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Rituale - in Beratung und Therapie

Hans Jürgen Groß - Rituale - in Beratung und Therapie konzeptioneller Ansatz der Verwendung ritueller Strukturen zur erhöhten und gesteigerten Wirksamkeit, sinngebender Interventionen in der individuellen Veränderungsarbeit © 2006 / 2018 Kurzbeschreibung: ituale durchbrechen die immer gleichen Abläufe des Alltags, geben uns Halt, Sicherheit und beschränken uns auf das Wesentliche in diesem Augenblick. Rituale wertschätzen Entwicklungsphasen in unserem Leben und verankern sie für die Zukunft. Rituale erlauben uns zu spüren und mit diesen heilsamen Gefühlen nach aussen zu gehen. Rituale verlieren ihren Wert, wenn sie zu einer leeren Hülse verkommen, wenn sie es nicht mehr schaffen uns sinnlich erleben zu lassen, wenn sie zur Beschränkung werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich der sinngebenden Erfahrung eines Rituals gewahr zu werden, und diese ganz bewusst im Lebensalltag zu installieren. Das Wort „Ritual“ übt eine grosse Faszination aus und weckt Phantasie und Neugier. In der Beratung und in der Therapie sind wir ständig auf der Suche nach neuen Methoden um wirkungsvolle Veränderungsarbeit für unsere Klienten zu initiieren und diese in schwierigen Lebenssituationen zu begleiten. Bewusst eingesetzte, und gestaltete Rituale scheinen insoweit ein ideales Medium für diese Arbeit zu sein. Rituale sind ein potenziell hochwirksames Mittel zur Bewältigung von emotional explosiven Situationen.

Hans Jürgen Groß - Rituale - in Beratung und Therapie konzeptioneller Ansatz der Verwendung ritueller Strukturen zur erhöhten und gesteigerten Wirksamkeit, sinngebender Interventionen in der individuellen Veränderungsarbeit

© 2006 / 2018

Kurzbeschreibung:
ituale durchbrechen die immer gleichen Abläufe des Alltags, geben uns Halt, Sicherheit und beschränken uns auf das Wesentliche in diesem Augenblick.
Rituale wertschätzen Entwicklungsphasen in unserem Leben und verankern sie für die Zukunft.

Rituale erlauben uns zu spüren und mit diesen heilsamen Gefühlen nach aussen zu gehen.
Rituale verlieren ihren Wert, wenn sie zu einer leeren Hülse verkommen, wenn sie es nicht mehr schaffen uns sinnlich erleben zu lassen, wenn sie zur Beschränkung werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich der sinngebenden Erfahrung eines Rituals gewahr zu werden, und diese ganz bewusst im Lebensalltag zu installieren.
Das Wort „Ritual“ übt eine grosse Faszination aus und weckt Phantasie und Neugier.
In der Beratung und in der Therapie sind wir ständig auf der Suche nach neuen Methoden um wirkungsvolle Veränderungsarbeit für unsere Klienten zu initiieren und diese in schwierigen Lebenssituationen zu begleiten.
Bewusst eingesetzte, und gestaltete Rituale scheinen insoweit ein ideales Medium für diese Arbeit zu sein.

Rituale sind ein potenziell hochwirksames Mittel zur Bewältigung von emotional explosiven Situationen.

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<strong>Beratung</strong>, Coach<strong>in</strong>g & Mediation<br />

<strong>Rituale</strong> - <strong>in</strong> <strong>Beratung</strong> <strong>und</strong> <strong>Therapie</strong><br />

konzeptioneller Ansatz der Verwendung ritueller<br />

Strukturen zur erhöhten <strong>und</strong> gesteigerten Wirksamkeit,<br />

s<strong>in</strong>ngebender Interventionen <strong>in</strong> der <strong>in</strong>dividuellen<br />

Veränderungsarbeit<br />

Hans Jürgen Groß


Hans Jürgen Groß<br />

<strong>Rituale</strong> – <strong>in</strong> <strong>Beratung</strong> <strong>und</strong> <strong>Therapie</strong>


Hans Jürgen Groß<br />

<strong>Rituale</strong> - <strong>in</strong> <strong>Beratung</strong> <strong>und</strong> <strong>Therapie</strong><br />

konzeptioneller Ansatz der Verwendung ritueller<br />

Strukturen zur erhöhten <strong>und</strong> gesteigerten<br />

Wirksamkeit, s<strong>in</strong>ngebender Interventionen<br />

<strong>in</strong> der <strong>in</strong>dividuellen Veränderungsarbeit<br />

<strong>Beratung</strong>, Coach<strong>in</strong>g & Mediation


zweite überarbeitet Version<br />

Copyright der Erstauflage © 2006 Hans Jürgen Groß<br />

Copyright der überarbeitenden Version © 2018 Hans Jürgen Groß


Inhalt :<br />

1. E<strong>in</strong>leitung 3<br />

2. <strong>Rituale</strong> 6<br />

2.1 Def<strong>in</strong>ition 6<br />

2.2 Funktion <strong>und</strong> Wirkweise 8<br />

2.3 Formen 10<br />

2.4 Abgrenzung 10<br />

2.5 Inhalt <strong>und</strong> Struktur 14<br />

2.5.1 die äußere Form 15<br />

2.5.2 der <strong>in</strong>nere Raum 17<br />

2.6 die H<strong>in</strong>wendung zu e<strong>in</strong>er höheren Ordnung 22<br />

2.7 die Sprache 23<br />

3. Der Ritualbogen 25<br />

3.1 die Entscheidung 26<br />

3.2 Re<strong>in</strong>igung 28<br />

3.3 Öffnung des heiligen Bezirks (Raums) 30<br />

3.4 die E<strong>in</strong>ladung (die Anrufung) 32<br />

3.5 das Ritual im Ritual (Aktivierung der Energie) 33<br />

3.6 Erdung der Restenergie 37<br />

3.7 Aufheben <strong>und</strong> Verabschieden 38<br />

3.8 Nachbereitung 39<br />

auf dem Weg – über den Autor 41<br />

Dank 43<br />

Literaturverzeichnis 45<br />

1


2


1. E<strong>in</strong>leitung<br />

<strong>Rituale</strong> s<strong>in</strong>d wie große Ste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bachlauf um die sich das Wasser<br />

schlängelt, Gras, Pflanzen <strong>und</strong> Insekten zur Heimstatt wird. Sie bremsen<br />

den Fluss des Lebens, lassen Augenblicke langsamer <strong>und</strong> damit<br />

s<strong>in</strong>nlicher bewusst werden, regen e<strong>in</strong>e veränderte Fließrichtung an.<br />

<strong>Rituale</strong> durchbrechen die immer gleichen<br />

Abläufe des Alltags, geben uns Halt,<br />

Sicherheit <strong>und</strong> beschränken uns auf das<br />

Wesentliche <strong>in</strong> diesem Augenblick.<br />

<strong>Rituale</strong> wertschätzen Entwicklungsphasen<br />

<strong>in</strong> unserem Leben <strong>und</strong> verankern sie für die Zukunft.<br />

Die Kommunion / Konfirmation, die Hochzeit <strong>in</strong> "weiß", dies s<strong>in</strong>d <strong>Rituale</strong><br />

die <strong>in</strong> unserer Gesellschaft wichtig s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> <strong>in</strong> denen die Wertschätzung<br />

des Augenblicks erkennbar wird. Übergänge im Leben können so<br />

verankert werden. Das Alte verlorene kann dankend verabschiedet<br />

werden; das Neue vor uns liegende mit all se<strong>in</strong>em Zauber angenommen<br />

<strong>und</strong> willkommen geheißen werden.<br />

<strong>Rituale</strong> erlauben uns zu spüren <strong>und</strong> mit diesen heilsamen Gefühlen nach<br />

außen zu gehen. So hat die Trauer, der Schmerz <strong>und</strong> auch die Wut über<br />

das Verlorene <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Beerdigungsritual se<strong>in</strong>en festen Platz.<br />

<strong>Rituale</strong> verlieren ihren Wert, wenn sie zu e<strong>in</strong>er leeren Hülse verkommen,<br />

wenn sie es nicht mehr schaffen uns s<strong>in</strong>nlich erleben zu lassen, wenn<br />

sie zur Beschränkung werden. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist es wichtig, sich der<br />

3


s<strong>in</strong>ngebenden Erfahrung e<strong>in</strong>es Rituals gewahr zu werden, <strong>und</strong> diese<br />

ganz bewusst im Lebensalltag zu <strong>in</strong>stallieren.<br />

Das Wort „Ritual“ übt e<strong>in</strong>e große Fasz<strong>in</strong>ation aus <strong>und</strong> weckt Phantasie<br />

<strong>und</strong> Neugier. Wir spüren dar<strong>in</strong> <strong>in</strong>tuitiv die Begegnung mit dem<br />

Archaischen, dem tief <strong>in</strong> uns Verwurzeltem, dem Unvertrauten <strong>und</strong> dem<br />

Unvorhersehbaren. Wenn wir unseren Gedanken freien Lauf lassen,<br />

führt uns das Wort „Ritual“ zu traumähnlichen Bildern, Klängen <strong>und</strong><br />

Welten des Unbewussten.<br />

In der Literatur f<strong>in</strong>den sich nur wenige Abhandlungen zu diesem Thema.<br />

Gleichzeitig s<strong>in</strong>d uns <strong>Rituale</strong> seit Jahrtausenden bekannt; wurden <strong>und</strong><br />

werden diese im religiös / spirituellem <strong>und</strong> heilendem Kontext e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Alle<strong>in</strong> hieran ist zu erkennen, das <strong>Rituale</strong> e<strong>in</strong>e hohe Wirkweise haben.<br />

Untersuchungen von Huxley (1923), Eibl-Eibesfeldt (1967) <strong>und</strong> Konrad<br />

Lorenz (1950) belegen, das die Ritualisierung <strong>und</strong> die aus ihr<br />

entstehenden <strong>Rituale</strong> im Verhalten der Tiere e<strong>in</strong>e auffallende <strong>und</strong><br />

gewichtige Rolle spielen. 1 <strong>Rituale</strong> s<strong>in</strong>d folglich älter als die Menschheit.<br />

In der <strong>Beratung</strong> <strong>und</strong> <strong>in</strong> der <strong>Therapie</strong> s<strong>in</strong>d wir ständig auf der Suche nach<br />

neuen Methoden um wirkungsvolle Veränderungsarbeit für unsere<br />

Klienten zu <strong>in</strong>itiieren <strong>und</strong> diese <strong>in</strong> schwierigen Lebenssituationen zu<br />

begleiten. Bewusst e<strong>in</strong>gesetzte, <strong>und</strong> gestaltete <strong>Rituale</strong> sche<strong>in</strong>en <strong>in</strong>soweit<br />

e<strong>in</strong> ideales Medium für diese Arbeit zu se<strong>in</strong>. <strong>Rituale</strong> s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> potenziell<br />

hochwirksames Mittel zur Bewältigung von emotional explosiven<br />

Situationen. Es wird angenommen, dass Interventionsformen besonders<br />

wirksam s<strong>in</strong>d, wenn sie nicht ausschließlich auf das Erkennen von<br />

11 Siehe Übergänge im Leben von Tieren; <strong>in</strong> <strong>Rituale</strong>, Hrsg. Welter-Enderl<strong>in</strong>, Rosemarie;<br />

Hildenbrand, Bruno, Heidelberg 2002, Seite 26<br />

4


Problemen <strong>und</strong> Veränderungsnotwendigkeiten <strong>und</strong> deren Umsetzung <strong>in</strong><br />

Sprache bauen, sondern auf Verankerung der Veränderung im<br />

Vorbewussten, im Symbolischen, <strong>in</strong> der Rout<strong>in</strong>e des Alltags wie im<br />

affektiven Leben abzielen.<br />

Besonders das neurol<strong>in</strong>guistische Programmieren (NLP) be<strong>in</strong>halte viele<br />

Elemente <strong>und</strong> Konzepte die sich unmittelbar bzw. mittelbar <strong>in</strong> die<br />

Ritualarbeit übertragen lassen. Genannt sei hier u.a. die Arbeit mit<br />

Methapern, die Milton-Sprache sowie die Hypnose. Weiter folgen viele<br />

NLP-Konzepte dem Gr<strong>und</strong>aufbau e<strong>in</strong>es Rituals, wie sich später zeigen<br />

wird.<br />

Die vorliegende Arbeit wird sich im folgenden mit dem Ritualbegriff, den<br />

Wirkweisen, Formen <strong>und</strong> Abgrenzungen beschäftigen. Besondere<br />

Beachtung f<strong>in</strong>det hierbei die H<strong>in</strong>führung zur Transzendenz, die für<br />

Wirkung <strong>und</strong> Begrifflichkeit e<strong>in</strong>es Rituals unerläßlich sche<strong>in</strong>t. Den<br />

Abschluss <strong>und</strong> Hauptteil der Arbeit bildet die Beschreibung e<strong>in</strong>es<br />

