»Brannte nicht unser Herz?«
Text von Ron Kubsch Gemälde von Matthias Stomer Die Begegnung zwischen Jesus und den zwei Jüngern auf der Straße zu Emmaus ist eine von drei berichteten Erscheinungen des auferstandenen Christus. Die Erzählung ist nur im Lukasevangelium zu finden. Sie enthält zentrale Themen eines auf das Evangelium ausgerichteten Lebens: die Bedeutung alttestamentlicher Prophezeiungen, Jesus, der sein Leben gibt zur Vergebung der Sünden, die Christusgemeinschaft sowie das freudige Glaubenszeugnis. Jesus holt ab Kleopas und sein Freund, dessen Namen wir nicht kennen, wandern durch Palästina und verarbeiten ihre Enttäuschung über die Kreuzigung des großen Propheten von Israel. Ihr Ziel ist Emmaus, ihr Heimatdorf. Es muss dabei ganz schön zur Sache gegangen sein. Lukas, der uns die Geschichte überliefert, beschreibt ihr Gespräch mit einem Wort (griech. suzēteō), das eine verbissene Debatte andeutet (vgl. Lukas 22,23 o. Apostelgeschichte 6,9). Seit 400 Jahren wartet Israel auf den im Alten Testament angekündigten Befreier. Nun sind die Hoffnungen auf ein neues Königreich, verbunden mit der Sehnsucht auf Erlösung aus der Fremdherrschaft für das eigene Volk, zerplatzt. Das löst Entsetzen und Traurigkeit aus. Die zwei Freunde formulieren es so: „Wir aber hofften, er [Jesus von Nazareth] sei es, der Israel erlösen werde“ (24, 21). Zu allem Überdruss gibt es noch Verwirrung über den befremdlichen Bericht einiger Frauen. Angeblich waren sie am Jesusgrab und fanden es leer vor. Sie berichteten den Aposteln darüber. Sie konnten es jedoch nicht glauben und werteten es als „Frauengeschwätz“ ab (24,11). Die beiden Jünger sind hin- und hergerissen. Es sieht so aus, als seien mit dem Kreuzestod ihres Meisters auch ihre Hoffnungen gestorben. Was sollte jetzt noch passieren? Sie sind auf dem Rückweg nach Emmaus. Rückzug? Jesus geht mit Während sie diskutierend in ihre Heimat zurückkehren, schließt sich ihnen ein Mann an (24,14). Er begleitet die beiden auf dem weiteren Weg (24,15). Und er interessiert sich für das, was sie bewegt. „Worüber redet ihr?“, fragt er und erfährt von Kleopas, was ihnen Kummer bereitet. Hören wir mal auf das sich nun entwickelnde Gespräch (24,18–20): „Du bist wohl der Einzige, der sich in Jerusalem aufhält und nicht erfahren hat, was sich in diesen Tagen dort zugetragen hat. Und er sagte zu ihnen: Was denn? Sie sagten zu ihm: Das mit Jesus von Nazaret, der ein Prophet war, mächtig in Tat und Wort vor Gott und dem ganzen Volk, und wie unsere Hohenpriester und führenden Männer ihn ausgeliefert haben, damit er zum Tod verurteilt würde, und wie sie ihn gekreuzigt haben. Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde; doch jetzt ist es schon drei Tage her, seit dies geschehen ist.“ Während die beiden enttäuschten Jünger an Jesu Tod verzweifeln, ist er als Retter längst schon bei ihnen. Die Bibel berichtet oft über die verborgene, errettende Gegenwart Gottes mitten in Bedrohung oder Hoffnungslosigkeit. Markus, ein anderer Evangelienschreiber, erzählt beispielsweise davon, wie Jesus seine hilflosen Jünger unerkannt aus großer Seenot rettet (vgl. Markus 6,45–54). Die Emmausjünger können Jesus noch nicht erkennen (24,16). Sie sehen nur ihre unerfüllten Wünsche und Vorstellungen. Ihr Glaube reicht nicht über den Tod hinaus. Er ist mit Jesus gestorben. 13