. einer andauernd<br />

gehäuft auftretenden Krankheit,<br />

mussten die Kinder-, Isolier- und Teile der<br />

Inneren Abteilung im Marienhospital vom<br />

1. bis 28. Juli 1959 vollständig geschlossen<br />

werden. Der Einnahmeausfall für rund <strong>150</strong><br />

Betten und die Kosten für die Desinfektionsmaßnahmen<br />

wurden auf 400000 DM<br />

geschätzt. Eine zweite Infektion, die zu<br />

einer Aufnahmesperre vom 3. Oktober<br />

bis 31. Dezember 1960 führte, brachte erneut erhebliche<br />

Einnahmeausfälle. Das Krankenhaus geriet in eine finanzielle<br />

Schieflage, die so ernst war, dass das Marienhospital kurz<br />

vor der Insolvenz stand. Am 14. Januar 1961 konstatierte<br />

der Vorsitzende Matthias Junk in einer Vorstandssitzung:<br />

„Wir werden die Löhne und Gehälter zum Monatsende noch<br />

zahlen können, dann sind wir aber blank“. Eine Liquidation<br />

des Marienhospitals konnte nur durch Sonderzahlungen<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stadt Düsseldorf<br />

abgewendet werden.<br />

Bei den Endemien handelte es sich um eine Salmonelleninfektion,<br />

eine Darmerkrankung, die seit Beginn der 1950er<br />

<strong>Jahre</strong> auch in anderen deutschen Städten auftrat. Der Erreger<br />

„Salmonella bareilly“, für Erwachsene meist harmlos, für<br />

Kleinkinder jedoch gefährlich, galt als „unangenehm zäh“.<br />

Er war erst in der Nachkriegszeit durch Lebensmittel nach<br />

Deutschland eingeschleppt worden und rief durchfallartige<br />

Erkrankungen hervor. Im Düsseldorfer Marienhospital war der<br />

Erreger bereits seit 1952 sporadisch aufgetreten, verursachte<br />

aber 1957 plötzlich eine schleppend verlaufende Endemie, die<br />

nach wenigen Wochen wieder erlosch. Vermutlich bewirkte<br />

ein „Zwischenglied“ im Krankenhausbereich, ein nicht entdeckter<br />

Keimträger, dass es im September 1958 von der Kinderabteilung<br />

ausgehend zu neuen Ansteckungen kam. Als im<br />

Juli 1959 mehrere Stationen des Marienhospitals vollständig<br />

geschlossen werden mussten, waren 157 Personen infiziert.<br />

Düsseldorfer Nachrichten,<br />

19. Dezember 1962<br />

Düsseldorfer Nachrichten,<br />

28. Juli 1959<br />

Matthias Junk,<br />

Vorstandsvorsitzender des<br />

Marienhospitals (1961-1970),<br />

um 1970<br />

151


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Mittag, 26. Oktober 1960<br />

Rheinische Post, 29. Oktober 1960<br />

Neue Rhein Zeitung,<br />

13. Dezember 1960<br />

Bei einer routinemäßigen Gesundheitskontrolle wurde 1960<br />

festgestellt, dass im Marienhospital erneut einige Krankenpfleger‐<br />

und Krankenpflegerinnen mit „Salmonella bareilly“<br />

infiziert waren, ohne erkrankt zu sein. Um einer Ausweitung<br />

der Neuinfektion rechtzeitig zu begegnen, wurde das<br />

infizierte Personal isoliert. Da der Mitarbeitermangel durch<br />

diese Vorsichtsmaßnahmen sich noch stärker bemerkbar<br />

machte, wurde die Aufnahmefähigkeit des Marienhospitals<br />

vorübergehend eingeschränkt. Im Verlauf der neuen Endemie<br />

gab es 121 Stuhlerkrankungen, von den 66 auf das Personal<br />

entfielen. Die eingeleiteten Hygienemaßnahmen griffen<br />

in kurzer Zeit; nach wenigen Wochen war die Infektion<br />

wieder vollständig abgeklungen. Das zählebige Bakterium<br />

war schnell verschwunden, der nicht zu unterschätzende<br />

Reputationsverlust für das Hospital indes blieb am Haus noch<br />

für längere Zeit haften.<br />

Befeuert wurde der Imageschaden von Berichten in der<br />

Düsseldorfer Tagespresse, in denen gravierende Bau- und<br />

Ausstattungsmängel des Marienhospitals offengelegt wurden.<br />

So war in der Rheinischen Post am 29. Oktober 1960 unter der<br />

Überschrift „Das Marienhospital wird geschlossen“ zu lesen:<br />

„Die seit 1956 wiederkehrende Salmonella-Infektion wurde<br />

wohl auch durch die Überalterung der baulichen Struktur im<br />

Marienhospital mit ineinandergeschachtelten<br />

Stationen begünstigt, die es schon<br />

1959 unmöglich machte, eine straffe Isolierung<br />

durchzuführen. ... 1959 sollen die<br />

Spülautomaten mit 80 Grad heißem Wasser<br />

gefehlt haben, die eine gute Desinfektion<br />

gesichert hätten. Es soll kein Geld für die<br />

Anschaffung dagewesen sein. Man half<br />

sich mit chemischer Desinfektion“.<br />

Der erneute Ausbruch einer Salmonella-Infektion<br />

hatte zur Folge, dass die Küchenverhältnisse<br />

im Marienhospital genau<br />

untersucht wurden und so katastrophale<br />

Missstände ans Licht traten. Auf der Vorstandssitzung<br />

vom 12. November 1960<br />

musste der stellvertretende Vorsitzende<br />

Matthias Junk mitteilen, dass der Küchenbetrieb<br />

„in keiner Weise den heutigen Anforderungen<br />

entspricht“ und „gegenüber<br />

der Steigerung der Bettenzahl zurückgeblieben<br />

ist“. Die Hauptküche hatte eine<br />

Kapazität von 400 bis 500 Essen, musste<br />

aber mehr als 1100 Personen versorgen.<br />

„Dadurch, daß verschiedene Speisen vorgekocht<br />

werden müssen, um überhaupt<br />

die Versorgung der Patienten und der<br />

Angestellten durchführen zu können“,<br />

so der Befund von Prof. Dr. Ludwig Grün<br />

vom Hygienischen Institut der Städtischen<br />

Krankenanstalten, „ist die Küche zum<br />

Verteiler der Infektion geworden“. Um<br />

die Essensausgabe für Patienten und Mitarbeiter<br />

sicherzustellen, wurde ein Zug der<br />

Bundeswehr angefordert und richtete für<br />

mehrere Wochen auf dem Gelände des<br />

Marienhospitals eine Notküche ein.<br />

Nachdem die Endemie im Dezember<br />

1960 vollständig abgeklungen war, wurde<br />

das Marienhospital am 1. Januar 1961 wieder<br />

mit neuen Patienten belegt. Allerdings<br />

war die Zahl der Betten in der Folgezeit<br />

drastisch reduziert. Standen 1959 noch<br />

152


Vom Generalbebauungsplan<br />

zum Neubauentwurf<br />

619 Betten zur Aufnahme von Patienten<br />

zur Verfügung, so war die Zahl seit der<br />

Wiederbelegung auf 116 Betten der dritten<br />

Klasse und 48 Betten der Privatstationen<br />

sowie 25 Betten der Kinderstation vermindert<br />

worden. Eine Belegung über diese Zahl<br />

hinaus war „wegen der Kapazität der Küche“<br />

nicht möglich. Der leitende Arzt war<br />

vom Vorstand ermächtigt worden, „das<br />

überflüssige Personal am 31. Dezember<br />

1960 zum nächst zulässigen Termin zu<br />

kündigen und jede Härte zu vermeiden“.<br />

Von den 462 Beschäftigten im Marienhospital<br />

verloren fast zwei Drittel ihren<br />

Arbeitsplatz, da die Zahl der Mitarbeiter<br />

auf 160 heruntergefahren werden musste.<br />

Vom<br />

Generalbebauungsplan<br />

zum Neubauentwurf<br />

Die Endemien gaben dem Neubaugedanken<br />

starken Auftrieb. Schon Ende der<br />

1950er <strong>Jahre</strong> war der Vorstand am 27.<br />

Oktober 1959 zu der Einsicht gelangt:<br />

„Vordringlich ist die Anfertigung eines<br />

Generalbebauungsplanes“. Den Kerngedanken<br />

aus dem „Generalaufbauplan“ von<br />

Baurat Peter Dierichsweiler aus dem <strong>Jahre</strong><br />

1953 aufgreifend, dem Marienhospital<br />

ein Bettenhochhaus anzugliedern, das an<br />

die Stelle veralteter und abzubrechender<br />

Gebäudeteile erbaut werden sollte, legte<br />

der Düsseldorfer Architekt Paul Steinebach<br />

im Januar 1960 einen neuen „Generalbebauungsplan“<br />

vor.<br />

Der Generalbebauungsplan sah vor,<br />

zuerst das Krankenhausgelände zu bereinigen.<br />

Die auf dem südlichen und westlichen<br />

Grundstück aufstehenden Nebengebäude und Anlagen<br />

sollten zusammen mit den südlichen Anbauten des Hauptgebäudes,<br />

in denen u.a. die Klausurräume der Ordensschwestern<br />

untergebracht waren, niedergelegt werden. Die gesamte<br />

Fläche, die durch den Abriss der An- und Nebenbauten<br />

entstand, sollte später als einheitliche Gartenfläche genutzt<br />

werden. Der Generalbebauungsplan war in folgende Bauabschnitte<br />

unterteilt:<br />

I. Bauabschnitt: Neubau der Kinderabteilung<br />

II. Bauabschnitt: Neubau des Küchenhauses<br />

III. Bauabschnitt: Neubau der Unfall- und Notfallabteilung<br />

und der Operationsräume<br />

IV. Bauabschnitt: Behelfsmäßige Umgestaltung durch<br />

Ausführung des I., II. und III. Bauabschnittes<br />

der freiwerdenden Räume<br />

zu Krankenzimmern<br />

V. Bauabschnitt: Niederlegung der zwei alten südlichen<br />

Gebäudeflügel<br />

VI. Bauabschnitt: Neubau des zehngeschossigen<br />

Bettenhauses<br />

Der von Paul Steinebach vorgelegte Generalbebauungsplan<br />

kam über das Stadium der Vorplanung nicht hinaus, da dem<br />

Entwurf sowohl vom Bauaufsichtsamt der Stadt wie auch vom<br />

Düsseldorfer Regierungspräsidenten wegen Nichteinhaltung<br />

der „Richtlinien über die bauaufsichtliche Behandlung von<br />

Hochhäusern“ die Genehmigung verweigert wurde. Die<br />

„Hochhaus-Richtlinien“ sahen vor, dass der Abstand eines<br />

Hochhauses von der Nachbarbebauung das Doppelte der<br />

Höhe des Hochhauses betragen muss, was bei dem über<br />

40 Meter hohen Bettenhochhaus vor allen Dingen zu den<br />

Häusern der Ehrenstraße nicht eingehalten werden konnte.<br />

Marienhospital,<br />

Neubauentwurf, 1960<br />

153


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Konstanty Gutschow (1902-1978)<br />

