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Timotheus Magazin #20 - Die Liebe Gottes

Inhalt Editorial Coram Deo (André Meyer) – Sieht Gott alles, was wir tun? Wenn ja, ist es uns ein Trost oder eine Bürde? Das Feuer der Liebe Gottes (Waldemar Justus) – Von der bedingungslosen Liebe Gottes! Die Gottes in der Erziehung seiner Kinder (Simon Arnold) – Ist die Liebe Gottes immer nur wohltuend? Das Evangelium: Gott zeigt seine Liebe (Rudolf Tissen) – Die größte und herrlichste Offenbarung der göttlichen Liebe! Robert C. Chapman (Thomas Hochstetter) – Von jemanden der wahrhaftig die Liebe Gottes in sich trug. Die Liebe Gottes im Alten Testament (Andreas Münch) – Offenbart Gott seine Liebe auch im »grausamen« Alten Testament? Interview mit Waldemar Justus (Peter Voth) – Einblicke in das Leben eines jungen Pastors. Interview mit Martin Reakes-Williams (Peter Voth) – Was macht ein Engländer in Leipzig? Gemeinde leiten! Buchvorstellungen

Inhalt
Editorial
Coram Deo (André Meyer) – Sieht Gott alles, was wir tun? Wenn ja, ist es uns ein Trost oder eine Bürde?
Das Feuer der Liebe Gottes (Waldemar Justus) – Von der bedingungslosen Liebe Gottes!
Die Gottes in der Erziehung seiner Kinder (Simon Arnold) – Ist die Liebe Gottes immer nur wohltuend?
Das Evangelium: Gott zeigt seine Liebe (Rudolf Tissen) – Die größte und herrlichste Offenbarung der göttlichen Liebe!
Robert C. Chapman (Thomas Hochstetter) – Von jemanden der wahrhaftig die Liebe Gottes in sich trug.
Die Liebe Gottes im Alten Testament (Andreas Münch) – Offenbart Gott seine Liebe auch im »grausamen« Alten Testament?
Interview mit Waldemar Justus (Peter Voth) – Einblicke in das Leben eines jungen Pastors.
Interview mit Martin Reakes-Williams (Peter Voth) – Was macht ein Engländer in Leipzig? Gemeinde leiten!
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BIBELTREUES MAGAZIN FÜR JUNGE CHRISTEN · <strong>#20</strong> · 3/2015


Editorial<br />

<strong>#20</strong> <strong>Die</strong> <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> - 03/2015<br />

Auf dem Cover<br />

»Der verlorene Sohn«<br />

Gustave Doré<br />

war ein französischer<br />

Maler & Grafiker (1832-<br />

1883). Das Cover ist<br />

eine Bearbeitung<br />

seines Holzschnitts vom<br />

„verlorenen Sohn".<br />

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,<br />

„Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen<br />

eigenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht<br />

verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.“ <strong>Die</strong>se<br />

wohlbekannte Aussage fasst die Botschaft des Evangeliums<br />

treffend zusammen. <strong>Die</strong> Frage nach dem Warum<br />

beantwortet sie dabei unmissverständlich mit <strong>Gottes</strong><br />

<strong>Liebe</strong>. Das Kreuz und die damit verbundenen blutigen<br />

Geschehnisse können jedoch von vielen nicht auf <strong>Liebe</strong><br />

zurückgeführt werden. Zu grausam und barbarisch ist<br />

das sich ergebende Bild. Doch was oberflächlich höchst<br />

abstoßend zu sein scheint, offenbart uns bei näherer<br />

Betrachtung die groteske Erscheinung sündhafter<br />

Rebellion. Sünde verdient den Tod, weil sie sich gegen<br />

das Leben – den lebendigen Gott – auflehnt. Und das<br />

obszöne und primitiv anmutende Geschehen am Kreuz<br />

verdeutlicht, wie primitiv und obszön Sünde für den lebendigen<br />

Gott ist. Doch er wollte uns nicht in unserer<br />

Sünde sterben lassen. Er hat keinen Gefallen daran, den<br />

Sünder sterben zu sehen. Deshalb kam er in Gestalt<br />

seines Sohnes auf die Erde herab, um selbst für uns zu<br />

sterben – um unseren Tod zu erleiden.<br />

Nichts entgeht<br />

der Reichweite<br />

seiner Gnade.<br />

Am Kreuz offenbart sich der bodenlose Abgrund der<br />

menschlichen Gesinnung. Das Licht kam in die Welt,<br />

doch wir konnten es nicht ertragen. <strong>Die</strong> schrecklichste<br />

aller Sünden wurde am Kreuz von uns begangen:<br />

die Ermordung des Messias. Doch an eben diesem<br />

Schauplatz ruft Christus sein Gebet für uns aus: „Vater,<br />

vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun“, und<br />

verdeutlicht so, dass nichts der Reichweite seiner<br />

Gnade entgeht. Sie überragt all den Schrecken, der sich<br />

in unseren Herzen verbergen mag. Und weil das so ist,<br />

ist sie in der Lage, uns wahrhaftig zu verändern. Es war<br />

die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>, die die Nägel durch die Knochen des<br />

Messias in das Kreuz trieb. Das Kreuz ist die anstößigste<br />

und zugleich wundervollste Botschaft, die jemals<br />

erklungen ist. Anstößig, weil sie die Verdorbenheit der<br />

menschlichen Gesinnung offenlegt und wundervoll,<br />

weil sie darstellt, wie <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> über diesen Schrecken<br />

triumphiert. Seine <strong>Liebe</strong> umfasste dabei nicht nur<br />

das Bestreben, uns in einen unschuldigen Zustand zu<br />

versetzen – denn das wäre nicht genug –, sondern uns<br />

auch einen Nachweis göttlicher Rechtschaffenheit zu<br />

geben – das ewige Leben.<br />

Andreas Kuhlmann<br />

2


Inhalt<br />

Inhalt<br />

4<br />

Coram Deo<br />

ANDRÉ MEYER<br />

Sieht Gott alles, was wir tun?<br />

Und wenn ja, ist es uns ein Trost<br />

oder eine Bürde?<br />

8<br />

Das Feuer<br />

der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong><br />

WALDEMAR JUSTUS<br />

Von der brennenden und bedinungslosen<br />

<strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>!<br />

12<br />

<strong>Die</strong> <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> in der<br />

Erziehung seiner Kinder<br />

SIMON ARNOLD<br />

Ist die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> immer nur<br />

wohltuend?<br />

16<br />

Das Evangelium:<br />

Gott zeigt seine <strong>Liebe</strong><br />

RUDOLF TISSEN<br />

<strong>Die</strong> größte und herrlichste Offenbarung<br />

der göttlichen <strong>Liebe</strong>!<br />

20<br />

Robert C. Chapman<br />

THOMAS HOCHSTETTER<br />

Von jemanden der wirklich liebte<br />

und man deshalb den „Apostel<br />

der <strong>Liebe</strong>“ nannte.<br />

24<br />

<strong>Die</strong> <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong><br />

im Alten Testament<br />

ANDREAS MÜNCH<br />

Offenbart sich die „<strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>“<br />

auch im Alten Testament?<br />

28<br />

Interview mit<br />

Waldemar Justus<br />

PETER VOTH<br />

Einblicke in das Leben eines<br />

jungen Pastors.<br />

32<br />

Interview mit<br />

Martin Reakes-Williams<br />

PETER VOTH<br />

Was macht ein Engländer in<br />

Leipzig? Gemeinde leiten!<br />

IMPRESSUM<br />

Redaktion Waldemar Dirksen,<br />

Viktor Sudermann, Andreas Kuhlmann,<br />

Peter Voth<br />

Art Direktor Peter Voth ∙ vothpeter@yahoo.de<br />

Lektorat Tanja Mirau<br />

Abodienst Katharina Wiebe ∙ kwiebe@betanien.de<br />

Verlag Betanien Verlag e.K. ∙ Imkerweg 38<br />

D-32832 Augustdorf ∙ info@betanien.de<br />

Online www.timotheusmagazin.de<br />

Shop www.cbuch.de/timotheus<br />

Erscheinungsweise Erscheint als<br />

Quartalsmagazin seit Oktober 2010<br />

alle drei Monate: Januar (Winter) · April<br />

(Frühling) · Juli (Sommer) · Oktober (Herbst).<br />

Preise Einzelausgabe ∙ €2,90 (zzgl.Versand)<br />

Jahresabo (D) ∙ €13,55 (inkl. Versand)<br />

Jahresabo (EU) ∙ €21,50 (inkl. Versand)<br />

3


Coram Deo<br />

Text von André Meyer<br />

Vielleicht kennst du es. Michael Jackson hat davon gesungen, als<br />

er 1984 auf Rockwells Platte die Zeile, „I always feel like somebody’s<br />

watching me!“ schmetterte. Kanzlerin Merkel erlebt es wahrscheinlich<br />

jedes Mal, wenn sie ihr zu schlecht vor den Amerikanern geschütztes<br />

Handy benutzt. Auch noch in der 89. Staffel von Big Brother werden<br />

es die „Prominenten“ am eigenen Leibe erfahren.<br />

Gemeint ist das Gefühl, unter Beobachtung zu stehen.


Für die meisten ist es ein gruseliges Gefühl. Wer mag schon einen Stalker? Aber was, wenn ich dir sage, dass<br />

es der wichtigste Bestandteil in der Nachfolge Christi ist? Ja, dass wir ohne es die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> nicht wirklich<br />

erleben können? Dass sogar das Evangelium nur diesem Zweck dient?<br />

Es geht natürlich um etwas mehr als nur darum, unter Beobachtung zu stehen. Ich möchte auf einen alten<br />

lateinische Ausspruch hinaus: Coram Deo (lateinisch „vor Gott“) 1 . Es ist völlig in Ordnung, wenn du diese<br />

beiden Worte noch nie gehört hast. Wichtig ist, dass du täglich erlebst, was dahintersteckt. Der Theologe R.C. Sproul<br />

wurde von einem Freund gefragt: „Worum geht es eigentlich im christlichen Leben?“ <strong>Die</strong>ser Freund meinte es ernst. Er<br />

wollte wirklich wissen, was das Leben als Christ ausmacht. Sprouls Antwort lautete: „Im christlichen Leben geht es um<br />

Coram Deo. Coram Deo erfasst das Wesen des christlichen Lebens.“ 2 Glücklicherweise erklärt Sproul, was er damit meint:<br />

„Der Ausdruck bezieht sich buchstäblich auf etwas, das in der Gegenwart oder vor dem Angesicht <strong>Gottes</strong> stattfindet. Coram<br />

Deo zu leben bedeutet, sein ganzes Leben in der Gegenwart <strong>Gottes</strong>, unter der Autorität <strong>Gottes</strong>, zur Ehre <strong>Gottes</strong> zu leben.“ 3<br />

Coram Deo ist also zuerst eine Erinnerung daran, dass wir vor jemandem leben, ein Publikum haben. Wir werden<br />

beobachtet und das ständig. In Psalm 139,3+6-7 steht: „Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine<br />

Wege. […] <strong>Die</strong>se Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen. Wohin soll ich gehen vor<br />

deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht?“<br />

VOR WELCHEM PUBLIKUM SPIELST DU?<br />

<strong>Die</strong> Frage dabei ist nicht, ob wir ein Publikum haben, sondern welches. Coram Deo bedeutet, mehr auf das zu hören,<br />

was Gott über mich sagt, als auf das, was andere Menschen über mich sagen. Immer wieder habe ich es in unserer<br />

Jugendarbeit mit Teenagern zu tun, die damit kämpfen, dass sie in ihrer Kindheit gehänselt wurden. Ihnen wurde<br />

1 Anm. d. Red.: Kirchengeschichtlich gesehen, ist dieser Begriff stark durch Martin Luther geprägt, der mit Coram Deo vor allem die „Gerechtigkeit<br />

vor Gott“ meinte.<br />

2 R. C. Sproul, In the Presence of God (Nashville, TN: Word Pub, 1999). (Übersetzung von mir).<br />

3 Ebd.<br />

© Foto: René Reichelt 5


z.B. immer wieder gesagt, sie seien hässlich. Coram Deo<br />

stellt solche Beleidigungen auf den Prüfstand. Coram<br />

Deo stellt uns vor die Frage: Wer sagt, ich sei hässlich?<br />

Ein Mensch? Bei allem Respekt, aber kein Mensch<br />

hat die Vollmacht dazu, mein Aussehen zu beurteilen.<br />

Nicht einmal ich selbst besitze diese Autorität. Denn<br />

Gott sagt über mich, ich bin wunderbar gemacht (Psalm<br />

139,14). Mich oder einen anderen Menschen als hässlich<br />

zu bezeichnen, bedeutet, anderer Meinung zu sein<br />

als Gott. Es bedeutet gar, ihm zu widersprechen.<br />

Wir biegen und verbiegen uns, um anderen Menschen<br />

zu gefallen und unserem menschlichen Publikum<br />

eine gute Show zu bieten. Wir werden abhängig<br />

von der Meinung anderer Menschen, weil wir keinen<br />

Wert auf die Meinung <strong>Gottes</strong> legen. Man könnte über<br />

uns dasselbe sagen wie über den einstigen britischen<br />

Premierminister David Lloyd George. Er war bekannt<br />

dafür, ein Wendehals zu sein. Als man einen seiner<br />

Bekannten fragte, was passiert, wenn George alleine<br />

ist, antwortete er: „Wenn Lloyd George alleine in einem<br />

Raum ist, dann ist dort keiner.“ Wir sind so abhängig<br />

von der Meinung anderer Menschen, dass wir keine<br />

eigene haben. Jeder von uns kann den Selbsttest<br />

durchführen. Wie oft am Tag triffst du Entscheidungen,<br />

weil andere Menschen es von dir erwarten? Zum<br />

Vergleich: Wie oft am Tag hältst du Rücksprache mit<br />

deinem Schöpfer über deine Entscheidungen? Coram<br />

Deo erinnert uns daran, dass wir niemals alleine sind.<br />

Dass dort immer jemand ist. Wer Coram Deo lebt, hat<br />

sich entschieden, nur noch für ein einziges Publikum<br />

zu leben: Das Publikum des Einen, der ins Verborgene<br />

sieht.<br />

Als Christen bekennen und glauben wir daran,<br />

dass Gott allgegenwärtig und allwissend ist und doch<br />

leben wir, als würde er nicht sehen, was wir tun. Ein<br />

weiterer britischer Politiker, Winston Churchill, sagte<br />

zu den andauernden Anschuldigungen eines politischen<br />

Gegners: „Würde ich ihn respektieren, würde mich seine<br />

Meinung interessieren. Aber das tue ich nicht, also tut sie<br />

es nicht.“ 1 Wenn wir jemanden respektieren, dann interessiert<br />

uns auch dessen Meinung. Leider machen wir es<br />

oft genau verkehrt herum. Wir interessieren uns für die<br />

Meinung von Menschen, manchmal sogar für die von<br />

völlig unbekannten. Aber die Meinung <strong>Gottes</strong> ist uns<br />

nicht wichtig. Was sagt das über unseren Respekt Gott<br />

gegenüber aus? Coram Deo erinnert jeden Christen daran,<br />

dass ausschließlich zählt, wer wir vor Gott sind. Ein<br />

erfahrener <strong>Die</strong>ner <strong>Gottes</strong> schrieb einst: „Ein Pastor mag<br />

es verstehen, seine Kirchenbänke zu füllen, viele Gläubige<br />

beim Abendmahl zu begrüßen und dem Volk Speise zu<br />

geben, aber was dieser Pastor im Geheimen auf seinen<br />

Knien vor Gott, dem Allmächtigen, ist, das ist er wirklich<br />

und nichts weiter.“ 2 In Anlehnung daran frage ich also<br />

dich: Wer bist du wirklich? Gott interessiert, wer wir<br />

wirklich sind und nicht, wie wir uns geben. Jesus sagt<br />

z. B.: „Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein<br />

und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im<br />

Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene<br />

sieht, wird dir's vergelten“ (Matthäus 6,6).<br />

CORAM DEO BEDEUTET HEILIGUNG<br />

Coram Deo bedeutet mehr als theoretisch zu glauben,<br />

dass Gott allwissend ist. Es bedeutet, in der Gewissheit<br />

zu leben, dass Gott mir nahe ist. Warum hat Josef der<br />

Versuchung durch Potifars Frau widerstanden (1. Mose<br />

39)? Weil er wusste, dass mehr als zwei Personen im<br />

Raum waren. Josef lebte Coram Deo, in der Gegenwart<br />

<strong>Gottes</strong>, vor dem Angesicht <strong>Gottes</strong>. Spurgeon fragte ein<br />

frommes Hausmädchen, woran sie erkennt, dass sie<br />

bekehrt ist. <strong>Die</strong> klassische Antwort: „Seit ich bekehrt<br />

bin, fege ich auch unter der Matte.“ 3 Coram Deo hilft uns<br />

also aktiv in der Heiligung 4 .<br />

DAS ZIEL DER BIBLISCHEN GESCHICHTE<br />

Mehr noch, Coram Deo ist das Ziel der gesamten<br />

biblischen Offenbarung. Das ist eine ganz schön steile<br />

Behauptung, ich weiß. Aber schauen wir uns kurz den<br />

roten Faden in der Bibel an.<br />

Nach dem Schöpfungsbericht kommt gleich der<br />

Sündenfall (1. Mose 3). Aber was haben wir eigentlich<br />

verloren, als wir uns gegen Gott auflehnten? In 1. Mose<br />

3,8-9 steht: „Und sie hörten Gott den Herrn, wie er im<br />

Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam<br />

versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht <strong>Gottes</strong>,<br />

des Herrn, unter den Bäumen im Garten. Und Gott der<br />

Herr rief Adam und sprach zu ihm: ‚Wo bist du?‘“<br />

Man kann es schnell überlesen, aber hier passiert<br />

etwas Fürchterliches. Gott muss den Menschen suchen!<br />

Ist Gott nicht allwissend? Ja, natürlich! Aber hier soll<br />

etwas unterstrichen werden. Seit dem Sündenfall lebt<br />

der Mensch nicht mehr aktiv in der Gegenwart <strong>Gottes</strong>.<br />

Es steht etwas zwischen Adam und dem Angesicht<br />

<strong>Gottes</strong>. Adams Antwort bestätigt dies: „Und er sprach:<br />

Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich<br />

bin nackt, darum versteckte ich mich“ (1. Mose 3,10).<br />

Adam versteckt sich vor Gott. Er lebt nicht länger vor<br />

dem Angesicht <strong>Gottes</strong>. Ab jetzt ist er auf der Flucht.<br />

<strong>Die</strong> gesamte folgende Geschichte in der Bibel dreht<br />

sich darum, dass Gott dem Menschen nachgeht, um<br />

ihn wieder in seine Gegenwart zu führen. Das Ziel ist<br />

Coram Deo.<br />

Später erfährt Mose, dass dies schwieriger ist als gedacht.<br />

Er bittet Gott: „Lass mich deine Herrlichkeit sehen“<br />

(2. Mose 33,18). Gott antwortet: „Mein Angesicht<br />

kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben und<br />

mich sehen.“ Es fällt auf, dass <strong>Gottes</strong> Herrlichkeit das<br />

Gleiche wie sein Angesicht ist. Mose bittet um <strong>Gottes</strong><br />

Herrlichkeit und Gott bezieht das auf sein Angesicht.<br />

Mose hat verstanden, dass es nichts Größeres gibt, als<br />

<strong>Gottes</strong> Angesicht zu schauen. Doch dieser Wunsch<br />

1 Os Guinness, The Call: Finding and Fulfilling the Central Purpose<br />

of Your Life (Nashville, Tenn: Word, 1998). Seite 74. (Übersetzung<br />

von mir).<br />

2 John Owen. Gefunden in: Timothy J. Keller, Prayer: Experiencing<br />

Awe and Intimacy with God (New York: Dutton, Penguin Group<br />

USA, 2014). Seite 22. (Übersetzung von mir).<br />

3 C.H. Spurgeons Spuren: Anekdoten – Karikaturen. (Wuppertal:<br />

Oncken Verlag 1990). S. 64. Gefunden in: Thomas Schirrmacher,<br />

<strong>Gottes</strong> Ordnungen: Staat und Recht ; [Band 2]. (Hamburg: Reformatorischer<br />

