Slavische Philologie - Archiv
590 Kritischer Anzeiger. turen — die der Slovenen und die der eigentlichen Kroaten — stehen, welche niimlich erst von der Eeformation ins Leben gerufen wurden (hier ist auch eine Verweisung auf die damaligen Ostslaven d. h. Kleinrussen wünschenswert); dann hätte man das größtenteils bereits bekannte Schrifttum der Nordwestslaven aus diesem Zeitraum zu streifen, welches wegen Reichhaltigkeit und Kompliziertheit (Verquickung mit dem Humanismus) einer besondern Darstellung bedurfte, und zwar die Literatur auf cechischem Boden, wo sich die Reformation am frühesten (mehr als ein Jahrhundert vor der deutschen) mit einer eigenen Blüte von seltener Farbenpracht gemeldet hat, und die Literatur auf polnischem Gebiete, wo die Reformation nur seichte Wurzeln geschlagen hat; voll und ganz kommen demnach von den Nordwestslaven eigentlich bloß die Lausitzer Serben und die Slovaken in Betracht, die Lausitzer Serben, deren Schrifttum auch erst seit der Reformation sich zu regen beginnt, und die Slovaken, deren Literatur ihre schüchternen Gehversuche (einstweilen am Gängelbande der cechißchen Sprache) sogar erst der Gegenreformation verdankt. Weiter ist zu bemerken, daß erst nach dem jetzt folgenden Niedergange des polnischen Schrifttums auch des Verfalles der cechischen Literatur gedacht werden sollte, der etwas später eintritt und auch später schließt. Das Schrifttum der Polen in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts ist bereits ein Kind der Aufklärungszeit und somit— trotz des herannahenden politischen Zusammenbruches — samt dem »Sarmatismus« ein Kettenglied der slavischen Wiederbelebung, unter deren Banner das neunzehnte Jahrhundert steht. (Diese Partie gehört daher schon dem zweiten Band unsres Buches an, wo die beiden Kapitel zu einem — der Aufklärungszeit samt dem [hier wenig berührten] Pseudoklassizismus gewidmeten — Paragraphen zu verschmelzen sind.) Endlich gilt über die drei allgemein gehaltenen Schlußkapitel des ersten Teiles folgendes: Der Abschnitt über das Volkslied bei den Slaven (hauptsächlich Südslaven) hätte wohl schon das gesamte Gebiet der slavischen Volkspoesie umfassen sollen, wenn auch dabei noch (trotz der unanfechtbaren Fortschritte der neuern Forschung) mit bedeutenden Schwierigkeiten zu kämpfen wäre; da jedoch das Verständnis für die volkstümlichen Dichtungen untrennbar mit der — erst im zweiten Bande zu besprechenden — Wiedergeburt zusammenhängt, so wird auch die Darstellung der slavischen Volkspoesie (schon wegen der Verschwommenheit der Grenzen ihrer Entstehungszeit) nur in den Rahmen der slavischen Wiederbelebung einzufassen sein. Der nächste Paragraph mit dem Überblick über die slavischen Literaturen des neunzehnten Jahrhunderts ist eigentlich ein zweckloser Ballast, aber der Verfasser schuf dieses Kapitel offenbar bloß deshalb, um wenigstens hier das Gesamtbild des »slavischen Schrifttums« ungeschmälert in seiner ganzen Größe geben zu können, was ihm anderwärts versagt blieb, da bekanntlich die Großrussen (und somit mehr oder weniger auch die Kleinrussen) von vornherein aus dem Kreise seiner Betrachtungen gestrichen waren (am Ende des ersten Teiles hätte der Abschnitt überdies vielleicht gute Dienste als Brücke zum zweiten Teile leisten können, dessen Hauptlinien dort vorgezeichnet werden) ; allein diese Gesamtübersicht haftet leider zumeist — auch für den knapp zugemessenen Raum — viel zu viel an der Oberfläche, so daß damit jenes Ziel lange nicht erreicht wurde; sehr