Ritualbogens. Dieser konzeptionelle Ansatz soll dem Leser / der Leser<strong>in</strong><br />

H<strong>in</strong>weise <strong>und</strong> Anregungen geben, den äußeren Rahmen e<strong>in</strong>es Rituals<br />

so zu gestalten, das die Spannung / Energie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise gesteigert -<br />

<strong>und</strong> auch wieder heruntergefahren wird - das der Klient / die Klient<strong>in</strong> die<br />

eigentliche Veränderungsarbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em höheren, s<strong>in</strong>ngebenden<br />

Zusammenhang erlebt <strong>und</strong> damit die Wirksamkeit der e<strong>in</strong>gesetzten<br />

Interventionen <strong>und</strong> die Übertragung <strong>in</strong> den Alltag gesteigert <strong>und</strong><br />

verankert wird.<br />

5


2. <strong>Rituale</strong><br />

2.1 Def<strong>in</strong>ition<br />

„E<strong>in</strong> Ritual (von late<strong>in</strong>isch ritualis = "den Ritus betreffend") ist e<strong>in</strong>e nach<br />

festen Regeln durchgeführte, eher feierliche Handlung mit hohem<br />

Symbolgehalt. Sie kann religiöser oder weltlicher Art se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e<br />

festgelegte, zeremonielle Ordnung von <strong>Rituale</strong>n oder rituellen<br />

Handlungen bezeichnet man als Ritus.“ 1<br />

Bobby C. Alexander def<strong>in</strong>iert den Begriff des Rituals als e<strong>in</strong> „im<br />

allgeme<strong>in</strong>sten <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>legendstem S<strong>in</strong>n (…) geplante oder<br />

improvisierte Performance, die e<strong>in</strong>e Überleitung des alltäglichen Lebens<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en alternativen Zusammenhang, <strong>in</strong> dem der Alltag transformiert<br />

wird, bewirkt.“ 2<br />

Victor Turner sieht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ritual e<strong>in</strong> „vorgeschriebenes formalisiertes<br />

Verhalten für Gelegenheiten, die noch ke<strong>in</strong>e Rout<strong>in</strong>e geworden s<strong>in</strong>d <strong>und</strong><br />

die e<strong>in</strong>en Bezug zum Glauben an mystische [...] Kräfte oder Wesen<br />

haben, die als ursächlich für den erstrebten Effekt angesehen werden“ 3<br />

Stephan Ludwig verweist auf die s<strong>in</strong>ngebende Wirkung der <strong>Rituale</strong>.<br />

„S<strong>in</strong>nhaftigkeit aber enthüllt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Erfahrung von S<strong>in</strong>n. <strong>Rituale</strong><br />

schaffen e<strong>in</strong>en Raum für diese Erfahrung. <strong>Rituale</strong> s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> vielschichtiges<br />

Geschehen, <strong>in</strong> dem sich die Mehrdeutigkeit des Lebens entfalten kann.<br />

Sie schaffen lediglich e<strong>in</strong>e Brücke zwischen der äußeren Welt <strong>und</strong> der<br />

11<br />

22<br />

33<br />

„Ritual“, Wikipedia, der freien Enzyklopädie (www.wikipedia.org/wiki/ritual)<br />

Alexander, Bobby C.; Ritual and current studies of ritual : Overview. In Glazier,<br />

Stephan<br />

D. Anthropology of Religion: A Handbook, London 1997, S. 139<br />

Turner, Victor; zitiert nach Wolberg, Raphaela, Riten & <strong>Rituale</strong>, Sem<strong>in</strong>ararbeit<br />

Universität Trier, 2002, Seite 4<br />

6


<strong>in</strong>neren Welt, zwischen dem Bewussten <strong>und</strong> dem Unbewussten,<br />

zwischen dem Profanen <strong>und</strong> dem Heiligen, zwischen dem Sexuellen <strong>und</strong><br />

dem Spirituellen <strong>und</strong> - ganz allgeme<strong>in</strong> formuliert - zwischen dem<br />

verstehbaren Ufer des Lebensflusses <strong>und</strong> dem Mysterium.“ 1<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass <strong>Rituale</strong><br />

formalisierte,<br />

symbolische,<br />

s<strong>in</strong>ngebende,<br />

aktive (meist k<strong>in</strong>estätische) Handlungen umfassen,<br />

dramatische Elemente (Grenzerfahrung) enthalten, sich durch<br />

dynamische Aspekte (Flusscharakter) der Transformation<br />

Ausdruck verschaffen,<br />

e<strong>in</strong> Abbild des Alltag darstellen, also von der jeweiligen Kultur<br />

geprägt s<strong>in</strong>d<br />

transzendentale Aspekte umfassen, <strong>und</strong> sich von<br />

Gewohnheit <strong>und</strong> Rout<strong>in</strong>e unterscheiden.<br />

Ferner ist festzustellen –<strong>und</strong> dies wurde bisher noch nicht publiziert-, das<br />

<strong>Rituale</strong> <strong>in</strong> der Regel, alle S<strong>in</strong>nkanäle (Repräsentionssysteme) mit<br />

e<strong>in</strong>beziehen.<br />

11<br />

Ludwig, Stephan, <strong>Rituale</strong> <strong>in</strong> unserer Zeit, Vortrag Baseler Psychotherapietage Mai<br />

1998, Seite 3<br />

7


2.2 Funktion <strong>und</strong> Wirkweise<br />

In der zuvor getroffene Def<strong>in</strong>ition des Ritualbegriffs, werden die<br />

Funktions- <strong>und</strong> Wirkweisen des Rituals bereits deutlich. E<strong>in</strong> wesentliches<br />

Wirkelement von <strong>Rituale</strong>n ist der gleichbleibende Handlungsablauf.<br />

Durch den formalisierten Ablauf e<strong>in</strong>es Rituals, wird ähnlich wie <strong>in</strong> der<br />

Trance-Induktion e<strong>in</strong>e „Ja-Straße“ beschritten. Die Abläufe <strong>und</strong><br />

Handlungen s<strong>in</strong>d bekannt, setzen ke<strong>in</strong>e oder nur ger<strong>in</strong>ge Kontrolle<br />

voraus, vermitteln so e<strong>in</strong> Gefühl von Geborgenheit <strong>und</strong> Sicherheit.<br />

<strong>Rituale</strong> bedienen sich strukturierter Mittel, um die Bedeutung e<strong>in</strong>er<br />

Handlung sichtbar oder nachvollziehbar zu machen oder über deren<br />

Alltagsbedeutung h<strong>in</strong>aus weisende Bedeutungs- oder<br />

S<strong>in</strong>nzusammenhänge symbolisch darzustellen oder auf sie zu<br />

verweisen. Indem <strong>Rituale</strong> auf vorgefertigte Handlungsabläufe <strong>und</strong><br />

bekannte Symbole zurückgreifen, vere<strong>in</strong>fachen sie die Bewältigung<br />

komplexer lebensweltlicher Aufgaben <strong>und</strong> vermitteln Orientierung, sie<br />

erleichtern die Kommunikation, den Umgang mit der Welt <strong>und</strong> das<br />

Treffen von Entscheidungen.<br />

Die immer gleich bleibende Struktur wirkt wie e<strong>in</strong> Seperator vom Alltag.<br />

Bereits mit dem Betreten <strong>und</strong> Bereiten des „Ritualraumes“, verlassen wir<br />

die alltägliche Welt <strong>und</strong> begeben uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Bereich wo andere<br />

Symbole <strong>und</strong> Gesetze gelten; spürbar wird dies häufig durch e<strong>in</strong>e<br />

Verlangsamung der Zeit, d.h. e<strong>in</strong>em veränderten Zeitempf<strong>in</strong>den.<br />

<strong>Rituale</strong> zeigen sich als e<strong>in</strong> Abbild des Alltags, schränken jedoch<br />

Alternativen im Handlungsablauf e<strong>in</strong> <strong>und</strong> wirken somit wie Filter. Diese<br />

Filterwirkung sorgt für e<strong>in</strong> verstärktes s<strong>in</strong>nliches Erleben. Dies wiederum<br />

8


ermöglicht S<strong>in</strong>ngebung <strong>und</strong> kann letztendlich zu e<strong>in</strong>er transzendalen<br />

Erfahrung führen (siehe weiter unten.<br />

Das Ansprechen aller Repräsentationssysteme im rituellen Ablauf setzt<br />

Anker für alle künftigen <strong>Rituale</strong>. So führt z.B. der E<strong>in</strong>satz von Weihrauch<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ritualablauf dazu, das bereits dessen Geruch zu e<strong>in</strong>em<br />

späteren Zeitpunkt, die geankerten S<strong>in</strong>n-Empf<strong>in</strong>dungen der<br />

Ritualsituation wieder zur Verfügung stellen <strong>und</strong> ggf. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em neuen<br />

Ritual vertiefen <strong>und</strong> verfestigen. Das gleiche gilt auch für andere<br />

Repräsentationen, z.B. Musik, Geschmack <strong>und</strong> dergl..<br />

In der <strong>Therapie</strong> <strong>und</strong> <strong>Beratung</strong> spielt die Ritualisierung daher e<strong>in</strong>e<br />

wichtige Rolle. Mit ihrer Hilfe können Ordnungen wiederhergestellt<br />

werden, wo sie nicht mehr als Struktur vorhanden s<strong>in</strong>d. Auch die<br />

struktur- <strong>und</strong> bedeutungsstiftende Kraft von <strong>Rituale</strong>n für den sozialen<br />

Zusammenhalt von Gruppen kann im therapeutischen Rahmen nutzbar<br />

gemacht werden. Auf symbolische Weise wird der Kern der<br />

Gesamtproblematik herausgearbeitet. <strong>Rituale</strong> <strong>und</strong> symbolische<br />

Handlungen (z. B. e<strong>in</strong>e Versöhnungsgeste) unterstützen den<br />

<strong>Therapie</strong>erfolg etwa <strong>in</strong> der Familientherapie. 1<br />

11 Siehe Ritual, aus Wikipedia, a.a.O.<br />

9


2.3 Formen<br />

Man kann <strong>Rituale</strong> grob <strong>in</strong> zwei Gruppen unterteilen:<br />

Kalendarische <strong>Rituale</strong> folgen e<strong>in</strong>em Jahreskalender ritueller Ereignisse.<br />

Sie betreffen <strong>in</strong> der Regel die ganze Gruppe, so dass sie geme<strong>in</strong>sam<br />

ausgeführt werden. Der Anlass für diese <strong>Rituale</strong> ist oft e<strong>in</strong> Ereignis im<br />

natürlichen Jahreszyklus, wie etwa Weihnachten, Ostern, das Zu- <strong>und</strong><br />

Abnehmen das Mondes oder e<strong>in</strong> Jahreszeitenwechsel.<br />

Im Gegensatz dazu werden ereignisbezogenen <strong>Rituale</strong> bei Bedarf, also<br />

u.a. im Falle von Übergängen <strong>und</strong> Krisen durchgeführt. E<strong>in</strong>ige von ihnen,<br />

wie z.B. Initiationsrituale, folgen aber auch e<strong>in</strong>em Zyklus, dem<br />

Lebenszyklus. Sie können sich sowohl auf E<strong>in</strong>zelpersonen als auch auf<br />

Gruppen beziehen.<br />

In der folgenden Darstellung, die sich der Betrachtung der <strong>Rituale</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>Beratung</strong> <strong>und</strong> <strong>Therapie</strong> verschrieben hat, wird ausschließlich auf die<br />

zweite Gruppe von <strong>Rituale</strong>n e<strong>in</strong>gegangen; wobei es hier <strong>in</strong>sbesondere<br />

die Übergangsrituale (siehe weiter unten) s<strong>in</strong>d, die me<strong>in</strong>e<br />

Aufmerksamkeit gilt.<br />

2.4 Abgrenzung<br />

Von den <strong>Rituale</strong>n s<strong>in</strong>d formalisierte Handlungen zu unterscheiden, die<br />

Rout<strong>in</strong>e oder Gewohnheiten des alltäglichen Lebens darstellen. Sie<br />

weisen starke Ähnlichkeiten zu den <strong>Rituale</strong>n auf, werden<br />

10


umgangsprachlich eventuell sogar als solche bezeichnet, jedoch fehlt es<br />

ihnen an der s<strong>in</strong>ngebenden Erfahrung des Rituals.<br />

Kennzeichnend für e<strong>in</strong> Ritual ist folglich, dass dieses im Gegensatz zu<br />

habitualisierten Handlungen immer e<strong>in</strong>en symbolischen Charakter hat<br />

<strong>und</strong> somit auf die Existenz anderer Dimensionen von Zeit <strong>und</strong> Raum<br />

--auf die Transzendenz— verweist. 1<br />

Die Abgrenzung des Rituals vom Gewöhnlichem ist somit nicht e<strong>in</strong>fach<br />

an den äußeren Umständen erkennbar, sondern explizit an der<br />

s<strong>in</strong>ngebenden Wirkung, welches das Ritual für den Menschen hat. So<br />

können folglich auch feste rituelle Feiern des Jahreskreises zu<br />

Gewohnheiten werden, denen der <strong>in</strong>dividuelle Ritualcharakter fehlt.<br />

