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Digital & Medial<br />

Scripted Reality –<br />

alles nur Show?<br />

TV-Formate, die Realität und Inszenierung<br />

vermischen, können Kinder und Jugendliche<br />

verunsichern. Denn der Blick auf sich selbst<br />

und auf die Welt wird unbewusst manipuliert.<br />

Das sollten Eltern wissen. Text: Michael In Albon<br />

Bild: Chris Ryan<br />

Scripted-Reality-Formate<br />

sind Sendungen mit erfundenen<br />

Handlungen. So<br />

weit, so klar. Jedoch werden<br />

solche Sendungen so<br />

produziert, dass sie wie eine Dokumentation<br />

oder eine Reportage<br />

scheinen. Realität und Medienrealität<br />

gehen nahtlos ineinander über.<br />

Der Hinweis, dass es sich um eine<br />

Inszenierung nach Drehbuch handelt,<br />

erfolgt nur als kleiner Hinweis<br />

im Abspann. Das erschwert die<br />

Abgrenzung von Realität und<br />

Medienrealität für Heranwachsende<br />

erheblich. Gerade Kinder und<br />

Jugendliche können das kaum<br />

unterscheiden – auch bei Castingshows<br />

nicht.<br />

Daneben unterscheiden sich<br />

Scripted Reality und Castingshows.<br />

Während Scripted-Reality-Formate<br />

Konflikte thematisieren, betonen<br />

Castingshows das Perfekte; sie bündeln<br />

Klischees und fordern<br />

Zuschauer innen und Zuschauer<br />

dazu auf, diesen präsentierten Idealen<br />

nachzueifern. In der Model-<br />

Castingshow «Germany’s Next Topmodel»<br />

beispielsweise ge schieht<br />

diese Aufforderung ganz offen:<br />

Schön ist, wer über bestimmte körperliche<br />

Merkmale verfügt, sich entsprechend<br />

kleidet und stylt.<br />

Kinder und Jugendliche neigen<br />

dazu, solche Wertvorstellungen in<br />

ihren Alltag zu übernehmen, um<br />

dazuzugehören.<br />

Wer bin ich?<br />

Jugendliche in der Pubertät suchen<br />

nach ihrer Identität; sie vergleichen<br />

sich deshalb gern mit ihren Helden<br />

und suchen nach Ähnlichkeiten zu<br />

ihrem Leben. Dabei entwickeln sie<br />

gegenüber den Figuren, die scheitern,<br />

ein Gefühl der Überlegenheit.<br />

Sie transportieren dieses Gefühl in<br />

ihren Alltag. Und dort kann dies zu<br />

Konflikten führen, in denen sich<br />

Jugendliche unbewusst als Täter,<br />

Opfer oder Mitläufer verhalten.<br />

Bei Castingsendungen entsteht<br />

eine vergleichbare Beziehung zu den<br />

Kandidatinnen und Kandidaten.<br />

Vor allem Model-Castingshows<br />

beeinflussen Jugendliche in ihrer<br />

Selbstwahrnehmung – die Shows<br />

suggerieren, nur optische Eigenschaften<br />

seien relevant. Das pausenlose<br />

Vergleichen und Scheitern,<br />

wenn Teenager den vermittelten<br />

Idealen nicht gerecht werden, kann<br />

sie unglücklich und hoffnungslos<br />

machen – und sich beispielsweise in<br />

Essstörungen äussern.<br />

Das Kind begleiten<br />

Hier sind die Eltern gefragt. Verbieten<br />

Sie Ihren Kindern solche Formate<br />

nicht, aber lassen Sie Ihre Kinder<br />

auch nicht allein damit. Schauen Sie<br />

sich ab und an eine Folge gemeinsam<br />

an. Verurteilen Sie die Sendungen<br />

nicht, sondern stellen Sie Fragen.<br />

Was gefällt Ihrem Kind? Wieso? Wie<br />

unterscheidet sich die gezeigte<br />

Handlung vom realen Leben? Was<br />

ist also echt? Was inszeniert? Wieso?<br />

Diskutieren Sie zusammen unterschiedliche<br />

Handlungsmuster und<br />

die Herausforderungen. Und prüfen<br />

Sie, ob ein Hinweis auf die gescriptete<br />

Handlung besteht.<br />

Damit stärken Sie die Persönlichkeit<br />

Ihres Kindes und helfen ihm<br />

zudem, sich in einer Welt, in der die<br />

Grenze zwischen Inszenierung und<br />

Realität immer stärker verschwindet,<br />

kritisch zu bleiben.<br />

Michael In Albon<br />

ist Beauftragter Jugendmedienschutz<br />

und Experte Medienkompetenz von<br />

Swisscom.<br />

Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive<br />

Lernmodule für den kompetenten Umgang mit<br />

digitalen Medien im Familienalltag.<br />

swisscom.ch/medienstark<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

März <strong>2018</strong>67

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