Karäsek, Slavische Literaturgeschichte, angez. von Sutnar. 591 stiefmütterlich bedacht wurden vor allem die — nur da (gleich den Groß- und Kleinrussen) auftauchenden — Slovaken und Lausitzer Serben; ein großes Unrecht widerfährt ebenfalls dem gesamten slavischen Drama der Neuzeit, das ein für allemal bloß hier flüchtig zur Besprechung gelangt. Bezüglich des letzten Abschnittes über die Wiedergeburt wurde bereits gesagt, daß er als Einleitung zum zweiten Teile schon an dessen Spitze gehört (folglich sind die Worte »bis zur Wiedergebui-t« im Untertitel des ersten Teiles jetzt exklusive zu verstehen) ; allerdings wird der zweite Band zum Nachteil des ersten durch die Zuweisung der ausgeschlossenen vier Kapitel bedeutend anwachsen, aber das muß man schon — im Hinblick auf die Unnatürlichkeit der bisherigen Anordnung und den unwissenschaftlichen Charakter solcher Einwände — wohl oder übel mit in den Kauf nehmen. Das neunzehnte Jahrhundert wird durch eine Erscheinung eröffnet, die sämtlichen Slaven gemeinsam ist, nämlich durch die nationale Wiedergeburt, und durch ein ebenso allgemein auftretendes Phänomen der »Moderne« wird es geschlossen; das Westeuropäertum reißt nämlich im neunzehnten Jahrhundert die Schranken zweier einander bisher fremden Kulturwelten in den slavischen Literaturen allmählich siegreich nieder, so daß die — eigentlich erst im neunzehnten Jahrhundert wiedererwachten — Slaven am Ausgange desselben Jahrhunderts um die achtziger Jahre herum bereits vollzählig an der reichgedeckten Tafel westeuropäischer Gesittung sitzen und zum großen Teil auch gehörig zulangen. Innerhalb der oben gesteckten zwei Marksteine zerfallen die slavischen Literaturen des verflossenen Jahrhunderts noch in zwei ungleich große Perioden, deren Greuzscheide etwa die vierziger Jahre bilden dürften (meistens hat das Revolutionsjahr 18-18 die tiefe Furche gezogen). Da ferner nur eine — in vollste Übereinstimmung mit den Richtungen des Weltschrifttums gebrachte — Anordnung des Stoffes auf festem Boden steht, was in diesem zweiten Teil — bei dem durchgehends westeuropäischen Gesamtcharakter der hier in Betracht kommenden Literaturen — um so mehr Gültigkeit hat, so ergibt sich nun aus alledem — nach gebührender Berücksichtigung der chronologischen Reihenfolge der Literaturen sowie der Zusammengehörigkeit der einzelnen Sprachgruppen und nach Maßgabe der Größe des betreffenden Schrifttums — ungefähr folgender Grundriß des zweiten Bandes: (1.) Wiedergebui-t (samt der in diesem Zeitabschnitt eifrig studierten Volksdichtung). Aufklärung und Romantik. (Ostslaven. 2. Großrussen [mit zwei Kapiteln] a. [Achtzehntes Jahrhundert] Aufklärung [Pseudoklassizismus], b. [Neunzehntes Jahrhundert samt den vierziger Jahren] Romantik. 3. Kleinrussen [Ende des achtzehnten Jahrhunderts und das neunzehnte bis in die vierziger Jahre].) Nordwestslaven. (4.) Polen (mit zwei Kapiteln) a. (Rest des achtzehnten Jahrhunderts und das neunzehnte bis zu den zwanziger Jahren) Aufklärung (Pseudoklassizismus), b. (Der nächste Zeitraum bis 1848) Romantik (Erste Hälfte 16)). (5.) Cechen mit zwei Kapiteln) a. (Ende des achtzehnten Jahrhunderts und die ersten zwei Jahrzehnte des neunzehnten) Aufklärung (Pseudoklassizismus), b. (Der nächste Zeitabschnitt bis 1S48) Romantik 16) Vielleicht: »Einzug der Romantik.«
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Karäsek, <strong>Slavische</strong> Literaturgeschichte, angez. von Sutnar. 591<br />
