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NaturGartenKunstErlebnis: 50 Jahre Merian Gärten in Brüglingen

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1 Tag in den Merian Gärten<br />

1 Tag in den Merian Gärten<br />

Gärtnerhände<br />

3.15 Uhr<br />

Am Mühleteich, gleich unterhalb der Mühle, bewegt sich was! Die<br />

Nachtsichtkamera reagiert und schiesst fünf Fotos pro Sekunde. Was<br />

sie aufnimmt, ist eine kleine Sensation: Ein Biber nagt an einem<br />

Baumstamm. Dass sich die Nager schon länger in den Merian Gärten<br />

rumtreiben, war zwar bekannt. Vor die Linse bekommt man sie aber<br />

selten. Das Foto wird später auf der Website der Gärten publiziert.<br />

4.30 Uhr<br />

Es ist still in den Merian Gärten. Im hellen Mondlicht leuchten die<br />

zartvioletten Blüten der Mondviole am Teichuferweg unterhalb der<br />

Berrischeune. Die Silberblattpflanze verströmt ihren wunderbaren<br />

Duft nur in der Nacht. Tagsüber ist sie geizig und duftet kaum.<br />

6.30 Uhr<br />

Die Hähne krähen in Unter Brüglingen. Landwirtin Denise Marty<br />

verpackt Bruteier in Schachteln. Der Zivildienstleistende holt sie ab<br />

und fährt sie mit den Brutapparaten in verschiedene Basler Primarschulhäuser<br />

in Basel und Riehen. Dort werden Kinder in den nächsten<br />

drei Wochen die Eier beobachten und die Küken schlüpfen sehen. Später<br />

kommen die Küken zur Aufzucht zurück in die Merian Gärten.<br />

7 Uhr<br />

Das Gärtnerteam organisiert den Tag. Die Stadtgärtnerei liefert neuen<br />

Kompost und Hunderte von Setzlingen, die noch am selben Tag in den<br />

Bauerngarten gepflanzt werden müssen. Die Trockenwiese auf dem<br />

Hochplateau muss geschnitten werden und die in den Gärten arbeitenden<br />

Asylsuchenden werden die Wege rund um die Buchshecken<br />

jäten. Die freiwilligen Helferinnen machen eine Weiterbildung in<br />

biologischer Schädlingsbekämpfung.<br />

7.15 Uhr<br />

Gärtnerin Sabine Roth entdeckt die erste Rhododendronblüte, vielleicht<br />

eine ganz besondere: Vor sechzehn Jahren haben die Gärten für<br />

ihre Sammlung Samen vom Rhododendronpark in Bremen erhalten.<br />

Um sicherzugehen, dass es die Sorte Rhododendron makinoi ist,<br />

schneidet sie die Blüte ab und untersucht sie unter dem Mikroskop.<br />

Und ja: Es ist eine ‹Bremerin›! Die Nachbestimmung wird in der<br />

Pflanzendatenbank registriert.<br />

7.20 Uhr<br />

Gärtnerin Regula Strübin inspiziert die acht Sorten Radiesli im Gemüsegarten.<br />

