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Slavische Philologie - Archiv

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Kritißcher Anzeiger.<br />

Stelle des edeln Geschmackes häufig schale Redensarten, die mit geistreichtuendem<br />

Schwulst den gähnenden Mangel an eigentlichem Verständnis und<br />

Tiefblick verdecken wollen ; diese Leere wird auch mit billigem Flitterkram<br />

von allerhand Nichtigkeiten aufgeputzt, den man mit ruhigem Gewissen als<br />

Ballast über Bord hätte werfen können um so mehr, als ohnehin gar manche<br />

Lücke sich bemerkbar macht. Auch sonst wird nicht immer der höchste Gesichtspunkt<br />

gewählt, so besonders hinsichtlich der Ästhetik, die hier mitunter<br />

den Predigermantel überwirft und mit rostigen Waffen der Inhaltsangaben (und<br />

Übersetzungsproben) herumfuchtelt^i). Derselben allgemeinen Quelle der oben<br />

erwähnten Flüchtigkeit verdanken demnach ihren Ursprung die zumeist bereits<br />

aufgezählten zahlreichen Willkürlichkeiten und Ungleichmäßigkeiten der Komposition<br />

samt den kleinern logischen Sprüngen der regen Phantasie, wobei eine<br />

falsche Auffassung der Originalität erheblich mitgewirkt haben mag, denn<br />

fremde Mithilfe wurde von Karäsek trotz der — die Kraft eines einzigen<br />

Menschen übersteigenden — Anforderungen nach Möglichkeit verschmäht und<br />

zurückgewiesen. (Und so kam es, daß unser Buch nur zu seinem Nachteil bei<br />

Anordnung der ganzen Stoffpartien und bei Abschätzung der einzelnen Erscheinungen<br />

innerhalb derselben sich viel zu wenig an seine Vorgänger anschließt<br />

und auch sonst in manchem Detail durch Nichtbenutzung der einschlägigen<br />

Spezialschriften ganz überflüssigerweise noch immer altfränkischen Ansichten<br />

der Menge huldigt.)<br />

Nun hat bekanntlich neben der eben besprochenen Schattenseite der<br />

Subjektivität auch ihre Lichtseite nicht geschwiegen, sondern tatkräftig<br />

aufzutreten gewußt, indem sie den Verfasser bei Behandlung des umfangreichen<br />

Gesamtmaterials von der breiten Heerstraße des bisherigen (bequemern)<br />

Verfahrens abgelockt und auf den abschüssigen Gebirgssteig einer<br />

neuen Methode geführt. Wohl muß man diese Darstellungsart als eine aus<br />

fremdem Garten verpflanzte Blume bezeichnen , die von den Historikern der<br />

Weltliteratur — meines Wissens von M. Carriere (186S), G.Brandes [IS12) und<br />

A. Stern (1882) — schon vor vielen Jahren gepflegt worden ist, aber auf jeden<br />

Fall wandte Karäsek dieses Verfahren zum erstenmal auf das gesamte Schrifttum<br />

der Slaven an (allerdings findet sich schon bei Pypin etwas Ähnliches<br />

z. B. im letzten Kapitel über die Renaissance), welche Tat schon wegen ihrer<br />

Kühnheit als unzweifelhafter Fortschritt anerkannt werden muß. Nichtsdestoweniger<br />

steckt diese Methode bei Karäsek noch tief in den Windeln, wie das<br />

oben meine — der Klärung des vielfacli noch gährenden Stoffes gewidmeten —<br />

Fingerzeige hoffentlich zur Genüge dargetan haben. Oft kann sich der Verfasser<br />

von den Fesseln des Herkommens noch nicht gänzlich lossagen, und<br />

noch gar zu gern klebt er an Äußerlichkeiten, oft folgt der Verfasser dem<br />

neuen Gedanken wieder sogar auf Irrwege, wo mitunter jeder feste Boden<br />

unter seinen Füßen plötzlich schwindet. Der ganzen Arbeit fehlt es an einem<br />

eisernen System (bei Einteilung des Stoffes dienen bald die Zeitperioden und<br />

bald wieder die Gattungen der Dichtkunst [z. B. Drama in Band I und Poesie<br />

21) Letzteres auf südslavischem und polnischem Gebiete, wo Karäsek als<br />

Cache begreiflicherweise weniger zu Hause war.

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