Regiearbeiten 1998 – 2007 Jens Dierkes-Kuper - Gräfin Tamara

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<strong>Regiearbeiten</strong> <strong>1998</strong> <strong>–</strong> <strong>2007</strong><br />

<strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong>


NORA oder Ein Puppenheim<br />

Nora (der Titel stammt vom ersten deutschen Überset-<br />

zer) ist nach Stützen der Gesellschaft (1877) das zweite<br />

jener realistischen Dramen, in denen Ibsen Probleme und<br />

Widersprüche der sich damals in Norwegen entfaltenden<br />

bürgerlichen Gesellschaft aufzeigt. Nora, die Gattin des<br />

Advokaten Torvald Helmer, sitzt - im Gegensatz zu allen<br />

anderen Frauen des Stücks - im scheinbar goldenen Käfi g<br />

ihres „Puppenheims“; Hausarbeiten und Kinderpfl ege wer-<br />

den von den Dienstboten besorgt. Die Helmers gehören<br />

freilich nicht zur alteingesessenen Oberschicht. Torvald hat<br />

sich emporgearbeitet, er ist ein Karrierist, der sein Berufs-<br />

ziel soeben erreicht hat: An Neujahr wird er die Direktion<br />

der Bank und damit eine Position übernehmen, die ein<br />

sicheres Auskommen verspricht und den Aufstieg in jene<br />

Führungselite, die Entscheidungen über wichtige gesell-<br />

schaftliche Entwicklungen trifft - Torvald Helmer vergibt<br />

Kredite. Um ein Darlehen dreht sich auch die Intrige des<br />

an drei hektischen Weihnachtstagen spielenden Familien-<br />

dramas. Nora „hat eine Fälschung begangen“, vermerkte<br />

Ibsen, „und das ist ihr Stolz; denn sie hat es aus Liebe<br />

getan, um ihm [Torvald] das Leben zu retten.“ Vor acht<br />

Jahren setzte Nora die Unterschrift ihres Vaters auf einen<br />

Schuldschein, um sich so durch Rechtsanwalt Krogstad<br />

ein Darlehen zu sichern, das dem todkranken Helmer ei-<br />

Die Inszenierung<br />

Die Inszenierung Henrik Ibsens Nora ist für mich wesent-<br />

lich mehr als ein Stück Zeitdokument. Was mich reizt, sind<br />

Gelegenheiten, im Werk Psychologie- und Sozialstudien zu<br />

betreiben. Der Zuschauer fühlt sich - bei einer feinfühligen<br />

Umsetzung für die Bühne - in der von Ibsen so klug betrie-<br />

benen Strickart wie jemand, der wie bei einer Kriminalge-<br />

schichte zu einer Art „Seelendetektiv“ wird. Der in früheren<br />

Tagen meist einzig gesehene Blickwinkel der Emanzipati-<br />

onsbewegung ist berechtigt - mir jedoch zu klein, da, wenn<br />

man diesen Begriff überhaupt benutzen darf, alle Personen<br />

der Handlung „Opfer“ waren. Nicht mehr zeitgemäß fi nde<br />

ich einzig und allein die Frage, ob eine Inszenierung von<br />

Nora dieses heutzutage noch ist. Die Erfahrungen, die die<br />

Protagonisten Noras machen, sind Erfahrungen der Zeit,<br />

und somit sind sie es immer wieder wert, in all ihrer Kom-<br />

plexität betrachtet und gedeutet zu werden. Ich erhoffe mir<br />

für alle sieben Aufführungen nicht wie Nora „den wunder-<br />

baren Moment“, sondern möglichst viele dieser Art. (<strong>Jens</strong><br />

<strong>Dierkes</strong>)<br />

nen Aufenthalt im Süden ermöglichte. Als Helmer, der von<br />

dieser dunklen Geschichte nichts ahnt, Krogstad aus der<br />

Bank entlässt, setzt Krogstad den Schuldschein mit der<br />

gefälschten Unterschrift im Kampf um seine Stelle ein: Er<br />

erpresst Helmer. Helmer erweist sich nun nicht als Gatte,<br />

der - wie Nora es erhofft hat - alle Schuld auf sich nimmt.<br />

Helmer geht vielmehr ganz in seiner Rolle als Berufs-Mann,<br />

der seine Laufbahn gefährdet sieht, auf. Er überhäuft Nora<br />

mit Vorwürfen, ja er spricht ihr, der „Betrügerin“, das mo-<br />

ralische Recht zur Erziehung der Kinder ab. Als schließlich<br />

eine günstige Wendung Krogstad veranlasst, die Drohung<br />

zurückzuziehen und das Corpus delicti zu vernichten, „ver-<br />

zeiht“ Helmer, für den die Gefahr eines Skandals gebannt<br />

ist, seiner Frau. Nora aber verlässt ernüchtert und desil-<br />

lusioniert Mann und Kinder, obwohl Helmer sie jetzt fl e-<br />

hentlich bittet zu bleiben. Denn Nora hat erkannt, dass<br />

sie in ihrer Ehe nur als Attribut ihres Mannes, als Helmers<br />

„Lerche“, als seine Puppe einen Wert hatte; jetzt will sie<br />

aber versuchen, „ein Mensch zu werden“. [...] „Ich muss<br />

mich davon u�berzeugen, wer recht hat, die Gesellschaft<br />

oder ich“, sagt Nora, bevor sie aus ihrer Rolle aus- und in<br />

eine ungewisse Zukunft aufbricht.<br />

Quelle: Keel, Aldo. Aus: Ibsen, Hendrik: Nora (Ein Puppenheim). Philipp<br />

Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, <strong>1998</strong>. S. 95-96


Das Ensemble<br />

Inszenierung: <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong><br />

Bühnenbild: Jörn Schäfer<br />

Kostüme: Ute Stöttner, Imke Strothmann<br />

Technische Leitung: Jörn Schäfer<br />

Torvald Helmer, Rechtsanwalt: Michael Kneisel<br />

Nora, seine Frau: Henriette Mudrack<br />

Doktor Rank: Udo Eickelmann<br />

Frau Linde: Martina Brune<br />

Nils Krogstad: Klaus-Peter Lefmann<br />

Hannah Helmer: Andrea Lehmkühler, Nora-Christin Lohmeyer<br />

Ivar Helmer: Tobias Schindler, Tobias Stöttner<br />

Emmi Helmer: Sabine Lehmkühler, Felicitas Lömker Marie,<br />

Das Kindermädchen: Kristina Rohmann<br />

Helene, das Hausmädchen: Imke Möller<br />

Eine Marktfrau: Ulla Donnermeyer<br />

Regieassistenz und Abendspielleitung: Katharina Quindt<br />

Dramaturgie und Programmheft: Barbara Lücke<br />

Technische Einrichtung: <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>, Udo Eickelmann,<br />

Rainer Möller, Doris Rikeit, Heiner Rikeit, Jan Rikeit, Tim<br />

Rikeit, Jörn Schäfer, Ute Stöttner<br />

Prospektgestaltung: Karolin Mudrack<br />

Kostümwerkstatt: Anne Geschwinder, Ute Stöttner,<br />

Imke Strothmann<br />

Choreographie: <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>, Klaus Lutterbey<br />

Licht- und Tontechnik: Oliver Daake, Ingo Strothmann<br />

Maske: Susanne Bure, Andrea Jasper<br />

Requisite: Ulla Donnermeyer<br />

Souffl age: Doris Rikeit, Horst Lehmkühler<br />

Programmheftlayout: Udo Eickelmann<br />

Plakatentwurf: Gabriel Pielke<br />

Unser ganz besonderer Dank gilt: Antiquitäten Schwohn<br />

Dreierwalde, Ofendiele Ibbenbüren, Städt. Bühnen Osnab-<br />

rück, Mitarbeiterinnen Wichernhaus, Ulla Nöh (Fotografi e),<br />

Christel Müller, Herrn Steingröver, Herrn Nölling, Herrn Ries-<br />

kamp, Elke Quindt, Herrn Göhler, Boutique Elisa Ibbenbüren,<br />

Parfümerie Douglas, Kanal 4, Autoverleih <strong>Dierkes</strong><br />

Aufführungsrechte: Felix Bloch Erben, 10623 Berlin<br />

Premiere am 18. November <strong>1998</strong>, Alte Sparkasse Ibbenbüren


Premierenkritiken<br />

Kindchen wird Frau - Henriette Mudrack begeisterte als<br />

Nora Wilm Froese. Ibbenbüren.<br />

Ein fast unglaubliches Debüt einer Schauspielerin am<br />

Quasi So-Theater konnte man am Mittwoch abend in der<br />

Alten Sparkasse erleben. In der Titelrolle von Henrik Ibsens<br />

Schauspiel „Nora oder Ein Puppenheim“ fesselte Henriette<br />

Mudrack die Zuschauer fast vier Stunden lang durch eine<br />

facettenreiche, durchgängig glaubhafte und technisch bril-<br />

lante Personendarstellung.<br />

Der im Stück so abrupte Umbruch vom verheirateten „Kind-<br />

chen“ zur selbstbewussten und überlegenen Frau gelang<br />

ihr deshalb, weil von Anfang an alles und noch mehr in ih-<br />

rem Spiel angelegt war. Und ihr Aussehen macht auch die<br />

Reaktionen der Männer in ihrer Umgebung verständlich.<br />

Deren Rollen waren ebenfalls gut besetzt. Michael Kneisel<br />

hatte zwar Mühe, Noras Gatten Torvald Helmer genügend<br />

„fi es“ darzustellen, brachte aber Liebe und Ehrpusselig-<br />

keit, Berufsrolle und Gattenrolle geschickt zur Deckung.<br />

Dem Hausfreund Dr. Rank gibt Udo Eickelmann als von Tra-<br />

gik umfl orten Bonvivant, eine einleuchtende und durch-<br />

gehaltene Mischung. Klaus Peter Lefmann ist als Krogstad<br />

anfänglich so kalt, dass man die dahinterstehende Unsi-<br />

cherheit und Existenzangst nicht glauben möchte, doch<br />

der Umschwung, den die Liebe einer Frau hervorruft, ist<br />

stimmig. Diese Frau, Noras Freundin Christine, gibt Martina<br />

Brune, vielleicht ein wenig zu bedrückt, als eine Frau-<br />

voller kaschierter Lebensangst, die ihr Selbstwertgefühl<br />

ausschließlich aus der treuen Erfüllung von irgendwel-<br />

chen Pfl ichten bezieht. Trotz dieser für ein Amateurtheater<br />

ausgesprochen guten Schauspielerleistungen, an denen<br />

der Regisseur natürlich großen Anteil hat, waren beson-<br />

ders die letzten 15 Minuten der Aufführung von einer Art<br />

Langatmigkeit. Der Regisseur <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong> hatte bei sei-<br />

