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Slavische Philologie - Archiv

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462 Kritischer Anzeiger.<br />

Alter unserer Märchen *). Dieae Erzählung machte nun auch ein jüngerer<br />

russischer Gelehrter zur Grundlage sehr weitgehender, kühner, ja phantastischer<br />

Expektorationen. Vorausgeschickt ist eine russische Übersetzung nach Masperos<br />

Ausgabe, wie wir sie aus Masperos Buch »Les contes populaires de l'Egypte<br />

ancienne« (Les litterat. popul. de toutes les uations T. IV 18S9) kennen.<br />

Herr<br />

D. A. Speranskij führt dieses Buch in seinem »bibliographischen Verzeichnis«<br />

nicht an (S. 25— 27), welches Verzeichnis gänzlich übereinstimmt mit Masperos<br />

Verzeichnis S. 3— 4.<br />

Der Verfasser stellt als sicher und fest, daß alle erzählenden Produkte<br />

der russischen Volksliteratur, die epischen Lieder (Bylinen) und Märchen, wie<br />

gleicherweise bei den anderen indoeuropäischen Völkern ihrer ursprünglichen<br />

Grundlage nach fremden Ursprunges sind; daß die schöpferische Tätigkeit<br />

der russischen Rezitatoren oder Sänger von undenkbaren Zeiten<br />

an bloß in<br />

der Übernahme fremdländischer Stoffe und in deren Anpassung an die heimatlichen<br />

Vorstellungen und Verhältnisse bestand. Die Urquellen aller dieser<br />

übernommenen Stoffe waren vorzüglicherweise, ja fast ausnahmslos die Literaturerzeugnisse<br />

des alten Ägyptens, wie auch die religiösen Sagen (die Mythologie)<br />

und die historischen Ereignisse aus dem Leben dieses Volkes. In der<br />

russischen Volksliteratur findet er zahlreiche und klare Spuren von unmittelbar<br />

diesen Urquellen übernommenen Stoffen, nebenbei nicht weniger interessante<br />

Reflexe derselben Urquellen, die durch Vermittelung anderer Völker,<br />

d. i. hauptsächlich der alten Griechen, eingedrungen sind. Im alten Griechenland<br />

erblickt der Verfasser den wichtigsten Vermittler für alle europäischen<br />

Völker bei der Übernahme der ägyptischen Urquellen. Kein anderes Land<br />

oder Volk (weder Indien noch Iran) konnten mit ihrer Literatur als Urquelle<br />

in dem Entwicklungsprozesse der literarischen Schöpfung dienen; im Gegenteil<br />

sie selbst entnahmen hier und da aus den ägyptischen Urquellen. In der<br />

russischen Literatur waren die hauptsächlichsten Ursachen der Abschwächung<br />

oder des stufenweisen Absterbens der alten Stoffe, d. i. der Elemente der Urquelle,<br />

die Annahme des Christentums, das tatarische Joch und die Verbreitung<br />

der Schule und Bildung.<br />

So stilisiert der Verfasser selbst die Schlußresultate<br />

seines Studiums am Ende seines Buches.<br />

Er ist von der felsenfesten Sicherheit seiner Ausführungen so sehr überzeugt,<br />

daß er meint, seine Gegner könnten nur solche sein, welche vom Geiste<br />

des Widerspruchs getragen, geneigt sind das Weiße schwarz, und das Schwarze<br />

weiß zu nennen (vgl. S. 182). Trotz dieser Gefahr unter deriei Kritiker gezählt<br />

zu werden, wagt es dennoch der Referent, wenigstens einige Punkte aus dem<br />

Buche hervorzuheben, und an ihnen darzulegen, wie schwach begründet die<br />

weitgehenden, bis an die Grenze des Denkbaren reichenden Ausführungen des<br />

Verfassers sind. Alle von ihm vorgebrachten Meinungen und Einfälle zu<br />

untersuchen, würde uns zu weit führen.<br />

Als die wichtigste Episode der altägyptischen Erzählung >von den zwei<br />

Brüdern« dem Einflüsse nach, den sie auf die Entwicklung der Märchenwelt<br />

der neueren europäischen Völker gehabt haben soll, ist nach der Ansicht des<br />

1) Vgl. A. Lang, Mythes, cultus et religions 1800, S. ••!i7 ft".

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