Slavische Philologie - Archiv

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432 Kritischer Anzeiger. lichkeiten, wie in den Graunersprachen u. dgl., und bewiesen nichts für uralte Zeiten. Im Gegenteil, mir scheint es klar, daß wenigstens für das Slavische (ähnlich scheint es im Urfinnischen zu liegen), das cuzebesie schon in die Urzeit hinaufreicht. Denn wenn die Urslaven mleko, ddeb-b, cedo, k^Jlrdzb u.a. von den Deutschen entlehnten, taten sie es einfach nur der Mode halber, ja nicht aus irgendwelchem Bedürfnis, nicht etwa, weil mit den neu aufgenommenen Wörtern eine besondere Milchspeise oder Brotart u. dgl., die den Slaven vorher unbekannt gewesen wären, bezeichnet werden sollten; es ist nur dasselbe, wie etwa die Polen für iskac — szidac, für zrzeb — los u. dgl. sagen. Hier könnten auch die »versteckten« Lehnwörter besonders erwähnt werden, d. h. einheimische Wörter, deren Bedeutung nacli dem fremden Korrelat geregelt wird, z. B. Jutrzi/na = Morgen (für mansus), zamek = Schloß (für arx) usw., worin schon die taktvollen Griechen Meister gewesen zu sein scheinen. Außerdem könnte der Umstand hervorgehoben w-erden, daß die Literatursprachen oft gar nicht den Grad der Verderbnis erkennen lassen, die bereits die Umgangssprache ergriffen hat. Und noch eine Bemerkung betreffs Lehnwörter : meinen im Archiv getührten Nacliweis, daß der preußische Wortschatz vom Polnischen vollständig durchsetzt ist, ignoriert der Verf. und fährt fort, preußische Worte anzuführen, als ob sie irgend etwas zu besagen hätten — er mag sie ja nennen, aber sie wenigstens in Klammern setzen, um ilare Unselbständigkeit anzuzeigen. Er hätte dabei die nicht uninteressante Beobachtung machen können, daß mitunter eine vollständige Prutenisirung des polnischen Wortes , eine Umsetzung seiner Laute in echt preußische erfolgt, die sogar gewiegte Sprachkenner täuschen könnte, z. B. kekulis aus poln. czechei, kckern aus poln. ciecierz (nicht aus deutsch Kichererbse), loaldwico aus wiodyka usw.; ähnliches können wir an slavischen Lehnwörtern aus dem Deutschen, z. B. bei cedo u. a. wahrnehmen. Dieselbe Bemerkung gilt für das Litauische, dessen Entlehnungen aus dem Russischen oder Polnischen (z. B. dyba u. a.; vgl. auch u.) der Verfasser höchst überflüssigerweise paradieren läßt, was bei dem mit dem eigentlichen Verhältnis unvertrauten Leser nur Verwirrung erregen muß, da dieser unwillkürlich annehmen wird, es handle sich um selbstständige Positionen, um altes Sprachgut, während es nur junge, nichtssagende Entlehnungen sind. Da ich schon einmal beim Preußischen bin, sei erwähnt, daß der neueste Aufsatz des trefflichen Germanisten F. Kluge, Zum altpreußischen Wortschatz darum wenig neues bringt, (Indogermanische Forschungen XXI, S. 35S— 361) weil Nesselmann, bereits in seinem Thesaurus linguae prussicae 1873, die mundartlichen deutschen Ausdrücke des Elbinger Vokabulars erklärt hatte, wasBerneker daher in seiner Preußischen Sprache 1S96, nicht zu wiederholen brauchte. Aus diesem Aufsatz Kluges ersah ich, daß vor mir Leskien bereits den preußischen Namen für deutsch, mikskat, aus 3Tikas = 3ficlielhevgeleitet hat, an einem mir unzugänglichen Ort (1897), dessen Priorität ich somit gerne anerkenne: die Polemik Kluges gegen diese Erklärung hält nicht stand, weil diese Erklärung von dem Alter und Ort der Redensart »der deutsche Michel« unabhängig ist; ebenso benennen z. B. Mordvinen die Russin einfach Katja: Kluge wollte 7nikskai mit nte?/u"ec/vt vereinigen.

