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Timotheus Magazin #15 - Heiligung

Inhalt Editorial Oh, mein unheiliges Herz! (Waldemar Dirksen) – Schon Salomo wusste, dass wir unser Herz behüten sollen. Wie heilig will ich sein? (Matthias Lohmann) – Wie steht es um unsere Motivation zur Heiligung? Christus meine Heiligung (Thomas Reiner) – Kollbrügges größte Entdeckung. Heiligung gleich Heiligung (Jörg Wehrenberg) – Was ist das Wesen echter Heiligung? Warum ist Heiligung so wichtig? (Jörn Krebs) – Ist Heiligung für Christen optional? Lektion in Heiligkeit (Andreas Münch) – Heiligung aus der Sicht des Alten Testaments. Wahre Reformation … beginnt mit dem Wort! (Jochen Klautke) – Der dritte Teil zur Serie über Josia. John Owen und die Heiligung (Jonas Erne) – Heiligung aus kirchengeschichtlicher Perspektive. Buchvorstellungen

Inhalt
Editorial
Oh, mein unheiliges Herz! (Waldemar Dirksen) – Schon Salomo wusste, dass wir unser Herz behüten sollen.
Wie heilig will ich sein? (Matthias Lohmann) – Wie steht es um unsere Motivation zur Heiligung?
Christus meine Heiligung (Thomas Reiner) – Kollbrügges größte Entdeckung.
Heiligung gleich Heiligung (Jörg Wehrenberg) – Was ist das Wesen echter Heiligung?
Warum ist Heiligung so wichtig? (Jörn Krebs) – Ist Heiligung für Christen optional?
Lektion in Heiligkeit (Andreas Münch) – Heiligung aus der Sicht des Alten Testaments.
Wahre Reformation … beginnt mit dem Wort! (Jochen Klautke) – Der dritte Teil zur Serie über Josia.
John Owen und die Heiligung (Jonas Erne) – Heiligung aus kirchengeschichtlicher Perspektive.
Buchvorstellungen

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BIBELTREUES MAGAZIN FÜR JUNGE CHRISTEN · <strong>#15</strong> · 2/2014<br />

+<br />

Hermann<br />

Kohlbrügge<br />

Christus war<br />

seine <strong>Heiligung</strong><br />

S. 12<br />

+<br />

John<br />

Owen<br />

Der Puritaner<br />

und die <strong>Heiligung</strong><br />

S. 32<br />

<strong>Heiligung</strong><br />

Zwischen Kampf, Krampf,<br />

Anspruch und Wirklichkeit


Editorial<br />

<strong>#15</strong> <strong>Heiligung</strong> - 02/2014<br />

Auf dem Cover<br />

„Paulus betet“<br />

Anita Muntean (*1987)<br />

ist Kommunikationsdesignerin,<br />

Illustratorin, Typo-Tüftlerin<br />

und der Cover-Artist<br />

der aktuellen<br />

Ausgabe. Zu sehen ist ein<br />

betender Apostel Paulus.<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

es gibt nichts, was einen Christen im alltäglichen Leben<br />

häufiger begegnet, als sein unheiliges und sündiges<br />

Herz. Ist es nicht ein Widerspruch, dass wir dem<br />

Stande nach Geheiligte und Heilige sind, aber unser<br />

Zustand durch und durch sündhaft ist? Wo ist unser<br />

Sieg im alltäglichen Kampf gegen die Sünde? Paulus<br />

gebrauchte die Metapher vom Kampf und Wettkampf.<br />

Dieser Kampf ist eine biblische Realität. Doch sind<br />

wir wirklich wahrhafte Kämpfer, oder ist unser Leben<br />

in Christus ein einziger Krampf, der nur Niederlagen<br />

hervorbringt? Womöglich haben wir vor lauter Krämpfen<br />

Christus völlig aus den Augen verloren. Der einzige<br />

Anspruch eines Nachfolger Jesu sollte es sein, heilig zu<br />

leben. Er will heilig leben, weil Gott heilig ist (3. Mose<br />

20,26). Er will heilig leben, weil Jesu Wandel auf der<br />

Erde durch und durch heilig war (Hebräer 4,15). Er will<br />

heilig leben, weil er weiß, dass ohne <strong>Heiligung</strong> niemand<br />

den Herrn sehen wird (Hebräer 12,14). Welch nobler<br />

Anspruch, doch wie sieht unsere Lebenswirklichkeit<br />

aus? Vielleicht geben wir diesen Anspruch nur vor und<br />

haben dabei bestimmte Sünden lieb gewonnen, die uns<br />

daran hindern, ungeteilten Herzens zu sein?<br />

Weil die <strong>Heiligung</strong> ein solches Spannungsfeld<br />

umgibt, lautet der Untertitel der Ausgabe „Zwischen<br />

Kampf, Krampf, Anspruch und Wirklichkeit“. Heiligkeit<br />

und <strong>Heiligung</strong> sind herrliche und kostbare Dinge.<br />

Es gibt für uns nichts, was erstrebenswerter ist. Angesichts<br />

dessen klingt der Untertitel etwas negativ, doch<br />

ein Ziel dieser vorliegenden Ausgabe ist es, uns den<br />

„Spiegel der <strong>Heiligung</strong>“ vorzuhalten, und wenn wir in<br />

diesen Spiegel schauen, werden wir wohl nichts Erstrebenswertes<br />

sehen. Doch wir bleiben hier nicht bei unserem<br />

eigenen Unvermögen stehen, denn sonst wäre diese<br />

Ausgabe nichts als ein Schuss in den Ofen.<br />

Biblische und praktische Lösungen, Anwendungen<br />

und Antworten sollen uns dazu herausfordern, einen<br />

echten und siegreichen Kampf in Christus zu führen.<br />

Unsere Blicke richten sich auf Jesus, den Anfänger und<br />

Vollender des Glaubens (Hebräer 12,2), im Bewusstsein,<br />

dass wir allein durch sein Werk errettet sind und<br />

nicht durch unsere Werke.<br />

Ein „heiliger“ Ausblick<br />

Im Beitrag „Oh, mein unheiliges Herz!“ (S. 4) wird deutlich,<br />

dass ein heiliges Leben mit dem Herzen beginnt.<br />

Sind wir Hüter unserer Herzen? Inwiefern lassen wir unseren<br />

Gedanken und Begierden freien Lauf? Ein kurzer<br />

aber eindringlicher Artikel.<br />

Sind wir überhaupt motiviert heilig zu leben? Haben<br />

wir wirklich dieses Bestreben (wie oben angedeutet)?<br />

Pastor Matthias Lohmann gibt uns einige Hilfen<br />

bezüglich der Motivation in seinem Artikel „Wie heilig<br />

will ich sein?“ (S. 8).<br />

In der Biografie von Hermann Kohlbrügge wird<br />

deutlich, dass wir aus uns heraus niemals ein heiliges Leben<br />

führen können. Der einzige Hoffnungsschimmer ist<br />

Jesus, der einzige Mensch, der vollkommen heilig lebte.<br />

Deshalb dürfen wir wie Kohlbrügge behaupten: „Christus<br />

ist meine <strong>Heiligung</strong>!“ (S. 12).<br />

Ist „<strong>Heiligung</strong> gleich <strong>Heiligung</strong>?“ (S. 16). Jörg Wehrenberg<br />

erklärt anhand des 1. Korintherbriefes das wahre<br />

Wesen der lebensverändernden <strong>Heiligung</strong>.<br />

Dass <strong>Heiligung</strong> für das Leben eines Christen notwendig<br />

und nicht optional ist, wird im Artikel „Warum<br />

ist <strong>Heiligung</strong> so wichtig?“ (S. 20) von Jörn Krebs deutlich.<br />

Ein Essay mit viel Tiefgang und einem praxisbezogenen<br />

Finale.<br />

In unser beliebten Rubrik „Schriftgelehrt“ (S. 24) erklärt<br />

uns Andreas Münch das Thema der <strong>Heiligung</strong> aus<br />

der Sicht des dritten Buches Moses. Klingt trocken, ist<br />

es aber nicht. Übrigens ein guter Ort, um die Lektüre<br />

dieses Heftes zu beginnen.<br />

Jonas Erne bringt uns in unserem biografischen<br />

Heftteil „John Owen und die <strong>Heiligung</strong>“ (S. 32) näher.<br />

Ein großartiges Zeugnis aus der Kirchengeschichte, das<br />

uns einmal mehr verdeutlicht wie sehr wir von unseren<br />

Glaubensvätern lernen können.<br />

Etwas „Off-Topic“, aber doch sehr passend, geht es<br />

auch in diesem Heft mit der Rubrik „Josia“ weiter. In<br />

„Wahre Reformation ... beginnt mit dem Wort“ (S. 28)<br />

geht Jochen Klautke weiter im Leben des Königs Josia<br />

und zeigt: Eine echte und tiefgreifende Reformation<br />

(auch in unserem persönlichen Leben), kann es nur<br />

geben, wenn sie auf das Wort Gottes gegründet ist. In<br />

diesem Sinne,<br />

viel Freude beim Lesen und herzliche Grüße,<br />

Peter Voth<br />

2


Lektion in<br />

Heiligkeit<br />

S. 24<br />

Inhalt<br />

Inhalt<br />

S. 4<br />

S. 8<br />

S. 12<br />

4<br />

Oh, mein unheiliges Herz!<br />

WALDEMAR DIRKSEN<br />

Schon Salomo sagte, dass wir<br />

unser Herz behüten sollen, denn<br />

von ihm geht Leben aus.<br />

8<br />

Wie heilig will ich sein?<br />

MATTHIAS LOHMANN<br />

Wie steht es um unsere Motiviation<br />

zur <strong>Heiligung</strong> letztlich<br />

wirklich?<br />

12<br />

Christus ist meine <strong>Heiligung</strong>!<br />

THOMAS REINER<br />

In Kohlbrügges Leben war es eine<br />

große Entdeckung, dass allein<br />

Christus unsere <strong>Heiligung</strong> ist.<br />

16<br />

<strong>Heiligung</strong> gleich <strong>Heiligung</strong>?<br />

JÖRG WEHRENBERG<br />

Was ist das Wesen einer wahren<br />

und biblischen <strong>Heiligung</strong>? Antworten<br />

aus 1. Korinther.<br />

20<br />

Warum ist <strong>Heiligung</strong><br />

so wichtig?<br />

JÖRN KREBS<br />

Ist <strong>Heiligung</strong> für einen Nachfolger<br />

Jesu optionial oder unbedingt<br />

notwendig? Antworten.<br />

IMPRESSUM<br />

Redaktion Waldemar Dirksen,<br />

Viktor Sudermann, Andreas Kuhlmann,<br />

Peter Voth, Hans-Werner Deppe<br />

Art Direktor Peter Voth ∙ vothpeter@yahoo.de<br />

Lektorat Tanja Mirau<br />

Abo-Service Michael Töws ∙ mtoews@betanien.de<br />

Verlag Betanien Verlag e.K. ∙ Imkerweg 38<br />

D-32832 Augustdorf ∙ info@betanien.de<br />

Online www.timotheusmagazin.de<br />

Shop www.cbuch.de/timotheus<br />

Erscheinungsweise Erscheint als<br />

Quartalsmagazin seit Oktober 2010<br />

alle drei Monate: Januar (Winter) · April<br />

(Frühling) · Juli (Sommer) · Oktober (Herbst).<br />

Preise Einzelausgabe ∙ €2,90 (zzgl.Versand)<br />

Jahresabo ∙ €11,60 (D) (zzgl. Versand)<br />

24<br />

Lektion in Heiligkeit<br />

ANDREAS MÜNCH<br />

Die <strong>Heiligung</strong> aus der Sicht des<br />

Alten Testamentes (besonders des<br />

dritten Buches Moses).<br />

28<br />

Wahre Reformation ...<br />

beginnt mit dem Wort<br />

JOCHEN KLAUTKE<br />

Der nunmehr dritte Teil zum<br />

König Josia. Aufschlussreich!<br />

32<br />

John Owen<br />

und die <strong>Heiligung</strong><br />

JONAS ERNE<br />

<strong>Heiligung</strong> aus einer kirchengeschichtlichen<br />

Perspektive.<br />

3


Oh, mein<br />

unheiliges Herz!<br />

Text: Waldemar Dirksen — Foto: Levi Tijerina<br />

Aus unserem Herzen entspringen Gedanken und Empfindungen, die<br />

unser Leben bestimmen. Daher müssen wir über unsere inneren<br />

Vorgänge wachen, um nicht den verderblichen Regungen<br />

die Herrschaft zu überlassen.<br />

Die Bedeutung des Herzens<br />

Alle Gedankengänge und Gefühlsregungen vollziehen sich im Herzen. Daraus quillt das Leben. Worte und<br />

Taten sind lediglich ein Ausdruck dessen, was im Herzen ist: „Wes des Herz voll ist, des geht der Mund<br />

über“ (Matthäus 12,34). Eine salzige Quelle kann nicht süßes Wasser geben (vgl. Jakobus 3,12). Aus einem<br />

guten Herzen kommt Gutes hervor und aus einem bösen Herzen eben Böses. Das Herz wird in der Bibel<br />

als Sinnbild für das seelisch-geistige Zentrum des menschlichen Wesens verwendet.<br />

5


Behüte dein<br />

Herz mit allem<br />

Fleiß, denn<br />

daraus quillt<br />

das Leben.<br />

Sprüche 4,23<br />

In verschiedenen Lebenssituationen<br />

offenbart sich, wovon das Herz<br />

beherrscht wird. Sind es selbst geschaffene<br />

Bedürfnisse nach Liebe,<br />

Anerkennung oder Bedeutung, die<br />

möglicherweise eine abgöttische<br />

Größe annehmen, so werden Äußerungen<br />

und Handlungen auf die<br />

Befriedigung dieser Bedürfnisse abzielen.<br />

Im Mittelpunkt des Herzens<br />

steht dann das ICH und nicht die<br />

Ehre Gottes. Es ist ein jämmerlicher<br />

Herzenszustand.<br />

Unser Herz ist wie ein gefüllter<br />

Becher, der geschüttelt wird<br />

und dabei seinen Inhalt von sich<br />

gibt. Wohl dem, dessen Herz voller<br />

Demut und Gottesfurcht ist. In<br />

Stürmen, Kränkungen und unerwarteten<br />

Ereignissen wird ein mit<br />

Demut erfülltes Herz in heiliger<br />

Gelassenheit und Güte standhaft<br />

bleiben. Dagegen wird ein mit stolzen<br />

Gedanken erfülltes Herz besonders<br />

in Zeiten der Anfechtung<br />

kläglich versagen. Es wird um die<br />

Wahrung eigener Größe bemüht<br />

sein, indem es andere erniedrigt.<br />

Dabei bleibt die eigene Verderbtheit<br />

unbeachtet, aber das Erscheinen<br />

und die Lebensweise anderer<br />

werden mit Leidenschaft gerichtet.<br />

Die Notwendigkeit, das<br />

Herz zu behüten<br />

Wache über deine Gedanken und<br />

Gefühle! Denn viele Gedanken<br />

und Gefühle mit verderblicher<br />

Wirkung wollen die Herrschaft im<br />

Herzen übernehmen: Missgunst,<br />

Klatsch und Tratsch, schmutzige<br />

Bilder, ungeistliche Ansichten, bitterer<br />

Ehrgeiz sowie widersprüchliche<br />

Meinungen. Sie mögen schleichend<br />

oder mit voller Wucht in<br />

das Herz einzudringen suchen –<br />

gewähre ihnen nicht den Zutritt!<br />

Achte sorgfältig darauf, womit du<br />

in deiner Gedankenwelt beschäftigt<br />

bist! Gib den Vögeln der Sünde<br />

keine Gelegenheit, auf deinem<br />

Kopf Nester zu bauen! Vertreibe<br />

sie! „Was wahrhaftig ist, was ehrbar,<br />

was gerecht, was rein, was liebenswert,<br />

was einen guten Ruf hat,<br />

sei es eine Tugend, sei es ein Lob<br />

– darauf seid bedacht!“ (Philipper<br />

4,8). Die Themen deiner Gedanken<br />

sollen diese genannten Merkmale<br />

haben.<br />

In der Elberfelder Übersetzung<br />

wird mit besonderem Nachdruck<br />

aufgefordert, das Herz zu behüten:<br />

„Mehr als alles, was man sonst<br />

bewahrt, behüte dein Herz!“ Die<br />

Sorge um das Herz soll Vorrang vor<br />

allem haben, insbesondere vor materiellen<br />

Dingen, die wertvoll erscheinen<br />

und daher meist sorgsam<br />

bewahrt werden.<br />

Bewahre ernsthaft und eifrig dein<br />

Herz vor dem Schmutz dieser<br />

Welt: Ersetze zweifelhafte Literatur<br />

durch geistlich aufbauende Literatur!<br />

Vermeide übermäßigen Medienkonsum!<br />

Wenn du das Internet<br />

in deiner Freizeit nutzt, dann nur<br />

zielorientiert und zeitlich begrenzt!<br />

Videos mit zum Teil moralisch<br />

verwerflichen Szenen, die Gewalt,<br />

Ehebruch oder Missgunst darstellen,<br />

sollen in deinem Leben keine<br />

Chance haben. Sie sind doch letztlich<br />

wie Mülltonnen voller Unrat.<br />

Das Herz soll nicht mit schädlichen<br />

Inhalten, sondern mit Gottes<br />

Wort genährt werden. Sei nüchtern<br />

und stark bei deiner Wahl, womit<br />

du dein Herz speist! Behüte dein<br />

Herz mit allem Fleiß!<br />

Die Begierde ist ein Feuer, das<br />

in unserem Herzen brennt. Bringe<br />

kein Öl in seine Nähe! Lese nichts,<br />

schaue nichts und tue nichts, von<br />

dem du weißt, dass es dir geistlich<br />

schadet. Mit manchen Bildern<br />

und Videos entfachst du in dir<br />

eine Flamme, die zur moralischen<br />

Katastrophe führen kann. John<br />

Stott analysiert den Ursprung von<br />

Schandtaten scharfsinnig, wenn er<br />

schreibt: „Schandtaten geschehen<br />

dort, wo vorher schändliche Fantasien<br />

wuchern konnten, und die<br />

6


Die Begierde<br />

ist ein Feuer,<br />

das in unserem<br />

Herzen brennt.<br />

Bringe kein Öl<br />

in seine Nähe!<br />

werden dort entfesselt, wo die Augen<br />

bereits Grenzen überschritten<br />

haben.“ Lass deine Augen in einer<br />

sicheren Festung wohnen, um so<br />

vor feindlichen Angriffen geschützt<br />

zu bleiben.<br />

Hiob war bestrebt, in seinen<br />

geheimsten Gedanken rein zu bleiben.<br />

Daher schloss er mit seinen<br />

Augen den Bund, auf eine Jungfrau<br />

nicht lüstern zu blicken (vgl. Hiob<br />

31,1). Wir sollten unseren Augen<br />

alles entziehen, was in uns die arge<br />

Lust weckt. Dies können bestimmte<br />

Internetseiten oder Zeitschriften<br />

mit schmutzigen Bildern sein.<br />

Wenn wir nicht nur vor den Menschen<br />

heilig leben wollen, sondern<br />

vor allem im Herzen und vor Gott,<br />

dann müssen wir so wie Hiob feste<br />

Entschlüsse fassen, um so die innere<br />

Reinheit anzustreben.<br />

Paulus hat sich selbst diszipliniert,<br />

um nicht verwerflich zu werden.<br />

Er schreibt dazu: „ich bezwinge<br />

meinen Leib und zähme ihn,<br />

damit ich nicht andern predige<br />

und selbst verwerflich werde“ (1.<br />

Korinther 9,27). Und die Gläubigen<br />

in Rom fordert er auf: „sorgt<br />

für den Leib nicht so, dass ihr den<br />

Begierden verfallt“ (Römer 13,14).<br />

Zur Behütung unseres Herzens ist<br />

eiserne Selbstdisziplin erforderlich.<br />

Dies kann radikale und schmerzvolle<br />

Trennung bedeuten: „Wenn<br />

dich aber dein rechtes Auge zum<br />

Abfall verführt, so reiß es aus und<br />

wirf’s von dir. Es ist besser für dich,<br />

dass eins deiner Glieder verderbe<br />

und nicht der ganze Leib in die<br />

Hölle geworfen werde. Wenn dich<br />

deine rechte Hand zum Abfall verführt,<br />

so hau sie ab und wirf sie von<br />

dir. Es ist besser für dich, dass eins<br />

deiner Glieder verderbe und nicht<br />

der ganz Leib in die Hölle fahre“<br />

(Matthäus 5,29-30). Hierbei geht<br />

es nicht um Selbstverstümmelung,<br />

sondern um Selbstzucht. Wir sollen<br />

unseren Leib nicht zerstören,<br />

der bei einem Gläubigen ein Tempel<br />

des Heiligen Geistes ist. Zudem<br />

ist Selbstverstümmelung kein<br />

Heilmittel, da jede Begierde ein<br />

Problem des Herzens ist. Trenne<br />

dich von allem, was die Begierde in<br />

deinem Herzen anstachelt – auch<br />

wenn es schmerzvoll ist. Dies können<br />

gewisse Beziehungen, Beschäftigungen<br />

oder Vorlieben sein.<br />

Die Vorzüge eines<br />

behüteten Herzens<br />

Menschen mit reinem Herzen sind<br />

glücklich zu preisen (vgl. Matthäus<br />

5,8). Sie dürfen Gemeinschaft mit<br />

Gott haben (Psalm 24,3-6). Innere<br />

Reinheit ist für den verdorbenen<br />

Menschen ein unschätzbares Gut.<br />

Ein Herz, welches nicht von sündigen<br />

Gedanken und Empfindungen<br />

beherrscht wird, sondern mit<br />

Frieden und Freude erfüllt ist, darf<br />

schon in dieser vergänglichen Welt<br />

himmlische Segnungen erleben.<br />

Fragen über Fragen<br />

• Welche Gedanken und Empfindungen<br />

sind bei dir vorherrschend?<br />

• Inwiefern bist du um die Reinheit<br />

des Herzens bemüht?<br />

• Welche konkreten Vorzüge<br />

verheißt Gott den Menschen,<br />

die reinen Herzens sind?<br />

Waldemar Dirksen (*1982) ist Lehrer<br />

an einem Berufskolleg in Bonn. Als Mitgründer<br />

und Redakteur gehört er zu den<br />

regelmäßigen Autoren von <strong>Timotheus</strong>.<br />

7


Wie heilig<br />

will ich sein?<br />

Text: Matthias Lohmann — Foto: Denni Van Huis<br />

Wie ist es um unsere Motivation zur <strong>Heiligung</strong> bestellt? Ist <strong>Heiligung</strong><br />

etwas, nach dem du strebst? Oder hoffst du darauf, dass der Herr das<br />

schon irgendwie in dir vollbringen wird? Natürlich würde das kaum<br />

jemand offen so sagen, und doch ist die Motivation der meisten<br />

Christen für Wachstum in der <strong>Heiligung</strong> eher gering.


