Slavische Philologie - Archiv
64 T. Matic, selbst sagt nichts weiter als: »C'est probablement de lui que la Bibliotheque de 1'Arsenal a regu le manuscrit Nr. 8700: Osman par Gundulic «. Nun kann die Tatsache, daß Mörimee an einzelnen Stellen das Original des Gedichtes Milos Kobilic besser und treuer wiedergegeben hatte als Fortis und nach ihm Herder, gar nicht auffallen, denn durch die Bekanntschaft Merimees mit Sorgo ist sie hinreichend erklärt. Auch die Bemerkung M^rimöes, der Streit der Töchter Lazars, der Schwiegersöhne, der Zweikampf der Verrat Vuks und die Heldentat Miloss seien im Gedichte in allen Details treu nach der Geschichte erzählt, ist ohne Zweifel auf Sorgo zurückzuführen, der als Ragusaner seine Kenntnisse über die Vergangenheit der Slaven auf der Balkanhalbinsel hauptsächlich aus Orbini geschöpft haben wird. Im Gegenteil, die als Anhang zur Übersetzung des Miloi Kobilic von Merimee erzählte Variante, nach welcher der Sultan, nachdem die Schlacht mit einer vollständigen Niederlage der Serben geendet und der Kampf schon aufgehört hatte, von einem Serben, der auf dem Schlachtfelde verwundet lag, weist auf türkische Quellen zurück. erkannt und ermordet wurde, T. Obwohl bisher noch niemand die Ballade von der Gattin Hasan-Agas im Volke gehört hat, so wird ihr doch der Charakter eines Volksliedes von niemanden abgesprochen. Die letzte für uns erreichbare Quelle des Gedichtes ist die bekannte Spalatiner Handschrift, aus der nach der Annahme Miklosichs — die in der neueren Zeit allerdings sowohl von Bogisic (Srd, Jg. 1905, Nr. 11/12) als auch von Curcin (o. c. 43) in Zweifel gezogen wird — der Text Fortis' direkt stammen wüi'de, auf welchem seinerseits der Vuksche beruht. Vuk nahm das Gedicht in die erste Ausgabe seiner Volkslieder auf, ließ es aber in der zweiten aus, um es wieder in die dritte Ausgabe aufzunehmen. Dieses Schwanken ist darauf zurückzuführen, daß Vuk trotz seiner Bemühungen nie in die Gelegenheit gekommen war, diese Ballade aus dem Volksmunde zu hören. In ihrer unlängst erschienenen Abhandlung Die südslavische Ballade vofi Asan Agas Gattin und ihre Nachbildung durch Goethe (Berlin 1905) wies Frl. Kamilla Lucerna auf manche in der Volkspoesie der Kroaten und Serben vorkommenden Anklänge an diese Ballade hin, was alles natürlich für den volkstümlichen Ursprung dieses Gedichtes sprechen würde. Meinerseits möchte ich insbesondere auf das in der Zaratiner Zeitschrift
: Prosper Merimee's Mystifikation kroat. Volkslieder. 65 Iskra (Jg. III, Nr. 15/16) von Abdusselam Beg Hrasnica mitgeteilte Volkslied Hasan- aginica. ]SJarod7ia i^jesma iz Bosne aufmerksam machen. Der Inhalt dieses Gedichtes wäre in kurzen Zügen folgender Hasan-Aga heiratete neben seiner ersten Gattin noch eine zweite Frau. Die beiden Frauen gerieten einmal in Streit, und Hasan-Aga schickte seine erste Gattin zu ihrem Bruder zurück. Die geschiedene Hasan- Aginica heiratete bald darauf Ali-Pasa, und als die Hochzeitsschaar an dem Hause Hasan- Agas vorüberging, kam Hasan-Aga mit seinem kleinen Sohne und fragte den svatski starJeSina^ ob es erlaubt wäre, die Braut anzusprechen. Nachdem man es ihm erlaubt hatte, trat er zu Hasan-Aginica und wollte ihr ihren Sohn übergeben, aber »Na to ona ni gledati ne ce, Vec protjera pretila dogata; Kad to vidje aga Hasan-aga, I u nemu zivo srce puce(f. Es folgen noch ungefähr 20 Verse, die für uns ohne weiteres Interesse sind. Wir werden gewiß nicht fehlgehen, wenn wir annehmen, daß das Grundmotiv dieses Volksliedes mit dem Motive der von Fortis mitgeteilten Ballade ursprünglich identisch war — daß also in diesem Volksliede eine wenn auch vollständig entstellte und ein befremdendes, ja