nem Debüt als Spielleiter manchmal zu viel Respekt vor<br />

den Worten des Dichters. Durch gezieltere Striche hätte<br />

die psychologische Dichte, die <strong>Dierkes</strong> in der Behandlung<br />

der Rollen ja herausarbeitet, schärfer hervortreten können.<br />

Und der Aspekt, dass die Sprengung der traditionellen<br />

Frauenrolle auch die von Mann und Kindern (ganz süß<br />

die drei Kleinen) freier werden lässt, dass Ibsens Emanzi-<br />

pation auf menschliche, nicht auf weibliche Freiheit zielt,<br />

wäre nicht so untergegangen. Die kleinen handwerklichen<br />

Fehler in einer von der gedanklichen Konzeption und der<br />

Personenführung wirklich gelungenen Arbeit sind umso<br />

mehr zu bedauern, als vom Bühnenbild unter Einbezie-<br />

hung des Treppenturms bis zum Programmheft auch das<br />

Drumherum durchaus mit den professionellen Tourneethe-<br />

atern mithalten kann. Der lange Premierenbeifall ist also<br />

bestimmt verdient.<br />

Ibbenbürener Volkszeitung, 20. November <strong>1998</strong><br />

Nora - ein gewagtes QUASI SO-Projekt Dieter Michel.<br />

Ibbenbüren<br />

190 Zuschauer fanden sich am Mittwochabend in der Al-<br />

ten Sparkasse zur ausverkauften VHS-Premiere von Henrik<br />

Ibsens „Nora oder Ein Puppenheim“ aus dem Jahre 1879<br />

ein. <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong> gab mit neuen und altbewährten The-<br />

aterleuten des über die Stadtgrenzen hinaus bekannten<br />

QUASI SO-Theaters sein Regiedebüt und lieferte ein in<br />

vielen Einzelheiten tragfähiges Inszenierungskonzept ab.<br />

Die Eingangshalle vor der Stadtbücherei bot mit ihrer reiz-<br />

vollen Möblierung in ihrer gekonnten Funktionalität und<br />

mit ihren aparten Details (Kompliment an Jörn Schäfer)<br />

den stilsicheren voyeuristischen Einblick in die (allerdings<br />

lampenlose) Wohnstube der Familie Helmer, wo sich ein<br />

- zu Ibsens Zeiten - revolutionärer Emanzipationskampf<br />

abspielte. Die Story um das verwöhnte Zwitscherlerch-<br />

lein, das erst nach acht Jahren und drei Kindern der eit-<br />

len Patriachalität ihres egoistischen Mannes entsagt, hat<br />

augenscheinlich nicht nur für das Ensemble nichts von<br />

ihrer Problematik eingebüßt. Und so wartete denn diese<br />

Inszenierung mit einer fast buchstabengetreuen, langen<br />

Aufführung auf, der man allenthalben das bemerkenswer-<br />

te Gespür des Regisseurs für die vielschichtigen sozial-<br />

psychologischen Nuancen dieses Ehedramas anmerkte.<br />

Mit seiner imposanten Sensibilität für szenische Wirkung<br />

und für die das Milieu dominierenden Spielarten der<br />

Selbstsucht krönte <strong>Dierkes</strong> zweifellos sein Erstlingswerk.<br />

Das spiegelte sich zuvörderst in der Titelfi gur, der Henri-<br />

ette Mudrack mit einer höchst diszipliniert erspielten Am-<br />

bivalenz von naivem Aufbegehren, umgarnender Raffi nes-<br />

se, mädchenhafter Launenhaftigkeit sowie verkrampfter<br />

Zukunftsgläubigkeit eine frappierend einfühlsame Kontur<br />

lieh. Vom Lidaufschlag bis zum fl irrenden Trippelschritt<br />

bot sie eine imponierend stimmige Nora und hielt die-<br />

sen auch physischen Kraftakt nervöser Flatterhaftigkeit<br />

bravourös bis zum Schlusssatz durch. Gleichermaßen<br />

überzeugte Martina Brune als vom Schicksal einer lieb-<br />

losen Ehe gekennzeichnete Witwe, indem sie etwa zu<br />

Beginn ihre „unsägliche“ innere Leere beklemmend spür-<br />

bar werden ließ und sich am Ende in ihrer verzweifelten


Sehnsucht nach einem Lebenssinn eine späte Ehe aus-<br />

gerechnet mit Krogstad mühevoll errang. Diesen Geset-<br />

zesbrecher aus Not spielte Klaus Peter Lefmann in ausge-<br />

zeichnet prägnanter Artikulation und sehr glaubwürdiger<br />

Fahrigkeit, da es ihm bewundernswert gelang, einseitige<br />

Schurkenhaftigkeit zu vermeiden und das zerrüttete Getrie-<br />

bensein dieses „Schiffbrüchigen“ auch in seiner Körper-<br />

sprache zu vermitteln. Dem langjährigen Hausfreund der<br />

Helmers wusste Udo Eickelmann in der Rolle des Dr. Rank<br />

glaubwürdige Züge, besonders als Zyniker, zu verleihen,<br />

wobei sein durch Syphilis-Erbschaden bedingtes Sterben<br />

eher seinen Worten als seinem (vielleicht doch zu gesun-<br />

dem) Auftreten zu entnehmen war. Die anspruchsvollste,<br />

weil für ein junges Amateur-Ensemble heikelste Rolle hat-<br />

te Michael Kneisel als Noras perfi d-gesellschaftskonformer<br />

Gatte zu füllen, der sich sein Luxusweibchen als durch<br />

Heirat legitimierten Besitz (dumm) zu halten sucht: „Jetzt<br />

spricht das Rotkehlchen, als ob es ein Mensch wäre.“ Die-<br />

sen bornierten Übervater von Beginn an völlig negativ zu<br />

überzeichnen, das ist sicherlich eine diskutierbare Inter-<br />

pretation. Angesichts vieler guter Akzentuierungen, etwa<br />

in den Momenten eitler Selbstgefälligkeit, mochte das<br />

Lampenfi eber wesentlich dazu beigetragen haben, dass<br />

sich sein Wechselbad der Gefühle manchesmal zu sehr<br />

lediglich in überproportionaler Lautstärke spiegelte. Die<br />

weiteren Ensemblemitglieder, darunter drei liebliche Kin-<br />

der, wussten durch überzeugende Auftritte zu gefallen.<br />

Sehr ansprechend war auch die zeitgenössische Kostümie-<br />

rung (Ute Stöttner, Imke Strothmann) mit stilsicher nuan-<br />

cierten Accessoires. Die Frage, an der sich möglicherweise<br />

bei dieser Aufführung die Geister scheiden, resultiert aus<br />

dem Faktum, dass 120 Jahre Fortschritt gottlob auch das<br />

Bewusstsein des Publikums hinsichtlich bourgeoischer<br />

Ehestrukturen verändert haben, so dass dem dramati-<br />

schen Stoff das zuzeiten Ibsens provozierend Neue heute<br />

fehlt. Trägt sich dann aber eine bloß historisch verpfl ichte-<br />

te Inszenierung ohne eigene entschiedene Akzentuierung<br />

(etwa in absurder oder parodistischer Schärfung)? Reichen<br />

schauspielerische Leistungen, die zu Recht den freneti-<br />

schen Schlussapplaus des bis zum Schluss gefesselten<br />

Premierenpublikums einheimsten? Gelegenheit, dies für<br />

sich selbst zu entscheiden, bietet sich noch heute, morgen<br />

und übermorgen (Alte Sparkasse) sowie vom 27. bis 29.<br />

November (Kepler-Gymnasium) jeweils um 20 Uhr.


Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)<br />

von Adam Long, Daniel Singer und Jess Winfi eld<br />

Das Stück<br />

Lieben Sie Shakespeare? Wir auch. Aber seien wir einmal<br />

ehrlich: Die Zeiten, in denen Shakespeare geschrieben hat,<br />

sind endgültig vorbei. Oder können Sie sich vorstellen, un-<br />

ter freiem Himmel, dichtgedrängt an ihren schwitzenden<br />

und stinkenden Nachbarn sich nur ein Stück anzusehen.<br />

Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Genießen Sie statt-<br />

dessen den ganzen Shakespeare an einem Abend. Peter,<br />

Johannes und Christoph, drei hoffnungsvolle, junge Talen-<br />

te entführen Sie in die wunderbare Welt William Shake-<br />

speares. Mit Esprit und Elan werden Sie mit 37 Stücken<br />

bekannt gemacht, wobei die beliebtesten Höhepunkte der<br />

Shakespeareschen Kunst nicht vergessen werden: Die Bal-<br />

konszene aus Romeo und Julia, der herrliche Hamlet-Mo-<br />

nolog und und und ...<br />

Die Vorstellung beginnt:<br />

Guten Abend, meine Damen und Herren, ich begrüße Sie<br />

hier bei uns im Schauspielhaus, und herzlich willkommen<br />

zu unsrer heutigen Vorstellung von „Shakespeares sämtli-<br />

che Werke (leicht gekürzt)“. Bevor wir anfangen, habe ich<br />

noch ein paar kurze Ankündigungen für Sie. Das Fotogra-<br />

fi eren mit Blitzlicht sowie die Aufzeichnung der Aufführung<br />

auf Bild- oder Tonträger ist von der Direktion des Hauses<br />

streng verboten. Bitte verzichten Sie während der Vorstel-<br />

lung ferner auf Essen, Trinken, Rauchen - verzichten Sie<br />

auf alles. Sollten Sie ein natürliches Bedürfnis verspüren,<br />

so fi nden Sie die Toiletten im Foyer. Bitte richten Sie Ihre<br />

Aufmerksamkeit jetzt für einen Augenblick auf die Notaus-<br />

gänge und überzeugen Sie sich, welcher Ihrem Platz am<br />

nächsten liegt. Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle. Mein<br />

Name ist Peter Kaspar, und ich werde mich heute Abend<br />

mit meinen beiden Partnern an ein Kunststück wagen, das<br />

nach unserem bescheidenen Dafürhalten in der Geschich-<br />

te des Theaters ohne Beispiel ist. Nämlich: den Zauber,<br />

die Genialität, die überragende Größe von „Shakespea-<br />

res Sämtlichen Werken“ in einem einzigen Theatererleb-<br />

nis dingfest zu machen. Also da müssen wir heute Abend<br />

eine ganze Menge durchziehen, und deshalb würde ich<br />

Ihnen an diesem Punkt gern einen Herrn vorstellen, der zu<br />

den überragendsten Shakespeare Forschern im gesamten<br />

deutschsprachigen Raum gehört. Er hat seinen Magister an<br />

der Universität Gießen gemacht, wo er, soweit ich weiß,<br />

zwei ganze Bücher über Shakespeare gelesen hat. Er ist<br />

heute Abend hier, um eine kurze Einführung zu „Shakespe-<br />

ares sämtliche Werke (leicht gekürzt)“ zu geben. Also bitte<br />

einen schönen, großen Abtritts-Aufl auf für Herrn John Pa-<br />

trick Melchior ...<br />

Das Ensemble<br />

Regie: <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong><br />

Bühnenbild: <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>, Imke Strothmann<br />

Kostüme: <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>, Ute Stöttner<br />