Verl. Beese [u. a.], 2011).<br />

4 Der Prozess, bei dem wir nach unserer Bekehrung immer mehr so<br />

werden wie Jesus.<br />

6


lieb ihm verwehrt. Das ist es, was beim Sündenfall<br />

verloren wurde. Immer wieder wird im weiteren Verlauf<br />

der Bibel daran erinnert, worum es eigentlich geht. <strong>Die</strong><br />

Stiftshütte wird errichtet, damit <strong>Gottes</strong> Herrlichkeit bei<br />

seinem Volk sein kann. Genauso wird dann später der<br />

Tempel erbaut, damit Gott und Mensch sich begegnen<br />

können. Aber in beiden hängt ein dicker Vorhang, der<br />

die Menschen letztlich doch vor dem Angesicht <strong>Gottes</strong><br />

trennt. Jesaja stellt klar: „Siehe, des Herrn Arm ist nicht<br />

zu kurz, dass er nicht helfen könnte, und seine Ohren sind<br />

nicht hart geworden, so dass er nicht hören könnte, sondern<br />

eure Verschuldungen scheiden euch von eurem Gott,<br />

und eure Sünden verbergen sein Angesicht vor euch, dass<br />

ihr nicht gehört werdet“ (Jesaja 59,1-2). Unsere Sünden<br />

sind der Grund, warum wir <strong>Gottes</strong> Angesicht nicht<br />

mehr sehen können.<br />

DAS ANGESICHT GOTTES AM KREUZ<br />

<strong>Die</strong>se Problematik wird am Kreuz behandelt. Bevor wir<br />

jedoch das Kreuz wirklich verstehen können, muss uns<br />

klar werden, wer dort am Kreuz hing. Hebräer 1,3 erklärt<br />

uns, wer Jesus ist: „Er ist der Abglanz seiner [<strong>Gottes</strong>]<br />

Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle<br />

Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die<br />

Reinigung von den Sünden […].“ Jesus ist Gott. In Jesus<br />

kam <strong>Gottes</strong> Herrlichkeit, sein Angesicht, in menschlicher<br />

Form auf die Erde. Erst mit diesem Wissen im<br />

Hinterkopf macht Jesu Aussage am Kreuz Sinn, wenn<br />

er ruft: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich<br />

verlassen?“ (Markus 15,34). Am Kreuz wendet sich Gott<br />

von sich selbst ab, damit er sich uns zuwenden kann.<br />

Gott verbarg um unseretwillen sein Angesicht vor sich<br />

selbst. Jesus nimmt unseren Platz als Sünder ein, damit<br />

wir durch ihn <strong>Gottes</strong> Angesicht schauen können. Wie<br />

sonst, könnten wir ihn als seine Ebenbilder reflektieren<br />

(2. Korinther 3,18)? Am Kreuz geht es um Coram Deo,<br />

um <strong>Gottes</strong> Angesicht, die Herrlichkeit <strong>Gottes</strong>.<br />

Aber es geht weiter. Jesus hat versprochen: „Selig<br />

sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott<br />

schauen“ (Matthäus 5,8). Durch den Tausch am Kreuz<br />

können wir dieses Versprechen für uns in Anspruch<br />

nehmen, denn durch Jesus sind wir vor Gott gereinigt.<br />

<strong>Die</strong> Hoffnung, auf die jeder Christ wartet, ist also<br />

eines Tages Gott von Angesicht zu Angesicht zu sehen<br />

(Offenbarung 22, 4).<br />

Coram Deo durchzieht die ganze Bibel. Coram Deo ist,<br />

was im Garten Eden verloren wurde, was am Kreuz<br />

geopfert wurde und was im Himmel auf uns wartet!<br />

ZU GLAUBEN REICHT NICHT<br />

Viele Christen leben, als höre die Bibel am Kreuz auf.<br />

Sie freuen sich, dass sie nach dem Tod in den Himmel<br />

kommen und leben dann so weiter wie bisher. Aber wer<br />

so lebt, hat die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> nicht erlebt. Der ganze<br />

Sinn und Zweck des Evangeliums ist, uns wieder in die<br />

Gegenwart <strong>Gottes</strong> zu führen, in der wir heilig und untadelig<br />

leben (Römer 12,1-2). Es genügt nicht, dass du<br />

an das Evangelium glaubst. Ja, du hast richtig gelesen.<br />

Jesus ist nicht den weiten Weg vom Himmel bis ans<br />

Kreuz gegangen und hat den Tod, die Sünde und den<br />

Teufel besiegt, damit wir bleiben wie wir sind! Wenn<br />

du lediglich an das Evangelium glaubst, aber nicht in<br />

Jesu Bild verwandelt wirst und nicht Gemeinschaft mit<br />

ihm hast, welchen Sinn hat das Kreuz dann in deinem<br />

Leben? Wenn du nicht Coram Deo lebst, dann ist Jesus<br />

vergebens für dich gestorben. Dann trennt die Sünde<br />

dich zwar nicht mehr von Gott, aber du lebst trotzdem<br />

nicht vor seinem Angesicht. Jesus hat dich erlöst, nicht<br />

einfach um des Erlösens willen. Er hat dich zu einem<br />

Zweck erlöst! A.W. Tozer schreibt: „Was ist der Zweck<br />

der Erlösung? <strong>Die</strong> Erlösung bringt uns wieder zu Gott<br />

zurück; sie stimmt die Harfe wieder; säubert sie, reinigt sie<br />

und stellt sie wieder her durch die Gnade <strong>Gottes</strong> und das<br />

Blut des Lammes. Ich habe wunderbare Nachrichten für<br />

dich. Gott, der uns geschaffen hat, hat uns nicht aufgegeben.<br />

Er sagte nicht zu den Engeln, „Schreibt sie ab und<br />

löscht sie aus meinem Gedächtnis.“ Anstatt dessen sagte<br />

er, „Ich will immer noch einen Spiegel, der glänzt, in den<br />

ich schauen und meine Herrlichkeit darin sehen kann. Ich<br />

will immer noch, dass meine Menschen mich verehren; Ich<br />

will immer noch Menschen, die mich genießen und mich<br />

in Ewigkeit lieben.“ 5 Coram Deo bedeutet, dass Gott uns<br />

wieder in das verwandelt, was wir ursprünglich sein<br />

sollten. Es bedeutet also, dass Gott alles in Bewegung<br />

gesetzt hat, damit wir wieder vor ihm leben und in sein<br />

Bild verwandelt werden. Coram Deo ist unsere höchste<br />

Bestimmung, es ist, was uns als Ebenbilder <strong>Gottes</strong> ausmacht.<br />

Coram Deo ist das Ziel des Evangeliums, wahre<br />

Anbetung. Jesus starb, damit du <strong>Gottes</strong> Gegenwart erleben<br />

und in sein Bild verwandelt werden kannst. Aber<br />

nimmst du dieses Vorrecht überhaupt in Anspruch?<br />

Wann hast du dir das letzte Mal Zeit genommen, um<br />

<strong>Gottes</strong> Stimme zu hören (die Bibel zu lesen) und ihm<br />

dein Herz auszuschütten (zu beten)? Lebst du jeden<br />

Tag, um mehr die Gegenwart <strong>Gottes</strong> zu erfahren oder<br />

blendest du sie im Alltag aus? Ist dein Gott nur sonntags<br />

gegenwärtig oder auch in der Woche, wenn du<br />

allein bist? Erinnere dich, du bist niemals allein. Also<br />

nimm die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> in Anspruch. Lebe Coram Deo!<br />

VERTIEFENDE FRAGEN:<br />

• Lies 1. Johannes 3,2-3. Was soll laut Johannes an<br />

uns offenbar werden?<br />

• Welchen Effekt hat die Hoffnung gemäß 1. Johannes<br />

3,3 auf unser tägliches Leben?<br />

• Warum ist es so schädlich für das Leben als Christ,<br />

wenn man manche Lebensbereiche als geistlich und<br />

andere als nicht geistlich ansieht?<br />

5 A. W. Tozer and James L. Snyder, The Purpose of Man: Designed<br />

to Worship (Ventura, Calif: Regal, 2009). Seite 45. (Übersetzung<br />

von mir).<br />

André Sebastian Meyer (*1990) ist mit Larissa verheiratet und<br />

als Beamter der Stadt Hamburg tätig. Zudem ist er Jugendleiter<br />

der Arche Gemeinde Hamburg (www.arche-jugend.de) sowie<br />

Student beim Martin Bucer Seminar.<br />

7


Das Feuer<br />

der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong><br />

Text von Waldemar Justus


anderen Stelle sagt die Bibel, dass wir nur deshalb in<br />

der Lage sind, echt und in Wahrheit zu lieben, „weil<br />

er (d.i. Gott) uns zuerst geliebt hat“ (1. Johannes 4,19).<br />

Schließlich erkannte ich: Etwas, was Gott tut und wozu<br />

er uns mehrfach auffordert, kann einfach nicht verkehrt<br />

sein.<br />

Anhand des Propheten Hosea werden wir nun<br />

sehen, dass Gott nicht einfach lässig in seinem Thronsessel<br />

hockt und auf unsere hingegebene <strong>Liebe</strong> wartet,<br />

sondern dass der Herr selbst alle Hebel in Bewegung<br />

setzt, um seinem Volk sein leidenschaftliches Herz der<br />

grenzenlosen <strong>Liebe</strong> zu offenbaren. Denn Gott fordert<br />

von uns Menschen nichts, was er nicht selbst auch in<br />

Perfektion erfüllt!<br />

ZU VIEL DES GUTEN?<br />

Ich muss gestehen, dass es vor einigen Jahren<br />

eine Zeit in meinem Glaubensleben gab, in<br />

der ich das Thema der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> stark<br />

vernachlässigt habe. Ganz ehrlich, mir hing das<br />

Thema zum Halse raus. An jeder Ecke wurde<br />

unentwegt von der <strong>Liebe</strong> geredet. <strong>Liebe</strong> hier, <strong>Liebe</strong><br />

dort, <strong>Liebe</strong> überall. Selbst die Werbung hat keinen Halt<br />

davor gemacht und begann, diese für mich allmählich<br />

nichtssagende Worthülse völlig beliebig zu verwenden:<br />

Wir lieben Autos. Wir lieben Lebensmittel. Wir<br />

lieben Technik. We love to entertain you. Ich liebe es. Es<br />

wird einfach alles und jeder geliebt. Aber mal ehrlich,<br />

welchen Stellenwert hat dieses Wort überhaupt? Ich<br />

erlebte, dass in Diskussionen die <strong>Liebe</strong> oder auch die<br />

Lieblosigkeit des Gegenübers als Totschlagargument<br />

eingesetzt wurde, um ein bestimmtes Verhalten zu<br />

rechtfertigen und zu legitimieren – nach dem Motto<br />

„die <strong>Liebe</strong> überdeckt alles“. Ich fragte mich, ob wir<br />

eigentlich noch wüssten, wovon wir da überhaupt<br />

reden? Ich war mir sicher, <strong>Liebe</strong> wird (auch in unseren<br />

Kirchen und Gemeinden) völlig überbetont! Vermutlich<br />

wäre mir zu der Zeit auch diese aktuelle <strong>Timotheus</strong>-Ausgabe<br />

ein Dorn im Auge gewesen. Ich begann,<br />

das Erwähnen der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> an so mancher Stelle<br />

bewusst zu vermeiden und sprach stattdessen viel lieber<br />

von der Gnade und Barmherzigkeit <strong>Gottes</strong>. Erst einige<br />

Zeit später half mir Gott durch das Bibelstudium, nicht<br />

auf der anderen Seite vom Pferd zu fallen. Denn wer<br />

Gemeinschaft mit dem Geist <strong>Gottes</strong> haben möchte,<br />

braucht beides: „<strong>Die</strong> Gnade des Herrn Jesus Christus und<br />

die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>“ (2. Korinther 13,13). Ich erkannte,<br />

dass trotz des möglichen Missbrauchs des Begriffes<br />

die <strong>Liebe</strong> tatsächlich ein zentrales und unersetzliches<br />

Element meines Glaubens ist. Auf die Frage, worauf es<br />

denn wirklich im Leben ankomme, antwortete Jesus<br />

Christus konkret und geradeheraus: „Du sollst den<br />

Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen<br />

und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen<br />

Verstand und aus deiner ganzen Kraft!“ (Markus 12,30).<br />

Jesus fordert <strong>Liebe</strong> in ihrer vollen Ladung ein! An einer<br />

PROPHEZEI MIT HAUT UND HAAREN!<br />

Hosea war ein gottgesandter Prophet. <strong>Die</strong> Propheten<br />

des Alten Testaments hatten im Allgemeinen den<br />

schlichten, jedoch anspruchsvollen Auftrag, die Worte<br />

<strong>Gottes</strong> an <strong>Gottes</strong> Volk weiterzugeben. In bestimmten<br />

Situationen erhielten Propheten konkrete Weisungen,<br />

um die Gläubigen in Sachen Frömmigkeit, Gerechtigkeit,<br />

Wahrhaftigkeit usw. wieder auf Kurs zu bringen.<br />

<strong>Die</strong> Botschaft von Hosea beginnt spektakulär, allerdings<br />

auch recht ungewöhnlich:<br />

„Als der Herr anfing, mit Hosea zu reden, da sprach<br />

der Herr zu Hosea: Geh, nimm dir eine hurerische Frau<br />

und zeuge hurerische Kinder! Denn das Land treibt ständig<br />

Hurerei, vom Herrn hinweg“ (Hosea 1,2).<br />

Was für eine Einleitung! <strong>Die</strong> Botschaft Hoseas war<br />

viel mehr als ein paar geradlinige Worte, die wie ein<br />

Hammer in die Herzen seiner Landsleute schlagen<br />

sollten. Hoseas Botschaft war vielmehr eine gelebte<br />

Prophetie! Der Prophet sollte die Beziehung zwischen<br />

Gott und seinem Volk (zugegeben sehr krass) mit Haut<br />

und Haaren zeichenhaft durchleben. Gott vergleicht<br />

sein Verhältnis zu Israel mit dem heiligen Bund der<br />

Ehe. Es ist mehr als offensichtlich, welchen Herzenswunsch<br />

Gott mit solch einem Vergleich offenbart. Gott<br />

will <strong>Liebe</strong>, Treue, Vertrautheit und Exklusivität. <strong>Gottes</strong><br />

Partnerin sucht stattdessen das Weite, indem sie ständig<br />

ehebrecherisch rumhurt und damit <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> mit<br />

Füßen tritt. Aus der Seelsorgepraxis weiß ich, dass<br />

sexuelle Untreue des Partners eine Ehe bis aufs Mark<br />

erschüttern kann. <strong>Gottes</strong> Wort zeigt mir, dass Gott<br />

dasselbe Leid durchlebt hat wie viele krisendurchschüttelten<br />

Ehen heutzutage.<br />

Mit dieser Botschaft des Herzschmerzes also wird<br />

Hosea beauftragt und berufen. Dabei geht er durch<br />

persönliches Leid, erlebt Diffamierungen und wird als<br />

bescheuerter und verrückter Narr beschimpft (9,7). Ca.<br />

30 Jahre ringt Hosea als Prophet im Nordreich Israels<br />

und erlebt sechs verschiedene Könige, von denen vier<br />

Könige ermordet wurden. Das kann keinesfalls als ein<br />

Zeichen des Segens <strong>Gottes</strong> gedeutet werden, denn „sie<br />

selbst haben Könige gemacht, doch es ging nicht von mir<br />

© Foto: Death to Stock 9


aus“ (8,4). Wer ist hier eigentlich „verrückt“? Trotz alledem<br />

bleibt Hosea treu, unbeirrt, beharrlich und kümmert<br />

sich hingegeben um das Nordreich Israel, welches<br />

von Hosea auch vereinfacht Ephraim (11,3) genannt<br />

wird. Das 11. Kapitel bildet eine Art Höhepunkt in der<br />

Schilderung der aufopferungsvollen <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>. Lies<br />

hierzu kurzerhand alle elf Verse in deiner Bibel.<br />

EINE UNVERWECHSELBARE LIEBE<br />

Hatte sich Gott noch in den ersten drei Kapiteln als<br />

Ehemann Israels vorgestellt, zeigt sich Gott nun in der<br />

Rolle des Familienvaters, der seine adoptierten Kinder<br />

fürsorglich erzieht. Es fällt auf, dass Hoseas Worte voll<br />

von Metaphern sind, die besonders familiäre Vergleiche<br />

prägen. Dadurch offenbart Gott bereits im Alten<br />

Testament, dass er ein Gott der Nähe und persönlichen<br />

Beziehung ist. Das verdeutlicht besonders folgender<br />

Vers: „Und ich, ich lehrte Ephraim laufen – ich nahm<br />

sie immer wieder auf meine Arme“ (11,3). Einem<br />

Kleinkind das Laufen beizubringen ist ein zeitintensives<br />

Unterfangen. Es bedarf viel Geduld und Durchhaltevermögen,<br />

um nicht zu resignieren. Hinfallen, aufrichten,<br />

hinfallen, aufrichten – und das immer wieder.<br />

Doch die Freude darüber ist sehr groß, wenn die ersten<br />

Schritte zwar wacklig, aber ohne Sturz gemeistert werden.<br />

Gott vergleicht sich als Vater, der seine Kinder das<br />

Laufen lehrt. <strong>Die</strong> hebräische Wortwendung beschreibt<br />

allerdings nicht bloß den anfänglichen Lern-Prozess,<br />

sondern bezieht sich auf den gesamten elterlichen Erziehungsauftrag.<br />

<strong>Gottes</strong> väterliche Fürsorge ist umfassend,<br />

aber auch vertraulich und innig. Denn er nimmt<br />

seinen Sohn immer wieder auf seine Arme. <strong>Gottes</strong> Volk<br />

soll sich nicht lediglich anbetend vor ihm niederwerfen,<br />

sondern die unverwechselbare Geborgenheit beim<br />

Vater im Himmel erfahren und spüren. Was für ein<br />

atemberaubender Vergleich! Es ist unmöglich, diese<br />

Zeilen zu lesen und nicht innerlich von <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong><br />

überwältigt zu werden. Wir erkennen: <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong><br />

beginnt dabei nicht mit unseren Werken, sondern mit<br />

kindlicher Hilfsbedürftigkeit. Anscheinend sind wir<br />

gar nicht so unabhängig, wie wir oftmals meinen. Das<br />

bedeutet gleichzeitig, dass Gott bedingungslos liebt, das<br />

heißt ohne Vorableistung. <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> war zu allen<br />

Zeiten schon immer verschwenderische und verschenkte<br />

<strong>Liebe</strong>! Auch im Alten Testament ging es noch nie<br />

darum, <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> und Gnade zu verdienen. <strong>Gottes</strong><br />

Kinder sind nicht wie Menschen anderer Religionen<br />

gezwungen, zu festgelegten Zeiten fünfmal am Tag<br />

niedergebeugt in Richtung einer bestimmten Stadt zu<br />

beten, um die Gunst ihres <strong>Gottes</strong> zu ergattern! Ja, auch<br />

ich gehe oft auf meine Knie und bete zu meinem Herrn<br />

Jesus Christus. Aber die wohlwollende und liebevolle<br />

Beziehung zwischen ihm und mir beginnt nicht mit<br />

meinen Knien, sondern mit meiner Hilfsbedürftigkeit.<br />

<strong>Die</strong>ser Hilfsbedürftigkeit begegnet Gott mit freier und<br />

souveräner <strong>Liebe</strong>. Meine gebeugten Knie sind deshalb<br />

schlichtweg ein Ausdruck meiner freudigen Dankbarkeit.<br />

Noch einmal: Gott hat <strong>Liebe</strong> im Überfluss, denn<br />

er ist die <strong>Liebe</strong> selbst. Er verschenkt seine himmlische<br />

<strong>Liebe</strong> aus völlig freiem Antrieb. Niemand könnte<br />

ihn dazu zwingen, denn keinesfalls haben wir seine<br />

Zuneigung verdient. Hat das Nordreich Israels laut<br />

Hosea etwa einen Anspruch auf bedingungslose <strong>Liebe</strong>?<br />

Waren sie vielleicht besonders interessant, hilfreich oder<br />

liebenswert in den Augen <strong>Gottes</strong>? Israel war keineswegs<br />

erhabener oder wertvoller. Der Grund für <strong>Gottes</strong><br />

erwählende <strong>Liebe</strong> für Israel liegt allein in <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong><br />

begründet. J.M. Boice schreibt hierzu: „Er liebt sie, weil<br />

er sie liebt. Das ist alles.“ 1<br />

DAS DILEMMA: ABKEHR STATT UMKEHR<br />

Wenn <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> so allumfassend und innig ist, dann<br />

stellt sich doch die Frage, warum so viele Menschen<br />

rein gar nichts von dieser <strong>Liebe</strong>, Fürsorge und Geborgenheit<br />