Konstanty Gutschow war als Architekt<br />

der „Führerstadtplanungen“ Hamburg<br />

bekannt. In den 1930er <strong>Jahre</strong>n hatte<br />

Konstanty Gutschow den Auftrag, an der<br />

Elbe ein „Gauforum“ mit Volkshalle und<br />

„Gauhaus“ als neues, die Macht der<br />

Nationalsozialisten repräsentierendes<br />

Zentrum zu errichten. 1945 erhielt<br />

Konstanty Gutschow für vier <strong>Jahre</strong> Bauverbot,<br />

konnte sich jedoch in den 1950er<br />

<strong>Jahre</strong>n vor allem als Krankenhausarchitekt<br />

wieder etablieren. Zusammen<br />

mit dem Hamburger Architekten Godber<br />

Nissen realisierte Konstanty Gutschow<br />

verschiedene Klinikbauten in Tübingen<br />

(Universitätsklinik), Hannover (Medizinische<br />

Hochschule), Helgoland (Klinik)<br />

und Düsseldorf (Chirurgische Klinik der<br />

Städtischen Krankenanstalten).<br />

Marienhospital,<br />

Neubauentwurf Lageplan, 1960<br />

Chirurgische Klinik der Städtischen<br />

Krankenanstalten, Moorenstraße 5,<br />

um 1960<br />

Da die Abstandsbestimmungen der Hochhaus-<br />

Richtlinien nicht dispensibel waren, mussten von<br />

Seiten des Marienhospitals neue Überlegungen<br />

angestellt werden. Im Sommer 1960 trat der Vorstandsvorsitzende<br />

Heinrich Dinkelbach mit dem<br />

Hamburger Architekten Konstanty Gutschow in<br />

Kontakt, der in den 1950er <strong>Jahre</strong>n als renommierter<br />

Krankenhausarchitekt galt.<br />

Noch im Herbst des gleichen <strong>Jahre</strong>s wurde<br />

Konstanty Gutschow beauftragt, Pläne zur „Errichtung<br />

eines katholischen Notfallkrankenhauses mit<br />

allerhöchstens 600 Betten“ zu entwerfen. In der<br />

Sitzung vom 17. Dezember 1960 stellte Konstanty<br />

Gutschow dem Vorstand sieben Varianten für<br />

einen vollständigen Neubau des Marienhospitals<br />

vor. Nachdem ein Fachgutachten des Deutschen<br />

Krankenhausinstituts auch zu dem Ergebnis gelangt<br />

war, dass ohne einen Neubau kein neuzeitlicher<br />

Krankenhausbetrieb am Marienhospital mehr möglich sei,<br />

führte der Vorstand am 29. April 1961 den hierzu erforderlichen<br />

Beschluss herbei. Auf einer Pressekonferenz gab<br />

der neu gewählte Vorstandsvorsitzende Matthias Junk am<br />

2. Juni 1961 seiner Hoffnung Ausdruck, dass der Neubauplan<br />

„mit weitgehender Unterstützung des Landes und der Stadt<br />

in naher Zukunft“ verwirklicht werden kann, „damit das<br />

Marienhospital in einem neuen Gewand und nach den Erkenntnissen<br />

neuzeitlicher Medizin, die ihm von den Gründern<br />

der Stiftung vor nahezu 100 <strong>Jahre</strong>n auferlegten<br />

Aufgaben im Dienste der Kranken<br />

unserer Stadt durchführen kann“. Unter<br />

der Überschrift „Marienhospital völlig neu“<br />

berichtete die Rheinische Post am folgenden<br />

Tag, dass das Marienhospital in seiner<br />

fast 100jährigen Geschichte „an einem<br />

Wendepunkt“ angelangt sei. „Entscheidend<br />

für die Überlegungen der leitenden<br />

Kräfte des Marienhospitals sei gewesen“,<br />

so schrieb das Blatt weiter, „daß es an seinem<br />

alten angestammten Platz im Herzen<br />

des dichtbesiedelten Stadtteils Derendorf<br />

bestehenbleibe und entsprechend seiner<br />

Lage als ein Notfall- und Schwerpunktkrankenhaus<br />

ausgestattet werden soll. …<br />

Die Beschränkung auf ein Haus mit 450 bis<br />

500 Betten, lange Zeit waren 630 belegt,<br />

… stellt einen Fortschritt dar, der nach den<br />

allgemeinen Erfahrungen im Bau von Krankenhäusern<br />

angestrebt wird. In dieser Größenordnung<br />

ergeben sich die günstigsten<br />

medizinischen und betriebswirtschaftlichen<br />

Ergebnisse. Eine Aufteilung der Patienten in<br />

kleinere Pflegegruppen von etwa 12 bis 16<br />

Patienten, die medizinisch wünschenswert<br />

ist, erfordert auch eine neue Raumaufteilung,<br />

die in den Altbauten nicht möglich<br />

ist. Die Raumverschwendung der hohen<br />

Zimmer, der Flure, Treppenaufgänge usw.<br />

ist zudem wirtschaftlich nicht vertretbar.<br />

Übersichtliche gepflegte Unterbringung<br />

und Versorgung der Patienten, ferner modernste<br />

diagnostische und therapeutische<br />

Möglichkeiten – das gilt es zu beachten“.<br />

Optimistisch hatte Matthias Junk auf<br />

der Pressekonferenz verkündet, die gesamte<br />

Planungsarbeit solle in einem Jahr<br />

bewältigt und der Neubau in drei <strong>Jahre</strong>n<br />

fertig gestellt sein. Die Frage, ob der Neubau<br />

bei laufendem Betrieb oder nach einer<br />

vollständigen Schließung errichtet werden<br />

154


Vom Generalbebauungsplan<br />

zum Neubauentwurf<br />

soll, wurde vom Vorstand am 11. November<br />

1961 entschieden. Aufgrund der Empfehlung<br />

einer vom Vorstand eingesetzten<br />

„Sparkommission“, die „nach eingehender<br />

Überlegung und Besprechung … zu dem<br />

Ergebnis“ kam, dass ab dem 1. Januar 1962<br />

das Marienhospital „als Übergangs- und<br />

Notfallkrankenhaus weitergeführt werden<br />

soll“, schlug der Vorsitzende Matthias Junk<br />

„gegenüber Überlegungen seitens staatlicher<br />

Stellen, die alten Gebäude möglichst<br />

bald abzureißen und neu zu bauen, und<br />

das Marienhospital während der Bauzeit zu<br />

schließen“, dem Vorstand vor, „unter allen<br />

Umständen die Fortführung des Marienhospitals<br />

mit einer Höchstbettenkapazität<br />

von 200 Betten auch während der Bauzeit<br />

fortzuführen“. Als Gründe führte er an,<br />

„die Stadt Düsseldorf sei außerordentlich<br />

daran interessiert, dass auch während der<br />

Bauzeit 200 Betten im Zentrum der Stadt<br />

erhalten bleiben“ und „die Öffentlichkeit<br />

würde es nicht verstehen, wenn das Marienhospital<br />

für <strong>Jahre</strong> geschlossen würde“.<br />

Dem Votum des Vorsitzenden schlossen<br />

sich alle Mitglieder des Vorstandes an.<br />

Unmittelbar nach dem Vorstandsbeschluss<br />

legte Konstanty Gutschow den<br />

Umbauplan für ein „Notfall-Übergangskrankenhaus“<br />

für 180 bis 200 Betten vor,<br />

das im Mittel‐ und Nordteil des Ostflügels<br />

vom alten Haupthaus und im Bettenhaus<br />

Ost, das auch nach der vollständigen Neugestaltung<br />

erhalten blieb, untergebracht<br />

werden sollte. Am 1. Januar 1963 – ein Jahr<br />

später als geplant – nahm das „Notfall- und<br />

Übergangskrankenhaus“ am Marienhospital<br />

den Betrieb mit 236 Betten auf, die sich<br />

auf fünf Stationen verteilten: Chirurgische<br />

Abteilung, Innere Abteilung, Gynäkologische<br />

Abteilung, Augenabteilung, Hals-<br />

Nasen‐Ohren‐Abteilung.<br />

Das Übergangskrankenhaus<br />

war Teil der Um- und Neubaupläne<br />

des Marienhospitals, die<br />

Konstanty Gutschow im Februar<br />

1962 den staatlichen<br />

Aufsichtsbehörden zur Prüfung<br />

vorlegte. In einem angehängten<br />

„Erläuterungsbericht“<br />

erklärte der Hamburger<br />

Architekt: „Die vorhandenen<br />

Gebäude des Krankenhauses<br />

sollen wegen Überalterung<br />

zum größten Teil abgerissen<br />

und durch einen Neubau ersetzt<br />

werden. Lediglich die<br />

neueren Bauteile im Nordosten<br />

des Krankenhausgeländes –<br />

Bettenhaus Ost, Heizzentrale<br />

und Schwesternwohnheim<br />

– bleiben erhalten und werden<br />

dem künftigen Neubau<br />

angeschlossen. Während der<br />

Durchführung des Abrisses<br />

und der Neubauten muß ein<br />

Betrieb in beschränktem aber<br />

voll funktionsfähigem Umfang<br />

als Übergangs- und Notfall-<br />

Krankenhaus jeweils solange<br />

aufrecht erhalten werden, bis<br />

die entsprechenden Neubauteile in Benutzung genommen<br />

werden können. Aus diesem Grunde ist sowohl der Abriss<br />

wie der Neubau in zwei zeitlich getrennten Abschnitten vorgesehen.<br />

... Im 1. Abschnitt werden abgerissen: Vom alten<br />

Hauptbau: Mittel‐ und Westflügel vollständig, einschließlich<br />

Kapelle sowie Südteil des Ostflügels, altes Heizhaus einschließlich<br />

Schornstein, verschiedene kleine Schuppen und provisorische<br />

Behelfsbauten. Nach Fertigstellung und Bezug des 1.<br />

Neubauteiles werden im 2. Abschnitt abgerissen: Restlicher<br />

alter Hauptbau: Mittel‐ und Nordteil des Ostflügels, Verbindungsbau<br />

zwischen altem Hauptbau und Bettenhaus Ost. ...<br />

Nach Abbruch des 1. Altbauteiles sollen im 1. Bauabschnitt<br />

neu errichtet werden: das gesamte Bettenhaus, etwa ¾ des<br />

Marienhospital,<br />

Betriebsbeschreibung für das<br />

Übergangskrankenhaus, 1962<br />

155


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, Übergangskrankenhaus Lageplan, 1964<br />

Marienhospital, Übergangskrankenhaus, 1963<br />

Behandlungsteiles, die gesamten<br />

Wirtschaftsteile. Mit Fertigstellung<br />

dieser Bauten wird der Neubau in<br />

sich voll funktionsfähig sein. Nach<br />

Abbruch des 2. Altbauteiles werden<br />

im 2. Bauabschnitt neu errichtet: die<br />

Krankenhauskapelle, der restliche<br />

Behandlungsteil, die Verbindung zwischen<br />

Neubau und Bettenhaus Ost.<br />

... Das alte Marienhospital umfasste<br />

als allgemeines Krankenhaus sieben<br />

Fachabteilungen mit zusammen 630<br />

Betten. Der Neubau soll auf Grund<br />

der Verhandlungen mit der Landesregierung,<br />

dem Regierungspräsidenten<br />

und der Stadtverwaltung als Schwerpunkt-<br />

und Notfallkrankenhaus mit<br />

zusammen etwa 470 Betten ausgebildet<br />

werden. ... Auf die ursprünglich<br />

geplante Kinderklinik sowie auf<br />

eine besondere Infektionsabteilung<br />

wird verzichtet“.<br />

Der Neubau<br />

Um die Finanzierung des projektierten<br />

Neubaues sicherzustellen, mussten die<br />

Mitglieder des Vorstands und des Kuratoriums<br />

ihr gesamtes politisches Netzwerk<br />

mobilisieren. Wegen der angespannten<br />

Finanzlage des Marienhospitals war zu Beginn<br />

der 1960er <strong>Jahre</strong> an die Ausführung<br />

des geplanten Neubauvorhabens zunächst<br />

gar nicht zu denken. Obwohl das „Notfallund<br />

Übergangskrankenhaus“ ständig bis<br />

zu 95 Prozent belegt war, benötigte das<br />

Marienhospital von der Stadt Düsseldorf<br />

weiterhin einen sechsstelligen Betriebskostenzuschuss.<br />

Auf einer Pressekonferenz erläuterte<br />

der Vorstandsvorsitzende Matthias<br />

Junk am 25. März 1963 die Ursachen der<br />

wirtschaftlichen Miesere so: „Das Hospital,<br />

das nach dem Kriege zu schnell auf<br />

die Kapazität von 630 Betten gebracht<br />

worden war, mußte, nachdem man sich<br />

zu Umbau und Neuordnung entschlossen<br />

hatte, auf 200 Betten reduziert werden.<br />

Also ein Einnahmeschwund. Gleichzeitig<br />

liefen die Personalkosten (Kündigungsfristen)<br />

weiter, mußte 1962 in acht Monaten<br />

das Übergangskrankenhaus aus den alten<br />

Bauteilen zusammengestellt werden (während<br />

gleichzeitig der Krankenhausbetrieb<br />

weiterging), wurden Neueinrichtungen geschaffen“.<br />

Der Vorsitzende musste zugeben,<br />

dass die Aufsichtsgremien nicht alle Kosten<br />

überblickten und der Krankenhausbetrieb<br />

mehr Geld als vermutet erforderte. Besonders<br />

gravierend war das Missverhältnis<br />

zwischen der Bettenzahl und den Krankenhauskräften.<br />

Für die rund 230 Betten<br />

des Übergangs- und Notfallkrankenhauses<br />

waren 187 festangestellte Kräfte eingesetzt.<br />

Trotz personeller Überbesetzung empfahl<br />

156


Der Neubau<br />

1963 der Finanzausschuss dem Rat der Stadt<br />

Düsseldorf, dem „finanzkranken Marienhospital“<br />

ein zinsloses Darlehen in Höhe von<br />

300000 Mark zur Deckung des vorjährigen<br />

Betriebsverlustes zu gewähren. Nicht zuletzt<br />

der Fürsprache von Oberbürgermeister Peter<br />

Müller, der wiederholt betont hatte, dass die<br />

Organe des Krankenhauses bemüht seien,<br />

„bald zu geordneten Verhältnissen in der<br />

Wirtschaftsführung zu kommen“, folgte der<br />

Rat den Empfehlungen des Finanzausschusses<br />

und bewilligte dem „Finanzsorgenkind<br />

der Stadt Düsseldorf“ – wie der Mittag das<br />

Marienhospital nannte – den beantragten<br />

Finanzzuschuss.<br />

Die „ständige Nachfüllung der Marienhospital-Kassen“<br />

war unter den Düsseldorfer<br />

Stadtverordneten nicht unumstritten.<br />

So sprach sich etwa Ratsherr Hans Bender<br />

(SPD) dafür aus, „das Marienhospital als<br />

städtisches Krankenhaus zu übernehmen“.<br />

Obwohl der Rückhalt für das „kranke Krankenhaus“<br />

in der Politik zu bröckeln drohte,<br />

gelang es dem Vorstand, das Marienhospital<br />

in das Krankenhausförderungsprogramm<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen einzubinden.<br />