Technische Leitung: Tim Rikeit<br />

Chris: Udo Eickelmann<br />

Jon: Hans-Günter Schwarze-Beßler<br />

Peter: Robert Kötter<br />

Regieassistenz und Abendspielleitung: Birgit Seiffert<br />

Umziehhilfen: Petra Frehe, Katharina Quindt, Doris Rikeit,<br />

Bärbel Struck<br />

Musikarrangements: Hans Günter Schwarze-Beßler<br />

Prospektentwurf und -gestaltung: Imke Strothmann<br />

Dramaturgie und Programmheft: Barbara Lücke<br />

Plakat- und Pressefotos: Anja Kückelmann<br />

Technische Einrichtung und Durchführung: Oliver Daake,<br />

Sebastian Frehe, Manfred Hagemann, Rainer Möller, Jan<br />

Rikeit, Tim Rikeit, Ute Stöttner, Imke Strothmann<br />

Stellwerksbeleuchter: Tim Rikeit<br />

Technische Inspektion: Heiko Büchter<br />

Requisite: Petra Frehe<br />

Souffl age: Henriette Kötter<br />

Unser ganz besonderer Dank gilt: Maria Hoppe, Christel<br />

Averbeck, Begegnungszentrum für Ausländer und Deut-<br />

sche, Kostümfundus TPZ Lingen, Oliver Daake, Ulla Do-<br />

renkamp, Holger Hennemann-Brune, Dr. med Peter Hole,<br />

Kinkerlitzchen, Joachim Wildt, Andrea Jasper Heinl, Jürgen<br />

Frehe, Firma Heim-Bau-Service, Hannelore Schlimmbach,<br />

Franz-Josef und Angelika Mönninghoff, Dirk Bode, Norbert<br />

und Theresia Schmidt, Wilhelm Stroht, Firma Fischbach<br />

und Müller, Jutta Lefmann, Doris Rikeit, Kaufhaus Magnus<br />

Aufführungsrechte: Felix Bloch Erben Verlag, Berlin<br />

Premiere: 18. August 1999, Bürgerhaus Ibbenbüren


Premierenkritiken<br />

Da musste Ophelia verrückt werden, Barbara Gerhardt.<br />

Ibbenbüren.<br />

Eine intelligente, prallgefüllte Textvorlage und drei Schau-<br />

spieler, denen das unernste Fach auf den Leib geschneidert<br />

scheint - ideale Voraussetzungen für einen Theaterabend,<br />

an dessen Ende das Publikum steht. Mit „Shakespeares<br />

Werken (leicht gekürzt)“ haben drei Mitglieder der Reduced<br />

Shakespeare Company, Daniel Singer, Jess Winfi eld und<br />

Adam Long, ein weltweit erfolgreiches Stück geschrieben.<br />

Man hatte den klugen Zuschnitt eines immensen Nachlas-<br />

ses auf grundsätzliche, der Verjüngung dienende Muster<br />

gewagt und die naheliegende Konsequenz gezogen, das<br />

Ergebnis irgendwo zwischen Parodie und Travestie anzu-<br />

siedeln.<br />

Dabei hüteten sich die drei Briten sehr geschickt davor,<br />

Shakespeare zum bloßen Komödiantenschriftsteller mit Ge-<br />

schmacksvorlieben fürs Straßentheater zu entzaubern. Es<br />

blieb - auch bei der Aufführung am Mittwochabend - genü-<br />

gend Klassisch-Ideales, Historisch-Romantisches übrig, um<br />

- wenn man denn Zeit zum Atemholen hatte - hinter den<br />

Tumult der Bürgerhausbühne zu sehen und zu horchen.<br />

Die für die ersten Minuten noch premierenfi ebrigen Hans<br />

Günter Schwarze-Beßler und Robert Kötter als Jon und Pe-<br />

ter, vor allem ein überragender Udo Eickelmann als Chris,<br />

wüteten sich in Vor- und Rückwärtsgang mit schreienden<br />

Aktionen durch Königsdramen, Tragödien und Komödien,<br />

badeten im lustvollen Stoff und spielten das Ganze, dass<br />

es die reine Lust war. Hans Günter Schwarze-Beßler brach-<br />

te zunächst in Erzählfunktion mit eindrucksvoll platzier-<br />

ter Gestik etwas Ruhe in die Familienfehden der Capulets<br />

und Montagues und ließ den gewaltig gelockten Romeo<br />

mit seiner Julia sich in der köstlich vorgeführten Kunst der<br />

Liebe üben. Vor allem als Hamlet hatte er - obschon an-<br />

sonsten dem Komödiantentum nicht abhold - seine starke<br />

Stunde und stand als integrer Held souverän inmitten all<br />

der Unruhe und nicht mehr nur noch witzigen Wortspielen.<br />

Sein Mitspieler Udo Eickelmann schlüpfte blitzschnell in<br />

Frauen/-Männerrollen und explodierte schier vor innerem<br />

Sprengstoff. Ihn erquickten ganz offensichtlich selbst die<br />

derben Späße und Sprache der Straße, deren (Unterhal-<br />

tungs-) Wert und Wichtigkeit bei Shakespeares Sorge um<br />

die ehrliche Beschaffenheit gesellschaftlicher Moral nicht<br />

hinter die Rampe fallen durfte. Ganz gleich, ob nun als<br />

Narr, der weiß, was in der ersten Reihe ankommt, oder im<br />

geschnürten Korsettkleid der Ophelia (verständlich, dass<br />

die unter diesen Umständen wahnsinnig werden musste),<br />

als Performancetänzer, als Gespenst oder Mörderbube,<br />

Claudius Eickelmanns Potential an Rollenvariationen ist<br />

enorm. Der Dritte im Tumultbunde, Robert Kötter, spielte<br />

sich trotz dieser Übermacht zunehmend frei (auch was die<br />

deutlichere Artikulation anging) und ihm war der schwieri-<br />

ge Teil, vollkommen konträre Rolleninhalte rasch hinterein-<br />

ander zu bringen, zugedacht. Großes Kompliment für seine<br />

Leistung. Bei einer derartig darstellerischen Dichte war es<br />

eine kluge Entscheidung des Regisseurs (<strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>), sich<br />

einmal Quasi So - unüblich nur mit einem schlichten Büh-<br />

nenbild zu begnügen. Die vielen Regieeinfälle, die schö-<br />

nen Kostüme brauchten nicht mehr. Bleibt den künftigen<br />

Aufführungen zu wünschen, dass das Bürgerhaus ebenso<br />

gefüllt sein möge wie bei der Premiere.<br />

Ibbenbürener Volkszeitung, 20. August 1999


Hamlet rückwärts, Antje Kahle. Ibbenbüren.<br />

37 Stücke in zwei Stunden? Mit nur drei Schauspielern?<br />

Alle, die ein solches Vorhaben für unmöglich hielten, be-<br />

lehrte die Truppe des QUASI SO-THEATERS eines Besseren.<br />

Sie brachten am Mittwochabend „Shakespeares sämtliche<br />

Werke (leicht gekürzt)“ nach Ibbenbüren. Die Premie-<br />

re des Stückes, das seit Ende der 80er in den USA und<br />

Großbritannien Erfolge feierte, brachte selbst die spröden<br />

Westfalen zum Feiern. Mit Standing-Ovations entließ das<br />

Publikum die drei Schauspieler Udo Eickelmann (Chris),<br />

Hans Günter Schwarze-Beßler (Jon) und Robert Kötter (Pe-<br />

ter) sowie Regisseur <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>. Ihnen war das Kunst-<br />

stück gelungen, fast alle Stücke des wohl bekanntesten<br />

englischsprachigen Dramatikers in vergleichsweise kurzer<br />

Zeit zu präsentieren, nebenbei atemberaubend schnell die<br />

Kostüme zu wechseln und alle Nörgler davon zu überzeu-<br />

gen, dass die Welt Shakespeares durchaus nicht langweilig<br />

und angestaubt sein muss. Shakespeare-Kenner werden<br />

angesichts einer Vielzahl von manchmal geradezu absurd<br />

anmutenden Verfremdungen gelegentlich geglaubt haben,<br />

im falschen Film zu sitzen. Da will Julia ihren Romeo - an-<br />

ders als in der literarischen Vorlage - gar nicht küssen.<br />

Titus Andronicus wird kurzerhand zur Kochsendung umge-<br />

staltet. Und sämtliche Königsdramen gehen in Form eines<br />

Fußballspiels über die Bühne.<br />

Doch von vorne. Bereits in der Einleitung, der Vorstellung<br />

des großen Literaten, hat Chris, der angebliche Shakes-<br />

peare-Experte, mit der genauen Biografi e des Dramatikers<br />

so seine Schwierigkeiten. Schreibt er dem großen Briten<br />

doch neben einer Vielzahl von Tragödien und Komödien<br />

auch das Machwerk „Mein Kampf“ sowie den Einmarsch<br />

in polnisches Terrain zu. Nach wenigen Minuten konnte<br />

das Publikum sicher sein, dass an diesem Abend nicht nur<br />

bierernste Monologe und tragische Momente der Weltlite-<br />

ratur zu erwarten waren. Begonnen wurde mit der wohl<br />

berühmtesten und vielleicht auch beliebtesten Tragödie<br />

Shakespeares: „Romeo und Julia“. Hier beeindruckte be-<br />

sonders Udo Eickelmann in der Rolle der Julia, einer gars-<br />

tigen Zicke, die ihren Romeo zum Narren hält und ihn<br />

um nichts in der Welt küssen will. Romeo, wunderbar als<br />

liebeskranker Trottel mit viel zu großer Elvis-Perücke ge-<br />

spielt von Robert Kötter, gibt aber nicht auf und schafft<br />

es schließlich, seiner Geliebten - allerdings im wahrsten<br />

Sinne des Wortes über deren Leiche - einen Kuss abzurin-<br />

gen. Der Tod der beiden Liebenden wird nicht etwa von<br />

einer traurigen Zeremonie begleitet, nein, ein Rockkonzert<br />

mit Gummigitarren fegt über die Bühne. Überhaupt ha-<br />

ben sich die „Erfi nder“ von „Shakespeares sämtliche Wer-<br />

ke (leicht gekürzt)“, Adam Long, Daniel Singer und Jess<br />

Winfi eld von der „Reduced Shakespeare Company“, viele<br />

Gedanken darüber gemacht, wie man den über 400 Jahre<br />

alten Stoff dem Publikum des ausgehenden 20. Jahrhun-<br />

derts zugänglich machen kann. So nahm Titus Andronicus<br />

den Platz von Alfred Biolek ein und bittet zum „blutigen<br />

Schänder im Schlafrock“. Die Komödien wurden gnaden-<br />

los zusammengestrichen. „Shakespeare hat doch eh nur<br />

geklaut“, wurde das Publikum belehrt. „Er hat die zwei,<br />

drei witzigsten Gags seiner Zeit aufgegriffen und in sei-<br />

ne 16 Komödien gepackt.“ Aus diesem Grund wird aus 16<br />

Stücken auch nur eins: „Der Liebesdampfer nach Verona“.<br />

Auf wenige Minuten wurden die Inhalte gekürzt und ver-<br />

langten höchste Konzentration von Schauspielern wie Zu-<br />

schauern, die den oft verwirrenden Textpassagen gebannt<br />

folgten. Kleinere Minuspunkte glichen die drei Akteure<br />

durch ihr komisches Talent, eine große Verwandlungsgabe<br />

und ihren enormen Einsatz mehr als aus. Schnell zeig-<br />

te sich, dass Regisseur <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong> die Rollen geradezu<br />