<strong>Gottes</strong> wahrnehmen. <strong>Die</strong>se Frage kann<br />

einen wirklich umtreiben, wenn man mit ungläubigen<br />

Menschen im Gespräch ist. <strong>Die</strong> Antwort findet sich in<br />

den Versen 2, 5 und 7: „Sooft ich sie rief, gingen sie von<br />

meinem Angesicht weg. […] sie weigern sich umzukehren<br />

[…] Aber mein Volk bleibt verstrickt in die Abkehr von<br />

mir. Und ruft man es nach oben, bringt man es doch<br />

insgesamt nicht dazu, sich zu erheben.“ Derjenige, der<br />

den Kindern das Laufen beigebracht hatte, muss nun<br />

feststellen, dass diese mit ganzer Kraft wegrennen!<br />

Anstatt in die ausgestreckten Arme <strong>Gottes</strong> zu laufen,<br />

wenden sie sich ab. Hosea beklagt, dass seine Landsleute<br />

allesamt so verstrickt sind, dass sie sich beim<br />

Aufruf zur Umkehr nur noch umso weiter von Gott<br />

und seiner <strong>Liebe</strong> entfernen! Kann es wirklich unser<br />

Ernst sein, die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> für uns in Frage zu stellen,<br />

während wir dieser <strong>Liebe</strong> ins Gesicht spucken und vor<br />

ihr fliehen? Der Apostel Johannes schildert dasselbe<br />

Prinzip, dass Gott zwar in Jesus Christus „die Welt<br />

geliebt hat“, jedoch „die Menschen die Finsternis mehr<br />

liebten als das Licht, denn ihre Werke waren böse“ (Johannes<br />

3,16.19). <strong>Die</strong> Worte Hoseas sind wirklich wie ein<br />

Hammer. Drastisch prophezeit Hosea, wie es wirklich<br />

um das menschliche Herz bestellt ist: Wir sind nicht<br />

in der Lage, uns selbst zu erheben, unsere Situation<br />

zu verändern oder uns selbst zu motivieren. Ja, wir<br />

sind völlig unfähig, uns selbst zu erlösen! Da helfen<br />

auch nicht die Pseudotricks unserer Gesellschaft, wie<br />

ich kürzlich auf einer Website las: „Transformiere dein<br />

Leben! Nutze Energie, um dein Leben zu verändern. Setze<br />

Energie für dein Wohlbefinden ein.“ Hier wird suggeriert,<br />

dass du das, was du wirklich brauchst, bereits in dir<br />

trägst. Glaube diesen Lügen und du wirst dein Leben<br />

ruinieren. Befreiung, <strong>Liebe</strong> und ewiges Leben findest<br />

du nicht in dir, denn du kannst dich und dein krankes<br />

Herz nicht transformieren. Du kannst lange darauf<br />

warten, bis sich das Herz eines Menschen samt seines<br />

Willens und seiner Gefühle grundlegend verändert!<br />

Unsere Herzenshaltung Gott gegenüber verändert sich<br />

nicht von alleine.<br />

Was jetzt kommt, ist hart. Gott antwortet auf diese<br />

Herzenshärte und erweist seine Gerechtigkeit gegenüber<br />

menschlicher Sünde, indem er Israel zwar nicht<br />

mehr Ägypten, aber dafür der neuen Weltmacht Assur<br />

preisgibt. <strong>Gottes</strong> Gericht sieht vor, dass das „Schwert in<br />

seinen Städten kreisen und seinen Schwätzern ein Ende<br />

1 James Montgomery Boice, The Minor Prophets I, S. 88.<br />

10


machen wird, und es wird fressen wegen ihrer Ratschläge“<br />

(11,6). Besonders bemerkenswert ist, dass Hosea das<br />

Wort „essen“ (achal) aus Vers 4 wiederholt. In der Vergangenheit<br />

hatte Gott in seiner Fürsorglichkeit Israel zu<br />

essen gegeben. Nun wird er Schwerter senden, um Israel<br />

zu verschlingen. Damit wird der Gegensatz zwischen<br />

<strong>Gottes</strong> Segen in der Vergangenheit und seinem zukünftigen<br />

Gericht auf die Spitze getrieben. Heutzutage fällt<br />

es uns schwer, solche Passagen zu hören. Viele Christen<br />

sind sogar der Meinung, dass die Beschäftigung mit<br />

dem Zorn <strong>Gottes</strong> kontraproduktiv für die Attraktivität<br />

des christlichen Glaubens sei. Dabei liegt die eigentliche<br />

Schwierigkeit nicht darin, <strong>Gottes</strong> Gerechtigkeit<br />

kaum ertragen zu können (Symptom), sondern eine<br />

fehlende Erkenntnis der eigenen menschlichen Schwäche<br />

(Ursache). Menschliches Versagen wird in der Bibel<br />

derart schonungslos aufgedeckt, dass aufrichtiges Hinhören<br />

schwer fällt und es leichter erscheint, die Augen<br />

vor der Realität zu verschließen. <strong>Gottes</strong> Gerichtsworte<br />

sind und bleiben extrem harte, aber auch wahre Worte.<br />

Gott macht unmissverständlich deutlich: Mit meiner<br />

<strong>Liebe</strong> spielt man nicht! Leichtfertigkeit hat ihren Preis!<br />

IM HERZEN GOTTES BRENNT EIN FEUER<br />

Doch während Gott über seinen brennenden Zorn<br />

spricht, bricht es plötzlich und unerwartet aus ihm<br />

heraus!<br />

„Wie sollte ich dich preisgeben, Ephraim, wie sollte ich<br />

dich ausliefern, Israel? Wie könnte ich dich preisgeben wie<br />

Adma, dich Zebojim gleichmachen? Mein Herz kehrt sich<br />

in mir um, ganz und gar erregt ist all mein Mitleid. Nicht<br />

ausführen will ich die Glut meines Zornes, will nicht noch<br />

einmal Ephraim vernichten […] ich will nicht in Zornglut<br />

kommen“ (11,8-9).<br />

Gerade zeigte Gott noch mit belastenden Worten,<br />

dass er seinen Zorn ausgießt, indem er das Volk Israel<br />

schlägt. Gott scheint in sich solch eine Not zu verspüren,<br />

dass er sein eigenes Urteil gar nicht aushalten<br />

kann und es zu einer eindrucksvollen Beschreibung<br />

seiner tiefsten Emotionen kommt! Gott wirkt für einen<br />

Moment fast unsicher, unschlüssig, unentschlossen<br />

und innerlich gespalten! Gott kann nicht schweigen, er<br />

muss seine <strong>Liebe</strong> herausschreien: Mein Kind, mir ist es<br />

nicht egal, was mit dir passiert! Ja, ich erziehe dich, aber<br />

ich werde dich nicht zugrunde gehen lassen, denn dafür<br />

liebe ich dich viel zu sehr!<br />

<strong>Die</strong> Krönung der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> ist die Beschreibung<br />

des Herzens <strong>Gottes</strong>. Was passiert mit <strong>Gottes</strong> Herz?<br />

Erinnern wir uns: Das Volk wurde leidenschaftlich<br />

zur Umkehr gerufen. Was tun sie? Sie kehren sich<br />

immer weiter ab! Wie reagiert <strong>Gottes</strong> Herz auf die<br />

Abkehr seines Volkes? „Mein Herz kehrt sich in mir<br />

um, ganz und gar erregt ist all mein Mitleid.“ Es ist<br />

mir fast unmöglich zu beschreiben, welche Dynamik<br />

sich hier auftut! Als Gott erkennt, dass sein Volk nicht<br />

umkehrbereit ist, bleibt der Herr nicht tatenlos. Sein<br />

eigenes Herz wendet sich gegen ihn! Das menschliche<br />

Herz kehrt ab, doch <strong>Gottes</strong> Herz kehrt um. Sämtliches<br />

Mitleid, dass Gott in dieser Sekunde imstande<br />

ist aufzubringen, bündelt er, bis er vollkommen erregt<br />

wird. Erregt bedeutet so viel wie, dass <strong>Gottes</strong> Mitleid<br />

anfängt heiß zu werden. <strong>Die</strong> hoffnungslose Kälte seines<br />

Volkes lässt es heiß in ihm werden! In Gott brennt ein<br />

Feuer, sein Herz ist völlig entbrannt. <strong>Die</strong> menschliche<br />

Unfähigkeit, Gott aus ganzem Herzen zu lieben, macht<br />

sich Gott zur Herzenssache! Gott setzt hier seinem<br />

gerechten Gericht Grenzen, indem der brennende Zorn<br />

<strong>Gottes</strong> durch das Gegenfeuer 2 der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> erstickt<br />

wird! Einst hatte Gott die Städte Adma und Zebojim<br />

zusammen mit Sodom und Gomorra völlig vernichtet<br />

(vgl. 5. Mose 29,22). Zerstörung, Leid und Not sind<br />

Folgen der menschlichen Treulosigkeit, jedoch niemals<br />

Ausdruck des göttlichen Willens. Darum wiederholt<br />

der Herr dreimal unmissverständlich: „Ich will nicht<br />

vernichten! Ich will nicht vernichten! Ich will nicht<br />

vernichten!“ Stattdessen will Gott Mitleid, Barmherzigkeit,<br />

Vergebung und Frieden. Gott will <strong>Liebe</strong>. Darum<br />

spricht Gott: „Ist Ephraim denn nicht mein Lieblingssohn,<br />

das Kind, an dem ich mich freue? Denn sooft ich<br />

auch gegen ihn geredet habe, muss ich doch immer wieder<br />

an ihn denken. Darum ist mein Innerstes um ihn erregt.<br />

Ich muss mich über ihn erbarmen, spricht der Herr“<br />

(Jeremia 31,20).<br />

Das Herz <strong>Gottes</strong> kehrt sich aus unbeschreiblicher<br />

<strong>Liebe</strong> um, unseretwegen. Das Feuer der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong><br />

entfacht auch mein kaltes Herz und macht mich willig,<br />

umzukehren und ganz neu Gott zu verherrlichen und<br />

seine Geborgenheit zu genießen!<br />

AUFGABEN ZUM BIBELSTUDIUM<br />

• Was verbindest du mit dem Begriff der <strong>Liebe</strong> (<strong>Gottes</strong>)?<br />

Denkst du oft über <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> nach? Wenn<br />

nein, was hindert dich daran? Inwiefern hat diese<br />

Heftausgabe bisher deine Sicht auf die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong><br />

verändert?<br />

• Überlege, inwiefern der übernatürliche Kampf<br />

zwischen dem Feuer des Zornes <strong>Gottes</strong> und dem<br />

Gegenfeuer der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> sein endgültiges Ende<br />

in dem Tod und der Auferstehung des Herrn Jesus<br />

Christus findet.<br />

• Gibt es Lebensbereiche, in denen du (in Bezug auf<br />

Gott und sein Wort) kalt geworden bist? Vergegenwärtige<br />

dir, dass <strong>Gottes</strong> Mitleid deswegen heiß wird<br />

und sein Herz für dich entbrennt. Lass dich im<br />

Gebet erneut von <strong>Gottes</strong> Armen tragen.<br />

2 Als Notmaßnahme bei Waldbränden wird von einer nicht bewachsenen<br />

Stelle aus ein Gegenfeuer angelegt und dem Feuerherd entgegen<br />

getrieben, um eine Weiterverbreitung des Waldbrandes zu<br />

verhindern. Vgl. http://www.wissen.de/lexikon/gegenfeuer.<br />

Waldemar Justus (*1987) ist Ehemann, Pastor der Evangelisch-<br />

Freikirchlichen Gemeinde Emmendingen und Blogger auf<br />

jesus24.de. Mehr über ihn im Interview auf Seite 29.<br />

11


<strong>Die</strong> <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> in der<br />

Erziehung seiner Kinder<br />

Text von Simon Arnold<br />

Gott kann seinen eigenen Kindern sehr große Schmerzen zufügen.<br />

Auf uns mag das im ersten Moment nicht sonderlich fürsorglich<br />

und liebevoll wirken. Aber darin steckt tatsächlich eine große<br />

Ermutigung.<br />

Wenn wir von der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong><br />

sprechen, dann denken wir als<br />

Christen zuerst einmal wahrscheinlich<br />

daran, dass sich <strong>Gottes</strong><br />

<strong>Liebe</strong> in Jesus Christus und seinem<br />

Leiden am Kreuz zeigt. Jesus Christus kam in unsere<br />

Welt und starb am Kreuz für uns. Wir waren gottlose,<br />

rebellische Sünder und Gott, der Vater, demonstrierte<br />

seine enorme <strong>Liebe</strong>, Güte und Barmherzigkeit an uns,<br />

indem er seinen Sohn Jesus Christus sandte, der unsere<br />

Schuld am Kreuz trug, obwohl wir gottlos und Feinde<br />

<strong>Gottes</strong> waren. Gott hat uns, die wir an ihn glauben,<br />

durch Jesus Christus mit sich selbst versöhnt. <strong>Die</strong>s ist<br />

die gewaltige Demonstration seiner <strong>Liebe</strong>.<br />

<strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> zeigt sich z.B. auch in seiner generellen<br />

Geduld mit Sündern. Er richtet Sünder meist nicht<br />

sofort, wenn sie sündigen. Oftmals lässt er sie lange<br />

leben, ohne dass er an ihnen Gericht vollzieht. Sie<br />

werden vielleicht 30, 50, 70 oder 90 Jahre alt, bevor sie<br />

sterben müssen. Gott gibt ihnen viel Raum zur Buße –<br />

auch in dieser Geduld zeigt sich <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong>.<br />

ZÜCHTIGUNG – KEIN ZEITGEMÄSSES<br />

KONZEPT?<br />

Einen Aspekt der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>, an den wir aber womöglich<br />

nicht sofort denken, finden wir im Hebräerbrief.<br />

Dort lesen wir in Kapitel 12, dass sich <strong>Gottes</strong><br />

<strong>Liebe</strong> auch darin zeigt, wie er mit seinen Kindern<br />

umgeht. Dabei sticht besonders das Wort „Züch-<br />

tigung“ hervor. Wenn manche von uns das Wort<br />

„Züchtigung“ hören, dann kommen ihnen zuerst<br />

einmal sehr negative Assoziationen hoch. Man denkt<br />

bei diesem veraltet wirkenden Wort vielleicht an „einen<br />

strengen, ungerechten Vater“ und an eine „Rute“ oder<br />

eine „Ohrfeige“, an „Schläge“ und an „Schmerzen“.<br />

Das Wort „Züchtigung“ hat für viele einen trostlosen<br />

und schrecklichen Beigeschmack. Züchtigung wird<br />

dann als etwas betrachtet, was man über sich ergehen<br />

lassen muss, um etwas zu lernen, was man eigentlich<br />

gar nicht lernen will. Man wird durch Züchtigung<br />

demnach seiner Freude beraubt und soll dadurch zu<br />

einer Einstellung oder Handlung gezwungen werden,<br />

welche einem völlig zuwider ist, aber dem Züchtigenden<br />

sinnvoll erscheint.<br />

Auch die Adressaten des Hebräerbriefes verbanden<br />

mit Züchtigung nichts Schönes. Züchtigung war<br />

sicherlich etwas, was sie gerne vermieden hätten und<br />

wenn sie gezüchtigt wurden, dann hätten, sie wohl<br />

kaum dankbar dafür sein können. Aber genau dieses<br />

Wort „Züchtigung“ verwendet der Autor des Hebräerbriefes,<br />

wenn er sich an seine Leser richtet: „Ihr habt<br />

das Trostwort vergessen, womit ihr als Söhne angeredet<br />

werdet: Mein Sohn, achte nicht gering die Züchtigung<br />

des Herrn und verzage nicht, wenn du von ihm gestraft<br />

wirst! Denn welchen der Herr lieb hat, den züchtigt er,<br />

und er geißelt einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt“<br />

(Hebräer 12, 5-6).<br />

Wir fragen uns, was nun mit dieser Züchtigung<br />

© Foto: Peter Becker 13


gemeint ist? Der Text legt uns sehr nahe, dass es darum<br />

geht, dass Gott Dinge in das Leben seiner Kinder gibt,<br />

die seinen Kindern oft Schmerzen und Nöte verursachen.<br />

Hier ist die Rede davon, dass der Herr einen<br />

jeden Sohn, den er aufnimmt, „geißelt“. Es ist bekannt,<br />

dass es im antiken Judentum Strafe durch Auspeitschen<br />

gab. <strong>Die</strong>s war eine sehr heftige und schmerzhafte Form<br />

der Strafe. Der Bibeltext hat solches im Sinn, wenn<br />

er uns sagt, dass Gott seine Kinder, die er annimmt,<br />

„peitscht“. <strong>Die</strong>s gibt uns einen Eindruck davon, wie<br />

intensiv <strong>Gottes</strong> Züchtigung sein kann.<br />

<strong>Die</strong>se Züchtigung zeigt sich ganz individuell im Leben<br />

jedes Gläubigen. Vielleicht haben wir wirtschaftliche<br />

Einbußen und verlieren einen Teil unseres Besitzes,<br />

vielleicht schickt uns Gott schwierige Menschen über<br />

den Weg, die uns stark zusetzen, vielleicht schickt er<br />

körperliches Leiden, das enorm an uns nagt. Was es<br />

auch ist – es kann sehr schmerzhaft sein.<br />

WAS BEABSICHTIGT GOTT MIT DER<br />

ZÜCHTIGUNG?<br />

Man kann verschiedene Aspekte der Züchtigung <strong>Gottes</strong><br />

unterscheiden.<br />

KORREKTUR<br />

Wir alle neigen zur Sünde und immer wieder sündigen<br />

wir. In der Bibel finden wir hier viele Beispiele.<br />

Wir denken z.B. an 2. Samuel 11 u. 12. David hatte<br />

Ehebruch und Mord begangen. Ihm wurde seine Sünde<br />

vergeben, dennoch musste David mit Konsequenzen<br />

leben, die ihn an das erinnerten, was er getan hatte<br />

und ihm sehr deutlich machten, dass er nicht zulassen<br />

konnte, noch einmal derartig zu sündigen.<br />

VORBEUGUNG<br />

Paulus hatte, als er den 2. Korintherbrief schrieb, nicht<br />

konkret gesündigt und brauchte in dem Sinn keine<br />

Korrektur, aber er stand in einer gewissen Gefahr<br />

zu sündigen. Er hätte sich wegen einiger exklusiver<br />

Offenbarungen <strong>Gottes</strong> an ihn überheben können.<br />

Gott verhinderte dies jedoch durch seine Erziehungsmaßnahmen.<br />

Paulus sagt uns nämlich: „Und damit<br />

ich mich der außerordentlichen Offenbarungen nicht<br />

überhebe, wurde mir ein Pfahl fürs Fleisch gegeben, ein<br />

Engel Satans, dass er mich mit Fäusten schlage, damit<br />

ich mich nicht überhebe“ (2. Korinther 12, 7).<br />

UNTERWEISUNG<br />

Hiob ist ein gutes Beispiel dafür, dass unser Vater<br />

im Himmel Züchtigung nicht unbedingt nur dann<br />

gebraucht, wenn konkret Sünde oder die unmittelbare<br />

Gefahr zum Sündigen im Raum stehen. Manchmal<br />

will Gott uns durch Schwierigkeiten und Leid dahin<br />

bringen, ihn tiefer und deutlicher zu erkennen. Hiob<br />

hatte eine Beziehung zu Gott. Es war sicherlich keine<br />

schlechte Beziehung, aber Gott gebrauchte die schlimmen<br />

Leiden, die er in sein Leben brachte, dazu, ihn<br />

zu einer wesentlich tieferen Erkenntnis seiner selbst zu<br />

führen. Hiob muss am Ende sagen: „Vom Hörensagen<br />

hatte ich von dir gehört, aber nun sehe ich dich mit<br />

meinen Augen“ (Hiob 42,5).<br />

KEINE TROSTLOSE ZÜCHTIGUNG<br />

Weil die Züchtigung des Herrn sehr schmerzhaft sein<br />

kann, muss der Schreiber des Hebräerbriefes seine Leser<br />

ermahnen und ermutigen, indem er sagt: „Ihr habt das<br />

Trostwort vergessen…“ (Hebräer 12,5).<br />

<strong>Die</strong> Leser des Hebräerbriefes kannten das Wort<br />

<strong>Gottes</strong>. Sie kannten die alttestamentliche Passage,<br />

die der Autor des Hebräerbriefes zitierte; aber diese<br />

dort enthaltene Wahrheit war nicht in ihrem Sinn.<br />

Sie wandten sie nicht auf ihre eigenen, schwierigen<br />

Umstände an. Und deshalb konnten sie mit ihren Umständen<br />

nicht richtig umgehen. Ihr himmlischer Vater<br />

wollte ihnen durch sein Wort einen Trost geben. Aber<br />

sie hatten sein Trostwort vergessen.<br />

WORIN BESTEHT DIESER TROST?<br />

Unser Vater im Himmel liebt uns, auch wenn wir von<br />

ihm gezüchtigt werden.<br />

<strong>Gottes</strong> Züchtigung ist kein Gericht, das uns<br />

auslöschen soll. Sie soll uns, wenn nötig, wegen Sünde<br />

korrigieren, uns vor Sünde bewahren oder uns wichtige<br />

Wahrheit lehren. Wichtig ist, dass wir in allem nicht<br />

unsere Verdammung sehen, sondern <strong>Gottes</strong> liebendes<br />

Handeln. Das braucht Glauben. In Römer 8,1 lesen<br />

wir einerseits: „So gibt es nun keine Verdammnis mehr<br />

für die, welche in Christus Jesus sind.“ Jesus sagt zur<br />

Gemeinde in Laodizea andererseits: „Welche ich liebhabe,<br />

die strafe und züchtige ich. So sei nun fleißig und<br />

tue Buße!“ (Offenbarung 3,19). Gott will uns in seiner<br />

<strong>Liebe</strong> nicht auf Wegen gehen lassen, auf denen wir<br />

Schaden nehmen. Dafür liebt er uns zu sehr. Deswegen<br />

fügt er uns in <strong>Liebe</strong> Schmerzen zu, damit wir leben und<br />

nicht sterben.<br />

DIE ZÜCHTIGUNG IST<br />

AUSSCHLIESSLICH FÜR KINDER GOTTES<br />

GEDACHT UND IST ZEICHEN IHRER<br />

KINDSCHAFT.<br />

Alle Kinder <strong>Gottes</strong> haben Züchtigung nötig und<br />

alle erhalten sie. <strong>Die</strong>jenigen, die keine Kinder <strong>Gottes</strong><br />

