Slavische Philologie - Archiv

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56 T. Matid, ein Pendant zu seiner Ballade. Bei demselben Autor, der im Gegensatz zu Calmet ähnliche Märchen entschieden bekämpfte, konnte Mörimöe noch einen Bericht über einen solchen zu Gueldre 1548 mit einem Ringe vorgekommenen Fall finden. Von ganz besonderem Interesse sind die drei historischen Balladen aus den letzten Tagen der bosnischen Freiheit. Das sind Gedichte aus ganz auderen Kreisen und ich will sie hier am Ende unserer Betrachtungen der Merim^eschen Balladen besprechen, weil sie einigermaßen schon den Übergang zu Kacics Milos Kohilic und der bekannten Volksballade Hasan-aginica bilden. Es sind drei Gedichte da : La mort de Thomas II, rot de Bosnie (Nr. 2), La vision de Thomas II, roi de Bosnie (Nr. 3) und Le cheval de Thomas II — wohl drei von den interessantesten Gedichten der Sammlung. Was ich im allgemeinen über die Ausfühning der Balladen M^rimees gesagt habe, gilt natürlich auch vom bosnischen Zyklus, denn diese Gedichte sind ganz in derselben Richtung gehalten wie die übrigen der Guzla. Nur einen Punkt möchte ich hier speziell berühren, wo der französische Dichter — man möchte beinahe sagen — eine divinatorische Kraft bekundete und eines der schönsten Motive unserer Volkspoesie in Le cheval de Thomas II im Rahmen einer kurzen aber ausdrucksvollen Ballade behandelte. Ich lasse das ganze Gedicht folgen: »Pourquoi pleures-tu, mon beau cheval blanc? pourquoi hennis-tu si douloureusement ? N'es-tu pas harnachö assez richement ä ton gr6? n'as-tu pas des fers d'argent avec des clous d'or? n'as-tu pas des sonnettes d'argent ä ton cou, et ne portes-tu pas le roi de la fertile Bosnie?« — »Je pleure, mon maitre, parce que l'infidele m'otera mes fers d'argent, et mes clous d'or et mes sonnettes d'argent. Et je hennis, mon maitre, parce que avec la peau du roi de Bosnie le m^creant doit me faire une seile« i). 1) Guzla, p. 292. In der deutschen Übersetzung Gerhard's lautet das Gedicht: »Warum weinst, mein schöner Schimmel? Warum wieherst du so kläglich? Bist du denn nicht reich und prächtig, Wie du wünschen magst, geschirret? Hast du Eisen nicht von Silber, In dem Hufe goldne Nägel, Und am Halse Silberglöckchen? Tragest du nicht des fruchtbaren Bosniens gepriesnen König?« »Ach ich weine, mein Gebieter! Weil die silberblanken Eisen,

Prosper Merim^e's Mystifikation kroat. Volkslieder. 57 Ich brauche nicht an das Volkslied Smr't Kraljemca Marka erst zu erinnern ; die Ähnlichkeit ist zu auffällig und wird gleich bemerkt. Natürlich, auch diese Erscheinung hat ihre Erklärung. Vom Achilles, dem in Ilias (XIX, 404—424) sein Roß Xanthos den Tod voraussagt, vom Bayard Renaud de Montaubans und dem Babiega Cids bis auf den Sarac unseres Volkes — überall und zu allen Zeiten hat in der Phantasie des Volkes das Pferd des Helden eine besondere Stelle eingenommen und als eine Art Freund und Gefährte seines Herrn gegolten. Das ist also ein allgemein volkstümliches Motiv und Merimee konnte es in seinen Gnmdzügen überall finden, es ist aber doch beachtenswert, daß Mdrimöe unter anderen gerade dieses Motiv gewählt hatte, das in unserer Volkspoesie so schöne Früchte geti-agen, und daß er in der Behandlungsweise und Ausführung des Motivs unserem Volke nahe kam. Die anderen zwei Balladen des bosnischen Zyklus hat M6-imee reichlich mit geschichtlichen Anmerkungen versehen. Im Anschluß an La mort de Thomas II erzählt er folgendes: »Thomas I®'^, roi de Bosnie, fut assassine secretement en 1460, par ses deux fils Etienne et Radivo'i. Le premier fut couronne sous le nom d'Etienne-Thomas II; c'est le heros de cette ballade. Radivoi', furieux de se voir exclu du trone, rdv^la le crime d'Etienne et le sien, et alla ensuite chercher un asile aupres de Mahomet. L'eveque de Modrussa, lögat du pape en Bosnie, persuada ä Thomas H que le meilleur moyen de se racheter de son parricide ^tait de faire la guerre aux Turcs. Elle fut fatale aux chretiens: Mahomet ravagea le royaume et assiegea Thomas H dans le chäteau de Kloutch en Croatie, oü il s'etait refugie. Trouvant que la force ouverte ne le menait pas assez promptement ä son but, le sultan offrit ä Thomas de lui accorder la paix, sous la condition pourtant qu'il lui paierait seulement l'ancien tribut. Thomas H, dejä röduit ä l'extremite, accepta ces conditions et se rendit au camp des infideles. II fut aussitot arrete, et, sur son refus de se faire circoncire, son barbare vainqueur le fit ecorcher vif, Meines Hufes goldne Nägel, Und des Halses Silberglockchen Mir der Türke wird entreißen. Und ich wiehere, Herr, darüber, Daß mir der verwünschte Türke Aus der Haut des Bosnier Königs Einen Sattel soll bereiten«. (Gerhard o. c. II. 184.