meisterhaft besetzt hatte. So sorgte Udo Eickelmann, der<br />

alle tragischen Frauengestalten verkörperte, immer wieder<br />

für Begeisterung. Auch bei der Dame in der ersten Reihe,<br />

die darunter zu leiden hatte, dass Chris, alias Udo Eickel-<br />

mann, von der Vorstellung beseelt war, dass alle häss-<br />

liche Perücken tragende Heldinnen sich im Todeskampf<br />

zu übergeben pfl egen. Wie dem auch sei, die Dame hielt<br />

den gelegentlichen Übelkeitsattacken geradezu heldenhaft<br />

stand. Nach über zwei Stunden, die den Zuschauern soli-<br />

des Sitzfl eisch abverlangten, aber Kurzweil und Vergnügen<br />

bescherten, nach Othello vorwärts, Hamlet rückwärts und<br />

Romeo und Julia total verdreht, durfte das Publikum in<br />

dem Bewusstsein nach Hause gehen, alle Werke des Meis-<br />

ters - so behaupten es die Autoren - gesehen zu haben.<br />

Nicht-Kenner hatten zwar mitunter ihre Mühe, alle Stücke<br />

in dem Sprachen-, Zitate- und Kostüm-Wirrwarr wiederzu-<br />

entdecken. Dem Spaß tat das aber keinen Abbruch.<br />

Westfälische Nachrichten, 20. August 1999w


Pterodaktylus<br />

von Nicky Silver<br />

Das Stück<br />

Der Pterodactylus ist ein Saurier, eine ausgestorbe-<br />

ne Gattung. Das Aussterben der Familie Duncan verfolgt<br />

die absurd-böse, von schwarzem Humor gekennzeichne-<br />

te Komödie „Um Leben und Tod - Pterodactylus“. Unter<br />

der Oberfl äche von Wohlanständigkeit und Schönrederei<br />

verbergen sich Lüge, Verdrängung und ruinöse Familien-<br />

verhältnisse, die nicht durch Auseinandersetzung, sondern<br />

durch zerstörerische Vorwürfe allmählich ans Tageslicht be-<br />

fördert werden. Tochter Emma, hypochondrisch und mit<br />

erheblichen Erinnerungslücken, eröffnet ihrer Mutter, dass<br />

sie Tommy heiraten will. Der Kellner Tommy passt der Ban-<br />

kiersgattin aber gar nicht so recht in ihr Bild vom Schwie-<br />

gersohn: und so stellt sie ihn als Dienstmädchen ein, eine<br />

Rolle, die er bald sehr willig auszufüllen bereit ist.<br />

Unter den familiären Verdrängungsstrategien und dem plät-<br />

schernden Geplauder wird die Nachricht von Sohn Todd<br />

niedergequasselt, der eröffnet, dass er an AIDS erkrankt<br />

ist. Todd, von seinem Vater stets mit falschem Namen an-<br />

gesprochen, ist fortwährend damit beschäftigt, Saurierkno-<br />

chen aus dem Garten heranzuschleppen und sie allmäh-<br />

lich zu einem kompletten Skelett zusammenzubauen. Mit<br />

der Rekonstruktion der ausgestorbenen Gattung geht das<br />

Aussterben der sich selbst verleugnenden Familie einher.<br />

Nachdem Emma erfährt, dass sich ihr Verlobter Tommy in<br />

ihren Bruder Todd verliebt hat, will sie nichts mehr hören,<br />

verliert ihr Gehör und erschießt sich schließlich. Nicht die<br />

geplatzte Hochzeit oder gar der Tod der Tochter sind die<br />

Gründe für die Verzweifl ung von Mutter Grace, sondern die<br />

sinnlos gewordenen Partyvorbereitungen, die sie betrieben<br />

hat. Tommy stirbt mysteriös, bleibt aber unbegraben, weil<br />

den Familienmitgliedern der Erdboden zu hart gefroren ist,<br />

um ein Begräbnis vorzunehmen. Der inzwischen arbeits-<br />

los gewordene Vater Arthur wird aus dem Haus gejagt.<br />

Die Mutter stirbt plötzlich und unspektakulär. Übrig blei-<br />

ben nicht nur der zunächst scheinbar todgeweihte Todd in<br />

Umarmung mit dem Geist seiner Schwester, sondern auch<br />

das nun fertiggestellte Saurierskelett. Absurde Situationen<br />

und temporeiche, groteske Dialoge entlarven mit galligem<br />

Humor eine Hölle namens Familie. So wie der Pterodacty-<br />

lus, eine prähistorische Flugechse, zwar mit den Sauriern<br />

lebte, eigentlich aber kein Saurier war, so lebte Todd unter<br />

seinesgleichen: Der vermeintlich Kranke, der AIDS-Infi zier-<br />

te, wird zum Indikator eines Untergangs, zum Todesengel<br />

unserer Tage, in denen dem Aussterben der Dinosaurier<br />

eher unser Interesse gilt, als den natürlichen Katastrophen<br />

der Wirklichkeit. Nicky Silver, geb. 1960 in einem Vorort<br />

von Philadelphia, wurde von der amerikanischen Presse<br />

als „Exorzist vom Hudson-River“ bezeichnet, seine Stücke<br />

sind keine larmoyanten Jammerstücke über AIDS und Ver-<br />

fall, sondern im Stil einer bitter-schwarzen Komödie liefert<br />

er die kaum erträgliche Realität einem befreienden Lachen<br />

aus. Seine Stücke spielen in einer Zeit lange nach der Ab-<br />

schaffung aller Freundlichkeiten: Es sind wahrlich vernich-<br />

tende Farcen, in denen Silver uns die Wunden unserer Zeit<br />

zeigt und versucht, dem heilsamen Vorgang so viel Spaß<br />

abzugewinnen, wie es nur geht. Das alles ist zwar nicht ko-<br />

misch, bloß zum Totlachen. Tommy verliebt sich in Todd.


