Die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) - Karch
Die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) - Karch
Die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) - Karch
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GROßENBACHER KURT:<br />
Zur Erforschungsgeschichte der Gattung <strong>Alytes</strong>, speziell von <strong>Alytes</strong> <strong>obstetricans</strong>.<br />
Mit größter Wahrscheinlichkeit wurde die <strong>Geburtshelferkröte</strong> erstmals durch Conrad<br />
Gesner 1554 von der Kyburg bei Zürich erwähnt, wo sie bis mindestens 1968 noch<br />
vorkam. 1741 beschrieb Demours erstmals einen Teil der speziellen Paarung der<br />
<strong>Geburtshelferkröte</strong>n. <strong>Die</strong>s 27 Jahre vor der Artbeschreibung durch Laurenti, der sich<br />
allein auf Demours Publikation stützte. Anfang des 19. Jahrhunderts kamen stückweise<br />
neue Erkenntnisse dazu, etwa von den Schweizer Forschern Tschudi, Agassiz und<br />
Vogt. <strong>Die</strong> Paarung stieß weiterhin auf großes Interesse und wurde 1876 von De l'Isle du<br />
Dréneuf in aller Ausführlichkeit und weitestgehend korrekt dargestellt. Beiträge von<br />
Héron-Royer, Boulenger und weiteren ergänzten das Bild. 1879 beschrieb Boscá eine<br />
weitere Art <strong>Alytes</strong> cisternasii von Mérida in Spanien, die vor allem den SW-Quadranten<br />
der iberischen Halbinsel besiedelt. Zwischen 1906 und 1919 trat Paul Kammerer mit<br />
seinen sensationellen Zuchtexperimenten (Lamarckismus) ins grelle Rampenlicht der<br />
Weltpresse: die <strong>Geburtshelferkröte</strong> war zu dieser Zeit das wohl am heftigsten diskutierte<br />
Tier der Wissenschaft. Mit dem Aufdecken eines (nie ganz geklärten) Betrugs und der<br />
Selbsttötung Kammerers 1926 erlosch das Interesse schlagartig. Ueber Jahrzehnte<br />
wurde praktisch nichts zu <strong>Alytes</strong> publiziert. Erst in den 60er Jahren erwachte das<br />
Interesse neu, zuerst in Frankreich, dann in in der Schweiz und Deutschland, wo im<br />
Kontext der Inventarisierungen endlich auch die Ökologie der Art angegangen wurde. In<br />
neuester Zeit wurde die Art am intensivsten in Spanien (durch Spanier und Engländer)<br />
studiert, wobei ökologische Daten nur beschränkt auf Mitteleuropa übertragen werden<br />
können. Hier musste insbesondere in den 90er Jahren ein beunruhigender Rückgang<br />
der Art beobachtet werden. Unerklärliche Habitatverluste rufen nach<br />
Erklärungsversuchen.<br />
1979 beschrieben Sanchíz & Adrover aus Mallorca die fossile Art Baleaphryne<br />
muletensis, die überraschenderweise 2 Jahre später als in den nördlichen Gebirgen<br />
Mallorcas noch lebend gefunden wurde (Mayol & Alcover 1981). <strong>Die</strong> Art wurde später in<br />
die Gattung <strong>Alytes</strong> überführt, gilt heute als eine der seltensten und gefährdetsten<br />
Amphibienarten Europas, für welche mehrere Zuchtgruppen begründet und in jüngster<br />
Zeit bereits wieder Tiere rückgeführt wurden. 1995 trennten Arntzen & García-París die<br />
<strong>Geburtshelferkröte</strong>n des Bethischen Gebirgsmassivs in SE-Spanien als eigene Art<br />
<strong>Alytes</strong> dickhilleni ab.<br />
Auch heute noch sind eine Reihe von grundlegenden Daten zur Biologie von <strong>Alytes</strong><br />
<strong>obstetricans</strong> nicht geklärt, z.B.: Was weiß man genaues zum Ruf der Weibchen? Gehen<br />
die eiertragenden Männchen regelmäßig, selten oder nie ins Wasser? Wie wichtig ist<br />
eine ganzjährige Wasserführung des Larvengewässers? Ist die mehrjährige<br />
Larvenüberwinterung bis hin zur Neotenie (!) die Regel, eine Ausnahme oder eine<br />
Legende?<br />
JOGER ULRICH & DETLEF SCHMIDT:<br />
Bestandssituation der <strong>Geburtshelferkröte</strong> in Hessen<br />
In Hessen ist die <strong>Geburtshelferkröte</strong> auf die Mittelgebirgslagen im Norden und in der<br />
Mitte des Bundeslandes beschränkt (nördlich der Rhein-Main-Tiefebene, mit Ausnahme<br />
des Vogelsberges; Höhenverbreitung 140-720 m). Hier bewohnt sie Steinbrüche, Sand-<br />
und Tongruben, sowie Truppenübengsplätze und Bahnanlagen, selten auch<br />
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