Mitentscheidend für die Aufnahme<br />

in das Landesprogramm war die zentrale<br />

Lage des Marienhospitals. In Übereinstimmung<br />

mit der vom Land geforderten Generalplanung<br />

für das Krankenhauswesen<br />

war in Düsseldorf „zur Versorgung akuter<br />

Krankheitsprozesse“ die Einrichtung mehrerer<br />

„Schwerpunkt-Notfallkrankenhäuser“<br />

vorgesehen, die sich in der medizinischen<br />

Versorgung gegenseitig ergänzen sollten.<br />

„Das Marienhospital wird sich als besonders<br />

günstig liegendes Schwerpunkt-Notfallkrankenhaus“,<br />

so die Prognose der Rheinischen<br />

Post vom 30. März 1962, „künftig den akuten,<br />

bedrohlichen Erkrankungen widmen:<br />

dem Bürger, der einen Herzinfarkt erleidet,<br />

einer Frau mit Blutungen oder einem Schwerverletzten zum<br />

Beispiel, die rasch und nach den modernsten Erkenntnissen<br />

der Medizin versorgt werden müssen“.<br />

Als das Marienhospital im Herbst 1964 vom Land die<br />

grundsätzliche Zusage der Förderungswürdigkeit erhalten<br />

hatte, war eine entscheidende Hürde für den Bau eines neuen<br />

„Schwerpunkt-Notfall-Krankenhauses“ für den Düsseldorfer<br />

Norden genommen. Von<br />

den kalkulierten Baukosten<br />

wurden zunächst 34,7 Millionen<br />

DM als förderungsfähig<br />

anerkannt. An der Aufbringung<br />

der Finanzmittel<br />

beteiligte sich das Land mit<br />

24,3 Millionen DM, die Stadt<br />

Düsseldorf mit 6,9 Millionen<br />

DM und die Stiftung als<br />

Krankenhausträgerin durch<br />

Aufnahme einer Anleihe mit<br />

3,47 Millionen DM.<br />

Mit Sicherstellung der<br />

Finanzzuschüsse und nach<br />

Abstimmung der Planungs-<br />

2<br />

1<br />

1 Ärztehaus<br />

2 Zentralaufnahme<br />

3 Behandlungsbau<br />

3<br />

4<br />

4 Bettenbau West<br />

5 Bettenbau Ost<br />

6 Krankenpflegeschule<br />

Marienhospital,<br />

Neubau Raumverteilung, 1965<br />

Marienhospital,<br />

Modell für den Neubau, um 1965<br />

6<br />

5<br />

7<br />

8<br />

7 Schwesternbau<br />

8 Wohnheim für Schwestern<br />

und Bedienstete<br />

157


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

grundlagen mit dem kommunalen Krankenhausprogramm<br />

konnte Mitte der 1960er <strong>Jahre</strong><br />

der Bau eines neuen Krankenhauses in Pempelfort<br />

in Angriff genommen werden. Im Sommer<br />

1965 begann der Abriss der alten Krankenhausgebäude.<br />

Auf Wunsch der Bauherren wurde das<br />

alte Hospital nicht „Stein für Stein“ abgetragen,<br />

sondern gesprengt. „Das monatelange Höllenkonzert<br />

der Preßlufthämmer wäre den Patienten<br />

im Übergangskrankenhaus und der Umgebung<br />

nicht zuzumuten“, gab der Vorstand als Begründung<br />

für das nicht ungefährliche Vorgehen an.<br />

Während der dreimonatigen<br />

Abbruchphase blieb das Übergangskrankenhaus<br />

mit seinen rund<br />

230 Betten voll in Betrieb. Nachdem<br />

die Kapelle am Westflügel<br />

von einem Bagger niedergelegt<br />

worden war, folgte am 21. August<br />

1965 die erste Sprengung.<br />

An 850 Stellen wurden die Fundamente<br />

im Südwestflügel angebohrt<br />

und 80 Kilogramm Ammongelit-<br />

Sprengstoff angebracht. Unter der<br />

Überschrift „Als wäre eine Bombe<br />

eingeschlagen“ berichteten die<br />

„Düsseldorfer Nachrichten“ über das von<br />

zahreichen Schaulustigen beobachtete Ereignis:<br />

„Ein Teil des alten Marienhospitals<br />

an der Sternstraße hat sich ... in einen<br />

Trümmerhaufen verwandelt. Um 9.32 Uhr<br />

ließ eine Detonation, die einige Phon lauter<br />

war als der vom Vorstand vorausgesagte<br />

‚Dumpfe Knall’, die Umgebung erzittern.<br />

Sekundenlang hörte man das Gepolter<br />

berstender und einstürzender Mauern. Wer<br />

einen guten Platz gewählt hatte ..., erlebte<br />

den Bruchteil eines Augenblicks, da der<br />

rechte Flügel des Krankenhauses wankte<br />

und zusammenbrach. Dann verschluckte<br />

eine riesige beige-graue Staubwolke, gegen<br />

die der berüchtigte Londoner Smog ein<br />

erbärmliches Nebelchen ist, die Überreste<br />

des Gebäudes und die angrenzenden Straßen.<br />

... Als sich die Wolke auflöste, war ein<br />

gutes Drittel des altehrwürdigen Bauwerks<br />

verschwunden. Das Bild erinnerte an die<br />

schrecklichen Kriegsjahre. Es sah aus, als<br />

wäre eine Bombe eingeschlagen“. Nach<br />

dem gleichen Verfahren wurden am 4.<br />

September 1965 die übrigen Teile des Altbaues,<br />

darunter auch der 40 Meter hohe<br />

Schornstein des Kesselhauses, gesprengt.<br />

Vom ursprünglichen Marienhospital war<br />

nun nur noch der ältere Teil des Übergangskrankenhauses<br />

erhalten geblieben, der erst<br />

zu Beginn des zweiten Neubauabschnittes<br />

abgetragen wurde.<br />

Die Beseitigung des Trümmerschuttes<br />

und die Vorbereitung der Baustelle zur<br />

Marienhospital, Erste Sprengung, 1965<br />

Marienhospital, Zweite Sprengung, 1965<br />

Marienhospital, Zweite Sprengung, 1965<br />

Krankenhaus Gerresheim,<br />

Gräulinger Straße 120, 1971<br />

Das Jahr 1966 war in Düsseldorf das Jahr des Krankenhausneubaues.<br />

Neben dem Marienhospital wurden in<br />

diesem Jahr zeitgleich das Evangelische Krankenhaus<br />

am Fürstenwall, das Dominikuskrankenhaus in Heerdt,<br />

das Diakonissenkrankenhaus in Kaiserswerth, das<br />

Vinzenzkrankenhaus in Derendorf und das Städtische<br />

Krankenhaus in Gerresheim neu gebaut.<br />

158


Der Neubau<br />

Errichtung des ersten Bauabschnittes erstreckten<br />

sich über mehrere Monate. Erst<br />

im Herbst 1966 waren die Ausschachtungsarbeiten<br />

beendet und hatten die Rohbauarbeiten<br />

begonnen.<br />

Sieben <strong>Jahre</strong> nach den ersten Planungsüberlegungen<br />

konnte am 8. Dezember 1966<br />

im Winkel von Stern- und Rochusstraße der<br />

Grundstein für das neue Marienhospital<br />

gelegt werden. Prominente Vertreter von<br />

Kirche, Land, Stadt, Wirtschaft und Wissenschaft<br />

hatten sich nach einem Gottesdienst<br />

in St. Rochus bei schneidender Kälte an der<br />

festlich geschmückten Baugrube versammelt,<br />

um gemeinsam den Beginn einer neuen<br />

Ära für das Marienhospital zu feiern. Nach<br />

der Segnung des Grundsteins durch den<br />

Kölner Generalvikar Hermann Jansen rief<br />

der Vorstandsvorsitzende Matthias Junk zu<br />

den obligatorischen Hammerschlägen mit<br />

erhobener Stimme: „Möge das neue Krankenhaus<br />

ein Hort der Freiheit, des Friedens<br />

und der christlichen Nächstenliebe sein“.<br />

Die Zeremonie beendete der Vorsitzende mit<br />

dem Ausruf: „Auf daß die Finanzierungsquellen<br />

nie versiegen!“ Das Echo auf den<br />

Herzenswunsch kam schneller als erwartet.<br />

Der Düsseldorfer Regierungspräsident Kurt<br />

Baurichter teilte, als er zum Hammer griff, mit,<br />

dass die Landesregierung genau an diesem<br />

Morgen dem Marienhospital 687000 DM zur<br />

Schuldentilgung bewilligt habe. Nach dem<br />

Choral „Großer Gott, wir loben dich“ zog<br />

die Festversammlung zum Empfang in die<br />

Kultur‐ und Jugendfilmbühne (Prinz‐Georg‐<br />

Straße 80) hinüber, wo Konstanty Gutschow<br />

„an Hand reizvoller Dias“ die Entwicklung<br />

des alten und des neuen Hospitals schilderte,<br />

das – so der planende Architekt – „kein<br />

sensationelles Novum auf dem Gebiet des<br />

Krankenhauswesens, aber ein gebrauchsfähiger<br />

und wirtschaftlicher Bau“ sei.<br />

Von Tag zu Tag war zu beobachten,<br />

wie der Neubau<br />

des Marienhospitals in die<br />

Höhe wuchs. Angetrieben<br />

von den Baufortschritten<br />

auf den anderen Krankenhausbaustellen<br />

in der<br />

Stadt, legten die Arbeiter<br />

in Pempelfort ein „tolles<br />

Tempo“ vor, mit dem Ergebnis,<br />

dass das Richtfest zwei<br />

Monate früher als geplant<br />

stattfand. Nur acht Monate<br />

nach der Grundsteinlegung<br />

wurde am 27. Juli 1967 im<br />

Beisein zahlreicher Ehrengäste<br />

das Richtfest für den<br />

ersten Bauabschnitt des<br />

neuen Marienhospitals gefeiert.<br />

Architekt Konstanty<br />

Gutschow sprach den<br />

Bauleuten ein großes Lob<br />

aus: „In meiner 40jährigen<br />

Praxis habe ich noch nicht<br />

erlebt, daß ein Bauwerk so<br />

rasch emporwächst!“ Nicht<br />

ohne Stolz erläuterte der<br />

Marienhospital,<br />

Grundsteinlegung Neubau, 1966<br />

Marienhospital, Richtfest Neubau, 1967<br />

Marienhospital, Richtfest Neubau, 1967<br />

Marienhospital, Neubau, um 1967<br />

159


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Hausgeistliche im Marienhospital<br />