stiefmütterlich bedacht wurden vor allem die — nur da (gleich den Groß- und<br />
Kleinrussen) auftauchenden — Slovaken und Lausitzer Serben; ein großes<br />
Unrecht widerfährt ebenfalls dem gesamten slavischen Drama der Neuzeit, das<br />
ein für allemal bloß hier flüchtig zur Besprechung gelangt. Bezüglich des<br />
letzten Abschnittes über die Wiedergeburt wurde bereits gesagt, daß er als<br />
Einleitung zum zweiten Teile schon an dessen Spitze gehört (folglich sind die<br />
Worte »bis zur Wiedergebui-t« im Untertitel des ersten Teiles jetzt exklusive<br />
zu verstehen) ;<br />
allerdings wird der zweite Band zum Nachteil des ersten durch<br />
die Zuweisung der ausgeschlossenen vier Kapitel bedeutend anwachsen, aber<br />
das muß man schon — im Hinblick auf die Unnatürlichkeit der bisherigen Anordnung<br />
und den unwissenschaftlichen Charakter solcher Einwände — wohl<br />
oder übel mit in den Kauf nehmen.<br />
Das neunzehnte Jahrhundert wird durch eine Erscheinung eröffnet, die<br />
sämtlichen Slaven gemeinsam ist, nämlich durch die nationale Wiedergeburt,<br />
und durch ein ebenso allgemein auftretendes Phänomen der »Moderne«<br />
wird es geschlossen; das Westeuropäertum reißt nämlich im neunzehnten<br />
Jahrhundert die Schranken zweier einander bisher fremden Kulturwelten<br />
in den slavischen Literaturen allmählich siegreich nieder, so daß die —<br />
eigentlich erst im neunzehnten Jahrhundert wiedererwachten — Slaven am<br />
Ausgange desselben Jahrhunderts um die achtziger Jahre herum bereits<br />
vollzählig an der reichgedeckten Tafel westeuropäischer Gesittung sitzen<br />
und zum großen Teil auch gehörig zulangen. Innerhalb der oben gesteckten<br />
zwei Marksteine zerfallen die slavischen Literaturen des verflossenen<br />
Jahrhunderts noch in zwei ungleich große Perioden, deren Greuzscheide etwa<br />
die vierziger Jahre bilden dürften (meistens hat das Revolutionsjahr 18-18 die<br />
tiefe Furche gezogen). Da ferner nur eine — in vollste Übereinstimmung mit<br />
den Richtungen des Weltschrifttums gebrachte — Anordnung des Stoffes auf<br />
festem Boden steht, was in diesem zweiten Teil — bei dem durchgehends westeuropäischen<br />
Gesamtcharakter der hier in Betracht kommenden Literaturen —<br />
um so mehr Gültigkeit hat, so ergibt sich nun aus alledem — nach gebührender<br />
Berücksichtigung der chronologischen Reihenfolge der Literaturen sowie<br />
der Zusammengehörigkeit der einzelnen Sprachgruppen und nach Maßgabe<br />
der Größe des betreffenden Schrifttums — ungefähr folgender Grundriß des<br />
zweiten Bandes: (1.) Wiedergebui-t (samt der in diesem Zeitabschnitt eifrig<br />
studierten Volksdichtung). Aufklärung und Romantik. (Ostslaven. 2. Großrussen<br />
[mit zwei Kapiteln] a. [Achtzehntes Jahrhundert] Aufklärung [Pseudoklassizismus],<br />
b. [Neunzehntes Jahrhundert samt den vierziger Jahren] Romantik.<br />
3. Kleinrussen [Ende des achtzehnten Jahrhunderts und das neunzehnte<br />
bis in die vierziger Jahre].) Nordwestslaven. (4.) Polen (mit zwei Kapiteln)<br />
a. (Rest des achtzehnten Jahrhunderts und das neunzehnte bis zu den zwanziger<br />
Jahren) Aufklärung (Pseudoklassizismus), b. (Der nächste Zeitraum bis 1848)<br />
Romantik (Erste Hälfte 16)). (5.) Cechen mit zwei Kapiteln) a. (Ende des achtzehnten<br />
Jahrhunderts und die ersten zwei Jahrzehnte des neunzehnten) Aufklärung<br />
(Pseudoklassizismus), b. (Der nächste Zeitabschnitt bis 1S48) Romantik<br />
16) Vielleicht: »Einzug der Romantik.«