sind, erhalten diese Züchtigung nicht.<br />

„Wenn ihr Züchtigung erduldet, so behandelt euch<br />

Gott ja als Söhne; denn wo ist ein Sohn, den der Vater<br />

nicht züchtigt? Seid ihr aber ohne Züchtigung, derer sie<br />

alle teilhaftig geworden sind, so seid ihr ja unecht und<br />

keine Söhne!“ (Hebräer 12,7-8).<br />

Das Wort für „unecht“ könnte man auch mit „unehelich“<br />

übersetzen. Zum Verständnis kann es hilfreich<br />

sein, über das Vorgehen römischer Adliger Bescheid zu<br />

wissen. So war es Gang und Gäbe, dass römische Adlige<br />

zwar ihre unehelichen Kinder finanziell unterstützten,<br />

diese Kinder aber praktisch ohne Züchtigung blieben,<br />

während der leibliche Sohn der rechtmäßigen Frau<br />

des Adligen, der das Vermögen des Vaters erben sollte,<br />

einer Züchtigung unterworfen wurde, die mit Sklaverei<br />

vergleichbar war. <strong>Die</strong>se Züchtigung sollte sicherstellen,<br />

dass der Sohn dem Namen seines Vaters gerecht werden<br />

konnte. Wenn Menschen also so vorgehen, wie viel<br />

mehr wird Gott so an seinen Kindern handeln, weil er<br />

sie liebt und Wichtiges mit ihnen vorhat.<br />

14


GOTTES WEISE ZÜCHTIGUNG DIENT<br />

UNS ZUM BESTEN<br />

„Sodann hatten wir auch unsere leiblichen Väter zu<br />

Zuchtmeistern und scheuten sie; sollten wir jetzt nicht<br />

vielmehr dem Vater der Geister untertan sein und<br />

leben? Denn jene haben uns für wenige Tage gezüchtigt<br />

nach ihrem Gutdünken; er aber zu unsrem Besten,<br />

damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden“ (Hebräer<br />

12, 9-10).<br />

Wir werden nicht von einem fehlerhaften Menschen<br />

gezüchtigt, sondern vom lebendigen, und<br />

unendlich weisen Vater im Himmel. Er ist unser Vater,<br />

der uns liebt. Er hat uns geschaffen, er hat uns erlöst, er<br />

erhält uns am Leben und er ist derjenige, der uns viel<br />

besser versteht, als wir uns selbst verstehen. Sollten wir<br />

dann nicht auch seine Züchtigung gerne annehmen, in<br />

dem Wissen, dass sie uns in seiner Weisheit zum Besten<br />

dient? Wie menschliche Väter wollen, dass ihre Kinder<br />

es eines Tages zu etwas bringen, so will auch unser<br />

himmlischer Vater, dass er in uns etwas Gutes erreicht,<br />

auch wenn das im Moment nicht so aussieht.<br />

SCHWIERIGKEITEN UND SCHMERZEN<br />

SIND NICHT DAS EIGENTLICHE ZIEL<br />

<strong>Gottes</strong> Wort sagt uns: „Alle Züchtigung aber,<br />

wenn sie da ist, scheint uns nicht zur Freude, sondern<br />

zur Traurigkeit zu dienen; danach aber gibt sie eine<br />

friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch<br />

geübt sind“ (Hebräer 12,11). <strong>Gottes</strong> Ziel ist nicht, uns<br />

zuzusetzen und uns zu beschweren. Sein Ziel ist, dass<br />

wir in der Erkenntnis seiner selbst wachsen und mehr<br />

und mehr sein Wesen in unserem Denken und Tun<br />

widerspiegeln. Wir sollen eine ewige Herrlichkeit in der<br />

liebevollen Gemeinschaft mit Gott verbringen. Er will<br />

uns schon jetzt darauf vorbereiten.<br />

GOTT IST IN SEINER ZÜCHTIGUNG<br />

SOUVERÄN<br />

Gott hat die volle Kontrolle über das Ausmaß an<br />

Widrigkeiten, die er in unser Leben bringt. Gott will<br />

und wird uns nicht überfordern, wir werden in unserer<br />

Not bei ihm immer die Hilfe finden, die wir brauchen.<br />

Paulus sagt uns: „Es hat euch bisher nur menschliche<br />

Versuchung betroffen. Gott aber ist treu; der wird euch<br />

nicht über euer Vermögen versucht werden lassen,<br />

sondern wird zugleich mit der Versuchung auch den<br />

Ausgang schaffen, dass ihr sie ertragen könnt“ (1.<br />

Korinther 10,13). Zu wissen, dass Gott unser Maß an<br />

Leiden bestimmt, dass das Leiden nicht zufällig über<br />

uns kommt und dass es zu unserem Besten ist, hilft<br />

uns enorm, in einer Drucksituation mit der richtigen<br />

Einstellung auszuhalten und Geduld zu bewahren.<br />

<strong>Die</strong>ses Vertrauen auf <strong>Gottes</strong> Macht und Weisheit kann<br />

uns auch in schwersten Lagen die richtige Perspektive<br />

geben, die uns durchhalten lässt. Gott wird uns hindurchtragen,<br />

wenn wir unsere Hoffnung auf ihn setzen.<br />

WIR MÜSSEN UNSEREM HIMMLISCHEN<br />

VATER VERTRAUEN<br />

Wenn uns Schwierigkeiten und Schmerzen in unserem<br />

Leben begegnen, dann wissen wir nicht immer, wozu<br />

genau sie gut sind. Manche konkrete Absicht unseres<br />

himmlischen Vaters wird uns unser Leben lang unklar<br />

bleiben. Wir haben vielleicht Fragen, warum Gott<br />

manche Dinge so anders geführt hat, als wir uns das<br />

vorgestellt hatten und doch erhalten wir in diesem Leben<br />

keine Antwort. Wir müssen letztlich an dem Punkt<br />

stehen bleiben, an dem wir wissen: Ja, Gott hat am<br />

Kreuz für alle Zeiten klar gemacht, dass er uns als seine<br />

Kinder liebt und eine herrliche Zukunft verheißen hat.<br />

Er liebt uns. Er hat keine bösen Absichten. Das macht<br />

uns das Kreuz deutlich. Gleichzeitig müssen wir seiner<br />

Weisheit vertrauen. Wir müssen darauf vertrauen, dass<br />

unser Vater alle Weisheit hat, die bei Weitem das übersteigt,<br />

was wir uns in unserem kleinen Kopf vorstellen<br />

können. Uns muss bewusst sein, dass unser himmlischer<br />

Vater durch die Schöpfung des ganzen Universums<br />

seine Weisheit demonstriert hat und, dass er uns<br />

durchaus kein Leben ohne Leiden versprochen hat. Im<br />

Gegenteil. Weil wir zu Christus gehören, werden wir in<br />

der einen oder anderen Form leiden müssen.<br />

Gott will uns ermutigen, in diesen Schwierigkeiten<br />

auszuharren. Jakobus schreibt in seinem Brief: „Siehe,<br />

wir preisen die selig, welche ausgeharrt haben. Von<br />

Hiobs Geduld habt ihr gehört, und das Ende des Herrn<br />

habt ihr gesehen; denn der Herr ist voll Mitleid und<br />

Erbarmen“ (Jakobus 5,11).<br />

Unser himmlischer Vater will, dass wir erkennen:<br />

Er weiß, was er tut. Und was er in unserem Leben tut,<br />

das tut er mit guten Absichten. Er will, dass wir ihm<br />

vertrauen.<br />

Letztlich sollen wir <strong>Gottes</strong> Züchtigung so verstehen:<br />

<strong>Die</strong> <strong>Liebe</strong>, die Christus bewegte, für uns ans<br />

Kreuz zu gehen, ist dieselbe <strong>Liebe</strong>, die unseren himmlischen<br />

Vater dazu bewegt, uns - wo nötig – Schmerzen<br />

zuzufügen, damit wir für immer heil und sicher bei<br />

ihm bleiben und ihm mit unserem ganzen Leben die<br />

Ehre geben.<br />

AUFGABEN ZUM BIBELSTUDIUM<br />

• Lies Epheser 4,17 – 5, 21.<br />

• Worin bestehen laut Epheser 5,1-3 wesentliche<br />

Beweggründe für uns, <strong>Gottes</strong> Wesen in unserem<br />

Leben widerzuspiegeln?<br />

• Notiere dir aus dem Text konkrete Beispiele für<br />

den gottesfürchtigen Wandel, zu dem Gott seine<br />

Kinder erziehen möchte (was sollen Kinder <strong>Gottes</strong><br />

nicht tun? Was sollen Kinder <strong>Gottes</strong> tun?)<br />

Simon Arnold (*1986) ist Ehemann und arbeitet als<br />

Heilerziehungspfleger in einer Einrichtung für Menschen mit<br />

Behinderung. Er ist Autor des Blogs unwisesheep.org.<br />

15


JOSIA<br />

<strong>Die</strong> Rubrik für<br />

junge Leute.


Das Evangelium:<br />

Gott zeigt seine <strong>Liebe</strong><br />

Text von Rudolf Tissen<br />

Wir Christen reden viel über die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> und singen Lieder,<br />

die diese zum Thema haben. Und doch schaffen wir es oft, die <strong>Liebe</strong><br />

<strong>Gottes</strong> sehr unbestimmt und abstrakt erscheinen zu lassen, weil<br />

wir das Evangelium aus dem Zentrum drängen. Aber – gerade im<br />

Evangelium hat uns Gott seine <strong>Liebe</strong> gezeigt.<br />

<strong>Liebe</strong> zeigt sich. Es gehört zu ihrem Wesen, dass<br />

sie das tut. Sie kann nicht für immer versteckt<br />

bleiben, sondern wird sich irgendwann offenbaren.<br />

<strong>Liebe</strong> ist auch konkret. Sie ist niemals<br />

abstrakt oder „abgehoben“, sondern zeigt sich<br />

in echten Taten, die auf der Entscheidung beruhen,<br />

dem anderen zu dienen, ihn höher zu achten als sich<br />

selbst und sich für ihn hinzugeben. All diese Dinge lernen<br />

wir wahrscheinlich schon aus unseren Erfahrungen<br />

und den persönlichen Beziehungen, die wir führen.<br />

DER „LIEBE GOTT“<br />

Aus der Bibel wissen wir, dass Gott <strong>Liebe</strong> ist. Und interessanterweise<br />

scheinen davon sogar viele unserer Mitmenschen,<br />

ob Christen oder Nichtchristen, überzeugt<br />

zu sein. So glauben selbst Nichtchristen, dass Gott<br />

(sofern es ihn denn gibt) irgendwie liebevoll, einfühl-<br />

sam und barmherzig sein muss. Erst kürzlich hörte ich<br />

in einer amerikanischen (nichtchristlichen) Talkshow<br />

die Moderatorin verkünden, dass es im christlichen<br />

Glauben doch schließlich um nichts anderes gehe als<br />

um <strong>Liebe</strong>, denn Gott sei ja schließlich <strong>Liebe</strong>. Sofort<br />

erinnerte ich mich an die Vorstellung eines <strong>Gottes</strong>, der<br />

im Himmel sitzt und dessen einzige „Aufgabe“ darin<br />

besteht, dem Menschen keine Vorschriften zu machen<br />

und ihm das zu gewähren, was er haben möchte. So<br />

oder so ähnlich werden <strong>Gottes</strong> Wesen und seine <strong>Liebe</strong><br />

in der Welt verstanden. Gott ist <strong>Liebe</strong> – darin scheint<br />

sich die Mehrheit einig zu sein. Das ist fast schon<br />

allgemeiner Konsens. Und irgendwie stimmt das ja<br />

auch. Schließlich lesen wir ja auch in der Bibel, dass<br />

Gott <strong>Liebe</strong> ist und wir deshalb unseren Nächsten lieben<br />

sollen. Was uns natürlich auffallen muss, ist, dass <strong>Liebe</strong><br />

in diesem Zusammenhang sehr subjektiv und beliebig<br />

© Foto: Juskteez Vu 17


definiert wird. <strong>Die</strong> <strong>Liebe</strong>, die Gott heutzutage durch<br />

Medien, Gesellschaft (und Kirchen) zugeschrieben<br />

wird, fristet ein ziemlich willenloses, ausdruckloses und<br />

statisches Dasein. Sie darf nicht zu konkret werden,<br />

zeichnet sich dadurch aus, den Menschen in seinem<br />

jeweiligen Lebensstil zu tolerieren und nichts anderes<br />

mehr anzustreben, als uns auf unserem Selbstverwirklichungs-Trip<br />

anzufeuern. <strong>Die</strong>se „<strong>Liebe</strong>“ glänzt durch<br />

Abwesenheit und durch den unübersehbaren Versuch,<br />

sich die Kleider der Akzeptanz überzustreifen. Ein<br />

Gott, der von dem Menschen absoluten Gehorsam<br />

gegenüber seinen Geboten fordert, kann kein Gott<br />

der <strong>Liebe</strong> sein. So ist auf jeden Fall die Meinung vieler<br />

unserer Mitmenschen. <strong>Liebe</strong> ist doch dort, wo Freiheit<br />

herrscht, oder? Und so bildet sich jeder seine eigene<br />

Meinung darüber, was es bedeutet, dass Gott die <strong>Liebe</strong><br />

ist.<br />

<strong>Die</strong>se Unbestimmtheit der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> kann sich<br />

auch im Gemeindeleben niederschlagen. Natürlich<br />

geschieht dies meist unbewusst. Doch immer wieder<br />

treffe ich auf „Anbetungslieder“, in denen <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong><br />

zwar erwähnt, aber nicht näher erklärt wird. Es wird<br />

sehr abstrakt über <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> gesungen, ohne dabei<br />

zu erwähnen, wo und wie Gott seine <strong>Liebe</strong> zu dem<br />

Menschen gezeigt hat. Was übrig bleibt, ist eine <strong>Liebe</strong>,<br />

die höchstens noch neben dem Menschen existiert, aber<br />

nicht mehr für ihn ist und ihn direkt anspricht. <strong>Die</strong><br />

<strong>Liebe</strong>, die wir in vielen dieser Lieder antreffen, ist nicht<br />

mehr die erwählende, handelnde Retter-<strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>,<br />

die sich in seinem Sohn offenbart hat, sondern bestenfalls<br />

noch eine Art <strong>Liebe</strong> light, die ohne konkreten<br />

Bezug zum Menschen einfach da ist. <strong>Die</strong> Reformatoren<br />

haben uns dem gegenüber gelehrt: Sprich nicht über<br />

Gott und seine Eigenschaften an sich, sondern über<br />

Gott, wie er sich dem Menschen offenbart. Und Gott<br />

hat sich offenbart. Es ist deshalb ungemein wichtig,<br />

dass wir unser Verständnis von der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>, von<br />

Gott und seinem Evangelium bestimmen lassen. Denn<br />

im Evangelium hat uns Gott seine <strong>Liebe</strong> gezeigt. Das<br />

lernen wir von allen Autoren des Neuen Testaments.<br />

Vielleicht kann uns eine sehr bekannte Bibelstelle<br />

hier weiterhelfen. Johannes schreibt in seinem ersten<br />

Brief: „Hierin ist die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> offenbart worden,<br />

dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt<br />

gesandt hat, damit wir durch ihn leben möchten.<br />

Hierin ist die <strong>Liebe</strong>: Nicht dass wir Gott geliebt haben,<br />

sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt<br />

hat als eine Sühnung für unsere Sünde“ (1. Johannes<br />

4,9-10).<br />

WIE GOTT SEINE LIEBE GEZEIGT HAT…<br />

Johannes hatte seine Leser zunächst dazu aufgefordert,<br />

einander zu lieben, denn „die <strong>Liebe</strong> ist aus Gott; und<br />

jeder, der liebt, ist aus Gott geboren und erkennt Gott“<br />

(4,7). Weiter schreibt er dann, dass derjenige, der nicht<br />

liebt, Gott nicht erkannt hat, weil Gott selbst die <strong>Liebe</strong><br />

ist (4,8). Was wir hier lernen, ist, dass <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong><br />

nicht wirkungslos bleiben kann. Sie ist kraftvoll und<br />

wird dort Wirkungen hervorrufen, wo dem Evangelium<br />

geglaubt wird. Und Johannes begründet seine<br />

Forderung nach Bruderliebe damit, dass er uns auf das<br />

Evangelium hinweist.<br />

Natürlich zeigt sich <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> zu den Menschen<br />

auch an anderer Stelle. Gott kümmert sich in seiner<br />

Gnade um jeden Menschen. Er lässt uns leben und das<br />

Leben genießen. Er beschenkt uns mit unserer Familie<br />

und Freunden. All das sind Zeichen seiner <strong>Liebe</strong> zu<br />

uns. Aber: Johannes ist so fest davon überzeugt, dass<br />

die zentrale Offenbarung der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> in dem<br />

Sühnetod Jesu Christi stattgefunden hat, dass er uns<br />

sagen kann: „Hierin ist die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> offenbart worden,<br />

dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt<br />

gesandt hat, damit wir durch ihn leben möchten.“<br />

Sind die vielen Dinge, die Gott uns in unserem<br />

Leben schenkt, kleine Lichter, die uns auf seine <strong>Liebe</strong><br />

hinweisen, so ist das Kreuz im Gegensatz dazu ein<br />

riesiges Leuchtfeuer, das nicht mehr zu übersehen ist.<br />

Das Evangelium nimmt also die zentrale Rolle in der<br />

Offenbarung der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> ein. Nichts kommt dem<br />

gleich. Gott hat seine <strong>Liebe</strong> gezeigt, als er seinen Sohn<br />

auf diese Erde kommen ließ, um Menschen, die nichts<br />

von seiner <strong>Liebe</strong> wissen wollten, zu erlösen. Ja, <strong>Gottes</strong><br />

<strong>Liebe</strong> ging so weit, dass er uns, als wir noch seine Feinde<br />

waren, von der Macht und Knechtschaft der Sünde<br />

befreite – durch das Blut seines einzigen Sohnes. Gott<br />

sandte seinen Sohn, um uns vom Tod zu befreien und<br />

mit neuem, ewigem Leben zu beschenken. Darin zeigte<br />

er seine <strong>Liebe</strong>.<br />

Gott sieht nicht einfach über unsere Sünde hinweg,<br />

was die Welt wohl als „Evangelium“ annehmen würde.<br />

Vielmehr besteht die frohe Botschaft darin, dass Gott<br />

selbst für die Beseitigung unserer Schuld sorgt, obwohl<br />

wir nichts anderes verdient hätten als seinen gerechten<br />

und heiligen Zorn. <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> besteht eben nicht<br />

in der Tolerierung unserer Vergehen. Gott liebt uns so<br />

sehr, dass er uns unsere Verlorenheit durch sein Wort<br />

und seinen Geist bewusst macht und wir so nicht mehr<br />

anders können, als in seine Arme zu fallen.<br />

18


GOTT ENTSCHIED SICH, UNS ZU LIEBEN<br />

Aber das ist Johannes noch nicht genug. Er will uns<br />

nicht nur deutlich machen, dass Gott seine <strong>Liebe</strong> ganz<br />

konkret gezeigt hat, sondern macht uns auch darauf<br />

aufmerksam, dass es <strong>Gottes</strong> Entschluss war, uns zu<br />

lieben und seine <strong>Liebe</strong> zu zeigen: „Hierin ist die <strong>Liebe</strong>:<br />

Nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns<br />

geliebt und seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung<br />

für unsere Sünden“ (1. Johannes 4,10).<br />

Gott hat nicht gewartet bis eine Art „<strong>Liebe</strong>ssignal“<br />

von der Erde kommen würde, um dann seinerseits mit<br />

<strong>Liebe</strong> zu antworten. Er wusste genau, dass wir gar nicht<br />

dazu in der Lage sind, ihn zu lieben. Wir waren tot und<br />

verloren in unseren Sünden und haben Gott und sein<br />

Gebot gehasst. Aber gerade darin hat Gott seine <strong>Liebe</strong><br />

gezeigt: Er sandte seinen Sohn, nach seinem eigenen<br />

souveränen Willen, um unsere Schuld zu sühnen. Und<br />

er tat dies in dem Wissen um unsere Herzenseinstellung.<br />

Gott entschied sich, uns zu retten. Er entschied<br />

sich, seinen Sohn mit dem Zorn, der uns galt, zu<br />

zerschlagen (Jesaja 53,5.10). Er entschied sich, Christus<br />

als Sühneopfer für unsere Sünde hinzugeben. Ja, Gott<br />

entschied sich, uns zu lieben.<br />

WAS WIR VON JOHANNES LERNEN KÖNNEN<br />

Gott hat seine <strong>Liebe</strong> gezeigt – in einer konkreten, historischen<br />

Tat. Wir haben ihn nicht darum gebeten. Er<br />

hat sich entschieden uns zu lieben – aus freien Stücken.<br />

Genau darin hat sich seine <strong>Liebe</strong> in einer einzigartigen<br />

Weise offenbart.<br />

Was heißt das nun für uns? Wir können nicht über<br />

die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> sprechen, ohne seinen Sohn, ohne das<br />

Evangelium zu erwähnen. Denn Johannes zeigt uns,<br />

dass uns Gott gerade im Evangelium seine unglaubliche<br />

<strong>Liebe</strong> offenbart hat. Wir können nicht einfach so über<br />

die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> singen, ohne dabei das vergossene Blut<br />

unseres Erlösers zu erwähnen. Wir können aus der <strong>Liebe</strong><br />

<strong>Gottes</strong> keinen Trost bekommen, wenn wir uns nicht<br />

ganz konkret vor Augen halten, wie Gott seine <strong>Liebe</strong><br />

gezeigt hat. Denn diese <strong>Liebe</strong> ist weder abstrakt, noch<br />

willenlos. Wäre sie das, würde das Evangelium niemals<br />

als Quelle von Trost und Hoffnung dienen können.<br />

Denn welchen Trost hätten wir aus einer <strong>Liebe</strong>, die nie<br />

konkret wird und sich niemals unseres tiefsten Elends<br />

annimmt? Aber jetzt wissen wir aus dem Evangelium,<br />

dass Gott uns tatsächlich liebt. Aus dem Evangelium<br />

erkennen wir die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>.<br />

Und noch etwas muss gerade aus der Perspektive<br />

des Kontextes unserer Verse gesagt werden: Ohne die<br />

echte, konkrete <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>, die uns im Evangelium<br />

begegnet, hätten wir überhaupt keinen Grund, unsere<br />

Geschwister zu lieben. Es ist diese <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>, die uns<br />

auffordert, unsere Geschwister zu lieben. Es ist die <strong>Liebe</strong>,<br />

die wir im Evangelium sehen, die uns dazu auffordert,<br />

unsere Geschwister eben nicht „unmittelbar“ (mit<br />

all ihren Fehlern), sondern in Christus zu sehen – als<br />

gerettet, gerechtfertigt und heilig. Eine abstrakte und<br />

willenlose <strong>Liebe</strong> ist zu so einer Aufforderung gar nicht<br />

in der Lage.<br />

CHRISTUS – DER DEUTLICHSTE BEWEIS<br />

DER LIEBE GOTTES<br />

Fassen wir zusammen: Das Evangelium ist die Offenbarung<br />

der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>. Deshalb konnte Johannes<br />