sogar unnatürliches Gepräge ti-agende Variante der Ballade von der Gattin Hasan-Agas vorliegt. Am nächsten liegt ja die Annahme einer Kontinuität der Existenz und der Umwandlungen dieses Motives in der Tradition unseres Volkes, obwohl auch die von Frl. Lucerna i) im allgemeinen angedeutete Möglichkeit, die Ballade hätte in neuerer Zeit auf literarischem Wege wieder zum Volke kommen und entstellt werden können, nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, wenn auch speziell in unserem Falle keine besonderen Gründe für diese Annahme vorhanden sind. In der bekannten Abhandlung Ühei' Goethes Klaggesang von der edlen Frau des Asan-Aga 2) druckte Miklosich einen Teil der französischen Übersetzung der Hasan-aginica^ die 1778 in der zu Bern anonym erschienenen französischen Übersetzung des Viaggio Fortis' veröffentlicht wurde (p. 449). Von Merimees Guzla wird etwas weiter (p. 461) 1) o. c, p. 53. 2) Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wiss., philos.-histor. Klasse, cm. Bd., n. Heft. Archiv für slavische Philologie. XXIX. 5
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Prosper Merimee's Mystifikation kroat. Volkslieder. 65<br />
Iskra (Jg. III, Nr. 15/16) von Abdusselam Beg Hrasnica mitgeteilte<br />
Volkslied Hasan- aginica. ]SJarod7ia i^jesma iz Bosne aufmerksam<br />
machen. Der Inhalt dieses Gedichtes wäre in kurzen Zügen folgender<br />
Hasan-Aga heiratete neben seiner ersten Gattin noch eine zweite Frau.<br />
Die beiden Frauen gerieten einmal in Streit, und Hasan-Aga schickte<br />
seine erste Gattin zu ihrem Bruder zurück. Die geschiedene Hasan-<br />
Aginica heiratete bald darauf Ali-Pasa, und als die Hochzeitsschaar<br />
an dem Hause Hasan- Agas vorüberging, kam Hasan-Aga mit<br />
seinem kleinen Sohne und fragte den svatski starJeSina^ ob es<br />
erlaubt wäre, die Braut anzusprechen. Nachdem man es ihm erlaubt<br />
hatte, trat er zu Hasan-Aginica und wollte ihr ihren Sohn übergeben,<br />
aber<br />
»Na to ona ni gledati ne ce,<br />
Vec protjera pretila dogata;<br />
Kad to vidje aga Hasan-aga,<br />
I u nemu zivo srce puce(f.<br />
Es folgen noch ungefähr 20 Verse, die für uns ohne weiteres Interesse<br />
sind. Wir werden gewiß nicht fehlgehen, wenn wir annehmen,<br />
daß das Grundmotiv dieses Volksliedes mit dem Motive der von Fortis<br />
mitgeteilten Ballade ursprünglich identisch war — daß also in diesem<br />
Volksliede<br />
eine wenn auch vollständig entstellte und ein befremdendes,<br />
ja sogar unnatürliches Gepräge ti-agende Variante der Ballade von der<br />
Gattin Hasan-Agas vorliegt. Am nächsten liegt ja die Annahme einer<br />
Kontinuität der Existenz und der Umwandlungen dieses Motives in der<br />
Tradition unseres Volkes, obwohl auch die von Frl. Lucerna i)<br />
im allgemeinen<br />
angedeutete Möglichkeit, die Ballade hätte in neuerer Zeit auf<br />
literarischem Wege wieder zum Volke kommen und entstellt werden<br />
können, nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, wenn auch<br />
speziell in unserem Falle keine besonderen Gründe für diese Annahme<br />
vorhanden sind.<br />
In der bekannten Abhandlung Ühei' Goethes Klaggesang von der<br />
edlen Frau des Asan-Aga 2)<br />
druckte Miklosich einen Teil der französischen<br />
Übersetzung der Hasan-aginica^ die 1778 in der zu Bern anonym<br />
erschienenen französischen Übersetzung des Viaggio Fortis' veröffentlicht<br />
wurde (p. 449). Von Merimees Guzla wird etwas weiter (p. 461)<br />
1) o. c, p. 53.<br />
2) Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wiss., philos.-histor. Klasse,<br />
cm. Bd., n. Heft.<br />
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