1871-1970<br />

· Kaplan Arnold Hubert Lofgnié (1871-1900)<br />

· Kaplan Joseph Scholl (1900-1903)<br />

· Kaplan Georg Rody (1903-1905)<br />

· Kaplan Klemens Wirtz (1905-1909)<br />

· Pater Sixtus Meyer SSCC (1909-1918)<br />

· Pater Adalarius Thomas OFM (1918-1919)<br />

· Pater Bertold Bockholt OFM (1919-1922)<br />

· Pater Optatus Benteler OFM (1922-1922)<br />

· Pater Hyginus Frenz OFM (1922-1925)<br />

· Pfarrer Heinrich Hamacher (1925-1935)<br />

· Pfarrer Karl Tholen (1936-1958)<br />

· Pater Reinulf Hoersch OFM (1958-1961)<br />

· Pater Irenäus Kremser OFM (1961)<br />

· Rektor Franz Hampel (1961-1964)<br />

· Pater Kurt Leunissen OFM (1964-1966)<br />

· Pater Leo Jamar SCJ (1967-1970)<br />

· Pfarrer Helmut Münz (1970-1972)<br />

Marienhospital, Neubau, 1967<br />

Marienhospital, Kapelle, um 1970<br />

Vorstandsvorsitzende Matthias Junk, dass mit dem<br />

Bettenbau West und Ost wie dem Behandlungstrakt<br />

bereits 75 Prozent des gesamten Bauvorhabens im Rohbau<br />

vollendet waren. In 22000 Arbeitsstunden waren<br />

76300 Kubikmeter umbauter Raum geschaffen worden.<br />

Leise ließ Matthias Junk, der zu Recht als „Motor des<br />

Krankenhausneubaues“ bezeichnet wurde, in seiner<br />

Richtfestansprache die Frage anklingen,<br />

ob das Land seine Finanzierungszusagen<br />

für das Marienhospital auch einhalten<br />

könne. Seine Sorge verflog spätestens<br />

beim Richtschmaus im Dieterich-Bierkeller<br />

(Duisburger Straße 18), wo Staatssekretär<br />

Karl Hölscher als Vertreter des<br />

Arbeits- und Sozialministeriums erklärte:<br />

„Trotz der Mittelverknappung hat der<br />

Regierungspräsident eine weitere Rate<br />

von 5,5 Millionen Mark für den Bau des<br />

Marienhospitals für 1967 bewilligt“.<br />

Ein Jahr nach der Grundsteinlegung<br />

wurde im Sommer 1968 mit den Innenputz-<br />

und Fliesenarbeiten begonnen. Die<br />

Rohrpostanlage und die Heizung waren<br />

bereits verlegt, die sanitären, medizinischen<br />

und elektrischen Installationen<br />

waren im vollen Gang. Für die aus Mitteln<br />

des Erzbistums Köln finanzierte Kapelle<br />

wurde am 12. Juni 1968 der Grundstein<br />

gelegt. Das neue Gotteshaus war als<br />

Rundbau konzipiert und so angelegt,<br />

dass auch Patientenbetten in den Sakralraum<br />

gefahren werden konnten. Im<br />

Dachreiter der neuen Kapelle, die beiden<br />

Konfessionen als Gottesdienststätte dient,<br />

wurde die Glocke der alten Krankenhauskapelle<br />

aufgehängt. Wenige Tage vor der<br />

Einweihung des neuen Marienhospitals<br />

konsekrierte Kardinal Josef Höffner am<br />

24. Mai 1970 den Altar in der neuen<br />

Kapelle, feierte hier das erste Messopfer<br />

und segnete anschließend das neue<br />

Krankenhaus ein.<br />

Fast auf den Tag genau 100 <strong>Jahre</strong><br />

nach der Eröffnung des Marienhospitals<br />

wurde der Pempelforter Krankenhausneubau<br />

am 1. Juni 1970 feierlich eingeweiht.<br />

Unter der Überschrift „Im Mittelpunkt<br />

steht der Patient“ berichteten die<br />

Düsseldorfer Nachrichten am folgenden<br />

160


Der Neubau<br />

Tag: „Mehrere hundert Gäste aus Politik,<br />

Kirche, Diplomatie, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft<br />

und anderen Bereichen hatten<br />

sich vor der alten Mutter-Gottes-Statue in<br />

der langen Eingangshalle des modernen<br />

Hauses versammelt, unter ihnen Kardinal<br />

Frings, Ministerpräsident Kühn, Landtags-<br />

Vizepräsident Dr. Fehlinghaus, Bauminister<br />

Dr. Kohlhase, die Bürgermeister Kürten und<br />

Deimel, Medizin-Professoren aus Düsseldorf,<br />

Köln und München und die früheren<br />

Marien-Hospital-Chefärzte Prof. Hünermann,<br />

Dr. Etten und Dr. Pfeffer. Seinen<br />

Dank an Kirche, Land und Stadt für ihre<br />

kräftige finanzielle Hilfe verband Matthias<br />

Junk, der Vorsitzende des Vorstandes und<br />

des Verwaltungsrates, mit einem Hinweis<br />

auf die sparsame Wirtschaftsführung beim<br />

Bau seines Hospitals: Die 3,5 prozentige<br />

Kostensteigerung in dreieinhalb <strong>Jahre</strong>n<br />

steht in der Tat in wohltuendem Gegensatz<br />

zu den enormen Mehrkosten bei vielen öffentlichen<br />

Bauten. Daß von den 462 Betten<br />

vorerst nur 298 belegt werden können,<br />

liegt an der Personalfrage und wird sich<br />

ändern, wenn zum <strong>Jahre</strong>swechsel ein weiteres<br />

Schwesternwohnheim bezugsfertig<br />

ist. Pläne für ... die Einführung von Ein- und<br />

Zweit-Bett-Zimmern auch in der Gemeinschaftsklasse<br />

und die tägliche Besuchszeit<br />

zeigen, daß das Hospital, dessen Neubau<br />

einschließlich beweglicher Einrichtung und<br />

des bevorstehenden zweiten Abschnittes<br />

voraussichtlich 42,5 Millionen DM kosten<br />

wird, mit der Zeit zu gehen versucht. Josef<br />

Kardinal Frings war von Köln herübergekommen,<br />

um ... das Marien-Hospital ...<br />

‚in das zweite Jahrhundert zu führen’. ...<br />

Ministerpräsident Heinz Kühn ... umriß die<br />

Ziele der Krankenhauspolitik des Landes:<br />

Förderung des Zusammenschlusses kleinerer<br />

Häuser zu Krankenhausgemeinschaften,<br />

Realisierung der Pläne um<br />

das klassenlose Krankenhaus,<br />

in dem alle Patienten<br />

in jeder Beziehung<br />

gleichgestellt sind, die Intensivierung<br />

der Krankenhausforschung,<br />

Bau von<br />

Spezialkrankenhäusern,<br />

Hilfe für die Herzchirurgie<br />

und vermehrte Prophylaxe<br />

– der nächste Schritt<br />

sei hier die Krebs-Vorsorge-Untersuchung bei Männern. ...<br />

Chefchirurg Dr. Bross erläuterte die neuartige medizinische<br />

Struktur des Hauses, in dem der Funktionsbereich sehr viel<br />

Platz einnimmt. Erstmals sei es gelungen, ein Hospital zu<br />

schaffen, dessen Diagnose- und Behandlungsräume weit<br />

über die Hälfte des Baues umfaßten“.<br />

Nach der Einweihung konnte das neue Marienhospital<br />

im Rahmen einer „Woche der offenen Tür“ von den Bürgern<br />

besichtigt werden. Erst danach wurden die Patienten aus<br />

dem Übergangskrankenhaus in die neuen Bettenhäuser<br />

verlegt. Der Neubau, dessen Haupteingang nicht mehr an der<br />

Stern- sondern an der Rochusstraße lag und der „nur noch<br />

hauptamtliche Abteilungen und keine Belegbetten mehr“<br />

kannte, zählte 462 Betten:<br />

Chirurgie und Unfall 142;<br />

Innere Medizin 116; Geburtshilfe<br />

und Gynäkologie<br />

78; Augenabteilung 44;<br />

Neurologie 36; Röntgen,<br />

Anästhesie, Urologie 36;<br />

Aufnahmeabteilung 10.<br />

Die medizinischen Funktionsbereiche<br />

des neuen<br />

Hospitals waren in drei<br />

separate Versorgungsbereiche<br />

gegliedert, standen<br />

aber in enger Verbindung<br />

untereinander und ermöglichten<br />

so ein direktes Zusammenwirken<br />

aller Abteilungen.<br />

Marienhospital,<br />

Einweihung Neubau, 1970<br />

Erste Reihe von rechts:<br />

Bauminister Dr. Kohlhase,<br />

Ministerpräsident Kühn,<br />

Vorsitzender Junk, Kardinal Frings,<br />

Landtags-Vizepräsident Dr. Flehinghaus<br />

und Bürgermeister Kürten<br />

Marienhospital,<br />

Neubau Lageplan, 1970<br />

161


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Dr. Heinrich Bross, Die Aufgaben des Marien-Hospitals und seine neue Struktur nach 100 <strong>Jahre</strong>n, 1970 (Auszug):<br />

1. Notfallbereich: Zu ebener Erde ist für<br />

Notfälle aus dem chirurgischen, insbesondere<br />

auch unfallchirurgischen, dem internistischen<br />

(Infarktpatienten, Vergiftungen)<br />

und dem geburtshilflich‐gynäkologischen<br />

Bereich mit allen Einrichtungen eine allgemeine<br />

Notfallzone geschaffen worden. Über<br />

eine zentrale Krankenaufnahme, die einen<br />

sofortigen Kontakt des eingelieferten Patienten<br />

zum ärztlichen Aufnahmedienst des<br />

Hauses herstellt, werden die notwendigen<br />

Sofortversorgungen eingeleitet und die Weiterleitung<br />

der Patienten an die zuständigen<br />

Stationen zur Vermeidung von Fehlleitungen<br />

und Umlegungen veranlaßt.<br />

In der Notfallzone ist eine Operationsanlage<br />

für alle akuten Eingriffe eingerichtet<br />

worden. Schockbekämpfung, Wiederbelegung<br />

sowie die Überwachung frischoperierter<br />

Patienten sind sichergestellt. Für die<br />

Notfallaufnahmen steht für die Nacht eine<br />

Notfallaufnahmestation von 10 Betten zur<br />

Verfügung. Dadurch wird eine Beunruhigung<br />

der stationären Bereiche durch nächtliche<br />

Aufnahmen oder Verlegungen vermieden<br />

und eine ständige Aufnahmebereitschaft des<br />

Hause in der Nacht gewährleistet.<br />

Die Unfallchirurgie ist für die Anwendung<br />

aller neuen Operationsverfahren eingerichtet,<br />

insbesondere für die operative<br />

Knochenbruchbehandlung, die Handchirurgie<br />

und für die allgemeine Wundversorgung.<br />

Ihr steht eine eigene Röntgendiagnostik<br />

mit der neuesten Bildverstärkertechnik zur<br />

Überprüfung des gesamten Skelettsystems<br />

vor allem bei schweren Unfällen und Massenverletzungen<br />

zur Verfügung.<br />

2. Operationsbereich: Er faßt die chirurgische<br />

Behandlung aus der Bauch- und Thoraxchirurgie,<br />

die geburtshilflich‐gynäkologischen<br />

Operationen und die ophthalmolatogischen<br />

Operationen in einem zentralen aseptischen<br />

Operationsbereich zusammen. Damit ist<br />

nicht nur die Zentralisation der technischen<br />

Einrichtungen im vorwiegend aseptischen<br />

Operationsbereich erreicht, sondern auch<br />

der zentrale Einsatz der Operationsdienste,<br />

besonders der Schwestern und Ärzte, ermöglicht<br />

und die kostspielige Dezentralisation<br />

früherer Zeiten überwunden.<br />

Dem zentralen aseptischen Operationsbereich<br />

mit 4 Operationssälen und 5 auswechselbaren<br />

Tischen ist die Anästhesieabteilung<br />

zugeordnet. Ihr steht ein Aufwachraum<br />

zur Verfügung, der in direkter Verbindung<br />

mit der Operationsabteilung steht und eine<br />

fachärztliche Überwachung der Operierten<br />

ermöglicht, bis sie in die Obhut der Stationen<br />

übergeben werden können.<br />

Zur Sicherung der zentralen aseptischen<br />

Operationsabteilung, insbesondere zur Vermeidung<br />

der Keimverschleppung (Hospitalismus),<br />

wurden alle septischen Operationen<br />

aus den drei großen Arbeitsgebieten räumlich<br />

und personell völlig von der aseptischen Operationsabteilung<br />

getrennt in einem septischen<br />

Operationsbereich im Erdgeschoß auf der<br />

Ebene der Notfallzone untergebracht.<br />

3. Intern-konservativer Bereich: Er umfaßt<br />

die Arbeitsgebiete der inneren Medizin,<br />

der Neurologie, der Röntgenologie und<br />

nach Fertigstellung des II. Bauabschnittes<br />

der Nuklearmedizin mit Isotopendiagnostik<br />

und Hartstrahlbehandlungsanlage. Damit<br />

sind insbesondere für das große Gebiet der<br />

Tumordiagnostik und -therapie die notwendigen<br />

Voraussetzungen geschaffen.<br />

Eine mit allen neuzeitlichen Einrichtungen<br />

versehene zentrale Röntgendiagnostik<br />

und ein modernes Zentrallaboratorium für<br />

die Anforderungen des gesamten Hauses<br />

sowie ein Blutdepot, zugleich für alle Innenstadtkrankenhäuser,<br />

sind dem internkonservativen<br />

Bereich zugeordnet.<br />

Der inneren Abteilung stehen 4 künstliche<br />

Nieren zur Verfügung.<br />

Bettenbau und sonstige Einrichtungen:<br />

Der Bettenbau ist nach Stationen mit 34 und<br />

30 Betten gegliedert. Es sind 1-, 2-, 4- und<br />

6-Bettzimmer vorhanden. Die Belegung der<br />

Zimmer richtet sich im Regelfall nach dem<br />

Krankenzustand der Patienten.<br />

Die in Ein- und Zweibettzimmern liegenden<br />

Schwerkranken sind innerhalb der<br />

einzelnen Stationen zwecks laufender Überwachung<br />

in unmittelbarer Nähe des Schwesterndienstzimmers<br />

untergebracht.<br />

Die Anordnung der Naßzellen und Pflegearbeitsräume<br />

in unmittelbarem Anschluß<br />

an jedes Krankenzimmer entlastet das Personal.<br />

Entsprechend unserer besonderen Aufgabe<br />

als Schwerpunkt- und Notfall-Krankenhaus<br />

sind Wachstationen in der chirurgischen<br />

Abteilung, der inneren Abteilung und der<br />

gynäkologischen Abteilung eingerichtet<br />

worden, die mit allen Erfordernissen der<br />

Intensivpflege ausgerüstet sind.<br />

Der Augen-Abteilung ist eine Sehschule<br />

angeschlossen, die eine optimale Behandlung<br />

kindlicher Sehstörungen ermöglicht.<br />

Eine Zentralsterilisation, die nach dem<br />

Verpackungssystem das ganze Haus versorgt,<br />

162


Der Neubau<br />

und Substerilisationen in den Operationsbereichen<br />

für das Instrumentarium schaffen<br />

eine gesicherte Asepsis in allen Teilen<br />

des Hauses.<br />

Das Haus verfügt über neuzeitliche<br />

Obduktionsräume.<br />

Ein Konferenzraum mit wissenschaftlicher<br />

Zentralbibliothek sowie ein Vortragsraum<br />

dienen der ständigen medizinischwissenschaftlichen<br />

Weiterbildung der<br />

Ärzte. ...<br />

Die Zentralküche mit Diätabteilung<br />

versorgt die Kranken direkt nach Tablettsystem.<br />

Auf jeder Station ist eine Teeküche<br />

vorhanden.<br />

Das neue Schwerpunktkrankenhaus<br />

Marien-Hospital ist nach den letzten Erkenntnissen<br />

der medizinischen Technologie<br />

eingerichtet. Es erfüllt alle Voraussetzungen,<br />

um sich auch einer weiteren<br />

Entwicklung der Medizin anzupassen.<br />

Die harmonische Zusammenarbeit<br />

des pflegerischen und Verwaltungsbereiches<br />

mit dem ärztlichen Dienst bietet die<br />

Voraussetzung dafür, daß der Kranke im<br />

Hause seine Geborgenheit findet, wobei<br />

das Verhältnis des Kranken zu seinem Arzt<br />

im Zentrum aller unserer Überlegungen<br />

steht unter dem Leitmotiv: Hic gaudet<br />

homo succurere vitae.<br />

Marienhospital,<br />

Neubau Ebene 01, 1970<br />

163


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Bauphase I<br />

1. Umbau des 1934 erbauten Ostflügels<br />

und des Altbau-Ostteiles zu einem<br />

Übergangskrankenhaus mit rund<br />

230 Betten.<br />

2. Anschließend Abbruch des westlichen<br />

Altbaubestandes.<br />

Bauphase II<br />

1. Neubau des ersten Bauabschnittes:<br />

Bettenbau - Behandlungsbau - Flachbau<br />

West und Schwesternwohnheim.<br />

2. Anschließend Abbruch des östlichen<br />

Altbaubestandes.<br />

Bauphase III<br />

1. Neubau Flachbau Ost mit Strahlenabteilung<br />

- Physikalischer Therapie<br />

und Apotheke.<br />

2. Neubau eines Familienwohnhauses<br />

mit Kindertagesstätte.<br />

Marienhospital, Neubau, 1968<br />

Marienhospital, Neubau Bauphasen, 1970<br />

164


Blaue Damen<br />

Blaue Damen<br />

Der ehrenamtliche Krankenhausbesuchsdienst hat im Marienhospital eine lange Tradition. Im Gegensatz zur Krankenhausseelsorge sind die Mitarbeiter im Krankenhausbesuchsdienst<br />

alle ehrenamtlich tätig. Über die Gründung und die Anfänge des Krankenhausbesuchsdienstes im Marienhospital berichtet die Mitinitiatorin Ilga Keller 1980 in einem Rückblick:<br />