Calvin schreiben, als er sich mit eben diesen Versen<br />

beschäftigte: „<strong>Die</strong>ses unglaubliche Geschenk, das darin<br />

besteht, dass Gott, der Vater, Christus nicht verschont<br />

hat, ist dermaßen überwältigend, dass wir wirklich<br />

nicht mehr aus dem Staunen kommen, wenn wir darüber<br />

nachdenken. Christus ist der vollkommene Beweis<br />

der Güte <strong>Gottes</strong>.“<br />

Christus ist der vollkommene Beweis der <strong>Liebe</strong> und<br />

Güte <strong>Gottes</strong>: Deshalb dürfen wir in jeder Situation auf<br />

das Kreuz schauen. Denn dort sehen wir, dass Gott uns<br />

geliebt hat. Konkret und tatsächlich.<br />

FRAGEN ZUM WEITEREN NACHDENKEN:<br />

• Fallen dir Situationen/Lieder ein, in denen du sehr<br />

unbestimmt über <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> sprichst/singst?<br />

• Warum ist es so unglaublich wichtig, niemals das<br />

Evangelium zu vergessen, wenn wir über die <strong>Liebe</strong><br />

<strong>Gottes</strong> nachdenken?<br />

• Schlag Römer 5 auf und lies die Verse 6-10. Worin<br />

zeigt sich nach Paulus die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>? Versuche<br />

einmal, die Eigenschaften und Auswirkungen dieser<br />

<strong>Liebe</strong> in Stichworten zusammenzufassen.<br />

Rudolf Tissen ist 26 Jahre alt, verheiratet mit Christina und<br />

derzeit noch Student (Theologie und Wirtschaftsrecht).<br />

19


NACH CHRISTUS<br />

<strong>Die</strong> Rubrik für Biografien<br />

& Kirchengeschichte.<br />

Robert C.<br />

Chapman<br />

Text von Thomas Hochstetter<br />

„Und wenn ich Weissagung hätte und alle Geheimnisse wüsste und<br />

alle Erkenntnis, und wenn ich allen Glauben besäße, sodass ich Berge<br />

versetzte, aber keine <strong>Liebe</strong> hätte, so wäre ich nichts.“<br />

—1. Korinther 13,2


Ein ungläubiger Begleiter des berühmten Apologeten<br />

Ravi Zacharias soll ihm einmal die<br />

Frage gestellt haben: „Wenn diese Bekehrung,<br />

von der du redest, wirklich übernatürlicher<br />

Herkunft ist, wie kommt es dann, dass sie<br />

in dem Leben vieler mir bekannter Christen nicht<br />

offensichtlicher wird?“ <strong>Die</strong>se treffende Bemerkung<br />

spricht ein uns nur allzu gut bekanntes Problem an,<br />

nämlich dass viele den Namen Christus für ihr Leben<br />

in Anspruch nehmen, ihn aber nicht ausleben.<br />

Paulus sagte im Philipperbrief: „Das Leben ist für<br />

mich Christus“. Das Neue Testament bezeugt dann,<br />

dass er dies nicht nur glaubte, sondern auch lebte. So<br />

konnte Paulus in aller Demut an anderer Stelle dazu<br />

aufrufen: „Seid meine Nachahmer, gleichwie auch ich<br />

[Nachahmer] des Christus bin“ (1. Korinther 11,1).<br />

<strong>Die</strong> Nachfolger Christi werden nicht in erster<br />

Linie an ihrem Wissen, ihrer Glaubensgemeinschaft,<br />

ihren Abschlüssen und Doktortiteln oder am Namen<br />

ihrer Bibelschule erkannt. Nein. Das Merkmal eines<br />

von Gott gerufenen und erlösten Lebens ist: die <strong>Liebe</strong><br />

Christi zu leben! „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass<br />

ihr einander lieben sollt, damit, wie ich euch geliebt<br />

habe, auch ihr einander liebt“ (Johannes 13,34).<br />

Das Alleinstellungsmerkmal deiner Nachfolge soll<br />

die <strong>Liebe</strong> Christi sein. Das bedeutet, dass du andere so<br />

lieben sollst, wie Jesus andere geliebt hat!<br />

Es ist wichtig zu erkennen, dass Jesus nicht nur<br />

seinen engsten Jüngern ein Gebot gegeben hat, sondern<br />

dass Er dabei eine ganz allgemeine Gruppe im Sinn<br />

hatte: alle Gläubigen. „Daran wird jedermann erkennen,<br />

dass ihr meine Jünger seid“ (Johannes 13,35).<br />

In der <strong>Liebe</strong> Christi zu leben, entspringt allerdings<br />

nicht in erster Linie dem heiligen Gebot – viele können<br />

es lesen und trotzdem nicht danach leben – sondern<br />

ist durch reine und erstaunliche Gnade gewirkt.<br />

Wem viel vergeben wurde, der liebt viel. Je größer<br />

die Erkenntnis der unverdienten Errettung und je tiefer<br />

das Verständnis der eigenen Identität ohne Christus ist,<br />

umso größer wird die Fähigkeit zu lieben. Das ist der<br />

Umkehrschluss von Jesu Worten in Lukas 7,47. 1<br />

Im Licht dieser Wahrheiten ist es immer sehr<br />

hilfreich, Vorbilder zu haben, die uns zeigen, wie so ein<br />

Leben aussehen kann. Um dich heute zu ermutigen,<br />

Christus zu leben, will ich mit dir zusammen das Leben<br />

eines solchen Vorbildes der <strong>Liebe</strong> Christi betrachten.<br />

R.C. Chapman sagte einmal über sich selbst: „Mein<br />

Geschäft ist es, andere zu lieben – und nicht die <strong>Liebe</strong><br />

anderer zu suchen.“ 2<br />

Jeder, der ihn kannte, konnte erfahren, dass er ein<br />

wahrer „Apostel der <strong>Liebe</strong>“ war, indem er die Gesinnung<br />

Christis wirklich auslebte (vgl. Philipper 2,4-5).<br />

Chapman wurde am 4. Januar 1803 in eine reiche,<br />

jedoch ungläubige englische Großfamilie geboren.<br />

Früh war er als ernsthafter, fleißiger und begeisterter<br />

Junge bekannt. Nachdem seine Familie, im Zuge der<br />

napoleonischen Kriege, viel Geld verloren hatte, wurde<br />

1 Vgl. auch 2 Korinther 5,14<br />

2 Peterson, R. L. Robert C. Chapman – Der Mann, der Christus<br />

lebte. Bielefeld: CLV, 2000. S. 13<br />

Robert im Jahr 1818 mit 15 Jahren nach London<br />

geschickt, um dort eine Ausbildung zum Rechtsanwalt<br />

zu beginnen. Als er diese Ausbildung erfolgreich hinter<br />

sich gebracht hatte, erbte er unerwartet eine beträchtliche<br />

Summe Geld, mit welcher der nunmehr 23-jährige<br />

Robert seine eigene Anwaltskanzlei aufbaute.<br />

Trotz seines frühen Erfolges und dem daraus<br />

resultierenden Ansehen war er nicht zufrieden. Er<br />

hatte Fragen; Fragen geistlicher Natur, welche ihm sein<br />

ungläubiges Elternhaus und Umfeld nicht beantworten<br />

konnten. So begann er, die Bibel zu lesen und in nur<br />

kurzer Zeit hatte er sie mehrmals durchgelesen, obwohl<br />

er ihre Glaubwürdigkeit anzweifelte.<br />

Jahre später schrieb er über diese Zeit Folgendes:<br />

„<strong>Die</strong> Welt machte mich krank. Ich hasste sie, da sie<br />

meinen Geist quälte. Trotzdem war ich unfähig und<br />

nicht bereit, sie aufzugeben.“ 3<br />

Wie so oft im Leben derer, die Gott zu sich zieht,<br />

schickte er Robert einen Menschen über den Weg,<br />

der ihn nachhaltig beeinflussen würde: ein christlicher<br />

Anwalt mit dem Namen John Whitmore. Whitmore<br />

und Chapman wurden enge Freunde und diskutierten<br />

oft über geistliche Dinge. Es war auch Whitmore, der<br />

Robert in eine Kirche brachte: die John Street Chapel.<br />

Als Chapman mit 23 Jahren seinen Fuß in die John<br />

Street Chapel setzte, hörte er zum ersten Mal in seinem<br />

Leben eine Predigt, die sein Herz und seine Selbstgerechtigkeit<br />

angriff. Der Pastor der Gemeinde war<br />

Harrington Evans und seine Predigt war es, durch die<br />

Robert Chapman seinen Erlöser fand, indem er seine<br />

geistliche Unfähigkeit im Gegensatz zu Christi erlösendem<br />

und stellvertretendem Tod am Kreuz begriff.<br />

Harrington Evans wurde der Mentor des frisch<br />

bekehrten Robert und er nahm ihn schon früh mit zu<br />

evangelistischen Einsätzen in den Elendsvierteln der<br />

Stadt, wo sie Essen und Kleidung verteilten. Er gab<br />

ihm auch schon bald Möglichkeiten zu predigen. Doch<br />

es schien, als ob der junge Robert keine besondere<br />

Begabung dazu hatte. Seine Freunde sagten, er würde<br />

zu sehr wie ein Anwalt klingen.<br />

Doch ließ er sich von solchen Rückschlägen nicht<br />

beirren und setzte sich das beste Ziel, das er sich setzen<br />

konnte: „Es gibt viele, die Christus predigen, aber nicht<br />

sehr viele, die Christus leben. Mein großes Ziel wird<br />

sein, Christus zu leben.“ 4<br />

R. C. Chapman lebte dieses Ziel aus, indem er<br />

sich mehr und mehr dem <strong>Die</strong>nst am Wort und an<br />

den Armen widmete. Er sorgte sich um das geistliche<br />

Wohlergehen der Menschen, insbesondere der Armen,<br />

die Gott ihm über den Weg schickte.<br />

Durch seine unbeirrte Nachfolge Christi, seine<br />

<strong>Liebe</strong> zu <strong>Gottes</strong> Wort und zu den Menschen begann<br />

Chapman, einen großen Einfluss auf das geistliche<br />

Wachstum der Gemeinde auszuüben. <strong>Die</strong> Frage nach<br />

seinem weiteren Weg stellte sich nun mehr und mehr.<br />

Obwohl seine Kanzlei erfolgreich war und ihm alle<br />

3 Ebd., S. 24<br />

4 Es soll nicht der Eindruck entstehen, als ob sich diese Dinge gegenseitig<br />

ausschließen würden. Wahres Predigen entspringt einem<br />

Leben, das Christus lebt. Robert Chapman durfte das selbst erfahren.<br />

© Foto: Unebekannt / Bearbeitung: Peter Voth 21


Türen zu einem besseren Leben offenstanden, entschied<br />

er sich dazu, die Botschaft des Evangeliums den Armen<br />

zu verkündigen.<br />

Beeinflusst durch persönliche Freunde wie Georg<br />

Müller, Thomas Pugsley und Anthony Groves gab er<br />

im April 1832 seine Arbeit als Anwalt auf und wurde<br />

im Alter von 27 Jahren der Pastor einer kleinen<br />

und schwierigen Gemeinde, der Ebenezer Chapel in<br />

Barnstaple. Wie schwierig diese Gemeinde war, zeigte<br />

sich darin, dass sie in den 18 Monaten vor Chapmans<br />

Ankunft schon drei Pastoren hatte. Es gab nur eine<br />

Bedingung, die er an die Gemeinde stellte: Er müsse<br />

alles das predigen dürfen, was er in <strong>Gottes</strong> Wort finden<br />

konnte. Sein Vertrauen auf die Kraft der Schrift und<br />

das Wirken des Heiligen Geistes durch sie war ein<br />

hervorstechendes Merkmal dieses jungen Predigers.<br />

Für Chapman war die Bibel <strong>Gottes</strong> allgenügsames<br />

und mächtiges Wort, welches es nicht nur zu kennen,<br />

sondern auch zu halten galt. Mit seiner Ankunft in der<br />

Ebenezer Chapel stand nur noch <strong>Gottes</strong> Wort im Zentrum<br />

jeder Lehre und Predigt. Er war davon überzeugt,<br />

dass es einen Hunger nach dem Gesetz des Herrn gab,<br />

den es zu stillen galt.<br />

Das Vertrauen und die <strong>Liebe</strong>, die Chapman <strong>Gottes</strong><br />

Wort gegenüber brachte, scheint heute eher eine Seltenheit<br />

zu sein. Jeder von uns neigt dazu, die Schrift zu<br />

vernachlässigen. Ob durch christliche Literatur, Arbeit<br />

oder Vergnügen abgelenkt, verbringen wir immer weniger<br />

Zeit damit, <strong>Gottes</strong> Wort zu lesen, zu studieren und<br />

darüber nachzusinnen. <strong>Die</strong> Worte Davids aus Psalm<br />

119 kommen leider viel zu wenig von unseren Lippen:<br />

„Wie habe ich dein Gesetz so lieb! Ich sinne darüber<br />

nach den ganzen Tag“ (Psalm 119,97).<br />

In einer seiner letzten Predigten rief Chapman die<br />

Eltern der Gemeinde dazu auf zu beten, dass ihre Kinder<br />

vor allem <strong>Gottes</strong> Wort kennen würden. Er sagte:<br />

„Es gibt so viele Menschen, die sich alleine mit dem<br />

Wissen ihrer Errettung zufrieden geben wollen. Sagt ihnen<br />

[den Kindern], dass sie sich nicht damit zufrieden<br />

geben sollen. Ich möchte, dass sie die Schrift studieren<br />

und so in der Erkenntnis <strong>Gottes</strong> wachsen. Sagt ihnen,<br />

dass ich möchte, dass sie den Herrn Jesus Christus<br />

dadurch sehr persönlich kennenlernen sollen.“ 1<br />

R. C. Chapman war aber nicht nur für seine <strong>Liebe</strong><br />

zu <strong>Gottes</strong> Wort bekannt, sondern auch besonders für<br />

einen vom Geist geleiteten Charakter: „<strong>Die</strong> Frucht<br />

des Geistes aber ist <strong>Liebe</strong>, Freude, Friede, Langmut,<br />

Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung“<br />

(Galater 5,22). Es waren gerade diese Eigenschaften,<br />

welche ihm bei vielen ein Gehör verschafften.<br />

Vor allem war es auch der Schlüssel für seinen Erfolg<br />

im <strong>Die</strong>nst an einer widerspenstigen Gemeinde. Er war<br />

niemals ungeduldig, immer freundlich und respektvoll,<br />

stets auf das Wohl anderer bedacht, auch wenn das für<br />

ihn mehr Arbeit bedeutete. Er grüßte alle so herzlich,<br />

dass einer seiner Freunde nach Chapmans Tod ihn<br />

noch gut in Erinnerung hatte: „Ich kann seine liebevolle<br />

Stimme selbst jetzt noch hören, wie sie mir zurief:<br />

1 Peterson, R. L. Robert C. Chapman – Der Mann, der Christus<br />

lebte. Bielefeld: CLV, 2000. S. 18<br />

,Ich bin hocherfreut dich zu sehen. Ja, hocherfreut! Sei<br />

willkommen mein lieber Bruder!‘“<br />

Obwohl Chapman niemals heiratete, war er unheimlich<br />

gut darin, Kinder zu belehren. Seine freudige<br />

und unbeschwerte Art kam bei ihnen gut an. Darüber<br />

hinaus war er aber auch zutiefst um ihr seelisches Wohl<br />

besorgt. Wie ernst er diese Aufgabe nahm, wird durch<br />

folgendes Zitat deutlich: „Gott erhält mehr Ehre durch<br />

einen Mann, der seine Familie nach Christus führt, als<br />

durch einen gerechten Machthaber, der sein Königreich<br />

regiert.“<br />

<strong>Die</strong> geistgeführte Art dieses Mannes wurde nirgendwo<br />

so auf die Probe gestellt wie in der Auseinandersetzung<br />

zwischen John Nelson Darby und B. W. Newton.<br />

Als die Probleme so groß wurden, dass sie mehr und<br />

mehr Gemeinden betrafen, wurde R. C. Chapman als<br />

Schlichter herbeigerufen, da man von seinem geduldigen<br />

und barmherzigen Charakter wusste.<br />

Darby beabsichtigte, alle Gläubigen und Gemeinden<br />

auszuschließen, die Newton unterstützten. <strong>Die</strong>s<br />

führte zu Spaltungen unter den Brüdergemeinden der<br />

Gegend. Bei einem überregionalen Schlichtungstreffen<br />

im Jahr 1845, bei dem 12 leitende Brüder aus dem<br />

ganzen Land zugegen waren, sagte Chapman zu Darby:<br />

„Du hättest mit der Trennung einfach länger warten<br />

müssen.“ Darby versuchte, sich zu verteidigen: „Ich<br />

habe sechs Monate gewartet!“ Daraufhin erwiderte<br />

Chapman: „Wenn dieses Problem in Barnstaple aufgetreten<br />

wäre, hätten wir sechs Jahre gewartet!“<br />

Leider konnten Chapmans Schlichtungsversuche<br />

die Situation nicht lösen, und so wurde er von vielen<br />

Anhängern Darbys gemieden und sogar angegriffen.<br />

Das Erstaunliche ist nun, dass trotz der Differenzen<br />

Darby selbst R. C. Chapman stets gegen Anschuldigungen<br />

verteidigte. Einmal sagte er über ihn: „Wir reden<br />

von den himmlischen Regionen, er lebt sie.“<br />

Trotz der Feindschaft, die Robert entgegengebracht<br />

wurde, und der offensichtlich schwierigen Art Darbys,<br />

verlor er nie ein schlechtes Wort über ihn oder seine<br />

Nachfolger. Ähnlich wie Paulus, als der die halsstarrigen<br />

Korinther ,Brüder‘ nannte, sah Chapman seine<br />

Gegner als „seine Brüder, deren Gewissen es ihnen<br />

verhindert hat, mit ihm Gemeinschaft zu pflegen und<br />

dadurch ihn ihrer Gemeinschaft beraubt hat“.<br />

Chapman war davon überzeugt, dass die Einheit<br />

der Gemeinde Christi eines der höchsten Güter<br />

der Gläubigen ist. Für ihn ging es um mehr als nur<br />

Pragmatismus. Er sah in der Einheit der Gläubigen<br />

eine tiefsinnige Widerspiegelung von <strong>Gottes</strong> Wesen. Er<br />

drückte es einmal folgendermaßen aus: „Demut ist der<br />

Schlüssel zu Gemeinschaft; Stolz ist der Schlüssel zu<br />

Spaltungen.“<br />

Auch wenn Robert Chapman sowohl für seine<br />

wortgetreuen Predigten als auch für seine Arbeit unter<br />

den Armen bekannt war, war es doch ein anderer<br />

<strong>Die</strong>nst, für den man ihn immer in Erinnerung behalten<br />

würde, nämlich sein Haus der Gastfreundschaft in<br />

Barnstable.<br />

Gastfreundlich zu sein ist wahrscheinlich eines<br />

der klarsten Anzeichen von ausgelebter <strong>Liebe</strong>. <strong>Die</strong>se<br />

