Slavische Philologie - Archiv

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298 Iwan Franko, und die damit verknüpfte Geschichte über den Untergang des Svjatopolk, Kap. LVII, ein Bruchstück aus der verloren gegangenen Vita Antonii über die Grtindung des Höhlenklosters, Kap. LXIII, im Anschluß an die kurze Notiz über den Sieg der Polovzen über russische Fürsten lesen wir das dem Theodosius zugeschriebene Ciobo o KaanaxT. ÖGacHiix-i; Kap. LXVIII gibt über den Theodosius und die ältesten Asketen Details, welche in der Nestorschen Vita Theodosii nicht enthalten sind und teilweise auch aus der Vita Antonii excerpiert sein mögen; Kap. LXXIV, die Erzählung eines Mönchs des Höhlenklosters (nicht Nestors) über die von ihm selbst bewerkstelligte Entdeckung der Leiche des Theodosius und ihre Übertragung in die Kirche). Von den Notizen, welche der Verfasser aus mündlicher Tradition aufschrieb, sind besonders die vom Munde des Varägers Jan aufgezeichneten interessant. Auch gelegentliche Anleihen aus dem griechisch-bulgarischen Chronographen fehlen nicht, so die bekannte, auch von Scepkin zitierte Notiz über die Mißgeburt im Flusse Setoml, welche aber für die Komposition der Chronik keine Bedeutung hat. Ein Fluß Setoml hat bei Kijev nicht existiert und wird nur beim Verfasser dieses Teils der Chronik zweimal erwähnt ; der Name scheint eher eine Mühle, als einen Fluß anzudeuten [zyto — mel) ; die Notiz selbst ist eine Nachbildung der auch in unserer Chronik weiter zitierten Wundergeburten in Griechenland zur Zeit des Maurikius, wo auch die Reflexion steht, daß solche Ausgeburten nichts Gutes vorbedeuten. Der letzte, vierte Teil der ältesten Chronik ist wieder ein besonderes, einheitlich konzipiertes Werk, eine in Erzählungsform gekleidete politische Tendenzschrift, welche den Zweck hat, Rußland zur solidarischen Verteidigungsorganisation gegen die Polovzen zu ermuntern und die Fürsten zur Hintansetzung ihrer Familienstreitigkeiten und zur Anerkennung eines Oberhauptes zu bewegen. Der Verfasser dieses Teiles hat uns seinen Namen selbst überliefert: er nennt sich Vasilt; ihn für einen Geistlichen oder einen Mönch zu halten, liegt kein Grund vor; er denkt nicht mönchisch, sondern durchaus weltlich -politisch, legt seinen Fürsten patriotische Worte in den Mund, beschreibt sehr interessant den Einfall der Polovzen und die Leiden der Gefangenen oder die Blendung des Vasilko von Terebovli. auf Befehl des Fürsten David und den dadurch hervorgerufenen volynischen Krieg. Alle erzählten Tatsachen weiß er seinem Hauptzweck, der Propaganda der ersten politischen Idee, der politischen Konzentration Rußlands, zu unterordnen und ist als erster

Beiträge zur Quellenkritik einiger altrussischer Denkmäler. 299 wirklicher historisch denkender Schriftsteller Rußlands zu betrachten. Sein Werk reicht nur bis zum J. 1113, bis zum Regierungsantritt Vladimir Monomachs in Kijev ; dieser Fürst war sein Lieblingsheld, doch weiß der spätere Notizensammler über seine Kijever Regierungszeit nichts von Belang zu sagen. Vasilb war ein weltlicher Mann, wahrscheinlich ein Gefolgsmann des Kijever Fürsten; Redakteur der Chronik war er nicht, da in der Kompilation auch seine Erzählung von losen Notizen, deren Inhalt sich manchmal mit dem seiner Erzählung deckt, durchbrochen wird. Seit dem J. 1113 beginnt die sogenannte Kijever Chronik. III. Die Komposition des »Ciobo o njixKy Hropestc. Dieses schöne altrussische Bojaren-(nichtVolks-)Lied, welches lange Zeit als das einzige, aus vormongolischer Zeit zurückgebliebene Denkmal der damaligen Poesie angesehen und fast wie ein Wunder angestaunt wurde, rief eine ganz respektable Literatur hervor, wurde historisch, literaturgeschichtlich und hauptsächlich philologisch (mit Hinsicht auf seine zahlreichen »dunklen Stellen«) durchforscht und bearbeitet. Man hat es natürlich für ein Ganzes gehalten, für das Werk eines einzigen Verfassers, und hat sich auch erkleckliche Mühe gemacht, dieses Ganze logisch und künstlerisch zu verstehen, respektive seine einzelnen Bestandteile in irgendwelchen logischen Zusammenhang zu bringen. Die Gelehrten hätten sich manche Mühe erspart, wenn sie das Werkchen als das betrachten wollten, was es wirklich ist, nämlich als einen aus verschiedenen Liedern und quasi gelehrten Noten mechanisch zusammengesetzten Traktat (Cjiobo). Ich lege dieser Analyse wieder eine kritisch unzulängliche, aber praktisch (mit Kapiteleinteilung) eingerichtete Ausgabe des Em. Ogonovskij zu Grunde. In dem gegenwärtigen Igor- Sermon haben wir den Anfang des eigentlichen Igorliedes nicht ; er wurde vom Redakteur entfernt, welcher dafür sein quasi gelehrtes, in Wirklichkeit aber sehr rhetorisches Einleitungskapitel setzte. Daß das Lied anfangs einen anderen Eingang hatte, beweist gleich das erste Wort des Kap. II: usw., wo doch vordem keine Zeitbestimmung geblieben ist, dieses Tor^a beziehen könnte. »TorAa Ilropt B^spi« worauf sich Es wurde da gewiß ein Ereignis, welches den Impuls zum Zuge gab, etwa ein Familienrat, eine Truppenrevue oder so was ähnliches dargestellt, und da — hiermit beginnt die eigentliche Erzählung — sah Igor eine Sonnenfinsternis.

