Slavische Philologie - Archiv

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62 T. Matiö, nach ihm Herder etwas freier sich bewegen oder gar den Sinn des Originals falsch wiedergeben. Vor dem Gedichte findet sich bei M^rimde eine Notiz über die Art und Weise, wie das Gedicht in seine Hände kam: y>Je dois le poeme suivant ä Vobligeance de feu M. le comte de Sorgo, qui avait trouve Voriginal serhe dans un manuscrit de la bihliotheque de VArsenal ä Paris. II croyait ce poeme öcrit par un contemporain de Milosch. La quereUe des filles de Lazare, le duel de ses deux gendres, la trahison de Vuk Brancovich et le devouement de Milosch y sont racontes avec des dötails entierement conformes ä l'histoii'e« i). Es ist hervorzuheben, daß das Gedicht Milosch Kobilich erst in der zweiten Ausgabe der Guzla vorkommt und in der ersten gar nicht enthalten war. Wahrscheinlich wurde der Ragusaner Anton de Sorgo, der damals in Paris weilte, durch die 1827 erschienene Mystifikation M^rimdes auf ihn aufmerksam gemacht und teilte ihm gelegentlich mit, daß sich in der Pariser Bibliotheque de 1'Arsenal ein Manuskript eines kroatischen Gedichtes über den Helden Milos Kobilic befindet, weil Sorgo voraussetzen durfte, daß es M^rimee interessieren wird, ein echtes volkstümliches Gedicht kennen zu lernen, welches aus der Gegend stammt, die der französische Dichter zum Schauplatze seiner in der Guzla veröfi"entlichten Balladen gewählt hatte. Das Interesse, welches M^rim^e dem Gedichte entgegenbrachte, ging nun so weit, daß er es ins Französische übertrug und in der zweiten Ausgabe der Guzla veröfifentlichte, wo er bekanntlich die Maske weggeworfen und seine Mystifikation offen gestanden hatte. Auf die Handschrift in der Bibliotheque de l'Arsenal hat im Archiv für slavische Philologie (Bd. VI) Th. Vetter aufmerksam gemacht. Dieselbe enthält Gundulics Osman und als Anhang dazu neun Blätter in unbedeutend größerem Format, auf welchen von einer anderen Hand aber sehr sorgfältig der kroatische Text des Gedichtes Mihi Kobilic nebst einer italienischen Übersetzung desselben niedergeschrieben ist. Vetter hat im Archic sowohl den ganzen kroatischen Text als auch den Anfang der italienischen Übersetzung mitgeteilt. Der von Vetter abgedruckte kroatische Text stimmt mit dem Texte Kacics wörtlich überein, es kommen nur hier und da einige ganz belanglose Abweichungen vor: Pohvali se virnoj lubi süoJoJ— Vetter: tvoJoj\ oder : Pak otide u carevu 1) Guzla, p. 312.

: . Prosper Mörimee's Mystifikation kroat. Volkslieder. 63 vojsku — Vetter: u vojskii carevu. Bloß an zwei Stellen ist im Texte Vetters der Sinn etwas gestört, und auch da sind die Fehler — wie ich mich aus der Handschrift selbst überzeugt habe — auf die Rechnung Vetters zu setzen Vec hvalite Milos Kobilica Od Lazara Novoga plemica . . . in der Handschrift richtig: Od Pazara . . ., und Kako je je tako udarila Iz nosa joj krvca izvirala . . in der Handschrift dagegen: Kako je je lako udarila . . . Von der italienischen Übersetzung hat Vetter bloß 22 Verse abgedruckt, und diese sind mit dem Texte in Fortis' Saggio cV osservazioni sopra V isola di Cherso ed Osero identisch. Auch den noch übrig bleibenden italienischen Text der Handschrift habe ich mit der Übersetzung Fortis' verglichen und bin auch in dieser Beziehung zu demselben Resultate wie hinsichtlich der ersten 22 Verse gekommen. Die Vorlage Merim^es ist uns also bekannt — es ist aber höchst merkwürdig, was Merim^e seinem Mentor, dem Ragusaner Sorgo, nachsagt : dieser sei nämlich der Ansicht gewesen, das Gedicht stamme von einem Zeitgenossen Kobilics aus dem XIV. Jahrh. Es ist vielleicht doch wahrscheinlicher, daß Sorgo dem französischen Dichter nur so viel gesagt hat, daß das historische Faktum, auf welches sich die Erzählung Kacics bezieht — nämlich die Schlacht am Kosovo — ins XIV. Jahrh. fällt, und daß dann Merimee, der in dieser Hinsicht gewiß nicht so sehr gewissenhaft war, dasselbe auch für die Entstehung des Gedichtes selbst gelten ließ. Der Herausgeber des kroatischen Textes der Pariser Handschrift im Archiv für slavische Philologie seheint auch selbst über den Ursprung des Gedichtes nicht unterrichtet gewesen zu sein, denn in seinem am 3. Juli 1881 datierten und der Handschrift beigelegten Briefe, meint er, dies sei »une des nombreuses po^sies öpiques populaires serbes. J'ignore si ce chant soit dejä imprimö, mais j'en doute fort; du moins dans la coUection la plus complete, celle de Vuk Stefanovie Karadzic (en 5 vols.), il ne se trouve pas«. Interessanter wäre es zu wissen, ob Vetter für seine in diesem Briefe allerdings nur als wahrscheinlich ausgesprochene Meinung, die Handschrift Osmans, in welcher sich — wie gesagt — das Gedicht Miloi KobiKc als Anhang befindet, sei durch den bekannten ragusanischen Dichter Bruere-D^rivaux in die Bibliotheque de 1'Arsenal gekommen, irgendwelche Anhaltspunkte hatte •— er