Formalisierte Handlungen, die als Zwang, Enge <strong>und</strong> Beh<strong>in</strong>derung erlebt<br />

werden verlieren ihren Ritualcharakter für die betreffende Person oder<br />

Gruppe.<br />

In der Literatur werden weitere Abgrenzungskriterien genannt, die auf<br />

ähnliche Überlegungen abzielen <strong>und</strong> die ich hier nicht unerwähnt lassen<br />

möchte.<br />

Nach Axel Michaels s<strong>in</strong>d fünf Aspekte kennzeichnend, die <strong>Rituale</strong> von<br />

Gewohnheiten abgrenzen: 2<br />

<br />

jedes Ritual steht <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>er Veränderung, da es<br />

immer anlässlich e<strong>in</strong>er Art Grenzüberschreitung ausgeführt wird<br />

11 siehe Wolberg, Raphaela, a.a.O. Seite 10<br />

22 siehe ebenda Seite 10<br />

11


(diese Aussage kann sich jedoch nur auf Übergangsrituale<br />

beziehen).<br />

<strong>Rituale</strong> werden niemals willkürlich <strong>und</strong> spontan durchgeführt<br />

sondern immer bewusst <strong>und</strong> mit Absicht gewählt. Es muss folglich<br />

e<strong>in</strong> förmlicher Beschluss oder e<strong>in</strong>e Willensbek<strong>und</strong>ung gegeben<br />

se<strong>in</strong>. (dieser Aspekt ist wichtig <strong>und</strong> f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> der weiteren<br />

Betrachtung besondere Beachtung)<br />

Ritualhandlungen s<strong>in</strong>d lt. Michaels stereotyp, förmlich, repetitiv,<br />

öffentlich, unwiderrufbar <strong>und</strong> oft auch lim<strong>in</strong>al.<br />

Außerdem bezieht e<strong>in</strong> Ritual sich auf etwas Transzendentales <strong>und</strong><br />

hat auf jeden Teilnehmer e<strong>in</strong>e ganz subjektive Wirkung (diese<br />

Aussage ist mit me<strong>in</strong>er weiter oben getroffenen Abgrenzung<br />

identisch)<br />

Falls e<strong>in</strong>e der genannten Komponenten nicht gegeben ist, handelt es<br />

sich - nach Michaels – also nicht um e<strong>in</strong> Ritual. Habituellen Handlungen<br />

<strong>und</strong> Bräuchen fehlt z.B. die Absichtlichkeit <strong>und</strong> Bewusstheit <strong>und</strong> bei der<br />

Rout<strong>in</strong>e mangelt es an Unwiderrufbarkeit <strong>und</strong> Lim<strong>in</strong>alität.<br />

Victor Turner zielt mit se<strong>in</strong>er Abgrenzungserklärung auf die Dynamik<br />

(Flusscharakter) des Rituals ab; die letztendlich e<strong>in</strong> anderer Ausdruck für<br />

die s<strong>in</strong>ngebende Komponente des Rituals ist. „<strong>Rituale</strong> ordnen<br />

menschliches Leben mit dem Ziel, se<strong>in</strong>en Fluss zu fördern (...) Der<br />

Flusscharakter gehört zum Wesen des Rituals.“ 1 Dieser Flusscharakter<br />

ist Kennzeichen e<strong>in</strong>es Bewusstse<strong>in</strong>szustandes, der mit den tieferen<br />

Schichten des Lebens verb<strong>und</strong>en ist. „ Die Zeremonie h<strong>in</strong>gegen zielt<br />

darauf ab, bestehende Hierarchien <strong>und</strong> Ordnungen darzustellen <strong>und</strong> zu<br />

bestätigen (Beispiel Königskrönung). Zeremonie verstärkt die geltende<br />

11<br />

Ludwig, Stephan, a.a.O. Seite 9<br />

12


Ordnung, unterstreicht Machtverhältnisse, ihre Wirkung ist statisch. Das<br />

Ritual dagegen <strong>in</strong>tendiert Veränderung, es ist e<strong>in</strong> dynamisches<br />

Geschehen, es ist, um es etwas überspitzt auszudrücken, sozusagen auf<br />

das Unvorhersehbare ausgerichtet.“ 1<br />

11<br />

Vogelsanger, Cornelia; Chaos <strong>und</strong> Ordnung im Ritual – E<strong>in</strong>e heilsame Polarität, <strong>in</strong><br />

<strong>Rituale</strong> Hrsg. Welter-Enderl<strong>in</strong>, Rosemarie; Hildenbrand, Bruno, Heidelberg 2002,<br />

Seite 43<br />

13


2.5 Inhalt <strong>und</strong> Struktur<br />

Riten strukturieren den sozialen Raum <strong>und</strong> bilden ihn zugleich ab. E<strong>in</strong><br />

Geschehen, welches im alltäglichen Kontext zu e<strong>in</strong>er tiefen Lebens- <strong>und</strong><br />

S<strong>in</strong>nkrise führen kann, wird im Ritual bewusst <strong>in</strong>itiiert. Hierdurch werden<br />

Prozessen <strong>in</strong> Gang gesetzt, die im strukturiertem Rahmen des Rituals<br />

Möglichkeiten schaffen, Sicherheit <strong>und</strong> Klarheit zu erlangen um damit<br />

künftige Denk- <strong>und</strong> Verhaltensweisen e<strong>in</strong> Stück weit zu steuern. Ziel ist<br />

es Ordnung zu schaffen, <strong>in</strong>dem im geschützten Rahmen des Rituals<br />

zunächst die Krise dramatisch zugespitzt <strong>und</strong> dann symbolisch gelöst<br />

wird. 1<br />

<strong>Rituale</strong>s wirken durch das <strong>Rituale</strong>rleben wie selbsterfüllende<br />

Prophezeiungen.<br />

Die Wurzeln vieler Riten reichen tief h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> die menschliche<br />

Urgeschichte, <strong>und</strong> strukturieren - wie Mythen- zugleich die Zukunft <strong>in</strong>dem<br />

sie e<strong>in</strong> neues Licht auf Sachverhalte werfen <strong>und</strong> damit Lösungsideen<br />

eröffnen.<br />

<strong>Rituale</strong> bestehen aus e<strong>in</strong>er sichtbaren, äußeren Form <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em<br />

unsichtbaren, <strong>in</strong>neren Raum. Zur äußeren Form gehören alle<br />

Strukturelemente wie die Festlegung von Beg<strong>in</strong>n, Ende <strong>und</strong> Dauer des<br />

Rituals. Für bestimmte Phasen des Rituals gibt es Handlungsvorschriften<br />

<strong>und</strong> festgelegte Verhaltensabläufe (wie wir weiter unten sehen werden);<br />

ebenso gehört die Verwendung von bestimmten Gegenständen oder<br />

Symbolen zu den Strukturanteilen. Von außen betrachtet, können wir<br />

sagen, dass <strong>Rituale</strong> aus e<strong>in</strong>em sich wiederholenden oder pr<strong>in</strong>zipiell - bei<br />

entsprechendem Anlass - wiederholbaren Handlungsablauf oder<br />

Verhaltensmuster bestehen, die e<strong>in</strong>e symbolische Bedeutung haben.<br />

11 siehe ebenda, Seite 42<br />

14


2.5.1 die äußere Form<br />

Zur äußeren Form gehören vor allem –wie bereits erwähnt-<br />

Strukturelemente wie die Festlegung von Beg<strong>in</strong>n, Ende <strong>und</strong> Dauer <strong>und</strong><br />

Ort des Rituals. <strong>Rituale</strong> werden niemals willkürlich <strong>und</strong> spontan<br />

durchgeführt, sondern immer bewusst <strong>und</strong> mit Absicht gewählt. Es muss<br />

folglich e<strong>in</strong> förmlicher Beschluss oder e<strong>in</strong>e Willensbek<strong>und</strong>ung gegeben<br />

se<strong>in</strong>. In der Regel legt der Klient durch se<strong>in</strong>en Entschluss für das Ritual<br />

den Beg<strong>in</strong>n der rituellen Handlung fest. Ferner muss der Ort festgelegt<br />

werden, der Ritualraum durch entsprechende Handlungen vorbereitet<br />

werden.<br />

Riten f<strong>in</strong>den typischerweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „eigenen Zeit" <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em „eigenen<br />

Raum" statt; sie stehen gewissermaßen außerhalb der gewöhnlichen<br />

Zeit <strong>und</strong> des gewöhnlichen Raums.<br />

Die klare Form des Rituals wirkt wie e<strong>in</strong> Schutz <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Erlaubnis, die<br />

Kontrolle zu lockern. Besonders bedeutsam ersche<strong>in</strong>t dabei das Element<br />

des Wiederholens <strong>und</strong> die Verwendung von bereits bekannten<br />

Handlungen, Symbolen <strong>und</strong> anderen Repräsentationen (Ja-Straße.<br />

Dieser „sichere Rahmen“ vermittelt e<strong>in</strong> Gefühl der Geborgenheit über<br />

die äußere Form, <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere durch die Wiederholung dieser<br />

Formelemente, entfaltet das Ritual se<strong>in</strong>e stabilisierende <strong>und</strong><br />

verb<strong>in</strong>dende, soziale Funktion. Die Wiederholung betont die Kont<strong>in</strong>uität.<br />

Sie vermittelt das Gefühl der Sicherheit <strong>und</strong> Verlässlichkeit <strong>und</strong> hat damit<br />

auch e<strong>in</strong>e stabilisierende, <strong>in</strong>nerpsychische Wirkung. <strong>Rituale</strong> s<strong>in</strong>d deshalb<br />

e<strong>in</strong> hervorragendes Mittel, um <strong>in</strong>tensive Emotionen mitsamt ihren<br />

Wirkungen auf Denken <strong>und</strong> Verhalten unvermerkt <strong>in</strong> den Alltag<br />

e<strong>in</strong>zuschleusen.<br />

15


Hervorzuheben ist ferner, dass <strong>Rituale</strong> ganz wesentlich aus Handlungen<br />

bestehen. Sie s<strong>in</strong>d meist mehr e<strong>in</strong> Tun als e<strong>in</strong> Reden, obwohl es<br />

natürlich auch sprachbetonte Riten gibt.<br />

<strong>Rituale</strong> s<strong>in</strong>d außerdem fast immer mehrdeutig; sie können ganz ähnlich<br />

wie der Traum, viele Bedeutungen auf sich vere<strong>in</strong>en.<br />

Die verwendeten, kognitiven Symbole s<strong>in</strong>d die Bauste<strong>in</strong>e, aus denen<br />

sich die rituellen Dämme aufbauen. „Die Metapher vom Dammbau gibt<br />

sogar noch mehr her: In der Regel stammt das Baumaterial zum Ritual<br />

aus der unmittelbaren Umgebung, ist aus den Ste<strong>in</strong>brüchen der<br />

umliegenden kulturellen Landschaft gebrochen, aus dem Holz der<br />

benachbarten Wälder geschnitzt. Dies ist nicht nur ökonomisch s<strong>in</strong>nvoll,<br />

sondern ebenfalls, weil vertrautes Material sich <strong>in</strong> die (mentale)<br />

„Landschaft" viel besser e<strong>in</strong>fügt als fremdes <strong>und</strong> deshalb auch leichter<br />

akzeptiert wird.“ 1<br />

Mit anderen Worten, die symbolisch gewählten Baumaterialien des<br />

Rituals werden dem gewohnten Alltag entnommen.<br />

Weiter können die aus der Trance<strong>in</strong>duktion gekannten Pr<strong>in</strong>zipien wie das<br />

Pacen, das Bestätigen, das positive Besetzen des Unbewussten, das<br />

schrittweise annähern, das verbreiten von Zuversicht, sowie das<br />

utilisieren von Reaktionen den Rapport, <strong>und</strong> damit den „sicheren<br />

Rahmen“ weiter verstärken; wie generell <strong>Rituale</strong> ähnlichen<br />

Gr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zipien wie die Trance folgen.<br />

11<br />

Ciompi, Luc, Symbolische Affektkanalisation – e<strong>in</strong>e therapeutische Gr<strong>und</strong>funktion von<br />

<strong>Rituale</strong>n; <strong>in</strong> <strong>Rituale</strong>, Hrsg. Welter-Enderl<strong>in</strong>, Rosemarie; Hildenbrand, Bruno,<br />

Heidelberg 2002, Seite 67<br />

16


2.5.2 der <strong>in</strong>nere Raum<br />

Die <strong>in</strong>nere Struktur von <strong>Rituale</strong>n beschreibt Arnold van Gennep, <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em 1909 entstandenen Werk „The Rites of Passage“. Victor Turner<br />

baut <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Untersuchungen hierauf auf <strong>und</strong> entwickelte diese weiter.<br />

