Slavische Philologie - Archiv
414 Kritischer Anzeiger. nicht erreicht hat, ohne Gewähr dafür leisten zu können, daß der Prozeß in allen Punkten gleichmäßig verlaufen ist, und unsere Rekonstruktion eine in einem bestimmten Zeitpunkt gesprochene Sprache wirklich darstellt. Die Fortschritte der Wissenschaft auf dem Gebiete der vergleichenden Grammatik der indoeuropäischen Sprachen, insbesondere manche glänzende Entdeckung der letzten Dezennien seit Anfang der 70-er Jahre, bieten den besten Beweis dafür, daß wir wirklich vorwärts rücken; das zuerst aus großer Entfernung aufgenommene Bild der Gesamtentwicklung unseres Sprachstammes gewinnt immer mehr an Schärfe und Klarheit, wobei die anfangs unvermeidlichen Perspektivfehler allmählich berichtigt werden. Dagegen versetzt uns das Buch von Vondräk in die Zeiten der ersten Anläufe und Anstrengungen, indem es ein verschwommenes und ganz schiefes Bild der Sondergeschichte des slavischen Sprachzweiges gibt, das den Anforderungen der Gegenwart nicht mehr entsprechen kann. Man wolle z. B. folgende Passus vergleichen, die ich herausgreife, um dieses Urteil zu rechtfertigen. 1) S. 13 liest man im Abschnitt über »Ursprung und Bestand der urslav. Vokale«, daß ein »ursprachliches a zu o wurde, was eben auch die geschlossene Aussprache verrät, o blieb zwar, aber unter bestimmten Bedingungen wurde es so verengt, daß es zu u, aus dem ein ^ geworden ist, führte [-os, -on im Auslaute)
Vondräk, Vergleichende slav. Grammatik, angez. von Porzezineki. 415 wo über die Aussprache des lit. e einiges mitgeteilt wird, obgleich der Leser nichts davon erfährt, was für ein Zusammenhang zwischen slav. « und lit. e angenommen werden muß. Demnächst hebe ich hervor, daß der Schluß: »Da auch im Lit. a und o dasselbe Resultat ergeben, nämlich ein «, so scheint urspr. a schon in der Zeit der baltisch-slavischen Urgemeinschaft mit o zusammengefallen zu sein« keineswegs zwingend ist. Der Zusammenfall vom urspr. a und o im Litauischen hat an und für sich doch nichts zu sagen : es könnte ja eine speziell litauische Erscheinung sein. Daß dem nicht so ist, beweisen die anderen baltischen Sprachen, die ixns zu der Annahme eines urbaltischen u zwingen. Endlich bemerke ich noch, daß die Behauptung, ein könne in einzelnen slavischen Sprachen unter bestimmten Bedingungen aufkommen, entschieden irre führen kann, da sie nicht in den Zusammenhang paßt und ungenau nur auf S. 48 verweist, wo über das russ. o in ozero u. dgl. gehandelt wird. 2) S. 32 ff. enthalten die Untersuchung über »Ursprung und lautliche Geltung« des e. Vondräk beginnt mit der Lehre, daß der ursprachliche kurze e-Laut im Slav. »entschieden zu einer geschlossenen Aussprache hinneigte«. Daher wurde es, seiner Meinung nach, oft zu ?-, »im Lit. wurde hingegen das e meist sehr offen ausgesprochen, weshalb es auch zu a werden konnte, vgl. lit. väkaras , Abend', aksl. iJece?'^ ; vasarä , Sommer', aksl. res»« , Frühling', gr./t«p
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nicht erreicht hat, ohne Gewähr dafür leisten zu können, daß der Prozeß in<br />
allen Punkten gleichmäßig verlaufen ist, und unsere Rekonstruktion eine in<br />
einem bestimmten Zeitpunkt gesprochene Sprache wirklich darstellt. Die<br />
Fortschritte der Wissenschaft auf dem Gebiete der vergleichenden Grammatik<br />
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der letzten Dezennien seit Anfang der 70-er Jahre, bieten den besten Beweis<br />
dafür, daß wir wirklich vorwärts rücken; das zuerst aus großer Entfernung<br />
aufgenommene Bild der Gesamtentwicklung unseres Sprachstammes gewinnt<br />
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Vokale«, daß ein »ursprachliches a zu o wurde, was eben auch die geschlossene<br />
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