Eigenschaft muss in einem geistlichen Leiter offen-<br />

22


sichtlich sichtbar sein (siehe 1. Tim 3,2). Der Grund,<br />

weshalb sie so deutlich mit <strong>Liebe</strong> zu tun hat, ist, dass<br />

Gastfreundschaft nichts anderes als <strong>Liebe</strong> zu Fremden<br />

bedeutet. Das Wort „gastfreundlich“ in 1. <strong>Timotheus</strong><br />

3,2 spricht davon, sein Haus und Leben fremden<br />

Menschen zu öffnen. R. C. Chapman verstand diesen<br />

Aufruf und beschloss, schon vor seiner Ankunft in<br />

Barnstable, dass er genau das tun würde. Als er noch in<br />

London unter den Armen arbeitete, begegnete er einigen<br />

Missionaren und Pastoren, welche völlig erschöpft<br />

und abgearbeitet waren. Daher entstand in ihm der<br />

Wunsch nach einem Haus, das diesen <strong>Die</strong>nern <strong>Gottes</strong><br />

helfen würde, wieder auf die Beine zu kommen.<br />

Sie sollten bei ihm kostenlos und so lange sie wollten,<br />

bleiben können. Seine einzigen Ansprüche an das<br />

Haus waren eine große Anzahl an zusätzlichen Zimmern<br />

und die Lage in einer ärmlichen Gegend.<br />

Kaum in Barnstable angekommen, kaufte er sich<br />

mit dem zurückgelegten Geld genau solch ein Haus.<br />

Schon bald sprach sich das herum und er bekam seine<br />

ersten Gäste, welche manchmal nur einen Abend oder<br />

nur ein paar Stunden bei ihm verweilten; manche aber<br />

auch über mehrere Wochen oder Monate.<br />

Das Haus der Gastfreundschaft war schlicht eingerichtet,<br />

aber sauber. Es herrschte eine sehr geistliche<br />

Atmosphäre. Robert duldete keine unnützen Tischgespräche<br />

und lenkte, meist sehr geschickt und bestimmt,<br />

die Gespräche zu geistlichen Themen. Selber legte er<br />

sich immer um 21 Uhr zur Ruhe und ermutigte seine<br />

Gäste dazu, dasselbe zu tun. Der Morgen begann für<br />

ihn um vier Uhr mit einigen Stunden im Gebet und im<br />

Wort. Wenn Gäste früh aufstehen wollten, übernahm<br />

er den Weckdienst, indem er immer einen kurzen und<br />

ermutigenden Vers in das Zimmer sprach. Er bereitete<br />

ihnen die Möglichkeit, den Tagesbeginn in aller Ruhe<br />

mit Gott zu verbringen – Kaminfeuer und warme<br />

Decken inklusive.<br />

Chapman hatte eine Gewohnheit, welche sein<br />

demütiges und liebendes Herz sehr gut beschreibt:<br />

bevor seine Gäste sich zur Nachtruhe zurückzogen, bat<br />

er sie immer, ihre Schuhe vor die Tür zu stellen, damit<br />

er sie bis zu ihrem Erwachen reinigen konnte. Alles<br />

Protestieren half nichts und so machte er sich jeden<br />

Morgen daran, die Schuhe seiner Gäste zu reinigen. Als<br />

er einmal darauf angesprochen wurde, sagte er: „Wir<br />

pflegen uns heutzutage nicht mehr gegenseitig die Füße<br />

zu waschen; aber das Schuhe waschen kommt dem<br />

Befehl des Herrn wohl am nächsten.“<br />

Alles dies tat er neben allem anderen, was der<br />

<strong>Die</strong>nst an <strong>Gottes</strong> Herde mit sich bringt. Er predigte<br />

jeden Sonntag, besuchte Notleidende in ihren Häusern,<br />

lehrte in Hauskreisen, nahm an Treffen teil, half bei<br />

Gemeindegründungen, ermutigte die Niedergeschlagenen<br />

und evangelisierte besonders in den Armenvierteln.<br />

Robert Chapman lebte das höchste Gebot aus,<br />

indem er es zu seiner Freude machte, Gott zu lieben,<br />

und danach seinen Nächsten (Lukas 10,27). Er war ein<br />

barmherziger Mann, der anderen reichlich von seinem<br />

Besitz und Leben gab. Robert war kein Einzelgänger,<br />

der alles auf eigene Faust, auf seine Art und Weise<br />

machte. Er hatte immer Mitarbeiter an seiner Seite,<br />

denen er nicht nur Freund, sondern auch Mentor<br />

war. Sein langes Leben war durch viele langjährige<br />

und tiefe Freundschaften gekennzeichnet. Zu diesen<br />

engen Freunden gehörten auch geistliche Leiter wie<br />

Georg Müller, Charles Haddon Spurgeon oder Hudson<br />

Taylor. Aber auch in seinem Umfeld pflegte er enge Beziehungen.<br />

Es gab dort einen gewissen William Hake,<br />

der für den Großteil seines Lebens an seiner Seite stand<br />

und ihn im <strong>Die</strong>nst am Wort und an den Menschen<br />

begleitete. Nach dem Tod Hakes’ schrieb Chapman<br />

ein Gedenkband über seinen langjährigen Freund, mit<br />

dem Titel „Seventy years of Pilgrimage“ (70 Jahre auf<br />

Pilgerreise). Es war für ihn sehr schmerzlich, diesen<br />

Mitstreiter und Freund verloren zu haben.<br />

Was können wir zusammenfassend über diesen<br />

Mann sagen? Er war gottesfürchtig, lebte seinen Glauben<br />

aus und war mit der Anbetung <strong>Gottes</strong> beschäftigt.<br />

R.C. Chapman schrieb über 165 Gemeindelieder und<br />

Gedichte. Er verbrachte jeden Tag mehrere Stunden im<br />

Gebet und im Studium von <strong>Gottes</strong> Wort, was ihn zu<br />

einem der weisesten und fähigsten Männer seiner Zeit<br />

werden ließ. Charles Spurgeon schrieb über Chapman<br />

diese wundervollen Worte: „Der heiligste Mann, den<br />

ich jemals gekannt habe.“<br />

Robert Chapman starb im hohen Alter von 99<br />

Jahren. Noch bis kurz vor seinen Tod predigte und<br />

lehrte er regelmäßig. Sein Haus der Gastfreundschaft<br />

hatte sich in der Zwischenzeit auf zwei weitere Häuser<br />

(nebenan und gegenüber) ausgeweitet. Er war dort<br />

noch bis zehn Tage vor seinen Tod damit beschäftigt,<br />

Fremden zu dienen und ihnen die Schuhe zu putzen.<br />

Frank Holmes schrieb über Chapmans letzte Stunde<br />

auf dieser Seite der Ewigkeit folgendes:<br />

„Seine letzten Worte waren: ‚Der Friede <strong>Gottes</strong>,<br />

der allen Verstand übersteigt ...’ Ja, der Friede <strong>Gottes</strong><br />

war das Kennzeichen seiner gesamten christlichen<br />

Erfahrung gewesen – unerschütterlicher Friede, der ihn<br />

geduldig gemacht hatte.“ 2<br />

Chapman war nie darauf aus, bekannt zu werden.<br />

Er verabscheute es, wenn Menschen ihn in den<br />

Mittelpunkt stellten. Deshalb hinterließ er auch nicht<br />

vieles, keine Theologien oder Kommentare, lediglich<br />

ein paar Möbel und Besitztümer. Aber was er sehr wohl<br />

hinterließ, ist ein außergewöhnliches Leben, gelebt in<br />

der <strong>Liebe</strong> Christi, seiner Gnade und Wahrheit.<br />

<strong>Liebe</strong> prägte alles, was er tat, und diese <strong>Liebe</strong> entsprang<br />

seiner Hingabe an Christus. 3<br />

2 Ebd., S. 18<br />

3 Ebd., S. 215<br />

Thomas Hochstetter (*1977) ist ist am Europäischen Bibel<br />

Trainings Centrum (EBTC) in Berlin als Dozent (Hermeneutik,<br />

Homiletik) und Administrator tätig.<br />

23


SCHRIFTGELEHRT<br />

<strong>Die</strong> Rubrik zum<br />

Alten Testament.


<strong>Die</strong> <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> im<br />

Alten Testament<br />

Text von Andreas Münch<br />

Schreibt man einen Artikel über die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> im Alten<br />

Testament, könnte man davon ausgehen, dass dieser nicht lang<br />

wird. Selbst nach zweitausend Jahren Kirchengeschichte ist der alttestamentliche<br />

Gott für viele ein wankelmütiger Choleriker. Erst<br />

im Neuen Testament betritt, in der Gestalt von Jesus Christus, der<br />

liebende Gott die Bühne der Welt.<br />

<strong>Die</strong>ser Artikel soll dir deutlich machen, dass Gott bereits im Alten<br />

Testament aus <strong>Liebe</strong> handelte und derselbe ist, von dem Johannes<br />

schrieb: Gott ist <strong>Liebe</strong>.<br />

WENIG WORTE DOCH VIELE TATEN<br />

Wenn du in einer Konkordanz nach<br />

dem Wort <strong>Liebe</strong> im Alten Testament<br />

suchst, wirst du feststellen,<br />

dass weitaus häufiger von unserer<br />

<strong>Liebe</strong> zu Gott die Rede ist als umgekehrt.<br />

<strong>Die</strong> Bibelstellen, in denen explizit gesagt wird,<br />

dass Gott uns Menschen liebt, sind relativ selten. Doch<br />

das bedeutet nicht, dass Gott uns nicht lieben würde,<br />

oder, dass Er uns nur ein bisschen liebt. Einer Ehe tut<br />

es gut, wenn Partner sich die Worte »Ich liebe dich!«<br />

zusprechen. Worte sind wichtig, doch müssen ihnen<br />

Taten folgen.<br />

Meines Wissens finden wir die erste ausdrückliche<br />

Erwähnung der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> zu Seinen Kindern in<br />

5. Mose 4,37: Und weil er deine Väter geliebt und ihre<br />

Nachkommen nach ihnen erwählt hat, hat er dich mit<br />

seinem Angesicht, mit seiner großen Kraft aus Ägypten<br />

herausgeführt. Wenn wir die 5 Bücher Mose als die<br />

Grundlage des Alten Testamentes betrachten, kommt<br />

dieses Bekenntnis recht spät. Bis zu diesem Zeitpunkt<br />

waren tausende von Jahren der Menschheitsgeschichte<br />

ins Land gegangen. Hatte Gott sich erst entschieden,<br />

Sein Volk zu lieben? Und wenn <strong>Gottes</strong> Volk als Objekt<br />

der <strong>Liebe</strong> gesehen wird, was ist dann mit dem Rest der<br />

Menschheit?<br />

© Foto: Jasper Boer 25


SCHÖPFUNG UND EHE ALS ZEICHEN DER<br />

LIEBE GOTTES<br />

Dass <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> groß sein muss, sehen wir bereits<br />

zu Beginn der Bibel, gleich auf den ersten Seiten. Zu<br />

Anfang war die Erde wüst und leer und es herrschte<br />

Finsternis. Kein bevorzugter Wohnort von uns. Jetzt<br />

hätte Gott beschließen können, uns in diese finstere<br />

Welt zu setzen. Doch Er tat es nicht. Er gestaltete die<br />

Erde Stück für Stück und machte sie für uns Menschen<br />

bewohnbar. Er schuf eine Welt, die mit so viel Kreativität<br />

bestückt ist, dass wir immer noch dabei sind, sie<br />

zu erforschen! Und vor dem Sündenfall, bevor der Tod<br />

Einzug erhielt, muss unsere Welt weitaus herrlicher<br />

gewesen sein. Gott hätte sich damit begnügen können,<br />

nur wenige Arten von Pflanzen und Tieren zu erschaffen.<br />

Doch Er schuf eine reiche Vielfalt, an der wir uns<br />

erfreuen können. Auch wenn erst im Neuen Testament<br />

explizit gesagt wird, dass Gott <strong>Liebe</strong> ist, machen uns<br />

die ersten Seiten der Bibel deutlich, dass wir es generell<br />

mit einem liebenden und fürsorglichen Gott zu tun<br />

haben. Das betonte auch Jesus, als Er Seinen Jüngern<br />

von Seinem Vater sagte: Denn er lässt seine Sonne aufgehen<br />

über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte<br />

und Ungerechte (Matthäus 5,45). <strong>Die</strong> Sonne ist <strong>Gottes</strong><br />

Besitz, sie gehört Ihm. Wir haben es nicht verdient,<br />

denken nicht darüber nach und dennoch zeigt sich<br />

<strong>Gottes</strong> allgemeine <strong>Liebe</strong> zu uns Menschen bei jedem<br />

Sonnenaufgang. <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> zu uns Menschen zeigt<br />

sich also in der Schöpfung, die uns umgibt.<br />

Ein zweiter <strong>Liebe</strong>sbeweis <strong>Gottes</strong> ist die Ehe. In<br />

Seiner Souveränität hat Gott beschlossen, uns eine<br />

Sammlung von <strong>Liebe</strong>sliedern als Teil Seines inspirierten<br />

Wortes zu geben – das Hohelied. Jetzt hat dieses Buch<br />

eine lange Geschichte abenteuerlicher Interpretationen<br />

hinter sich, doch die naheliegendste Auslegung ist, dass<br />

es die eheliche <strong>Liebe</strong> zwischen einem Mann und einer<br />

Frau preist, sowohl emotional als auch körperlich. <strong>Die</strong><br />

Bibel lehrt, dass die Ehe eine Stiftung <strong>Gottes</strong> ist, ein<br />

Geschenk an uns Menschen (vgl. 1. Mose 2,18-25).<br />

Das Hohelied macht deutlich, dass der Mensch sich<br />

an der Ehe erfreuen soll und gleichzeitig dient die Ehe<br />

als Abbild der Beziehung <strong>Gottes</strong> zu Seinem Volk (vgl.<br />

Epheser 5,31-32). Und da auch Nicht-Christen in den<br />

Genuss der ehelichen <strong>Liebe</strong> kommen, können wir darin<br />

einen zweiten Hinweis auf die allgemeine <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong><br />

zu uns Menschen sehen. Auch wenn in der Praxis die<br />

Sünde das Bild von <strong>Gottes</strong> Vorstellung der Ehe verzerrt,<br />

so zeugen doch unzählige <strong>Liebe</strong>sfilme und –Romane<br />

von unserer Sehnsucht nach aufopfernder und treuer<br />

<strong>Liebe</strong>, die ihren Ursprung bei Gott hat.<br />

Doch wenn wir über die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> im Alten<br />

Testament sprechen, müssen wir vor allem die <strong>Liebe</strong><br />

<strong>Gottes</strong> zu Seinem Volk betrachten.<br />

DIE LIEBE GOTTES ZU SEINEM VOLK<br />

Lesen wir das Alte Testament, so erweckt es den<br />

Eindruck, dass sich selbst das Bundesvolk die Frage<br />

nach der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> stellte. Nach jahrhundertelanger<br />

Heilsgeschichte war Israel anscheinend immer noch<br />

nicht sicher, ob Gott sie liebte. Durch den Propheten<br />

Maleachi sagte Gott zu Israel: Ich habe euch geliebt,<br />

spricht der Herr. Aber ihr sagt: Worin hast du uns<br />

geliebt? Hatte Jakob nicht einen Bruder Esau?, spricht der<br />

Herr. Und ich habe Jakob geliebt; Esau aber habe ich<br />

gehasst, und ich habe seine Berge zum Ödland gemacht<br />

und seinen Erbbesitz den Schakalen der Steppe überlassen<br />

(Maleachi 1,2-3). Anstatt einen Blick in die Geschichte<br />

zu werfen, zuckte Israel nur mit den Achseln und<br />

konnte sich nicht daran erinnern, Empfänger der <strong>Liebe</strong><br />

<strong>Gottes</strong> gewesen zu sein. Gott verweist auf die Erwählung<br />

Jakobs, dem Stammvater Israels und die Verwerfung<br />

seines Bruders Esau, um den Erweis Seiner <strong>Liebe</strong><br />

deutlich zu machen. <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> zu Seinem Volk<br />

zeigte sich darin, dass Er mit ihnen einen Bund schloss<br />

und Heilsgeschichte schrieb, während Esau verworfen<br />

wurde. Gott machte deutlich, dass Er eben nicht alle<br />

Menschen gleich liebte und sie gleichermaßen behandelte!<br />

Während Jakobs Leben unter dem Segen <strong>Gottes</strong><br />

stand, sagt Er von Esau, dass Er dessen Werk zugrunde<br />

richten würde. Und die Erwählung Israels wurzelte in<br />

der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> zu Seinem Volk.<br />

Als Israel kurz vor der Landeinnahme in der Ebene<br />

Moabs weilte, erinnerte Gott Sein Volk daran, was Ihn<br />

motivierte zu handeln: Nicht weil ihr mehr wäret als<br />

alle Völker, hat der Herr sich euch zugeneigt und euch<br />

erwählt – ihr seid ja das geringste unter allen Völkern –,<br />

sondern wegen der <strong>Liebe</strong> des Herrn zu euch, und weil<br />

er den Eid hielt, den er euren Vätern geschworen, hat<br />

der Herr euch mit starker Hand herausgeführt und dich<br />

erlöst aus dem Sklavenhaus, aus der Hand des Pharao, des<br />

Königs von Ägypten. [...] Und er wird dich lieben und<br />

dich segnen und dich zahlreich werden lassen. Er wird die<br />

Frucht deines Leibes segnen und die Frucht deines Landes,<br />

dein Getreide, deinen Most und dein Öl, den Wurf deiner<br />

Rinder und den Zuwachs deiner Schafe, in dem Land, das<br />

er deinen Vätern geschworen hat, dir zu geben (5. Mose<br />

7,7-8.13). <strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> zu Seinem Volk entsprang dem<br />

Willen <strong>Gottes</strong> und nicht der <strong>Liebe</strong>nswürdigkeit Israels.<br />

Und weil Gott uns als Sein Volk liebt, sollen wir Ihn<br />

ebenfalls lieben, mit ganzer Seele und ganzer Kraft (vgl.<br />

5. Mose 6,5).<br />

Traurigerweise erwies sich Israel als ein untreuer<br />

Bündnispartner. Während Gott die ganze Zeit über<br />

treu blieb, fielen sie immer wieder von Ihm ab und<br />

beteten fremde Götzen an. Wir lesen in diesem Zusammenhang<br />

häufig, dass Israel mit fremden Göttern<br />

hurte, weil das Bild der Ehe als Illustration für die<br />

<strong>Gottes</strong>beziehung gebraucht wird.<br />

Insbesondere der Prophet Hosea hielt Israel ihren<br />

geistlichen Ehebruch anschaulich vor Augen, sowohl<br />

durch sein Leben als auch durch seine Predigt: Als der<br />

Herr anfing, mit Hosea zu reden, da sprach der Herr zu<br />

Hosea: Geh, nimm dir eine hurerische Frau und zeuge<br />

hurerische Kinder! Denn das Land treibt ständig Hurerei,<br />

vom Herrn hinweg (Hosea 1,2). Israel trieb es mit<br />

seinem Götzendienst so weit, dass Gott ihren Bund<br />

für gebrochen erklärte: Ihre ganze Bosheit wurde in<br />

Gilgal offenkundig, ja, dort habe ich sie gehasst. Wegen<br />

der Bosheit ihrer Taten vertreibe ich sie aus meinem Haus.<br />

Ich werde sie nicht mehr lieben; all ihre Obersten sind<br />

Widerspenstige (Hosea 9,15). <strong>Gottes</strong> Zorn auf Sein Volk<br />

war echt. Und wer könnte es Ihm verdenken. Könnten<br />

26


wir jemanden lieben, der uns ohne Scham hintergeht,<br />

der uns immer wieder untreu wird und all das Gute,<br />

was wir ihm geben, mit Bösem vergilt? Wäre Gott wie<br />

wir, sähe es ganz düster aus. Das Gericht wäre schnell<br />

und ungnädig über Israel gekommen und das Neue<br />

Testament hätte nie das Licht der Welt erblickt. Doch<br />

Gott sei Dank ist Gott nicht wie wir Menschen. Darin<br />

lag auch die Hoffnung Israels. Denn Gott sagte durch<br />

Hosea ebenfalls: Nicht ausführen will ich die Glut meines<br />

Zornes, will nicht noch einmal Ephraim vernichten. Denn<br />

Gott bin ich und nicht ein Mensch, in deiner Mitte der<br />

Heilige; ich will nicht in Zornglut kommen (Hosea 11,9).<br />

Und Hosea durfte sein Buch mit der frohmachenden<br />

Botschaft beenden: Ich will ihre Abtrünnigkeit heilen,<br />

will sie aus freiem Antrieb lieben, denn mein Zorn hat<br />

sich von ihm abgewandt (Hosea 14,5). <strong>Die</strong> <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong><br />

siegte über Seinen Zorn. Er züchtigte Israel für ihre<br />

Sünden durch das assyrische und babylonische Exil,<br />

doch Er gab ihnen die Gelegenheit der Umkehr und<br />

einen Neuanfang.<br />

In einer gefallenen Welt stellen Sünder die Frage:<br />

Wie kann Gott mich lieben, wenn Er mir nicht<br />

dies und jenes gibt?, – und dabei denken sie meist an<br />

materielle Dinge. Doch die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> zu Sündern<br />

zeigt sich darin, dass Er uns Jesus geschenkt hat, der für<br />

unsere Sünden starb. Wenn wir über die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong><br />

reden, müssen wir über unsere Sünde sprechen. Denn<br />

<strong>Gottes</strong> <strong>Liebe</strong> erstrahlt im Umgang mit der Sünde.<br />

König Hiskia hat dies in einem Loblied sehr schön zum<br />

Ausdruck gebracht: Siehe, zum Heil wurde mir bitteres<br />

Leid: Du, du hast liebevoll meine Seele von der Grube der<br />

Vernichtung zurückgehalten, denn alle meine Sünden hast<br />

du hinter deinen Rücken geworfen (Jesaja 38,17). Wenn<br />

Gott sagt, dass Er uns liebt, dann heißt das in erster<br />

Linie, dass Gott uns von unseren Sünden rettet: Nicht<br />

Bote noch Engel – er selbst hat sie gerettet. In seiner <strong>Liebe</strong><br />

und in seinem Erbarmen hat er sie erlöst (Jesaja 63,9). Es<br />

gibt heutzutage viele fromme Sprüche, deren Theologie<br />

eher fragwürdig ist. Einer davon lautet: „Es geht kein<br />

Mensch über die Erde, den Gott nicht liebt.“ Nun,<br />

wie wir anfangs gesehen haben, trifft diese Aussage in<br />

einem generellen Sinne zu. Doch wenn die Bibel von<br />

der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> spricht, dann meint sie meistens die<br />

Bundesliebe zu Seinem Volk. Und es ist diese <strong>Liebe</strong>, die<br />

Menschen rettet. So wie Jeremia schreibt: Der Herr ist<br />

ihm von ferne erschienen: „Ja, mit ewiger <strong>Liebe</strong> habe ich<br />

dich geliebt; darum habe ich dir meine Güte bewahrt.“<br />

(Jeremia 31,3). Millionen Sünder werden in einem<br />

allgemeinen Sinn geliebt, weil sie Geschöpfe <strong>Gottes</strong><br />

sind, und werden dennoch von Gott berechtigterweise<br />

verdammt werden. In diesem Sinne ist die Hölle voll<br />

von „geliebten“ Menschen. Es besteht ein fundamentaler<br />

Unterschied, ob ich sage, ich liebe Frauen in einem<br />

allgemeinen Sinn oder ich liebe meine Frau, mit der<br />

ich in einer Bundesbeziehung stehe. So ist es auch mit<br />

Gott und uns Menschen: Der Herr bewahrt alle, die ihn<br />

lieben, aber alle Gottlosen vertilgt er (Psalm 145,20).<br />

Ich möchte dir deshalb die Frage stellen, ob du<br />

Empfänger der <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> geworden bist? Hast du<br />

Vergebung für deine Schuld empfangen oder bist du<br />

bisher nur in den Genuss der allgemeinen <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong><br />

gekommen, an der sich alle Menschen erfreuen, die sie<br />

jedoch nicht vor dem Gericht <strong>Gottes</strong> bewahrt?<br />

Johannes 3,16: „Denn so hat Gott die Welt geliebt,<br />

dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder,<br />

der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges<br />

Leben hat“, dient leider oftmals nur noch als frommer<br />

Postkartenspruch, ist aber weiterhin wahr. Wenn du<br />

bisher nicht dein Vertrauen in Jesus gesetzt hast, dann<br />

kannst du es immer noch tun und gerettet werden!<br />

Wenn du bereits an Jesus Christus gläubig bist,<br />

dann möchte ich dich ermutigen, dich an deinem Gott<br />

zu erfreuen, der dir so viel Gutes getan hat. Gerade wir,<br />

die wir von Gott die Augen geöffnet bekommen haben,<br />

sollten dankbar sein für jeden einzelnen Tag. Nimm<br />

nichts als selbstverständlich an, sondern siehe in allem<br />

Schönen die <strong>Liebe</strong> deines Schöpfers. Und auch wenn<br />

du schwierige Zeiten durchmachst, dann bedenke, dass<br />

du einen himmlischen Vater hast, der dich aus <strong>Liebe</strong><br />

zu dir züchtigt, der jedoch nicht zulassen wird, dass du<br />

von Ihm abfällst.<br />

Agur, einer der Weisen im AT, staunt unter anderem<br />

über die Magie der <strong>Liebe</strong> zwischen zwei Menschen:<br />

Drei sind es, die mir zu wunderbar sind, und vier, die ich<br />

nicht erkenne: Der Weg des Adlers am Himmel, der Weg<br />

einer Schlange auf dem Felsen, der Weg des Schiffes im<br />

Herzen des Meeres und der Weg eines Mannes mit einem<br />

Mädchen (Sprüche 30,18-19). Wie viel mehr sollte uns<br />

die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong> in Staunen versetzen?<br />

ANREGUNGEN ZUM BIBELSTUDIUM<br />

• Gott sagte: Jakob habe ich geliebt, Esau aber gehasst!<br />

Liese dir einmal die Geschichte dieser beiden<br />

Brüder in 1. Mose 25-33 durch. Was lehrt dich der<br />

Text über die <strong>Liebe</strong> <strong>Gottes</strong>?<br />

• Das Hohelied ist das <strong>Liebe</strong>slied schlechthin: Liese<br />

es dir durch und notiere dir, was über die <strong>Liebe</strong><br />

ausgesagt wird, bzw. wie sie ausgedrückt wird.<br />

Andreas Münch (*1984) ist Ehemann, Vater eines Sohnes,<br />

Pastor der MBG Lage und Autor des vielbeachteten Buches Der<br />

wahre Gott der Bibel. Auf Twitter unter @AndreasMuench.<br />

27


IM STUDIERZIMMER<br />

Das Interview über<br />

christliche Leiterschaft.