62 T. Matiö,<br />

nach ihm Herder etwas freier sich bewegen oder gar den Sinn des Originals<br />

falsch wiedergeben.<br />

Vor dem Gedichte findet sich bei M^rimde eine Notiz über die Art<br />

und Weise, wie das Gedicht in seine Hände kam: y>Je dois le poeme<br />

suivant ä Vobligeance de feu M. le comte de Sorgo, qui avait trouve<br />

Voriginal serhe dans un manuscrit de la bihliotheque de VArsenal ä<br />

Paris. II croyait ce poeme öcrit par un contemporain de Milosch. La<br />

quereUe des filles de Lazare, le duel de ses deux gendres, la trahison de<br />

Vuk Brancovich et le devouement de Milosch y sont racontes avec des<br />

dötails entierement conformes ä l'histoii'e« i).<br />

Es ist hervorzuheben, daß das Gedicht Milosch Kobilich erst in<br />

der zweiten Ausgabe der Guzla vorkommt und in der ersten gar nicht<br />

enthalten war. Wahrscheinlich wurde der Ragusaner Anton de Sorgo,<br />

der damals in Paris weilte, durch die 1827 erschienene Mystifikation<br />

M^rimdes auf ihn<br />

aufmerksam gemacht und teilte ihm gelegentlich mit,<br />

daß sich in der Pariser Bibliotheque de 1'Arsenal ein Manuskript eines<br />

kroatischen Gedichtes über den Helden Milos Kobilic befindet, weil Sorgo<br />

voraussetzen durfte, daß es M^rimee interessieren wird, ein echtes volkstümliches<br />

Gedicht kennen zu lernen, welches aus der Gegend stammt, die<br />

der französische Dichter zum Schauplatze seiner in der Guzla veröfi"entlichten<br />

Balladen gewählt hatte. Das Interesse, welches M^rim^e dem<br />

Gedichte entgegenbrachte, ging nun so weit, daß er es ins Französische<br />

übertrug und in der zweiten Ausgabe der Guzla veröfifentlichte, wo er<br />

bekanntlich die Maske weggeworfen und seine Mystifikation offen gestanden<br />

hatte.<br />

Auf die Handschrift in der Bibliotheque de l'Arsenal hat im <strong>Archiv</strong><br />

für slavische <strong>Philologie</strong> (Bd. VI) Th. Vetter aufmerksam gemacht.<br />

Dieselbe enthält Gundulics Osman und als Anhang dazu neun Blätter in<br />

unbedeutend größerem Format, auf welchen von einer anderen Hand<br />

aber sehr sorgfältig der kroatische Text des Gedichtes Mihi Kobilic<br />

nebst einer italienischen Übersetzung desselben niedergeschrieben ist.<br />

Vetter hat im Archic sowohl den ganzen kroatischen Text als auch den<br />

Anfang der italienischen Übersetzung mitgeteilt. Der von Vetter abgedruckte<br />

kroatische Text stimmt mit<br />

dem Texte Kacics wörtlich überein,<br />

es kommen nur hier und da einige ganz belanglose Abweichungen vor:<br />

Pohvali se virnoj lubi süoJoJ— Vetter: tvoJoj\ oder : Pak<br />

otide u carevu<br />

1) Guzla, p. 312.

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