Das Ensemble<br />

Todd Duncan: Henning Strübbe<br />

Emma Duncan: Henriette Mudrack<br />

Tommy McKorckle: Peter Tombrink<br />

Grace Duncan: Jutta Lefmann<br />

Arthur Duncan: Michael Kneisel<br />

Inszenierung: <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong><br />

Kostüme: Evelyn Book, Anne Geschwinder<br />

Technische Leitung: Udo Eickelmann<br />

Regieassistenz: Steffen Ungruh<br />

Premiere: 21. März 2001,<br />

Foyer des Bürgerhauses Ibbenbüren<br />

Premierenkritiken<br />

Pterodaktylus im Bürgerhaus<br />

Standing Ovations für Quasi So-Truppe nach einer gelun-<br />

genen Premiere<br />

Annette Kleinert. Ibbenbüren.<br />

Einen neuen Triumph feierte das Quasi So-Theater der<br />

VHS am Mittwochabend im Foyer des Bürgerhauses. Die<br />

Premiere von „Pterodactylus“, dem Spiel „um Leben und<br />

Tod“ von Nicky Silver, bot alles, was Theaterfreunde sich<br />

erträumen: Spannung, Unterhaltung, Tiefgang, Action. Auf<br />

fast leerer Bühne und ohne Requisiten forderte die Auffüh-<br />

rung sowohl von Akteuren als auch vom Publikum, sich in-<br />

tensiv in die Geschichte hineinzudenken. Um Verdrängung<br />

von Problemen geht es in „Pterodactylus“: Familie Duncan<br />

lebt in einer Scheinidylle. Vater Arthur ist ein scheinbar<br />

erfolgreicher Bankdirektor, Mutter Grace managt scheinbar<br />

mühelos Haushalt und Familie, und das naive Töchterchen<br />

Emma verlobt sich. Sehr schnell wird jedoch deutlich, wie<br />

falsch das Weltbild der Duncans ist, wie sie sich selbst<br />

ständig belügen. Die Scheinwelt der Duncans hat keine<br />

Zukunft - wie einst die Dinosaurier, zu denen auch die Gat-<br />

tung Pterodactylus zählte. An Emma Duncan zeigen sich<br />

die Folgen der Verdrängung von Problemen besonders<br />

krass, denn sie „funktioniert“ keinesfalls mehr perfekt: Die<br />

teils kindisch-verspielte Göre, teils zickige Hypochonderin<br />

steuert unaufhaltsam auf ihren Selbstmord zu. Die Flucht<br />

in den Tod ist die letztlich erfolgreichste Form der Verdrän-<br />

gung! Auch ihr Verlobter Tommy hält den Anschein eines<br />

normalen Lebens lange verzweifelt aufrecht. Die Erniedri-<br />

gungen, die er im Dienst der Familie hinnimmt, übertreten<br />

alle Grenzen. Seine homosexuelle Liebe zu Emmas Bruder<br />

Todd, die ihn zu sich selbst zurückführen könnte, bringt<br />

auch ihm den Tod. Todd Duncan, der aidskranke Sohn,<br />

ist der Dreh- und Angelpunkt des Stücks. Der HIV-Positive<br />

konfrontiert alle Familienmitglieder mit ihren Grenzen, den<br />

realistischen von Leben und Tod und den durch ihre ego-<br />

istische Oberfl ächlichkeit selbst geschaffenen. Todd, der<br />

ausspricht, was er denkt, schafft unerträgliche Situationen.<br />

Eltern, Schwester und Liebhaber erkennen in ihm ihre ei-<br />

genen Lügen und aussichtslose Lage. Ihre Konsequenzen<br />

sind ebenso individuell wie erfolglos, was eine wirkliche<br />

Lösung ihrer Probleme angeht: Emma erschießt sich und<br />

erlebt erst im „Paradies“ ihre wahre Liebe. Tommy infi -<br />

ziert sich mit dem HIV-Virus und stirbt, Vater Arthur verliert<br />

Stellung und Verstand und verlässt schließlich die Familie.<br />

Mutter Grace trinkt ihren „Scotch“ jetzt in aller Öffentlich-<br />

keit; sie zerbricht daran, dass sie allmählich die ausweglo-<br />

se Realität sieht. Und Todd, der Aids hat, überlebt sie alle<br />

- als Einziger, der wirklich in der Realität lebt und sich ihr<br />

bewusst stellt. Schwere Kost für das Publikum? Für alle,<br />

die sich der Problematik öffnen wollen, sicherlich, doch<br />

geht das Ganze mit tiefschwarzem Humor und rasanten<br />

Dialogen einher, was die Risiken und Nebenwirkungen zu-<br />

nächst zu verringern scheint. Die bravouröse darstellerische<br />

Leistung aller Akteure am Mittwochabend ging zusätzlich<br />

unter die Haut: Allen voran Henriette Mudrack: Sie zeigte<br />

eine naive, zickige Emma Duncan, überdreht und immer<br />

im richtigen Moment kindlich, „krank“ oder gar „taub“,<br />

immer glaubhaft lebensuntüchtig. Sie hüpft und wälzt sich,<br />

hat unglaubliche Möglichkeiten der Mimik und der Stim-<br />

me, wirkt so locker-leicht bei allem, dass die Oberfl ächlich-<br />

keit der naiven Tochter auch in der Gestik zum Ausdruck<br />

kommt. Peter Tombrink bot als Tommy McKorckle ebenfalls<br />

eine Glanzleistung: als schüchtern-verklemmter Verlobter,<br />

als umwerfendes Dienstmädchen im „kleinen Schwarzen“<br />

und als verzweifelt Verliebter, der seine große Liebe zu<br />

spät entdeckt. Immer blieb den Zuschauern das Lachen<br />

im Hals stecken, waren sie gefesselt und mitgerissen von<br />

Tombrinks Spielweise. Michael Kneisel alias Vater Arthur<br />

hatte es schwer, seinen darstellerischen Stand in dieser<br />

tollen Truppe zu behaupten, denn die Rolle gab zunächst


Mit Jutta Lefmann als Grace Duncan steht und fällt das<br />

Stück. Als immer nur ansatzweise funktionierende Mut-<br />

ter, Ehefrau und Gastgeberin stöckelt sie geziert über die<br />

Bühne, kanzelt Freundinnen und Familie ab und übertönt<br />

stimmlich die Familienmitglieder, wann immer sie will. Als<br />

betrunkene Grace, die zum Schluss mit wirrem Haar und<br />

teilweise klarem Verstand die Zusammenhänge erahnt,<br />

jagt Jutta Lefmanns Ausdruckskraft den Zuschauern Schau-<br />

er über den Rücken. Henning Strübbe hat mit der Rol-<br />

le des Todd den Part dessen, der zwischen Familie und<br />

Realität steht. Er überwindet unmenschliche Grenzen auf<br />

seinem Weg in die persönliche Freiheit, die letztlich auch<br />

ihn in den Tod führt. Wann immer er agiert, beherrscht er<br />

durch seine überzeugende Mimik und Gestik Familienmit-<br />

glieder und Publikum: Henning Strübbe ist in seiner Rolle<br />

über alle Klischees hinausgewachsen, erzeugt Gänsehaut,<br />

Angst - und Begeisterung. Viele „Vorhänge“ und Standing<br />

Ovations gab es nach dieser Premiere. Das Pterodactylus-<br />

Erlebnis im Ibbenbürener Bürgerhaus gibt es noch öfter:<br />

heute Abend, am 24., 25. und 31. März sowie am 1., 6., 7.<br />

und 8. April.<br />

Ibbenbürener Volkszeitung, 25.März 2001<br />

Eine Steigerung des Schwarzen Humors<br />

Pterodaktylus vom Quasi So-Theater/<br />

Bitterböse und schaurig-schöne Theaterunterhaltung lb-<br />

benbüren. Schade eigentlich, dass es keine Steigerung zu<br />

,Schwarz‘ gibt. Gäbe es nämlich eine Farbe, die im Symbol-<br />

gehalt noch dunkler und böser ist, dann gäbe es auch eine<br />

Steigerung von ,Schwarzem Humor‘. Da es aber nun mal<br />

nur ein ,Schwarz‘ gibt, ist das neue Stück des Quasi So-<br />

Theaters eine extrem ,Schwarze Komödie‘. Am Mittwocha-<br />

bend feierte „Pterodaktylus - Auf Leben und Tod“ im Bür-<br />

gerhaus Premiere. Wie bei jedem Stück der faszinierenden<br />

Theatertruppe der Volkshochschule zog auch „Pterodakty-<br />

lus“ die Zuschauer schon in den ersten Minuten in seinen<br />

Bann. Schonungslos, brutal aber dennoch unterhaltend<br />

und schaurigschön: Dem derben Charme des Stückes von<br />

Nicky Silver konnte sich niemand entziehen. <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong><br />

hatte das „Familienhöllenfeuerwerk“ für das Ibbenbürener<br />

Publikum in Szene gesetzt. Er verzichtete dabei auf jegliche<br />

Requisite. Schonungslos wird der Blick des Zuschauers auf<br />

die Charaktere und ihre Realitätsfl uchten gelenkt. Diese<br />

Unmittelbarkeit zu Schauspielern und Story wird bei „Pte-<br />

rodaktylus“ noch verstärkt durch die ungewöhnliche aber<br />

wirkungsvolle Platzierung von Publikum und Mitwirkenden.<br />

Ist die Geschichte nun absurd oder traurig-schaurig-wahr?<br />

Im Bürgerhaus wurde ein spezieller Raum für das Stück<br />

geschaffen. Die Zuschauer sitzen direkt bei den Akteuren<br />

auf der Bühne. So bietet sich ihnen keine Gelegenheit,<br />

sich als Betrachter zu fühlen. Das Publikum wird direkt<br />

konfrontiert mit den: abnormen und gefühlskalten Hand-<br />

lungsträgern. Über drei Stunden zieht sich der sarkastische<br />

Epos von Aids, Tod, Gefühlskälte und Realitätsverdrängung<br />

hin. Doch diese Zeit vergeht bei „Pterodaktylus“ wie im<br />

Fluge. Die Mannen des Quasi So-Theaters haben einmal<br />

mehr eine mitreißende aber auch schockierende Inszenie-<br />

rung auf die Beine gestellt. Vor allem Henning Strübbe als<br />

aidskranker Todd Duncan zieht jeden mit einer atembe-<br />

raubenden Schauspielleistung in seinen Bann. Henriette<br />

Mudrack als Todds Schwester Emma überzeugt in der Rol-<br />

le der naiven, wirklichkeitsfl iehenden Tochter aus gutem<br />

Haus. Jutta Lefmann gibt eine faszinierende Verkörperung<br />

der alkoholkranken, oberfl ächlichen Mutter Grace Duncan.<br />

Ein überzeugender Michael Kneisel als Vater Arthur Dun-<br />

can vervollständigt das verkorkste Familienverhältnis: Als<br />

Bankchef ist ihm die Arbeit wichtiger als seine Familie, und<br />

nur zu seiner Tochter Emma pfl egt er eine Liebe, die star-<br />

ke Züge von Kindesmissbrauch trägt.<br />

Last but not least: Peter Tombrink als Verlobter Tommy<br />

von Töchterchen Emma. Er ist als Kind im Waisenhaus von<br />

Priestern missbraucht worden, wird von Todd verführt und<br />

erkennt so seine homosexuellen Neigungen. Als Emma ih-<br />

ren Bruder und Tommy kurz vor der Hochzeit in fl agranti<br />

erwischt, begeht sie Selbstmord - mit der Pistole, die ihr<br />

Todd als Hochzeitsgeschenk gegeben hat. Und was heißt<br />

nun Pterodaktylus? Pterodaktylen waren Flugsaurier. Todd<br />

fi ndet im Garten das Skelett eines Sauriers (allerdings<br />

ein Tyrannosaurus Rex) und philosophiert über die Grün-<br />

de ihres Aussterbens. Es könnte an der Kälte der Eiszeit<br />

gelegen haben. Hat diese Gefühlskälte und die Unfähig-<br />

keit, die Wahrheit zu akzeptieren, auch zum Aussterben<br />

der Duncans geführt? „Pterodaktylus“ sollte sich auf jeden<br />

Fall niemand entgehen lassen: Unverblümt, offen und fern<br />

ab jeglicher Konventionen räumt das Quasi So-Theater auf<br />

mit oberfächlicher Lala-Unterhaltung, die vor Tabuthemen<br />

zurückschreckt. Eine super Performance!<br />

Westfälische Nachrichten, 23. März 2001


Romeo und Julia<br />

von William Shakespeare<br />

Das Stück<br />

Schauplatz der Handlung ist Verona. Die beiden reichen<br />

Familien Capulet und Montague sind verfeindet und has-<br />

sen sich bis auf den Tod. Romeo, ein Montague, verliebt<br />

sich jedoch in Julia, die ihrerseits eine Capulet ist. Heim-<br />

lich heiraten die beiden, doch nach einem Zusammenstoß<br />

Romeos mit Tybalt, einem Mitglied der Familie Capulet,<br />

kommt es zum Kampf und Tybalt stirbt. Infolgedessen wird<br />

Romeo aus der Stadt verbannt. Um zu ihm zu kommen,<br />

täuscht Julia mit der Hilfe von Pater Lorenzo (zusammen<br />

mit Julias Amme einer der wenigen Vertrauten, die sie ha-<br />

ben), der sie auch getraut hat, ihren Tod vor, denn ihre<br />

Eltern hatten Julias Hochzeit mit dem reichen Paris schon<br />

vorbereitet. Doch Romeo erfährt nicht rechtzeitig von dem<br />

Plan, sondern vernimmt nur die Neuigkeit, dass Julia ge-<br />

storben sei. Er kommt zu ihrem „Grab“ und erdolcht sich.<br />

Als Julia wenige Minuten danach erwacht und ihren Gelieb-<br />

ten Romeo neben sich liegen sieht, begeht sie ebenfalls<br />

Selbstmord.<br />

Das Ensemble<br />

Romeo: Paul Hohenhaus<br />

Julia: Manuela Schmiemann<br />

Mercutio: Henning Strübbe<br />

Tybalt: Hauke Holtkamp<br />

Gregorius: Jonathan Waßmuth<br />

Pater Lorenzo: Klemens Hergemöller<br />

Amme: Verena Lücke<br />

Gräfi n Capulet: Hannelore Berk<br />

Graf Capulet: Radulf Beuleke<br />

Gräfi n Montague: Anke Jansen, Birgit Lücke<br />

Graf Montague: Christoph Hergemöller<br />

Escalus: Peter Tombrink<br />

Benvolio: Patrick Sohrt<br />

Balthasar: Volker Hüntemeyer<br />

Abraham: Henning Struck<br />

Bruder Johannes: <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong><br />

Simson: Bastian Schallenberg<br />

Apotheker: Peter Tombrink<br />

Graf Paris: Hubert Attermeier<br />

In weiteren Rollen: Maren Feldmann, Alexandra Golly, He-<br />

lena Kriege, Marita Kriege, Nora Lohmeyer, Maike Pagen-<br />

kämper, Rosi Strübbe, Hannah Struck, Katharina Veerkamp,<br />

Clara Veerkamp<br />

Inszenierung und Choreographie: <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong><br />

