03/2018
Fritz + Fränzi
Fritz + Fränzi
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nen, Kindern aufzuzeigen, dass<br />
Lügen problematisch ist. Vielleicht<br />
erzählt man ihnen die Geschichte<br />
von Pinocchio oder vom Jungen, der<br />
immer «Feuer» rief, und spricht mit<br />
ihnen darüber, welche Folgen häufiges<br />
Lügen haben kann.<br />
Zwischen sechs und acht Jahren<br />
können Kinder Fantasie und Realität<br />
immer besser auseinanderhalten,<br />
und ihnen wird bewusster, dass man<br />
im Allgemeinen nicht lügen sollte,<br />
weil es Beziehungen belastet und<br />
anderen Menschen schaden kann.<br />
Damit nimmt auch die Häufigkeit<br />
des Lügens ab.<br />
Warum lügt mein Kind?<br />
Wenn ältere Kinder und Jugendliche<br />
lügen, ist es sinnvoll, als Eltern<br />
genauer hinzuschauen und sich zu<br />
überlegen, aus welchem Grund ein<br />
Kind zur Lüge greifen muss.<br />
Jüngere Kinder lügen eher, um<br />
sich einen persönlichen Vorteil zu<br />
verschaffen. Sie naschen heimlich<br />
und geben es nicht zu, sie spielen<br />
sich vor anderen mit Unwahrheiten<br />
auf, um besser dazustehen, oder<br />
geniessen es, andere im Spiel zu<br />
beschwindeln.<br />
Ältere Kinder und Jugendliche<br />
haben meist triftigere Gründe, nicht<br />
mit der Wahrheit herauszurücken.<br />
Sie möchten einer Strafe entgehen,<br />
Schamgefühle vermeiden oder<br />
andere schützen.<br />
Dabei zeigt die Forschung: Wenn<br />
Eltern bei Lügen sehr entrüstet oder<br />
enttäuscht reagieren, vom Kind<br />
Geständnisse erzwingen und es<br />
bestrafen, wenn eine Unwahrheit<br />
ans Licht kommt oder unter Druck<br />
gestanden wird, begünstigt das weiteres<br />
Lügen.<br />
Kinder lügen normalerweise nur<br />
ungern. Wenn sie merken, dass sie<br />
die Wahrheit sagen dürfen, ohne<br />
ernste Konsequenzen befürchten zu<br />
müssen, fällt es ihnen leichter, den<br />
Eltern gegenüber offen zu sein. So<br />
zeigen mittlerweile mehrere Studien,<br />
dass es Kindern am besten<br />
gelingt, ehrlich zu sein, wenn Eltern:<br />
• selbst den Mut haben, ehrlich mit<br />
ihren Kindern und anderen zu<br />
sein, und für ein offenes Familienklima<br />
sorgen;<br />
• das Kind nicht bestrafen, wenn<br />
sie es bei einer Lüge ertappen,<br />
sondern mit ihm darüber sprechen,<br />
weshalb es sich nicht<br />
getraut hat, die Wahrheit zu<br />
sagen;<br />
• dem Kind mit Wertschätzung<br />
begegnen, wenn es den Mut hat,<br />
ehrlich zu sein;<br />
• das Kind dabei unterstützen, eine<br />
Verfehlung wieder gutzumachen,<br />
anstatt es dafür zu bestrafen.<br />
Manche Kinder und Jugendliche<br />
schätzen die Konsequenzen der<br />
Wahrheit schlicht falsch ein. Im Laufe<br />
der Jahre haben mir mehrere<br />
Jugendliche gesagt, dass ihre Eltern<br />
«sehr enttäuscht wären» oder sogar<br />
«ganz anders von ihnen denken würden»,<br />
wenn sie von schlechten Schulleistungen<br />
erfahren. Fast immer kam<br />
es nach einem offenen Gespräch zur<br />
beruhigenden Erkenntnis: Meine<br />
Eltern halten auch dann zu mir und<br />
lieben mich, wenn ich nicht alle<br />
Erwartungen erfülle.<br />
Wie viel Recht auf Privatheit will ich<br />
meinem Kind lassen?<br />
«Etwas zu verheimlichen, ist doch<br />
genau das Gleiche wie lügen!», meinte<br />
eine Mutter zu mir, als die fünfzehnjährige<br />
Tochter etwas ausgefressen<br />
hatte und nicht sofort zu ihr kam.<br />
Im Gespräch wurde deutlich, wie<br />
sehr es die Mutter getroffen hat, dass<br />
die Tochter scheinbar kein Vertrauen<br />
zu ihr hat, wo sie doch immer so<br />
eine enge und gute Beziehung hatten.<br />
Gerade heute, wo Eltern oft ein<br />
enges, fast freundschaftliches Verhältnis<br />
zu ihren Kindern pflegen,<br />
schmerzt es manche Eltern, wenn sie<br />
merken, dass ihre Kinder im Jugendalter<br />
vermehrt Freunde ins Vertrauen<br />
ziehen und sie als Eltern langsam<br />
als wichtigste Bezugspersonen abgelöst<br />
werden.<br />
Es bedeutet daher auch einen<br />
Entwicklungsschritt für die Eltern,<br />
Die Forschung zeigt: Wenn<br />
Eltern bei Lügen entrüstet<br />
reagieren und vom Kind<br />
Geständnisse erzwingen,<br />
begünstigt das weitere Lügen.<br />
ihren Kindern mit der Zeit mehr<br />
Privatheit zuzugestehen und es als<br />
Geschenk anstatt als Anrecht zu<br />
betrachten, wenn Jugendliche sich<br />
öffnen.<br />
Meine Mutter meinte einmal:<br />
«Man muss nicht alles voneinander<br />
wissen, gewisse Dinge darf man<br />
auch einfach für sich behalten.» Sie<br />
sagte den Satz nicht zu mir, aber für<br />
mich war dieser Moment wichtig.<br />
Man darf Sachen für sich behalten.<br />
Was für eine Freiheit! Aus dieser<br />
Freiheit heraus darf man sich öffnen,<br />
muss es aber nicht – was zumindest<br />
bei mir dafür sorgte, dass ich es oft<br />
und gerne tat.<br />
In der nächsten Ausgabe:<br />
Erziehungsfehler: Gibt es das überhaupt?<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
März <strong>2018</strong>51