Als wir 1972 begannen, über die Gründung<br />

eines Hilfsdienstes im Marienhospital nachzudenken,<br />

gab es noch kaum Beispiele in<br />

der Bundesrepublik. Der Vorsitzende unseres<br />

Kuratoriums hatte solche Gruppen, die „pink<br />

ladies“, in amerikanischen Krankenhäusern<br />

gesehen und bat mich, etwas Ähnliches in<br />

unserem Haus aufzubauen.<br />

Ich hatte das Glück, eine aufgeschlossene,<br />

moderne Oberin an der Seite zu haben.<br />

Aufrufe zur ehrenamtlichen Arbeit im Marienhospital,<br />

in den Zeitungen und in den<br />

Kirchen fanden ein unerwartetes positives<br />

Echo. Eine Woge der Hilfsbereitschaft wurde<br />

ausgelöst. 70 Frauen zwischen 18 und 70<br />

<strong>Jahre</strong>n meldeten sich spontan!<br />

Frau Oberin Sobotta und ich luden zu<br />

einem ersten Kennenlernen und zur Besichtigung<br />

des Hauses ein. Zu diesem Informationsnachmittag<br />

erschien eine große<br />

Schar von jungen, „mittelalterlichen“ und<br />

älteren Damen, alle mit leuchtenden Augen<br />

und strahlenden Gesichtern, voller Freude,<br />

endlich eine Aufgabe im Dienst am Nächsten<br />

gefunden zu haben. Es waren Frauen aller<br />

Schichten, Hausfrauen mit erwachsenen Kindern,<br />

Lehrerinnen im Ruhestand, pensionierte<br />

Beamtinnen etc.. In der Cafeteria sprachen wir<br />

bei einer Tasse Kaffee über unsere geplante<br />

Arbeit und verteilten Anmeldeformulare, in<br />

die man eintrug, wie oft und an welchen<br />

Tagen man „eingesetzt“ werden wollte und<br />

was man am liebsten täte. Fußend auf diesen<br />

Anmeldungen, stellten wir sofort einen<br />

exakten Plan auf, verschickten ihn an die Interessentinnen<br />

und begannen 14 Tage später.<br />

Ein Blitzstart, ein Experiment,<br />

von vielen guten Wünschen,<br />

aber auch Unkenrufen begleitet.<br />

Inzwischen arbeitet unsere<br />

Gruppe schon fast 8 <strong>Jahre</strong><br />

lang mit unverminderter Einsatzfreude<br />

und Verlässlichkeit.<br />

50 % der Helferinnen sind<br />

noch „Damen der ersten Stunde“,<br />

der Nachwuchs kommt<br />

aus dem Bekanntenkreis, oder<br />

es sind ehemalige Patientinnen.<br />

Nach dem jetzt auf alle<br />

Stationen erweiterten Einsatzplan<br />

verteilen sich 60 Damen so über einen<br />

Monat, daß das Krankenhaus täglich mit 5 bis<br />

7 Helferinnen rechnen kann. Wir sind ein fester<br />

Bestandteil des Krankenhauses geworden<br />

und nicht mehr wegzudenken. Freiwilligkeit<br />

ist oberstes Prinzip! Jede tut das, was ihr am<br />

meisten liegt: die Kontaktfreudigen an der<br />

Pforte zum Lotsendienst, Empfangen und<br />

Verabschieden, die Kinderliebenden bei den<br />

augenoperierten Kindern, einige kümmern<br />

sich rührend um alte Patientinnen.<br />

Der telefonische Anruf an die Pforte<br />

„Bitte eine Blaue Dame auf Station X oder<br />

Y“ ist für Schwestern und Patienten eine<br />

Selbstverständlichkeit in dringenden Fällen.<br />

Oberin Sobotta ist uns freundschaftlich verbunden<br />

und glaubt, daß die Blauen Damen<br />

„Reife und Wärme ins Haus bringen“. Wichtig<br />

ist die richtige Einstellung der Helferinnen!<br />

Sie müssen das Krankenhaus so annehmen,<br />

wie es ist, mit all seinen Schwächen. Die<br />

unruhebringenden, ständigen<br />

Kritiker gehören nicht hier<br />

hin! Wir bieten kleine Dienste<br />

an, in aller Bescheidenheit:<br />

Einkaufen Spazierengehen,<br />

Begleiten zum Röntgen und<br />

anderen Untersuchungen,<br />

Vorlesen, Briefeschreiben,<br />

Dolmetschen etc. Auf dieser<br />

Basis entstehen dann oft Gespräche,<br />

denn der Patient hat<br />

das gute Gefühl, hier ist ein<br />

Schwesternoberin Christa Sobotta, Mensch, der Zeit für mich hat,<br />

um 1970<br />

der dir zuhört.<br />

Wichtig für den reibungslosen<br />

Ablauf ist die richtige Einstellung zu den<br />

Schwestern. Diese dürfen nicht das Gefühl<br />

haben: die fremden Damen stehlen uns die<br />

Herzen der Patienten. Takt und Menschenkenntnis<br />

sind nötig.<br />

Erstaunlich ist die unermüdliche, herzerfrischende<br />

Art der Damen, ihre Arbeit zu<br />

sehen und anzupacken. Sie lassen sich nicht<br />

entmutigen durch schwierige Patienten,<br />

nichtgrüßende Ärzte – das dankbare Lächeln<br />

der Kranken macht sie glücklich. „Ich<br />

freue mich richtig auf meinen Donnerstag,<br />

meinen Dienstag“. „Mir würde etwas fehlen,<br />

wenn es den Hilfsdienst nicht gäbe“. Solche<br />

und ähnliche Aussprüche höre ich immer<br />

wieder. Jedenfalls war unser Unternehmen<br />

kein Strohfeuer – unsere Gruppe hat gezeigt,<br />

daß auch ehrenamtliche Arbeit, diszipliniert,<br />

ausdauernd und planmäßig getan, erfolgreich<br />

und anerkannt sein kann.<br />

165


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Flachbau Ost<br />

Personalhäuser<br />

Nach Fertigstellung der beiden<br />

Bettenhäuser und des Behandlungstraktes<br />

wurde der<br />

westliche Teil des Übergangskrankenhauses<br />

niedergelegt,<br />

um Raum zur Realisierung<br />

des zweiten Bauabschnittes<br />

zu schaffen. Anstelle des alten<br />

Ostflügels wurde in den<br />

<strong>Jahre</strong>n 1972 und 1973 ein<br />

neuer Flachbau errichtet, der<br />

die Physikalische Therapie (Bäderabteilungen<br />

und Krankengymnastik),<br />

die Hartstrahltherapie<br />

(Kobalt-Bombe) und die<br />

Isotopendiagnostik wie auch<br />

die Apotheke aufnehmen sollte.<br />

Die Bauarbeiten für den<br />

Flachbau Ost begannen im<br />

September 1972. Am 31. Mai<br />

1973 feierte man das Richtfest,<br />

am 1. August 1975 konnten<br />

die neuen Behandlungsräume<br />

in Betrieb genommen werden.<br />

Im Frühjahr 1969, als rund <strong>150</strong> freie<br />

Krankenschwestern im Marienhospital<br />

beschäftigt waren, wurde an der Prinz-<br />

Georg-Straße mit dem Bau von zwei<br />

neuen Personalwohnheimen begonnen.<br />

Neben dem 1958 fertig gestellten Wohnheim<br />

I (Prinz-Georg-Straße 57) wurde das<br />

Wohnheim II (Prinz-Georg-Straße 59) für<br />

Schwestern und das Wohnheim III (Prinz-<br />

Georg‐Straße 61) für Pfleger und Ärzte<br />

errichtet. Das neue Schwesternhaus war als<br />

70 Meter langer, gestreckter Bau geplant<br />

und wurde in „einbündiger“ Bauweise<br />

ausgeführt. Einbündig bedeutete, dass zur<br />

Prinz-Georg-Straße hin, als Abschirmung<br />

gegen Lärm, nur Flure und Nebeneinrichtungen<br />

angelegt wurden, während die<br />

Wohnräume zum Krankenhausgarten hin<br />

lagen. Nach neun Monaten waren die<br />

Arbeiten für die neue Behausung, die auf<br />

dem Gelände der ehemaligen Hospital-<br />

Ziegelei errichtet wurde, so weit vorangeschritten,<br />

dass am 8. Dezember 1969 das<br />

Richtfest gefeiert werden konnte. Anfang<br />

Februar 1971 wurde das Wohnheim II von<br />

den ersten Schwestern bezogen. Die 99<br />

Heimplätze waren auf 16 Wohnungen für<br />

leitende Schwestern und 83 Einzelappartements<br />

mit Duschraum und Balkon verteilt.<br />

Unmittelbar nach der Fertigstellung des<br />

Schwesternwohnheims wurde im April<br />

1971 der Bau des Familienwohnhauses in<br />

Marienhospital, Flachbau Ost, 2014<br />

Marienhospital, Neubau Personalhäuser, 1970<br />

Marienhospital, Schwesternwohnheim Vorderansicht<br />

Prinz-Georg-Straße 61, 2014<br />

Marienhospital, Schwesternwohnheim Rückansicht<br />

Prinz-Georg-Straße 61-63, 2014<br />

166


Marienfigur<br />

Angriff genommen. Das 1973 in Nutzung<br />

genommene Personalhaus III war nicht nur<br />

Wohnheim für Pfleger und Ärzte sondern<br />

auch Heimstatt für einen Kindergarten. Die<br />

am 1. August 1973 eröffnete krankenhauseigene<br />

Kindertagesstätte wurde von zwei<br />

Kindergärtnerinnen geleitet und nahm<br />

ausschließlich Kinder von Mitarbeitern<br />

des Marienhospitals auf. Mit Beginn des<br />

<strong>Jahre</strong>s 1977 wurde die Trägerschaft und<br />

die Leitung der Kindertagesstätte auf die<br />

Kirchengemeinde St. Rochus übertragen.<br />

Marienfigur<br />

Zur Ausschmückung der Eingangshalle<br />

erwarb der Vorstand des Marienhospitals<br />

im <strong>Jahre</strong> 1969 für 5900<br />

DM über den Kunsthandel eine neue<br />

Marienfigur. Die aus Terracotta angefertigte<br />

Madonna<br />

soll aus dem 18. Jahrhundert<br />

stammen, doch<br />

ist ihre wirkliche Herkunft<br />

ungewiss. Ungewiss ist auch<br />

der Verbleib des Marienbildnisses<br />

von Joseph Reiß, das bis zur<br />

Niederlegung des alten Marienhospitals<br />

im Vestibül stand und hier<br />

die Besucher des Krankenhauses<br />

„begrüßte“. Es ist heute nicht mehr<br />

auffindbar und gilt als verloren.<br />

Marienbildnis aus Terracotta, um 1970<br />

Marienbildnis aus Terracotta,<br />

nach der Restaurierung, 2014<br />

Marienbildnis von Joseph Reiß<br />

167


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Marienhospital, Gesamtansicht, um 1973<br />

168


Entwicklung seit 1970<br />

Blitzlichter der Entwicklung seit 1970<br />

Und wo bleiben in der Darstellung die letzten vier Jahrzehnte?<br />

Für eine historische Aufarbeitung ist es vielleicht noch zu früh, doch<br />

sollen diese wichtigen <strong>Jahre</strong> nicht unerwähnt bleiben. Bei der Vorbereitung<br />

des Jubiläumsjahres stieß man auf Fotografien, die in den ersten<br />

Monaten nach Inbetriebnahme des Neubaus angefertigt wurden. Wie<br />

wäre es, diesen Aufnahmen Fotos aus jüngster Zeit gegenüberzustellen<br />

und den Wandel in kurzer Form zu kommentieren? – Diese Idee fand<br />

im Vorbereitungskreis allgemeine Zustimmung, zumal die Zeit drängte.<br />

Ich selbst kenne das neue Haus seit über 40 <strong>Jahre</strong>n und habe den allmählichen<br />

Wandel in guter Erinnerung. Daher habe ich die Aufgabe gerne übernommen,<br />

die Bildauswahl zu treffen und die Begleittexte zu schreiben. Die Aufnahmen aus<br />

den siebziger <strong>Jahre</strong>n des letzten Jahrhunderts zeigen überwiegend die allgemeinen<br />

Einrichtungen des Hauses in ihrer architektonischen Schönheit, weniger die<br />

medizintechnischen Errungenschaften dieser Zeit. Daher kann die Auswahl auch<br />

nicht die Entwicklung der medizinischen Fachabteilungen dokumentieren. Es fand<br />

sich z.B. kein Bild, das den bereits damals hohen Standard in der Inneren Medizin<br />

mit der Erkennung von Herz- und Lungenkrankheiten, den Beatmungsgeräten der<br />

Intensiveinheit oder den damaligen Stand der Dialyseeinrichtung dokumentiert<br />

hätte. Diese Entwicklungen aufzuzeigen, ist einer späteren Aufbereitung vorbehalten.<br />

So bleiben die gezeigten Fotografien Blitzlichter des sich ständig wandelnden<br />

Marien Hospitals, mitten im Leben, mitten in Düsseldorf.<br />

Dr. Richard Derichs<br />

169


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Die Kapelle<br />

Die Aufnahme der neu errichteten kreisförmigen Kapelle zeigt<br />

die bis heute unveränderten Elemente des Gotteshauses. Dort,<br />

wo auf dem breiten Sockel eine kleine Marienstatue steht, sollte<br />

wenig später die restaurierte spätgotische Pietà stehen, die<br />

bis heute dort ihren Platz hat und von vielen Menschen, die in<br />

Sorge um ihre Angehörigen sind, aufgesucht wird. In den mehr<br />

als zwei Jahrzehnten des Wirkens von Pfarrer Hubert Doods<br />

erfuhr die Kapelle dank großzügiger Spenden eine Reihe von<br />

Veränderungen. Der Kreuzweg wurde durch das zeitgenössische<br />

Werk des Prager Künstlers Luděk Tichý ersetzt. Zusätzlich schuf<br />

170


Entwicklung seit 1970<br />

Die Kapelle<br />

Tichý Holzreliefs der Seligpreisungen sowie ein großes Auferstehungsrelief<br />

für den Ambo. Im Vorraum der Kapelle hängt nun<br />

ein Relief der Bielefelder Künstlerin Nina Koch, das die Flucht<br />

aus Ägypten aufgreift. Nina Koch schuf für die Seitenkapelle<br />

auch ein Relief, dass sich mit dem Wirken von Mutter Teresa<br />

befasst. Vor wenigen <strong>Jahre</strong>n wurde die spätgotische Madonna,<br />

die bereits in der Kapelle des alten Marien Hospitals stand,<br />

von der Stifterfamilie zurückgegeben. Nach einer gründlichen<br />

Restaurierung steht die Madonna nun auf einer Stele zwischen<br />

Altar und Tabernakel-Säule.<br />

171


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Der Eingangsbereich<br />

Tiefgreifende Veränderungen hat in den zurückliegenden<br />

Jahrzehnten auch der Eingangsbereich erfahren. Die durch<br />

Glaswände abgeschirmte Pförtnerloge, an die sich die Telefonzentrale<br />

anschloss, in der täglich zahllose Gespräche von Hand<br />

vermittelt wurden, die Telefonzelle, der Briefkasten und auch<br />

die Garderobe sind längst verschwunden. Heute gibt es auf<br />

der gegenüberliegenden Seite einen modernen Empfang. Gespräche<br />

werden elektronisch vermittelt, der Briefkasten ist nach<br />

172


Entwicklung seit 1970<br />

Der Eingangsbereich<br />

draußen gewandert. Dabei verlässt man das Haus durch eine<br />

Drehtür, die als Windfang dient. Heute wirkt die Eingangshalle<br />

großzügig, bietet Platz für Gespräche und dient für Infotafeln<br />

und wechselnde Kunstausstellungen. Zu der Großzügigkeit<br />

hat die Verlagerung großer Teile der Administration in das alte<br />

Ärztehaus an der Rochusstraße beigetragen. Hierdurch konnte<br />

ein geräumiger Wartebereich für die administrative Patientenaufnahme<br />

entstehen, der mit der Eingangshalle verbunden ist.<br />

173


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Cafeteria<br />

Schon der Name verheißt ein wenig mehr als nur eine Kantine.<br />

In hellen Räumen können Patienten, Besucher und das Personal<br />

warme und kalte Mahlzeiten einnehmen. Während früher die<br />

warme Mahlzeit vom Küchenpersonal ausgegeben wurde, kann<br />

man sich heute, wie in einem Restaurant, die gewünschten<br />

Zubereitungen an einem warmen Buffet oder an der Salatbar<br />

selbst zusammenstellen. Desserts oder Kuchen, heiße und kalte<br />

Getränke, verschiedene Eissorten lassen sich genauso finden wie<br />

eine Warengondel mit Gebäck, Schokolade und anderen Süßigkeiten.<br />

Auch Zeitungen und Zeitschriften sowie Hygieneartikel<br />

gehören zum Sortiment.<br />

Im Sommer vergrößert sich heute die Cafeteria um eine große<br />

Terrasse, die mit Tischen, Stühlen und dazugehörigen<br />

174


Entwicklung seit 1970<br />

Cafeteria<br />

Sonnenschirmen vor allem für das Personal oft die einzige<br />

Gelegenheit des Tages bietet, ein wenig Sonne zu tanken.<br />

In der Cafeteria gab es früher einige runde Tische. Mittags<br />

saßen oft Ärzte oder Schwestern einer Abteilung an diesen<br />

Tafeln, die stets für alle reichten und damit der Kommunikation<br />

untereinander dienten. Ursprünglich konnte die Cafeteria durch<br />

verschiebbare Wandelemente vergrößert werden. Heute ist der<br />

hintere Teil der Cafeteria zu einem wichtigen Konferenzraum<br />

geworden, der mit einem großen ovalen Konferenztisch und moderner<br />

Präsentationstechnik ausgestattet ist. Auch die Cafeteria<br />

lässt sich leicht in einen Veranstaltungsraum verwandeln, sei es<br />

für Fortbildungen mit Projektionsmöglichkeiten, Podiumsdiskussionen<br />

oder auch festliche Anlässe.<br />

175


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Die Aufzüge<br />

Obwohl das Marien Hospital über ein deutlich größeres Areal<br />

verfügt als andere Düsseldorfer Kliniken der Innenstadt, bestand<br />

beim Neubau die Notwendigkeit, deutlich mehr Geschosse anzulegen,<br />

als dies im Altbau möglich gewesen wäre. Dank moderner<br />

Aufzugsanlagen gelang es nun, Patienten im Krankenhausbett<br />

zu entfernten Behandlungsräumen liegend zu transportieren. Im<br />

Altbau hätte es dazu tragbarer Bahren bedurft, die von „Wärtern“<br />

treppauf/treppab getragen werden mussten. Wer heute<br />

noch das Treppenhaus im Ostflügel benutzt, wird sich über die<br />

breiten Treppenstufen und den geringeren Neigungswinkel der<br />

Treppen wundern. Nur so konnten Patienten halbwegs horizontal<br />

getragen werden.<br />

176


Entwicklung seit 1970<br />

Die Aufzüge<br />

Der Aufzugflur im neuen Haus war großzügig konzipiert worden,<br />

um das Rangieren mit Betten vor den Fahrstühlen zu erleichtern.<br />

Im Laufe der immer größeren Verdichtung von Diagnostik und<br />

Therapie gelangten die Lifte an die Grenzen der Kapazität, zumal<br />

sie ja auch der Beförderung der Besucherströme und vieler anderer<br />

Transporte dienten. Daher entschloss man sich, zu Lasten<br />

der großzügigen Fensterfront gegenüber den Fahrstühlen von<br />

außen einen Aufzugsschacht für zwei Personenlifte zu errichten,<br />

was zu einer deutlichen Entlastung führte.<br />

Neben den zentralen Aufzugsanlagen musste bei der Wiederherstellung<br />

des Altbaus (Ostflügel) auch dort ein Schacht für<br />

Fahrstühle errichtet werden, weil der Ostflügel noch ohne Lifte<br />

gebaut worden war.<br />

177


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Stationsflur<br />

Die Stationsflure dienen mit ihren Nebenräumen der pflegerischen<br />

und ärztlichen Versorgung der Patienten. Holzpaneele,<br />

mit denen die Decken abgehängt wurden, hölzerne Handläufe,<br />

Türen und Fensterzargen sorgten für Schallschutz und eine<br />

wohnliche Atmosphäre. Bei den Nebenräumen wurde seinerzeit<br />

viel Wert auf Funktionalität gelegt. Aber was vor 40 <strong>Jahre</strong>n noch<br />

vorbildlich war, muss Schritt für Schritt an wesentlich höhere<br />

178


Entwicklung seit 1970<br />

Stationsflur<br />

Anforderungen angepasst werden. Einer davon ist der Brandschutz,<br />

der aus guten Gründen das Haus zwang, hohe Beträge<br />

zu investieren. Die umfangreichen Investitionen betrafen u. a.<br />

Brandschutztüren und den Ersatz von Holzdecken durch brandsichere<br />

Deckenkonstruktionen. Auch konnten beim Rückbau der<br />

großen Zimmer neue Toilettenanlagen gebaut und dadurch der<br />

sogenannte Hotelstandard nach und nach verbessert werden.<br />

179


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Die Aufenthaltsräume<br />

Auf jeder Station befinden sich etwa in der Mitte des Flures<br />

in Nähe des Stationsarbeitsplatzes Einbuchtungen mit Sitzmöglichkeiten<br />

für Patienten und ihre Besucher. Zwischen zwei<br />

gegenüberliegenden Stationen gab es großzügige, durch eine<br />

Glaswand abgetrennte Aufenthaltsräume, in denen in den<br />

70er <strong>Jahre</strong>n teilweise noch das Rauchen erlaubt war. Durch<br />

die Fortschritte in der Medizin wurden immer mehr Flächen für<br />

Funktionsräume benötigt. Diesem Bedarf stand aber nur ein begrenztes<br />

Raumangebot gegenüber. Auch gab es neue Konzepte<br />

180


Entwicklung seit 1970<br />

Die Aufenthaltsräume<br />

in der Pflege, bei der nicht die Station, sondern die Pflegeebene<br />

Priorität bekam. Dadurch wurden die Aufenthaltsräume mehr<br />

und mehr zu Arbeitsräumen der Bereichspflege umgewandelt.<br />

Ein Raum diente eine Reihe von <strong>Jahre</strong>n als Bücherei mit einem<br />

vielfältigen <strong>Buch</strong>angebot. In einer anderen Ebene waren ärztliche<br />

Behandlungsräume untergebracht. Heute finden viele Kontakte<br />

zwischen Patienten und Besuchern in der Cafeteria statt, die<br />

durch ein gelungenes Ambiente und durch ein vielfältiges Angebot<br />

die alten Aufenthaltsräume deutlich überbietet.<br />

181


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Stationsarbeitsplatz<br />

Auf dem Bild zu Anfang der 70er <strong>Jahre</strong> erkennt man, dass es im<br />

Hause eine Rohrpostanlage gab. Es war ein großer Fortschritt, da<br />

hierdurch Befunde z. B. aus dem Labor oder aus der Radiologie<br />

schnell zu den Empfängern im Haus versendet werden konnten.<br />

Aus Gründen des Brandschutzes wurde die Anlage, die sich als<br />

recht störungsempfänglich erwies, stillgelegt. Die Rohre mussten<br />

entfernt oder versiegelt werden, um im Brandfall keine Gefahr<br />

darzustellen. Heute wird im Marien Hospital ein modernes Computergesteuertes<br />

Informationssystem benutzt, das kaum noch<br />

182


Entwicklung seit 1970<br />

Stationsarbeitsplatz<br />

Wünsche übrig lässt. Auch die elektronische Patientenakte ist<br />

längst Realität, wenngleich noch in einem Übergangsstadium.<br />

Unverzichtbar bleibt das verantwortungsvolle Zusammenstellen<br />

der Medikamente für jeden einzelnen Patienten. Auch die<br />

Schwesterntracht erfuhr einen Wandel. Unterschiedliche Hauben<br />

für Schwesternschülerinnen und examinierte Schwestern sind<br />

längst verschwunden. Das einteilige Schwesternkleid wurde<br />

durch einen Zweiteiler mit Hose und Kasack abgelöst.<br />

183


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Das Bettenhaus<br />

In der Phase des Neubaus des Marien Hospitals musste der<br />

Krankenhausbetrieb weitergehen. Daher wurde das Bettenhaus<br />

hinter dem alten Hauptgebäude parallel zur Sternstraße errichtet.<br />

Erst nach Fertigstellung des neuen Bettentraktes und nach<br />

Abriss des alten Haupthauses wurde im Winkel von 90 Grad<br />

der Therapie‐ und Ambulanzflügel parallel zur Rochusstraße<br />

errichtet. Das Bettenhaus ist also der älteste Teil des Neubaus.<br />

In den 60er <strong>Jahre</strong>n wurde der Bereitstellung eines genügend<br />

großen Bettenkontingents eine große Bedeutung zugewiesen.<br />

So wurden die Kopfzimmer der einzelnen Stationen als Sechsbettzimmer<br />

eingerichtet. Dies entspricht nicht mehr den heutigen<br />

Ansprüchen an eine Versorgung im Krankenhaus.<br />

184


Entwicklung seit 1970<br />

Das Bettenhaus<br />

Die Sechsbettzimmer werden heute mit maximal vier Betten<br />

belegt; die meisten von ihnen wurden bereits in zwei Einzel- oder<br />

Doppelzimmer umgewandelt. Durch intensive bauliche Maßnahmen<br />

konnte eine Reihe von Stationen entweder komplett saniert<br />

oder unter Einbeziehung erheblicher Brandschutzmaßnahmen<br />

dem heutigen Standard angepasst werden. Wir dürfen hoffen,<br />

dass in den nächsten <strong>Jahre</strong>n die Sanierungsarbeiten zu einem<br />

Abschluss geführt werden können. Wenn man heute ein Zimmer<br />

betritt, so fallen die modernen Betten auf, die von den Patienten<br />

vielfach verstellbar sind. Auch Flachbild-Fernsehmonitore,<br />

Telefone und sogar Internetanschlüsse gehören heute dazu.<br />

185


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Säuglingszimmer<br />

Neugeborene wurden früher nach der Entbindung in ein Bettchen<br />

gelegt und im Säuglingszimmer von Kinderkrankenschwestern<br />

versorgt. Zu den Stillzeiten konnten die fahrbaren Bettchen mit<br />

den Neugeborenen über einen eigens dafür gebauten Gang<br />

unter Umgehung des Aufzugsbereiches zu den Müttern auf die<br />

geburtshilfliche Station gebracht werden. Später blieben die Bettchen<br />

immer häufiger bei den Müttern, als sich das „rooming in“<br />

immer mehr durchsetzte. Das hatte die Konsequenz, dass vor<br />

einer Reihe von <strong>Jahre</strong>n die geburtshilfliche Station komplett<br />

saniert wurde, um den geänderten Bedürfnissen der jungen<br />

186


Entwicklung seit 1970<br />

Säuglingszimmer<br />

Eltern gerecht zu werden. Schließlich wurde das Säuglingszimmer<br />

mit seinen Nebenräumen nicht mehr gebraucht. Es wurde<br />

zunächst in ein Fortbildungszentrum mit zwei großen und zwei<br />

kleinen Multifunktionsräumen umgebaut. Seit einigen <strong>Jahre</strong>n<br />

beherbergen die Räume die Klinik für Senologie unter der Leitung<br />

von Prof. Audretsch.<br />

Auf der geburtshilflichen Station entstand neben dem zentralen<br />

Stationsarbeitsplatz für die Pflege der Säuglinge ein neuer<br />

Raum, der auch eine Still-Ecke beherbergt für Mütter mit ihren<br />

Neugeborenen.<br />

187


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Zentralambulanz<br />

Das historische Foto zeigt einen unfallchirurgischen Behandlungsraum<br />

in der Zentralambulanz.<br />

Die maßgeblichen Ärzte Dr. Bross als Chirurg und Dr. Wirtz als Internist<br />

haben das Marien Hospital bereits zu Anfang der 70er <strong>Jahre</strong><br />

zu einem sich stetig weiterentwickelnden Notfallkrankenhaus<br />

gemacht. Hier stand immer ein für den sogenannten Herzalarm<br />

ausgerüstetes Ärzte‐ und Pflegeteam für den sofortigen Einsatz<br />

bereit. Ein rotes Telefon kündigte die Einlieferung lebensbedrohlich<br />

Erkrankter an. Auch der sogenannte Schockraum war bereits<br />

188


Entwicklung seit 1970<br />

Zentralambulanz<br />

nach dem Neubau fester Bestandteil dieser Versorgungsstruktur.<br />

Heute ist das Marien Hospital zertifiziertes Traumazentrum. In<br />

der Zentralambulanz werden zu jeder Tages- und Nachtzeit viele<br />

Tausend Notfallpatienten pro Jahr versorgt. Inzwischen wurde<br />

die Organisation der zentralen Notfallambulanz einem ärztlichen<br />

Leiter übertragen. In vielen Räumen können parallel Patienten<br />

mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern versorgt werden.<br />

189


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Radiologie<br />

In der Radiologie hat die konventionelle Röntgentechnik noch<br />

einen hohen Stellenwert, wenngleich die Belichtung eines<br />

Röntgenfilms und seine Entwicklung in der Dunkelkammer der<br />

Vergangenheit angehören. Auch das auf dem Foto zu erkennende<br />

Tomografiegerät ist längst veraltet und wurde entfernt.<br />

Hierbei mussten durch eine mechanische Apparatur Röntgenfilm<br />

und Röntgenkopf gegenläufig bewegt werden, wodurch<br />

190


Entwicklung seit 1970<br />

Radiologie<br />

nur Strukturen einer Schicht des menschlichen Körpers scharf<br />

abgebildet wurden. Diese Technik half seinerzeit bei der Erkennung<br />

etwa von Nierensteinen oder von Bronchialkarzinomen.<br />

In gewisser Weise sind die alten mechanischen Tomografen<br />

Vorläufer der modernen Computertomografie‐Geräte. Heute<br />

gehören Computertomografie und Kernspintomografie längst<br />

zu den unverzichtbaren diagnostischen Geräten der Radiologie.<br />

191


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Operationssaal<br />

Im 5. Stock des Behandlungstraktes teilten sich Bauch- und<br />

Unfallchirurgen, Gynäkologen, Urologen und Augenärzte die<br />

bestehenden Operationssäle. Eine Kapazitätsausweitung stieß<br />

bald an Grenzen. Auch konnten die alten Räume den gestiegenen<br />

technischen Anforderungen im Laufe der <strong>Jahre</strong> nicht mehr gerecht<br />

werden. Nach dem Vorbild des Baues der Intensivstationen<br />

192


Entwicklung seit 1970<br />

Operationssaal<br />

auf dem westlichen Flachbau wurde nun in den 90er <strong>Jahre</strong>n<br />

über dem Flachbau der Physiotherapie ein neuer Operationstrakt<br />

errichtet, der wesentlich größere Kapazitäten zuließ. Inzwischen<br />

wurden die alten Operationsräume im 5. Stock saniert und zu<br />

modernen Operationssälen umgestaltet.<br />

193


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Labor<br />

Die Automatisierung von Arbeitsschritten hat innerhalb eines<br />

Krankenhauses vor allem die Labors verändert. Der Ermittlung jedes<br />

einzelnen Laborwertes gingen früher aufwändige, von Hand<br />

durchzuführende Analyseschritte voraus. Durch immer schnellere<br />

Automaten und deren Anbindung an immer leistungsfähigere<br />

Computer wuchs der ökonomische Druck, Labore auszulagern.<br />

Diese Entwicklung machte auch vor dem Marien Hospital nicht<br />

194


Entwicklung seit 1970<br />

Labor<br />

halt. Aber: Seit Antritt des neuen Chefarztes der Klinik für Hämatologie<br />

und Onkologie Dr. Giagounidis wurde Schritt für Schritt<br />

ein hochspezialisiertes hämatologisches Labor installiert, das den<br />

hohen Anforderungen der Hämato‐Onkologie gerecht wird.<br />

Auch das Institut für Pathologie Dr. Klosterhalfen und Partner<br />

ist mit einem Präsenzlabor, z.B. für Schnellschnittdiagnostik, ins<br />

Marien Hospital eingezogen.<br />

195


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Prinz-Georg-Straße<br />

Das Areal des Marien Hospitals reicht bis an die Prinz-Georg-<br />

Straße. Dort wurden beim Neubau des Krankenhauses zwei<br />

Wohnhäuser errichtet, von denen das Schwesternheim auf dem<br />

Bild zu erkennen ist. An der Ecke zur Stockkampstraße stand<br />

bereits ein Wohnheim, das lange als Krankenpflegeschülerheim<br />

benutzt wurde, inzwischen aber abgerissen werden musste.<br />

196


Entwicklung seit 1970<br />

Prinz-Georg-Straße<br />

Hierdurch wurde Gelände gewonnen für die Errichtung einer<br />

hochmodernen Strahlentherapie, die im Herbst 2013 unter der<br />

ärztlichen Leitung von Prof. Dr. Karl-Axel Hartmann den Betrieb<br />

aufgenommen hat. Das Marien Hospital hat sich hierdurch auch<br />

zur Prinz-Georg-Straße hin geöffnet und bietet dort Parkplätze<br />

für die Besucher der Strahlentherapie.<br />

197


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Der Blick von der Rochusstraße<br />