Denn das ist der Wille Gottes, eure <strong>Heiligung</strong>“,<br />

so schreibt es der Apostel Paulus an<br />

die Christen im 1. Thessalonicher-Brief,<br />

Kapitel 4, Vers 3. <strong>Heiligung</strong> ist dabei der<br />

Prozess, Christus immer ähnlicher zu werden.<br />

Christen sollen also danach streben, der Sünde im<br />

Leben immer weniger Raum zu geben und stattdessen<br />

immer mehr die Frucht des Geistes wachsen zu lassen<br />

(siehe Galater 5,22f). So weit, so gut. Doch wie ist es<br />

um unsere Motivation dazu bestellt? Ist <strong>Heiligung</strong> etwas,<br />

nach dem du strebst? Oder hoffst du darauf, dass<br />

der Herr das schon irgendwie in dir vollbringen wird?<br />

Natürlich würde das kaum jemand offen so sagen und<br />

doch ist die Motivation der meisten Christen für Wachstum<br />

in der <strong>Heiligung</strong> eher gering. Dieser Artikel möchte<br />

einige biblische Motivationshilfen zur <strong>Heiligung</strong> liefern.<br />

Dazu sollen im Folgenden vor allem die Verse 1-4 aus<br />

Kapitel 3 des Kolosserbriefs betrachtet werden.<br />

Um diese Verse richtig einordnen zu können, sollte<br />

bedacht werden, warum Paulus diesen Brief schrieb. Er<br />

tat dies vor allem deshalb, weil er davon gehört hatte,<br />

dass sich in der Gemeinde in Kolossä falsche Lehrer eingeschlichen<br />

hatten. Die falschen Lehrer behaupteten,<br />

dass die Kolosser zum Beispiel bestimmte Gesetze halten<br />

und Zeremonien durchlaufen müssten, um so bei<br />

Gott wirklich wohlwollende Annahme zu finden. Und<br />

so ruft Paulus in diesem Brief „Stopp!“ und betont, dass<br />

dies Lügen sind. Kein Mensch wird jemals aufgrund<br />

seiner eigenen Werke vor Gott bestehen können. Im<br />

Gegenteil, Paulus erklärt den Kolossern (und uns allen),<br />

dass sie alle „einst fremd und feindlich gesinnt waren in<br />

bösen Werken“ (Kolosser 1,21). Die Rettung hin zum<br />

ewigen Leben geschieht allein durch den Glauben an<br />

den stellvertretend für Sünder gestorbenen und wieder<br />

auferstandenen Retter und Herrn Jesus Christus. Am<br />

Kreuz hat Christus den Schuldbrief aller Gläubigen ein<br />

für alle Mal getilgt, so dass jeder, der durch den Glauben<br />

zu Christus gehört, bereits mit ihm auferstanden und<br />

geistlich lebendig geworden ist (Kolosser 2,11-14). Dem<br />

muss und kann kein Mensch durch irgendwelche Werke<br />

etwas hinzufügen.<br />

Aufruf zur <strong>Heiligung</strong><br />

Nachdem Paulus in den ersten beiden Kapiteln des<br />

Kolosserbriefs betont hat, dass <strong>Heiligung</strong> niemals die<br />

Grundlage unserer Annahme bei Gott ist, ändert er in<br />

Kapitel 3 den Fokus. Nun betont er, dass die Lehre von<br />

Gottes freier Gnade nicht bedeutet, dass es keine Rolle<br />

spielt, wie Christen lebten. Er ruft die Christen dazu auf,<br />

ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. So schreibt<br />

er in Vers 1 und 2: „Seid ihr nun mit Christus auferstanden,<br />

so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend<br />

zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist,<br />

nicht nach dem, was auf Erden ist.“<br />

Doch was bedeutet das eigentlich, nach etwas zu<br />

„suchen“ und zu „trachten“, wie es in der Lutherübersetzung<br />

heißt? Hier ist die Wortwahl moderner Übersetzungen<br />

sehr hilfreich. In der Neuen evangelistischen<br />

Übersetzung (NeÜ) heißt es zum Beispiel: „richtet euch<br />

auch ganz nach dem aus, was oben ist, wo Christus, der<br />

Messias, sitzt: auf dem Ehrenplatz neben Gott. Seid auf<br />

das Himmlische bedacht und nicht auf das Irdische.“<br />

Es geht hier also darum, sich ganz auf das auszurichten<br />

und auf das bedacht zu sein, „was oben ist“, „auf das<br />

Himmlische“. Der Fokus eines christlichen Lebens, alle<br />

Handlungen und Gedanken, sollen auf Gott hin ausgerichtet<br />

sein!<br />

Paulus belässt es nicht bei dieser sehr allgemeinen<br />

und eher abstrakten Aufforderung. Ab Vers 5 wird diese<br />

Aufforderung mit konkreten Inhalten gefüllt. Dabei<br />

nennt er zuerst die Dinge, von denen sich Christen abwenden<br />

sollen. Die Dinge, die „auf Erden“ sind (Kolosser<br />

3,2), nach denen Christen gerade nicht „trachten“<br />

sollen. Ab Vers 12 benennt er dann ganz praktisch, wie<br />

ein Leben, das nach dem sucht, was droben ist, auch<br />

hier unten auf Erden aussehen wird. Es geht dabei in<br />

keiner Weise um Weltflucht oder um ein weltfremdes<br />

Leben – auch wenn ein solches Verhalten für die Welt<br />

im positiven Sinne befremdlich sein mag.<br />

Hier wird Paulus sehr konkret und praktisch. Diese<br />

Worte sollten jeden Christen dazu herausfordern, all<br />

sein Denken und Handeln sorgfältig zu reflektieren und<br />

sich wo nötig, mit Gottes Hilfe um Veränderung zu be-<br />

9


mühen. Jeder, der schon eine Weile als Christ lebt und<br />

sich um solche Veränderung bemüht, weiß darum, wie<br />

schwer das ist. <strong>Heiligung</strong> – so nennt die Bibel diesen<br />

Veränderungsprozess – ist etwas, das schnell zu Frust<br />

werden kann, wenn man erlebt, dass man immer wieder<br />

an den biblischen Ansprüchen scheitert. Und genau deshalb<br />

belässt es der von Gott inspirierte Apostel Paulus<br />

nicht allein bei seinem Aufruf. Er gibt uns zu Beginn<br />

von Kapitel 3 drei konkrete Motivationshilfen. Er ruft<br />

die Kolosser dazu auf (1) die Vergangenheit, (2) die gegenwärtige<br />

Realität und (3) die Zukunft zu bedenken.<br />

Das wird Christen dabei helfen, immer wieder neue<br />

Motivation und Kraft für ein Leben in der <strong>Heiligung</strong><br />

zu finden.<br />

Motivation zur <strong>Heiligung</strong>: Bedenke<br />

die Vergangenheit<br />

In Vers 1 erinnert Paulus die Christen in Kolossä an<br />

das, was Gott bereits für uns getan hat: „Seid ihr nun<br />

mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist“.<br />

Die erste Motivationshilfe dafür, ein Christushingegebenes<br />

Leben zu führen, ist die Erinnerung daran, dass<br />

wir ohne Christus dieses wahre Leben gar nicht hätten.<br />

Genau das hatte Paulus den Kolossern bereits in Kapitel<br />

2,12-14 erklärt. Ohne diese „Auferstehung“ durch den<br />

Glauben würden wir nicht wirklich leben, sondern einfach<br />

nur existieren – und das auch nur für eine begrenzte<br />

Zeit, bevor uns dann der ewige Tod ereilt. Letztendlich<br />

beschreibt Paulus hier den Zustand aller Menschen<br />

vor dieser „Wiedergeburt mit Christus“ als ein Totsein<br />

in den Sünden. Dieser „gegenwärtige Tod auf Erden“<br />

mündet eines Tages im „ewigen Tod.“ Es sei denn, dass<br />

Menschen hier auf Erden eine Auferstehung mit Christus<br />

– eine geistliche Geburt erleben. Nur dann leben wir<br />

wirklich! Paulus erinnert die Kolosser an das mächtige<br />

Werk der Gnade Gottes. Er verknüpft seinen Aufruf zu<br />

einem Leben für Gott mit der Erinnerung daran, dass<br />

Christen nur deshalb wahres Leben haben, weil der ewige<br />

Sohn Gottes, Jesus Christus, stellvertretend für sie<br />

gestorben und dann am 3. Tage von den Toten auferstanden<br />

ist.<br />

Der auf einem Roman von Victor Hugo basierende<br />

Film „Les Misérables“ illustriert die Kraft dieser Motivationshilfe<br />

sehr eindrücklich. Jean Valejean saß aufgrund<br />

einer Bagatelle und mehreren Fluchtversuchen viele<br />

Jahre im Gefängnis. Nachdem er aus dem Gefängnis<br />

entlassen worden ist, findet er nirgends Unterstützung<br />

oder Aufnahme. Nur ein Bischof hat Mitleid und beherbergt<br />

ihn. Der mittellose und verbitterte Valjean steht<br />

des Nachts auf und stiehlt dem Bischof einen Teil seines<br />

Silbers, wird aber sofort gefangen und zur Beweisaufnahme<br />

zum Haus des Bischofs zurückgebracht. Zur<br />

großen Überraschung Valjeans erklärt der Bischof den<br />

nicht minder verdutzten Polizisten, er habe Valjean das<br />

Silber geschenkt und gibt ihm noch zwei „vergessene“<br />

silberne Kerzenleuchter dazu. Zum Abschied ermahnt er<br />

Valjean, sein Leben zu ändern. Die Gnade, die Valjean<br />

erlebt, verändert ihn grundlegend. Er vergisst niemals,<br />

was der Bischof an diesem Tag für ihn getan hat und<br />

strebt hinfort danach, Gutes zu tun.<br />

Valjean wurde vor dem Weg zurück ins Gefängnis<br />

bewahrt. Doch wir Christen haben eine noch viel größere<br />

Rettung erlebt. Diese sollte auch uns dazu motivieren,<br />

unser Leben voll und ganz für den zu leben, der<br />

sein Leben gab, damit wir wahres Leben haben können.<br />

Erfahrene Liebe ist eine vor allem langfristig viel bessere<br />

Motivation als die Androhung von Strafe.<br />

Motivation zur <strong>Heiligung</strong>: Bedenke<br />

die gegenwärtige Realität<br />

Paulus ruft die Kolosser nicht nur dazu auf, sich an das<br />

zu erinnern, was der Herr für sie getan hat. Am Ende<br />

von Vers 1 betont er, dass auch die gegenwärtige Realität<br />

Motivation für ein auf Gott hin ausgerichtetes Leben<br />

sein sollte. „Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so<br />

sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten<br />

Gottes.“<br />

Christus sitzt jetzt gerade zur Rechten Gottes! Mit<br />

unseren Augen können wir ihn zwar nicht sehen, und<br />

doch ist er real und nicht nur eine ferne Erinnerung<br />

aus längst vergangenen Zeiten! Christen tun gut daran,<br />

mit den Augen des Herzens auf ihn zu sehen. Der Fürst<br />

dieser Welt hält uns ständig irgendwelche Verlockungen<br />

vor Augen. Er will uns ablenken von Christus. Er will<br />

uns einreden, dass Christus uns im Stich gelassen oder<br />

einfach die Dinge nicht im Griff hat. Aber Satan ist ein<br />

großer Lügner, der das große Ziel verfolgt, Menschen<br />

davon abzuhalten, auf Christus zu sehen!<br />

Satan weiß, dass der Herr Jesus Christus auf dem<br />

Thron zur Rechten Gottes sitzt! Jesus ist der König aller<br />

Könige. Er ist der Hohepriester, der für uns Christen<br />

beim Vater eintritt. Und er ist unser Beschützer und<br />

Bewahrer hier auf Erden. Denn durch seinen Heiligen<br />

Geist ist er bei uns alle Tage. So schenkt er uns Erkenntnis<br />

seines Wortes, und so spendet er uns Trost, Zuversicht,<br />

Freude und tiefen Frieden! Durch seinen Geist<br />

wirkt Christus in uns, verändert uns und motiviert uns,<br />

wenn wir seinem Geist Raum geben, indem wir auf<br />

Christus sehen und ihn durch sein Wort zu uns sprechen<br />

lassen.<br />

Das Wissen darum, dass unser Herr uns sieht, dass<br />

Er bei uns ist und uns zur Seite steht, sollte uns motivieren<br />

für Ihn zu leben.<br />

Christus ist der „große Bruder“ aller Christen, der<br />

ihnen über die Schulter schaut und gerne bereit ist, ihnen<br />

dabei zu helfen, ihm immer ähnlicher zu werden!<br />

10


Christus ist wie ein „wohlwollender Meister“, der seinem<br />

Lehrling nicht alle Arbeit abnimmt, aber ihm zur Seite<br />

steht und sich daran freut, wenn der Lehrling Schritt für<br />

Schritt Dinge dazu lernt und ihm immer mehr gelingt!<br />

Christus ist unser gegenwärtiger Beistand und unsere<br />

Hilfe und Er wird uns voller Gnade immer wieder<br />

aufhelfen, wenn wir einmal gefallen sind!<br />

Die zweite Motivation für ein Gotthingegebenes Leben<br />

findet sich also in der Erkenntnis darüber, für wen<br />

wir leben! Wir haben das Privileg, für den zu leben, der<br />

als Herr aller Herrn und König aller Könige auf<br />

dem Thron zur Rechten Gottes sitzt und uns einlädt,<br />

jederzeit vor seinen Gnadenthron zu treten, „damit wir<br />

Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der<br />

Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben“ (Hebräer 4,16).<br />

Motivation zur <strong>Heiligung</strong>: Bedenke<br />

die Zukunft<br />

Nachdem Paulus gelehrt hat, dass sowohl das, was<br />

Christus in der Vergangenheit getan hat, als auch seine<br />

gegenwärtige erhabene Position zur Rechten Gottes sitzend<br />

für Christen ein Antrieb zu einem Leben für Christus<br />

sein sollte, nennt Paulus noch eine dritte Motivation,<br />

indem er auf das hinweist, was noch kommen wird. In<br />

den Versen 3-4 sieht der Apostel Paulus über das Hier<br />

und Jetzt hinaus in Richtung Zukunft: „Denn ihr seid<br />

gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in<br />

Gott. Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren<br />

wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in<br />

Herrlichkeit.“<br />

Paulus betont hier, dass unser Leben nicht ziellos<br />

ist. Christen leben auf ein großartiges Ziel zu. Paulus<br />

selbst hat dieses Ziel klar vor Augen. Davon schreibt er<br />

im Brief an die Philipper: „Nicht, dass ich’s schon ergriffen<br />

habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber<br />

nach, ob ich’s wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus<br />

Jesus ergriffen bin. Meine Brüder, ich schätze mich<br />

selbst noch nicht so ein, dass ich’s ergriffen habe. Eins<br />

aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke<br />

mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem<br />

vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen<br />

Berufung Gottes in Christus Jesus“ (Philipper 3,12-14).<br />

Christen sollten nicht einfach so vor sich hin leben.<br />

Das christliche Leben sollte ein zielorientiertes Leben<br />

sein, denn auf sie wartet ein lohnenswertes Ziel. Wenn<br />

wir an diesem Ziel ankommen, werden wir voll Freude<br />

erkennen, dass ein Leben in der <strong>Heiligung</strong> das Beste<br />

für uns war. Alles andere werden wir bedauern. Deshalb<br />

werden Christen, die das Ziel ihres Glaubens klar vor<br />

Augen haben, danach streben, in der <strong>Heiligung</strong> zu wachsen.<br />

Ein klares Ziel vor Augen gibt Motivation für den<br />

Weg. Vor einiger Zeit hatte ich versprochen, für einen<br />

guten Zweck einen Halbmarathon zu laufen. Dieses Ziel<br />

hat mich dann dazu motiviert, mein normales Laufpensum<br />

zu erhöhen und auch mal joggen zu gehen, wenn<br />

das Wetter nicht so toll ist oder ich einfach keine große<br />

Lust hatte! Als mir dann noch Zielzeiten genannt wurden,<br />

für die ich noch mehr Spendengelder bekommen<br />

würde, war ich zusätzlich dazu motiviert, alles dafür zu<br />

tun, dieses Ziel zu erreichen. Um wie viel mehr sollten<br />

wir motiviert sein, mit aller Kraft „dem Siegespreis der<br />

himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus“ entgegen<br />

zu jagen? Die dritte Motivation für ein Gotthingegebenes<br />

Leben findet sich also in der sicheren Hoffnung<br />

auf eine großartige herrliche Zukunft! Auch auf diesem<br />

Weg zum Ziel wird es immer mal wieder Momente geben,<br />

in denen unsere Motivation nachlässt. Doch in<br />

seiner großen Liebe steht dann unser Herr „als unser<br />

Coach“ am Wegesrand! Durch sein Wort motiviert Er<br />

uns, diesen guten Lauf weiterzulaufen.<br />

Wir haben zuerst gesehen, dass Christus uns an das<br />

erinnert, was Er bereits für uns getan hat! Zweitens hilft<br />

Er uns zu erkennen, dass Er alles im Griff hat und uns<br />

beisteht! Und drittens weist Er uns den Weg zu dem<br />

großen Ziel, so dass wir mit neuem Fokus weiter vorangehen<br />

können! Wir laufen den Lauf der <strong>Heiligung</strong><br />

nicht allein. Gott ist bei uns. Er wirkt in uns das Wollen<br />

und das Vollbringen (Philipper 2,13). Doch wir müssen<br />

laufen – dem Ziel entgegen. Es lohnt sich, denn uns erwartet<br />

ein herrlicher Siegespreis!<br />

Zur Praxis<br />

• Lies Kolosser 3,5-17 täglich eine Woche lang.<br />

• Bitte Gott, dir zu zeigen, in welchen Bereichen deines<br />

Lebens du Veränderung brauchst.<br />

• Lass dich von Gott auf dem Weg zur Veränderung<br />

immer wieder neu motivieren. Achte beim Lesen der<br />

Bibel darauf, was Gott für dich getan hat, wie er dir<br />

gegenwärtig beisteht und was er dir für die Zukunft<br />

verheißt.<br />

Matthias Lohmann (*1971) ist Pastor der FEG München-Mitte.<br />

Vorher studierte er am Reformed Theology Seminary in<br />

Washington, DC. Er ist Mitgründer des reformatorischen<br />

Netzwerks Evangelium21: www.evangelium21.net<br />

11


„Christus ist meine<br />

<strong>Heiligung</strong>!“<br />

Text: Thomas Reiner — Foto: Benji Haisch<br />

Wie kannst du ein heiliges Leben führen, das Gott gefällt? „Das ist<br />

unmöglich“, sagte ein holländischer Pfarrer in Elberfeld. Erst als er<br />

das erkannt hatte, entdeckte er den reichen Trost des Evangeliums.