Bühnen- und Kostümbild: Barbara Sibylle Heberle<br />

Sprecherziehung: Christel Müller<br />

Regieassistenz: Lida Askari, Leila Askari<br />

Maske: Evelyn Book<br />

Souffl age: Lena Strübbe<br />

Technische Einrichtung und Durchführung: Evelyn Book,<br />

Volker Hüntemeyer, Karolin Laurer, Markus Maisner, Rainer<br />

Möller, Tobias Mudrack, Tim Rikeit, Steffen Ungruh<br />

Dank an: Thomas Anlauf, Karl Heinz Hagedorn, Klaus Rie-<br />

ping, IVZ & IVD, Herbert Telgkamp, Janina Maldonado,<br />

Christel Avabeck, Maria Hoppe, Die Schneiderinnen des<br />

Begegnungszentrums für Ausländer und Deutsche, <strong>Jens</strong><br />

Priggemeier, Steffen Ungruh, Dieter Schmiemann, Heiko<br />

Büchter, Christell Möller und Norbert Massmann


Premierenkritik<br />

Premiere: 11. September 2002, Bürgerhaus Ibbenbüren<br />

Diese ‚Romeo und Julia‘ bleiben im Gedächtnis<br />

Wilm Froese. Ibbenbüren.<br />

Ganz sicher wird die mit einiger Spannung erwartete Ins-<br />

zenierung des Quasi So-Theaters der VHS von Shakespea-<br />

res „Romeo und Julia“ im Gedächtnis bleiben. Hohenhaus<br />

strahlt so verliebt, Julia leidet so voninnen, dass man die<br />

Floskelhaftigkeit ihrer Worte kaum wahrnimmt. Damit wer-<br />

den sie Shakespeare wohl gerechter als der Übersetzer<br />

Erich Fried. Der billigt allen Figuren eher Rollenattitüden<br />

als Gefühle zu und sieht sie als Funktionen ihrer Situa-<br />

tion. Das spiegelt sich in den schlicht-elegant stilisierten<br />

Kostümen von Barbara Sibylle Heberle, die die Gruppen-<br />

zugehörigkeiten durch die Farbgebung herausstellt, die In-<br />

dividualität durch den Schnitt und die Kopfbedeckung. So<br />

füllen denn auch die anderen Schauspieler ihre Klischees<br />

aus und betonen so die Sonderstellung des berühmtesten<br />

Liebespaares der Welt. Dabei leisten die jungen Leute Be-<br />

achtliches, indem sie ihren Figuren trotzdem Leben einhau-<br />

chen. Peter Tombrink macht als giftiger Prinz von Verona<br />

kaum kaschierte Grausamkeit deutlich. Henning Strübbe<br />

gibt dem Gruppenclown Mercutio ein fast verzweifeltes<br />

Bemühen um Aufmerksamkeit, Patrick Sohrt als Freund<br />

Benvolio ist dagegen der in sich ruhende Fluchtpunkt der<br />

Clique um Romeo. Hauke Holtkamp als Tybalt gibt den<br />

kampfeslüsternen Macho, während Jonathan Waßmuth es<br />

mit Körpersprache fast ohne Text fertig bringt, den Feigling<br />

zu zeigen, der den Macho spielt. Die Eltern von Romeo und<br />

Julia, die verfeindeten Montagues und Capulets, werden<br />

von Christoph Hergemöller, Birgit Lücke, Radulf Beuleke<br />

und Hannelore Berk als Figuren gespielt, die Rollenspiele<br />

betreiben. Hass und Versöhnung sind ohne Ursache, Ein-<br />

sicht in Schuld gibt es nicht. Auch nicht bei den beiden<br />

Figuren, die das Spiel in Gang halten, Julias Amme und<br />

Pater Lorenzo. Verena Lücke kann sich leider nicht zu ei-<br />

ner in sich logischen Darstellung entschließen, wohl auch,<br />

weil die Komödiantin in ihr auf Publikumsreaktionen sofort<br />

anspringt. Dagegen gibt Klemens Hergemöller dem Pater<br />

das Gewicht und die Persönlichkeit, die das Vertrauen al-<br />

ler rechtfertigt. Das ganze Geschehen konzentriert sich in<br />

der Regie von <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> auf eine Spielfl äche aus<br />

einem dekorationslosen Kreuz von zur Mitte hin anstei-<br />

genden Podesten im Zentrum der als Zuschauerraum ge-<br />

nutzten Bühne des Bürgerhauses. Das Publikum sitzt um<br />

diese Bühne herum. Was der Regisseur an Arbeit geleistet<br />

hat, damit seine Darsteller sich nach allen Seiten öffne-<br />

ten, und das so elegant, dass die Richtungsänderungen<br />

wie zufällig wirkten, ist kaum hoch genug einzuschätzen.<br />

Überhaupt war die Bewegungsregie exzellent. Nicht minder<br />

außergewöhnlich gut war die sprachliche Ausgestaltung.<br />

Dass durch die Betonung neue Zusammenhänge herge-<br />

stellt werden konnten, verdanken Regisseur und Spieler<br />

wohl auch der Sprecherziehungsarbeit von Christel Müller.<br />

<strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> ließ Mercutio fast ungehemmt schwadro-<br />

nieren, so dass sein Duell mit Tybalt zwar eher beiläufi g<br />

passierte, aber weil der schon fast Tote immer noch rede-<br />

te, war Romeos Rache an Tybalt schließlich keine Affekt-<br />

handlung mehr, von klassisch-tragischer Verstrickung ganz<br />

zu schweigen. So gelungen diese Szene für sich war, im<br />

Gefüge des Stücks fehlt es ihr an Entschiedenheit. Die feh-<br />

lende Arbeit mit dem Rotstift an dieser mitunter schlechten<br />

Fried Übersetzung hätte diese sonst handwerklich überaus<br />

gelungene Regiearbeit vielleicht auch retten können vor<br />

den Brüchen in der Stilebene. Ist das Fest bei den Capulets<br />

noch auf expressionistisch durchgestaltete Ausdrucksspra-<br />

che reduziert, so gehen das Jammern um den jeweils verlo-<br />

ren geglaubten Partner oder das Klagen am Totenbett der<br />

Liebenden von Verona in expressiv ausgelebter Darstellung<br />

bis in die Nähe von Titanic-Schwulst.<br />

Und wenn dann echte Rosenblätter vom Bühnenhimmel<br />

regnen, bleibt die Enttäuschung, dass die große Leistung<br />

aller Beteiligten nicht durch ein konsequent großes Ergeb-<br />

nis belohnt wurde.<br />

Ibbenbürener Volkszeitung, 12. September 2002


Es war die Lerche<br />

Komödie von Ephraim Kishon<br />

Shakespeare mal ganz anders:<br />

Ehekrise bei Romeo und Julia<br />

Theater Fatale bringt Komödie von Kishon auf die Bühne,<br />

Nordenham (kzw). Da fehlen sogar dem großen William<br />

Shakespeare die Worte: Nach 30 Ehejahren hat auch Ro-<br />

meo und Julia der schnöde Alltag eingeholt. Es kriselt im<br />

Hause Montague, und zwar heftig. Aus der Feder des Sa-<br />

tirikers Ephraim Kishon stammt die Komödie „Es war die<br />

Lerche“, die jetzt das Theater Fatale auf die Bühne bringt.<br />

Romeo kuschelt nur noch mit seiner Wärmfl asche, Julia will<br />

eine Putzfrau. Und Lucretia, die pubertierende Tochter des<br />

berühmtesten Liebespaares der Welt, hat für ihre Eltern<br />

nichts als Verachtung übrig. Zu allem Überfl uss taucht auch<br />

noch der Geist William Shakespeares auf. Schwer beleidigt,<br />

weil Romeo und Julia die schönen Verse, die er ihnen in<br />

den Mund gelegt hat, längst durch Schimpfworte ersetzt<br />

haben, will er die Geschichte endlich in seinem Sinne en-<br />

den lassen: mit dem Tod der beiden Liebenden.<br />

Das ist die Ausgangslage für ein „heiteres Trauerspiel“, das<br />

zum einen von dem Wortwitz Ephraim Kishons lebt, zum<br />

anderen aber auch von dem Tempo, mit dem die Fatalen es<br />

inszenieren. Im vergangenen Jahr hatte das Theater Fatale<br />

den Thriller „Die Hölle wartet nicht“ gespielt. Jetzt ist es<br />

wieder einmal Zeit für eine Komödie. Aber eine ganz be-<br />

sondere. „Uns reizt es, ein Stück zu spielen, das auf einem<br />

Klassiker basiert“, erklärt Spielleiter Detlef Glückselig.<br />

Und noch etwas fi nden die Fatalen spannend: „Es war die<br />

Lerche“ ist das erste Kostümstück, das die Gruppe auf<br />

die Bühne bringt - eine echte Herausforderung für Fatale-<br />

Schneiderin Trudie Stuyt sowie auch für Rita Lüddecke, die<br />

bei der Amateurbühne für den Bereich Kostüme, Maske<br />

und Requisite zuständig ist. Auf der Suche nach den pas-<br />

senden Kleidern ist sie im Theaterpädagogischen Zentrum<br />

(TPZ) in Lingen und bei der Niederdeutschen Bühne Neu-<br />

enburg fündig geworden.<br />

Rolf Wilkens und Inge Hoppe spielen Romeo und Julia.<br />

Außerdem zum Ensemble gehören René Maréchal als<br />

Shakespeare, Traute Funk als Amme, Reiner Gebauer als<br />

Pater Lorenzo sowie Fee An-thea Ricker und Celia Werner,<br />

die sich die Rolle der Lucretia teilen.<br />

Für die Inszenierung haben sich die Fatalen professionelle<br />

Hilfe geholt - in Gestalt von <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> aus Ibben-<br />

büren. Der 33-Jährige, der für die Probenzeit eine Wohnung<br />

in Nordenham bezogen hat, ist Schauspieler und Regis-<br />

seur. Mit 15 Jahren spielte er am Quasi-so-Theater in Ibben-<br />

büren seine erste Rolle, mit 24 inszenierte er sein erstes<br />

Stück. Auf der Bühne hat sich <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> mit seiner<br />

Kunstfi gur Gräfi n <strong>Tamara</strong> einen Namen gemacht. Für zwei<br />

Wochen müssen die Fatalen jetzt auf ihren Regisseur ver-<br />

zichten, weil er mit seiner Travestie- und Comedy-Show auf<br />

dem Kreuzfahrtschiff „Aida“ ein Engagement hat. Anschlie-<br />

ßend soll mit Hochdruck wieder an „Es war die Lerche“<br />

gearbeitet werden.<br />

Am Freitag, 26. Mai, fi ndet in der Stadthalle Friedeburg die<br />

Premiere statt. Der Zeitplan ist eng. Erst seit drei Wochen<br />

proben die Fatalen im Güterschuppen an der Müllerstraße.<br />

Sie sind aber schon sehr weit. Fast alle Szenen sind insze-<br />

niert, und <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> hat auch bereits eine Menge<br />

