Slavische Philologie - Archiv

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616 Kritischer Anzeiger. einem Mönche herrührte, ist mehr als wahrscheinlich, aber bis jetzt ist eine solche Vorlage zu dem polnischen Gedichte nicht gefunden, nur eines kann schon jetzt gesagt werden, daß ein solcher Dialog oder sagen wir eine solche Erzählung von des Mönches Polykarp Begegnung und Gespräch mit dem Tode über die Allmacht des letzteren ziemlich verbreitet gewesen sein muß. Prof. Brückner hat über zwei solche lateinische Texte in München und einen in St. Florian in Ober-Österreich im Archiv Bd. XI berichtet, und über einen vierten werde ich weiter unten Nachricht geben. Auch die russischen Übersetzungen, welche die Verfasserin bespricht, beweisen eine gewisse Verbreitung der Erzählung von der genannten Begegnung, nur sind diese nicht aus einem lateinischen Text hervorgegangen, sondern aus dem erwähnten polnischen Gedicht. Russische Übersetzungen und Nachbildungen polnischer Erzählungen sind schon seit jeher Gegenstand des Studiums: Pypin hat im II. Bande der Schriften der II. Abteilung der Petersburger Akad. d. Wiss. 1857, in Ocerk literaturnoj istorii starinnych povestej i skazok russkich, diese wandernden Erzählungsstoffe behandelt; in dieser Zeitschrift ist bei gegebener Gelegenheit auf die eine oder andere polnische Vorlage zu russischen Erzählungen hingewiesen worden, z. B. bei Besprechung der Ausgabe der Geschichte der sieben Weisen; für die Erzählung sude Semjuki hatte Suchomlinov eine polnische Vorlage, wenn auch wohl irrtümlich, vermutet; Nachweise polnischer Vorlagen für viele russische Erzählungen hat Murko in seinem Habilitationsvortrage : >Die ersten Schritte des russischen Romans« 1897 nachgewiesen; die französischen Romane Melusine, Tristan und Isolt, die Magellone sind bekanntlich aus dem Polnischen übersetzt usw. Die Verfasserin der in Rede stehenden Dissertation hat diese polnisch-russische Periode nicht als Hintergrund vorausgeschickt, sie wird gewiß in ihrem größeren Werke darauf zurückkommen. Der Inhalt der Untersuchung bietet vor allem das schreckliche Bild des Todes und eine genaue Analyse des Gespräches. Eine Reihe von Bemerkungen und Ähnlichkeiten knüpfen sich an einzelne Stellen der Ausführungen, die interessanteste ist der Vergleich mit den Totentänzen, Wandgemälden in Kirchen — freikünstlerische Schöpfungen bleiben außer Betracht, ferner mit dem Ackersmann von Böhmen u. and. ; unter den Parallelen vermissen wir eine Reihe von Streitgedichten, wie z. B. den Streit zwischen Leib und Seele, von Rügengedichten oder Gedichten mit rügenden Ausfällen, deren größere Anzahl die mittelalterliche böhmische Poesie bietet, ich erinnere an die wiederholt vorkommenden Ausfälle gegen ungerechte Richter, gegen unehrliche Bäcker, die kleines Brot backen usw. Die russischen Übersetzungen — es sind ihrer drei: zwei Petersburger und eine in einer Moskauer Handschrift — bilden den Schluß der interessanten Untersuchungen. Nachdem die Verfasserin darauf aufmerksam gemacht bat, daß S. I. Dolgow zuerst auf die russische Übersetzung des prologus de morte in einem Moskauer Vortrage 1 890 hingewiesen, beschreibt sie im allgemeinen die Handschriften, ihre Eigentümlichkeiten und das gegenseitige Verhältnis zu einander und zu dem polnischen Original, wobei sie sich bei einzelnen un-

Croiset van der Kop, De morte prologus, angez. von Nehring. 617 beholfenen Übersetzungsversuchen aufhält, so z. B. wznak wiedergegeben durch na vznic, szkaredna durch nelepa, iak, das vielleicht unverständlich war (aus diaconus Schüler) durch zakon u.a. Das Ergebnis derVergleichungen ist dies : daß der polnische Text in Rußland übersetzt wurde vor dem Ende des XVI. Jahrh., daß zwischen der Mosk. Handschrift und Petersb. II eine Abschrift gewesen sein muß, von der nur ein Fragment übrig geblieben, sich in P. 11 befindet, mit selbständig hinzugefügten Ermahnungen des Schreibers an Väter und Brüder ; im übrigen wird das Verhältnis von P. I und P. II kurz besprochen. Der polnische Text ist nach der Ausgabe von Prof. Rozwadowski abgedruckt (mithin als die dritte Ausgabe), er steht links, ihm gegenüber steht rechts die russische Übersetzung, unter dem Text stehen die notwendigsten Bemerkungen : Wort- oder Formerklärungen, Korrekturen, Lesarten (es kommen vornehmlich die beiden Petersburger Handschriften in Betracht). Der russische Text ist wohl richtig gelesen, dies ist zu sehen aus den leserlichen photographischen Faksimiles, die event. zur Kontrole dienen können, vor allem für die Sorgfalt der Verfasserin Zeugnis abgeben. Textkritisch wäre manches zu bemerken. Ich wähle zur Prüfung S. 5.5—57: v. 208 war zu verbessern: alem kofzy ne rufzyla; das v. 210 Stegom fzya/^, zijuothem byedzyla ist richtig, die Korrektur oder Erklärung z fywotem unnötig; v. 213 muß es heißen: pothem yvfzem ... ftraczyla; v. 218 w them fzlamya kofczy ist richtig zu lesen: w tem zlamie kosci, die Erklärung temu nicht nötig; v. 225 sthy fthofztwacz soll wohl heißen mystrzowad; v. 226 vefzdrzy ist richtig, wzdrzed in die Höhe heben, zadrzysz nog^ ist sinngemäß. — Russische Seite : v. 207 HsÖiTJra ist richtig, yöuja bloß sinngemäß; pasöouHi. am Rande überflüssig. S. 57 f pudra^ d. h. z pudra zu korrigieren z puzdra; v. 225 v oczemgnyenyv ist mittelalterlich richtig, w okamgnieniu bloß sinngemäß. Wir heißen die neue Mitarbeiterin willkommen, die sicherlich weder Zeit noch Mühe und keine Opfer zu scheuen verspricht im Dienst der liebgewonnenen Wissenschaft. W. Nehring.