Wo immer sich Christen in Elberfeld<br />

und Umgebung trafen, redeten sie<br />

mit Vorliebe von Gottes Gnade<br />

und der <strong>Heiligung</strong>. Sie freuten sich<br />

daran, dass Christus am Kreuz die<br />

Strafe für ihre Sünden auf sich genommen hatte. Weil<br />

ihr Herr vom Tod auferweckt wurde, sind sie vor dem<br />

heiligen Gott gerechtfertigt. Nun fragten sie sich, wo in<br />

ihrem Alltag etwas von der neuen Gerechtigkeit sichtbar<br />

werde. Was ist <strong>Heiligung</strong>? In dieser Situation trat ein<br />

holländischer Prediger auf die Kanzel. Dr. Kohlbrügge<br />

sprach mit Freude davon, was Gott ihn vor kurzem erkennen<br />

ließ: Christus ist meine <strong>Heiligung</strong>.<br />

Reiches Erbe aus ärmlichen<br />

Verhältnissen<br />

Hermann Friedrich Kohlbrügge wurde am 15. August<br />

1803 in Amsterdam geboren. Sein Vater kam einst in seiner<br />

Jugend aus der Nähe von Osnabrück nach Holland,<br />

um Handel zu treiben. Anfangs liefen seine Geschäfte<br />

gut, aber später unter der französischen Besetzung des<br />

Landes wurde der Handel eingeschränkt. Darum fiel es<br />

dem Vater immer schwerer, für seine große Familie zu<br />

sorgen. Der Sohn erinnerte sich, dass seine Eltern, wenn<br />

sie in Not waren, gemeinsam die Stube auf- und abgingen<br />

und dabei Psalmen sangen.<br />

Der kleine Fritz war ein zartes und kränkliches<br />

Kind. Fast zwei Jahre lang drohte er blind zu werden.<br />

Immer wieder musste er Tage, ja Wochen im dunklen<br />

Zimmer ausharren, um sich zu schonen. Trotz körperlicher<br />

Schwächen war er ein sehr aufgewecktes Kind.<br />

Ohne besondere Anleitung hat er lesen und schreiben<br />

gelernt und las von Klein an mit Vorliebe in der Bibel.<br />

Die Lichtblicke seiner Jugend waren die Besuche bei<br />

seiner frommen Großmutter. Liebend gerne saß er vor<br />

ihrem großen Kachelofen und hörte gespannt auf die<br />

biblischen Geschichten, während er sich die Bilder dazu<br />

auf den Kacheln ansah. Erst mit zehn Jahren konnte er<br />

regelmäßigen Unterricht besuchen. Neben der Schule<br />

erhielt er beim sogenannten Katechisiermeister den ersten<br />

Unterricht in Gottes Wort und in den lutherischen<br />

Bekenntnisschriften. Die finanzielle Situation der Familie<br />

verschlechterte sich so, dass der Sohn dem Vater in<br />

der Seifensiederei helfen musste. Wann immer es ihm<br />

bei der Arbeit möglich war, griff er zu einem Buch und<br />

versenkte sich ganz darin. Erst mit 16 Jahren erhielt er<br />

von seinem Vater die Erlaubnis, neben der Arbeit weiterführenden<br />

Unterricht zu besuchen und sich seinen<br />

Studien zu widmen.<br />

Der junge Mann hing sehr an seinem Vater. Darum<br />

traf es den zweiundzwanzigjährigen Kohlbrügge hart,<br />

als sein Vater plötzlich erkrankte und starb. Noch auf<br />

seinem Sterbebett nahm der Vater seinem Sohn das Versprechen<br />

ab, dass er alles daran setzen werde, sein theologisches<br />

Studium, das er begonnen hatte, abzuschließen.<br />

Seiner Mutter schrieb der Sohn im Rückblick auf seinen<br />

harten Verlust: „Wahrlich, wäre es anders gekommen,<br />

ich hätte den Herrn wahrscheinlich nie kennen gelernt<br />

und wäre ein Lügenprophet und Baalspriester und Seelenverführer<br />

geworden, wie deren gegenwärtig sehr viele<br />

gefunden werden. Alles, was der Herr unser Gott mit<br />

uns tut, ist Herrlichkeit, Weisheit und Majestät, obwohl<br />

wir es im Augenblick nicht einsehen.“<br />

Der Preis des wahren Evangeliums<br />

Kohlbrügge hielt sein Versprechen und wurde Kandidat<br />

für das Pfarramt in der „wiederhergestellten lutherischen<br />

Kirche“. Er erteilte Privatunterricht, durch den<br />

es ihm nicht nur gelang, seinen eigenen Lebensunterhalt<br />

zu bestreiten, sondern darüber hinaus seine Familie zu<br />

unterstützen. In seiner Studienzeit fand er Gefallen an<br />

der Dichtung und wollte sich von der Mystik näher zu<br />

Gott leiten lassen. Beim Studium der Schriftstelle (Römer<br />

5,1), über die er seine erste Predigt hielt, wurde ihm<br />

klar, wie er zum Heil finden kann. Er predigte darauf:<br />

„Einen anderen Weg als die eigene Tugend und das eigene<br />

Werk gilt es einzuschlagen! Es ist mit uns aus! Der<br />

Glaube allein rechtfertigt. So allein werden wir in das<br />

Königreich der Himmel eingehen. So allein können wir<br />

vor Gott bestehen.“ Das war das Evangelium, das Kohlbrügge<br />

von da an predigte.<br />

Über der Türe der Kirche der wiederhergestellten<br />

lutherischen Gemeinde in Amsterdam stand: „Sie blieben<br />

in der Apostel Lehre!“ Kohlbrügge freute sich über<br />

dieses Bekenntnis, musste aber bald erleben, wie wenig<br />

diese Worte, die an der Kirche standen, in ihr bedeuteten.<br />

Der junge Kandidat war entsetzt über die liberale<br />

Lehre, die der Pfarrer der Gemeinde in einer Predigt vertrat.<br />

Er wandte sich an den Vorsitzenden der Gemeindevertreter,<br />

der ihn aufforderte, seine Klage schriftlich<br />

vorzulegen. In einem Schreiben hielt er darauf fest, dass<br />

der Pfarrer die Lehre davon, dass der Mensch ein verdorbener<br />

Sünder sei und allein durch Gnade gerettet werde,<br />

als gefährliche Schwärmerei bezeichnete. Einigen einflussreichen<br />

Leuten war die deutliche und direkte Art,<br />

in der der junge Kandidat das Evangelium verkündigte,<br />

bereits ein Dorn im Auge. Sie ergriffen die Gelegenheit<br />

und warfen ihm vor, er wolle den älteren und erfahrenen<br />

Prediger aus dem Amt drängen, um seinen Platz einnehmen<br />

zu können. Alle Verhandlungen halfen nichts.<br />

Am Ende wurde der junge Kandidat mit Schimpf und<br />

Schande aus dem Amt entlassen, während sich der Pfarrer<br />

der Gemeinde für seine fragwürdigen Äußerungen<br />

nie verantworten musste.<br />

Der verworfene Kandidat erlebte, welchen Preis es<br />

kosten kann, für die Wahrheit des Evangeliums einzutreten<br />

und nicht davon zu weichen. Weil ihm sofort<br />

der Lohn gestrichen wurde, lebte Kohlbrügge in sehr<br />

ärmlichen Verhältnissen. Menschen beschenkten ihn<br />

und ließen Geld in seiner Wohnung liegen, das er erst<br />

entdeckte, nachdem seine Besucher schon längst wieder<br />

gegangen waren. Der Vormund seiner Braut untersagte<br />

ihr den Umgang mit dem unverschämten Burschen, der<br />

es wagte, in der Kirche Unruhe zu stiften. Als diese aber<br />

13


nicht hören wollte, wurde sie kurzerhand mit Hab und<br />

Gut auf die Straße gestellt. Kohlbrügge half ihr beim<br />

Umzug zu ihrer Großmutter. Diese war von dem jungen<br />

Mann auch nicht angetan und nicht bereit, in eine<br />

Heirat einzuwilligen. Das alles waren die unmittelbaren<br />

Folgen davon, dass der junge Mann, seinem Herrn und<br />

dem Evangelium treu bleiben wollte.<br />

Doktor der Theologie trotz<br />

Universität<br />

Kohlbrügge zog nach Utrecht. Anstatt sich von der<br />

Theologie abzuwenden, studierte er weiter fleißig die<br />

Bibel. Er schrieb eine Dissertation (wissenschaftliche Arbeit,<br />

mit der ein Doktortitel erlangt wird), in der er den<br />

Psalm 45 auslegte. Nach einer gründlichen sprachlichen<br />

Analyse des Textes, erklärte Kohlbrügge, dass im Psalm<br />

vom geistlichen Bund des Messias mit seiner Kirche gesungen<br />

werde. Diese Schlussfolgerung gefiel der theologischen<br />

Fakultät nicht. Kohlbrügge schrieb später: „Ich<br />

wurde Doktor der Theologie trotz der ganzen Universität.<br />

Die Professoren hatten nämlich alles aufgeboten,<br />

um mich zu stürzen, weil ich Psalm 45 von Christo und<br />

seiner Braut, der Gemeinde, auslegte. Das fanden sie<br />

abgeschmackt. Sie meinten, dieser Psalm sei das Hochzeitslied<br />

eines irdischen Königs, und darum wollten sie<br />

mich durchfallen lassen. Sie waren alle tüchtig geschult<br />

und gewappnet dazu, aber eines hatten sie vergessen,<br />

was ich als Kind vor allen Dingen und vor allen anderen<br />

Büchern gelesen hatte, das ist: Gottes Wort. Darin waren<br />

sie nicht beschlagen, und so konnten sie gegen mich<br />

nichts ausrichten. Ich wurde Doktor der Theologie.“<br />

Mit dieser Doktorarbeit gewann er auch seine Braut<br />

oder besser gesagt die Zustimmung der Großmutter. Sie<br />

war von der Art, wie der junge Kohlbrügge den Psalm<br />

auslegte so beeindruckt, dass sie ihrer Enkelin versprach,<br />

dass sie ihn heiraten dürfe, wenn ihr Liebster als Doktor<br />

zurückkommen werde. So wurde am 30. Juli 1829<br />

Hochzeit gefeiert.<br />

Obwohl Kohlbrügge weder ein Pfarramt noch ein<br />

Lehrstuhl an einer Universität angeboten wurde, widmete<br />

er sich weiter dem gründlichen Studium der Bibel.<br />

Er studierte die Werke vieler Theologen und erkannte<br />

schließlich durch die Schriften Calvins und Olevians,<br />

dass die reformierte Lehre ganz dem Zeugnis der Bibel<br />

entspricht. Als Konsequenz dieser Studien wandte er<br />

sich an die reformierte Kirche seines Landes und bat, als<br />

Glied aufgenommen zu werden. Anfangs schien es, als<br />

ob man den jungen Theologen, der sein neu erlangtes<br />

reformiertes Bekenntnis gut darlegen konnte, mit offenen<br />

Armen empfangen wollte. Schon bald wurde aber<br />

deutlich, dass ihn die Geschichte aus Amsterdam wieder<br />

einholte. Man wollte keinen aufrührerischen Menschen<br />

in den eigenen Reihen. So schob man seinen Antrag<br />

hin und her, verschleppte ihn und gab ihm schließlich<br />

Bescheid, dass man keinen Unruhestifter in der Kirche<br />

dulden könne.<br />

Diese Auseinandersetzung kostete ihn sehr viel<br />

Kraft. Als dann schon im vierten Ehejahr seine Frau<br />

starb, die er liebevoll auf ihrem Sterbebett gepflegt hatte,<br />

war er mit seiner Kraft am Ende. Sein Arzt hielt den Gesundheitszustand<br />

des trauernden Witwers für bedenk-<br />

lich und riet ihm zu einer Luftveränderung. Kohlbrügge<br />

machte eine Reise den Rhein hinauf. Unterwegs wurde<br />

er nach Elberfeld eingeladen.<br />

Das grosse Heil für schwache<br />

Menschen<br />

Der erschöpfte Theologe kam dort mit Menschen in<br />

Kontakt, die die Frage bewegte, wie sie ein Leben führen<br />

können, das Gott gefällt. Es war wohl kein Zufall, dass<br />

gerade dieser geschwächte Mann, der in seiner Schwachheit<br />

seinen Glauben und seine Hoffnung auf Gott und<br />

seine Gerechtigkeit nie verloren hatte, eine außergewöhnliche<br />

Antwort auf diese Frage in der Schrift fand.<br />

Die meisten Menschen beschäftigten sich mit der Frage,<br />

wie sie in der <strong>Heiligung</strong> wachsen können. Sie gingen davon<br />

aus, dass sie mit Gottes Hilfe ihr Leben so verändern<br />

können und es ihnen so möglich wäre, ihrem Herrn<br />

immer besser zu gefallen. Kohlbrügge aber stellte zuerst<br />

eine andere Frage: Ist es dem Menschen überhaupt<br />

möglich, dem heiligen Gott zu gefallen? Er las im Römerbrief<br />

(Römer 7,14), dass das Gesetz geistlich sei, der<br />

Mensch aber fleischlich und unter die Sünde verkauft.<br />

Dieser Vers machte ihm den tiefen Graben deutlich, der<br />

zwischen Gott und den Menschen liegt. Der fleischliche<br />

Mensch kann nie etwas tun, was Gott genügen kann.<br />

Darum kann der Mensch sich unmöglich selbst verbessern.<br />

Es gibt nur eines, auf Christus zu vertrauen, der das<br />

ganze Gesetz erfüllt hat – er hat das eine Leben geführt,<br />

das dem himmlischen Vater gefällt. Darum ist Christus<br />

allein die Weisheit, die Gerechtigkeit, die <strong>Heiligung</strong> und<br />

die Erlösung. Der Christ bekommt kein anderes Evangelium<br />

als das, dass Gott Sünder retten will. Als Kohlbrügge<br />

gebeten wurde zu predigen, drängte es ihn, die<br />

Entdeckung, die ihm so viel Freude und Trost gegeben<br />

hat, mit anderen Menschen zu teilen. Diese Botschaft<br />

ließ ihn nie mehr los. Immer wieder sprach er davon:<br />

Der Mensch ist Mensch und Gott ist Gott. Der Mensch<br />

kann niemals tun, was Gott für ihn tat. Darum vertraue<br />

auf ihn und sein Wirken.<br />

Schon im Wuppertal wurde der Lehre des holländischen<br />

Pfarrers widersprochen. Mit dieser Definition<br />

von <strong>Heiligung</strong> waren zwei Lager nicht einverstanden.<br />

Die liberalen Christen wollten nichts davon hören, dass<br />

Gottes Gesetz noch gültig sei. Ihnen war dieses Evangelium<br />

zu hart, das von der gerechten Strafe für die Sünde<br />

sprach. Sie wollten nichts davon hören, dass der Mensch<br />

ein verlorener Sünder sei, der seinem Schöpfer nie genügen<br />

könne. Genau das wollten auch die so genannten<br />

erweckten Christen nicht hören. Sie bemühten sich um<br />

ein heiliges Leben. Ihnen nahm Kohlbrügges Predigt<br />

von der <strong>Heiligung</strong> jedes gute Werk weg. Der Doktor der<br />

Theologie betonte, dass alles Gute, das ein Mensch in<br />

seinem Leben tun kann, die Schuld der Sünde niemals<br />

ungeschehen macht. Viele der erweckten Christen und<br />

Theologen nannten Kohlbrügge einen Antinomisten<br />

– jemanden, der behauptet, dass das Gesetz Gottes nicht<br />

mehr gültig sei. Doch einige Menschen erkannten genauso<br />

wie der Prediger den Trost, der in dieser Lehre<br />

zu finden ist. Je mehr sie diesem Verkündiger zuhörten,<br />

desto mehr verstanden sie, dass die ganze Schrift<br />

von diesem Evangelium spricht. Ihnen wurde klar, dass<br />

14


Hermann Friedrich Kohlbrügge<br />

(undatierte zeitgenößische<br />

Lithografie).<br />

Undatiertes Foto gegen<br />

Ende seines<br />

Lebens.<br />

Elberfeld<br />

im Jahr<br />

1855.<br />

Christen sich nicht dadurch von anderen Menschen<br />

unterscheiden, dass sie Gottes Gesetz erfüllen und ganz<br />

heilig leben, sondern „dass sie sich immerdar ans Wort,<br />

an die Barmherzigkeit Gottes halten und eben darin zeigen,<br />

dass sie, wenn es darum geht, von einer Gerechtigkeit<br />

wissen, welche den anderen fremd ist.“<br />

Eine Lehre für das ganze Leben<br />

Diese Botschaft prägte alles Predigen, Lehren und Schreiben<br />

Kohlbrügges. Er selbst sagte, dass von diesem Tag an<br />

alle seine Predigten aus dem gleichen Guss waren. Während<br />

er vorher immer nach der Wahrheit suchte, hatte er<br />

sie nun gefunden und sprach mit Vorliebe von ihr. An<br />

seinem Herrn, der ihm alles geworden ist, freute er sich<br />

in schönen Zeiten. Seine zweite Frau wurde ihm zu einer<br />

großartigen Partnerin und Stütze in seinem Dienst.<br />

Nachdem er nach Holland zurückgekehrt war, wurde er<br />

als Pfarrer nach Elberfeld berufen. Eigentlich hätte er<br />

lieber einen Dienst in Holland angenommen – und sei<br />

es auch nur im kleinsten Fischerdorf, wie er zu sagen<br />

pflegte. Mit viel innerem Widerstand kam er dem Ruf<br />

der Elberfelder Geschwister nach und predigte zuerst in<br />

seinem Haus. Schon bald wurde die staatsunabhängige<br />

niederländisch-reformierte Kirche gegründet, der er viele<br />

Jahre vorstand. Sein Dienst in Elberfeld wurde auch<br />

in seiner Heimat beachtet. In späteren Jahren wurde er<br />

oft eingeladen, in der reformierten Kirche der Niederlande<br />

zu predigen. Einige Gemeinden wollten ihn sogar<br />

als Pfarrer berufen. Diese Angebote lehnte Kohlbrügge<br />

alle ab. Er wusste nun, dass er nach Elberfeld gehörte.<br />

Die Predigten des Elberfelder Pfarrers wurden auch in<br />

Tschechien, Österreich und in der Schweiz beachtet. In<br />

all seinen Kontakten blieb er immer der Pfarrer, der in<br />

Elberfeld seinen Dienst tat und Menschen das Heil in<br />

Christus zeigte.<br />

Auch in schwierigen Umständen und großen Nöten<br />

blieb Kohlbrügge bei diesem Evangelium, das ihn<br />

stärkte und ihm weiterhin reichen Trost gab. Nach der<br />

reformierten Kirche in Holland ließ auch die Kirche<br />

in Deutschland den scheinbar aufrührerischen Pfarrer<br />

nicht zum Predigtdienst zu. Erst ein Toleranzedikt (Erlass<br />

des Königs, durch den einer Minderheit Rechte zugestanden<br />

werden) machte es möglich, dass in Elberfeld<br />

eine unabhängige Kirche gegründet werden durfte und<br />

Kohlbrügge offiziell predigen konnte. An den theologischen<br />

Fakultäten wurde der Pfarrer aus Elberfeld kaum<br />

beachtet. Was in dieser unabhängigen Kirche gepredigt<br />

wurde, konnte den wissenschaftlichen Ansprüchen der<br />

Theologen nicht genügen. So blieb Kohlbrügge ein Sonderling.<br />

Seine Gesundheit blieb schwach. Immer wieder<br />

hatte er am Sonntag kaum die Kraft, auf die Kanzel zu<br />

gehen. Seine Augen musste er mehrmals behandeln lassen.<br />

Immer wieder schien es, dass er bald erblinde. Vor<br />

ihm starben seine zweite Frau und einige seiner Kinder.<br />

In all diesen Auseinandersetzungen und Nöten blieb er<br />

bei jenem Evangelium, das er in Römer 7,14 entdeckt<br />

hatte: Christus ist meine <strong>Heiligung</strong>. Auf seinem Sterbebett<br />

jubelte er: „Der Sohn Gottes ist es, der mich erlöst<br />

und erkauft hat. Ich habe nichts zu sagen. In dem Namen<br />

Jesu ist Vergebung der Sünden. Sagt es doch allen,<br />

dass in dem Namen Jesu Vergebung der Sünde ist. Das<br />

ist doch einfach.“ Am 5. März 1875 starb Hermann<br />

Friedrich Kohlbrügge.<br />

Zum erweiterten Bibelstudium<br />

• Im Leben Kohlbrügges wird deutlich, dass die<br />

Schwächen, unter denen wir zu leiden haben, zum<br />

Segen werden können. Warum mutet der himmlische<br />

Vater seinen Kindern Schwachheit zu? Lies 2.<br />

Korinther 12,9!<br />

• Paulus ruft in seinen Briefen dazu auf, beim einen<br />

Evangelium zu bleiben (Galater 1,6-9; 2. Korinther<br />

11,2-4). Was ist die Botschaft des Evangeliums? Lies<br />

dazu Römer 1,16-3,28! Wie kann ein Mensch dem<br />

heiligen Gott gerecht werden?<br />

• Christus ist nicht nur die Erlösung von Gottes Kindern,<br />

sondern auch ihre <strong>Heiligung</strong> und Gerechtigkeit<br />

(1. Korinther 1,30). Der Bericht von Petrus, der<br />

zu Jesus aufs Wasser ging, ist eine gute Veranschaulichung<br />

dafür, was mit einem Menschen passiert, der<br />

das sein will, was sein Herr ist. Lies Matthäus 14,22-<br />

32. Worauf hat sich Petrus verlassen? Was ließ ihn<br />

zweifeln? Was hat ihn gerettet?<br />

Wenn du mehr über Hermann Friedrich Kohlbrügge<br />

erfahren willst, findest du unter www.licht-und-recht.de<br />

ausführliche biographische Artikel und viele Predigten<br />

des Elberfelder Pfarrers.<br />

Thomas Reiner (*1970) ist verheiratet und Vater von vier Kindern.<br />

Pfarrer der ERKWB Winterthur in der Schweiz.<br />

15


<strong>Heiligung</strong> gleich<br />

<strong>Heiligung</strong>?<br />

Text: Jörg Wehrenberg — Illustration: Anita Muntean<br />

Wie sieht das Wesen praktischer <strong>Heiligung</strong> aus? Was macht echte,<br />

lebens- und verhaltensändernde <strong>Heiligung</strong> aus? Im ersten Korintherbrief<br />

liefert Apostel Paulus Antworten.