Feinarbeit geleistet und an vielen Details gefeilt. Geprobt<br />

wird bis auf mittwochs jeden Abend und an den Wochen-<br />

enden bis zu zwölf Stunden am Tag - fast ein Full-Time-Job<br />

für die Darstellerinnen und Darsteller. Parallel dazu arbei-<br />

ten Bühnenbau-Chef Axel de Grave und seine Mannschaft<br />

an den Kulissen, die im Güterschuppen fertig aufgebaut<br />

werden sollen und dann für die Aufführungen lediglich<br />

noch in die Friedeburg geschafft werden müssen.<br />

Insgesamt zwölf Mal wird „Es war die Lerche“ in der Stadt-<br />

halle sehen sein. Den Saal werden die Fatalen wie ge-<br />

wohnt in der Mitte abteilen. Im vorderen Bereich soll eine<br />

italienische Taverne entstehen. Karten für die etwas ande-<br />

re Shakespeare-Inszenierung gibt es ab dem kommenden<br />

Montag, 10. April, bei Nordenham Marketing & Touristik.<br />

Premierenkritiken<br />

Vergnügte Stunden in der Ehehölle<br />

Theater Fatale landet mit „Es war die Lerche“ einen Volltref-<br />

fer - Durchweg glänzende schauspielerische Leistungen<br />

Von unserem Redaktionsmitglied Ellen Reim, Nordenham.<br />

Wer herzlich lachen möchte, ist beim neuen Stück des The-<br />

aters Fatale richtig: „Es war die Lerche“ von Ephraim Kis-<br />

hon spielen die Akteure so gut, dass Amüsement garantiert<br />

ist.<br />

Drei Mal zeigten die Fatalen das „heitere Trauerspiel“ des


israelischen Satirikers Kishon (1924-2005) am Wochenen-<br />

de - und drei Mal hatte das Publikum seinen Spaß. Bei „Es<br />

war die Lerche“ stimmt fast alles: Das Stück ist kurzweilig,<br />

die Regie hat allerfeinste Arbeit geleistet, alle Rollen sind<br />

glänzend besetzt, die Ausstattung ist toll. So können alle<br />

zufrieden sein - bis auf William Shakespeare (René Maré-<br />

chal).<br />

Er leidet unter der Entwicklung, die Romeo (Rolf Wilkens)<br />

und Julia (Inge Hoppe) genommen haben. Eigentlich hätten<br />

die beiden am Schluss des nach ihnen benannten Stückes<br />

sterben sollen, doch das haben sie geschickt vermieden.<br />

Nun sind sie seit 30 Jahren ein Ehepaar, und keines von<br />

der glücklichen Sorte.<br />

Romeo ist ein neurotischer Waschlappen, der nur seine<br />

Wärmfl asche und Rettiche liebt. Julia keift und träumt statt<br />

von der Liebe von einer Haushilfe, halbtags. Das Produkt<br />

der einst so wortmächtigen und poetischen Liebe ist Luc-<br />

retia (Fee Ricker im Wechsel mit Celia Werner), eine Rotz-<br />

göre, die von ihren Eltern nichts hält und lieber mit Shake-<br />

speares Willi „das Haus rockt“.<br />

Der gute William aus Stratford upon Avon ist aber auch<br />

kein Engel. Er geistert durch das bescheidene Heim der<br />

Montagues und versucht, die Geschichte doch noch in sei-<br />

nem Sinne zu einem Ende zu bringen. Dabei lässt er es an<br />

schönen Worten nicht fehlen - Shakespeare bleibt Shake-<br />

speare. Romeo, Julia und die anderen drücken sich weniger<br />

blumig aus.<br />

Regisseur <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> hat dafür gesorgt, dass Kis-<br />

hons im Grunde nicht sonderlich originelle Satire aus den<br />

Tiefen der Ehehölle auf der Bühne der Friedeburg glänzt<br />

und leuchtet. Unter seiner Anleitung laufen die Schauspie-<br />

lerinnen und Schauspieler zu Höchstform auf. Inge Hoppe<br />

als gealterte und gar nicht mehr romantisch gestimmte<br />

Julia ist wunderbar. Dass ihr Romeo lieber die Wärmfl asche<br />

als sie anschmachtet, ist leicht zu verstehen.<br />

Leicht zu verstehen ist aber auch, dass Julia von Romeo<br />

nicht mehr beeindruckt ist. Rolf Wilkens bringt auf urko-<br />

mische Art einen Schlappschwanz auf die Bühne, der zu<br />

gerne genug Geld hätte, um sich seine Faulheit endlich<br />

leisten zu können.<br />

Die aufmüpfi ge Tochter, der schon ziemlich trottelige Pa-<br />

ter Lorenzo (Reiner Gebauer), die alte und durchtriebene<br />

Amme (Traute Funk) sind jeder für sich sehenswert. Den<br />

Vogel ab schießt René Maréchal als Shakespeare. Der<br />

kommt nicht als Dichterfürst, sondern als eingebildeter<br />

Possenreißer daher.<br />

Auch das Team hinter der Bühne leistet ganze Arbeit und<br />

verhilft dem Theater Fatale zu einem professionellen Auf-<br />

tritt. Der Besuch lohnt sich. Nur eines stört ein bisschen:<br />

Am Ende geht alles sehr schnell. Doch was soll‘s, lustig ist<br />

es jedenfalls.<br />

Auf „Lerche“ folgen Liebe und Erotik<br />

Fatale-Regisseur <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> tritt als Gräfi n <strong>Tamara</strong><br />

in der Friedeburg auf - Vom Brot im Backofen rund um die<br />

Welt<br />

Nordenham (kzw). „Zieh mich raus, zieh mich raus, ich<br />

verbrenne!“ <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> war in der 4. Klasse, als<br />

er seine ersten Sätze auf einer Bühne sprach. In „Frau<br />

Holle“ spielte er das Brot im Backofen. Inzwischen ist <strong>Jens</strong><br />

<strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> als frei schaffender Künstler tätig. Mit seiner<br />

Figur Gräfi n <strong>Tamara</strong> gastiert er im Juni in der Friedeburg.<br />

Gestern feierte er dort mit dem Theater Fatale Premiere,<br />

dessen neues Stück er inszeniert hat.<br />

<strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> stammt aus Ibbenbüren. Kontakt zu<br />

ihm haben die Fatalen über ihren Vorsitzenden Dietmar<br />

Günther bekommen, der den 33-Jährigen bei einer Frei-<br />

lichtaufführung in Tecklenburg kennen gelernt hatte. Als für


das neue Stück „Es war die Lerche“ ein Regisseur gesucht<br />

wurde, sprachen die Fatalen <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> an. Man<br />

traf sich und vereinbarte, die Kishon-Komödie gemeinsam<br />

auf die Bühne zu bringen. Für das Ergebnis spendeten ges-<br />

tern 150 Premieren-Gäste in der Friedeburg viel Beifall.<br />

Entstanden ist das Stück in lediglich fünf Proben-Wochen.<br />

Die jedoch gestalteten sich für die Mitwirkenden wie ein<br />

Full-Time-Job. <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> hatte das gesamte Stück<br />

in einzelne „Bilder“ zerlegt - ein Flickenteppich, der, nach-<br />

dem die einzelnen Szenen saßen, wieder zusammengesetzt<br />

werden musste. Bis das so weit war, leisteten Regisseur<br />

und Ensemble ungeheuer viel Detailarbeit. „Im Stück ist<br />

nichts dem Zufall überlassen, jede noch so kleine Handbe-<br />

wegung geplant“, sagt <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong> <strong>Kuper</strong>.<br />

Regiearbeit ist das eine Standbein des 33-Jährigen. Grä-<br />

fi n <strong>Tamara</strong> ist das zweite. Die Figur existiert inzwischen<br />

im zehnten Jahr. Die Nordenhamer werden am Freitag, 23.<br />

Juni, mit ihr in der Friedeburg Bekanntschaft machen. Es<br />

wird das 658. Mal sein, dass <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> ins Ta-<br />

mara-Kostüm schlüpft, Lieder von Liebe, Leidenschaft und<br />

Erotik singt und zwischendurch mit dem Publikum fl irtet.<br />

Jedes nicht gesungene Wort auf der Bühne ist improvisiert,<br />

das Spiel mit dem Publikum ein wesentlicher Bestandteil<br />

der Show. Die Lieder, die Gräfi n <strong>Tamara</strong> und ihr „unsteter<br />

Begleiter“ Carsten Rust am Piano zum Besten geben, sind<br />

mal lustig, mal melancholisch, dabei aber niemals platt.<br />

„Nimm mich“<br />

„Nimm mich - das erotische Happening“ ist Gräfi n <strong>Tamara</strong>s<br />

inzwischen sechstes Programm. Entdeckt wurde <strong>Jens</strong> Dier-<br />

kes-<strong>Kuper</strong>, als er, gerade 16 Jahre alt, bei einer Kreuzfahrt<br />

an einer Playback-Show für Kinder und Jugendliche teil-<br />

nahm. <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> war der einzige, der live sang,<br />

und das tat er so überzeugend, dass eine Vertreterin der<br />

Reederei ihm riet, sich als Entertainer zu bewerben.<br />

Gesagt, getan, <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> warf seinen Hut in den<br />

Ring, landete auf einer Warteliste. Das Angebot, probewei-<br />

se auf einem Schiff anzuheuern, trudelte punktgenau ein.<br />

Der Ibbenbürener hatte gerade seinen Zivildienst beendet,<br />

als ihn die Reederei als Animateur anheuerte. Er ging auf<br />

Kreuzfahrt in die Antarktis. An diesen Trip schlossen sich<br />

dreieinhalb Jahre an, in denen er auf verschiedenen Schif-<br />

fen als Conferencier und Entertainer die Gäste unterhielt<br />

und die halbe Welt kennen lernte.<br />

Mehr um seinen Eltern einen Gefallen zu tun, begann <strong>Jens</strong><br />

<strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong> anschließend eine Ausbildung zum Erzieher,<br />

die er aber nicht beendete. Inzwischen war die Kunstfi gur<br />

Gräfi n <strong>Tamara</strong> entstanden, und ihr Schöpfer beschloss, sie<br />

zu seinem Broterwerb zu machen.<br />

Die Gräfi n hat mittlerweile auf vielen Bühnen von Lust und<br />

Liebe gesungen, unter anderem im Hamburger Schmidt-<br />

Theater, wo im Oktober erneut ein Gastspiel auf dem Pro-<br />

gramm steht. Im August geht‘s mit einem Kreuzfahrtschiff<br />

zum Nordkap, im Herbst ist wieder einmal die Karibik an<br />

der Reihe. Vorerst becirct <strong>Tamara</strong> jetzt aber das Nordenh-<br />

amer Publikum. Die ersten Reihen werden dabei eindeutig<br />

eine Gefahrenzone sein. Aber keine Sorge, vorzugsweise<br />

macht die Gräfi n Witze auf ihre eigenen Kosten.<br />

Karten für „Nimm mich - das erotische Happening“ gibt es<br />

bei Nordenham Marketing & Touristik am Marktplatz.