Se<strong>in</strong>e Leistung ist es, auf e<strong>in</strong>e spezifische Phase im rituellen Prozess<br />

h<strong>in</strong>gewiesen zu haben, die er die Übergangsphase (lim<strong>in</strong>ale Phase)<br />

nennt.<br />

Van Gennep ist der Auffassung, dass alle Übergangsriten aus drei<br />

Stufen bestehen. Diese s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> allen <strong>Rituale</strong>n zu f<strong>in</strong>den, die e<strong>in</strong>e Art von<br />

Veränderung oder Bewegung thematisieren. Jedes Verhalten, das die<br />

dreigliedrige Struktur von „separation, transition, and <strong>in</strong>corporation“ –<br />

also Trennung, Umwandlung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>gliederung − aufweist, stellt für ihn<br />

folglich e<strong>in</strong>en Übergangsritus dar.<br />

Die erste Phase ist die Phase der Trennung vom vertrauten<br />

Bezugsrahmen, die Separation. Das entspricht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Initiationsritual<br />

z.B. e<strong>in</strong>er Trennung der Initianden von ihren Familien, von ihrem<br />

üblichen Lebensraum <strong>und</strong> von ihren gewohnten Handlungsabläufen.<br />

Damit wird das Ritual als S<strong>in</strong>n- <strong>und</strong> Handlungszusammenhang zu etwas<br />

Außergewöhnlichem, zu e<strong>in</strong>er Ritualzeit, die sich vom Alltäglichen<br />

unterscheidet.<br />

Die zweite Phase nennt Van Gennep die „zentrale Übergangszeit“ die<br />

Marge. Sie besteht aus dem H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geführtwerden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere Welt,<br />

d.h. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en ungewohnten Lebenszusammenhang, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere<br />

Dimension des Bewusstse<strong>in</strong>s, e<strong>in</strong>en Zeitraum für e<strong>in</strong>e Grenzerfahrung<br />

im Ausnahmezustand. Der Initiand bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> dieser Zeit außerhalb<br />

des gewohnten sozialen Kontextes <strong>und</strong> außerhalb der üblichen,<br />

17


gesicherten, gesellschaftlichen Orientierung <strong>und</strong> muss dort<br />

zurechtkommen. Mit dieser zweiten Phase können Gefühle der<br />

Verwirrung, der Orientierungslosigkeit <strong>und</strong> der Angst verb<strong>und</strong>en se<strong>in</strong>.<br />

Turner bezeichnet dieses zweite Phase auch als die lim<strong>in</strong>ale Phase. Die<br />

Vergangenheit hat ihre Macht verloren, die Zukunft hat jedoch noch<br />

ke<strong>in</strong>e def<strong>in</strong>itive Form angenommen. Sie ist die wichtigste Phase des<br />

rituellen Prozesses, <strong>in</strong>dem sie den Angelpunkt der Transformation<br />

darstellt. Diese Phase weist Merkmale des Unstrukturierten, des<br />

Vieldeutigen, des Chaotischen <strong>und</strong> des Paradoxen auf.<br />

In der dritten <strong>und</strong> letzten Phase - der Aggregation (lat. Vere<strong>in</strong>igung), der<br />

Zusammenführung - geht es um die bewusste Integration der<br />

<strong>Rituale</strong>rfahrung. Die Aufgabe besteht dar<strong>in</strong>, den eigenen<br />

Lebenszusammenhang bei der Rückkehr aus der Ritualzeit im Licht der<br />

Grenzerfahrung neu zu sehen <strong>und</strong> zu gestalten. Das Gr<strong>und</strong>motiv der<br />

Initiation ist die Grenzüberschreitung oder etwas sanfter ausgedrückt, die<br />

Erforschung von Grenzbereichen der menschlichen Seele. Im<br />

Vordergr<strong>und</strong> steht dabei e<strong>in</strong> <strong>in</strong>nerer Öffnungsprozess für e<strong>in</strong>e erweiterte<br />

Dimension von Leben <strong>und</strong> Bewusstse<strong>in</strong>. „Der Handlungszusammenhang<br />

des <strong>in</strong>itiatorischen Rituals ermöglicht dem Initianden, die<br />

Grenzerforschung <strong>und</strong> evtl. -überschreitung konkret zu erfahren <strong>und</strong> auf<br />

der Ebene des Bewusstse<strong>in</strong>s den Prozess der Selbsttranszendenz<br />

<strong>in</strong>nerlich zu vollziehen.“ 1<br />

<strong>Rituale</strong> im beraterischen, therapeutischen Kontext können generell als<br />

„Übergangsrituale“ bezeichnet werden, weil sie die Aufgabe e<strong>in</strong>es<br />

ganzheitlich, transformatorischen Entwicklungsschrittes verfolgen. Diese<br />

Dreiteilung f<strong>in</strong>det sich u.a. auch <strong>in</strong> der chaostheoretischen Beschreibung<br />

11<br />

Ludwig, Stephan, a.a.O. Seite 5<br />

18


e<strong>in</strong>er Krise, e<strong>in</strong>es Übergangs wieder. E<strong>in</strong>em stabilen Zustand folgt nach<br />

e<strong>in</strong>er Phase des Chaos zwangsläufig e<strong>in</strong> neuer stabiler Zustand.<br />

Nach van Gennep besitzt jede der drei Stufen e<strong>in</strong>es Übergangsrituals<br />

spezifische Merkmale. So ist die erste Stufe gekennzeichnet durch<br />

rituelle Handlungen, mit denen Trennung symbolisiert wird. „Die<br />

Trennungsphase beg<strong>in</strong>nt mit der Schaffung e<strong>in</strong>es Ritualraumes <strong>und</strong><br />

e<strong>in</strong>er Ritualzeit. Mit der <strong>in</strong>neren Bereitschaft, die Verhaftung mit den<br />

eigenen Vorstellungen <strong>und</strong> Überzeugungen zu lockern <strong>und</strong> die<br />

Sicherheit des eigenen Selbstbildes aufzugeben, entfernen wir uns<br />

psychisch aus dem Lebens- <strong>und</strong> Bewusstse<strong>in</strong>sraum des Alltäglichen.<br />

Diesen <strong>in</strong>neren Prozess der „Häutung“ oder des <strong>in</strong>neren Loslassens<br />

verstehen wir als e<strong>in</strong>en Innen- oder Bewusstse<strong>in</strong>saspekt der<br />

Separationsphase im S<strong>in</strong>ne von van Gennep.“ 1<br />

Die zweite Phase des Chaos, der „Grenzerfahrung im<br />

Ausnahmezustand“, be<strong>in</strong>haltet die E<strong>in</strong>ladung, den vertrauten<br />

Bezugrahmen aufzugeben <strong>und</strong> sich im „Raum des Nicht-Wissens“ zu<br />

orientieren <strong>und</strong> zu bewegen. Folglich s<strong>in</strong>d Strukturlosigkeit <strong>und</strong><br />

Mehrdeutigkeit Merkmale dieser Stufe, die sich oft auch durch extreme<br />

Reduzierung oder Übertreibung von Verhaltensweisen <strong>und</strong><br />

Demütigungen auszeichnet. Unsicherheit <strong>und</strong> Angstgefühle dürfen<br />

auftauchen <strong>und</strong> gefühlt werden, so dass sie auf e<strong>in</strong>er tieferen Ebene als<br />

hilfreiche Begleiter erkannt werden können. „In entsprechenden<br />

Situationen wird - solange sie nicht zu e<strong>in</strong>er Überforderung führen <strong>und</strong><br />

wenn sie im Schutz ungeteilter Aufmerksamkeit stattf<strong>in</strong>den - wahrhaftige<br />

Verantwortung geboren im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er unmittelbaren Antwort auf den<br />

sich entfaltenden Moment. „ 2 In den Aufzeichnungen der neun<br />

11<br />

22<br />

ebenda, Seite 5<br />

ebenda, Seite 5<br />

19


Gr<strong>und</strong>bauste<strong>in</strong>e des Wicca-Rituals, wird diese zentrale Phase, als der<br />

Bauste<strong>in</strong> zur Aktivierung der Energien bezeichnet, <strong>in</strong> der mit magischen<br />

Elementen gearbeitet wird. „Magie ist die Aktivierung <strong>und</strong> Lenkung von<br />

natürlichen Energien zu dem Ziel, e<strong>in</strong>e wünschenswerte Veränderung zu<br />

erreichen.“ 3<br />

In der letzten Stufe, der - der Aggregation, oder Inkorporation<br />

(E<strong>in</strong>verleibung, E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> die Seele), f<strong>in</strong>det die Re<strong>in</strong>tegration des<br />

Ritualteilnehmers <strong>in</strong> die Welt statt. Allerd<strong>in</strong>gs bef<strong>in</strong>det er sich nun <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em neuen Zustand. In der Regel ist dieser Übergang <strong>in</strong> diesen neuen<br />

Zustand mit e<strong>in</strong>er konkreten Handlung verknüpft. Beispiel hierfür ist der<br />

Brauch aus dem westlichen Kulturkreis, die Braut nach der Hochzeit über<br />

die Schwelle des Hauses zu tragen. Folglich ist das reale oder<br />

symbolische, zeitliche oder körperliche Überqueren e<strong>in</strong>er Schwelle e<strong>in</strong><br />

zentrales Element von Übergangsriten, das die performative <strong>und</strong> die<br />

dynamische Qualität dieser <strong>Rituale</strong> deutlich macht. Aufgabe ist die<br />

<strong>in</strong>nere Verpflichtung, das neu erfahrene <strong>und</strong> erschlossene Gebiet <strong>in</strong>nerer<br />

<strong>und</strong> äußerer Erfahrung zu e<strong>in</strong>em Bestandteil des Alltags <strong>und</strong> der eigenen<br />

Lebenspraxis zu machen.<br />

Die <strong>in</strong> dieser letzten Stufe vorkommenden Ritualaspekte s<strong>in</strong>d oft das<br />

Spiegelbild der ersten Stufe. Natürlich s<strong>in</strong>d nicht alle Stufen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Übergangsritual gleich ausgeprägt; die mittlere Stufe genießt jedoch e<strong>in</strong>e<br />

gewisse Autonomie.<br />

E<strong>in</strong>e wichtige Regel lautet jedoch: „Anfang <strong>und</strong> Ende müssen klar<br />

strukturiert se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> der mittleren Phase dagegen - der lim<strong>in</strong>alen - ist<br />

vieles möglich, da darf, da soll allenfalls die Welt völlig aus den Fugen<br />

gehen.<br />

33 siehe Cunn<strong>in</strong>gham, Scott, Wicca – e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> weiße Magie, München 2001,<br />

Seite 119<br />

20


Mit anderen Worten, wenn der Anfang (die Trennung vom Alltag) <strong>und</strong><br />

das Ende (die nun wiederum notwendige Trennung von der<br />

transzendenten Wirklichkeit <strong>und</strong> Rückkehr <strong>in</strong> den Alltag) nicht klar genug<br />

strukturiert s<strong>in</strong>d, können sich die Teilnehmenden auf den Heilung<br />

versprechenden Zusammenbruch nicht wirklich e<strong>in</strong>lassen, sie bleiben<br />

entweder gehemmt, weil sie sich vom rituellen Rahmen nicht<br />

genügend geschützt fühlen. Oder sie öffnen sich trotzdem, bleiben <strong>in</strong> der<br />

lim<strong>in</strong>alen Phase hängen <strong>und</strong> werden womöglich psychotisch, weil die<br />

Rückkehr <strong>in</strong> den Alltag nicht gel<strong>in</strong>gt. symbolischen Handlungen, es<br />

besteht aus Anfang - Mitte - Ende, also drei (wiederum unterteilbaren)<br />

Phasen deren Verlauf <strong>und</strong> Abfolge bekanntlich immer gewissen formaler<br />

Regeln unterliegen.“ 1<br />

11<br />

Vogelsanger, Cornelia, a.a.O. Seite<br />

21


2.6 die H<strong>in</strong>wendung zu e<strong>in</strong>er höheren Ordnung<br />

E<strong>in</strong>e Schlüsselfunktion im Ritualgeschehen ist, wie bereits mehrfach<br />

erwähnt, unmittelbar mit dem Begriff der „Transzendenz“ verb<strong>und</strong>en.<br />

„Transzendenz (von lat. transcendere „überschreiten“) me<strong>in</strong>t das<br />

Überschreiten des Verhaltens, Erlebens <strong>und</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s, sowie das<br />

Sichtbef<strong>in</strong>den jenseits dieser Grenzen.“ 1<br />

Betrachten wir die vorherigen Ausführungen zum Thema „der <strong>in</strong>nere<br />

Raum im Ritual“ so können wir feststellen, das <strong>in</strong> der zweiten Phase,<br />

Grenzerfahrung im Ausnahmezustand impliziert wird. Der Übergang von<br />

der zweiten zur dritten Phase ist unmittelbar mit e<strong>in</strong>er symbolischen<br />

Handlung, e<strong>in</strong>em „Überschreiten“ verb<strong>und</strong>en, die zu e<strong>in</strong>er neuen<br />