Das Wort „<strong>Heiligung</strong>“ kann im Neuen Testament<br />

sowohl einen Zustand bezeichnen<br />

als auch einen Prozess. Paulus beschreibt<br />

in 1. Korinther 1,30 damit einen Zustand:<br />

„Gott habt ihr es also zu verdanken, dass<br />

ihr in Christus Jesus seid, der uns von Gott her zur Weisheit<br />

gemacht worden ist wie auch zur Gerechtigkeit und<br />

<strong>Heiligung</strong> und zur Erlösung.“ Die <strong>Heiligung</strong> ist hier wie<br />

die Rechtfertigung etwas schon Fertiges, was Gott denen,<br />

die an Christus glauben, zurechnet. Darum kann<br />

Paulus die Christen in Korinth zu Beginn des ersten Korintherbriefes<br />

allesamt als „Heilige“ ansprechen (1,2). In<br />

1. Thessalonicher 4,3 bezieht Paulus den Begriff „<strong>Heiligung</strong>“<br />

auf das Verhalten im täglichen Leben: „Das ist<br />

der Wille Gottes, eure <strong>Heiligung</strong>, dass ihr die Unzucht<br />

meidet.“ (Menge) „<strong>Heiligung</strong>“ beinhaltet hier so viel<br />

wie, dass jemand in seinem täglichen Leben die sexuelle<br />

Unmoral meidet. Die <strong>Heiligung</strong> als Lebensveränderung<br />

setzt die <strong>Heiligung</strong> als von Gott geschenkten und zugerechneten<br />

Zustand voraus.<br />

Mir geht es im weiteren Verlauf um die <strong>Heiligung</strong><br />

im Sinne der Erlernung und Veränderung von Verhaltensweisen,<br />

wie sie dem Willen Gottes entsprechen. Der<br />

Titel dieses Artikels „<strong>Heiligung</strong> gleich <strong>Heiligung</strong>?“ (oder<br />

„Das Wesen der wahren <strong>Heiligung</strong>“) ist also so gemeint:<br />

„Was ist das Wesen der Erlernung und Veränderung<br />

von Verhaltensweisen im Leben von Christen?“ Hierbei<br />

geht es um die Grundlagen, das Ziel und die Mittel der<br />

Lebensveränderung. Das Wesen solcher Lebensveränderung<br />

lässt sich vom ersten Korintherbrief her, der die<br />

Grundlage für die weiteren Ausführungen bildet, so zusammenfassen:<br />

Das Ziel jeglicher Lebensveränderung ist<br />

die Verherrlichung Gottes, die Grundlage dafür ist die<br />

Botschaft vom Gekreuzigten und das Hauptmittel dazu<br />

ist die Weisheit Gottes.<br />

Die Verherrlichung Gottes als Ziel<br />

der Lebensänderung<br />

Das Hauptthema des ersten Korintherbriefes ist die Verherrlichung<br />

Gottes durch das Leben der Christen. Dies<br />

macht ein kurzer Überblick über den Brief deutlich. Er<br />

besteht aus vier Hauptteilen. Im ersten Hauptteil (Kapitel<br />

1-4) setzt Paulus sich mit dem Personenkult einiger<br />

Christen in Korinth auseinander. Sie missbrauchen<br />

die Verkündigung des Evangeliums dazu, Menschen zu<br />

verherrlichen. Paulus erinnert sie daran, dass sie als Gemeinde<br />

der Tempel Gottes sind (3,16.17). Als Tempel<br />

Gottes ist es ihre Bestimmung, Gott zu verherrlichen<br />

und nicht Menschen. Im zweiten Hauptteil (Kapitel<br />

5-7) kommt Paulus auf den Bereich der Sexualität zu<br />

sprechen. Seine Hauptanliegen fasst er diesbezüglich in<br />

6,20 in der Aufforderung zusammen: „Geht mit eurem<br />

Körper so um, dass es Gott Ehre macht!“ Im dritten<br />

Hauptteil (Kapitel 8-14) geht es um die wahre Gottesverehrung.<br />

Paulus fordert die Korinther auf, sich in der<br />

Gemeinde gegenseitig darin zu fördern, Gott zu verherr-<br />

lichen. Er schreibt in 10,31.32: „Was immer ihr tut, ob<br />

ihr esst oder trinkt oder was es auch sei, verhaltet euch<br />

immer so, dass Gott dadurch geehrt wird!“ Im vierten<br />

Hauptteil schließlich (Kapitel 15) ruft Paulus die Korinther<br />

auf, mit Blick auf die leibliche Auferstehung von<br />

den Toten schon jetzt im alten Leib Gott mit vollem<br />

Einsatz zu dienen: „Setzt euch unaufhörlich und mit<br />

ganzer Kraft für die Sache des Herrn ein! Ihr wisst ja,<br />

dass das, was ihr für den Herrn tut, nicht vergeblich ist“<br />

(15,58).<br />

Wichtig ist nun, dass das Ziel der <strong>Heiligung</strong>, die<br />

Verherrlichung Gottes, als eine Sollordnung verstanden<br />

wird, die wir zu erfüllen haben. Es gehört wesentlich<br />

zur Verherrlichung Gottes hinzu, dass wir ihm aus<br />

dem Glauben heraus dienen. Dies beinhaltet als innere<br />

Antriebskraft vor allen Dingen die Liebe zu Gott, die<br />

Dankbarkeit gegenüber Gott und die Freude über Gott.<br />

Wir verherrlichen Gott dann, wenn wir ihm in solchem<br />

Glauben an Jesus Christus dienen. Der Glaube selbst hat<br />

seine Grundlage im Evangelium.<br />

Die Botschaft vom Gekreuzigten<br />

als Grundlage der Verherrlichung<br />

Gottes im täglichen Leben<br />

Wenn es in den Augen von Paulus etwas gibt, womit<br />

er Christen wirksam ermutigen und ermahnen kann,<br />

dann ist es das Evangelium. Und wenn es das Evangelium<br />

nicht tut, dann gibt es sonst nichts, womit man<br />

Christen dazu bringen könnte, Gott mit ihrem Leben<br />

zu verherrlichen.<br />

Paulus fasst das Evangelium in 1,18 als das „Wort<br />

vom Kreuz“ zusammen. Er meint damit die Verkündigung<br />

vom gekreuzigten Retter. Er bezieht sich dabei<br />

sowohl auf den Inhalt als auch auf die Art und Weise,<br />

wie dieser Inhalt weitergegeben wird. Er hält einigen<br />

Korinthern vor Augen, wie unvereinbar es ist, das Evangelium<br />

und seine Verkündigung für einen Personenkult<br />

zu missbrauchen. Die Korinther betreiben unter der<br />

Verkündigung des Evangeliums die Verherrlichung von<br />

Menschen. Dabei hat Gott durch die Art und Weise,<br />

wie er Menschen rettet, Gericht über den Hochmut der<br />

Menschen gehalten (1,18-25). Die Korinther sollen deshalb<br />

damit aufhören, Menschen zu verherrlichen. Stattdessen<br />

sollen sie Gott dafür rühmen, dass er sie, durch<br />

die den Menschen töricht erscheinende Botschaft vom<br />

Gekreuzigten, gerettet hat (1,31).<br />

Im zweiten Hauptteil (Kapitel 5-7) geht Paulus nach<br />

demselben Prinzip vor. Er verankert die Aufforderung,<br />

Gott im Bereich der Sexualität zu verherrlichen (6,20b),<br />

im Evangelium. Er zeigt den Korinthern, was durch ihre<br />

Verbindung mit Jesus Christus Wirklichkeit ist. Zum<br />

einen sind sie durch den Glauben auf das Innigste mit<br />

Christus (6,17) und dem Vater verbunden (6,19). Sie gehören<br />

Christus, da er sie durch seinen Tod am Kreuz als<br />

sein Eigentum erworben hat (6,20a). Er warnt die Korinther<br />

auch durch den Hinweis, dass ein fortwährendes<br />

17


Das Evangelium ist für Paulus die<br />

Grundlage für seine Aufforderung,<br />

ein solches Leben zu führen, durch<br />

das Gott verherrlicht wird.<br />

Leben in Unzucht eigentlich das<br />

Kennzeichen von solchen ist, die<br />

verloren gehen (6,9.10). Er weist<br />

die Christen in Korinth aber darauf<br />

hin, dass für sie durch Gottes<br />

Gnade ein neues Leben begonnen<br />

hat: „Der Schmutz eurer Verfehlungen<br />

ist von euch abgewaschen,<br />

ihr gehört jetzt zu Gottes heiligem<br />

Volk, ihr seid von aller Schuld freigesprochen,<br />

und zwar durch den<br />

Namen von Jesus Christus, dem<br />

Herrn, und durch den Geist unseres<br />

Gottes“ (6,11).<br />

Im dritten Hauptteil (Kapitel<br />

8-14) wird deutlich, dass vom<br />

Evangelium auch dringliche Warnungen<br />

ausgehen können. Paulus<br />

hält in 10,14-22 einigen Christen<br />

in Korinth vor Augen, dass es unvereinbar<br />

ist, einerseits an Christus<br />

zu glauben und andererseits<br />

an Götzenfeiern teilzunehmen. Er<br />

wendet sich in 10,14 zunächst mit<br />

einer klaren Aufforderung an sie:<br />

„Lasst euch unter keinen Umständen<br />

zum Götzendienst verleiten!“<br />

Paulus bezieht sich vor allem auf<br />

die äußere Teilnahme an Götzenfeiern.<br />

Auf Götzenfeiern werden<br />

Dämonen verehrt (10,20). Paulus<br />

möchte nicht, dass Christen an solchen<br />

Feiern teilnehmen, auch nicht<br />

unter dem Vorwand, man wäre innerlich<br />

am Geschehen unbeteiligt.<br />

Christus möchte allein angebetet<br />

werden und nicht zusammen mit<br />

Dämonen. Wer das nicht beherzigt,<br />

den warnt Paulus vor dem Zorn<br />

von Christus (10,22). Gleichwohl<br />

hebt er in 10,16.17 hervor, dass<br />

die Korinther durch den Tod von<br />

Christus sein Eigentum geworden<br />

und zu einer Einheit zusammengeschweißt<br />

worden sind.<br />

Im vierten Hauptteil (Kapitel<br />

15) vertieft Paulus einen Aspekt<br />

des Evangeliums, nämlich die leibliche<br />

Auferstehung von den Toten.<br />

Durch die leibliche Auferstehung<br />

von den Toten werden Christen<br />

dazu befreit, Gott für immer auf<br />

vollkommene Weise zu verherrlichen.<br />

Daher regt Paulus sich sehr<br />

über ihre Gleichgültigkeit hinsichtlich<br />

der leiblichen Auferstehung<br />

auf: „Wenn die Toten nicht auferstehen,<br />

können wir es gleich mit<br />

denen halten, die sagen: ‚Kommt,<br />

wir essen und trinken, denn morgen<br />

sind wir tot‘! Lasst euch durch<br />

solche Reden nicht täuschen!<br />

‚Schlechter Umgang verdirbt auch<br />

den besten Charakter.‘ Kommt<br />

doch einmal richtig zur Besinnung<br />

und hört auf zu sündigen! Denn<br />

einige von euch kennen Gott letztlich<br />

überhaupt nicht. Das muss ich<br />

zu eurer Schande sagen“ (15,32-<br />

34). Am Ende des Kapitels aber begründet<br />

Paulus mit der leiblichen<br />

Auferstehung aufmunternd seine<br />

Aufforderung, schon jetzt im alten,<br />

vergänglichen Leib Gott sein Leben<br />

zur Verfügung zu stellen. Alles<br />

was hier schon zur Verherrlichung<br />

Gottes getan wird, wird einmal<br />

vollendet und ist daher nicht vergeblich<br />

(15,58).<br />

Das Evangelium ist für Paulus<br />

die Grundlage für seine Aufforderung,<br />

ein solches Leben zu führen,<br />

durch das Gott verherrlicht wird.<br />

Er zieht es immer wieder heran,<br />

indem er die Bedeutung des Todes<br />

von Jesus und seiner Auferstehung<br />

für unser Verhalten im alltäglichen<br />

Leben anwendet. Hier wird schon<br />

angedeutet, dass das Evangelium<br />

zugleich Grundlage und Mittel für<br />

ein Leben ist, welches Gott verherrlicht.<br />

Dass das Evangelium das<br />

Mittel zu einem solchen Leben ist,<br />

soll an dem Begriff der „Weisheit<br />

Gottes“ veranschaulicht werden.<br />

Die Weisheit Gottes<br />

als das Hauptmittel<br />

für ein Leben, das Gott<br />

verherrlicht<br />

Paulus spricht in 1,18-2,16 von<br />

der Weisheit Gottes. Er stellt sie<br />

in 1,18-2,5 in einen Gegensatz<br />

zur menschlichen Weisheit. Die<br />

menschliche Weisheit lehnt Gottes<br />

Offenbarung im gekreuzigten<br />

Retter ab. Denn sie strebt danach,<br />

Menschen zu verherrlichen und sie<br />

ahnt, dass in der Errettung durch<br />

einen stellvertretenden Sühnetod<br />

kein Platz zur Verherrlichung von<br />

Menschen bleibt. Die Weisheit<br />

Gottes hingegen offenbart sich in<br />

der Botschaft vom gekreuzigten<br />

Retter. Die Weisheit Gottes strebt<br />

danach, Gott zu verherrlichen. Sie<br />

befreit diejenigen, die von ihr erfüllt<br />

werden, zu einem Leben, in<br />

dem Gott verherrlicht wird.<br />

Paulus schreibt in 2,6a: „Was<br />

wir aber vortragen, ist dennoch<br />

Weisheit – bei den geistlich Gereiften.“<br />

Paulus will hier Folgendes<br />

klar machen: Er selbst verkündigt<br />

die Botschaft vom Kreuz auf eine<br />

Weise, die ihr entspricht, nämlich<br />

unspektakulär, ohne bei den Zuhörern<br />

Eindruck schinden zu wollen<br />

(2,1-5). Das Wort vom Kreuz sowie<br />

die Art seiner Verkündigung erscheinen<br />

dem normalen Menschen<br />

als Dummheit. Und dennoch ist es<br />

so, Vers 6, dass darin Gottes Weisheit<br />

zum Ausdruck kommt. Paulus<br />

verkündet Gottes Weisheit bei oder<br />

unter den geistlich Gereiften.<br />

Um zu verstehen, um was es<br />

sich bei der Weisheit Gottes handelt,<br />

ist es hilfreich, festzustellen,<br />

wen Paulus mit den geistlich Gereiften<br />

meint. Paulus sieht nicht<br />

alle Christen in Korinth als geistlich<br />

gereift an. Er sagt in 3,1: „So habe<br />

denn auch ich, liebe Brüder, zu<br />

18


Das ist es, was wir auch heute<br />

brauchen — Christen, die sich in<br />

der Lehre und im täglichen Leben<br />

als geistlich gereift erweisen.<br />

euch nicht als zu Geistesmenschen<br />

reden können, sondern nur als zu<br />

fleischlich gesinnten Menschen,<br />

nur als zu unmündigen Kindern in<br />

Christus.“ Paulus bezieht sich zurück<br />

auf die Zeit, als sich durch seine<br />

Verkündigung in Korinth eine<br />

Gemeinde gegründet hatte. Er hat<br />

damals schon die Erfahrung mit ihnen<br />

gemacht, dass sie, obschon sie<br />

an Christus glaubten, nur langsam<br />

bestimmte Verhaltensweisen ablegten,<br />

die Gott verunehrten. Was er<br />

ihnen vorhält, ist, dass es jetzt, als<br />

er ihnen den Brief schreibt, immer<br />

noch so ist (3,2). Sie sind „fleischlich“<br />

(3,3), was so viel besagt, dass<br />

sie weitgehend so leben, als hätten<br />

sie den Geist Gottes nicht erhalten.<br />

Paulus stellt nicht in Frage, dass sie<br />

den Geist Gottes erhalten haben.<br />

Nur zeigen sie sich unreif, wenn<br />

es darum geht, das Evangelium auf<br />

das tägliche Leben anzuwenden.<br />

Die Frage, die sich hier stellt,<br />

ist: Wie kommt ein Christ dazu,<br />

das Evangelium so auf sein Leben<br />

anzuwenden, dass Gott verherrlicht<br />

wird? Die Antwort gibt Paulus<br />

in 2,6-16. Der Übergang vom<br />

Evangelium zu einem Leben zur<br />

Ehre Gottes wird durch Gottes<br />

Weisheit vollzogen. Paulus redet<br />

Gottes Weisheit zu den geistlich<br />

Gereiften. Er richtet sich mit der<br />

Botschaft von der Weisheit Gottes<br />

wohl an alle Christen. Aber nicht<br />

alle nehmen sie in gleicher Weise<br />

auf. Manche zeigen sich darin<br />

unreif, Gottes Weisheit zu verinnerlichen.<br />

Andere aber nehmen sie<br />

bereitwillig auf und erweisen sich<br />

damit als gereifte Christen. Oder<br />

aber sie fangen damit an, Gottes<br />

Weisheit anzunehmen, dann werden<br />

sie immer reifer. Die Botschaft<br />

von Gottes Weisheit, so wie Paulus<br />

von ihr spricht, ist nicht identisch<br />

mit dem Wort vom Kreuz, sondern<br />

sie ist die Anwendung des Evangeliums<br />

auf das tägliche Leben. Und<br />

zwar fragt sich derjenige, der gereift<br />

ist: „Wird durch das, was ich tue<br />

und lasse, Gott verherrlicht oder<br />

nicht?“<br />

Der ganze erste Korintherbrief<br />

ist eine Hilfestellung von Paulus,<br />

um Gottes Weisheit zu verinnerlichen.<br />

Er redet, immer wieder<br />

vom Evangelium ausgehend und<br />

zu ihm zurückkehrend, von Gottes<br />

Weisheit. Er sagt den Christen<br />

in Korinth zum Beispiel, was im<br />

Bereich der Sexualität Gott verherrlicht<br />

und was nicht. Jegliche<br />

sexuelle Unmoral verunehrt Gott,<br />

daher sollen Christen sie unbedingt<br />

vermeiden (6,18-20). Und Verheiratete<br />

verherrlichen Gott, wenn<br />

sie einen regelmäßigen ehelichen<br />

Verkehr pflegen (7,1-5). Unverheiratete<br />

verherrlichen Gott, wenn<br />

sie glücklich ehelos leben können<br />

und enthaltsam sind (7,37). Paulus<br />

gibt auch überhaupt nicht alle<br />

Antworten auf jegliche Lebenslage.<br />

Er nennt einige Grundsätze und<br />

wägt dann ab, welche Vorteile Ehelosigkeit<br />

gegenüber dem Ehestand<br />

haben kann. Hier überlässt er dem<br />

Einzelnen die Freiheit, selbstständige<br />

Entscheidungen zu treffen<br />

(7,25-35).<br />

Paulus redet Gottes Weisheit<br />

für geistlich gereifte Christen. Und<br />

wenn sie noch unreif sind, reifen sie<br />

dadurch heran, dass sie die Grundsätze,<br />

die Paulus entfaltet, verinnerlichen.<br />

Damit das geschieht, ist<br />

Paulus nicht nur Lehrer, sondern<br />

auch Vorbild. Er verkörpert Gottes<br />

Weisheit darin, wie er selbst<br />

lebt. Diese Weisheit Gottes zeigt<br />

er in der Art und Weise, wie er die<br />

Korinther ermutigt, ermahnt und,<br />

wenn es sein muss, auch beschämt.<br />

Er verhält sich aber in allem ihnen<br />

gegenüber wie ein Vater (4,14-17).<br />

Er erzählt ihnen, wie er selbst auf<br />

Rechte und auf gesellschaftliches<br />

Ansehen verzichtet, damit er möglichst<br />

frei und wirksam anderen das<br />

Evangelium bezeugen kann (9,19-<br />

23). Darauf aufbauend bittet er die<br />

Korinther: „Folgt meinem Beispiel,<br />

so wie ich dem Beispiel folge, das<br />

Christus uns gegeben hat“ (11,1).<br />

Das ist es, was wir auch heute<br />

brauchen. Wir brauchen Christen,<br />

die sich in der Lehre und im täglichen<br />

Leben als geistlich gereift<br />

erweisen. Wir brauchen Vorbilder,<br />

die unreifen Christen zeigen, wie<br />

ein Leben aussieht, in dem Gott<br />

verherrlicht wird.<br />

Jörg Wehrenberg (*1970) ist freiberuflicher<br />

Theologe. Er studierte Thelogie an<br />

der damaligen FTA Gießen und war anschließend<br />

als Pastor tätig.<br />

19


Warum ist <strong>Heiligung</strong><br />

so wichtig?<br />

Text: Jörn Krebs — Foto: Levi Tijerina<br />

„<strong>Heiligung</strong>“ im Leben eines Nachfolgers bedeutet, darin zu wachsen,<br />

Jesus ähnlicher zu werden. Wieso aber ist die <strong>Heiligung</strong> nicht „optional“,<br />

sondern „notwendig“, um das ewige Leben bei Gott zu erben?<br />

Wie diese Notwendigkeit zu verstehen ist und wie der göttliche und<br />

der menschliche Teil der <strong>Heiligung</strong> zusammenspielen, davon handelt<br />

der folgende Artikel.


