Slavische Philologie - Archiv

23.02.2018 Aufrufe

264 Stjepan Srkulj, entrückt, obwohl dieser auch hier Anhänger haben konnte, da es ein wichtiger Verkehrspunkt war. Durch den regen Verkehr mit Skandinavien blieb auch Novgorod länger unter dem normannischen Einfluß als Kijew. In dieser heidnischen Sphäre verbrachte Vladimir seine Jugendjahre, bis er sich bemüßigt sah in Schweden vor Jaropolk Zuflucht zu suchen. Damals herrschte dort Erich, der während seines Aufenthaltes in Dänemark das Christentum angenommen, es aber sofort wieder verlassen hatte, sobald er nach Schweden zurückgekehrt war (Geier, Geschichte Schwedens, übersetzt von Leffler I, 121). Wir dürfen uns über diesen Vorgang gar nicht wundern, denn von einer demütigen Ergebung den Göttern gegenüber, wie sie sich anderwärts findet, ist im Norden keine Rede. Wenn z. B. unter einzelnen Geschlechtern oder Familien Feindschaft ausbricht, so werden regelmäßig die feindlichen Tempel und Götterbilder ohne weiteres als Feindes Freunde zerstört und verbrannt. Und ungescheut bekennt gar mancher, daß er an nichts glaube, als an sich selbst oder seine Stärke und sein Glück. Nur eine Überzeugung hielt alle und auch wohl diese trotzigsten Geister in scheuer Ehrfurcht: die von der Unabwendbarkeit des einmal bestimmten Verhängnisses, das nach der Göttersage von der Hand der Nornen ausgeht. Man kann sagen, daß die überirdischen Vorstellungen bei den Normannen im ganzen weniger Einfluß ausübten als bei irgendeinem Kulturvolk, welches die Geschichte kennt (Büdinger. Die Normannen und ihre Staatengründungen, Sybels Historische Zeitschrift IV. 338). Unter den isländischen Landnamamannen gab es Leute, die ihren heidnischen Namen aufgaben, ohne einen christlichen anzunehmen, es gab darunter Kolonisten, die nicht einmal opfern wollten, wie z. B. Hjörlfeifr oder Asgeier Kneif, der aus eigener Veranlassung das Opfern aufgab, ohne vom Christentum gewußt zu haben. Bersi Gorllaus, Halls Godlaus, Helgi Godlaus opfern ebenfalls nicht, sie vertrauen nur auf ihre eigene Kraft (Maurer, Islands und Norwegens Verkehr vom IX. bis XIII. Jahrb., Zeitschrift für deutsche Philologie 2. B., 450). Als den Freysgoden Hrafnkell seine Feinde vertrieben, seinen Tempel, der dem Gott Frey gewidmet war, samt den Götzenbildern verbrannt und seinen Lieblingshengst Freyfax, den er ebenfalls dem Gott Frey geweiht hat, von einem Felsen ins Meer stürzten, ohne daß der Gott diesen Frevel gestraft hätte, sagt er: »Ich glaube, es ist dumm, an einen Gott zu glauben, von nun an glaube ich an keinen Gott mehr« (Lenk, die Saga von Hrafnkell Freysgodi, 62). Gisle in der Gisle Surssohns Saga (aus dem X. Jahrb.) gibt das Opfern auf und nimmt keinen anderen Glauben an (P. E. Müller,

Drei Fragen aus der Taufe des heiligen Vladimir. 265 Sagaenbibliothek des skandinavischen Altertums, übersetzt aus dem Dänischen von Dr. Karl Lachmann, 125). Als sich Sigmund, Bresters Sohn, in der Färeingasaga (Ende des X. und Anfang des XI. Jahrh.) in Dronthjem einschiffen wollte, um den Tod seines Vaters zu rächen, antwortete er auf die Frage Hakons, des Jarl von Dronthjem, an wen vertraue er: »an meine eigene Kraft und Stärke« (ibid. 132). In der Laxdälasage (Mitte des XI. Jahrh.) weigert sich Bolle, das Christentum anzunehmen, da ihm der christliche Glaube zu weich scheine (ibid. 153). In derselben Saga sagt dem König Olaf Triquason Kiarton, als er ihm zugeredet das Christentum anzunehmen, daß man ihn durch Güte am ehesten dazu bringen würde das Christentum anzunehmen, und daß er den nächsten Winter auf Island Thor weniger verehren werde, worauf ihm der König lächelnd sagte: »Es scheint, daß Kiarton mehr an seine eigene Kraft und Stärke vertraut, als an Thor und Odin« (ibid. 154). Helge und Grim in der Fliotslidasaga verirrten sich während eines Schneegestöbers und kamen in den Tempel ihres Erziehers, wo Götzenbilder standen, und sie sprachen Frey und Thor mit folgenden Worten an: Wenn ihr wollt, daß wir sowie andere Menschen an euch vertrauen, zeigt euch hoffärtig, seid ihr nicht gewillt uns zu helfen, so werden auch wir uns um euch nicht mehr kümmern (ibid. 167). Als der norwegische König Olaf der Dicke in einen Helden, der sich zu keinem Glauben bekannte, drang, das Christentum anzunehmen, entschloß sich dieser mit den Worten: »Quodsi in deum quendam mihi sit credendum, anne mihi peius erit in album istum Christum credere, quam in deorum alium« (Krug, Forschungen in d. alt. russ. Geschichte II. 4ü9). Die Normannen konnten sich für das Christentum nicht erwärmen, weil sie für das jenseitige Leben gar nicht empfindlich waren, denn das künftige Leben in der Walhalla kommt nur jenen zugute, denen diese Welt nichts mehr bietet als den Tod (wie den zum Tode Verurteilten, verwundeten Helden und auch jenen Helden, die sich vor dem nahenden Alter fürchten), sie ziehen den Sieg und das Leben der Walhalla vor, sie für sich, die Walhalla dem Feinde. den Sieg und das Leben wünschen Hieraus sehen wir, daß die Normannen keine religiöse Begeisterung, keinen religiösen Eifer besaßen, und wenn es schon vorkam, daß ein Held einen anderen Glauben angenommen hat, so blieb auch dann jedweder religiöse Fanatismus fern (Snorri Sturluson, Weltkreis II., 108). In einem solchen Volke konnte es keine religiösen Gegensätze geben. Der Übergang von einem Glauben zum anderen wurde als Privatsache betrachtet — erst später bekam er eine