Waldemar<br />

Justus<br />

Interview von Peter Voth<br />

Trotz seines jungen Alters übernimmt Waldemar bereits viel Verantwortung<br />

als Pastor einer Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde.<br />

Im Gespräch erzählte er uns nicht nur, wie er zum Glauben und<br />

schließlich zur Berufung als Pastor kam, sondern auch wie er mit<br />

Bibelkritik im Theologiestudium umging.<br />

Waldemar, du gehörst zu einer neuen und reformatorischen<br />

Generation von Pastoren. Kannst du uns<br />

zunächst erzählen, wie du überhaupt in Berührung<br />

mit dem christlichen Glauben gekommen bist?<br />

Ich bin ganz „unspektakulär“ in eine christliche Familie<br />

hineingeboren. Mein Großvater war bereits in der ehemaligen<br />

Sowjetunion als ehrenamtlicher Prediger tätig.<br />

So hat meine ganze Familie schon früh Berührung mit<br />

dem christlichen Glauben gehabt. Meine Eltern haben<br />

mich demnach auch im Glauben erzogen, wofür ich<br />

Gott – je älter ich werde – immer dankbarer werde.<br />

Ja, das ist ein „Weg“, den viele von uns kennen<br />

und auch schätzen. Dennoch ist es für viele, die im<br />

christlichen Glauben erzogen werden, nicht leicht,<br />

in die konkrete Nachfolge Christi zu treten. Wie<br />

kamst du zum rettenden Glauben?<br />

Als Kind gab es bei mir keine besonders rebellische<br />

Glaubensphase. Doch obwohl ich als sogenanntes<br />

„Christenkind“ sämtliche Bibelgeschichten kannte,<br />

durfte ich schon sehr früh (mit neun Jahren) durch<br />

meinen Bruder die Auswirkungen des Evangeliums<br />

ganz persönlich an mir erfahren. Erst einige Jahre<br />

© Fotos: Marian Budimir (Matete)<br />

29


später ließ ich mich als Teenager mit einer klaren Überzeugung<br />

taufen. Als Jugendlicher habe ich durch das<br />

Lesen des ganzen Neuen Testaments und die konkrete<br />

Beschäftigung mit dem Heiligen Geist immer tiefer in<br />

eine hingegebene Nachfolge gefunden.<br />

Trotz deines noch sehr jungen Alters bist du inzwischen<br />

Pastor der EFG Emmendingen. Wann ist bei<br />

dir der Entschluss gereift, dass du Pastor werden<br />

möchtest?<br />

Bevor ich Pastor geworden bin, habe ich noch etwas<br />

„Ordentliches“ gelernt (grinst). Während meiner<br />

Ausbildung zum Mediengestalter begann ich, parallel<br />

in meiner Heimatgemeinde zu predigen. <strong>Die</strong>se ersten<br />

Predigterfahrungen haben in mir ein anfängliches Fragen<br />

bzgl. einer pastoralen Berufung bewirkt. Das war<br />

kein einfacher Prozess, da ich mich aufgrund mangelnden<br />

Selbstbewusstseins nicht für geeignet hielt. Hinzu<br />

kam, dass ich aus dem Jakobusbrief wusste, dass man<br />

nicht leichtfertig Lehrer im Reich <strong>Gottes</strong> werden soll,<br />

da diese eine schwereres Gericht erwartet. Ich brauchte<br />

also einen absolut klaren Auftrag von Gott, ansonsten<br />

würde ich dem nicht weiter nachgehen. So betete ich<br />

zu Gott und schüttete ihm mein Herz aus mit der Bitte<br />

um eine glasklare Antwort. Ob man es glaubt oder<br />

nicht: Innerhalb eines Monats erhielt ich die Antwort<br />

in einem <strong>Gottes</strong>dienst durch ein an mich adressiertes<br />

Wort eines Pastors aus der damaligen Nachbargemeinde.<br />

Er antwortete auf konkrete Phrasen meines privaten<br />

Gebets, von dem niemand etwas wissen konnte. So<br />

etwas hatte ich bis dahin noch nie zuvor erlebt. Ich<br />

wusste: Gott ruft mich! Zu der Zeit war ich etwa 20<br />

Jahre alt.<br />

Wie ging es dann weiter? Wie bist du mit diesem Ruf<br />

umgegangen?<br />

Anfangs waren in mir die Zweifel so groß, dass ich<br />

Schwierigkeiten hatte, diesen Ruf wirklich anzunehmen.<br />

Waldemar, du kannst das einfach nicht machen.<br />

Pastoren sind besondere Menschen, mit besonders viel<br />

Bildung, Menschen, die besonders gut reden können<br />

usw. Ich weihte Gott in meine Not ein und Gott<br />

leistete besonders in den Zeiten des Gebets weitere<br />

Überzeugungsarbeit, insbesondere durch sein biblisches<br />

Wort. Ich beschloss, nach meiner Ausbildung ein Theologiestudium<br />

zu beginnen, um mich auf den <strong>Die</strong>nst<br />

vorzubereiten.<br />

Inwiefern hat das Theologiestudium deinen Glauben<br />

geprägt?<br />

Bevor ich das Studium begann, hatte Gott mich „vorgewarnt“,<br />

dass ich durch eine Zeit der Wüste gehen<br />

würde. Als ich endlich voller Elan mein Theologiestudium<br />

begann, wusste ich, welche Wüste gemeint war.<br />

Ich habe mein Studium ehrlich gesagt zu weiten Teilen<br />

als nicht glaubensstärkend erlebt. Allmählich dämmerte<br />

mir es, woran unsere Glaubens- und Gemeindelandschaft<br />

in Deutschland zu weiten Teilen leidet, warum<br />

es an Vollmacht und Wirkungen des Heiligen Geistes<br />

fehlt. Erstmals kam ich in Berührung mit einer vollen<br />

Ladung der sogenannten historischen Bibelkritik. In<br />

vielen Vorlesungen und Seminaren wurde an wesentlichen<br />

Fundamenten des Glaubens und besonders an<br />

den entscheidenden Lehren von der Inspiration und<br />

Autorität der Heiligen Schrift gerüttelt. Ich war in dieser<br />

Zeit sehr herausgefordert, doch im Nachhinein stelle<br />

ich fest, dass ich durch meine Umstände gezwungen<br />

30


war, <strong>Gottes</strong> Wort in einer Tiefe persönlich zu studieren,<br />

wie noch nie zuvor in meinem Leben.<br />

Ich kann mir denken, dass so ein bibelkritisches<br />

Umfeld auf lange Sicht hilfreich sein kann, wenn<br />

man fest im Glauben steht. Man lernt sein eigenes<br />

Glaubensfundament zu hinterfragen und später zu<br />

verteidigen. Siehst du das auch so?<br />

Gott hat mir in seiner Gnade in dieser Wüstenzeit eine<br />

Oase geschenkt: einen kleinen Gebetskreis, mit dem<br />

ich die ganzen Jahre täglich vor dem regulären Unterricht<br />

<strong>Gottes</strong> Wort studierte und betete. Wir sagten uns:<br />

Gott, wenn dein Wort Wahrheit ist, dann musst du uns<br />

deine Wahrheit in aller Klarheit erschließen. Ich kann<br />

bezeugen, Gott ist absolut treu. Unser Glaube wurde<br />

alles andere als geschwächt, denn wir konnten deutlich<br />

<strong>Gottes</strong> Weisheit auf jeder Seite und in jeder Zeile<br />

erkennen. <strong>Die</strong>se intensive Beschäftigung hat die Bibel<br />

immer mehr zum Leuchten gebracht und letztlich<br />

unseren Glauben unumstößlich gefestigt. Halleluja!<br />

Gott die Ehre dafür. In deiner Arbeit als Prediger,<br />

Blogger und auch Autor scheinen immer wieder die<br />

reformatorischen Gnadenlehren durch. Wie bist du<br />

auf reformatorische Lehre aufmerksam geworden?<br />

Das habe ich vor allem Nathanael Armisén und Peter<br />

Schild zu verdanken, die Teil des bereits genannten<br />

Gebetskreises waren.<br />

Haben dich dabei bestimmte Bücher oder Prediger<br />

besonders geprägt?<br />

Besonders beeindruckend waren für mich anfangs die<br />

Predigten von Paul Washer und John Piper. Darüber<br />

hinaus halfen mir Bücher wie <strong>Die</strong> Lehren der Gnade<br />

(J.M. Boice) und <strong>Die</strong> Souveränität <strong>Gottes</strong> (A.W. Pink).<br />

<strong>Die</strong> vielen Schriften „meines guten Freundes“ C.H.<br />

Spurgeon (grinst) haben mich zudem fasziniert, da<br />

Spurgeon immer wieder komplexe Sachverhalte mit einer<br />

Schlichtheit, Klarheit und Deutlichkeit beschreibt,<br />

die einfach unübertrefflich ist. Darüber hinaus profitiere<br />

ich bis heute von Glaubensbrüdern wie Wayne<br />

Grudem, Sam Storms, D.A. Carson, G.K. Beale, Paul<br />

Tripp, Mark Dever, R.C. Sproul, Timothy Keller usw.<br />

Danke dir für die Einblicke. Zum Abschluss noch<br />

unsere 10 Fragen, die wir jedem unserer Interview-Partner<br />

stellen. Bereit?<br />

Okay.<br />

Welcher biblischen Person (außer Jesus) würdest du<br />

gerne welche Frage stellen?<br />

Aufgrund meiner derzeitigen Beschäftigung mit dem<br />

Thema „Ehe, Scheidung und Wiederheirat“ würde ich<br />

gerne Paulus über die Möglichkeit einer Wiederheirat<br />

geschiedener Personen befragen.<br />

Schwierigste Bibelstelle?<br />

„Seid heilig, denn ich bin heilig!“ (1. Petrus 1,16)<br />

Bevorzugte Bibelübersetzung?<br />

Auf Deutsch die „Revidierte Elberfelderübersetzung“<br />

und auf Englisch die „English Standard Version“<br />

(ESV).<br />

Mit welcher Person der Bibel kannst du dich am<br />

ehesten identifizieren?<br />

Mit Petrus, der immer wieder Schwierigkeiten damit<br />

hatte, seinen Eifer in die richtigen Bahnen zu lenken<br />

und durch seine Lebensschule lernte, sein ganzes Vertrauen<br />

allein auf Christus zu setzen.<br />

Welche Person der Kirchengeschichte würdest du<br />

gerne einmal treffen?<br />

Das ist einfach: C.H. Spurgeon! Ich würde gerne seine<br />

Bibel-durchtränkten und gleichzeitig lebensnahen<br />

Predigten live miterleben!<br />

Was war das letzte Buch, das du gelesen hast?<br />

Ich neige dazu, viel parallel zu lesen. Aktuell würde ich<br />

sagen „The Spirit-Filled Church“ von Terry Virgo und<br />

„God, Marriage, and Family - Rebuilding the Biblical<br />

Foundation“ von Andreas Kostenberger und David W.<br />

Jones.<br />

Welches Buch wolltest du schon immer einmal<br />

lesen?<br />

Den Koran und „Das Kreuz“ von John Stott.<br />

Was bedeutet für dich Reformation?<br />

Stetige Erneuerung des Glaubens an Jesus Christus<br />

durch <strong>Gottes</strong> Wort und in der Kraft des Heiligen<br />

Geistes.<br />

Bestes Zitat?<br />

Da würde ich spontan drei nennen: Erstens mein Motto<br />

Psalm 19,15 („Lass die Reden meines Mundes und<br />

das Sinnen meines Herzens wohlgefällig vor dir sein,<br />

Herr, mein Fels und mein Erlöser!“). Dann zweitens:<br />

„Jesus Christus kam, um eine Schuld zu bezahlen, die<br />

er nicht hatte, weil wir eine Schuld hatten, die wir<br />

nicht bezahlen konnten.“ Und drittens: „God is most<br />

glorified in me when I am most satisfied in him“ (John<br />

Piper).<br />

Was bedeutet Jesus für dich?<br />

Er ist das Zentrum und das Ziel meines Lebens. In<br />

allem hat Er den Vorrang. <strong>Die</strong> <strong>Liebe</strong>, die Er mir erwiesen<br />

hat, erfüllt mich mit Demut und unaussprechlicher<br />

Freude. Jesus Christus ist mein Freund, den ich liebe<br />

und mein König, den ich anbete.<br />

Danke dir für deine Zeit und die interessanten Einblicke<br />

in dein Leben und deinen <strong>Die</strong>nst. Das wissen<br />

wir sehr zu schätzen!<br />

Sehr gerne, ich habe zu danken.<br />

Das Interview wurde am 6. Mai 2015 geführt.<br />

31


KIRCHE IN DEUTSCHLAND<br />

Das Interview über<br />

bibeltreue Gemeinden.


Martin<br />

Reakes−Williams<br />

Interview von Peter Voth<br />

Was haben Martyn Lloyd-Jones, J.I. Packer und J.C. Ryle<br />

gemeinsam? Neben vielen geistlichen Überzeugungen auch ihre Angehörigkeit<br />

zur Anglikanischen Kirche. Wir hatten die Ehre mit dem<br />

wohl bekanntesten Anglikaner Deutschlands zu sprechen:<br />

Rev. Martin Reakes-Williams.<br />

© Fotos: Thomas Hübner / Bearbeitung: Peter Becker


In unserer Interviewreihe „Kirche in Deutschland“<br />

wollen wir die ganze Bandbreite reformatorischer<br />

Christen in Deutschland abbilden. Außer dir ist mir<br />

jedoch kein deutschsprachiger Anglikaner bekannt.<br />

Könntest du uns vielleicht erklären, was Anglikaner<br />

sind und welche Rolle sie in Deutschland spielen?<br />

Ich würde unsere Gemeinde hier – die LEC (Leipzig<br />

English Church) – als internationale Gemeinde, die<br />

unter anglikanischer Fahne segelt, beschreiben, um<br />

einen Begriff aus der Seefahrt zu benutzen. Es sind<br />

vielleicht nur zehn Prozent der Mitglieder „echte“<br />

Anglikaner. Von denen, die bei uns zum Glauben<br />

gekommen sind, würde ich nicht behaupten, dass sie<br />

Anglikaner sind. Sie sind Christen, die derzeit Mitglied<br />

einer anglikanischen Gemeinde sind.<br />

Deutschlandweit gibt es nicht viele Anglikanische<br />

Gemeinden: etwa 8 von der Church of England und 3<br />

von der amerikansichen Episkopalkirche. Mit letzteren<br />

sind wir seit 2006 auf Distanz gegangen. <strong>Die</strong> Gemeinde<br />

in Düsseldorf ist evangelikal 1 , und der neue Pfarrer,<br />

der im nächsten Monat eingeführt wird, ein theologisch<br />

gut versierter Reformierter. Vielleicht schenke ich<br />

ihm ein Abonnement der <strong>Timotheus</strong>.<br />

Zurück zur ursprünglichen Frage: Abgesehen von<br />

den oben genannten Ausnahmen aus den USA, sind<br />

die Anglikanischen Gemeinden Teil der „Diözese von<br />

Gibraltar in Europa“ der Church of England, also der<br />

englischen Landeskirche. <strong>Die</strong> Gemeinden sind jedoch<br />

theologisch unterschiedlicher Kultur und Prägung.<br />

Ja ein Abo wäre sicher hilfreich (grinst). Für euch als<br />

Gemeinde spielt der Anglikanismus also eine eher<br />

untergeordnete Rolle. Dennoch, wie wichtig ist dir<br />

diese Denomination persönlich und wie wichtig<br />

sind im heutigen Christentum Denominationen<br />

überhaupt? Es scheint ja immer unwichtiger zu<br />

werden und an Bedeutung zu verlieren.<br />

Auf jeden Fall zweitrangig. Jedoch nicht unwichtig.<br />

Ich bin nicht kongregationalistisch, weil ich denke,<br />

dass Gemeinden manchmal Hilfe, Perspektiven und<br />

Rat von außen brauchen. Biblisch gesehen verstehe ich<br />

die Ortsgemeinde als Fokus und Zentrum von <strong>Gottes</strong><br />

Wirken auf der Erde. Deswegen ist die Diözese oder<br />

Denomination nicht das Zentrum und eher als <strong>Die</strong>ner<br />

der Ortsgemeinde zu betrachten. Ein bekannter australischer<br />

Prediger, Phillip Jensen, hat es spitz formuliert:<br />

„Bischöfe sind Diakone“.<br />

Ja, das sehe ich ähnlich. Kommen wir zu dir persönlich:<br />

Wie bist du mit dem Christentum überhaupt in<br />

Berührung gekommen und schließlich zum rettenden<br />

Glauben an Jesus Christus?<br />

1 Anm. d. Red.: Wenn im Interview von „evangelikal“ die Rede ist,<br />

wird die englische Entsprechung „evangelical“ gemeint. Im Angloamerkanischen<br />