Wieso ist es nicht okay, dass ich so<br />

bleibe, wie ich bin? ...Ist nicht eh<br />

alles Gnade? … Ist die Bemühung<br />

um <strong>Heiligung</strong> nicht eigentlich ein<br />

Streben nach Errettung aus Werken?“,<br />

kann man sich im Blick auf das Thema <strong>Heiligung</strong><br />

fragen. Wichtige Fragen, denen wir uns stellen wollen.<br />

Wieso ist nun das Wachstum hin zur Ähnlichkeit mit<br />

Jesus nicht optional, sondern notwendig (Hebräer<br />

12,14)? Jeder, der dies fragt, fängt am besten bei Gott<br />

an. Das Zeugnis der Bibel im Alten und im Neuen Testament<br />

ist in einem klar: Gott ist heilig! (vgl. Jesaja 6,2-<br />

5, Offenbarung 3,7; 4,8). Und er ist nicht nur heilig,<br />

sondern er will, dass sein Volk auch vollkommen heilig<br />

ist: „Denn ich bin der HERR, euer Gott. So heiligt euch<br />

und seid heilig, denn ich bin heilig! “(3. Mose 11, 44;<br />

vgl. 3. Mose 11, 45, 19,2; 20, 7). Auch Jesus spricht:<br />

„Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer<br />

Vater vollkommen ist“ (Matthäus 5, 48; vgl. Vers 8). So<br />

ermahnt auch Petrus: „wie der, welcher euch berufen<br />

hat, heilig ist, seid auch ihr im ganzen Wandel heilig!“<br />

(1. Petrus 1, 14-15). Der Grund für die Notwendigkeit<br />

der <strong>Heiligung</strong> ist also direkt in der Heiligkeit Gottes<br />

verankert und in seinen Ansprüchen an diejenigen, die<br />

seine Nachfolger sein wollen.<br />

<strong>Heiligung</strong>: passiv und aktiv<br />

Gott, als heiliger Gott, mit dem wir in einem Bund stehen,<br />

fordert nicht nur <strong>Heiligung</strong>, sondern er wirkt sie<br />

auch (vgl. 3. Mose 22, 32-33; Hebräer 13, 20-22). So<br />

beginnt die <strong>Heiligung</strong>, wie alles andere im Christenleben,<br />

allein mit der unverdienten Gunst Gottes und basiert<br />

stets auf ihr (1Thessalonicher 5, 23; Hebräer 13,<br />

20-21; 1Korinther 1, 30). Dies ist der göttliche Teil der<br />

<strong>Heiligung</strong>. Aus der Sicht der Menschen ist es der passive<br />

Teil der <strong>Heiligung</strong>. Neben diesem steht der von menschlicher<br />

Seite aktive Teil der <strong>Heiligung</strong>. 1 Als echte Hingabe<br />

an Gott (Römer 6, 13; 8, 13) bleibt echter Glaube<br />

nie allein, sondern vollendet sich in gottgefälligen Taten<br />

(Jakobus 2, 22-24). Es geht aber nicht um bloße<br />

äußere Konformität mit Gottes Gebot ohne durchdringende<br />

Realität, wie es die Pharisäer oft falsch verstanden,<br />

sondern um ein Wachsen in die Ebenbildlichkeit<br />

Christi im Wesen und Leben von innen nach außen, was<br />

Gottes Geist wirkt (2 Korinther 3, 18; Matthäus 5, 20;<br />

Galater 5, 22-23; Römer 8, 29). Die Zeitdauer unserer<br />

<strong>Heiligung</strong> ist ein weiter Aspekt der aktiven <strong>Heiligung</strong>.<br />

Die <strong>Heiligung</strong> erstreckt sich über das ganze Leben und<br />

verlangt aktive Mitarbeit, um die Errettung praktisch<br />

zu verwirklichen (Offenbarung 7, 13-17, Philipper 2,<br />

12-13, 2. Petrus 2, 20-22). Werke, Wesen, Zeitdauer:<br />

mindestens drei Komponenten hat allein der aktive Teil<br />

der <strong>Heiligung</strong>. Es wurde nun gesagt, <strong>Heiligung</strong> sei notwendig.<br />

Aber wie kann man sich diese Notwendigkeit<br />

vorstellen? Um das Wesen dieser Notwendigkeit zu illustrieren,<br />

dienen zwei Fallstudien anhand von zwei Reden<br />

Jesu.<br />

Einmal brannte es bei allen<br />

In Mitten seiner Endzeitreden richtet Jesus das Gleichnis<br />

der zehn Jungfrauen (Matthäus 25, 1-13) an ausgemachte<br />

Nachfolger.<br />

Das Gleichnis handelt davon, wie fünf weise und<br />

fünf törichte Jungfrauen mit ihren Lampen, oder wahrscheinlich<br />

sind es eher Fackeln, auf den Bräutigam<br />

warten, um sich der nächtlichen Hochzeitsprozession<br />

anzuschließen. Das Gleichnis lehnt sich an jüdische<br />

Hochzeitbräuche an, bei denen jeder um die Feierlichkeit<br />

des Anlasses zu ehren, seine eigene Fackel trug. 2<br />

Vom Anfang des Gleichnisses wird streng zwischen<br />

den „weisen“ und den „törichten“ Jungfrauen unterschieden.<br />

Der einzige Unterschied: Die Weisen nehmen<br />

nicht nur ihre Fackeln, sondern auch zusätzliches Öl<br />

zum Nachfüllen mit, was die Törichten nicht tun (Verse<br />

2-4).<br />

Wie üblich warten sie auf das Erscheinen des Bräutigams<br />

und der nächtlichen Prozession, doch diese verspätet<br />

sich, so dass alle Jungfrauen schläfrig werden und<br />

letztlich einschlafen (Vers 5).<br />

Dann aber, vom ankündigenden Rufen der Freunde<br />

des Bräutigams aufgeweckt, stehen alle auf und entzünden<br />

alle ihre Fackeln (Verse 6-7). Alle warten nun<br />

in erhöhter Erwartung auf den Bräutigam. Doch nach<br />

unbekannter Zeit realisieren die törichten Jungfrauen,<br />

dass ihre Fackeln im Begriff sind zu erlöschen und richten<br />

eine Bitte an die weisen: „Gebt uns von eurem Öl!<br />

Denn unsere Fackeln erlöschen!“(Vers 8). Das heißt, es<br />

gab davor eine Zeit, in der der Unterschied an Vorbereitung<br />

dem beiläufigen Beobachter nicht ins Auge gefallen<br />

wäre!<br />

Wirklich genug vorbereitet?<br />

Erst in diesem Moment des überraschenden Rufes wird<br />

die mangelnde Vorbereitung der törichten Jungfrauen<br />

das erste Mal sichtbar. Sie waren vorbereitet, aber<br />

nicht vorbereitet genug! Die Verspätung des Bräutigams<br />

machte die Gesamtlage entbehrungsvoller und kritischer<br />

als je von den dummen Jungfrauen erwartet. Sie haben<br />

es nicht vergessen, Öl mitzubringen, denn ihre Lampen<br />

oder Fackeln hatten ein Maß an Öl, sondern sie hatten<br />

nicht ausreichend Öl für die Herausforderung, die sich<br />

ihnen im Laufe der Zeit stellen sollten.<br />

Als alle noch auf den Bräutigam warten, gehen die<br />

törichten Öl kaufen, und der Bräutigam kommt und<br />

nimmt diejenigen, die unmittelbar bereit sind, mit hinein<br />

in die verschlossenen Räume der Hochzeitsfeierlichkeiten<br />

(Vers 10). Später kommen die törichten Jungfrauen<br />

und rufen leidenschaftlich: „Herr, Herr, öffne<br />

uns!“ Er aber weist sie ab und antwortet: „... ich kenne<br />

euch nicht!“(Verse 11-12), was nicht ein Ausdruck des<br />

Nichtwissens, sondern des persönlichen Scheltens ist.<br />

Ein sehr entscheidendes Merkmal des Gleichnisses<br />

ist das Prinzip des „Nicht-Ausreichens“. Es wiederholt<br />

sich viermal: Fackeln erlöschen (Vers 8b); Die weisen<br />

1 Vgl. Wayne Grudem, Biblische Dogmatik: Eine Einführung in die<br />

systematische Theologie (Bonn, Hamburg: VKW, arche-medien,<br />

2013) 835.<br />

2 Vgl. D.A. Carson, 'Matthew', in: Frank E. Gaebelein (Hrg.) The<br />

Expositor's Bible Commentary: Matthew, Mark, Luke (Grand Rapids:<br />

Zondervan, 1984) 513.<br />

21


antworten:„Nein, damit es nicht etwa für uns und für<br />

euch nicht ausreiche!“(Vers 9b); die törichten sind zu<br />

spät und die Tür geht zu (Vers 10): Der Bräutigam antwortet:<br />

„... ich kenne euch nicht!“(Vers 11-12). All dies<br />

weist auf die unterlassenen aktiven Vorbereitungen hin.<br />

Äusserer Schein oder aktives Sein?<br />

Viele Versuche wurden unternommen, das „Öl“ zu deuten.<br />

Doch die geläufigen Varianten widerstreben dem<br />

Rat der weisen Jungfrauen an ihre Begleiterinnen, als<br />

seien dies menschlich machbare Möglichkeiten: weder<br />

gute Werke, rettenden Glauben, Gnade oder den Heiligen<br />

Geist kann irgendjemand kaufen. Ohne die Symbolik<br />

einzelner Details zu überspannen, kann man am sichersten<br />

sagen, dass das Öl als erzählerische Größe wohl<br />

lediglich dazu dient, den Punkt des Vorbereitet-Seins<br />

hervorzuheben. Es steht im weitesten Sinn für alles, was<br />

eine Einzelperson lebenspraktisch tun muss, um aktiv<br />

vorbereitet vor dem Herrn zu stehen. 1<br />

Im Gleichnis kommt der Punkt, an dem es unmöglich<br />

ist, den Schaden, der durch das Versäumen und<br />

Unterlassen entstanden ist, wieder gut zu machen. Die<br />

letztliche Schelte (Vers 12) ist eine Verwerfung derjenigen,<br />

welche gegen den äußeren Anschein, niemals aktiv<br />

Vorbereitungen trafen. 2 Wie sehr der äußere Schein<br />

zeitweise täuschen kann, darauf weist das Gleichnis hin<br />

und was für eklatante Folgen es hat, aktive Vorbereitungen<br />

zu unterlassen. Im Gegensatz dazu stehen die weisen<br />

Jungfrauen, die aktiv vorbereitet zur rechten Zeit zu seiner<br />

Ehre bereitstehen.<br />

Wie Reben am Weinstock<br />

Eine Passage, die die Verbundenheit von passiver und<br />

aktiver <strong>Heiligung</strong> illustriert und gleichzeitig vor der<br />

Unterlassung aktiver Teilnahme warnt, ist die Rede Jesu<br />

von sich als Weinstock (vgl. Johannes 15, 1-16). Die<br />

fruchtbringenden, bzw. nicht-fruchtbringenden Reben<br />

sind als Ausgangsposition des Gleichnisses zugleich im<br />

Weinstock und stehen für zwei Personengruppen. Die<br />

nicht-fruchtbringenden werden weggenommen (Vers<br />

2). Mit diesen wird eine Person assoziiert, welche nicht<br />

in Jesus bleibt. Als Folge wird diese „weggeworfen wie<br />

eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft<br />

sie ins Feuer und sie müssen brennen“ (Vers 6).<br />

Die Reben aber, die Frucht bringen, werden gereinigt,<br />

damit sie noch mehr Frucht bringen, was etwas<br />

mit guten Werken zu tun hat (Vers 2 und 8). Erneutes<br />

passives Gereinigtwerden und aktives Fruchtbringen<br />

sind bildhaft übertragbar auf das Thema passiver und<br />

aktiver <strong>Heiligung</strong>. Letztlich aber ist alles eine Frage des<br />

In-Jesus-Bleibens, was eine interessante Mischung aus<br />

passivem und aktivem Handeln ist. In diesem Bild gesprochen<br />

greifen aktive und passive <strong>Heiligung</strong> mehrfach<br />

in einander über. Es ist eine erste Welle aus Zusprüchen<br />

göttlichen Wirkens in Verbindung mit Aspekten aktiver<br />

Teilnahme menschlicherseits (In-Jesus-Bleiben und<br />

Fruchtbringen) (Verse 3-5). Dieses Thema wiederholt<br />

1 Vgl. Craig L. Blomberg, Interpreting the Parables (Downers Grove:<br />

Intervarsity Press, 1990) 196.<br />

2 Vgl. Carson, Matthew, 514.<br />

sich kurz darauf, da Jesus spricht: „Wie der Vater mich<br />

geliebt hat, habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner<br />

Liebe!“(Johannes 15, 9). Diese Abfolge und Kombination<br />

ist ein Zeichen dafür, wie nahe Jesus den vollkommen<br />

passiven Teil unserer Rechtfertigung und <strong>Heiligung</strong><br />

allein aus Gnade mit unserem aktiven Teil zusammen<br />

denkt. Sie gehören untrennbar zusammen!<br />

Wie der Sohn im Vater: Gehorsam als<br />

Mittel in Liebe zu „bleiben“<br />

Kurz zuvor hatte Jesus zu seinen Jüngern gesagt: „Wenn<br />

ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten“ (Johannes<br />

14, 15; vgl. 21, 23-24). Und spricht damit die Gesetzmäßigkeit,<br />

dass sich echte Hinwendung zu Gott im<br />

Gehorsam äußern wird. Doch im nächsten Satz äußert<br />

er: „Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner<br />

Liebe bleiben“(Johannes 15, 10). Wir halten seine Rede<br />

mitten im Satz an, um Jesus besser zu verstehen. Jesus<br />

erklärt in dieser Hinsicht Gehorsam nicht, wie kurz zuvor<br />

als Hinweis ihrer Liebe, sondern als Mittel, in seiner<br />

Liebe zu bleiben! 3 (vgl. Judas 21; 1. Johannes 3, 24; 4,<br />

16) Das ist bisher nichts weniger als eine große Herausforderung.<br />

Doch bevor Jesus den Satz zu Ende führt, hat<br />

er die Herausforderung zusätzlich erhöht. Er fährt fort:<br />

„wie auch ich die Gebote meines Vater gehalten habe<br />

und in seiner Liebe bleibe“(Johannes 15, 10). Dies sagte<br />

Jesus kurz vor seinem ultimativen Leiden am Kreuz,<br />

dem ultimativen Gehorsamsakt gegenüber seinem Vater.<br />

Die Logik dahinter ist klar: „Wenn wir die Empfänger<br />

der Liebe Jesu auf eine Weise geworden sind, die vergleichbar<br />

ist, wie er die Liebe des Vater empfangen hat,<br />

dann müssen auch wir mit genau demselben Mittel in<br />

der Liebe Jesu bleiben, wie er in der Liebe des Vaters<br />

geblieben ist: Gehorsam. Und zwar dem totalen Gehorsam,<br />

den Jesus bezeugte und lebte (Johannes 8, 29).“ 4 Im<br />

Johannesevangelium wird der Gehorsam Jesu als einer<br />

der zentralen Aspekte dargestellt, die ihn als Messias ausmachen<br />

(z.B. Johannes 4, 34; 5, 19-21; 6, 38; 8, 29, 55).<br />

An anderer Stelle versichert dieser Gehorsam Jesu, dass<br />

sein Tun wirklich göttlich ist (vgl. Johannes 5, 19-20).<br />

Die praktische Spannung zwischen diesem Anspruch,<br />

den wir schuldig sind zu erfüllen und der Lebensrealität<br />

gefallener Nachfolger wird im 1. Johannesbrief vertieft<br />

(vgl. z.B. 1. Johannes 1, 6-10; 2, 3-6; 3, 24;). Allgemein<br />

lässt sich sagen, dass sich im Evangelium der Anspruch<br />

des neuen Gesetzes und der Zuspruch göttlicher Gnade<br />

gegenseitig vertiefen. 5<br />

3 Vgl. D.A. Carson, Farewell Discourse and Final Prayer of Jesus: An<br />

Exposition of John 14-17 (Grand Rapids: Baker Book House, 1980)<br />

98.<br />

4 D.A. Carson, The Gospel according to John (Cambridge, Grand<br />

Rapids, Leicester: Eerdmans, Apollos, 1991) 520.<br />

5 Vgl. Ebd, 520-521. John M. Frame, Doctrine of the Christian Life<br />

(Phillipsburg: P&R Publishing, 2008) 915-917. Frame schreibt<br />

u.a. im Blick auf das neue Gesetz der Liebe (Johannes 13, 34-35):<br />

„Der Standard der Liebe ist nun die Weise, wie sich Christus selbst<br />

für uns am Kreuz hingegeben hat. Liebe ist immer noch ein göttliches<br />

Gebot, ein Teil des Gesetzes. Aber das Werk Christi hat das<br />

Gebot auf radikale Weise vertieft. ... Gesetz und Gnade sind in<br />

einander verwickelt. Das Gesetz definiert unsere Not, welche das<br />

Evangelium sättigt. Das Evangelium zeigt uns die wahre Tiefe des<br />

Gesetzes und wendet uns zu einem Leben von Buße und Glauben.“<br />

(Seite 916-917) (vgl. 1. Johannes 4, 11-12, 16)<br />

22


Es ist die Verantwortung eines<br />

Nachfolgers, in der Liebe Jesu zu bleiben!<br />

Der Urheber des Heils ruft<br />

Aber es ist überaus deutlich, wie Jesus den Anspruch<br />

nach radikalem Gehorsam nicht als bloße moralische<br />

Weisung weitergibt, mit der Erwartung, dass seine Hörer<br />

dies aus sich heraus könnten. Im Gegensatz dazu<br />

weist er seine Jünger auf sich und sein Werk als den<br />

Anfang und Ausgangspunkt hin, um ihm im Gehorsam<br />

zu folgen! (vgl. Johannes 15, 10b). Es heißt später:<br />

„[Er] lernte, obwohl er Sohn war, an dem, was er litt,<br />

den Gehorsam; und vollendet ist er allen, die ihm gehorchen,<br />

der Urheber ewigen Heils geworden“ (Hebräer<br />

5, 8-9). Mit anderen Worten: Der Sieg seines Gehorsams<br />

am Kreuz wird zur Quelle unseres Gehorsams in<br />

unserem Leben, und unser Gehorsam wird zum Mittel,<br />

in seiner Liebe zu bleiben (vgl. Johannes 15, 9-10).<br />

Ein spannungsreicher Kreis schließt sich. Und wir tun<br />

gut daran, ihn nicht zugunsten unserer Bequemlichkeit<br />

aufzulösen, indem wir die Notwendigkeit der <strong>Heiligung</strong><br />

locker nehmen!In dem Aspekt des Gehorsams als Mittel,<br />

in der Liebe Gottes zu bleiben, liegt der Ruf zur aktiven<br />

<strong>Heiligung</strong>! Und der Ruf dazu ergeht durch niemand geringeren,<br />

als den ewigen und gehorsamen Sohn, der das<br />

perfekt abbildende und absolut gültige Wort des Vaters<br />

ist (vgl. Johannes 1, 1-3; Offenbarung 19, 11-15). Er hat<br />

das Erlösungswerk vollbracht! (vgl. Johannes 19, 30).<br />

Der Ruf nach der Forderung aktiver <strong>Heiligung</strong> ist<br />

eindeutig zu unterscheiden von einer Rückkehr zur<br />

Werksgerechtigkeit (Matthäus 22, 4, 9, 12; Johannes 15,<br />

3) und ist in keiner Weise eine Verwerfung einer hohen<br />

Sicht göttlicher Erwählung (Matthäus 22, 14; Johannes<br />

15, 16), auch wenn menschlicherseits eine Spannung<br />

bleibt. 6 Es ist die Verantwortung eines Nachfolgers, in<br />

der Liebe Jesu zu bleiben, und er verwirklicht dies durch<br />

Gehorsam, einem Ausdruck aktiver <strong>Heiligung</strong>.<br />

In der Lebenswirklichkeit<br />

Für die eigene Lebenswirklichkeit ist zu bedenken:<br />

• Ist bei mir wirklich alles Jüngerschaft oder Nachfolge,<br />

was ich so nenne? Bin ich wirklich bereit, den<br />

Preis zu zahlen, den nicht ich, sondern den Jesus<br />

nennt? Oder bin ich nur mein „eigener“ Jünger und<br />

folge letztlich nur mir selbst und meiner Nase?<br />

Dem vermeintlich Sicherem und im Glauben Bequemem<br />

sei daher gesagt: Wie nahe kannst du im<br />

Glauben bzw. in der Nachfolge „erscheinen“, aber es<br />

nicht sein? Der Unterschied ist letztlich gravierend<br />

(vgl. Offenbarung 21, 8, 27).<br />

• Was nicht mit einem Ruf aktiver <strong>Heiligung</strong> gemeint<br />

ist, ist Menschen zu verunsichern, die sich bereits intensiv<br />

danach sehnen, dass ihr Wesen und Leben von<br />

Gott verändert wird und sie in Ähnlichkeit zu Jesus<br />

wachsen. Ihr Streben danach wird von Gott reichlich<br />

belohnt (2. Petrus 1, 5-11). In aller scheinbaren<br />

Schwachheit hat Gott seinen Weg und der Schwache<br />

ist bereits in Christus wohlgefällig! (Sprüche 24,<br />

16; Psalm 51, 19; Zefanja 3, 16-17; Offenbarung 7,<br />

13-17). Das Evangelium der Gnade ist der Weg des<br />

Lebens, auf dem wir gehen und Lebensveränderung<br />

finden. 7 Der Herr weiß, dich zu seiner Ehre makellos<br />

zu bewahren und in großer Freude gottgefällig<br />

vorzubereiten! (vgl. Judas 24-25).<br />

6 Denn sonst hätte Paulus auch nicht sagen können, was in Hinsicht<br />

beider möglicher Einwände gilt: „Daher, meine Geliebten ...<br />

bewirkt euer Heil mit Furcht und Zittern! Denn Gott ist es, der<br />

in euch wirkt, sowohl das Wollen als auch das Wirken zu seinem<br />

Wohlgefallen“ (Philipper 2, 12-13). Es geht nicht um das Erlangen<br />

von Perfektion oder darum, sich das Heil aus sich zu verdienen.<br />

Sondern es geht darum, lebenspraktisch in ein Erbe einzutreten<br />

und dieses einzulösen, was durch göttliche Gnade bereitet wird.<br />

Offenbar kann das äußerst intensiv sein.<br />

Echter Glaube erweist sich gerade darin, dass er bis ans Ende<br />

anhält (vgl. Hebräer 3, 14; 2 Johannes 9; Matthäus 10, 22; 24,<br />

12-13) und unechter Glaube darin, dass er dies nicht tut (vgl.<br />

Markus 4, 16-19; 1 Johannes 2, 19; 3,9). (vgl. Carson, Farewell<br />

Discourse, 97-99.) Aber damit ist nicht gesagt, dass es unter echten<br />

Gotteskindern keine Zeiten von Glaubensschwäche, Verirrungen<br />

oder Rückfällen gäbe (vgl. Johannes 16, 30-33; Jakobus 5, 19-20).<br />

Doch die wiederholte Rückkehr zu gehorsamem Glauben als Ausdruck<br />

aktiver <strong>Heiligung</strong> ist auch auf dieser Wegstrecke des Lebens<br />

unerlässlich. Hierbei geht es aber nicht um die Praxis ständiger<br />

„Fehlersuche“ bei sich und anderen und die unaufhörliche Angst<br />

vor Fehlern oder Gottes Strafe (vgl. 1. Johannes 3, 20; 4, 16-19;<br />

Matthäus 25, 24-26). Bei Fragen zu den Themen 'Christ bleiben',<br />

göttliche Bewahrung des Heils der Gläubigen und persönliche<br />

Heilsgewissheit siehe: Grudem, Biblische Dogmatik, 873-899.<br />

Jörn Krebs (*1983) wohnt und arbeitet in der Schweiz. Nach<br />

seinem Theologiestudium arbeitet er an einer Forschungsarbeit<br />

über John Owen. Zudem ist er auch als Prediger aktiv. Jörns<br />

Blog: www.gottundleben.wordpress.com<br />

7 vgl. Scott Thomas und Tom Wood, Gospel Coach: Sheperding Leaders<br />

to Glorify God (Grand Rapids: Zondervan, 2012) 98.<br />

23


SCHRIFTGELEHRT<br />

Die Rubrik zum<br />

Alten Testament.


