Slavische Philologie - Archiv

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266 Stjepan Srkiilj, politische Färbung — bei ibm ist das religiöse Bewußtsein so gering, daß von einem Gewissenszwang keine Rede sein konnte, Toleranz aber und Gleichgültigkeit liegen sehr nahe (Brückner, Geschichte Rußlands, 2SS). Für einen nordischen Helden existiert nur der Ruhm und der Reichtum, alles andere wird als Nebensache betrachtet, nur Ruhm und Reichtum können als eines Mannes würdig in Betracht kommen. Die Glaubensangelegenheiten Ernst zu nehmen gilt in den Augen nordischer Helden für lächerlich, eben darum nahm auch Svjatoslav den christlichen Glauben nicht an, als ihn seine Mutter Olga dazu zu bewegen suchte — seine »Druzina« würde ihn ausgelacht haben (jiT. 61 20]. Alle diese Umstände müssen wir uns vergegenwärtigen, wenn wir über Vladimirs religiöse Ansichten und Veranlagung sprechen wollen. Die religiösen Ansichten jener Gesellschaft, in deren Atmosphäre er gelebt hat, in der er aufgewachsen ist, sind nicht ohne Einfluß auf Vladimir geblieben. Es fragt sich nur, ob Vladimir in der Tat von einer »Druzina« mit solchen Ansichten umgeben war. Und dieses muß man bejahen. Wir weisen nur auf jenen Teil der »Druzina« hin, die nach dem Abgange des anderen Teiles nach Konstantinopel bei ihm geblieben, die auch nach der Taufe einen großen Einfluß behalten hat, er muß sogar ihren Unmut, daß sie nicht mit hölzernen Löffeln essen wollen, dadurch besänftigen, daß er ihnen silberne geben ließ (.liT. r23i^~2ij \Yir können mit Bestimmtheit die Behauptung aufstellen, daß in Vladimir der Sinn für Religion nicht besonders entwickelt war ; er konnte sich also keinesfalls schon von der frühen Jugend an zum christlichen Glauben hingezogen gefühlt haben, denn wenn ihm auch ein bischen vom Christentum aus jener Zeit, die er bei seiner Großmutter verbracht, haften geblieben ist, so hat sich dies im Norden, in dem neuen Kreis, der ihn umgab, verloren, wozu auch Dobrynja seinen Teil beigetragen hat. Dieser Indifferentismus dem Glauben gegenüber dürfte Vladimir nicht im geringsten gehindert haben, den alten Glauben in seinem Reiche zu verbreiten oder ihn zu hindern, das Christentum anzunehmen, das eine wie das andere war durch jeweilige Situation und Notwendigkeit bedingt. Golubinskij meint, daß auf Vladimir bezüglich der Religion auch seine Frauen, die Christinnen waren, einen Einfluß ausgeübt hätten (IIct. p. ij;. 153). Wir müssen das verneinen, da keine seiner Frauen, die Prinzessin Anna ausgenommen, einen größeren Einfluß auf ihn ausgeübt hat. Er brauchte ja nicht auf seine Frauen der Religion wegen irgendwelche Rücksicht zu nehmen, da die Verschiedenheit des Glaubens kein Ehe-

Drei Fragen aus der Taufe des heiligen Vladimir. 267 hindernis war (Weinhold, Altnordisches Leben, 244). Und dennoch ist es eine Frau gewesen, die tiber den Glauben in Rußland entschieden hat, es ist die Prinzessin Anna, die Schwester Theophanos und der beiden Kaiser Basilius II. und Konstantinus VIII. Ihretwegen verließ er seinen alten Glauben und nahm sozusagen über Nacht das Christentum an, und das konnte er eben wegen der Gleichgültigkeit der Religion gegenüber umso leichter tun. Den Grund, warum er das Christentum so leichten Herzens angenommen, haben wir in seiner Weiberlust zu suchen. Zu einem großen Weiberfreund hat ihn ja auch die Tradition gestempelt; als solchen charakterisiert ihn Thietmar von Merseburg (»Vladimir war ein unersättlicher Schwelger« Chronic, lib. VII c. .'S 2). »Vladimir war begierig nach den Frauen«, erzählt uns die Chronik, >er hatte Rognjed zum Weibe, die ihm 4 Söhne geboren : Izeslav, Mstislav, Vyseslav, Vsevolod und 2 Töchter; die Griechin beschenkte ihn mit Svjatopolk, die Böhmin mit Vyseslav und eine andere mit Svjatoslav und Mstislav, die Bulgarin mit Boris und Gleb. An Kebsweibern hatte er 300 in Vysegorod, 300 in Bjelgorod, 200 in Berestovo (die Nikonsche Chronik fügt noch hinzu: 300 in Rodnja). Er war eben ein unersättlicher Schwelger, der sich verheiratete Weiber zuführen ließ und Jungfrauen entehrte« {jiir. TS^^^^j ij^ Und wenn auch der Chronist die Zahl der Kebsweiber entschieden übertreibt, um nur den Gegensatz im Leben Vladimirs vor und nach der Taufe hervorzuheben, so zeigt uns schon die ziemlich große Zahl seiner Frauen und seiner Kinder, daß Vladimir ein großer Weiberfreund war. Man braucht sich aber nicht darüber zu wimdern, wenn er selbst eine Porphyrogeneta zum Weibe haben wollte und Kaiser Konstantin VII. Porphyrogenetes erzählt uns, daß eben die Fürsten der Barbaren besondere Vorliebe für kaiserliche Prinzessinnen zeigten (de adm. imp. c. 13). Wir haben gesehen, daß die politische Situation des byzantinischen Reiches ungemein günstig für diesen brennenden Wunsch Vladimirs war. Nur durch die äußerste Not gezwungen willfahrte Basilius dieser »conditio sine qua non« Vladimirs für die empfangene Hilfe. Der eigentliche Grund der Taufe Vladimirs liegt also in dem Wunsche, die Hand der Prinzessin Anna zu gewinnen, dieser Wunsch ist es auch, der die Christianisierung des russischen Volkes beschleunigte, worauf schon Gibbon in seiner »History of the decline and fall of the Roman empire« (VI, 163) hingedeutet hat. 1) Dasselbe enthält auch etwas genauer das >IOjKHo-pyccKoe hchtIc Bjaa«- Mipa* ('iTeHiH Hecx. ä., 35).