616 Kritischer Anzeiger.<br />

einem Mönche herrührte, ist mehr als wahrscheinlich, aber bis jetzt ist eine<br />

solche Vorlage zu dem polnischen Gedichte nicht gefunden, nur eines kann<br />

schon jetzt gesagt werden, daß ein solcher Dialog oder sagen wir eine solche<br />

Erzählung von des Mönches Polykarp Begegnung und Gespräch mit dem Tode<br />

über die Allmacht des letzteren ziemlich verbreitet gewesen sein muß. Prof.<br />

Brückner hat über zwei solche lateinische Texte in München und einen in<br />

St. Florian in Ober-Österreich im <strong>Archiv</strong> Bd. XI berichtet, und über einen<br />

vierten werde ich weiter unten Nachricht geben. Auch die russischen Übersetzungen,<br />

welche die Verfasserin bespricht, beweisen eine gewisse Verbreitung<br />

der Erzählung von der genannten Begegnung, nur sind diese nicht aus<br />

einem lateinischen Text hervorgegangen, sondern aus dem erwähnten polnischen<br />

Gedicht.<br />

Russische Übersetzungen und Nachbildungen polnischer Erzählungen<br />

sind schon seit jeher Gegenstand des Studiums: Pypin hat im II. Bande der<br />

Schriften der II. Abteilung der Petersburger Akad. d. Wiss. 1857, in Ocerk<br />

literaturnoj istorii starinnych povestej i skazok russkich, diese wandernden<br />

Erzählungsstoffe behandelt; in dieser Zeitschrift ist bei gegebener Gelegenheit<br />

auf die eine oder andere polnische Vorlage zu russischen Erzählungen<br />

hingewiesen worden, z. B. bei Besprechung der Ausgabe der Geschichte der<br />

sieben Weisen; für die Erzählung sude Semjuki hatte Suchomlinov eine<br />

polnische Vorlage, wenn auch wohl irrtümlich,<br />

vermutet; Nachweise polnischer<br />

Vorlagen für viele russische Erzählungen hat Murko in seinem Habilitationsvortrage<br />

: >Die ersten Schritte des russischen Romans« 1897 nachgewiesen;<br />

die französischen Romane Melusine, Tristan und Isolt, die Magellone<br />

sind bekanntlich aus dem Polnischen übersetzt usw. Die Verfasserin der in<br />

Rede stehenden Dissertation hat diese polnisch-russische Periode nicht als<br />

Hintergrund vorausgeschickt, sie wird gewiß in ihrem größeren Werke darauf<br />

zurückkommen.<br />

Der Inhalt der Untersuchung bietet vor allem das schreckliche Bild des<br />

Todes und eine genaue Analyse des Gespräches. Eine Reihe von Bemerkungen<br />

und Ähnlichkeiten knüpfen sich an einzelne Stellen der Ausführungen,<br />

die interessanteste ist der Vergleich mit den Totentänzen, Wandgemälden in<br />

Kirchen — freikünstlerische Schöpfungen bleiben außer Betracht, ferner mit<br />

dem Ackersmann von Böhmen u. and. ; unter den Parallelen vermissen wir<br />

eine Reihe von Streitgedichten, wie z. B. den Streit zwischen Leib und Seele,<br />

von Rügengedichten oder Gedichten mit rügenden Ausfällen, deren größere<br />

Anzahl die mittelalterliche böhmische Poesie bietet, ich erinnere an die wiederholt<br />

vorkommenden Ausfälle gegen ungerechte Richter, gegen unehrliche<br />

Bäcker, die kleines Brot backen usw.<br />

Die russischen Übersetzungen — es sind ihrer drei: zwei Petersburger<br />

und eine in einer Moskauer Handschrift — bilden den Schluß der interessanten<br />

Untersuchungen. Nachdem die Verfasserin darauf aufmerksam gemacht bat,<br />

daß S. I. Dolgow zuerst auf die russische Übersetzung des prologus de morte<br />

in einem Moskauer Vortrage 1 890 hingewiesen, beschreibt sie im allgemeinen<br />

die Handschriften, ihre Eigentümlichkeiten und das gegenseitige Verhältnis<br />

zu einander und zu dem polnischen Original, wobei sie sich bei einzelnen un-

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