Schrader, Sprachvergl. und Urgeschichte, angez. von Brückner. 433 Nach prinzipielleren Auseinandersetzungen seien noch einige Einzelheiten hervorgehoben. Es ist schon betont, mit welcher Energie und mit welchem schönen Erfolge der Verf. sich ins Russische hineingearbeitet hat — jetzt wird es ihm leichter fallen, auch polnische Quellen und Bearbeitungen zu verwerten. Hätte er z. B. die vortrefflichen Materyaly Zrodlowe benutzen können, die der Krakauer Botaniker, Prof. Joz. Rostafinski zur Säkularfeier der Jagellonenuniversität 1900 herausgegeben hatte, so hätte er sich manchen Irrtum und Zweifel erspart. Über das Werk, das Ergebnis eingehender Geschichtskunde der Pflanzen, ihrer Verbreitung, Anbaues usw., ist seinerzeit im Archiv XXIV (1902) S. 187 f. berichtet worden. Daß es Schrader nicht beachtet hat, hat sich nur an ihm selbst gerächt. So spielt in seinen Ausführungen über die Urheimat der Arier der Waid, Isatis tinctoria, als uraltes Färbemittel (zum Tätowieren), noch immer eine gewisse Rolle (vgl. II, S. 270 und 509); auch ohne Krause, hätte er aus Rostafinski (S. 176) lernen können, daß Isatis eine planta culta, d. h. nicht wildwachsend ist und daß >in den osteuropäischen Sprachen einheimische und altertümliche Namen für den Waid« — nicht vorkommen, wenigstens was die slavischen betrifft. Denn poln. Z'fjlen Waid ist einfach = Kohle (und nur für Kohle primär); uret und iirzcf (die sogar Mi kl sich besonders nennt; schon der Wechsel von r und rz müßte ja jedem auffallen), ist nach Rostafinskis scharfsinniger Deutung nur aus wet, d. i. aus dem deutschen Namen, von einem Schreiber entstellt; slnito ist ganz jung; böhm. ryt ist = Röte; so bleibt kein alter Name für Waid übrig und die Pflanze ist für immer aus den Heimatsbestimmungen auszuscheiden. Ebenso verhält es sich mit den Cucurbitaceen, die nach Schrader (II, 199f.) >auf das südliche Rußland als Heimat der Arier vielleicht mit nicht unerheblicher Ausdehnung in die benachbarte asiatische Steppenregion« schließen lassen; von den einschlägigen Gleichungen scheint ihm >namentlich die dritte, griech. ffBxova (!), alxv! Gurke ^ slav. ti/ky [tykwa) Kürbis, wohlbegründet« ; daß es damit nichts ist, daß das griech. und das slavische Wort nichts miteinander gemein haben, hätte er ebenfalls aus Rostafinski (S. 317) ersehen. So schwindet die letzte auf die pontischen Gestade hinweisende Spur und das mare kann, wie andere hervorgehoben haben, mit mehr Recht auf die Sümpfe der Pripet oder Berezina gedeutet werden; zu Einbäumen brachten es die Arier auf ihren Flüßen, nicht auf den gefährlichen Fluten des ungastlichsten Meeres. Überflüssige Skrupel bereitet dem Verf. der Umstand, daß die Baumnamen der Arier gar schwankend sind, aber wie schwankt z. B. der deutsche Gebrauch von Tanne, Kiefer, Fichte, Föhre! Von Rostafinski hätte er den Grund dieses Schwankens erfahren können, d. h. worauf es beruht, daß ein und derselbe Name hier die Eibe, dort die Weide bezeichnet [iva) ; warum die Ulme = hrzost (zur Bildung, von hreza, vgl. miost zu mlaz^] nach der Birke bezeichnet ist und daher nicht mit annen. bnrti (gegen S. 175) verglichen werden darf. Hätte er die Ausführungen von Rostafinski S. 142f. gelesen, wäre er nicht darauf verfallen, russ. ile7n und viaz Ulme für arische Gleichungen zu verwenden ; wie poln. ilem beweist, ist nämlich ersteres nur ein deutsches Lehnwort und viaz ist poln. wiqz, lit. winkszne (daher nicht von wiqzac abzuleiten. (kxchiv für lUvische Philologie. XXIX. 2S

432 Kritischer Anzeiger.<br />

lichkeiten,<br />

wie in den Graunersprachen u. dgl., und bewiesen nichts für uralte<br />

Zeiten. Im Gegenteil, mir scheint es klar, daß wenigstens für das <strong>Slavische</strong><br />