Lektion in Heiligkeit<br />

Text: Andreas Münch — Foto: Kevin Russ<br />

Wenn es um das Thema <strong>Heiligung</strong> im Alten Testament geht, muss<br />

man gar nicht lange überlegen, welches alttestamentliche Buch am<br />

aussagekräftigsten ist. Denn Gott ist die <strong>Heiligung</strong> Seines Volkes so<br />

wichtig, dass Er ein ganzes Buch dazu aufschreiben ließ. Ein Buch,<br />

das heute mit die wenigste Beachtung in unseren Gemeinden findet<br />

– Levitikus oder auch 3. Buch Mose genannt.<br />

Ich gebe zu, dass dieses Buch keine einfache Lektüre<br />

darstellt. Doch in diesem Artikel möchte<br />

ich dir gerne aufzeigen, warum dieses Buch seinen<br />

Platz in der Bibel hat und welchen Wert es<br />

für dich heute hat.<br />

Wie eine erweiterte Fassung<br />

Im Regal mit meinen DVDs steht unter anderen auch<br />

die Herr-der-Ringe-Trilogie von Peter Jackson. Und<br />

zwar die erweiterte Fassung. Im Gegensatz zur Kinofassung<br />

enthält die Special Edition fast 3 Stunden mehr<br />

Spielfilm! Sofern man die Filme mag und einmal die<br />

erweiterte Fassung gesehen hat, wird man vermutlich<br />

nicht mehr auf die normale Fassung zurückgreifen wollen.<br />

Zumindest geht es mir so. Warum wohl? Nun, in<br />

der erweiterten Fassung werden viele Dinge gezeigt und<br />

erklärt, die der ganzen Geschichte viel mehr Tiefe verleihen,<br />

so dass man die Story viel besser verstehen und<br />

nachvollziehen kann.<br />

In der Unterhaltung – wie bei einem Film – ist dieses<br />

Prinzip der Vertiefung von gewissen Dingen angenehm,<br />

aber nicht notwendig. Im echten Leben hingegen ist<br />

es oftmals unentbehrlich, wie z.B. bei der Kindererziehung.<br />

In Bezug auf die geistlich realen und ewigen Dinge<br />

Gottes ist es absolut lebensnotwendig!<br />

Was hat das Ganze nun mit <strong>Heiligung</strong> zu tun? Nun,<br />

das 3. Buch Mose ist im Grunde die erweiterte Fassung<br />

von Exodus, dem 2. Buch Mose. Exodus ist das Buch, in<br />

dem Gott sich als Jahwe, dem Gott Israels, vorstellt. In<br />

3. Mose stellt sich Gott Seinem Volk weiter vor, so dass<br />

es wirklich ein Gespür für Sein Wesen bekommt. Da die<br />

alles überragende Eigenschaft Gottes Seine Heiligkeit<br />

ist, verwundert es nicht, dass Gott diesem Thema ein<br />

ganzes Buch widmete.<br />

Unterricht in Heiligkeit<br />

Nachdem sich Gott den Israeliten vor allem als der Allmächtige<br />

anhand der 10 Plagen und dem Auszug aus<br />

Ägypten offenbarte und das Volk in der Wüste lagerte,<br />

war es an der Zeit, ihnen das Wesen und die Prinzipien<br />

der Heiligkeit aufzuzeigen.<br />

Das Buch Exodus endete mit dem Bericht, dass die<br />

Israeliten die Stiftshütte einweihten und Gott sichtbar<br />

für das Volk in Form einer Wolke das Allerheiligste erfüllte<br />

(vgl. 2. Mose 40,34-35). 3. Mose beginnt damit,<br />

dass Gott Mose zu sich in die Stiftshütte ruft, um ihn<br />

und den Priester Aaron über Seinen Willen zu informieren.<br />

Was nun folgt ist die längste wörtliche Rede Gottes<br />

in der ganzen Bibel. Bis auf die Amtseinführung von<br />

Aaron und seinen Söhnen in den Priesterdienst in den<br />

Kapiteln 8-10 und einem Bericht in Kapitel 24,10-23<br />

enthält 3. Mose ausschließlich Anweisungen Gottes, die<br />

ein großes Ziel verfolgen – das Volk in Sachen Heilig-<br />

25


keit zu unterrichten: Und ihr sollt<br />

mir heilig sein, denn ich bin heilig,<br />

ich der HERR. Und ich habe euch<br />

von den Völkern ausgesondert, um<br />

mein zu sein (3. Mose 20,26).<br />

Warum war es überhaupt nötig,<br />

dass Gott einen solchen Schwerpunkt<br />

auf die <strong>Heiligung</strong> Seines<br />

Volkes legte? Eine klare Antwort<br />

liefert A.W. Tozer: „Vierhundert<br />

Jahre lang lebte das Volk Israel in<br />

Ägypten und war während dieser<br />

Zeit von einer der schlimmsten<br />

Formen des Götzendienstes umgeben.<br />

Durch Moses Hilfe konnten<br />

sie schließlich dieses Land verlassen<br />

und machten sich auf den Weg<br />

in das Land der Verheißung. Sie<br />

hatten jede Vorstellung von dem,<br />

was heilig ist, verloren. Um diesen<br />

Zustand zu korrigieren, fing Gott<br />

ganz unten an. Er zeigte sich ihnen<br />

in der Wolke und im Feuer, und<br />

als später die Stiftshütte gebaut<br />

wurde, war er in der Feuerflamme<br />

im Allerheiligsten gegenwärtig.<br />

Durch unzählige Unterscheidungen<br />

lehrte Gott das Volk Israel den<br />

Unterschied zwischen heilig und<br />

nicht-heilig. Es gab heilige Tage,<br />

heilige Gefäße, heilige Gewänder;<br />

es gab Waschungen und Opfergaben<br />

der unterschiedlichsten Art.<br />

Mit Hilfe dieser Dinge lernte das<br />

Volk Israel zu erkennen, daß Gott<br />

heilig ist. Das war es, was Gott<br />

ihnen zeigen wollte, nicht daß bestimmte<br />

Dinge oder Orte heilig<br />

sind. Sie sollten die Heiligkeit Gottes<br />

erkennen und begreifen.“ 1<br />

Was Gott Israel hier in der<br />

Wüste vor tausenden von Jahren<br />

offenbarte, hat an Relevanz für uns<br />

Christen nichts eingebüßt, denn<br />

das grundlegende Prinzip der <strong>Heiligung</strong><br />

der Kinder Gottes gilt uns<br />

gleichermaßen. Der Apostel Petrus<br />

zitiert aus 3. Mose 11,44-45<br />

und kommentiert: Richtet euch<br />

als gehorsame Kinder Gottes nicht<br />

mehr nach den eigensüchtigen<br />

1 Aiden Wilson Tozer, Gottes Nähe suchen,<br />

Hänssler, 2008, S.125.<br />

Wünschen aus jener früheren Zeit,<br />

als ihr noch nichts von Christus<br />

wusstet. Der, der euch berufen hat,<br />

ist heilig; darum sollt auch ihr ein<br />

durch und durch geheiligtes Leben<br />

führen. Es heißt ja in der Schrift:<br />

„Ihr sollt heilig sein, denn ich bin<br />

heilig“ (1. Petrus 1,14-16).<br />

Diese Aufforderung zur <strong>Heiligung</strong><br />

finden wir im 3. Buch Mose<br />

insgesamt sechs mal (3. Mose<br />

11,44-45; 19,2; 20,7.26; 21,8).<br />

Interessant dabei ist, dass dieses<br />

Gebot einzigartig ist. Von keinem<br />

anderen Volk des Alten Testaments<br />

wissen wir, dass ein ähnlicher Befehl<br />

ergangen wäre. Nur der Gott<br />

der Bibel gebietet die <strong>Heiligung</strong>,<br />

weil Er selber heilig ist!<br />

Gehen wir nun auf die Frage<br />

ein, was das praktisch zu bedeuten<br />

hat. Denn sicherlich hast du dir<br />

schon einmal die Frage gestellt, was<br />

all die einzelnen Opferanweisungen<br />

und rituellen Vorschriften zu<br />

bedeuten haben?<br />

All die verschiedenen Opfer<br />

und Rituale sollen im Kern zwei<br />

wichtige geistliche Prinzipien vermitteln.<br />

1. Wie ist Gemeinschaft<br />

mit einem heiligen<br />

Gott möglich? – Die<br />

Grundlage für die<br />

<strong>Heiligung</strong> im Alten<br />

Testament<br />

Allzu viele Religionen und Prediger<br />

stellen die Beziehung zwischen<br />

Gott und Mensch so dar, als ob es<br />

das einfachste der Welt wäre. Die<br />

Bibel – und insbesondere 3. Mose<br />

– stellt jedoch fest, dass es alles andere<br />

als leicht ist, eine Beziehung<br />

zu diesem heiligen Gott zu haben.<br />

Unsere von der Sünde verdorbene<br />

Natur macht es absolut unmöglich,<br />

dass wir uns Gott nahen können.<br />

Eine Beziehung zu Gott kann<br />

erst stattfinden, wenn Gott uns<br />

von unserer Sünde befreit. Und<br />

dazu sind Opfer nötig. In den<br />

Kapiteln 1-16 lesen wir von zahlreichen<br />

Opfervorschriften, die die<br />

Israeliten einhalten mussten, damit<br />

Gott ihnen ihre Schuld vergeben<br />

konnte. Insbesondere in Kapitel 16<br />

wird das deutlich illustriert anhand<br />

des großen Versöhnungstages. An<br />

diesem Tag wurden die Sünden des<br />

ganzen Volkes von einem Jahr gesühnt.<br />

Was die Israeliten – und wir<br />

– lernen sollten war, dass die Beziehung<br />

zu Gott etwas kostet – und<br />

zwar nicht wenig.<br />

Angesichts der Heiligkeit<br />

Gottes sollten dennoch Zweifel<br />

aufkommen, ob diese alttestamentlichen<br />

Tieropfer vollkommen<br />

ausreichend waren, um umfassend<br />

für die Sünde zu bezahlen. Und<br />

die Antwort ist ein klares Nein!<br />

Denn all die Opfer waren lediglich<br />

ein Hinweis auf das vollkommene<br />

Opfer, das im stellvertretenden Tod<br />

Jesu am Kreuz von Golgatha seinen<br />

Ausdruck fand. Denn der Schreiber<br />

des Hebräerbriefes schrieb: Jetzt<br />

aber ist diese Zeit angebrochen,<br />

denn jetzt ist Christus gekommen,<br />

der Hohepriester, der uns die wahren<br />

Güter gebracht hat. Er hat ein<br />

größeres und vollkommeneres Zelt<br />

durchschritten, ein Zelt, das nicht<br />

von Menschen gemacht wurde und<br />

nicht zu dieser Schöpfung gehört.<br />

Und was ihm den Weg ins Heiligtum<br />

öffnete, war nicht das Blut von<br />

Böcken und Kälbern, sondern sein<br />

eigenes Blut. Ein einziges Mal ist er<br />

hineingegangen, und die Erlösung,<br />

die er bewirkt hat, gilt für immer<br />

und ewig (Hebräer 9,11-12).<br />

3. Mose möchte uns verstehen<br />

helfen, was es Gott gekostet hat,<br />

die Beziehung zu Ihm wiederherzustellen.<br />

2. Wie sieht die<br />

Gemeinschaft mit<br />

einem heiligen Gott<br />

aus? – Die Praxis der<br />

<strong>Heiligung</strong> im Alten<br />

Testament<br />

Nachdem durch die Opfer deutlich<br />

geworden war, wie die Beziehung<br />

zu Gott ermöglicht wurde, ging es<br />

im Weiteren darum, wie sich Gott<br />

26


die Beziehung praktisch vorstellte.<br />

Wie gestaltete sich die Beziehung<br />

und das alltägliche Leben mit einem<br />

heiligen Gott? Diese Frage<br />

wird in den Kapiteln 17-27 beantwortet.<br />

Anhand von zahlreichen<br />

praktischen Beispielen lehrte Gott<br />

das Volk, was es für sie bedeutete,<br />

einen heiligen Lebenswandel zu<br />

führen: Und ihr sollt meine Gebote<br />

halten und sie tun. Ich bin<br />

der HERR. Und ihr sollt meinen<br />

heiligen Namen nicht entweihen,<br />

damit ich geheiligt werde in der<br />

Mitte der Söhne Israel. Ich bin der<br />

HERR, der euch heiligt (3. Mose<br />

22,31-32).<br />

Auch wenn die Anweisungen<br />

aus 3. Mose sich nicht mehr eins zu<br />

eins auf unser heutiges Leben übertragen<br />

lassen, so sind die Prinzipien<br />

dennoch dieselben. Wenn Paulus<br />

uns Christen schreibt, dass wir alles<br />

zur Ehre Gottes tun sollen, auch so<br />

alltägliche Dinge wie trinken und<br />

essen (vgl. 1. Korinther 10,31),<br />

dann möchte er damit sagen, dass<br />

<strong>Heiligung</strong> etwas Praktisches ist, das<br />

sich im Alltag zeigt. Genau die gleiche<br />

Absicht hat das 3. Buch Mose.<br />

Denn die Gebote und Rituale streifen<br />

jeden Bereich des menschlichen<br />

Lebens. Israels Nachbarvölker sollten<br />

das Leben von Gottes Volk beobachten<br />

und dabei erkennen, dass<br />

sie nach völlig anderen Maßstäben<br />

lebten als sie selber. Und genau das<br />

ist es auch, was wir als Christen<br />

ebenfalls tun sollen: Richtet euch<br />

nicht länger nach den Maßstäben<br />

dieser Welt, sondern lernt, in einer<br />

neuen Weise zu denken, damit ihr<br />

verändert werdet und beurteilen<br />

könnt, ob etwas Gottes Wille ist –<br />

ob es gut ist, ob Gott Freude daran<br />

hat und ob es vollkommen ist (Römer<br />

12,2).<br />

Ein entscheidender Unterschied<br />

ist, dass die Israeliten nicht<br />

in dem Maße vom Heiligen Geist<br />

unterrichtet wurden, wie es heute<br />

bei uns neutestamentlichen Gläubigen<br />

der Fall ist. Das Volk Israel<br />

brauchte in gewisser Weise all die<br />

einzelnen Regeln, um Gottes Willen<br />

zu erkennen. In unserem Fall<br />

geht es weniger darum, peinlich<br />

genau Regeln einzuhalten, sondern<br />

ein göttliches Prinzip zu verstehen<br />

und umzusetzen. Dabei unterstützt<br />

uns der Heilige Geist. Ein Beispiel<br />

dazu: Nach alttestamentlicher<br />

Weise würde Gott uns heute eine<br />

Liste mit Filmen geben und sagen:<br />

Den Film darfst du gucken und<br />

jenen nicht! Heute erwartet Gott<br />

von uns, dass wir mit Hilfe Seines<br />

Heiligen Geistes selber prüfen, ob<br />

es gut für uns ist, wenn wir einen<br />

bestimmten Film schauen. Das ist<br />

die christliche Freiheit, die wir heute<br />

haben.<br />

Doch auch unser Prinzip der<br />

Freiheit wird durch eine Weisung<br />

aus dem 3. Buch Mose näher definiert:<br />

Geschwister, ihr seid zur Freiheit<br />

berufen! Doch gebraucht eure<br />

Freiheit nicht als Vorwand, um die<br />

Wünsche eurer selbstsüchtigen Natur<br />

zu befriedigen, sondern dient<br />

einander in Liebe. Denn das ganze<br />

Gesetz ist in einem einzigen Wort<br />

zusammengefasst, in dem Gebot:<br />

„Du sollst deinen Nächsten lieben<br />

wie dich selbst“ (3. Mose 19,18 zitiert<br />

in Galater 5,13-14).<br />

Im Alten Testament gab Gott<br />

einzelne Anweisungen, was es praktisch<br />

bedeutete, seinen Nächsten<br />

zu lieben, z.B. gab es das Gesetz,<br />

dass man einem Tagelöhner noch<br />

am selben Tag seinen Lohn geben<br />

musste, damit dieser sich etwas<br />

zu essen kaufen konnte (3. Mose<br />

19,13). Im Neuen Testament sind<br />

die Befehle an uns Christen sehr<br />

allgemein gehalten, weil Gott uns<br />

durch Seinen Heiligen Geist befähigt,<br />

selber in der einzelnen Situation<br />

zu entscheiden, was nun Gottes<br />

Wille wäre oder was nicht.<br />

Auch wenn es gut ist, dass wir<br />

heute keinen Regelkatalog mehr<br />

haben, so sind die alttestamentlichen<br />

Gesetze doch eine wertvolle<br />

Hilfe für uns, um Gottes generellen<br />

Willen für unterschiedliche Situationen<br />

zu erfahren.<br />

Wie du siehst, steckt in diesem<br />

Buch mehr für uns Christen, als<br />

wir oftmals glauben. Unser ganzes<br />

Dasein als Christen, sowohl unsere<br />

Erlösung als auch unser Leben, bekommt<br />

eine viel tiefere Bedeutung<br />

vor dem Hintergrund, den wir in<br />

3. Mose finden.<br />

Aufgaben zum<br />

Bibelstudium<br />

• Du findest 49-mal die Worte<br />

„Ich bin der HERR“ in 3.<br />

Mose. Lese Lukas 6,46 und beantworte<br />

die Frage, ob es möglich<br />

ist, Jesus nur als Retter,<br />

aber nicht als Herrn über dein<br />

Leben anzunehmen?<br />

• In 3. Mose 19,11-18 findest du<br />

einige konkrete Gebote Gottes.<br />

Lies sie dir durch und überlege<br />

dir, welches Prinzip dahintersteckt<br />

und wie du es im Alltag<br />

praktisch umsetzen kannst.<br />

• In 3. Mose 11 findest du eine<br />

Auflistung von sogenannten<br />

reinen und unreinen Tieren.<br />

Vergleiche diesen Bibelabschnitt<br />

mit Markus 7,1-23.<br />

Was war die geistliche Lektion<br />

in 3. Mose 11 und welche die<br />

in Markus 7,1-23?<br />

• Buchtipp: Für einen ausführlichen<br />

praktischen Überblick<br />

über das Buch 3. Mose empfehle<br />

ich dir den Kommentar<br />

von Warren W. Wiersbe, Sei<br />

heilig – Sich für Gott aussondern<br />

lassen, Christliche Verlagsgesellschaft<br />

Dillenburg.<br />

Andreas Münch (*1984) ist Ehemann,<br />

Pastor der MBG Lage und Autor des vielbeachteten<br />

Buches ‚Der Wahre Gott der<br />

Bibel‘. Schreib Andreas auf Twitter:<br />

@AndreasMuench<br />

27


JOSIA<br />

Die Rubrik für<br />

junge Leute.<br />

Wahre Reformation ...<br />

beginnt mit dem Wort<br />

Text: Jochen Klautke — Foto: Cara Slifka


In den ersten beiden Teilen über den jungen König Josia haben wir<br />

uns den Beginn seiner Königsherrschaft angeschaut. Aufgewachsen<br />

war Josia in einer völlig gottlosen Umgebung und doch begann er<br />

schon sehr früh in seinem Leben Gott zu suchen. Vier Jahre lang<br />

suchte er von ganzem Herzen Gott und begann so mit der<br />

Reformation bei sich selbst. Nach diesen vier Jahren zog er los, um<br />

all das zu zerstören, was die Menschen errichtet hatten, um andere<br />

Götter anzubeten.<br />

Im nun folgenden dritten Teil der Serie geht es<br />

um das Wort Gottes und die Frage, welche Rolle<br />

es in der Reformation des Königs Josia einnahm.<br />

Grundlage sind weiterhin die Berichte in<br />

2. Könige 22-23 und 2. Chronik 34-35. Dabei<br />

ist zu beachten, dass der Bericht im zweiten Königebuch<br />

nicht chronologisch, sondern thematisch geordnet ist.<br />

Wenn ihr wissen wollt, welche Dinge Josia zu welchem<br />

Zeitpunkt getan hat, solltet ihr euch an dem Bericht im<br />

zweiten Chronikbuch orientieren. Mittlerweile war Josia<br />

26 Jahre alt und seit 18 Jahren König in Jerusalem.<br />

Stellen wir uns vor, er saß eines Tages in seinem Palast in<br />

Jerusalem. Vor acht Jahren hatte er begonnen, das Land<br />

systematisch von allen Spuren des Götzendienstes zu befreien.<br />

Nun war das Land zwar frei von Götzendienst,<br />

aber das hieß noch lange nicht, dass die Menschen wussten,<br />

wie sie den wahren Gott anbeten sollten. Während<br />

Josia so dasaß und seinen Blick über Jerusalem schweifen<br />

ließ, fiel sein Blick irgendwann auf den Tempel.<br />

Ausbesserungen am Haus der Häuser<br />

Was er dort sah, gefiel ihm allerdings überhaupt nicht.<br />

Der Tempel des wahren Gottes war in den letzten Jahrzehnten<br />

zu einem Götzentempel umfunktioniert worden.<br />

Josias Großvater Manasse hatte Götzentempel<br />

im Vorhof des Tempels errichten lassen und sogar ein<br />

Götzenbild in den Tempel selbst gestellt. An der Rückseite<br />

des Tempels waren Bordelle errichtet worden und<br />

ein Gottesdienst war im Tempel schon seit Jahrzehnten<br />