Sprachraum hat die englische Entsprechung eine<br />

weitaus positivere Bedeutung, da sie mit zahlreichen historischen<br />

Ereignissen der Kirchengeschichte verbunden wird, während das<br />

Wort im deutschen diese Tiefe nicht besitzt und anders assoziiert<br />

wird. In beiden Sprachen wird damit im Grunde jedoch das<br />

gleiche gemeint: Eine biblische, auf das Evangelium ausgerichtete<br />

Gesinnung bei der die persönliche Errettung durch Jesus Christus<br />

und eine verbindliche Nachfolge eine entscheidende Rolle spielt.<br />

Über mein christliches Elternhaus. Es war eher hochkirchlich<br />

geprägt (<strong>Die</strong> „High Church“ innerhalb der<br />

Anglikanischen Kirche ist eher katholisch geprägt, während<br />

die „Low Church“ als Gegenbewegung eher dem<br />

Protestantismus zuzuordnen ist; Anm. d. Red.). <strong>Die</strong><br />

Sakramente wurden eher betont als die Schrift. Aber<br />

meine Eltern knieten jeden Abend am Bett, um zu<br />

beten. Das ist für ein Kind ein starkes, ungesprochenes<br />

Zeugnis. Später im Leben, als alle 4 Kinder bzw. meine<br />

Geschwister in evangelikalen Gemeinden aktiv waren,<br />

äußerten meine Eltern, dass sie auch gern gewollt<br />

hätten, dass man ihnen in ihrer Jugend die Bibel näher<br />

gebracht hätte.<br />

Mein Vater hat im Ausland gearbeitet – Kolonialdienst<br />

in den 50er Jahren. Dann in Landwirtschafts-Hochschulen<br />

in Uganda, Malawi und Fidschi.<br />

Wir wurden im Alter von 7 Jahren (damals nicht<br />

unüblich) nach England auf Internate geschickt. Durch<br />

<strong>Gottes</strong> Gnade landete ich in einer evangelikal geprägten<br />

„Prep School“ (7 bis 13 Jahre). Da war der Kaplan<br />

evangelikal, und ich ging im Sommer zu Jugendfreizeiten<br />

für Internatskinder. Da hat der Prediger eines<br />

Abends Offenbarung 3,20 angesprochen – das übliche,<br />

Jesus steht vor der Tür und klopft an. Wir sollten die<br />

Tür öffnen, indem wir ein Gebet sprechen. Ich dachte:<br />

„Oh, niemand hat mir gesagt, ich sollte das machen<br />

– dann mache ich das halt jetzt“. Nicht besonders<br />

emotional oder so, aber im Nachhinein sehe ich, dass<br />

es wichtig war. Bis dann war ich im Glauben „auf dem<br />

Reisepass“ meiner Eltern unterwegs. Von da an hatte<br />

ich sozusagen meinen eigenen „Reisepass“.<br />

<strong>Die</strong> nächste Schule (13-18) war eher traditionell<br />

religiös geprägt mit wenig vitalem geistlichen Leben.<br />

Wobei es einige Lehrer gab, die einen Bibelkreis unterstützten.<br />

Bedeutend war, dass ich bei den Freizeiten<br />

gelehrt wurde, eine „stille Zeit“ sei wichtig – nicht<br />

leicht in einem Internat, die Ruhe dafür zu finden, aber<br />

ich habe es im großen und ganzen geschafft, und das<br />

hat mich am Leben gehalten. Vielmehr war da aber<br />

nicht. Dann kam ich an die Universität, wo es eine<br />

starke Christliche Union (Studentenmission) gab, eine<br />

fitte Gemeinde und viele christliche Freunde. Dadurch<br />

bin ich dann schnell im Glauben gewachsen.<br />

Wann und wie kam für dich der Entschluss, ein<br />

„Geistlicher“ zu werden? Vom aktiven christlichen<br />

Leben und Bekenntnis zum Wunsch Pastor zu werden,<br />

ist es ja dennoch ein großer Schritt.<br />

Während des Studiums. Ich denke, in meinem 2. Jahr<br />

hörte ich eine Predigt, wo es darum ging, dass wir<br />

bereit sein sollten, das mit unserem Leben zu tun, was<br />

Gott will. Er hat uns aufgefordert, uns zu überlegen,<br />

was wir am allerwenigsten tun wollten, und dann Gott<br />

sagen, wir wären bereit, dies für Ihn zu tun. Gott hat<br />

Humor – ich wollte am allerwenigsten Pastor werden,<br />

und habe so nach diesem Muster gebetet!<br />

Dann habe ich gedacht, so ein Gebet sollte man<br />

nicht sprechen, wenn man es nicht ernst meint. Ich<br />

dachte aber, ich wäre kein guter Pastor, und das meine<br />

Freunde und Umfeld dies bestätigen würden. So habe<br />

ich rumgefragt, bei älteren Christen und Kommili-<br />

34


Gott hat Humor – ich<br />

wollte am allerwenigsten<br />

Pastor werden.<br />

tonen. <strong>Die</strong> haben alle gemeint, sie könnten es sich<br />

vorstellen. So war ich langsam bereit, diesen Weg zu<br />

gehen. Übrigens war dabei ein Auslandsjahr in Heidelberg<br />

wichtig (ich studierte Germanistik und Russistik).<br />

Das war mein 3. Jahr an der Uni und ich hatte Zeit<br />

darüber nachzudenken. Bei einem Besuch meiner<br />

Schwester zu Weihnachten in London ging ich mit ihr<br />

zu ihrer Gemeinde St. Helens, wo Dick Lucas Pfarrer<br />

war (Dick Lucas, *1925, ist ein bekannter evangelikaler<br />

anglikansicher Pfarrer und Autor; Anm. d. Red.). Just<br />

an diesem Abend predigte er über „The preachers we<br />

need“ (dt. „<strong>Die</strong> Prediger, die wir brauchen“; Anm. d.<br />

Red.), und die Predigt war für mich wie zugeschnitten.<br />

Beim anschließenden Lied bin ich in Tränen ausgebrochen,<br />

da war es für mich wie eine Art Bestätigung<br />

dieser Berufung.<br />

Sehr interessanter und beeindruckender Weg. Du<br />

hast also nicht Theologie studiert?<br />

Nein, es ist bei uns üblich, dass man zuerst etwas anderes<br />

studiert. Wir studieren wie allgemein bekannt etwas<br />

kürzer und sind hinterher noch jung genug für andere<br />

Berufswege. In der Anglikanischen Kirche muss die<br />

persönliche Berufung von der Ortsgemeinde bestätigt<br />

werden, was ich sinnvoll finde. Man geht durch einen<br />

Auswahlprozess, dann hat der Bischof das letzte Sagen,<br />

ob man ein Theologisches Studium beginnen darf, um<br />

hinterher ordiniert zu werden. Das Studium findet an<br />

einem Theologischen Seminar statt, das von der Kirche<br />

anerkannt wird (die sind unterschiedlicher theologischer<br />

Coleur). Das Studium wird von der Kirche<br />

bezahlt, da man im Zweitstudium keine Unterstützung<br />

vom Staat erhält. Ich studierte an der Cranmer Hall in<br />

Durham – ein vielversprechender Name mit evangelikalen<br />

Wurzeln (heute aber leider nicht mehr wirklich<br />

evangelikal). Übrigens war da im Jahrgang unter/<br />

nach mir mein jetziger Bischof und der Erzbischof von<br />

Canterbury! Ich muss etwas richtig gemacht haben, um<br />

dieses Schicksal vermieden zu haben.<br />

Wie kommt man dann nach Deutschland? Das war<br />

doch wieder ein großer und bestimmt alles andere<br />

als leichter Schritt?<br />

Ich hatte immer das Gefühl, dass Gott etwas damit<br />

vorhat, dass ich deutsch konnte. Dann kamen einige<br />

Impulse während meiner „Curacy“ (vergleichbar mit<br />

einem Vikariat) am Rande von London. Der vorhin<br />

genannte Phillip Jensen war zu Besuch in London<br />

und hat uns Briten in seiner direkten australischen Art<br />

vorgeworfen, wir sähen Mission als etwas, dass man im<br />

ehemaligen British Empire macht. „Was das British<br />

Empire im vorherigen Jahrhundert für das Evangelium<br />

war, ist heute die Europäische Union“ – eine riesige<br />

Chance und offene Tür. Wir dürfen überall hingehen,<br />

ohne ein Visum zu gebrauchen.<br />

Von da an war ich der Meinung: „Als jemand, der<br />

die deutsche Sprache beherrscht, brauche ich einen<br />

guten Grund, im Vereinigten Königreich zu bleiben.“<br />

Außerdem war ich auf der Suche nach Möglichkeiten.<br />

Und die hatte Gott schon vorbereitet. Kurz gefasst, eine<br />

Missionsgesellschaft war im Gespräch mit dem Bischof<br />

von Gibraltar über Gemeindegründungen hinter dem<br />

ehemaligen eisernen Vorhang (es war 1994). Ein wohlhabender<br />

Geschäftsmann, der durch die Anglikanische<br />

Gemeinde in Cannes zum Glauben gekommen war,<br />

hatte der Mission £40.000 im Jahr für über 4 Jahre<br />

zum Zweck von Gemeindegründungen im ehemaligen<br />

Ostblock versprochen. So ging ich durch die Tür, die<br />

der Herr mir geöffnet hatte.<br />

Deutsch konntest du durch dein Studium?<br />

Ja, vor allem durch das Jahr in Heidelberg.<br />

Wie lange bist du nun schon in Leipzig und wie<br />

lange willst du noch hier bleiben? Ich kann mir gut<br />

vorstellen, dass du irgendwann wieder zurück nach<br />

England möchtest.<br />

Seit dem 20. Juni 1995 bin ich hier. Unsere Gemeinde<br />

feiert im Oktober das 20-jährige Jubiläum. Ehrlich<br />

gesagt habe ich keine Lust nach England zurückzukehren.<br />

Ich bin eher nomadisch – vielleicht durch die<br />

Auslandserfahrung als Kind. Ich bin ein Widerspruch<br />

– ein patriotischer Brite, der nicht in Großbritannien<br />

leben will!<br />

Du hast also nach Bestätigung deiner Berufung<br />

Theologie studiert. Wie alt (oder jung) warst du, als<br />

du schließlich ordiniert wurdest?<br />

28.<br />

36


Ich könnte mir gut vorstellen, noch 20 Jahre hier zu<br />

bleiben. Mal sehen, was der Herr vorhat. Was für die<br />

Gemeinde richtig ist und was für mich richtig ist. Vor<br />

1,5 Jahren haben wir einen deutschsprachigen <strong>Gottes</strong>dienst<br />

angefangen, geleitet von einem Deutschen, der<br />

in Australien studiert hat und von einer dortigen Mission<br />

unterstützt wird. Das entspricht meiner Vision,<br />

auch Einheimische und Deutsche mit dem Evangelium<br />

zu erreichen. Das sehe ich als Zeichen, dass Gott mich<br />

hier noch eine Weile gebrauchen will.<br />

Sehr beeindruckend. Nun, zu unserem abschließenden<br />

Fragebogen. Schwierigste Bibelstelle?<br />

1. <strong>Timotheus</strong> 2,15 („Sie wird aber selig werden durch<br />

Kinderzeugen, so sie bleiben im Glauben und in der<br />

<strong>Liebe</strong> und in der Heiligung samt der Zucht. “). Wie hat<br />

Paulus das gemeint? Ich habe bis jetzt keine Erklärung<br />

gefunden, die mich völlig überzeugt hat.<br />

Bevorzugte Bibelübersetzung?<br />

Als ehemaliger Germanistikstudent liebe ich natürlich<br />

Luther. Für das Predigen und den Hauskreis empfinde<br />

ich die Schlachter 2000 jedoch als die beste „Allzweckübersetzung“.<br />

Mit welcher Person der Bibel kannst du dich am<br />

ehesten identifizieren?<br />

Im Herbst habe ich über Jakob gepredigt. Ich hoffe, ich<br />

bin nicht so betrügerisch wie er, aber was mir aufgefallen<br />

ist, war, wie lange er gebraucht hat, wichtige Dinge<br />

zu lernen und umzusetzen, und wie geduldig der Herr<br />

mit ihm war. Beide Seiten spiegeln meine Erfahrung<br />

wieder!<br />

Welche Person der Kirchengeschichte würdest du<br />

gerne einmal treffen?<br />

Luther wäre eine gute Gesellschaft! Ich möchte ihn<br />

fragen, ob er jetzt denkt, dass es ein Fehler war, wegen<br />

seinem Abendmahlsverständnis so sehr auf Distanz zu<br />

Calvin zu gehen. Cranmer wäre auch interessant: Ich<br />

würde ihn fragen, wie viel weiter er mit der Reformation<br />

der Anglikanische Kirche gegangen wäre, wenn die<br />

politische Situation es zugelassen hätte.<br />

Ich hatte immer das<br />

Gefühl, dass Gott etwas<br />

damit vorhat, dass ich<br />

deutsch konnte.<br />

Was war das letzte Buch, das du gelesen hast?<br />

Nicht das absolut letzte, aber das Buch, das am meisten<br />

im Gedächtnis geblieben ist, las ich im Herbst in<br />

Verbindung mit der Serie über Jakob. Es ist von Robert<br />

Alter und heißt „The Art of Biblical Narrative“. Ein<br />

jüdischer Literaturwissenschaftler, der sehr gut erklärt,<br />

wie hebräische Literatur funktioniert – und hilft<br />

daher, festzustellen, was der von Gott inspirierte Autor<br />

gemeint hat. Auch wenn er selbst nicht glaubt, dass es<br />

von Gott inspiriert ist, so mein Eindruck.<br />

Welches Buch wolltest du schon immer einmal<br />

lesen?<br />

Anna Karenina auf Russisch. Vielleicht ein Projekt für<br />

die Rente ...<br />

Was bedeutet für dich Reformation?<br />

Semper Reformanda. Im Sinne von Markus 1,15:<br />

„Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (<strong>Die</strong><br />

Luther- und Schlachterübersetzung sind hier mit dem<br />

Begriff „Tut Buße“ meiner Meinung nach nicht ganz<br />

treffend). Das beschreibt nicht nur den Anfang, sondern<br />

auch das Muster für das ganze christliche Leben.<br />

<strong>Die</strong>s sollte unsere tägliche Praxis sein.<br />

Bestes Zitat?<br />

Jemand hatte mich in den ersten Jahren hier, die<br />

mühsam und von Anfechtungen geprägt waren, darauf<br />

aufmerksam gemacht: „Wir überschätzen, was wir in<br />

6 Monaten erreichen können und unterschätzen, was<br />

Gott in 5 Jahren tun kann.“ Da ist auch ein bekanntes<br />

Zitat von William Carey, das mir ganz am Anfang sehr<br />

wichtig war. Es geht in etwa so: „Versuche große Dinge<br />

für Gott zu tun und erwarte große Dinge von Gott.“<br />

Was bedeutet Jesus für dich?<br />

Er ist mein Heiland und älterer Bruder.<br />

Vielen Dank für die Einblicke und deine Zeit!<br />

Das Interview wurde am 27. Mai 2015 geführt.<br />

37


NEUHEITEN & SONDERANGEBOTE<br />

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ZUR BIBLISCHEN<br />

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Das Gute an Konflikten<br />

ist: Sie sind<br />

Gelegenheiten, Gott<br />

zu ehren, anderen zu<br />

dienen und in der<br />

Christusähnlichkeit zu<br />

wachsen. Wer sich als Friedensstifter übt, den preist der<br />

Herr Jesus glückselig. <strong>Die</strong>ses Handbuch zur biblischen<br />

Konfliktlösung ruft zur oft vergessenen Aufgabe von<br />

Christen auf, Frieden, Vergebung und Harmonie in<br />

unsere von Sünde gestörten Beziehungen, Familien,<br />

Gemeinden und unser Umfeld zu bringen, und es<br />

verdeutlicht meisterhaft, wie die klaren biblischen Leitlinien<br />

zur Konfliktlösung ganz konkret und Schritt für<br />

Schritt in die Praxis umgesetzt werden können.<br />

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Das Spalier und der Weinstock<br />

COLIN MARSHALL & TONY PAYNE<br />

UMDENKEN, DAMIT DIE GEMEINDE GEISTLICHES<br />

WACHSTUM HERVORBRINGT<br />

Welche Aktivität von Gemeindemitarbeitern führt zu<br />

geistlichem Wachstum und zu Frucht für Gott? Paulus<br />

und seine Mitarbeiter haben „gesät, gepflanzt und<br />

gegossen, Gott aber hat das Wachstum gegeben“ (1Kor<br />

3,6). Wir können auf die Wachstumskraft des Wortes<br />

<strong>Gottes</strong> vertrauen, weil es eine ungeheure Eigendynamik<br />

hat! Gott hat in sein Wort die Kraft hineingelegt, dass<br />

es wächst und sich wie ein rankender Weinstock auf<br />

der ganzen Welt ausbreitet. Unser Beitrag und unsere<br />

Aufgabe ist, dass wir es Menschen verkündigen und<br />

uns um sie kümmern. Oft beschäftigen sich Gemeindemitarbeiter<br />

mehr mit dem stützenden Spalier als<br />

mit dem Weinstock. Statt Menschen das Wort <strong>Gottes</strong><br />

weiterzugeben, werden wir davon in Beschlag genommen,<br />

Veranstaltungen zu organisieren, die Finanzen zu<br />

verwalten, Programme zu erstellen und die formalen<br />

Strukturen der Gemeinde aufrechtzuerhalten. All das<br />

ist berechtigte Arbeit, aber sie darf nicht die Arbeit am<br />

Weinstock blockieren. Wir müssen umdenken und<br />

uns neu auf die treibende Kraft und den Vorrang des<br />

Wortes <strong>Gottes</strong> besinnen!<br />

176307 – PAPERBACK, 219 SEITEN – € 13,90<br />

Das soll ein Gott<br />

der <strong>Liebe</strong> sein?<br />

GREGORY BEALE<br />

FRAGEN UND<br />

ANTWORTEN ZUR<br />

MORAL GOTTES IM<br />

ALTEN TESTAMENT<br />

Wie kann Gott gut<br />

sein, wenn er anscheinend<br />

böse Handlungen<br />

befiehlt wie z.B. die<br />

Vernichtung der Kanaaniter?<br />

Oder wie lassen<br />

sich die Fluchworte<br />

gegenüber Feinden in den Psalmen rechtfertigen?<br />

Manche denken, so ein Gott könne kein guter Gott<br />

sein, wenn er so etwas wie ethnische Säuberungen<br />

befiehlt. Nach ihrer Meinung passt das nicht zu dem<br />

barmherzigen Gott der <strong>Liebe</strong>, wie er uns im Neuen Testament<br />

begegnet. Um dieses schwierige Problem geht<br />

es in diesem Buch. Es werden verschiedene biblische<br />

Erklärungen aufgezeigt, die <strong>Gottes</strong> Handeln im Alten<br />

Testament verständlich machen.<br />

271123 – TASCHENBUCH, 64 SEITEN – € 4,90<br />

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TEL 05237-899090 EMAIL INFO@BETANIEN.DE<br />

ONLINE CBUCH.DE VERLAGSINFO BETANIEN.DE<br />

Was ist der<br />

Missions-Auftrag<br />

der Gemeinde?<br />

KEVIN DEYOUNG<br />

& GREG GILBERT<br />

SOZIALE<br />

GERECHTIGKEIT?<br />

FRIEDEN?<br />

VERKÜNDIGUNG DES<br />

EVANGELIUMS?<br />

Read it! Bibelleseplan mit Notizen<br />

LOTHAR JUNG & REBEKKA DITTUS<br />

BIBELLESEPLAN NT MIT FRAGEN UND NOTIZEN<br />

Ein zeitloser Bibelleseplan, der dich beim Lesen des<br />

neuen Testamentes begleitet. Jeden Tag helfen dir drei<br />

Fragen, den Text zu verstehen, ihn zu übertragen und<br />

für dich persönlich anzuwenden. Außerdem gibt es<br />

Platz, deine Gedanken und Einsichten aufzuschreiben.<br />

Entdecke mit Read it! neue Schätze in der Bibel!<br />

682018 – HARDCOVER MIT GUMMI, 224 SEITEN<br />

€ 8,95<br />

Gewissheit<br />

IMPACT CHOR MIT<br />

ORCHESTER<br />

ERFRISCHENDE<br />

HYMNEN<br />

Aus der Gewissheit<br />

gläubiger <strong>Gottes</strong>kinder<br />

auf ein ewiges<br />

Leben mit Jesus<br />

Christus entstand der Titel dieser Aufnahme von 14<br />

Chorliedern, begleitet von Klavier und Orchester.<br />

Gefunden haben sich die Sängerinnen und Sänger des<br />

impact-Chores auf Musikfreizeiten von impact e.V.,<br />

in deren Rahmen auch schon die herrliche Musik-CD<br />

„Ehre“ entstehen durfte.<br />

30005 – CD IM JEWELCASE, CA 40 MIN. – € 10,90<br />

„Verlieren wir unsere<br />

Zielausrichtung?<br />

Lassen wir uns ablenken,<br />

manchmal sogar von guten Dingen? Viele eifrige<br />

Christen sind sich heutzutage zutiefst uneins, was<br />

der wahre <strong>Die</strong>nst und Auftrag der Kirche ist. Kevin<br />

de Young und Greg Gilbert bringen uns zurück zum<br />

Wesentlichen, in einer Zeit, in der wir dazu neigen, uns<br />

zu verzetteln und ablenken zu lassen. <strong>Die</strong>ses Buch, das<br />

einen ausgewogenen Standpunkt bietet, wird uns nicht<br />

nur ermutigen, sondern auch genau an der Stelle aus<br />

der Ruhe bringen, an der wir es alle nötig haben. Es<br />

liefert uns die biblische Vernunft, die wir im Moment<br />

brauchen.“ —Michael Horton<br />

863068 – PAPERBACK, 288 SEITEN – € 9,95<br />

Der Zweck der<br />

Ehe<br />

PAUL WASHER<br />

HERAUSFORDERNDE<br />

GEDANKEN ZU<br />

EPHESER 5<br />

Paul Washer,<br />

der Gründer des<br />

Missionswerkes<br />

„HeartCry“, wurde<br />

durch eine Predigt,<br />

die er vor vielen<br />

Jugendlichen<br />

hielt, schlagartig<br />

weltbekannt. Der<br />

Herr gebrauchte seine so genannte „shocking message“<br />

in besonderer Weise zur Erweckung unter jungen<br />

Leuten. <strong>Die</strong>se Broschüre gibt eine Predigt weiter, die<br />

Washer 2008 gehalten hat. Sein Vortragsstil wurde<br />

weitgehend beibehalten. Washer gelingt es, jeden Leser<br />

ins Licht <strong>Gottes</strong> zu stellen. Aber dabei bleibt er nicht<br />

stehen. Er macht Mut, die jeweilige Ehe-Konstellation<br />

als Mittel zu sehen, durch das Gott seine Kinder in das<br />

Bild Jesus Christi umgestalten will. Bitte helfen Sie<br />

mit, diese äußerst wertvolle Botschaft zu verbreiten.<br />

250900 – HEFT DIN A5, 28 SEITEN – € 1,00<br />

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„Was du Böses hast begangen,<br />

das ist alles abgeschafft; <strong>Gottes</strong><br />

<strong>Liebe</strong> nimmt gefangen deiner<br />

Sünden Macht und Kraft.“<br />

Paul Gerhardt

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