Von Mail zu Mail<br />

Komödie von Frank Pinkus<br />

Das Stück<br />

Sie sind alle drei moderne Menschen: der Fahrradspezi<br />

Mark, der Fußball-Profi Knut und die Buchhändlerin Nina<br />

wissen, wie man sich heutzutage kennen lernen kann:<br />

natürlich per Mail und Internet. Allerdings: Man kann im<br />

Chatroom zwar Rollen annehmen, die nur schwer zu durch-<br />

schauen sind. Wenn man sich dann in der Realität trifft,<br />

wird es jedoch genauso schwer, wie es schon immer war<br />

<strong>–</strong> vor allem, wenn man sich plötzlich in der schönsten Drei-<br />

er-Chose befi ndet. Der Clou des Stücks: Nina wendet sich<br />

am Ende ans Publikum, um sich eine Entscheidungshilfe<br />

zu holen, welchen der beiden Herzensbrecher sie denn nun<br />

wählen soll. Und je nachdem, wie sich das Publikum ent-<br />

scheidet, wird einer von drei möglichen Schlüssen gespielt.<br />

„Von Mail zu Mail“ ist eine Komödie des deutschen Autors<br />

Frank Pinkus. Für die Inszenierung holt sich das Theater<br />

Fatale erneut Hilfe bei <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong><strong>Kuper</strong>, der als Regisseur<br />

bereits das jüngste FataleStück „Es war die Lerche“ zum<br />

Erfolg geführt hatte.<br />

Das Ensemble<br />

Nina: Claudia Büsing<br />

Mark: Olaf De Grave<br />

Knut: Axel De Grave<br />

Regieassistenz: Marlis Heeren<br />

Premierenkritiken<br />

Echter Werder-Schweiß fl ießt in Strömen<br />

Theater Fatale spielt „Von Mail zu Mail“ <strong>–</strong> 140 Zuschauer<br />

erleben gelungene Premiere<br />

Die Komödie von Frank Pinkus schildert die Irrungen und<br />

Wirrungen, die drei moderne Menschen beim Kennenler-<br />

nen per E-Mail und Internet-Chat erleben. Theaterfreunde<br />

haben noch dreimal Gelegenheit, die Akteure Claudia Bü-<br />

sing, Olaf de Grave und Axel de Grave bei den folgenden<br />

Vorstellungen zu sehen: Freitag, 23. Februar, Sonnabend,<br />

24. Februar, und Sonntag, 25. Februar, jeweils ab 20 Uhr<br />

in der Jahnhalle. Karten gibt es im Vorverkauf bei Norden-<br />

ham Marketing & Touristik am Marktplatz Die drei Haupt-<br />

darsteller leben in ihren Rollen auf. Sie stellen die nach<br />

Liebe suchenden glaubhaft dar.<br />

NORDENHAM - Werder-Profi Knut Schneider (gespielt von<br />

Axel de Grave) möchte sein Leben ändern. Der ewigen<br />

kleinen Affären überdrüssig, will der geschiedene Fußbal-<br />

ler endlich eine ernsthafte Beziehung aufbauen. Er sucht<br />

dazu im Internet. Sein Bruder Mark (Olaf de Grave) sucht<br />

ebenfalls im World-Wide-Web nach der wahren Liebe. Und<br />

beide werden sie fündig. Welch ein Zufall, dass die unglei-<br />

chen Brüder bei derselben Frau landen <strong>–</strong> beim Werder-Fan<br />

Nina nämlich (Claudia Büsing).<br />

So beginnt die verwirrende Dreiecksbeziehung, die das<br />

Theater Fatale wieder mit Hilfe des Regisseurs <strong>Jens</strong> Dier-<br />

kes-<strong>Kuper</strong> unter dem Titel „Von Mail zu Mail“ auf die Büh-<br />

ne der Jahnhalle gebracht hat. Wer sich an den fast lethar-<br />

gisch agierenden Tom Hanks in dem Kino-Klassiker „EMail<br />

für Dich“ an der Seite von Meg Ryan erinnert, muss beim<br />

Fatale-Stück anerkennend feststellen, wie dynamisch und<br />

künstlerisch ansprechend solch eine Story witzig und mit<br />

dem nötigen Esprit umgesetzt werden kann. Die 140 Zu-<br />

schauer in der ausverkauften Jahnhalle haben ihren Spaß<br />

bei der gelungenen Premiere am Donnerstagabend. Am<br />

Computer lässt es sich zunächst treffl ich miteinander fl ir-<br />

ten. Und auch das eigene Erscheinungsbild kann man in<br />

gewisser Weise korrigieren <strong>–</strong> der andere merkt es ja nicht.<br />

Ungebunden, spontan, fl exibel: Alle drei Akteure suchen<br />

den passenden Partner und geben ähnliche Eigenschaften<br />

an. Ein humorvoller Parcours beginnt <strong>–</strong> mit einem Ausgang,<br />

den das Publikum selbst bestimmt. Die drei Fatale-Akteu-<br />

re spielen prächtig auf und brillieren in ihren Rollen. Sie<br />

füllen die Figuren, die der Autor Frank Pinkus geschaffen<br />

hat, mit Leben, sie nehmen vor dem Publikum glaubhaft<br />

Gestalt an: Da hauen sich zum einen Axel und Olaf de<br />

Grave die Squash-Bälle um die Ohren, wobei sie mit zwei


Schlägern bewaffnet vor dem Publikum hin und her het-<br />

zen, dabei fast jedem imaginären Ball nachjagen und sich<br />

auch vor der Bühne wälzen. Sie kommen dabei mächtig ins<br />

Schwitzen. Das macht aber nichts, handelt es sich dabei<br />

doch um „echten Werder-Schweiß“. Dann wieder fetzen sie<br />

sich, schreien sich an <strong>–</strong> ihre Gesichter sind verzerrt, die<br />

Muskeln angespannt. Das ist schon kein gespieltes Theater<br />

mehr, das ist realistisch dargeboten und erste Güte. Ruhi-<br />

ge Passagen und dann wieder „Action-Szenen“ wechseln<br />

einander ab, wobei immer wieder kleinere Umbauphasen<br />

eingestreut sind, die den Handlungsstrang zwar nicht un-<br />

terbrechen, dennoch ein wenig störend wirken. Das Thea-<br />

ter Fatale löst die kurzen Unterbrechungen jedoch elegant,<br />

indem die Halle abgedunkelt wird und sanft Musik erklingt:<br />

Mal ist es Herbert Grönemeyer mit seinem WM-Hit „Zeit,<br />

dass sich was dreht“, dann der Klassiker von Reinhard<br />

Fendrich „Es lebe der Sport“. Es ist eine temperamentvol-<br />

le, kurzweilige und äußerst sehenswerte Geschichte, die<br />

das Theater Fatale in gut zwei Stunden erzählt. Das Stück<br />

ist mit Alex de Grave, Claudia Büsing und Olaf de Grave<br />

bestens besetzt.<br />

Auf der Suche nach der wahren Liebe<br />

Theater Fatale bietet mit „Von Mail zu Mail“ einen Theater-<br />

abend mit Witz und Klasse - Schauspieler in Bestform<br />

Von Ellen Reim Nordenham.<br />

Durch das Internet wird die Liebe einfacher. Oder nicht?<br />

Die Antwort auf diese Frage müssen Nina, Knut und Mark<br />

fi nden. Sie sind die drei Protagonisten des Stückes „Von<br />

Mail zu Mail“ von Frank Pinkus. Das Theater Fatale bietet<br />

damit seinem Publikum einen erstklassigen Theaterabend.<br />

Bei diesem Stück stimmt fast alles. Die Komödie ist witzig<br />

und modern, und sie rührt an ernsthafte Themen. Was ist<br />

das eigentlich, die Liebe? Wie fi ndet man sie, und - noch<br />

viel wichtiger - wie lässt sie sich halten?<br />

Das Thema ist uralt und höchst aktuell. Auch in den Zeiten<br />

der Chatrooms geht es modernen Singles nicht nur um<br />

Sex, zumindest nicht immer. Gefühl ist letzten Endes doch<br />

das Maß aller Dinge. Die einzig echte und wahre Liebe<br />

suchen auch die Buchhändlerin Nina (Claudia Bartels), der<br />

Fußballprofi Knut (Axel de Grave) und sein radfahrender<br />

Bruder Mark (Olaf de Grave). Mehr Personen treten nicht<br />

auf, mehr sind für eine Dreiecksgeschichte ja auch nicht<br />

nötig. Weil die drei Fatale-Mimen ganz großartig spielen,<br />

wünscht sich sowieso niemand mehr Personal auf der Büh-<br />

ne. Claudia Bartels schwankt zwischen Romantik und Ver-<br />

nunft. Einerseits möchte ihre Nina den Mann fürs Leben<br />

fi nden, andererseits wäre eine wilde Nacht mit einem fast<br />

Unbekannten nicht das Schlechteste. Einerseits schätzt<br />

sie Knut, den Werder-Profi , andererseits gefällt ihr Mark,<br />

der zwar kein Geld, es aber faustdick hinter den Ohren<br />

hat. Überschwang und Zweifel, Prinzipien und Lässigkeit<br />

bringt Claudia Bartels so gut auf die Bühne, dass man ihr<br />

immerzu applaudieren möchte. Ein Mann wie ein Vulkan<br />

Auch Olaf de Grave hat keine schwachen Momente. Mit<br />

zwei abgebrochenen Studiengängen und einer wenig lu-<br />

krativen Beschäftigung als Fahrradbastler wirkt sein Mark<br />

nicht eben wie der geborene Sieger. Eher ein bisschen ver-<br />

schroben kommt er zunächst rüber, doch bald stellt sich<br />

heraus: In dem Mann steht ein Vulkan kurz vor dem Aus-<br />

bruch. Dabei nimmt es Mark mit der Wahrheit nicht so<br />

genau. Verwerfl ich, aber liebenswert. Mindestens ebenso<br />

liebenswert ist auch Knut, der Fußballprofi . Auf den ers-<br />

ten Blick wirkt er wie der routinierte Aufreißer, der alles<br />

mitnimmt, was sich ein Trikot schenken lässt. Doch Knut<br />

hat auch ganz andere Seiten, ist voller Selbstzweifel, ver-<br />

letzlich und empfi ndsam. Hut ab vor Axel de Grave, der<br />

nie der Versuchung erliegt, Klischees zu bedienen, und<br />

der die ganze Tiefe der Rolle auszuloten versteht. In den<br />

lustigen Szenen, von denen es jede Menge gibt, läuft er<br />

ebenso zu großer Form auf. Regisseur <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-<strong>Kuper</strong>,<br />

mit dem das Theater Fatale bereits bei „Es war die Ler-<br />

che“ erfolgreich zusammengearbeitet hatte, hat bei „Von<br />

Mail zu Mail“ ganze Arbeit geleistet. Das Stück hat keine<br />

Längen, denn <strong>Jens</strong> <strong>Dierkes</strong>-Küper beherrscht die schwere<br />

Kunst des richtigen Timings. Die Gags sitzen, die Figuren<br />

setzen in den richtigen Momenten Akzente. Da ist nichts<br />

dem Zufall überlassen, und das bekommt der Komödie<br />

bestens. Dass die Jahnhalle nicht die perfekte Theaterbüh-<br />

ne besitzt, stört da nicht im geringsten. Eine fl otte Gruppe<br />

von Helfern sorgt dafür, dass die häufi gen Orts- und Re-<br />

quisitenwechsel wie am Schnürchen klappen. Als Regieas-<br />

sistentin fungiert Marlis Heeren, Sabine Müller souffl iert,<br />

wenn das denn mal nötig sein sollte. Besuch lohnt sich<br />

Für die Zuschauer vergeht die Zeit wie im Flug. Am Ende<br />

muss Nina sich entscheiden. Dazu sucht sie Hilfe beim<br />

Publikum. Also, liebe Theatergänger, aufgepasst, wählt<br />

richtig! Wer sich entschlossen hat, „Von Mail zu Mail“ zu<br />

besuchen, hat auf jeden Fall richtig gewählt. Der Abend in<br />

der schönen Jahnhallen-Atmosphäre lohnt sich. Das Stück<br />

ist noch fünfmal zu sehen. Die Vorstellung am heutigen<br />

Sonnabend ist ausverkauft. Weitere Termine: Sonntag, 18.<br />

Februar, Freitag, 23. Februar, Sonnabend, 24. Februar, und<br />

Sonntag, 25. Februar. Restkarten gibt es noch bei Norden-<br />

ham Marketing & Touristik am Marktplatz.

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