nicht mehr gefeiert worden. Das Gebäude des Tempels<br />

verfiel langsam - das Gebäude, von dem Gott gesagt<br />

hatte: „In diesem Haus will ich meinen Namen wohnen<br />

lassen ewiglich“ (2. Chronik 33,7). Schon seit einigen<br />

Jahrzehnten gab es einen Opferkasten am Eingang<br />

des Tempels, in dem Geld für die Instandhaltung des<br />

Tempels gesammelt wurde. (2. Könige 12,1-17). Aber<br />

es scheint so, als wäre zwar immer mehr Geld zusammengekommen,<br />

das jedoch von niemandem für dessen<br />

eigentlichen Zweck verwendet wurde. Josia war der erste,<br />

der das Geld in die Hand nahm, um das Haus Gottes<br />

auszubessern (2. Chronik 34,8-13). Er wusste, dass es zu<br />

einer Reformation dazugehört, das Falsche zu vernichten.<br />

Jahrelang war er durch die Gegend gereist und hatte<br />

alles niederreißen lassen, was den Götzendienst förderte.<br />

Aber er war auch überzeugt davon, dass das noch lange<br />

nicht genug war. Zu einer Reformation gehört nicht nur<br />

das Erkennen und Benennen von eigenen und fremden<br />

Sünden, sondern auch und vor allem die bewusste<br />

Förderung von wahrem Gottesdienst. Josia nahm das<br />

Geld aus dem Opferkasten und finanzierte davon die<br />

Instandsetzung des Tempels. Bei all dem hatte der König<br />

aber ein Problem. Das ganze Volk hatte nach über einem<br />

halben Jahrhundert Götzendienst vergessen, wofür der<br />

Tempel genau gedacht war. Dieses Problem löste sich,<br />

als die Bauarbeiter auf etwas stießen, bei dem wir uns<br />

heute wundern, wie man so etwas verlieren kann.<br />

Ausgegraben: Das Buch der Bücher<br />

Während die Männer am Tempel arbeiteten, um ihn<br />

wieder zu dem Ort zu machen, an dem Gott so angebetet<br />

werden konnte, wie er es verlangte, fanden sie dort eines<br />

Tages eine Schriftrolle mit dem Gesetz Gottes darin<br />

(2. Chronik 34,14-18). Es ist ja nicht außergewöhnlich,<br />

dass auf Baustellen Dinge zu Tage gefördert werden,<br />

die lange verschollen waren. Auch heute liest man fast<br />

täglich in der Zeitung von Dingen wie alten Stadtmauerresten<br />

oder Blindgängern aus dem zweiten Weltkrieg,<br />

die irgendwo bei Bauarbeiten gefunden werden. Aber es<br />

ist wirklich erstaunlich, dass das Wort Gottes für Jahre<br />

völlig verschollen war. Die Leute hatten nicht nur den<br />

Inhalt vergessen, sondern sie wussten noch nicht einmal,<br />

wo das Wort Gottes aufbewahrt war. Einerseits müssen<br />

wir berücksichtigen, dass jede Schriftrolle sehr wertvoll<br />

war, weil sie von Hand auf kostbares Material abgeschrieben<br />

werden musste und es deswegen nicht viele<br />

Exemplare gab. Aber andererseits entschuldigt das erst<br />

recht nicht, dass die wenigen wertvollen Abschriften des<br />

Gesetzes Gottes einfach weggeworfen worden waren. In<br />

unserem digitalen Zeitalter ist es unvorstellbar, die Bibel<br />

zu verlieren. Wir haben heute ständig irgendeine Bibel.<br />

Selbst wenn uns eine verloren geht, haben wir noch<br />

mindestens drei im Regal stehen, tausende im Internet<br />

zur Verfügung und mindestens zwei als App auf dem<br />

Smartphone. Aber der Teufel ist sehr anpassungsfähig.<br />

Heute sorgt er nicht mehr dafür, dass wir die Bibel verlieren,<br />

wie er es in den Jahren vor Josia getan hatte. Heute<br />

sorgt er dafür, dass wir so beschäftigt sind, dass wir<br />

das Wort Gottes ignorieren und verstauben lassen. Es ist<br />

29


zwar 7 Tage die Woche 24 Stunden<br />

lang nur einen Handgriff entfernt,<br />

aber die Zeit ist nicht mehr da, es<br />

zu lesen. Nicht, weil wir die Zeit<br />

nicht haben, sondern weil wir so<br />

viel anderes haben, durch das wir<br />

uns ablenken und zerstreuen lassen.<br />

Sind wir also wirklich so viel<br />

besser als die Menschen zur Zeit<br />

Josias? Zurück zu dem spektakulären<br />

Fund: Welche Kapitel des<br />

Alten Testaments genau der Inhalt<br />

dieses Gesetzbuches waren, das<br />

im Tempel gefunden wurde, wissen<br />

wir nicht mit Sicherheit. Aber<br />

sehr vieles deutet darauf hin, dass<br />

es sich bei der Schriftrolle um eine<br />

Abschrift des fünften Buches Mose<br />

handelte. Das fünfte Buch Mose<br />

ist nicht irgendein Buch. Es ist das<br />

letzte der Bücher, die Mose schrieb<br />

und war somit gleichzeitig der Abschluss<br />

und der Höhepunkt des<br />

Gesetzes Gottes. In diesem Buch<br />

blickt Mose anfangs auf die Gnade<br />

Gottes während der Wüstenwanderung<br />

zurück. Große Teile des<br />

Buches verwendet er dann jedoch<br />

darauf, dem Volk Anweisungen für<br />

das Leben vor Gott zu geben. Mose<br />

erinnert die Menschen daran, dass<br />

Gott sie nicht erwählt hat, weil sie<br />

so gut oder würdig waren, sondern<br />

dass es alleine an seiner Gnade lag,<br />

dass sie Ihn kennen durften (5.<br />

Mose 7,6-8). Und er warnt sie. Immer<br />

und immer wieder. Siehe, ich<br />

lege euch heute den Segen und den<br />

Fluch vor: den Segen, wenn ihr den<br />

Geboten des Herrn, eures Gottes,<br />

gehorsam seid, die ich euch heute<br />

gebiete; den Fluch aber, wenn<br />

ihr den Geboten des Herrn, eures<br />

Gottes, nicht gehorsam sein werdet<br />

und von dem Weg, den ich euch<br />

heute gebiete, abweicht, so dass<br />

ihr anderen Göttern nachfolgt, die<br />

ihr nicht kennt (5. Mose 11,26-<br />

28). Aber Mose bleibt dabei nicht<br />

stehen. In den darauffolgenden<br />

Versen heißt es immer wieder: All<br />

das wird auf dich kommen, wenn<br />

du ungehorsam bist. Später lesen<br />

wir dann: Und alle diese Flüche<br />

werden über dich kommen und<br />

dich verfolgen und einholen, bis<br />

du vertilgt sein wirst, weil du der<br />

Stimme des Herrn, deines Gottes,<br />

nicht gehorsam gewesen bist, seine<br />

Gebote und Satzungen zu befolgen,<br />

die er dir geboten hat (5. Mose<br />

28,45). Aus dem wenn wurde ein<br />

weil. Aus der Warnung wurde eine<br />

Prophezeiung. Es ist nicht so, dass<br />

das Volk in der Zukunft eventuell<br />

das Gesetz Gottes brechen wird,<br />

sondern Mose kündigt es als sicher<br />

an. Und die Folgen sind dramatisch:<br />

Der Herr wird ein Volk aus<br />

der Ferne gegen dich aufbieten,<br />

vom Ende der Erde, das wie ein<br />

Adler daherfliegt, ein Volk, dessen<br />

Sprache du nicht verstehen kannst,<br />

ein Volk mit hartem Angesicht, das<br />

keine Rücksicht kennt gegen den<br />

Greis und mit den Knaben kein Erbarmen<br />

hat. […] Und es wird dich<br />

bedrängen in allen deinen Toren,<br />

bis deine hohen und festen Mauern,<br />

auf die du in deinem ganzen<br />

Land vertraust, gefallen sind. Ja, es<br />

wird dich bedrängen in allen deinen<br />

Toren, in deinem ganzen Land,<br />

das dir der Herr, dein Gott, gegeben<br />

hat (5. Mose 28,49-50.52).<br />

Genau das war die Situation zu<br />

der Zeit, zu der Josia herrschte.<br />

Mittlerweile waren hunderte von<br />

Jahren ins Land gegangen. Und das<br />

Fass der Sünde des Volkes war voll.<br />

Josia wusste genau, dass das „Volk<br />

aus der Ferne“, von dem Mose damals<br />

sprach, nicht mehr weit weg<br />

war. Sein Urgroßvater Hiskia hatte<br />

Jerusalem nur durch ein Wunder<br />

Gottes noch einmal gegen die<br />

Übermacht aus Assyrien verteidigt<br />

(2. Könige 18-19), aber schon damals<br />

hatte der Prophet Jesaja angekündigt,<br />

dass das Gericht nur aufgeschoben<br />

und nicht aufgehoben<br />

war (2 Könige 20,17). Aber das<br />

fünfte Buch Mose endet nicht mit<br />

dieser düsteren Zukunftsaussicht.<br />

Am Ende steht auch im Gericht<br />

Gottes Gnade, die alles überstrahlt:<br />

Es wird aber geschehen, wenn alle<br />

diese Worte über dich kommen<br />

werden, der Segen und der Fluch,<br />

die ich dir vorgelegt habe, und du<br />

es dir zu Herzen nimmst unter all<br />

den Heidenvölkern, unter die dich<br />

der Herr, dein Gott, verstoßen hat,<br />

und wenn du umkehrst zu dem<br />

Herrn, deinem Gott, und seiner<br />

Stimme gehorchst in allem, was<br />

ich dir heute gebiete, du und deine<br />

Kinder, von ganzem Herzen und<br />

von ganzer Seele, so wird der Herr,<br />

dein Gott, dein Geschick wenden<br />

und sich über dich erbarmen und<br />

wird dich wieder sammeln aus al-<br />

len Völkern, wohin dich der Herr,<br />

dein Gott, zerstreut hat. […] Und<br />

der Herr, dein Gott, wird dein<br />

Herz und das Herz deiner Nachkommen<br />

beschneiden, dass du den<br />

Herrn, deinen Gott, liebst von ganzem<br />

Herzen und von ganzer Seele,<br />

damit du lebst (5. Mose 30,1-3.6).<br />

Es war also alles andere als Zufall,<br />

dass Gott die Bauarbeiter ausgerechnet<br />

dieses Buch hat finden<br />

lassen. Dort stand all das - heute<br />

würden wir sagen: schwarz auf<br />

weiß - was für die Zeit Josias von<br />

Bedeutung war. Das Problem der<br />

Sünde, die schlimmen Folgen dieser<br />

Sünde, aber zuletzt eben auch<br />

die Gnade Gottes, die am Ende triumphieren<br />

wird.<br />

Ausrichtung auf den<br />

Gott der Götter<br />

Wahrscheinlich saß Josia gerade<br />

in seinem Palast in Jerusalem, als<br />

sein Schreiber Schaphan mit dem<br />

Sensationsfund zu ihm kam und<br />

ihm daraus vorlas. Als Josia sich<br />

in jungen Jahren auf Gott ausgerichtet<br />

hatte (siehe Teil 1 der Serie:<br />

Wahre Reformation…beginnt bei<br />

einem selbst), da musste er sich<br />

wahrscheinlich auf das Wenige<br />

stützen, was ihm alte Menschen<br />

aus der Zeit seines gottesfürchtigen<br />

Urgroßvaters Hiskia von Gott<br />

berichten konnten. Aber jetzt hatte<br />

er an der Stelle von schemenhaften<br />

Überlieferungen das Wort Gottes<br />

klar und deutlich vor Augen. Die<br />

Reaktionen, die Josia zeigte, verraten<br />

uns viel darüber, welchen Stellenwert<br />

das Wort Gottes für Josia<br />

hatte und wieso es von so wichtiger<br />

Bedeutung für eine wahre Reformation<br />

ist.<br />

1. Josia wurde durch<br />

das Wort Gottes im<br />

Herzen getroffen<br />

Die unmittelbare Reaktion, die<br />

Josia auf das Wort Gottes zeigte,<br />

wirkt auf uns heute etwas befremdlich.<br />

Der König zerriss nämlich<br />

seine Kleider, sobald sein Schreiber<br />

mit dem Vorlesen fertig war<br />

(2. Könige 22,11). Damals war<br />

das Zerreißen der Kleidung die<br />

beste Möglichkeit, um Emotionen<br />

auszudrücken. Zum Beispiel hatte<br />

auch Jakob seine Kleider zerrissen,<br />

als ihm fälschlicherweise berichtet<br />

30


wurde, sein Lieblingssohn Joseph<br />

sei von wilden Tieren getötet worden<br />

(1. Mose 37,34). Natürlich ist<br />

eine emotionale Reaktion auf das<br />

Wort Gottes nicht automatisch<br />

ein Zeichen dafür, dass das Wort<br />

Gottes einen Menschen wirklich<br />

getroffen hat. Emotionen kann<br />

man auch vorspielen und manche<br />

Menschen sind so veranlagt, dass<br />

sie eher ruhig reagieren, auch wenn<br />

sie in ihrem Inneren von etwas voll<br />

getroffen wurden. Solche Unterschiede<br />

zwischen Menschen sind<br />

völlig normal und in Ordnung.<br />

Aber hier in dieser Situation haben<br />

wir die Gelegenheit, an Josias<br />

äußerem Verhalten abzulesen, was<br />

innerlich in ihm vorging. Das Wort<br />

Gottes hatte ihn im Mark getroffen.<br />

Und das war für alle Anwesenden<br />

zu sehen. Wahre Reformation<br />

gibt es nur, wenn Menschen das<br />

Wort Gottes lesen und es sie nicht<br />

kalt lässt.<br />

2. Josia handelte und<br />

fragte weiter nach<br />

Gottes Willen<br />

Wie wir eben schon festgehalten<br />

haben, zeigt nicht jeder Mensch<br />

emotional, dass ihn das Wort Gottes<br />

getroffen hat und deswegen<br />

sehen wir das nicht immer von<br />

außen. Die Wirkung des Wortes<br />

Gottes im Leben eines Menschen<br />

zeigt sich schon wesentlich deutlicher<br />

an der Tatsache, ob und wie<br />

eine Person das Gehörte in die<br />

Tat umsetzt. Der Apostel Jakobus<br />

macht das sehr deutlich, wenn er<br />

schreibt: Seid aber Täter des Wortes<br />

und nicht bloß Hörer, die sich<br />

selbst betrügen. Denn wer [nur]<br />

Hörer des Wortes ist und nicht<br />

Täter, der gleicht einem Mann, der<br />

sein natürliches Angesicht im Spiegel<br />

anschaut; er betrachtet sich und<br />

läuft davon und hat bald vergessen,<br />

wie er gestaltet war (Jakobus 1,22-<br />

24). Josia hatte gehört und ihn<br />

hielt nichts mehr auf (2. Chronik<br />

34,20). Er wollte handeln. Aber<br />

er wusste nicht wirklich, was er<br />

tun sollte. Also schickte er seine<br />

Bediensteten zu einer Prophetin,<br />

damit diese Gott für ihn befragt<br />

(2. Könige 22,13-20). Auch das<br />

zeichnete ihn als jemanden aus, der<br />

vom Wort Gottes getroffen war. Er<br />

fragte weiter nach Gottes Willen.<br />

Ihm reichte das nicht, was er gehört<br />

hatte. Er wollte es jetzt genauer<br />

wissen. Da wir heute das Wort<br />

Gottes vollständig haben und alle<br />

lesen können, ist das so viel einfacher<br />

als damals. Wir brauchen nur<br />

zum Regal zu gehen, die (eventuell<br />

verstaubte?) Bibel in die Hand zu<br />

nehmen und darin zu lesen. Die<br />

Antwort, die Josia von der Prophetin<br />

Hulda erhielt, ist – kurz gesagt<br />

– niederschmetternd. Es gab zwei<br />

Botschaften für ihn (2. Chronik<br />

34,22-28). Zum einen würde das<br />

ganze Volk gerichtet werden, genau<br />

wie Gott es im fünften Buch Mose<br />

angekündigt hatte, weil sie über<br />

Jahrhunderte hinweg nicht gehorsam<br />

gewesen waren. Egal wie sehr<br />

Josia sich anstrengen würde – sein<br />

Volk würde er nicht retten können.<br />

Zum anderen würde der König dieses<br />

Gericht nicht miterleben müssen,<br />

weil er Gott fürchtete. Aber<br />

gerade für Josia, der so viel an sein<br />

Volk dachte, war das vermutlich<br />

nur ein schwacher Trost.<br />

3. Josia dachte an<br />

andere und richtete<br />

auch sie auf das Wort<br />

Gottes aus<br />

Ich weiß nicht, wie du auf die Prophezeiung<br />

reagiert hättest. Ich hätte<br />

mich vermutlich in meinem Palast<br />

verschanzt und den Kopf in den<br />

Sand gesteckt. Das Leben hat doch<br />

mit so einer Aussicht überhaupt<br />

keinen Sinn mehr oder doch? Josia<br />

tat genau das nicht. Stattdessen rief<br />

er das ganze Volk zusammen - genau<br />

das Volk, von dem er jetzt ganz<br />

genau wusste, dass es in wenigen<br />

Jahren teils verschleppt und teils<br />

vernichtet werden würde und ließ<br />

den Menschen aus der Gesetzesrolle<br />

vorlesen (2. Chronik 34,29-30).<br />

Aber er war überzeugt: Obwohl die<br />

Zukunft düster aussah, hatte das<br />

Wort Gottes die Kraft, auch jetzt<br />

noch eine Reformation zu bewirken.<br />

Er behielt seine Erkenntnisse<br />

nicht für sich, sondern er wollte<br />

unbedingt, dass andere dasselbe<br />

erkennen, was ihm so wichtig geworden<br />

war. Und er wusste, dass<br />

die Nachfolge nichts für Einzelkämpfer<br />

ist, sondern immer mit<br />

anderen zusammen geschieht. Im<br />

Neuen Testament schreibt Paulus<br />

den Kolossern: Lasst das Wort Gottes<br />

reichlich unter euch wohnen in<br />

aller Weisheit; lehrt und ermahnt<br />

einander! (Kolosser 3,16). Damit<br />

bringt er für uns Christen sehr gut<br />

das auf den Punkt, was Josia uns<br />

hier zeigt. Er behielt das Wort Gottes<br />

nicht für sich, sondern las es zuerst<br />

für sich selbst und gab es dann<br />

innerhalb der Gemeinschaft weiter.<br />

Deswegen ist es auch nicht gut,<br />

wenn Christen sich alleine auf den<br />

Weg machen und sich alleine auf<br />

Gott ausrichten wollen. Wahre Reformation<br />

wird es nur geben, wenn<br />

wir in der Gemeinde zusammen<br />

mit anderen das Wort Gottes zum<br />

Zentrum unseres Lebens machen.<br />

4. Josia stellte die<br />

Ehre Gottes über alles<br />

andere<br />

Aber wir stehen immer noch vor<br />

der Frage, warum Josia so aktiv<br />

wurde, obwohl die Aussichten für<br />

die Zukunft doch so düster waren<br />

(2. Chronik 34,28-29). Josia tat all<br />

das, weil er verstanden hatte, worum<br />

es in einer Beziehung mit Gott<br />

geht. Denn oft führen Menschen<br />

eine Beziehung mit anderen Menschen<br />

oder sogar mit Gott, weil sie<br />

sich dadurch Vorteile für ihr eigenes<br />

Leben versprechen. Aus diesem<br />

Grund führt Gott uns manchmal<br />

in Situationen, in denen wir geprüft<br />

werden. Lieben wir Gott nur,<br />

weil es uns dadurch besser geht<br />

oder lieben wir Gott auch dann<br />

noch, wenn es keine Vorteile mehr<br />

zu geben scheint? Kurz gesagt: Lieben<br />

wir im Grunde nur uns selbst<br />

oder lieben wir Gott dafür, wer Er<br />

ist? Aus Josias Verhalten in dieser<br />

scheinbar aussichtslosen Situation<br />

sehen wir, was es bedeutet, auch<br />

dann noch Gott die Ehre zu geben,<br />

wenn es uns selbst dadurch nicht<br />

besser geht. Solche Situationen<br />

fühlen sich nicht gut an. Aber sie<br />

zeigen uns, was es bedeutet, Gott<br />

wirklich um Seiner selbst willen zu<br />

lieben und zu ehren.<br />

Die Rubrik Josia ist ein Beitrag in Zusammenarbeit<br />

mit dem Josia-Netzwerk:<br />

www.josiablog.de<br />

Jochen Klautke (*1988) ist Referendar<br />

in Gießen. Nebenbei Theologiestudent<br />

an der ART in Hannover. Regelmäßiger<br />

Blogger für www.josiablog.de<br />

31


NACH CHRISTUS<br />

Rubrik für Biografien<br />

& Kirchengeschichte<br />

John Owen<br />

und die <strong>Heiligung</strong><br />

Text: Jonas Erne — Portrait: John Greenhill (1644-1676)