Sie sind jetzt dick genug, um sie nächste Woche am Marktstand<br />

beim Brüglingerhof zu verkaufen. Frische Spargeln, Rhabarber<br />

und Schnittzwiebeln werden an das Restaurant in der Villa Merian<br />

abgegeben – alles bio, wie alle Gemüse und Früchte der Gärten. Regula<br />

Strübin erstellt die Verkaufslisten und organisiert den Vertrieb und<br />

den Marktstand um 10 Uhr.<br />

7.30 Uhr<br />

Hektik im Lehmhaus: Eine Klasse aus dem Voltaschulhaus ist schon<br />

auf dem Weg in die Gärten. Sabine Richli vom Vermittlungsteam<br />

ordnet das Arbeitsmaterial, stellt Schaufeln, Harken, Giesskannen,<br />

Becherlupen, Schubkarren und Pflug bereit, dazu Saatkartoffeln und<br />

Kürbis-Setzlinge. Wie fast jeden Tag durchs ganze Jahr hindurch<br />

besucht auch heute eine Basler Primarschulklasse den Kurs ‹Schule &<br />

Landwirtschaft›.<br />

8.15 Uhr<br />

Ein aufgeregter älterer Herr meldet sich bei Veranstaltungskoordinator<br />

Thomas Füglistaller am Empfang im Pächterhaus in Vorder Brüglingen.<br />

Auf seinem Morgenspaziergang im Trockenbiotop hat er beim Apfelbaum<br />

einen Bienenschwarm entdeckt. Das kommt in dieser Jahreszeit<br />

häufig vor. Thomas Füglistaller informiert Imkerin Sabine Richli<br />

– doch sie ist vorerst mit der Schulklasse beschäftigt. Die Bienen müssen<br />

warten.<br />

8.30 Uhr<br />

Reges Treiben im Gewächshaus. Mit Traktor und Schubkarren zügeln<br />

Gärtner Bernhard Eckert und Gartenmitarbeiter Bruno Schneider<br />

Hunderte von Töpfen mit Wandelrösli, Tomatenbäumen, Schönmalven,<br />

Fuchsien und Hammersträuchern wieder nach draussen, wo sie den<br />

Sommer über die Gärten verschönern. In den kalten Monaten haben<br />

die Pflanzen im Gewächshaus überwintert. Das leergeräumte Glashaus<br />

wird demnächst für Hochzeiten vermietet.<br />

9 Uhr<br />

Gekicher und Geschnatter auf dem Acker beim Brüglingerhof. Die<br />

Primarschüler des Voltaschulhauses haben Schaufeln und Harken in<br />

der Hand und betrachten durch Lupen Tiere im Erdreich – von denen<br />

die meisten Stadtkinder gar nicht wussten, dass es sie überhaupt gibt.<br />

Sie lassen sich vor den Pflug spannen und legen Kartoffeln in die<br />

Furchen: zuerst die gelben ‹Ditta›, dann die blauen ‹St. Galler›.<br />

9.15 Uhr<br />

Markus Bodmer, Präsident des Vereins Freunde des Botanischen<br />

Gartens Brüglingen, kommt in die Geschäftsstelle und trifft sich im<br />

Pächterhaus mit Bettina Hamel, der Leiterin der Merian Gärten. Sie<br />

besprechen die bevorstehende Generalversammlung des Vereins,<br />

die Zusammenarbeit mit den freiwilligen Helferinnen und Helfern und<br />

das grosse Fest zum 50-Jahr-Jubiläum der Gärten am 2. und 3. Juni<br />

2018.<br />

10 Uhr<br />

Markttag auf dem Brüglingerhof. Die Schülerinnen und Schüler der<br />

Schule für Brückenangebote, die in der Villa Merian zur Schule gehen,<br />

haben alle Hände voll zu tun. Sie betreuen den Marktstand und präsentieren<br />

die erntefrischen Krautstiele, Frühlingszwiebeln und Gurken.<br />

Um 10 Uhr kommen die ersten Käuferinnen und Käufer. Eine Frau fragt<br />

nach Radiesli. Die sind noch nicht so weit. Aber nächste Woche: ganz<br />

bestimmt!<br />

Treiben im Gewächshaus? Schubkarren etc?<br />

10.30 Uhr<br />

Alarm. Die Hauptwasserleitung unterhalb der Villa Merian, eine achtzig<br />

Jahre alte Gusseisenleitung, ist gebrochen. Der Keller der Mühle<br />

steht knöchelhoch unter Wasser. Alle Gebäude in Unter Brüglingen<br />

samt Café Merian müssen vorerst ohne Wasser auskommen. Betriebsleiter<br />

Laurent Dischler bietet Handwerker auf. Mit Bagger und Presslufthammer<br />

wird die Leitung freigelegt und repariert. Kurze Zeit später<br />

ist der Schaden behoben.<br />

13 Uhr<br />

Der Weideplatz der ‹Bündner Oberländer›-Schafe ist abgegrast. Landwirtin<br />

Denise Marty bugsiert die Tiere zusammen mit Mitarbeiterin<br />

Michelle Löliger in den mobilen Stallwagen, bricht den alten Zaun ab<br />

und baut ihn um ein neues, saftiges Wiesenstück herum wieder auf.<br />

Die Tiere werden rausgelassen und stürzen sich auf das schmackhafte<br />

Menu: kein mäh-mäh mehr, sondern ritsch-ratsch, genüssliches<br />

Kauen und aufgeregt wackelnde Schwänzchen.<br />

13.30 Uhr<br />

Imkerin Sabine Richli hat die Schulklasse verabschiedet und kümmert<br />

