Preisverleihung 1987 - Theodor-Heuss-Stiftung

Preisverleihung 1987 - Theodor-Heuss-Stiftung Preisverleihung 1987 - Theodor-Heuss-Stiftung

theodor.heuss.stiftung.de
von theodor.heuss.stiftung.de Mehr von diesem Publisher
14.12.2012 Aufrufe

sporn, den eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen. Ich möchte diesen festlichen Rahmen zum Anlaß nehmen, Ihnen in vier Punkten die Grundüberlegungen für das darzustellen, was andere gelegentlich als das »Rottweiler Modell« bezeichnet haben. 1. Die Bemühungen der Stadt und der Stadtwerke Rottweil auf dem Gebiet der Energieversorgung lassen sich auf eine schlichte Formel bringen. Zum einen erzeugen wir in eigenen Anlagen Strom, so in unserem Blockheizkraftwerk, in unserer Kläranlage, durch Wasserkraft und - vielleicht in einer nicht allzu femen Zukunft - auch in einer Müllverwertungsanlage. Zum anderen sind wir seit Jahren dabei, die angebotene Energie durch sinnvolle Maßnahmen wie Blockheizkraftwerke, Nahwänne-Konzepte oder Lastspitzenoptimierung besser zu nutzen. Alle diese Einrichtungen haben den einfachen Zweck, den Bezug von Strom und Gas von unseren Vorlieferanten, der Energieversorgung Schwaben und der Gasversorgung Süddeutschland, zu verringern . Diese Bemühungen sind keineswegs von der Absicht getragen , die Geschäftsinteressen unserer Vorlieferanten zu beeinträchtigen, vielmehr wollen wir damit unseren Beitrag dazu leisten, daß ein wahrscheinlich auch weiterhin wachsender Energiebedarf nicht zwangsläufig zur Vergrößerung oder Neuplanung von Großkraftwerken jeglicher Art führen muß. Unsere Bemühungen bleiben allerdings sinnlos, wenn andere leistungsfähige kommunale Versorgungsbetriebe nicht mitmachen. Ich verstehe deshalb die heutige Auszeichnung mit der TI-lEODOR­ HEUSS-MEDAILLE auch als Ansporn und als einen Anreiz für alle diejenigen kommunalen Versorgungsbetriebe, die sich nicht nur als reine Verteilerwerke von geliefertem Strom oder Gas betrachten, sondern mit eigenen Ideen zur Verringerung dieser Bezugsmengen beitragen wollen. 2. Die Weiterführung der energiepolitischen Anstrengungen der Stadt Rottweil ist nur in einem partnerschaftlichen Verhältnis mit unseren Vorlieferanten möglich. Ohne die sichere zentrale Versorgung wären unsere Bemühungen 36 umsonst. Dezentrale Energietechniken wie in Rottweil können unsere zentralen Versorger nicht ersetzen. Was wir aber wollen, ist eine differenzierte Energielandschaft, in der die kommunalen Versorgungsbetriebe mit einem hohen Eigenerzeugungsanteil ihren festen und selbstverständlichen Platz haben. Monopole haben in der sozialen Marktwirtschaft nach unserem Verständnis keinen Platz, sei es im Bereich der Wirtschaft, im Bereich der Medien oder auch bei der Energieversorgung. 3. Die Rottweiler Bemühungen um dezentrale Eigenerzeugung von Strom und eine verbesserte Energieausnutzung haben in erster Linie einen umweltpolitischen Sinn. Geringerer Energieverbrauch bedeutet nämlich immer auch eine Schonung von Umweltressourcen. Dieser umweltpolitische Effekt wird bei uns aber nicht durch Auflagen oder staatlichen Dirigismus erreicht, sondern unsere Anstrengungen sind auch wirtschaftlich sinnvoll. »Die Dinge rechnen sich«, wie unser engagierter Stadtwerke-Direktor Rettich immer zu sagen pflegt. Und so haben wir die glückliche Erfahrung machen können, daß ein verbesserter Umweltschutz nicht nur mit staatlichen Eingriffen und Auflagen, sondern mit den ureigensten Mitteln der sozialen Marktwirtschaft erreicht werden kann. Die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie, das Motto Ihrer diesjährigen Preisverleihung, findet hier einen sehr sinnfälligen Ausdruck. 4. Die Rottweiler Initiativen zur verbesserten Eigenerzeugung und Einsparung von Energie werden von allen politischen Gruppierungen unserer Stadt getragen. Angefangen bei der CDU-Mehrheitsfraktion über die SPD, die 'Freien Wähler, die Grün-Alternative Liste und die FDP sind wir uns einig in dem Ziel, die Energieversorgung durch eigene Anstrengungen ein Stück mehr zu dezentralisieren. Wir sehen diese Bemühungen vor dem gesamtpolitischen Hintergrund, daß etwa gerade die Stromerzeugung in Großkraftwerken an umweltpolitische Grenzen stoßen wird, sei es die Stromerzeugung in Kohle- oder in Kernkraftwerken. Diese Überlegung ist eigentlich nicht neu. Sie wurde bei uns vor allem nicht durch die Stichworte »Buschhaus« oder »Tschernobyl« ausge-

löst, sondern dadurch allenfalls bestätigt. Die Anwesenheit aller unserer Fraktionssprecher zeigt Ihnen, daß wir auf der überschaubaren Ebene unserer Stadt in diesem Punkt über die Parteigrenzen hinweg politische Einigkeit erzielt haben. Wir möchten Sie mit dieser Einigkeit »infizieren« und wollen, daß unsere Gedanken »ansteckend« wirken. Wir hoffen, daß sich diese Gedanken auch epidemisch ausbreiten, denn eine solche »Krankheit« kann nur reinigend wirken auf die gesamte energiepolitische Diskussion in unserem Land, die aus unserer Sicht leider noch von zu vielen »intellektuellen Störfällen« begleitet wird. 37

löst, sondern dadurch allenfalls bestätigt. Die<br />

Anwesenheit aller unserer Fraktionssprecher<br />

zeigt Ihnen, daß wir auf der überschaubaren<br />

Ebene unserer Stadt in diesem Punkt über die<br />

Parteigrenzen hinweg politische Einigkeit erzielt<br />

haben. Wir möchten Sie mit dieser Einigkeit<br />

»infizieren« und wollen, daß unsere Gedanken<br />

»ansteckend« wirken. Wir hoffen, daß sich diese<br />

Gedanken auch epidemisch ausbreiten, denn<br />

eine solche »Krankheit« kann nur reinigend wirken<br />

auf die gesamte energiepolitische Diskussion<br />

in unserem Land, die aus unserer Sicht<br />

leider noch von zu vielen »intellektuellen Störfällen«<br />

begleitet wird.<br />

37

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!