Der tägliche Kampf des Gläubigen mit der Sünde ist ein Thema, das<br />

trotz seiner großen Wichtigkeit heutzutage häufig vernachlässigt oder<br />

falsch dargestellt wird. Wie gut, dass wir das Vorrecht haben, auf die<br />

Schriften früherer großer Theologen zurückgreifen zu können. Eines<br />

der besten Bücher zu dem Thema stammt von dem puritanischen<br />

Theologen John Owen.<br />

Sein Leben<br />

Der englische Theologe John Owen kam<br />

1616 in Stadham, England, zur Welt. Er<br />

studierte in Oxford, wo er mit 19 Jahren<br />

den Master-Titel erhielt. Er war für seinen<br />

großen Eifer bekannt und gönnte sich nur<br />

sehr wenig Schlaf, was er später, als ihm die angeschlagene<br />

Gesundheit zu schaffen machte, bereute. Er wurde<br />

ab 1637 privater Seelsorger und Hauslehrer in verschiedenen<br />

Familien. Zu dieser Zeit kam es zu Streit innerhalb<br />

der englischen Politik – der Bürgerkrieg brach aus.<br />

Im Bürgerkrieg hielt er sich zum Parlament und damit<br />

gegen den König. In diese Zeit fällt auch eines der wichtigsten<br />

Ereignisse seines Lebens. An einem Sonntag im<br />

Jahr 1642 wollte John Owen den bekannten Prediger<br />

Edmund Calamy in der Marienkirche in Aldermanbury<br />

hören. Er ging mit einem Cousin dorthin. Der Biograph<br />

Peter Toon erzählt uns:<br />

„Als sie eintrafen, wurde ihnen gesagt, dass Calamy<br />

nicht predigen könne, und dass stattdessen ein ländlicher<br />

Prediger (dessen Namen Owen nie sicher feststellen<br />

konnte) ihn vertreten würde. Obwohl sein Cousin<br />

ihn drängte, wegzugehen und dafür Arthur Jackson in<br />

der nahe gelegenen Michaelskirche zu hören, beschloss<br />

Owen, in der Marienkirche zu bleiben. Der Prediger<br />

wählte als Text Matthäus 8, 26 aus: „Was seid ihr furchtsam,<br />

Kleingläubige?“ Es stellte sich heraus, dass es eine<br />

Botschaft war, die Owen hören und akzeptieren musste.<br />

Ein unbekannter Prediger war das Mittel Gottes, um zu<br />

ihm zu reden. […] Owens Zweifel, Ängste und Sorgen,<br />

ob er denn nun tatsächlich umgestaltet und vom Heiligen<br />

Geist wiedergeboren sei, waren weggenommen, als<br />

er sich befreit fühlte und wusste, dass er ein von Gott<br />

adoptierter Sohn sei. Diese geistliche Erfahrung kann<br />

nicht überschätzt werden, denn sie gab Owen die innere<br />

Überzeugung, dass er ein wahres Kind Gottes sei, in<br />

Christus erwählt vor Grundlegung der Welt, dass Gott<br />

ihn liebte und eine liebevolle Bestimmung für ihn hatte,<br />

und dass dieser Gott der lebendige Gott war. Praktisch<br />

gesprochen bedeutete das, dass er von nun an alles, was<br />

ihm und der Kirche Christi geschah, als ein göttliches<br />

Werk der Vorsehung und Vorherbestimmung sah; es bedeutete<br />

aber auch, dass er danach eifern würde, sichergehen<br />

zu können, dass die Leute in der Kirche beides<br />

bekommen würden: Die Lehren des Evangeliums und<br />

die innere Gegenwart des Heiligen Geistes in ihren Herzen.“<br />

1<br />

Dieser Überzeugung ist es wohl auch zu verdanken,<br />

dass er die Schwere seines Lebens zu ertragen vermochte.<br />

1644 heiratete er Mary Rooke, welche ihm elf Kinder<br />

zur Welt brachte. Von diesen überlebte jedoch nur eine<br />

Tochter die Kindheit – alle seine anderen geliebten Kinder<br />

starben schon sehr früh. Auch die einzige Tochter,<br />

welche er heiraten sehen konnte, starb schon kurze Zeit<br />

nach der Hochzeit. Das alles muss ihn immer wieder an<br />

die Vergänglichkeit des Lebens und die Wichtigkeit der<br />

ganzen Hingabe an Gott erinnert haben. So war ihm der<br />

Tod ein steter Begleiter. Nach 33 Jahren glücklicher Ehe<br />

musste er denn auch seine geliebte Mary ziehen lassen –<br />

sie wurde acht Jahre vor ihm in die ewige Herrlichkeit<br />

geholt.<br />

Er war kurze Zeit Pastor einer kleinen Gemeinde in<br />

Essex, anschließend wurde er nach Oxford geholt, an<br />

die Universität, an der er sein eigenes Studium absolviert<br />

hatte. Er war Autor von etwa 80 Büchern und wurde<br />

1646 eingeladen, vor dem englischen Parlament zu<br />

predigen. Dort lernte er Oliver Cromwell kennen, den<br />

Leiter des Parlaments, woraufhin er immer wieder zu<br />

politischen Fragen Stellung beziehen konnte. Er wurde<br />

1 Toon, Peter, God‘s Statesman: The Life and Works of John Owen,<br />

Zondervan Publishing House, 1973, S. 12; alle Zitate des Artikels<br />

in eigener Übersetzung.<br />

33


in den Krieg nach Irland gebracht,<br />

wo er als Prediger und Seelsorger<br />

für das Heer zuständig war. So<br />

war sein ganzes Leben sehr geprägt<br />

von großem Druck, Schmerz, aber<br />

auch Trost durch seine frühere<br />

Erfahrung der Heilsgewissheit.<br />

Mehrere Jahre lang war er Rektor<br />

der Universität von Oxford, was<br />

natürlich auch viel administrative<br />

Arbeit bedeutete. Als er am 24. August<br />

1683 im Alter von 67 Jahren<br />

starb, hinterließ er ein reiches Erbe<br />

an Schriften, die auch heute noch<br />

sehr wertvoll zu lesen sind. Ob er<br />

nun in politischen Dingen seine<br />

Meinung äußerte oder zu einer<br />

theologischen Debatte schrieb, es<br />

war immer sein Hirtenherz, das ihn<br />

antrieb. Er war Pastor mit klarem<br />

Verstand, durchdringender Logik<br />

und einem weiten Herzen, das für<br />

das Wohlergehen der Menschen<br />

schlug.<br />

Ein Leben in der<br />

<strong>Heiligung</strong><br />

Für Owen war das Leben in der<br />

<strong>Heiligung</strong> etwas vom Wichtigsten.<br />

Und so kommt es auch, dass sein<br />

Buch, in welchem er über dieses<br />

Leben schreibt, über die Jahrhunderte<br />

hinweg immer als das hilfreichste<br />

gesehen wurde. Dieses<br />

Buch beginnt Owen mit einem interessanten<br />

Vorwort, in welchem er<br />

das große Anliegen, das sein ganzes<br />

Leben durchdringt, in Worte fasst:<br />

„Ich hoffe, dass ich in Aufrichtigkeit<br />

behaupten kann, dass das<br />

Verlangen meines Herzens zu Gott<br />

und die Hauptausrichtung meines<br />

Lebens [...] diejenigen sind, dass<br />

die Abtötung [der Sünde] und die<br />

allgemeine Heiligkeit gefördert<br />

werden in meinem eigenen und in<br />

den Herzen und Wegen anderer,<br />

zur Ehre Gottes; dass so das Evangelium<br />

unseres Herrn und Retters<br />

Jesus Christus geschmückt wird in<br />

allen Dingen: Damit das Erreichen<br />

des Zieles, wenn diese kleine Rede<br />

[...] in irgend einer Weise hilfreich<br />

sein möge für den Geringsten unter<br />

den Heiligen, so wird dies als<br />

eine Antwort der schwachen Gebete<br />

betrachtet, mit denen sie begleitet<br />

ist bei ihrem unwürdigen Autor,<br />

John Owen.“ 1 Das Buch ist eine<br />

Auslegung von Römer 8,13: „Denn<br />

wenn ihr gemäß dem Fleisch lebt,<br />

so müsst ihr sterben; wenn ihr aber<br />

durch den Geist die Taten des Leibes<br />

tötet, so werdet ihr leben.“ Die<br />

Inhalte des Buches entstammen einer<br />

Predigtserie, die er gehalten hat<br />

und woraufhin er von mehreren<br />

Hörern, die dadurch sehr gesegnet<br />

worden waren, dazu gedrängt wurde,<br />

sie zu veröffentlichen. In diesem<br />

Buch geht es John Owen um eine<br />

der wichtigsten Fragen, die sich<br />

jeder Gläubige stellen wird: Wie<br />

kann ich effektiv gegen die Sünde<br />

kämpfen? Das ist das Thema seiner<br />

Abhandlung. Im ersten Kapitel<br />

schaut er den zentralen Vers genauer<br />

an und erklärt die wichtigsten<br />

Worte direkt aus dem griechischen<br />

Text. Hier sieht man schon seine<br />

große Stärke: Genaue wissenschaftliche<br />

Untersuchung des Textes wird<br />

mit sehr praktischer, lebensverändernder<br />

Lehre zusammengeführt.<br />

Im zweiten Kapitel geht es um<br />

den Befehl, die Sünde abzutöten.<br />

Warum ist es auch für die hervorragendsten<br />

unter den Gläubigen<br />

nötig, Tag für Tag mit der Sünde<br />

zu kämpfen? Weil in jedem Menschen<br />

die innewohnende Sünde<br />

bestehen bleibt, solange er hier auf<br />

Erden lebt. Hier bringt Owen es<br />

sehr schön auf den Punkt: „Tötest<br />

du die Sünde, machst du es zu deiner<br />

täglichen Arbeit? Bleibe immer<br />

daran, so lange du lebst, höre nicht<br />

einen Tag lang damit auf. Töte die<br />

Sünde, oder sie wird dich töten.“ 2<br />

Für John Owen ist die Sünde eine<br />

Macht, die jeden Menschen sein<br />

1 Aus dem Vorwort zu „Of the Mortification<br />

of Sin in Believers“.<br />

2 Owen, John, Temptation and Sin, Sovereign<br />

Grace Publishers, Wilmington,<br />

Delaware, 1972, S. 9<br />

Leben lang verführt, verblendet<br />

und ihn dazu bringt, zu sündigen.<br />

Deshalb muss der Kampf beständig<br />

weiter gehen.<br />

Das Wirken des<br />

Heiligen Geistes<br />

Im dritten Kapitel wird das „Wie“<br />

dieses Vorgangs ausgeführt. Einzig<br />

der Heilige Geist, so schreibt<br />

Owen, vermag dieses Werk der<br />

<strong>Heiligung</strong> zu tun. Zunächst führt<br />

er aus, dass die katholische Lehre<br />

vom Bußsakrament in die Irre<br />

führt, weil sie sagt, dass sich der<br />

Mensch durch eigene Kraft heiligen<br />

könne. Dann kommt wieder<br />

ein sehr schöner Abschnitt, in welchem<br />

Owen auf drei Arten eingeht,<br />

auf welche der Heilige Geist gegen<br />

die Sünde ankämpft:<br />

„1. Indem er unsere Herzen<br />

reich an der Gnade und den Früchten<br />

sein lässt, die der Gegensatz<br />

zum Fleisch sind, und die Früchte<br />

davon und deren Grundsätze. So<br />

setzt der Apostel die Früchte des<br />

Fleisches und die des Geistes in<br />

einen Widerspruch: „Die Früchte<br />

des Fleisches“, sagt er, „sind so und<br />

so“, Galater 5,19; „aber die Früchte<br />

des Geistes sind völlig entgegengesetzt,<br />

von einer völlig anderen Art“,<br />

Verse 22 und 23. Nun, was ist aber,<br />

wenn diese in uns sind und wir<br />

reich an ihnen sind, können dann<br />

die anderen nicht ebenso wachsen?<br />

Nein, sagt er in Vers 24, „Die aber<br />

Christus angehören, die haben das<br />

Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften<br />

und Lüsten.“ Doch<br />

wie? Warum, Vers 25: „Wenn wir<br />

im Geist leben, so lasst uns auch im<br />

Geist wandeln.“, das heißt, wenn<br />

wir reich werden an diesen Gnaden<br />

des Geistes in uns, und auch<br />

danach wandeln. Denn, so sagt der<br />

Apostel, „diese widerstreben einander“,<br />

Vers 17; so dass sie nicht<br />

beide in derselben Person in einer<br />

starken Weise oder einem hohen<br />

Grad sein können. Diese „Erneuerung<br />

des Heiligen Geistes“, wie<br />

34


das in Titus 3,5 genannt wird, ist<br />

ein großer Weg der Abtötung [der<br />

Sünde], er lässt uns wachsen, gedeihen,<br />

blühen und reich werden<br />

in diesen Gnaden, die gegenteilig,<br />

entgegengesetzt und zerstörerisch<br />

sind in Bezug auf all die Früchte<br />

des Fleisches und zur Ruhe oder<br />

Wachstum der innewohnenden<br />

Sünde selbst.<br />

2. Durch eine reale physische<br />

Kraft auf die Wurzel und Gewohnheit<br />

der Sünde, um sie zu schwächen,<br />

zu zerstören und wegzunehmen.<br />

Daher wird er „der Geist des<br />

Gerichts und der Geist der Vertilgung“<br />

Jesaja 4,4 genannt, der tatsächlich<br />

unsere Begierden vertilgt<br />

und zerstört. Er nimmt das steinerne<br />

Herz weg durch eine allmächtige<br />

Kraft; denn wie er das Werk beginnt,<br />

so wird er es auch zu seinem<br />

Abschluss führen. Er ist das Feuer,<br />

das die ganze Wurzel der Begierde<br />

verbrennt.<br />

3. Er bringt das Kreuz Christi<br />

in das Herz eines Sünders durch<br />

den Glauben und gibt uns Teilnahme<br />

mit Christus in seinem Tod und<br />

Gemeinschaft in seinen Leiden.“ 3<br />

Indem also die Frucht des<br />

Geistes im Leben des Gläubigen<br />

gefördert wird, indem der Geist<br />

Gottes den Gläubigen ins Gericht<br />

nimmt und indem Er ihm das<br />

Kreuz Christi nahe bringt, wirkt<br />

der Heilige Geist die <strong>Heiligung</strong><br />

des Gläubigen. Im vierten Kapitel<br />

geht es um die Frage, was es denn<br />

dem Menschen bringt, die Sünde<br />

abzutöten und was der Vernachlässigung<br />

dieses Abtötens folgt. Er<br />

macht klar, dass das Leben, die<br />

Kraft und das Wohlergehen unseres<br />

geistlichen Lebens davon abhängen.<br />

Dies unterstreicht er mit<br />

dem Bild einer Pflanze: Wenn viel<br />

Unkraut wächst, können die guten<br />

Pflanzen nur sehr schwach heranreifen.<br />

3 Ebd., S. 19<br />

Praktische<br />

Konsequenzen<br />

Die Kapitel fünf bis 13 beinhalten<br />

praktische Belehrung zu dieser<br />

Abtötung der Sünde. Angenommen,<br />

sagt Owen, ein wahrer Gläubiger<br />

finde in sich eine Sünde, die<br />

sein geistliches Leben schwächt.<br />

Was soll er nun tun? Auf diese<br />

Frage gibt Owen sehr ausführlich<br />

Antwort. Zuerst macht er gleich<br />

klar, dass es in diesem Leben nicht<br />

möglich sein wird, die Sünde völlig<br />

loszuwerden. Dennoch darf man<br />

den Kampf deswegen nicht aufgeben.<br />

Was man kann und soll, ist<br />

die Sünde schwächen, und zwar<br />

so lange, bis man über sie Herr<br />

geworden ist. Diesen Zustand erklärt<br />

er als eine Zeit, in welcher<br />

die Sünde so geschwächt ist, dass<br />

sie den Gläubigen „weder in seiner<br />

Pflicht hindern noch seinen Frieden<br />

unterbrechen“ 4 kann. Er gibt<br />

uns wertvolle Hinweise, wie dies<br />

geschehen soll: Wichtig ist dabei zu<br />

wissen, dass nur ein echter Gläubiger<br />

diesen Kampf erfolgreich<br />

aufnehmen kann. Sodann braucht<br />

es eine große Ernsthaftigkeit oder<br />

Entschlossenheit, der Sünde den<br />

Kampf anzusagen. So bedarf es<br />

auch des klaren Gehorsams gegenüber<br />

Gottes Willen, dass man<br />

bereit ist, regelmäßig die Bibel zu<br />

lesen, darüber nachzudenken, zu<br />

beten und so weiter. Ein weiterer<br />

Schritt besteht darin, eine klare,<br />

biblische Sicht von der Schwere,<br />

der Schuld, der Gefahr und der<br />

Bosheit der Sünde zu bekommen.<br />

Dies geschieht, indem man häufig<br />

darüber nachdenkt. Der nächste<br />

wichtige Tipp besteht darin, gegen<br />

die ersten bemerkbaren Regungen<br />

der Sünde „kraftvoll aufzustehen,<br />

damit sie auch nicht den geringsten<br />

Boden bekommt.“ 5 Es ist also<br />

wichtig, sobald man diese Regun-<br />

4 Ebd., S. 32<br />

5 Ebd., S. 62<br />

gen bemerkt, sogleich etwas dagegen<br />

zu unternehmen. Des Weiteren<br />

empfiehlt uns Owen, viel über die<br />

Größe, Erhabenheit, Heiligkeit<br />

und Gerechtigkeit Gottes und über<br />

unsere eigene Sündhaftigkeit und<br />

Verderbtheit nachzudenken. Dies<br />

sind sehr hilfreiche Antworten auf<br />

die Frage, was wir tun können, um<br />

in der <strong>Heiligung</strong> voranzukommen.<br />

John Owen ist ein großartiger Lehrer,<br />

von dem ich viel lernen durfte.<br />

Und das Buch über die Abtötung<br />

der Sünde in den Gläubigen ist<br />

meines Erachtens das wertvollste<br />

und hilfreichste von allen. Leider<br />

ist es noch nie ins Deutsche<br />

übersetzt worden. Vielleicht ließe<br />

sich das ja noch ändern. So lasst<br />

uns nun der <strong>Heiligung</strong> nachjagen,<br />

„ohne die niemand den Herrn sehen<br />

wird“ (Hebräer 12,14).<br />

Fragen zum<br />

Weiterdenken<br />

• Was bedeutet es, dass Hebräer<br />

12,14 uns sagt, dass ohne <strong>Heiligung</strong><br />

niemand den Herrn sehen<br />

wird?<br />

• Wie geschieht nach Römer<br />

8,13 die <strong>Heiligung</strong>?<br />

• Was könnte es bedeuten, dass<br />

Johannes im 1. Johannesbrief<br />

2,13-14 zweimal schreibt, dass<br />

die jungen Männer den Bösen<br />

überwunden haben?<br />

• Was meint Paulus damit, wenn<br />

er im Galaterbrief 5,22-23<br />

schreibt, dass die Frucht des<br />

Geistes den Werken des Fleisches<br />

entgegengesetzt ist? Was<br />

bedeutet dies für unser praktisches,<br />

tägliches Leben?<br />

Jonas Erne (*1985) Ehemann, Theologe<br />

und leidenschaftlicher Prediger. Schreib<br />

Jonas auf Twitter: @jonaserne<br />

35


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Bibel zu finden und zu<br />

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fragt Thorsten Brenscheidt im Buchtitel:<br />

„Spürst du Gott schon oder liest du noch die Bibel?“<br />

Damit greift er aktuelle Trends zu diesem Thema auf<br />

und untersucht das Gottesbild einiger Bestsellerautoren<br />

wie Sarah Young, Joyce Meyer und andere. Folgende<br />

Fragen sollte sich jeder Christ stellen: Redet Gott auch<br />

heute außerhalb der Bibel? Gibt es fortwährende oder<br />

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Folgen. Er beschreibt die Veränderungen und das<br />

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Grußheft zu Ostern. Es erklärt in einfacher Sprache das<br />

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Vom Sündenfall über Kain und Abel, dem<br />

Passah bis hin zum stellvertretenden Sühnetod Jesu<br />

Christi am Kreuz und seiner Auferstehung Kann z.B.<br />

gut als Gruß statt Brief oder Karte geschrieben werden<br />

(enthält 1 Leerseite für persönliche Mitteilungen).<br />

Rückseitentext:<br />

Zum Osterfest gehört traditionell das Osterlamm. Was<br />

hat es damit auf sich? Tatsächlich hat das Lamm sehr<br />

viel mit Ostern und der Kreuzigung und Auferstehung<br />

Jesu Christi zu tun, und es hat auch eine persönliche<br />

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39


„Bei der <strong>Heiligung</strong> geht es nicht<br />

darum, Perfektion von sich oder<br />

anderen zu erwarten.“<br />

Kevin DeYoung

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