Slavische Philologie - Archiv
602 Kritischer Anzeiger. sprochenen cechischen Wortes, das von der Bühne erklang, dürfen wir hier nicht vergessen. Wenn die cechischen Schauspiele zwar keine künstlerische Bedeutung haben, erfüllten sie in jener Zeit immerhin ihren Zweck. Von den deutschen Bühnenstücken erregten Kotzebue, Iffland großes Gefallen, doch ^vurden auch Klassiker übersetzt. Für die Prager war schon dies von hoher Bedeutung, daß überhaupt böhmisch gespielt wurde. Schauspieler und Zuschauer bildeten den Kern der cechischen Gesellschaft, die auch sonst für die Literatur Sinn hatte. Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts behielt das Schauspiel für die länd[38]liche Gesellschaft seine ungeheuere nationale Bedeutung bei.« (Hier — am Schlüsse des Schrifttums aus der Aufklärungszeit — haben wir vor uns die letzte Stelle, wo die Geschichte des cechischen Dramas — im zweiten Bande des Buches übrigens gegen den ursprünglichen Plan des Verfassers — zusammenhängend dargestellt wird.) Auf Seite 40 begegnen wir ebenda In anderen Literaturen wird die wissenschaftliche folgenden Worten: ». . . von der schönen Literatur getrennt, allein in der cechischen . . . Literatur haben die Gelehrten als Träger neuer maßgebender Ideen, die das Schrifttum befruchteten, als Redakteure i41] und Männer, die für die Wiedergeburt des Volkes eine so hervorragende Bedeutung hatten, auch ihren wohlverdienten Platz ...» (Dieser Satz zeugt sicherlich von keinem weiten Gesichtskreis. Haben etwa z. B. die deutschen Gelehrten Herder, Brüder Schlegel, Brüder Grimm usw. die Literatur ihrer Nation nicht befruchtet? Ist aus diesem Grunde nicht auch ihnen mit Fug und Recht ein Ehrenplatz in diesem Schrifttum gewiß? Außerdem vermißt man die Namen V. A. Svoboda und J. Linda bei der unmittelbar vorhergehenden Beschreibung der »Entdeckungen« der Königinhofer und der Grünberger Handschrift, die den Zeitabschnitt der Romantik eröffnen.) Später auf Seite 42 lesen wir folgendes: ». . . Was sein Wirken und seinen Einfluß anbelangt, steht der mährische Protestant Franz Palacky unerreicht da. Auf Wunsch des böhmischen Adels, mit dem er in guten Beziehungen stand, schrieb er die Geschichte Böhmens, welche er bis zum Jahre 1526, dem Regierungsantritte der Habsburger, zusammenstellte. Die Urschrift ist deutsch verfaßt, wurde aber von ihm selbst auch ins Böhmische übersetzt. Hier enthüllte er den Böhmen ihre Vergangenheit . . .« (Das Lebenswerk Palackys trägt bekanntlich den Namen »Dejiny närodu ceskeho v Cechäch a v Morave«, woraus folgt, daß es auch den Mährern ebenso wie den Böhmen — nämlich dem cechischen Volksstamm in Böhmen und Mähren — den Spiegel der Vergangenheit vorhält.) Ferner heißt es: ». . .Er IPalacky] redigierte die »Zeitschrift des Museums« . . .« (Da war es wohl am Platze hervorzuheben, daß diese Zeitschrift anfangs in beiden Landessprachen herausgegeben wurde, und zwar in deutscher Sprache als »Monatsschrift der Gesellschaft des vaterländischen Museums in Böhmen« [nach dreijährigem Erscheinen wurde sie wegen Abonnentenmangels in die Vierteljahrsschrift »Jahrbücher für Natur- und Länderkunde, Geschichte, Kunst und Litteratui-« umgewandelt, und nach weitern zwei Jahren ging sie ganz ein] und in cechischer Sprache als Quartalschrift »Casopis spolecnosti vlastensk6ho museum v Cechäch« [vom fünften Jahrgang an erhielt sie den Titel »Casopis ceskeho museum«, und unter teilweise geändertem Namen erscheint sie bis heute].) Auf Seite 43 wird ebenda noch berichtet: »...Da er [Pa-
' Karäsek, Slavische Literaturgeschichte, angez. von Sutnar. 603 lacky] sich au den besten böhmischen Schriften gebildet hatte, verfügte er über einen klaren, klassischen Stil . . .« (Als geborener Mährer hat sich Palacky natürlich mit maßgebenden mährischen Schriftdenkmälern womöglich noch eingehender beschäftigt.) Außerdem haben wir es in demselben Kapitel mit folgendem Satz auf Seite 45 zu tun': >Zu den Männern, die ihre slavische Begeisterung durch größtes Elend zu büßen hatten und dennoch unentwegt ihr Ziel verfolgten, gehörte der erste wahrhaftige Dichter der Böhmen, Jaroslav Celakovsky . . .« (Der volle Name dieses Dichters lautet bekanntlich Frantisek Ladislav [nicht: Jaroslav] Celakovsky.) Daselbst erfahren wir weiter : »Öelakovsky übersetzte aus Goethe (»Geschwister«) und kleidete die »russischen« und die »serbischen« Lieder in cechisches Gewand, ohne dabei den Duft dieser Poesie, ihr ursprüngliches Gepräge, ihren Stil zu verwischen, wie schon der Titel »Widerhall« zeigt. In seinen Balladen und Gedichten erkennt man den Dichter von Gottes Gnaden ; sie wurden auch in Musik gesetzt und erklangen überall in Böhmen, wo das Nationalgefühl erwacht war. Lessings scharfsinnige Epigramme regten ihn zu selbständigen witzigen Versen an, in denen er seine urwüchsige Kraft bekundet und die zuweilen bis an Sarkasmus streifen; so schneidig vermochte nach ihm nur noch Karl Havlicek die Feder zu führen, der infolge seiner unbezwinglichen Opposition gegen das Bachische System schließlich nach Brixen in Tirol verbannt wurde. Eine Frucht dieser Verbannungwaren die »Tiroler Elegien«, die ebenso bekannt sind wie seine »Taufe des heiligen Vladimir«. In jüngster Zeit hat Machar den beißenden Spott dieser beiden Dichter geerbt. Celakovskys bestes Werk ist seine Gedichtsammlung »Centifolie«, ein Kranz poetischer Perlen, in denen sich das Leben von den verschiedensten Gesichtspunkten aus spiegelt und in denen der »Westöstliche Divan« eine merkliche Spur hinterlassen hat. Celakovsky hat eine ungeheure Menge slavischer [46] Sprichwörter gesammelt, in welchen man damals des Volkes urwüchsige Weisheit erblickte.« (Ich führe absichtlich den ganzen Absatz an, um einen recht anschaulichen Beleg für die bisweilen wirre Schreibart des Verfassers zu bieten, denn nur so nebenbei ein für allemal wird hier ein Havlicek Borovsky gestreift, der eigentlich [gemeinsam mit Pravda (Hlinka) und Nemcovä] diesen ganzen Zeitraum als einer seiner äußersten Ausläufer würdig abschließt. Zudem war gleich im Anfang z. B. ebenso die Übersetzung der Herderschen »Blätter der Vorzeit« zu nennen. Dagegen gibt es meines Wissens keinen »Widerhall serbischer Lieder«, sondern bloß einen »Widerhall russischer Lieder« und einen »Widerhall cechischer Lieder«, von denen der letztre gar nicht erwähnt wurde. Sind ferner Balladen keine Gedichte? Die Celakovskyschen Epigramme gehen ebenfalls zum großen Teil auf den Herderschen Einfluß zurück, was namentlich von dem hier übergangenen klassischen »Kviti« gilt. Auch kann man schwerlich noch heutzutage behaupten, daß die »Centifolie« den Gipfelpunkt der Dichtkunst Celakovskys bedeutet. Gar nicht gemeldet wurde überdies die Celakovskysche Sammlung »Slovanske närodni pisne«. Endlich muß überhaupt bemerkt werden, daß Celakovsky erst nach Kollär zur Besprechung gelangen sollte.) Auf Seite 46 steht ebenda folgendes geschrieben : »Als ein Meteor am slavischen Dichterhimmel flammte nach den dreißiger Jahren Hynek Mücha auf, der nur allzu frühzeitig starb.