(ähnlich scheint es im Urfinnischen zu liegen), das cuzebesie schon in die Urzeit<br />

hinaufreicht. Denn wenn die Urslaven mleko, ddeb-b, cedo, k^Jlrdzb u.a. von<br />

den Deutschen entlehnten, taten sie es einfach nur der Mode halber, ja nicht<br />

aus irgendwelchem Bedürfnis, nicht etwa, weil mit den neu aufgenommenen<br />

Wörtern eine besondere Milchspeise oder Brotart u. dgl., die den Slaven vorher<br />

unbekannt gewesen wären, bezeichnet werden sollten; es ist nur dasselbe,<br />

wie etwa die Polen für iskac — szidac, für zrzeb — los u. dgl. sagen. Hier<br />

könnten auch die »versteckten« Lehnwörter besonders erwähnt werden, d. h.<br />

einheimische Wörter, deren Bedeutung nacli dem fremden Korrelat geregelt<br />

wird, z. B. Jutrzi/na = Morgen (für mansus), zamek = Schloß (für arx) usw.,<br />

worin schon die taktvollen Griechen Meister gewesen zu sein scheinen.<br />

Außerdem könnte der Umstand hervorgehoben w-erden, daß die Literatursprachen<br />

oft gar nicht den Grad der Verderbnis erkennen lassen, die bereits<br />

die Umgangssprache ergriffen hat. Und noch eine Bemerkung betreffs Lehnwörter<br />

: meinen im <strong>Archiv</strong> getührten Nacliweis, daß der preußische Wortschatz<br />

vom Polnischen vollständig durchsetzt ist, ignoriert der Verf. und fährt fort,<br />

preußische Worte anzuführen, als ob sie irgend etwas zu besagen hätten —<br />

er mag sie ja nennen, aber sie wenigstens in Klammern setzen, um ilare Unselbständigkeit<br />

anzuzeigen. Er hätte dabei die nicht uninteressante Beobachtung<br />

machen können, daß mitunter eine vollständige Prutenisirung des<br />

polnischen Wortes , eine Umsetzung seiner Laute in echt preußische erfolgt,<br />

die sogar gewiegte Sprachkenner täuschen könnte, z. B. kekulis aus poln.<br />

czechei, kckern aus poln. ciecierz (nicht aus deutsch Kichererbse), loaldwico aus<br />

wiodyka usw.; ähnliches können wir an slavischen Lehnwörtern aus dem Deutschen,<br />

z. B. bei cedo u. a. wahrnehmen. Dieselbe Bemerkung gilt für das Litauische,<br />

dessen Entlehnungen aus dem Russischen oder Polnischen (z. B. dyba<br />

u. a.; vgl. auch u.) der Verfasser höchst überflüssigerweise paradieren läßt, was<br />

bei dem mit dem eigentlichen Verhältnis unvertrauten Leser nur Verwirrung<br />

erregen muß, da dieser unwillkürlich annehmen wird, es handle sich um selbstständige<br />

Positionen, um altes Sprachgut, während es nur junge, nichtssagende<br />

Entlehnungen sind.<br />

Da ich schon einmal beim Preußischen bin, sei erwähnt, daß der neueste<br />

Aufsatz des trefflichen Germanisten F. Kluge, Zum altpreußischen Wortschatz<br />

darum wenig neues bringt,<br />

(Indogermanische Forschungen XXI, S. 35S— 361)<br />

weil Nesselmann, bereits in seinem Thesaurus linguae prussicae 1873, die<br />

mundartlichen deutschen Ausdrücke des Elbinger Vokabulars erklärt hatte,<br />

wasBerneker daher in seiner Preußischen Sprache 1S96, nicht zu wiederholen<br />

brauchte. Aus diesem Aufsatz Kluges ersah ich, daß vor mir Leskien<br />

bereits den preußischen Namen für deutsch, mikskat, aus 3Tikas = 3ficlielhevgeleitet<br />

hat, an einem mir unzugänglichen Ort (1897), dessen Priorität ich somit<br />

gerne anerkenne: die Polemik Kluges gegen diese Erklärung hält nicht<br />

stand, weil diese Erklärung von dem Alter und Ort der Redensart »der deutsche<br />

Michel« unabhängig ist;<br />

ebenso benennen z. B. Mordvinen die Russin einfach<br />

Katja: Kluge wollte 7nikskai mit nte?/u"ec/vt vereinigen.

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