264 Stjepan Srkulj,<br />

entrückt, obwohl dieser auch hier Anhänger haben konnte, da es ein wichtiger<br />

Verkehrspunkt war. Durch den regen Verkehr mit Skandinavien<br />

blieb auch Novgorod länger unter dem normannischen Einfluß als Kijew.<br />

In dieser heidnischen Sphäre verbrachte Vladimir seine Jugendjahre, bis<br />

er sich bemüßigt sah in Schweden vor Jaropolk Zuflucht zu suchen. Damals<br />

herrschte dort Erich, der während seines Aufenthaltes in Dänemark<br />

das Christentum angenommen, es aber sofort wieder verlassen hatte, sobald<br />

er nach Schweden zurückgekehrt war (Geier, Geschichte Schwedens,<br />

übersetzt von Leffler I, 121). Wir dürfen uns über diesen Vorgang gar<br />

nicht wundern, denn von einer demütigen Ergebung den Göttern gegenüber,<br />

wie sie sich anderwärts findet, ist im Norden keine Rede. Wenn<br />

z. B. unter einzelnen Geschlechtern oder Familien Feindschaft ausbricht,<br />

so werden regelmäßig die feindlichen Tempel und Götterbilder ohne weiteres<br />

als Feindes Freunde zerstört und verbrannt. Und ungescheut bekennt<br />

gar mancher, daß er an nichts glaube, als an sich selbst oder seine<br />

Stärke und sein Glück. Nur eine Überzeugung hielt alle und auch wohl<br />

diese trotzigsten Geister in scheuer Ehrfurcht: die von der Unabwendbarkeit<br />

des einmal bestimmten Verhängnisses, das nach der Göttersage<br />

von der Hand der Nornen ausgeht. Man kann sagen, daß die überirdischen<br />

Vorstellungen bei den Normannen im ganzen weniger Einfluß ausübten<br />

als bei irgendeinem Kulturvolk, welches die Geschichte kennt (Büdinger.<br />

Die Normannen und ihre Staatengründungen, Sybels Historische<br />

Zeitschrift IV. 338). Unter den isländischen Landnamamannen gab es<br />

Leute, die ihren heidnischen Namen aufgaben, ohne einen christlichen<br />

anzunehmen, es gab darunter Kolonisten, die nicht einmal opfern wollten,<br />

wie z. B. Hjörlfeifr oder Asgeier Kneif, der aus eigener Veranlassung das<br />

Opfern aufgab, ohne vom Christentum gewußt zu haben. Bersi Gorllaus,<br />

Halls Godlaus, Helgi Godlaus opfern ebenfalls nicht, sie vertrauen nur<br />

auf ihre eigene Kraft (Maurer, Islands und Norwegens Verkehr vom IX.<br />

bis XIII. Jahrb., Zeitschrift für deutsche <strong>Philologie</strong> 2. B., 450). Als den<br />

Freysgoden Hrafnkell seine Feinde vertrieben, seinen Tempel, der dem<br />

Gott Frey gewidmet war, samt den Götzenbildern verbrannt und seinen<br />

Lieblingshengst Freyfax, den er ebenfalls dem Gott Frey geweiht hat,<br />

von einem Felsen ins Meer stürzten, ohne daß der Gott diesen Frevel gestraft<br />

hätte, sagt er: »Ich glaube, es ist dumm, an einen Gott zu glauben,<br />

von nun an glaube ich an keinen Gott mehr« (Lenk, die Saga von Hrafnkell<br />

Freysgodi, 62). Gisle in der Gisle Surssohns Saga (aus dem X. Jahrb.)<br />

gibt das Opfern auf und nimmt keinen anderen Glauben an (P. E. Müller,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!