S<strong>in</strong>nhaftigkeit führt. Im H<strong>in</strong>blick auf dieses „Überschreiten“ ersche<strong>in</strong>t der<br />

Begriffs der „Transzendenz“, somit wie e<strong>in</strong> notwendiger Puzzelste<strong>in</strong>, um<br />

e<strong>in</strong>e wesentliche Wirkweise des Rituals zu benennen. Der Begriff der<br />

Transzendenz f<strong>in</strong>det sich im übrigen auch <strong>in</strong> der Mathematik wieder <strong>und</strong><br />

ist folglich nicht re<strong>in</strong> religiös, sondern eher Erfahrungsbeschreibend zu<br />

verstehen.<br />

Auf der persönlich, <strong>in</strong>dividuellen Ebene ist das Ritual häufig durch die<br />

Sehnsucht motiviert, e<strong>in</strong>en seelischen, sozialen oder spirituellen<br />

Wachstums- <strong>und</strong> Wandlungsschritt <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit e<strong>in</strong>er<br />

höheren Ordnung vorzubereiten oder zu vollziehen.<br />

Unabhängig ob e<strong>in</strong> Mensch e<strong>in</strong>er religiösen Geme<strong>in</strong>schaft angehört,<br />

explizit an e<strong>in</strong> höheres Wesen (Gottheit) glaubt, stellt sich jedem die<br />

Frage nach dem „wozu?“ die Frage, nach dem höheren S<strong>in</strong>n, des<br />

Auftrags der Mission (dies kommt auch <strong>in</strong> der höchsten Stufe der „Dilts-<br />

11<br />

Transzendenz, aus wikipedia<br />

22


Pyramide“ zum Ausdruck). Diese Frage stellt sich - meist <strong>in</strong><br />

Krisensituationen- auch dem sich als „nicht gläubig“ verstehenden<br />

Menschen, <strong>und</strong> dieser wird versuchen, irgende<strong>in</strong>e Form von Antwort<br />

wenigstens zu suchen, wenn nicht zu f<strong>in</strong>den.<br />

Transzendenz ist somit das wesentliche Wirkelement des Rituals, da es<br />

Veränderung mit S<strong>in</strong>nhaftigkeit verknüpft, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Ordnung des größeren<br />

Ganzen stellt. Alle Ritualhandlungen s<strong>in</strong>d ausschließlich auf das Ziel<br />

ausgelegt, e<strong>in</strong>en transzenden Zustand herbeizuführen, auch wenn deren<br />

<strong>in</strong>dividuelles Erleben nicht unged<strong>in</strong>gt Voraussetzung se<strong>in</strong> muss.<br />

Transzendenz kann somit nicht technisch, formalistisch <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Ritual<br />

e<strong>in</strong>gebaut werden, sondern ist vielmehr e<strong>in</strong> Ergebnis rituellen Erlebens.<br />

Mit dieser Def<strong>in</strong>ition der rituellen Transzendenz ordne ich mich <strong>in</strong> den<br />

Kreis der RitualforscherInnen e<strong>in</strong>, die von <strong>Rituale</strong>n nur <strong>und</strong><br />

ausschließlich im Zusammenhang mit Transzendenz sprechen, wobei<br />

die Frage der Transzendenz nicht zwangsläufig notwendig sondern eher<br />

Ziel für e<strong>in</strong>e tiefgreifende Verändungsarbeit ist.<br />

2.7 die Sprache<br />

Die Sprache des Rituals ist verschlüsselt, d.h. sie verwendet vieldeutige<br />

Symbole <strong>und</strong> Handlungen, die auf e<strong>in</strong>en verborgenen S<strong>in</strong>n verweisen.<br />

Die Vieldeutigkeit der verwendeten <strong>Rituale</strong>lemente ist e<strong>in</strong> notwendiger<br />

Bestandteil der Ritualpraxis, damit das Ritual sich als e<strong>in</strong> lebendiges<br />

Geschehen entwickeln kann. <strong>Rituale</strong> können durch Unverständlichkeit<br />

verstärkt werden, da sie <strong>in</strong>nere Suchprozesse auslösen, <strong>und</strong> damit zu<br />

<strong>in</strong>dividuellen Lösungen anregen.<br />

23


<strong>Rituale</strong> s<strong>in</strong>d wie Metaphern. Ähnlich wie <strong>in</strong> den Märchen, Mythen <strong>und</strong><br />

Träumen muss die verwendete Sprache <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ritual<br />

Mehrdeutigkeiten <strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>e Vielfalt von <strong>in</strong>dividuellen Lösungen<br />

zulassen.<br />

Im Gegensatz hierzu ist die Alltagssprache zweckgeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

funktional <strong>und</strong> bedroht den Traumcharakter des Ritualgeschehens. Das<br />

Ritual ist e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung, die eigenen Tiefen zu erforschen <strong>und</strong> deshalb<br />

braucht der Umgang mit sprachlichem Ausdruck im Ritualkontext unsere<br />

besondere Aufmerksamkeit im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er sparsamen <strong>und</strong> bewussten<br />

Verwendung von Sprache. Hilfreiche Begleiter auf dem Weg <strong>in</strong> die<br />

eigene Tiefe s<strong>in</strong>d Achtsamkeit, das Aufrechterhalten von <strong>in</strong>nerem<br />

Kontakt <strong>und</strong> wiederholte Phasen von meditativer Stille. Sie führen tiefer<br />

<strong>in</strong> den eigenen <strong>in</strong>neren Raum. Als sprachliche Muster, können ähnlich<br />

wie bei der Trance<strong>in</strong>duktion, das Milton-Modell <strong>und</strong> die im NLP<br />

bekannten Erickson-Sprachmuster dienen.<br />

Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage gebildete Ritualformeln <strong>und</strong> Ritualsätze können<br />

e<strong>in</strong>e Hilfe se<strong>in</strong>, die Tiefung im Ritualgeschehen zu erleichtern.<br />

24


3. Der Ritualbogen<br />

Im folgenden Teil möchte ich e<strong>in</strong>e Übersicht über den Ritualbogen<br />

geben, wie er sich <strong>in</strong> der Praxis entfalten könnte. Die l<strong>in</strong>eare Ordnung<br />

verweist auf das Gr<strong>und</strong>muster e<strong>in</strong>es ansteigenden <strong>und</strong> wieder<br />

abfallenden Bogens.<br />

Wie bereits ausführlich beschrieben umfasst der Ritualbogen die drei<br />

Phasen von Trennung vom Alltag - Aufhebung der Strukturierung des<br />

Alltags - Rückkehr <strong>in</strong> den Alltag.<br />

Die „rituelle Energie“ wird gleichmäßig gesteigert bis sie ihren Höhepunkt<br />

im Chaos, <strong>in</strong> der Grenzerfahrung erreicht. Erst dann wird die<br />

energetische Anspannung gelöst, <strong>in</strong>dem sie auf das eigentliche Ziel des<br />

Rituals gelenkt wird. Dies geschieht <strong>in</strong> der Regel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er symbolischen<br />

(magischen) Handlung. Danach wird die Energie langsam wieder <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em abfallenden Bogen gesenkt; die Rückkehr <strong>in</strong> den Alltag geschieht,<br />

neue, dem Ritual folgende Alltäglichkeiten können etabliert werden.<br />

Er<strong>in</strong>nert werden muss an dieser Stelle noch e<strong>in</strong>mal an die Regel, das<br />

Anfang <strong>und</strong> Ende klar strukturiert se<strong>in</strong> müssen.<br />

Der Ritualbogen unterscheidet e<strong>in</strong> <strong>in</strong>neres von e<strong>in</strong>em äußerem<br />

Ritualgeschehen. Diese Abgrenzung ist begrifflich zu unterscheiden von<br />

der „äußeren Form“ <strong>und</strong> dem „<strong>in</strong>neren Raum“ der ich mich thematisch<br />

weiter oben gewidmet habe. Das <strong>in</strong>nere Ritual ist das eigentlich,<br />

s<strong>in</strong>ngebende, veränderte Geschehen welches sich von dem äußeren,<br />

strukturierendem Ritualgeschehen unterscheidet; es ist folglich so etwas<br />

wie das Ritual im Ritual. Es folgt ebenfalls wie das gesamte Ritual der<br />

Dreiteilung; jedoch ist es losgelöst von dem äußeren Ritualgeschehen,<br />

eher als e<strong>in</strong> „Konzept“ für Veränderungsarbeit zu verstehen.<br />

25


Die meisten NLP-Konzepte folgen der Dreiteilung von Trennung,<br />

Umwandlung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>gliederung, <strong>und</strong> können somit (fast) unverändert <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em rituellem Rahmen verwendet werden. Durch den rituellen Rahmen<br />

wird die Intensität der Veränderungsarbeit erhöht, e<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>führung zum<br />

transzendentalem, s<strong>in</strong>ngebendem Erleben ermöglicht.<br />

<strong>Rituale</strong> können für E<strong>in</strong>zelne oder Gruppen durchgeführt werden, sie<br />

können e<strong>in</strong>en vorgegebenen, festgelegtem Ziel folgen, oder e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong><br />

offener Raum für Veränderung se<strong>in</strong>.<br />

Ziel <strong>und</strong> Auftrag an e<strong>in</strong> Ritual s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel die Bewältigung von<br />

Krisen, Übergänge im Leben oder im Jahreskreislauf sowie die Initiierung<br />

verändertem Verhaltens. Soweit dies möglich ist, sollte im Vorfeld geklärt<br />

werden, <strong>in</strong>wieweit die Teilnahme am e<strong>in</strong>em Ritual s<strong>in</strong>ngebend,<br />

zielorientiert <strong>und</strong> ökologisch ist.<br />

Jedes Ritual besteht aus mehreren Gr<strong>und</strong>bauste<strong>in</strong>en, -die ich im<br />

folgendem wiedergeben möchte-; doch müssen nicht immer unbed<strong>in</strong>gt<br />

alle enthalten se<strong>in</strong>. Das folgende Gerüst ist als Orientierungshilfe<br />

geme<strong>in</strong>t <strong>und</strong> sollte auf ke<strong>in</strong>en Fall rezeptbuchartig verstanden werden.<br />

3.1 die Entscheidung<br />

Weit vor dem eigentlichem Ritualgeschehen reift die Entscheidung an<br />

e<strong>in</strong>em Ritual teilnehmen zu wollen. Dies geschieht dadurch, das der<br />

Klient sich dieser Möglichkeit für se<strong>in</strong> Anliegen gewahr wird, sich<br />

bewusst für e<strong>in</strong> Ritual entscheidet. Die Teilnahme an e<strong>in</strong>em Ritual setzt<br />

e<strong>in</strong>en förmlichen Beschluss oder e<strong>in</strong>e Willensbek<strong>und</strong>ung voraus, die<br />

gegenüber dem begleitendem Berater, Coach oder Therapeuten<br />

26


ausgesprochen wird. Dieser sollte wie bereits erwähnt, die S<strong>in</strong>nhaftigkeit,<br />

die Zielorientierung <strong>und</strong> die Ökologie-Frage bereits zu diesem Zeitpunkt<br />

klären; damit wird die hohe Wirkweise, die Ernsthaftigkeit <strong>und</strong> auch die<br />

„Endgültigkeit des Übergangs“ im Ritualgeschehen beim Klienenten<br />

impliziert. Der Klient muss <strong>in</strong>nerlich bereit se<strong>in</strong>, se<strong>in</strong> Anliegen <strong>in</strong><br />

irgende<strong>in</strong>er Weise transformieren zu lassen. Diese <strong>in</strong>nere Bereitschaft<br />

verleiht dem Ritual Leben <strong>und</strong> Macht. „Die <strong>in</strong>nere Haltung <strong>in</strong> der<br />

Ritualarbeit ist die Haltung der H<strong>in</strong>gabe im Gegensatz zu dem Wunsch,<br />

die D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> den Griff zu bekommen.“ 1<br />

Ort, Zeit <strong>und</strong> ggf. Ziel werden formuliert <strong>und</strong> festgelegt.<br />

Dabei ist zu beachten, das zwischen dem Zeitpunkt der Entscheidung<br />

<strong>und</strong> dem eigentlichem Ritual e<strong>in</strong>e Zeitspanne liegt, <strong>in</strong> der sich die<br />

Spannung weiter steigert. Der Zeitraum sollte von daher nicht zu kurz<br />

<strong>und</strong> auch nicht zu lang gewählt se<strong>in</strong>. Beispielhaft sei hier e<strong>in</strong>e<br />

Zeitspanne von ca. e<strong>in</strong>er Woche genannt. In Anlehnung an die<br />

Adventszeit, die e<strong>in</strong>e vergleichende Wirkung hat, sollte die Zeitspanne<br />

maximal bei 4 Wochen liegen.<br />

Weiter ersche<strong>in</strong>t es s<strong>in</strong>nvoll dem Klient –für diese Zeit-, e<strong>in</strong>e Aufgabe<br />

mitzugeben, die es ihm ermöglicht sich bewusst auf das Ritual<br />

vorzubereiten <strong>und</strong> damit den Spannungsbogen weiter zu steigern. Hierzu<br />

gehört zum Beispiel der Auftrag e<strong>in</strong>en Gegenstand auszuwählen, der ihn<br />

