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Slavische Philologie - Archiv

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i Gleb<br />

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Beiträge zur Quellenkritik einiger altrussischer Denkmäler. 291<br />

nagelte ihn ans Kreuz, und als er auch da noch drei Tage lebte und von<br />

einem Übertritt zum Judentum nichts hören wollte, durchstach er ihm<br />

mit dem Spieß das Herz. Wir besitzen diese Erzählung in zwei<br />

Redaktionen, deren eine, primitivere und ausdrücklich auf Chersonnesus<br />

weisende, im Paterikon, die andere, in Kijev lokalisierte, in alten<br />

Prologen sich findet. Die Legende verdient eine spezielle Forschung.<br />

Daß auch andere Legenden des Kijever Paterikons gar keine<br />

Produkte einheimischer Tradition, sondern fremden Quellen entlehnt sind,<br />

dies unterliegt für mich keinem Zweifel. Ich nenne hier noch die schöne<br />

Erzählung »Über Johannes und Sergius ein außergewöhnliches Wunder.<br />

Es sind zwei große Freunde, beim Sterben übergibt einer dem anderen<br />

einen Schatz, welchen er seinem Sohne, sobald er das Mannesalter erreicht<br />

haben wird, einhändigen soll; der Sohn erreicht das Alter und<br />

fordert vom Freunde seines Vaters sein Erbe, dieser aber leugnet die<br />

Existenz des Schatzes. Nun fordert der Sohn ihn auf, seine Behauptung<br />

in der Höhlenkirche durch einen feierlichen Eid zu beki'äftigen ; der Alte<br />

schwört und wird gleich darauf von den Dämonen weggeführt, nachdem<br />

er noch den wirklichen Verbleib des Schatzes bestätigt hatte.<br />

Diese, in den mittelalterlichen Predigten und Promptuaii'en von<br />

Westeuropa ziemlich verbreitete und variierte Erzählung habe ich, so viel<br />

mir erinnerlich, bei dem griechischen Schriftsteller Pausanias in seiner<br />

»Beschreibung Griechenlands« gelesen, habe aber augenblicklich das<br />

Citat nicht bei der Hand. Jedenfalls verlohnt es sich der Mühe, die<br />

Legenden des Kijever Paterikon auf ihre hagiographischen und folkloristischen<br />

Quellen hin zu untersuchen, ehe man sie als lokale Produkte<br />

und als historische Quellen für die Verhältnisse Altrußlands gelten läßt.<br />

II.<br />

Die Komposition der ältesten Chronik.<br />

Im XIX. Bde. des <strong>Archiv</strong> für sl. <strong>Philologie</strong> haben wir den Artikel<br />

Eugen bcepkins »Zur Nestorfrage« gelesen, welcher leider darüber, was<br />

in Europa unter »Nestor« verstanden wird, keinen genügenden Aufschluß<br />

gibt. In Europa, vom alten Schlözer angefangen bis aufMiklosich<br />

und Louis Leger, versteht man unter Nestor die älteste Kijever Chronik.<br />

Die russische Kritik hat gründlich nachgewiesen, daß der Mönch Nestor<br />

mit dieser Chronik gar nichts gemeinsames hat, daß wir von ihm nur als<br />

vom Verfasser zweier hagiographischen Werke, der Passio des Boris und<br />

sowie der Vita des Theodosius, reden können, daß er also ins<br />

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