266 Stjepan Srkiilj,<br />

politische Färbung — bei ibm ist das religiöse Bewußtsein so gering,<br />

daß von einem Gewissenszwang keine Rede sein konnte,<br />

Toleranz aber<br />

und Gleichgültigkeit liegen sehr nahe (Brückner, Geschichte Rußlands,<br />

2SS). Für einen nordischen Helden existiert nur der Ruhm und der<br />

Reichtum, alles andere wird als Nebensache betrachtet, nur Ruhm und<br />

Reichtum können als eines Mannes würdig in Betracht kommen. Die<br />

Glaubensangelegenheiten Ernst zu nehmen gilt in den Augen nordischer<br />

Helden für lächerlich, eben darum nahm auch Svjatoslav den christlichen<br />

Glauben nicht an, als ihn seine Mutter Olga dazu zu bewegen suchte —<br />

seine »Druzina« würde ihn ausgelacht haben (jiT. 61 20].<br />

Alle diese Umstände müssen wir uns vergegenwärtigen, wenn wir<br />

über Vladimirs religiöse Ansichten und Veranlagung sprechen wollen.<br />

Die religiösen Ansichten jener Gesellschaft,<br />

in deren Atmosphäre er gelebt hat,<br />

in der er aufgewachsen ist,<br />

sind nicht ohne Einfluß auf Vladimir<br />

geblieben. Es fragt sich nur, ob Vladimir in der Tat von einer »Druzina«<br />

mit solchen Ansichten umgeben war. Und dieses muß man bejahen.<br />

Wir weisen nur auf jenen Teil der »Druzina« hin, die nach dem Abgange<br />

des anderen Teiles nach Konstantinopel bei ihm geblieben, die<br />

auch nach der Taufe einen großen Einfluß behalten hat, er muß sogar<br />

ihren Unmut, daß sie nicht mit hölzernen Löffeln essen wollen, dadurch<br />

besänftigen, daß er ihnen silberne geben ließ (.liT. r23i^~2ij \Yir können<br />

mit Bestimmtheit die Behauptung aufstellen, daß in Vladimir der<br />

Sinn für Religion nicht besonders entwickelt war ; er konnte sich also<br />

keinesfalls schon von der frühen Jugend an zum christlichen Glauben<br />

hingezogen gefühlt haben, denn wenn ihm auch ein bischen vom Christentum<br />

aus jener Zeit, die er bei seiner Großmutter verbracht, haften geblieben<br />

ist, so hat sich dies im Norden, in dem neuen Kreis, der ihn<br />

umgab, verloren, wozu auch Dobrynja seinen Teil beigetragen hat.<br />

Dieser<br />

Indifferentismus dem Glauben gegenüber dürfte Vladimir nicht im geringsten<br />

gehindert haben, den alten Glauben in seinem Reiche zu verbreiten<br />

oder ihn zu hindern, das Christentum anzunehmen, das eine wie<br />

das andere war durch jeweilige Situation und Notwendigkeit bedingt.<br />

Golubinskij meint, daß auf Vladimir bezüglich der Religion auch<br />

seine Frauen, die Christinnen waren, einen Einfluß ausgeübt hätten (IIct.<br />

p. ij;. 153). Wir müssen das verneinen, da keine seiner Frauen, die Prinzessin<br />

Anna ausgenommen, einen größeren Einfluß auf ihn ausgeübt hat.<br />

Er brauchte ja nicht auf seine Frauen der Religion wegen irgendwelche<br />

Rücksicht zu nehmen, da die Verschiedenheit des Glaubens kein Ehe-

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