<strong>in</strong> dem Ritual begleiten soll. Ferner kann die Aufgabe gegeben werden,<br />

zum Ritual -die dem Anlass entsprechender, besonderer- Kleidung zu<br />

ersche<strong>in</strong>en. Diese Aufgaben implizieren Suchprozesse beim Klienten,<br />

die ihn sich weiter mit dem rituellen Geschehen <strong>und</strong> der<br />

tranformatorischen Wirkung für se<strong>in</strong> Anliegen ause<strong>in</strong>andersetzen lassen;<br />

die rituelle Energie steigern <strong>und</strong> letztendlich den transzendalen Aspekt<br />

weiter zu fördern.<br />

11<br />

Ludwig, Stephan, a.a.O., Seite 11<br />

27


Durch die Fokussierung auf das künftige Ritualgeschehen wird die<br />

Ritualzeit zu e<strong>in</strong>em Kontrapunkt zum Alltag; es wird zu e<strong>in</strong>em festliches<br />

Ereignis im weitesten S<strong>in</strong>n. Dies kommt auch <strong>in</strong> dem<br />

umgangsprachlichen „e<strong>in</strong> Ritual feiern“ zum Ausdruck.<br />

Es wird erkennbar, das die Phase der Trennung im „äußeren Rahmen“<br />

bereits vor dem eigentlichem Ritualgeschehen beg<strong>in</strong>nt, ohne das der<br />

Klient sich dessen bewusst wird.<br />

3.2 Re<strong>in</strong>igung<br />

Dem festlichem Anlass entsprechend beg<strong>in</strong>nt das eigentliche Ritual mit<br />

e<strong>in</strong>er symbolischen Re<strong>in</strong>igung. Diese Handlungen gelten der<br />

Wertschätzung des Kommenden, sollen die Klarheit <strong>und</strong> Re<strong>in</strong>heit des<br />

folgenden Geschehens verdeutlichen, sollen die Sicherheit vermitteln,<br />

das ke<strong>in</strong>e störenden, schädlichen E<strong>in</strong>flüsse den Ablauf <strong>und</strong> das Ergebnis<br />

des Rituals bee<strong>in</strong>flussen können. E<strong>in</strong> Wicca-Ritual schreibt an dieser<br />

Stelle die Selbstreigung <strong>und</strong> die Re<strong>in</strong>igung des Raumes vor. 1 Diese<br />

kann sowohl real <strong>und</strong> / oder auch symbolisch geschehen.<br />

Die Selbstre<strong>in</strong>igung soll von negativen Energien des Alltags befreien, die<br />

Seele für das Ritual bereit machen. In der Praxis kann dies geschehen,<br />

<strong>in</strong> dem wir vor dem Betreten des Ritualraumes die Schuhe ausziehen;<br />

durch ausstreichen des „Auraraumes“, den Körper symbolisch von<br />

negativen Energien befreien, oder uns schütteln <strong>und</strong> die Arme von uns<br />

weg schlenkern.<br />

Raum bezeichnet den Bereich, <strong>in</strong> dem das Ritual abgehalten wird. Die<br />

Re<strong>in</strong>igung kann zum Beispiel mit Hilfe e<strong>in</strong>es „magischen Besens“,<br />

geschehen der visulalsiert wird. Es wird alles Negative, Kranke <strong>und</strong><br />

Schlechte aus dem Raum gefegt. Dabei kann sich zur Unterstützung<br />

11 siehe Cunn<strong>in</strong>gham, Scott, a.a.O. Seite 120<br />

28


vorgestellt werden, wie Funken <strong>und</strong> blauviolette Flammen aus dem<br />

Besen schießen <strong>und</strong> alles Negative restlos verbrennen. 1 Dies geschieht<br />

durch Begleitung des Klienten <strong>und</strong> Verwendung von „Hypnotalk“. Wichtig<br />

ist hier –wie im übrigen für die Begleitung im gesamten Ritualrahmender<br />

Aufbau von Rapport durch Paic<strong>in</strong>g, positives formulieren von<br />

Handlungsanweisungen, das utilisieren von Reaktionen, das nutzen von<br />

Affekten <strong>und</strong> das verbreiten von Zuversicht. –vgl. auch die Ausführungen<br />

zur äußeren Form e<strong>in</strong>es Rituals -.<br />

Der Ritualraum wird real dadurch „gere<strong>in</strong>igt“, <strong>in</strong>dem für absolute<br />

Ungestörtheit während des Rituals gesorgt wird. Kennzeichen des<br />

„heiligen Raumes“, ist die <strong>in</strong>dividuelle, bewusste <strong>und</strong> ästhetische<br />

Gestaltung e<strong>in</strong>es Ritualplatzes. Das kann sich <strong>in</strong> der Sorgfalt<br />

ausdrücken, mit der e<strong>in</strong> schönes <strong>und</strong> besonderes Tuch, e<strong>in</strong>e Ritualdecke<br />

<strong>und</strong> persönliche Gegenstände auf den Ritualplatz gebracht werden. Die<br />

gesamte Gestaltung des Raumes kann e<strong>in</strong>e „Ritualatmosphäre“<br />

schaffen, die es leicht macht, im Bewusstse<strong>in</strong> der Tiefe des Moments<br />

anzukommen.<br />

„Der Schlüssel für die Kraft <strong>und</strong> die Wirksamkeit unseres Tuns liegt <strong>in</strong><br />

der <strong>in</strong>neren Haltung, mit der wir die Vorbereitungen treffen. Eile, Hektik<br />

<strong>und</strong> unruhige Geschäftigkeit s<strong>in</strong>d Ausdruck unseres Alltagsbewusstse<strong>in</strong>s<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>es eher reaktiven emotionalen Zustandes. Was wir für e<strong>in</strong>e gute<br />

<strong>und</strong> angemessene Vorbereitung brauchen, ist bewusstes <strong>und</strong> achtsames<br />

Handeln, das von vornhere<strong>in</strong> die Belange der anderen mit e<strong>in</strong>schließt.“ 2<br />

11 siehe ebenda, Seite 121<br />

22<br />

Ludwig, Stephan, a.a.O., Seite 18<br />

29


3.3 Öffnung des heiligen Bezirks (Raums)<br />

Der nächste Bauste<strong>in</strong> im Ritualbogen –ich habe ihn <strong>in</strong> Anlehnung an das<br />

Wicca-Ritual, „Öffnung des heiligen Bezirks“ genannt- verfolgt den S<strong>in</strong>n,<br />

das Bedürfnis nach Sicherheit zu befriedigen, e<strong>in</strong>en geschützten Raum,<br />

e<strong>in</strong>e geschützte Höhle zu erschaffen <strong>in</strong> dem der Klient sich sicher fühlen,<br />

sich weiter öffnen kann <strong>und</strong> darf. Wo er sich selbst die Erlaubnis erteilt<br />

sich vom Alltag zu entfernen, zu trennen; die Aufmerksamkeit ganz auf<br />

das, was jetzt gerade ist zu lenken: auf den atmenden, pulsierenden<br />

Körper, auf das Strömen des Lebendigen <strong>und</strong> auf die Gefühle, die damit<br />

verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d. Das Se<strong>in</strong> zu öffnen für das, was ohne aktives Tun<br />

geschieht. Diese Phase dient als E<strong>in</strong>stimmung auf das Selbst, soll <strong>in</strong><br />

Sicherheit den <strong>in</strong>neren Kontakt aufbauen, den H<strong>in</strong>weis auf das Größere<br />

geben. Diese Phase ist stark von trance<strong>in</strong>duktiven Anweisungen<br />

geprägt.<br />

Dieser Sequenz kommt im äußeren Ritualrahmen e<strong>in</strong>e besondere<br />

Stellung zu; ist sie doch dafür verantwortlich, den sicheren Rahmen für<br />

alles Kommende zu schaffen. In e<strong>in</strong>em Hexenritual, wird diese Phase<br />

auch als „das schlagen des Kreises“ bezeichnet. Die Wahl, der Methode<br />

den „heiligen Raum zu öffnen“ hängt sehr stark von dem Klienten bzw.<br />

der Gruppe ab, die <strong>in</strong> dem Ritual begleitet wird. Es geht um die<br />

Befriedigung des Bedürfnisses nach Sicherheit, <strong>und</strong> hier wäre e<strong>in</strong><br />

Vorgehen, was Unsicherheit <strong>und</strong> Zweifel verursacht unangebracht. Das<br />

ziehen e<strong>in</strong>es visualisiertem, „magischen Kreises“ ist für Menschen mit<br />

NLP Erfahrung bekannt <strong>und</strong> ke<strong>in</strong> Problem. Für andere Menschen –ohne<br />

entsprechenden Erfahrungsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>-, kann dies jedoch absurd,<br />

unbekannt <strong>und</strong> verunsichernd wirken. Den Anspruch e<strong>in</strong>en sicheren<br />

Rahmen für das Ritual zu schaffen würde hiermit unter Umständen nicht<br />

erreicht werden.<br />

30


Im folgenden werde ich exemplarisch e<strong>in</strong>ige verschiedene Methoden<br />

vorstellen, die dem oben genannten Ziel gleichermaßen dienen :<br />

Die erste Methode setzt besonders starke Visualisierungsfähigkeiten<br />

voraus. Der Klient wird angeleitet se<strong>in</strong>e rechte Hand etwa <strong>in</strong> Hüfthöhe<br />

<strong>und</strong> mit gestrecktem F<strong>in</strong>ger zum Rand e<strong>in</strong>es geplanten Kreises h<strong>in</strong> aus<br />

zu strecken. Er wird angeleitet zu sehen <strong>und</strong> zu spüren, wie die Energie<br />

als vibrierendes, rotviolettes Licht aus se<strong>in</strong>em F<strong>in</strong>gern strömt. Im<br />

folgendem erhält er den Auftrag den Kreis um den Ritualplatz im<br />

Uhrzeigers<strong>in</strong>n langsam ab zu schreiten, sodass die Energie sich zu<br />

e<strong>in</strong>em kreisendem magisches Lichtband formt, das sich genau mit dem<br />

Kreisumfang deckt. In der Vorstellung des Klienten soll das wirbelnde<br />

Lichtband nun aufsteigen <strong>und</strong> sich ausbreiten, weiter <strong>und</strong> größer werden<br />

bis es sich zu e<strong>in</strong>em Energiedom formt, der den gesamten Ritualraum<br />

umgibt <strong>und</strong> genau am Kreisumfang auf die Erde stößt. 1<br />

Andere Methoden den heiligen Raum zu öffnen, bestehen dar<strong>in</strong>, den<br />

Kreis um den Ritualplatz im Uhrzeigers<strong>in</strong>n im vollen Bewusstse<strong>in</strong><br />

abzugehen, oder das alle beteiligten Personen sich an den Händen<br />

halten so e<strong>in</strong>en Resonanzkreise formen <strong>und</strong> so mit dem Bewusstse<strong>in</strong><br />

des Kommenden e<strong>in</strong>e Zeit schweigend verharren.<br />

„In e<strong>in</strong>em Ritual zu zweit kann die Herz zu Herz Verb<strong>in</strong>dung, e<strong>in</strong>e<br />

meditative gegenseitige Berührung des Herzbereichs im längeren<br />

Augenkontakt, e<strong>in</strong>e besondere Rolle spielen.“ 2<br />

An dieser Stelle des Ritualbogens sche<strong>in</strong>t es angebracht zu se<strong>in</strong>,<br />

unbwußte Anker für künftige <strong>Rituale</strong> zu setzen. E<strong>in</strong> bestimmte Duftnote,<br />

11 siehe Cunn<strong>in</strong>gham, Scott, a.a.O., Seite 123<br />

22<br />

Ludwig, Stephan, a.a.O., Seite 18<br />

31


die den Raum erfüllt, lässt den erreichten Zustand von Sicherheit <strong>und</strong><br />

Öffnungsbereitschaft für e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt (für e<strong>in</strong> neuen Ritual)<br />

ankern, <strong>und</strong> diesen dann schneller erreichen bzw. noch vertiefen.<br />

3.4 die E<strong>in</strong>ladung (die Anrufung)<br />

Die E<strong>in</strong>ladung, bzw. die Anrufung dient der H<strong>in</strong>führung zur<br />

Transzendenz im <strong>Rituale</strong>rleben. Sie ist die E<strong>in</strong>ladung dem Ritual<br />

S<strong>in</strong>nhaftigkeit im Rahmen e<strong>in</strong>er höheren Ordnung, e<strong>in</strong>er<br />

übergeordneten Lebensaufgabe, e<strong>in</strong>er Mission zu geben. Fragen wie<br />