Beiträge zur Quellenkritik einiger altrussischer Denkmäler. 299<br />

wirklicher historisch denkender Schriftsteller Rußlands zu betrachten.<br />

Sein Werk reicht nur bis zum J. 1113, bis zum Regierungsantritt<br />

Vladimir Monomachs in Kijev ;<br />

dieser Fürst war sein Lieblingsheld, doch<br />

weiß der spätere Notizensammler über seine Kijever Regierungszeit nichts<br />

von Belang zu sagen. Vasilb war ein weltlicher Mann, wahrscheinlich ein<br />

Gefolgsmann des Kijever Fürsten; Redakteur der Chronik war er nicht,<br />

da in der Kompilation auch seine Erzählung von losen Notizen, deren<br />

Inhalt sich manchmal mit dem seiner Erzählung deckt, durchbrochen<br />

wird. Seit dem J. 1113 beginnt die sogenannte Kijever Chronik.<br />

III. Die Komposition des »Ciobo o njixKy Hropestc.<br />

Dieses schöne altrussische Bojaren-(nichtVolks-)Lied, welches lange<br />

Zeit als das einzige, aus vormongolischer Zeit zurückgebliebene Denkmal<br />

der damaligen Poesie angesehen und fast wie ein Wunder angestaunt<br />

wurde, rief eine ganz respektable Literatur hervor, wurde historisch,<br />

literaturgeschichtlich und hauptsächlich philologisch (mit Hinsicht auf<br />

seine zahlreichen »dunklen Stellen«) durchforscht und bearbeitet. Man<br />

hat es natürlich für ein Ganzes gehalten, für das Werk eines einzigen<br />

Verfassers, und hat sich auch erkleckliche Mühe gemacht,<br />

dieses Ganze<br />

logisch und künstlerisch zu verstehen, respektive seine einzelnen Bestandteile<br />

in irgendwelchen logischen Zusammenhang zu bringen. Die Gelehrten<br />

hätten sich manche Mühe erspart, wenn sie das Werkchen als das<br />

betrachten wollten, was es wirklich ist, nämlich als einen aus verschiedenen<br />

Liedern und quasi gelehrten Noten mechanisch zusammengesetzten<br />

Traktat (Cjiobo).<br />

Ich lege dieser Analyse wieder eine kritisch<br />

unzulängliche, aber praktisch (mit Kapiteleinteilung) eingerichtete Ausgabe<br />

des Em. Ogonovskij zu Grunde.<br />

In dem gegenwärtigen Igor- Sermon haben wir den Anfang des<br />

eigentlichen Igorliedes nicht ;<br />

er wurde vom Redakteur entfernt, welcher<br />

dafür sein quasi gelehrtes, in Wirklichkeit aber sehr rhetorisches Einleitungskapitel<br />

setzte. Daß das Lied anfangs einen anderen Eingang<br />

hatte, beweist gleich das erste Wort des Kap. II:<br />

usw., wo doch vordem keine Zeitbestimmung geblieben ist,<br />

dieses Tor^a beziehen könnte.<br />

»TorAa Ilropt B^spi«<br />

worauf sich<br />

Es wurde da gewiß ein Ereignis, welches<br />

den Impuls zum Zuge gab, etwa ein Familienrat, eine Truppenrevue oder<br />

so was ähnliches dargestellt, und da — hiermit beginnt die eigentliche<br />

Erzählung — sah Igor eine Sonnenfinsternis.

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