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sprochenen cechischen Wortes, das von der Bühne erklang, dürfen wir hier<br />
nicht vergessen. Wenn die cechischen Schauspiele zwar keine künstlerische<br />
Bedeutung haben, erfüllten sie in jener Zeit immerhin ihren Zweck. Von den<br />
deutschen Bühnenstücken erregten Kotzebue, Iffland großes Gefallen, doch<br />
^vurden auch Klassiker übersetzt. Für die Prager war schon dies von hoher<br />
Bedeutung, daß überhaupt böhmisch gespielt wurde. Schauspieler und Zuschauer<br />
bildeten den Kern der cechischen Gesellschaft, die auch sonst für die<br />
Literatur Sinn hatte. Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts behielt das Schauspiel<br />
für die länd[38]liche Gesellschaft seine ungeheuere nationale Bedeutung bei.«<br />
(Hier — am Schlüsse des Schrifttums aus der Aufklärungszeit — haben wir vor<br />
uns die letzte Stelle, wo die Geschichte des cechischen Dramas — im zweiten<br />
Bande des Buches übrigens gegen den ursprünglichen Plan des Verfassers —<br />
zusammenhängend dargestellt wird.) Auf Seite 40 begegnen wir ebenda<br />
In anderen Literaturen wird die wissenschaftliche<br />
folgenden Worten: ». . .<br />
von der schönen Literatur getrennt, allein in der cechischen . . . Literatur<br />
haben die Gelehrten als Träger neuer maßgebender Ideen, die das Schrifttum<br />
befruchteten, als Redakteure i41] und Männer, die für die Wiedergeburt des<br />
Volkes eine so hervorragende Bedeutung hatten, auch ihren wohlverdienten<br />
Platz ...» (Dieser Satz zeugt sicherlich von keinem weiten Gesichtskreis. Haben<br />
etwa z. B. die deutschen Gelehrten Herder, Brüder Schlegel, Brüder Grimm usw.<br />
die Literatur ihrer Nation nicht befruchtet? Ist aus diesem Grunde nicht auch<br />
ihnen mit Fug und Recht ein Ehrenplatz in diesem Schrifttum gewiß? Außerdem<br />
vermißt man die Namen V. A. Svoboda und J. Linda bei der unmittelbar<br />
vorhergehenden Beschreibung der »Entdeckungen« der Königinhofer und der<br />
Grünberger Handschrift, die den Zeitabschnitt der Romantik eröffnen.) Später<br />
auf Seite 42 lesen wir folgendes: ». . . Was sein Wirken und seinen Einfluß<br />
anbelangt, steht der mährische Protestant Franz Palacky unerreicht da. Auf<br />
Wunsch des böhmischen Adels, mit dem er in guten Beziehungen stand, schrieb<br />
er die Geschichte Böhmens, welche er bis zum Jahre 1526, dem Regierungsantritte<br />
der Habsburger, zusammenstellte. Die Urschrift ist deutsch verfaßt,<br />
wurde aber von ihm selbst auch ins Böhmische übersetzt. Hier enthüllte er<br />
den Böhmen ihre Vergangenheit . . .« (Das Lebenswerk Palackys trägt bekanntlich<br />
den Namen »Dejiny närodu ceskeho v Cechäch a v Morave«, woraus<br />
folgt, daß es auch den Mährern ebenso wie den Böhmen — nämlich dem cechischen<br />
Volksstamm in Böhmen und Mähren — den Spiegel der Vergangenheit<br />
vorhält.) Ferner heißt es: ». . .Er IPalacky] redigierte die »Zeitschrift des<br />
Museums« . . .« (Da war es wohl am Platze hervorzuheben, daß diese Zeitschrift<br />
anfangs in beiden Landessprachen herausgegeben wurde, und zwar in deutscher<br />
Sprache als »Monatsschrift der Gesellschaft des vaterländischen Museums in<br />
Böhmen« [nach dreijährigem Erscheinen wurde sie wegen Abonnentenmangels<br />
in die Vierteljahrsschrift »Jahrbücher für Natur- und Länderkunde, Geschichte,<br />
Kunst und Litteratui-« umgewandelt, und nach weitern zwei Jahren ging sie<br />
ganz ein] und in cechischer Sprache als Quartalschrift »Casopis spolecnosti<br />
vlastensk6ho museum v Cechäch« [vom fünften Jahrgang an erhielt sie den<br />
Titel »Casopis ceskeho museum«, und unter teilweise geändertem Namen erscheint<br />
sie bis heute].) Auf Seite 43 wird ebenda noch berichtet: »...Da er [Pa-