„was ist me<strong>in</strong>e Aufgabe <strong>in</strong> diesem Leben?“ „wozu ?“, s<strong>in</strong>d unmittelbar<br />

damit verb<strong>und</strong>en.<br />

Innerhalb des Wicca-Rituals stellt die Anrufung, die Beschwörung das<br />

Herz <strong>und</strong> den e<strong>in</strong>zig wirklich zw<strong>in</strong>gend notwendigen Bestandteil des<br />

Ritualbogens dar. Wicca-Riten s<strong>in</strong>d Verschmelzungen mit Gött<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />

Gott, alles andere ist Beiwerk. 1<br />

Die E<strong>in</strong>ladung erfolgt im Ablauf des Ritualbogens unmittelbar an der<br />

Schwelle zum <strong>in</strong>neren Ritualgeschehen, dem Unbekannten, der<br />

Grenzerfahrung. Mit ihr „lösen wir uns <strong>in</strong>nerlich aus dem Zugriff des<br />

Vergangenen <strong>und</strong> lassen unsere Erwartungen fallen an das, was im vor<br />

uns liegenden Ritualgeschehen passieren könnte oder passieren sollte.“ 2<br />

Ähnlich wie bei der „Öffnung des heiligen Bezirks“ dient die E<strong>in</strong>ladung<br />

dem Bedürfnisses nach Sicherheit <strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>enheit. Auch hier<br />

ersche<strong>in</strong>t es im beraterischen/therapeutischem Rahmen, dem Ziel<br />

11 siehe Cunn<strong>in</strong>gham, Scott, a.a.O. Seite 127<br />

22<br />

Ludwig, Stephan, a.a.O. Seite 18<br />

32


gegenüber evtl. unangebracht, Götter, oder Gött<strong>in</strong>nen namentlich<br />

anzurufen <strong>und</strong> um deren Unterstützung zu bitten. E<strong>in</strong> solches Vorgehen<br />

würde <strong>in</strong> diesem Kontext –je nach Klient/<strong>in</strong> - eher auf Unverständnis <strong>und</strong><br />

Widerstände stoßen.<br />

Die E<strong>in</strong>stimmung auf das Größere sollte daher eher <strong>in</strong> der Form e<strong>in</strong>er<br />

Anrufung oder E<strong>in</strong>ladung unterstützender Kräfte <strong>und</strong> Qualitäten erfolgen.<br />

Satzmuster könnten z.B. se<strong>in</strong>: „Ich lade e<strong>in</strong> die Kraft der Sicherheit“. Ich<br />

lade e<strong>in</strong> die Kraft der S<strong>in</strong>nhaftigkeit“. „Ich lade die Achtsamkeit e<strong>in</strong>, <strong>in</strong><br />

dieses Ritual“. Diese Qualitäten s<strong>in</strong>d unabhängig <strong>und</strong> wertfrei von e<strong>in</strong>em<br />

religiösem Weltbild <strong>und</strong> verb<strong>in</strong>den gleichwohl mit e<strong>in</strong>er höheren Ordnung<br />

mit e<strong>in</strong>em höherem S<strong>in</strong>n.<br />

Das eigene Anliegen kann sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Widmung ausdrücken, die sich<br />

z.B. <strong>in</strong> den Worten: „Ich widme dieses Ritual der Versöhnung mit me<strong>in</strong>er<br />

S<strong>in</strong>nlichkeit .... “ äußert. Dieser Teil kann e<strong>in</strong>e starke emotionale<br />

Komponente haben. Dabei geht es um das Sprechen <strong>und</strong><br />

Gehörtwerden. Erwiderungen <strong>und</strong> Erörterungen haben hier ke<strong>in</strong>en Platz.<br />

3.5 das Ritual im Ritual (Aktivierung der Energie)<br />

So vorbereitet auf das eigentlich wesentliche Geschehen, verlassen wir<br />

den äußeren Rahmen des Ritualbogens. Während bisher das<br />

Augenmerk darauf gerichtet, war dem Bedürfnis nach Sicherheit<br />

Rechnung zu tragen, - fremde, auf Wiederstand stoßende Elemente zu<br />

vermeiden - , öffnet sich nun der Raum für das Neue, Spontane,<br />

Chaotische, Grenzerfahrende.<br />

Es gilt alte bewährte Muster loszulassen sich bewusst <strong>in</strong> den Zustand<br />

des Chaos zu stürzen, um sich daraus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en neuen –zuvor<br />

33


unbekannten- Zustand von Struktur <strong>und</strong> Sicherheit fallen zu lassen <strong>und</strong><br />

diesem im Alltag zu <strong>in</strong>tegrieren. Der Mythos vom „Phoenix aus der<br />

Asche“ vers<strong>in</strong>nbildlicht sehr gut den Ablauf des Geschehens. Dabei folgt,<br />

das Ritual an dieser Stelle wieder der Dreiteilung des gesamten<br />

Ritualgeschehens.<br />

Voraussetzung für die spontane Annahme des „Loslassens“, des<br />

„Neuwerdens“ ist die <strong>in</strong>nere Verb<strong>und</strong>enheit mit dem „Flusscharakter des<br />

Lebens“ <strong>und</strong> das Vertrauen <strong>in</strong> das Leben, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en höheren S<strong>in</strong>n. Der<br />

äußere Rahmen des Rituals verfolgte ausschließlich das Ziel, dorth<strong>in</strong> zu<br />

führen.<br />

Was als e<strong>in</strong> <strong>in</strong>neres Blockiertse<strong>in</strong> erlebt wird, ist immer die Folge<br />

limitierender Glaubensätze oder anders ausgedrückt e<strong>in</strong>er subtilen,<br />

unbewussten Aktivität, mit der wir uns selbst beh<strong>in</strong>dern.<br />

Alles Handeln <strong>in</strong> dieser Phase ist auf das Ziel des Übergangs ausgelegt.<br />

So kann an dieser Stelle auch (fast) jedes NLP-Konzept e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden, welches den zuvor genannten Wirkelementen folgt.<br />

Beispielsweise sei hier die „Core-Transformation“ oder die Arbeit mit der<br />

„Time-l<strong>in</strong>e“ genannt.<br />

Jedoch eignet sich der Raum auch bestens dafür neue Konzepte zu<br />

entwickeln. Dabei können folgende Ansatzpunkte Hilfestellung bieten :<br />

In dieser Phase des Rituals soll die Energie aktiviert werden, um sie zu<br />

e<strong>in</strong>em bestimmten Ziel zu lenken. Die Phase der Aktivierung der Energie<br />

im Ritual soll mit dem Flusscharakter des Lebens <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung br<strong>in</strong>gen.<br />

Die Aktivierung der Energie besteht häufig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er körperbezogenen,<br />

k<strong>in</strong>estätischen Sequenz, die Dynamik <strong>und</strong> Ausdruck verb<strong>in</strong>det, sodass<br />

34


dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Loslassen geschehen kann. Tanzen, Klatschen, Schütteln,<br />

Gehen <strong>und</strong> Atemtechniken haben hier beispielsweise ihren Platz.<br />

E<strong>in</strong> weiteres e<strong>in</strong>faches, praktisches Element, das e<strong>in</strong>e Veränderung des<br />

Bezugsrahmens bewirkt –neue Erfahrungen anleitet-, ist die<br />

Verwendung e<strong>in</strong>er Augenb<strong>in</strong>de oder die Verwendung von<br />

Ohrenstöpseln. Die vertrauten Mechanismen der Orientierung werden so<br />

blockiert; es geht darum Neues auszuprobieren, was dann zu e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong>neren Umstellung führen kann.<br />

Als Methode eignet sich hier auch e<strong>in</strong>e k<strong>in</strong>istätische Trance.<br />

(Anmerkung: ich habe im Rahmen me<strong>in</strong>er Fortbildungen diese Methode<br />

unter dem Namen KreativTrance kennengelernt. Jedoch gibt es, soweit<br />

mir bekannt ist –<strong>und</strong> wie me<strong>in</strong>e Recherchen ergaben- ke<strong>in</strong>e schriftlichen<br />

Beschreibungen über diese Art von Trance).<br />

Es wird e<strong>in</strong>e Trance angeleitet, wobei der Klient nicht sitzt oder liegt,<br />

sondern das <strong>in</strong>nere Erleben <strong>in</strong> körperlichen, k<strong>in</strong>estätischen Bewebungen<br />

zum Ausdruck br<strong>in</strong>gt. In der Regel wird der Klient <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Welt<br />

geführt, wo er Kontakt mit e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren Teile aufnehmen kann,<br />

um dieses zu befragen <strong>und</strong> sich e<strong>in</strong>en Rat zu holen, oder deren Existenz<br />

gewahr zu werden. (Beispiel: der weise Alte, das jüngere Selbst, der<br />

Herrscher, der Liebhaber u. dergleichen). Die <strong>in</strong>dizierte Trance folgt<br />

methaperngleich e<strong>in</strong>em vorgebenen Ablauf, der jedoch viel Raum für<br />

eigene Interpretationen <strong>und</strong> Erfahrungen lässt. In der eigenen Arbeit<br />

habe ich diese Art von Trance bereits mehrmals angeleitet. Sie ist sehr<br />

wirksam <strong>und</strong> br<strong>in</strong>gt überraschende Reaktionen hervor. Zum Beispiel<br />

beklagten sich Klienten, die zu e<strong>in</strong>em Berg h<strong>in</strong>aufsteigen sollten, im<br />

35


Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> darüber, das der Weg zu lang <strong>und</strong> zu beschwerlich gewesen<br />

sei.<br />

Dieser Teil des Rituals ist e<strong>in</strong> offener Raum, <strong>in</strong> dem alles se<strong>in</strong> darf, was<br />

aus der E<strong>in</strong>gestimmtheit heraus geschieht. Diese Phase enthüllt <strong>und</strong><br />

entfaltet die wichtigsten Elemente der persönlichen Themen des Rituals.<br />

In beraterischen bzw. therapeutischen <strong>Rituale</strong>n kann es sich hier um die<br />

Ausgestaltung e<strong>in</strong>er bestimmten Aufgabe handeln, wobei diese Phase<br />

immer e<strong>in</strong>e große Möglichkeit zum kreativen, persönlichem Ausdruck<br />

<strong>und</strong> Entfaltung haben sollte (E<strong>in</strong>beziehung Kreativitätsteil).<br />

Entfaltung bedeutet jedoch nicht notwendigerweise äußeres Tun oder<br />

gar äußere Intensität. Auch das, was nicht geschieht, ist bedeutsam <strong>und</strong><br />

kann als Brücke nach <strong>in</strong>nen dienen. Außerdem kann e<strong>in</strong>e Reihe von<br />

Impulse das Ritualgeschehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Raumerfahrung führen, <strong>in</strong> die<br />

Erfahrung von Leere, wobei das Nichtse<strong>in</strong> zur zentralen Erfahrung des<br />

Rituals werden kann.<br />

Im Ritual ist es entscheidend, wie die lim<strong>in</strong>ale Phase zum Abschluss<br />

gebracht wird. Je wilder die Kräfte s<strong>in</strong>d, die entfesselt wurden, desto<br />

schwieriger ist es, sie wieder zu beruhigen. Es gilt die erweckten Kräfte<br />

bewusst auf e<strong>in</strong>e transformierende Handlung auszurichten. Der<br />

Abschluss erfolgt somit <strong>in</strong> der Regel durch e<strong>in</strong>en bewusst,<br />

handlungsbezogenen Übergang <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue (stabile) Phase.<br />

Dieser Übergang ist e<strong>in</strong> bewusst endgültiger Schritt. Etwas wird<br />

abgeschlossen, zurückgelassen, transformiert. Dies kann e<strong>in</strong><br />

symbolischer Schritt <strong>in</strong> den neuen Zustand se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> symbolisches<br />

Zerschneiden e<strong>in</strong>es bestehenden Bandes. Ebenso kann sich etwas<br />

36


symbolisch oder auch real, durch die transformatorische Wirkung des<br />

Feuers, <strong>in</strong> Asche <strong>und</strong> Rauch verwandeln. E<strong>in</strong> geschaffenes Symbol kann<br />

vergraben oder dem Fluss des Wassers übergeben werden. Feuer,<br />

Wasser <strong>und</strong> Erde eignen sich wegen ihrer stark archaischen Bedeutung<br />

äußerst gut als transformatorisches Element. -Unter Umständen können<br />

hierbei noch höhere Mächte zur Unterstützung angerufen werden.-<br />

Nach dieser Phase der größten energetischen Dichte <strong>und</strong> vor dem<br />

Beenden des Rituals ist auf e<strong>in</strong>e Zeit der Entspannung zu achten.<br />

„Lehnen Sie sich also e<strong>in</strong>en Moment zurück <strong>und</strong> entspannen Sie. Dies<br />

ist e<strong>in</strong>e eher kontemplative Phase, die langsam <strong>in</strong> den nächsten rituellen<br />

Schritt übergeht.“ 1<br />

„Diese Phase stabilisiert das Beobachterbewusstse<strong>in</strong> <strong>und</strong> bietet Raum<br />

für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Integration. Zum Abschluss ist es angebracht, auf die<br />

