03/2018
Fritz + Fränzi
Fritz + Fränzi
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Kolumne<br />
Erwünschtes Verhalten zu<br />
belohnen, ist Machtmissbrauch<br />
Viele Eltern wollen ihre Kinder heute nicht mehr bestrafen. Doch ist Belohnung<br />
die bessere Erziehungsmethode? Familientherapeut Jesper Juul sagt: Nein!<br />
Jesper Juul<br />
ist Familientherapeut und Autor<br />
zahlreicher internationaler Bestseller<br />
zum Thema Erziehung und Familien.<br />
1948 in Dänemark geboren, fuhr er<br />
nach dem Schulabschluss zur See, war<br />
später Betonarbeiter, Tellerwäscher<br />
und Barkeeper. Nach der<br />
Lehrerausbildung arbeitete er als<br />
Heimerzieher und Sozialarbeiter<br />
und bildete sich in den Niederlanden<br />
und den USA bei Walter Kempler zum<br />
Familientherapeuten weiter. Seit 2012<br />
leidet Juul an einer Entzündung des<br />
Rückenmarks und sitzt im Rollstuhl.<br />
Jesper Juul hat einen erwachsenen<br />
Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter<br />
Ehe geschieden.<br />
Vor einiger Zeit habe<br />
ich einen Artikel<br />
über Belohnung als<br />
Teil der Kindererziehung<br />
verfasst. Meine<br />
Aussagen haben eine breite Debatte<br />
ausgelöst. Ich war sehr überrascht,<br />
wie viele Menschen glauben, dass es<br />
in Ordnung ist, Kinder zu belohnen,<br />
um als Erwachsener etwas von<br />
ihnen zu bekommen. Unter anderem<br />
stellte ich die Frage: Sollen Kinder<br />
belohnt werden, wenn sie höflich<br />
sind?<br />
Belohnen ist seit einiger Zeit als<br />
Erziehungsmethode auf dem Vormarsch<br />
und wird heute sowohl in<br />
Kindergärten als auch Schulen praktiziert.<br />
Aber tun wir unseren Kindern<br />
damit wirklich etwas Gutes?<br />
Um das zu beantworten, müssen wir<br />
zuerst unterscheiden: Wird das Kind<br />
für eine Leistung belohnt – in der<br />
Schule, beim Sport oder in der Theatergruppe?<br />
Oder für erwünschtes<br />
Verhalten – also wenn es sich den<br />
elterlichen Vorgaben gemäss verhält?<br />
Der zweite Fall, also das kind-<br />
Viele Eltern landen letztlich<br />
bei der Zuckerbrot-und-<br />
Peitsche-Methode.<br />
liche Verhalten durch Belohnung zu<br />
kontrollieren und zu steuern, ist<br />
meiner Meinung nach ein Machtmissbrauch.<br />
Andernfalls wäre es nur<br />
damit zu entschuldigen, dass viele<br />
Menschen immer noch glauben,<br />
dass Kinder sich absichtlich schlecht<br />
benehmen, um Erwachsene zu<br />
ärgern. Doch diese Theorie wurde<br />
vor mehr als 20 Jahren widerlegt.<br />
Immer mehr wollen<br />
Das Problem mit der Belohnungsmethode<br />
ist, dass sie tatsächlich oft<br />
funktioniert, ganz besonders bei einbis<br />
fünfjährigen Kindern. Jedoch<br />
meist nur für kurze Zeit. Dann stellen<br />
sich die Kinder darauf ein: Sie<br />
fordern eine immer grössere Belohnung<br />
oder reagieren gar nicht mehr<br />
darauf.<br />
Ein weiteres Problem ist, dass die<br />
Methode logischerweise nach<br />
Bestrafung verlangt, wenn die<br />
Belohnung nicht mehr funktioniert.<br />
Viele Eltern landen deshalb – trotz<br />
anfänglichem Widerwillen – letztlich<br />
bei der Zuckerbrot-und-Peitsche-Methode.<br />
In der Debatte nach meinem<br />
Artikel zeigten sich manche Eltern<br />
überzeugt, dass es unmöglich ist,<br />
Kinder ohne Strafe – heute wird oft<br />
das Wort «Konsequenz» benutzt –<br />
zu erziehen. Sie setzen auf Einschüchterung.<br />
Dies wird auch in der<br />
Schule oft so gemacht, wenn auch<br />
nicht in aktiver Art und Weise. Die<br />
Frage, ob Erziehen ohne Strafen<br />
Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />
46 März <strong>2018</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi