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Preisverleihung 1987 - Theodor-Heuss-Stiftung

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Manfred Rommel<br />

Ich überbringe Ihnen freundlichste Grüße des<br />

Gemeinderats der Stadt Stuttgart, und ich entbiete<br />

Ihnen auch meinen eigenen Gruß.<br />

Die HEUSS-PREISE und HEUSS-MEDAIL­<br />

LEN <strong>1987</strong> werden Persönlichkeiten und einer<br />

Stadt verliehen, die sich um den Umweltschutz<br />

verdient gemacht haben.<br />

Der Umweltschutz gehört zu den wichtigsten<br />

Aufgaben in unserer Zeit. Wenn aber eine Aufgabe<br />

wichtig ist und dies der Öffentlichkeit bewußt<br />

wird, ist eine Emotionalisierung der Diskussion<br />

kaum zu vermeiden, insbesondere in<br />

Deutschland nicht, wo trotz aller entgegenstehenden<br />

wissenschaftlichen Erkenntnisse noch<br />

immer die Meinung herrscht, daß Emotionen<br />

einen moralproduzierenden Charakter hätten.<br />

Wenn aber der Inhaber einer Meinung zu einer<br />

Sachfrage auch noch glaubt, diese Meinung sei<br />

die moralisch einzig richtige, wozu er um so<br />

eher neigt, je weniger er zu sagen vermag,<br />

woher und warum er diese Meinung hat, dann<br />

ist eine Diskussion nur noch schwer möglich.<br />

Wo jeder vom anderen glaubt, dieser irre sich<br />

nicht nur, sondern sei auch noch unmoralisch,<br />

dort ist mit einer Annäherung der Meinungen<br />

an die objektive Wahrheit mit Hilfe der Diskussion<br />

kaum zu rechnen und damit auch nicht mit<br />

einem Fortschritt. In der praktischen Arbeit ist<br />

Umweltschutz vorwiegend eine Aufgabe der<br />

Kommunen und ihrer Versorgungsbetriebe,<br />

und ich kann deshalb als Bürgermeister einer<br />

größeren Stadt ein Lied davon singen, wie<br />

schwierig die Diskussion der Umweltprobleme<br />

ist.<br />

<strong>Theodor</strong> <strong>Heuss</strong> hat bemerkt, die äußere Freiheit<br />

der vielen leitet sich ab von der inneren<br />

Freiheit des einzelnen. Der Mensch kann aber<br />

nicht nur durch äußere Umstände in seiner inneren<br />

Freiheit eingeschränkt werden, er vermag<br />

sich auch selber dieser Freiheit zu berauben,<br />

dadurch etwa, daß er zum Gefangenen eines<br />

Vorurteils wird und seine ganze intellektuelle<br />

Potenz aufwendet, um dieses Vorurteil gegen<br />

jene, die es angreifen, zu verteidigen. Solche<br />

Selbstentmündigungen kommen insbesondere<br />

bei akademisch Gebildeten vor, denn sie können<br />

es gar nicht glauben, daß sie im Besitze von<br />

Vorurteilen sind, und sie fallen diesen um so<br />

eher zum Opfer.<br />

Überdies ist die Verteidigung eines Vorurteils<br />

eine intellektuelle Herausforderung, die mit der<br />

Größe des Vorurteils wächst.<br />

So braucht man sich nicht zu wundem, daß über<br />

die Frage, Kernenergie ja oder nein, mit erbitterter<br />

Feindseligkeit gegen Andersdenkende gestritten<br />

wird. Diese Frage wird gerne als eine<br />

moralische Frage angesehen. Das ist sie meines<br />

Erachtens aber nicht, denn es lassen sich Gründe<br />

für beide Meinungen anführen. Es bleibt bei<br />

der Entscheidung dafür und dagegen ein Rest<br />

Unsicherheit, weil ja die Entscheidung aufgrund<br />

einer Abwägung des Für und Wider getroffen<br />

werden muß, die wiederum auf Vorausbeurteilungen<br />

künftiger Entwicklungen beruht.<br />

Eine sichere Voraussage künftiger Entwicklungen<br />

ist aber, soweit menschliches Verhalten in<br />

Rede steht, nicht möglich.<br />

Es wäre ein großes Glück, wenn Befürworter<br />

und Gegner der Kernkraft voreinander den Hut<br />

ziehen und sich gegenseitig zugestehen würden,<br />

daß es auch für die andere Position Argumente<br />

gibt und daß sich keine Entscheidung ohne Inkaufnahme<br />

von Risiken treffen läßt.<br />

Die Verwirrung, die nach dem Unglück in<br />

Tschernobyl in der deutschen Verwaltung entstanden<br />

ist, hat ihre Hauptursache darin, daß es<br />

nie eine öffentliche und sachliche Diskussion<br />

über die Wirkungen von Kernkraftunfällen im<br />

Ausland gegeben hatte.<br />

Der wichtigste Grund dafür, daß es nicht zu<br />

dieser Diskussion kam, war wohl die Sorge vor<br />

Polemik und Verunglimpfung.<br />

Die durch HEUSS-PREISE und HEUSS-ME­<br />

DAILLEN Geehrten haben wichtige Beiträge<br />

zur Versachlichung der Umweltdiskussion gelei-<br />

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