56 T. Matid,<br />

ein Pendant zu seiner Ballade. Bei demselben Autor, der im Gegensatz<br />

zu Calmet ähnliche Märchen entschieden bekämpfte, konnte Mörimöe noch<br />

einen Bericht über einen solchen zu Gueldre 1548 mit einem Ringe vorgekommenen<br />

Fall finden.<br />

Von ganz besonderem Interesse sind die drei historischen Balladen<br />

aus den letzten Tagen der bosnischen Freiheit. Das sind Gedichte aus<br />

ganz auderen Kreisen und ich will sie hier am Ende unserer Betrachtungen<br />

der Merim^eschen Balladen besprechen, weil sie einigermaßen schon den<br />

Übergang zu Kacics Milos Kohilic und der bekannten Volksballade<br />

Hasan-aginica bilden. Es sind drei Gedichte da : La mort de Thomas II,<br />

rot de Bosnie (Nr. 2), La vision de Thomas II, roi de Bosnie (Nr. 3)<br />

und Le cheval de Thomas II — wohl drei von den interessantesten<br />

Gedichten der Sammlung. Was ich im allgemeinen über die Ausfühning<br />

der Balladen M^rimees gesagt habe, gilt natürlich auch vom bosnischen<br />

Zyklus, denn diese Gedichte sind ganz in derselben Richtung gehalten<br />

wie die übrigen der Guzla. Nur einen Punkt möchte ich hier speziell<br />

berühren, wo der französische Dichter — man möchte beinahe sagen —<br />

eine divinatorische Kraft bekundete und eines der schönsten Motive<br />

unserer Volkspoesie in Le cheval de Thomas II im Rahmen einer kurzen<br />

aber ausdrucksvollen Ballade behandelte. Ich lasse das ganze Gedicht<br />

folgen: »Pourquoi pleures-tu, mon beau cheval blanc? pourquoi hennis-tu<br />

si douloureusement ? N'es-tu pas harnachö assez richement ä ton gr6?<br />

n'as-tu pas des fers d'argent avec des clous d'or? n'as-tu pas des sonnettes<br />

d'argent ä ton cou, et ne portes-tu pas le roi de la fertile Bosnie?« —<br />

»Je pleure, mon maitre, parce que l'infidele m'otera mes fers d'argent, et<br />

mes clous d'or et mes sonnettes d'argent.<br />

Et je hennis, mon maitre, parce<br />

que avec la peau du roi de Bosnie le m^creant doit me faire une seile« i).<br />

1) Guzla, p. 292. In der deutschen Übersetzung Gerhard's lautet das Gedicht:<br />

»Warum weinst, mein schöner Schimmel?<br />

Warum wieherst du so kläglich?<br />

Bist du denn nicht reich und prächtig,<br />

Wie du wünschen magst, geschirret?<br />

Hast du Eisen nicht von Silber,<br />

In<br />

dem Hufe goldne Nägel,<br />

Und am Halse Silberglöckchen?<br />

Tragest du nicht des fruchtbaren<br />

Bosniens gepriesnen König?«<br />

»Ach ich weine, mein Gebieter!<br />

Weil die silberblanken Eisen,

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