Erfahrung des Rituals zurückzublicken <strong>und</strong> die Erfahrung jenseits von<br />

Bewertung <strong>und</strong> Beurteilung zu würdigen.“ 2<br />

3.6 Erdung der Restenergie<br />

Nach diesem Schritt des Chaos <strong>und</strong> der Transformation kehren wir <strong>in</strong><br />

den formalisierten, strukturierten Rahmen des äußeren<br />

Ritualgeschehens zurück. Ziel des absteigendem Ritualbogens ist es,<br />

den <strong>in</strong>itierten Veränderungsprozess im Alltag zu verankern.<br />

Im Wicca-Ritual geschieht dies, <strong>in</strong>dem die noch vorhandenen<br />

Energiereste geerdet, - das heißt, umprogrammiert <strong>und</strong> <strong>in</strong> den normalen<br />

Energiekreislauf zurückgeführt werden. 3<br />

11<br />

C<strong>in</strong>n<strong>in</strong>gham, Scott, a.a. O. Seite 132<br />

22<br />

Ludwig, Stephan, a.a.O. Seite 20<br />

33 siehe C<strong>in</strong>n<strong>in</strong>gham, Scott, a.a.O. Seite 132<br />

37


Dies geschieht durch die Aufnahme von Essen <strong>und</strong> Tr<strong>in</strong>ken, dem e<strong>in</strong>e<br />

starke sakrale Bedeutung zugemessen wird. 3<br />

Tatsächlich wird so e<strong>in</strong> unbewusst, gustatorischer Anker gesetzt. Die<br />

E<strong>in</strong>nahme der Speisen <strong>und</strong> Getränke ist stark durch das<br />

Ritualgeschehen geprägt. Im Alltag können Bilder, Töne, Stimmung <strong>und</strong><br />

Gefühle wieder präsent werden, wenn die im Ritual zu sich genommenen<br />

Speisen <strong>und</strong> Getränke verzehrt <strong>und</strong> getrunken werden.<br />

3.7 Aufheben <strong>und</strong> Verabschieden<br />

Das Ritual endet damit, dass die e<strong>in</strong>geladenen Kräfte <strong>und</strong> Qualitäten<br />

wieder verabschiedet werden. Satzmuster könnten z.B. se<strong>in</strong> : „Ich danke<br />

<strong>und</strong> wertschätze die Kraft der Sicherheit“. „Ich danke <strong>und</strong> verabschiede<br />

die Kraft der S<strong>in</strong>nhaftigkeit“.<br />

Abschließend wird der heilige Bezirk (Raum) geschlossen, <strong>und</strong> zwar <strong>in</strong><br />

umgekehrter Reihenfolge wie er geöffnet wurde. Dies kann e<strong>in</strong><br />

abschließender Resonanzkreis se<strong>in</strong>, das visualisierte Zurückfließen der<br />

Energie <strong>in</strong> die Hand, oder das Auflösen des Kreises durch e<strong>in</strong> bewusstes<br />

Gehen entgegen dem Uhrzeigers<strong>in</strong>n.<br />

Den Abschluss bildet das bewusste Zurückkehren <strong>in</strong> den Alltag.<br />

3 3 siehe ebenda<br />

38


3.8 Nachbereitung<br />

Die Nachbereitung e<strong>in</strong>es Rituals spielt im beraterischen <strong>und</strong><br />

therapeutischen Kontext e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Sie umfasst e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>dividuelle Aufarbeitung, die <strong>in</strong> der Regel aber nicht unmittelbar nach<br />

dem Ritual stattf<strong>in</strong>den soll. Die Wirkung des Rituals geht über den<br />

eigentlichen Rahmen h<strong>in</strong>aus. Mit dem Ritualgeschehen werden<br />

Prozesse <strong>in</strong> Gang gesetzt, die <strong>in</strong> folgenden Tagen <strong>und</strong> Wochen<br />

unbewusst <strong>und</strong> bewusst ihre Wirkung entfalten.<br />

39


40


Auf dem Weg - über den Autor<br />

Dr. Hans Jürgen Groß - Geboren <strong>in</strong> den Vorweihnachtstagen des<br />

Jahres 1958 erlebte er die ersten Jahre se<strong>in</strong>es Lebens wohlbehütet im<br />

Kreis se<strong>in</strong>er Familie. Die Schule, <strong>und</strong> hier besonders se<strong>in</strong>e Mitschüler,<br />

zeigten ihm die andere Seite des Lebens. Nach bestandenem Abitur<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Berufsausbildung studierte er an der Universität Kassel<br />

“Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften”. Nach dem Studium begann er<br />

se<strong>in</strong>e berufliche Tätigkeit als Steuerberatungsassistent, -promovierte<br />

nebenbei- <strong>und</strong> wurde im Jahr 1993 zum Steuerberater bestellt. Es<br />

waren die <strong>Beratung</strong>sgespräche, die diesen Beruf so attraktiv für ihn<br />

machten. Doch schon bald bemerkte er, dass die Gespräche weit über<br />

das Thema Steuern <strong>und</strong> betriebswirtschaftliche <strong>Beratung</strong> h<strong>in</strong>ausg<strong>in</strong>gen.<br />

Er wurde Vertrauter, Ratgeber <strong>und</strong> Begleiter <strong>in</strong> allen wirtschaftlichen<br />

<strong>und</strong> privaten Angelegenheiten se<strong>in</strong>er Mandanten.<br />

Er folgte dem Ruf, den das Leben ihm bot <strong>und</strong> absolvierte diverse<br />

Aus- <strong>und</strong> Weiterbildungen, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. So<br />

konnte er die Ausbildung zum “geprüften psychologischen Berater”; zum<br />

Mediator sowie diverse Aus- <strong>und</strong> Weiterbildungen im Bereich Coach<strong>in</strong>g<br />

mit Erfolg abschließen. Er ist Mitglied der Ausbildungskammer <strong>und</strong><br />

Geschäftsstellenleiter des Deutschen NLP-Coachig Verbandes, leitet<br />

Sem<strong>in</strong>are, Workshops <strong>und</strong> Vorträge <strong>und</strong> ist als Autor <strong>und</strong> Fachgutachter<br />

für Mediation tätig. Er bietet se<strong>in</strong>e Dienstleistungen als psychologischer<br />

Berater, Unternehmens- <strong>und</strong> Existenzgründungsberater, Mastercoach<br />

<strong>und</strong> Mediator <strong>in</strong> eigener Praxis an. Er ist Mitbegründer <strong>und</strong> Leiter e<strong>in</strong>er<br />

Männergesprächsgruppe welche sich seit dem Jahr 1990 regelmäßig<br />

trifft. Ferner ist er Mitbegründer des seit dem Jahr 2011 b<strong>und</strong>esweit<br />

tätigen Comitamur-Netzwerkes (Comitamur begleitet Wandel).<br />

41


42


Dank<br />

Bei der Arbeit zu dieser Arbeit haben mir viele Menschen geholfen.<br />

Dafür bedanke ich mich von Herzen. Besonderer Dank gilt all denen, die<br />

mir bei der Realisation dieses Buches aktiv, durch Korrekturlesen <strong>und</strong><br />

feed-back hilfreich zur Seite standen. Dank auch an alle Menschen die<br />

mich auf me<strong>in</strong>en bisherigen Lebensweg begleiteten, der mich an diesen<br />

Ort führte.<br />

Hans Jürgen Groß März 2018<br />

Wer mir schreiben möchte:<br />

kontakt@weg-wandlungsbegleitung.de<br />

43


44


Literaturverzeichnis :<br />

Alexander, Bobby C<br />

Ciompi, Luc<br />

Cunn<strong>in</strong>gham, Scott<br />

Hess, Jörg<br />

Imber-Black, Imber<br />

Ludwig, Stephan<br />

Ritual and current studies of ritual : Overview. In<br />

Glazier, Stephan D. Anthropology of Religion: A<br />

Handbook, London 1997, S. 139<br />

Symbolische Affektkanalisation – e<strong>in</strong>e therapeutische<br />

Gr<strong>und</strong>funktion von <strong>Rituale</strong>n; <strong>in</strong> <strong>Rituale</strong>, Hrsg. Welter-<br />

Enderl<strong>in</strong>, Rosemarie; Hildenbrand, Bruno, Heidelberg<br />

2002, Seite 53 - 70<br />

Wicca – e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> weiße Magie, München<br />

2001<br />

Übergänge im Leben von Tieren; <strong>in</strong> <strong>Rituale</strong>, Hrsg.<br />

Welter-Enderl<strong>in</strong>, Rosemarie; Hildenbrand, Bruno,<br />

Heidelberg 2002, Seite 24 - 38<br />

<strong>Rituale</strong> <strong>und</strong> Geheimnisse, Geheimisse <strong>und</strong> <strong>Rituale</strong>; <strong>in</strong><br />

<strong>Rituale</strong>, Hrsg. Welter-Enderl<strong>in</strong>, Rosemarie;<br />

Hildenbrand, Bruno, Heidelberg 2002, Seite 71 - 88<br />

<strong>Rituale</strong> <strong>in</strong> unserer Zeit, Vortrag Baseler<br />

Psychotherapietage, Mai 1998, unveröffentlicht<br />

Vogelsanger, Cornelia Chaos <strong>und</strong> Ordnung im Ritual – E<strong>in</strong>e heilsame<br />

Polarität, <strong>in</strong> <strong>Rituale</strong> Hrsg. Welter-Enderl<strong>in</strong>, Rosemarie;<br />

Hildenbrand, Bruno, Heidelberg 2002,<br />

Seite 39 - 52<br />

Welter-Enderl<strong>in</strong>,<br />

Rosemarie<br />

Hildenbrand, Bruno<br />

(Hrsg.)<br />

Wikipedia, freie<br />

Enzyklopädie<br />

Ebenda<br />

ebenda<br />

<strong>Rituale</strong> – Vielfalt <strong>in</strong> Alltag <strong>und</strong> <strong>Therapie</strong>, Heidelberg<br />

2002<br />

Ritual, www.wikipedia.org/wiki/ritual<br />

Ritus, www.wikipedia.org/wiki/ritus<br />

Transzendenz, www.wikipedia.org/wiki/transzendenz<br />

45


Wolberg, Raphaela<br />

Riten & <strong>Rituale</strong>, Hausarbeit Universität Trier, Fb<br />

Ethnologie, 2002<br />

46


47


<strong>Rituale</strong> - <strong>in</strong> <strong>Beratung</strong> <strong>und</strong> <strong>Therapie</strong><br />

<strong>Rituale</strong> durchbrechen die immer gleichen Abläufe des Alltags, geben uns Halt, Sicherheit <strong>und</strong><br />

beschränken uns auf das Wesentliche <strong>in</strong> diesem Augenblick.<br />

<strong>Rituale</strong> wertschätzen Entwicklungsphasen <strong>in</strong> unserem Leben <strong>und</strong> verankern sie für die Zukunft.<br />

<strong>Rituale</strong> erlauben uns zu spüren <strong>und</strong> mit diesen heilsamen Gefühlen nach aussen zu gehen.<br />

<strong>Rituale</strong> verlieren ihren Wert, wenn sie zu e<strong>in</strong>er leeren Hülse verkommen, wenn sie es nicht mehr<br />

schaffen uns s<strong>in</strong>nlich erleben zu lassen, wenn sie zur Beschränkung werden.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist es wichtig, sich der s<strong>in</strong>ngebenden Erfahrung e<strong>in</strong>es Rituals gewahr zu<br />

werden, <strong>und</strong> diese ganz bewusst im Lebensalltag zu <strong>in</strong>stallieren.<br />

Das Wort „Ritual“ übt e<strong>in</strong>e grosse Fasz<strong>in</strong>ation aus <strong>und</strong> weckt Phantasie <strong>und</strong> Neugier.<br />

In der <strong>Beratung</strong> <strong>und</strong> <strong>in</strong> der <strong>Therapie</strong> s<strong>in</strong>d wir ständig auf der Suche nach neuen Methoden um<br />

wirkungsvolle Veränderungsarbeit für unsere Klienten zu <strong>in</strong>itiieren <strong>und</strong> diese <strong>in</strong> schwierigen<br />

Lebenssituationen zu begleiten.<br />

Bewusst e<strong>in</strong>gesetzte, <strong>und</strong> gestaltete <strong>Rituale</strong> sche<strong>in</strong>en <strong>in</strong>soweit e<strong>in</strong> ideales Medium für diese<br />

Arbeit zu se<strong>in</strong>.<br />

<strong>Rituale</strong> s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> potenziell hochwirksames Mittel zur Bewältigung von emotional explosiven<br />

Situationen.<br />

Hans Jürgen Groß<br />

Jahrgang 1958 studierte Wirtschafts<strong>und</strong><br />

Sozialwissenschaften an der Universität Kassel.<br />

Seit 1993 arbeitet er als Berater, Coach <strong>und</strong> Mediator<br />

<strong>in</strong> eigener Praxis. Er leitet Sem<strong>in</strong>are <strong>und</strong> wurde als<br />

Autor tätig.

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