Beim Neubau des Marien Hospitals wurde die Eingangsachse um<br />

90 Grad nach Westen gedreht, wodurch sich das Krankenhaus<br />

zur Rochusstraße hin öffnet. Vor dem in Nord-Süd-Ausrichtung<br />

liegenden Behandlungstrakt wurde seinerzeit ein Flachbau<br />

errichtet, der u. a. die Ambulanzräume und die Administration<br />

aufnahm. Als fortschrittlich galt die Möglichkeit für Krankentransporte,<br />

sich abgeschirmt von Wind und Wetter und abgetrennt<br />

vom übrigen Ambulanzbetrieb in eine Vorhalle einzuschleusen,<br />

die direkt mit der Ambulanz verbunden war. Da die Rettungswagen<br />

Ende der 70er <strong>Jahre</strong> größer und höher wurden, musste die<br />

Halle aufgestockt werden. Als in den 80er <strong>Jahre</strong>n der Neubau<br />

von zwei Intensivstationen unumgänglich wurde, schlug der<br />

Architekt die Aufstockung des Flachbaus nach entsprechender<br />

statischer Armierung vor. Ähnliches wurde später in dem Flachbau<br />

östlich des Behandlungstraktes durch denselben Architekten<br />

198


Entwicklung seit 1970<br />

Der Blick von der Rochusstraße<br />

wiederholt, als es darum ging, einen neuen Operationstrakt zu<br />

errichten. Zwischen dem Behandlungstrakt und dem in etwa<br />

rechtwinklig dazu liegenden Bettentrakt mit einem westlichen<br />

und einem östlichen Flügel befindet sich der Aufzugsbereich. Auf<br />

dem Bild erkennt man den Schacht für die beiden zusätzlichen<br />

Personenaufzüge, der geschickt von außen hochgezogen wurde.<br />

Dem chronischen Mangel an Parkplätzen begegnete man mit<br />

einer Umgestaltung des Vorplatzes, wodurch deutlich mehr<br />

Parkgelegenheiten geschaffen wurden. Bei der Umgestaltung<br />

musste der mit Waschbetonplatten umrandete rechteckige<br />

Springbrunnen weichen.<br />

Rechts der Eingangsdrehtür befindet sich eine bronzene Madonna<br />

von der Künstlerin Nina Koch. Die Statue zeigt einen<br />

intensiven Blickkontakt zwischen Maria und dem Jesuskind.<br />

199


<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital Düsseldorf<br />

Bildnachweis<br />

Herausgeber und Autor haben sich bemüht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen. In Fällen, wo dies nicht gelungen ist, bitten wir um Mitteilung.<br />

Abkürzungen: o = oben; u = unten; m = Mitte; l = links; r = rechts<br />

Adalbert Oehler, Düsseldorf im Weltkrieg. Schicksal und<br />

Arbeit einer deutschen Großstadt, Düsseldorf 1927: Seite<br />

73u, 74or, 74ur<br />

Adolf von Kamp, Beschribung der Begrebnüs weilandt des<br />

Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten - und - Herren,<br />

Herren Iohan - Wilhelm, Hertzogen zu Gulich, Cleve und<br />

Berg, Grave zu der Marck, Ravensberg und Moers, Herr zu<br />

Ravenstein, Cristseliger Gedechtnüs der letzte Aus diesem<br />

Fürstlichem stam, Welche gehalten worden zu Düsseldorf<br />

den 30 Octobris Anno 1628. Nach dem Ihre Fürst. Gnade<br />

Leichnam Bey de 20 Jahr Nach Dero seligen Absterben<br />

in der Hoff Capellen Alda Oben der Erden unbegraben<br />

gestanden, Düsseldorf 1629: Seite 5o<br />

Andreas Bretz, Rheinische Post: Seite 3<br />

Angelika Rattenhuber, Düsseldorf: Seite 111ol<br />

Archiv der Kölnischen Franziskanerprovinz, Mönchengladbach:<br />

Seite 80<br />

Arme Schwestern vom Heiligen Franziskus, Aachen: Seite<br />

22o, 25o, 26ol, 26or, 26m, 26ml, 33o, 40o, 47m, 51o, 51u,<br />

53o, 54or, 57o, 66ol, 70um, 70ur, 71o, 96o, 99ur, 100u,<br />

118o, 118m, 118ul, 118ur, 148r, 167r<br />

Bibliothèque de Bourgogne, Brüssel: Seite 5ur<br />

Calendarium inclyti ordinis equestris D. Huberto sacri,<br />

Mannheim 1769: Seite 6u<br />

Caritasverband für die Stadt Düsseldorf: Seite 27o, 96u,<br />

97o, 97u, 98, 99ol, 108o, 134ml, 137ul, 138m<br />

Claus-Torsten Schmidt, Düsseldorf: Seite 47o, 50o, 64or,<br />

65ml, 72u, 76m, 99or<br />

Dieter Reinold, Düsseldorf: Seite 45o<br />

Erwin Quedenfeldt, Einzelbilder vom Niederrhein. Zur<br />

Pflege der Heimatkunst, Düsseldorf 1911: Seite 8u, 38u<br />

Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth, Düsseldorf: Seite<br />

64ur<br />

Gerd Schlüter, Düsseldorf: Seite 17o, 17u, 21m, 31o, 34o,<br />

36o, 40ul, 52o, 58ol, 64ol, 64ul, 65ol, 65or, 65mr, 66mr,<br />

70o, 75ul, 76m, 76ul, 77u, 83or, 85o, 90u, 91ul, 93, 99mr,<br />

99ul, 119ol, 127u, 144m<br />

Heiko Schneitler, Solingen: Seite 16o, 55ol, 56o, 60ol, 62u,<br />

65ml, 65ur, 66ml, 79, 87u, 99ml, 158ur<br />

Hubert Adolphs, Düsseldorf: Seite114ul<br />

Karl Theodor Zingeler, Karl Anton von Hohenzollern und<br />

die Beziehungen des Fürstlichen Hauses Hohenzollern zu<br />

dem Hause Zähringen-Baden. Festschrift zur Goldenen<br />

Hochzeits-Feier Ihrer Königlichen Hoheiten des Fürsten<br />

Karl Anton von Hohenzollern und der Fürstin Josefine,<br />

geb. Prinzessin von Baden am 21. Oktober 1884, Sigmaringen<br />

1884: Seite 16u<br />

Kranken-, Heil- und Pflege-Anstalten im Rheinland, Düsseldorf<br />

1930: Seite 50u, 65ul, 66ul<br />

Landesarchiv NRW-Abteilung Rheinland, Düsseldorf: Seite<br />

12ul, 35ur, 110u, 123u, 132ml, 137ur, 140u, 141ol, 141or<br />

Leonard Sieg, Kaarst: Titelbild, Seite 166o, 166ul, 166ur,<br />

167m, 171, 173, 175, 177, 179, 183, 185, 187, 197, 199<br />

Ludwig Humborg, 275 <strong>Jahre</strong> Rincklake van Endert. 1681-<br />

1956. Handwerker und Kaufleute in Münster, Münster<br />

1956: Seite 20o<br />

Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf: Seite 104u, 105ur,<br />

109, 112ur<br />

Marienhospital, Düsseldorf: Seite 21o, 28o, 30l, 30r, 31u,<br />

32o, 32m, 33u, 37o, 38o, 39o, 44o, 44u, 46u, 48, 57ul,<br />

58ul, 60or, 67, 70ul, 71u, 72o, 82, 84, 94u, 100o, 100m,<br />

111u, 117o, 122o, 122ml, 122mr, 122u, 123o, 123m, 127o,<br />

135ol, 135or, 135ul, 135ur, 140ol, 140or, 146o, 147ol,<br />

<strong>150</strong>ul, <strong>150</strong>ur, 151u, 156u, 157u, 158o, 158m, 158ul,<br />

159ol, 159or, 159m, 159u, 160o, 160u, 161o, 165, 167l,<br />

168, 169, 170, 172, 174, 176, 178, 180, 182, 184, 186,<br />

188, 190, 192, 194, 196, 198<br />

Martinuskrankenhaus Düsseldorf: Seite 40ur, 66or<br />

Medienzentrum Rheinland, Düsseldorf: Seite 138u<br />

Michael Sommer: Seite 191, 193<br />

Peter Schiffers, Düsseldorf: Seite 130u<br />

Pfarrarchiv Maria Empfängnis, Düsseldorf: Seite 61or<br />

Pfarrarchiv St. Lambertus, Düsseldorf: Seite 24o, 41o, 42o,<br />

42m, 56u, 61ol, 119u, 132o<br />

Pfarrarchiv St. Margareta, Düsseldorf: Seite 131<br />

Pfarrarchiv St. Maximilian, Düsseldorf: Seite 55u<br />

Pfarrarchiv St. Pius, Düsseldorf: Seite 141ul<br />

Pfarrarchiv St. Rochus, Düsseldorf: Seite 27ul, 124<br />

Pfarrarchiv St. Suitbertus, Düsseldorf: Seite 149<br />

Provinzialat der Töchter vom heiligen Kreuz, Aspel:<br />

Seite 9o, 9u, 10o, 10m, 10u, 11u, 47u, 113o, 125o, 139u<br />

Ruth Kurz-Trimborn, Zülpich: Seite 58ur<br />

Richard Derichs: Seite 181, 189, 195<br />

St. Annastift, Düsseldorf: Seite 26ul, 148l, 148m<br />

St. Hubertusstift, Düsseldorf: Seite 6ol, 7o, 7u, 13<br />

Sozialdienst katholischer Frauen und Männer, Düsseldorf:<br />

Seite 111or<br />

Stadtarchiv Aachen: Seite 12ur<br />

Stadtarchiv Düsseldorf: Seite 14o, 18ol, 19o, 19u, 22u,<br />

27ur, 33m, 45ur, 53u, 55or, 63, 69u, 73m, 74ol, 74ul, 75ol,<br />

75or, 75m, 75ur, 78, 101o, 106u, 113u, 114o, 115o, 115ul,<br />

115ur, 116o, 116u, 121o, 121m, 121ul, 121ur, 125m,<br />

125u, 128, 130o, 132mr, 133, 134o, 134u, 137o, 141ur,<br />

143u, 144u, 164<br />

Stadtmuseum Düsseldorf: Seite 5ul, 8o, 11o, 14u, 34u,<br />

35m, 40um, 45ul, 62o, 62m, 76o, 83ol, 86o, 86u, 103,<br />

105ul, 108u, 110o, 112o, 112ul, 139ol, 144o<br />

Stadtwerke Düsseldorf: Seite 35o, 89ol, 114ur<br />

Ulrich Brzosa, Düsseldorf: Seite 6or, 26ur, 66ml, 66ur, 95o,<br />

138or, 154u<br />

Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf:<br />

Seite 23, 24u, 28u, 43, 46ol, 46or, 61om, 85u, 90o, 95u<br />

Verkehrs- und Verschönerungs-Verein für den<br />

linksrheinischen Teil der Stadt Düsseldorf: Seite 58or<br />

Westdeutsche Zeitung, Düsseldorf: Seite 88ol, 88or, 89ol,<br />

91o, 91ur, 106m, 119or, 132u, 134mr, 136, 138ol, 139or<br />

Wilhelm Haberling, Die Geschichte der Düsseldorfer Ärzte<br />

und Krankenhäuser bis zum <strong>Jahre</strong> 1907, in: Düsseldorfer<br />

Jahrbuch 38 (1936), 1 – 141: Seite 49u<br />

Wolfgang Adolphs, Hilden: Seite 76ur<br />

200


Zum <strong>150</strong>-jährigen Gründungsjubiläum der Katholischen Stiftung Marien Hospital<br />

zu Düsseldorf schildert Ulrich Brzosa das bürgerschaftliche Engagement für die<br />

Gründung eines katholischen Krankenhauses in Düsseldorf und seine Entwicklung<br />

durch die Zeitläufte vom Beginn der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

über das Kaiserreich, die Weimarer Republik, die Einschnitte der beiden Weltkriege<br />

bis in die Gegenwart. Brzosa schöpft aus einem reichen Quellenfundus, aus dem<br />

heraus er den Lesern Geschichte auch als Geschichten lebendig vor Augen führt.<br />

In einem zweiten Teil dokumentiert Richard Derichs als dienstältester Arzt am<br />

Marien Hospital und Zeitzeuge die jüngste Entwicklung seit der Einweihung des<br />

Neubaus im <strong>Jahre</strong> 1970 mit sorgfältig ausgesuchten und kenntnisreich kommentierten<br />

Fotos. Mit diesem <strong>Buch</strong> ist mehr als die Chronik nur eines Krankenhauses entstanden.<br />

Diese bildet den „roten Faden“ für eine Geschichte des Krankenhaus- und<br />

Gesundheitswesens in Düsseldorf.<br />

Ulrich Brzosa wurde 1962 in Düsseldorf geboren und studierte Katholische Theologie<br />

und Geschichte in Bonn und Wien. Er ist Mitarbeiter beim Caritasverband für die<br />

Stadt Düsseldorf und hat sich durch zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte,<br />

insbesondere zur Kirchengeschichte der Stadt Düsseldorf, einen Namen gemacht.<br />

<strong>150</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Marien Hospital<br />

Mitten im Leben<br />

Mitten in Düsseldorf<br />

Herausgegeben von der<br />

Katholischen Stiftung<br />

Marien Hospital zu Düsseldorf

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