sich um den Bienenschwarm im Trockenbiotop. Sie klopft das Volk in<br />

eine Schwarmfangkiste und stellt diese unter den Apfelbaum. Ein Loch<br />

bleibt offen, damit auch Nachzüglerinnen zur Bienenkönigin finden.<br />

Der Schwarm hat sich vermutlich von einem Bienenvolk getrennt und<br />

ist einer neuen Jungkönigin gefolgt.<br />

14 Uhr<br />

Historiker und Merian-Biograf Robert Labhardt beginnt in Vorder<br />

Brüglingen eine öffentliche Führung. Er erläutert die Geschichte der<br />

Merian Gärten und des Stifter-Ehepaars, das der Stadt Basel im<br />

19. Jahrhundert sein immenses Vermögen samt den heutigen Gärten<br />

vermacht hat. Wie haben die Merians gelebt und gewirtschaftet, und<br />

weshalb diese Schenkung? Wer teilnimmt, erfährt auch viel über die<br />

Geschichte der Stadt Basel.<br />

14.30 Uhr<br />

Beim Mähen auf dem Hochplateau entdeckt Gartenmitarbeiter Marco<br />

Fredrich einen Hirschkäfer, der sich aus dem Boden gräbt. Nach sieben<br />

Jahren im dunklen Erdreich als Larve und erfolgreicher Verpuppung<br />

hat der Käfer es endlich geschafft. Die seltenen und geschützten Tiere<br />

fühlen sich auf den alten Eichen in den Merian Gärten besonders wohl.<br />

Fredrich wird seine Entdeckung später in die Beobachtungsliste der<br />

Gärten eintragen.<br />

15 Uhr<br />

Lisa Eggenschwiler, Leiterin Grundlagen Natur & Gartenkultur, hat<br />

Besuch vom Bio-Kontrolleur. Er prüft anhand der Dünger- und Pflanzenschutzaufzeichnungen,<br />

ob die Bio-Richtlinien eingehalten werden,<br />

ob die Hühner genug Auslauf haben und woher das Futter stammt.<br />

Anschliessend gibt er Tipps, welche Massnahmen zur Biodiversitätsförderung<br />

umgesetzt werden könnten. Der Kontrolleur ist sehr zufrieden:<br />

Alles bestens!<br />

15.30 Uhr<br />

Sammlungsbetreuerin Barbara Wüthrich vergleicht Blüten- und Blattmerkmale<br />

der Irispflanzen mit Informationen aus der Fachliteratur.<br />

Die europaweit einzigartige Bartirissammlung wird von den Merian<br />

Gärten wissenschaftlich betreut. Mit Gärtner Christian Loosli bespricht<br />

sie, welche Sorten gemäss der Sammlungsstrategie ergänzt<br />

werden könnten.<br />

16 Uhr<br />

Regula Merz und Thomas Füglistaller von der Geschäftsstelle organisieren<br />

die bevorstehenden Sonntagsmatineen im Juni – die Flyer sind<br />

bereits fertig. Bei einer der vier Hochzeiten im Gewächshaus und im<br />

Holzsaal müssen mit dem Brautpaar noch letzte Details besprochen<br />

werden. Für zwei der neun Führungen müssen noch Guides verpflichtet<br />

werden. Und für die drei Vorträge im Lehmhaus muss die benötige<br />

Infrastruktur noch bereitgestellt werden.<br />

17 Uhr<br />

Denise Marty beginnt ihre allabendliche Stallrunde. Sie streut den<br />

Hühnern Körner ein, holt Eier aus den Legenestern und wägt sie ab für<br />

den Verkauf am nächsten Tag. Und siehe da: Nachwuchs! Eine Glucke<br />

hat neun Küken ausgebrütet. Nicht nur das: Ein Kaninchen hat sechs<br />

Junge zur Welt gebracht. Bei den Schafen: kein Nachwuchs, aber alle<br />

zufrieden.<br />

18.30 Uhr<br />

Der Kurs ‹Faszinierende Baumwelt› der Volkshochschule beider Basel<br />

VHS beginnt im Lehmhaus – der erste von vier Vorträgen, die den<br />

Kursbesucherinnen und -besuchern umfassendes Wissen über eines<br />

der grössten und ältesten Lebewesen auf unserem Planeten vermitteln:<br />

Botanik, Aktuelles aus der Werkstofflehre, Naturheilkunde<br />

sowie Bezüge zu Religion, Geschichte und Literatur.<br />

20 Uhr<br />

Jetzt sind auch die letzten Bienen in die Schwarmfangkiste geschlüpft.<br />

Imkerin Sabine Richli schliesst den Schieber und bringt die Kiste in den<br />

kühlen, dunklen Rüstraum. Dort bleiben die Bienen drei Tage lang und<br />

haben Zeit, sich im neuen Volk zu organisieren, bis sie in das Bienenhaus<br />

im Trockenbiotop umziehen werden.<br />

22 Uhr<br />

Hauswart Philip Glatthaar macht einen letzten Rundgang. Der Volkshochschulkurs<br />

ist zu Ende, die letzten Besucher haben die Gärten<br />

verlassen. Auf einer Bank schmust ein Pärchen. Sie kichern verlegen<br />

und spazieren eng umschlungen zur Tramstation St. Jakob. Glatthaar<br />

schliesst die Tore und überlässt die Merian Gärten den Tieren, Pflanzen,<br />

dem Mondlicht und der Stille. Bald wird die Mondviole wieder<br />

betörend duften.<br />

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