Slavische Philologie - Archiv

23.02.2018 Aufrufe

— 262 Stjepan Srkulj, dennoch nicht sicher sein, daß man dies nicht erfahren würde und das wtii'de einen Aufruhr der Anhänger des alten Glaubens zur Folge gehabt haben. Aber auch seine persönliche Sicherheit ließ die Beteiligung an der Expedition nicht zu, denn wo hätte er eine Garantie dafür gehabt, daß Basilius nach der glücklichen Beendigung des Krieges nicht versuchen könnte sich seiner zu entledigen? Alles dies läßt Vladimirs Beteiligung nicht zu; er blieb in Rußland, wo er den Gang der Dinge abgewartet und dürfte höchstwahrscheinlich in Tmutarakan sich aufgehalten haben. Zu dieser Annahme berechtigt uns der unerwartete Angriff auf Cherson, denn ein solcher von Kijew aus hätte nicht geheim bleiben können und weiters erwartete er dort die Ankunft Annas. — Es kann kein Zweifel darüber herrschen, daß die Taufe Vladimirs eine Folge politischer Konstellation ist. Die Ereignisse der Jahre 986 989 im Osten Europas, die für Rußland von großem Vorteile waren, erklären uns die Taufe. Wir müssen aber besonders betonen, daß ein anderer Fürst an Vladimirs Stelle, z. B. sein Vater Svjatoslav, in ganz anderer Weise die Situation ausgenützt hätte und daß es damals zur Taufe überhaupt nicht gekommen wäre. Es ist ein persönliches Verdienst Vladimirs, daß er die Ereignisse in solcher Weise ausgenützt hat, daß sie zur Annahme des Christentums geführt haben. Selbstverstäudlich finden wir diese politischen Ereignisse in den russischen Quellen nicht, da ihnen der ganze Hergang der Verhandlungen unbekannt geblieben war. Dennoch suchten jene Quellen, die über Vladimir und seine Taufe geschrieben, auf verschiedene Weise zu erklären, wie es dazu gekommen war, daß Vladimir, den die Tradition als einen verkörperten Anhänger der alten Religion darstellt, plötzlich für das Christentum gewonnen wurde. Metropolit Ilarion sagt in seinem »IIoxBajitHoe cjigbo«, daß Vladimir Christ wurde, ohne Apostel gehört und ohne Wunder gesehen zu haben, weil er durch seinen eigenen Verstand die Wahrheit erkannt habe (^xenia HecT. j., n. 56). Der Mönch Jakob schreibt diese Sinnesänderung der Gnade des heiligen Geistes und der Erinnerung an seine Großmutter Olga zu (rojiyÖHHCKiä, Hex. p. i^. 239). Nach dem Diakon Nestor wurde Vladimir durch die göttliche Offenbarung aufgefordert, das Christentum anzunehmen (CpesHeBCKiä, CKasanie o ob. BopHci h Tä'IÖ'I, 6), während ihn nach Banduri die Verschiedenheit und Zerfahrenheit in religiösen Dingen dazu bewogen hat (FojiyÖHiicKifi, Hex. p. u,., 248). Nach der Chronik war es die Tätigkeit des griechischen Philosophen einerseits

Drei Fragen aus der Taufe des heiligen Vladimir. 263 und das Gelübde bezüglich der Einnahme von Cherson anderseits, das Vladimir zur Annahme des Christentums brachte. Die meisten russischen Historiker halten sich an den Bericht der Chronik, so Solovjev (ITct. P. hsa- 6. I. l(iO), Bestuzev-Rjumin (PyccKaa iiCTopiH), während Golubinskij auch in der zweiten Ausgabe seiner Kirchengeschichte an der Behauptung festhält, daß Vladimir von der frühesten Jugend dem christlichen Glauben zugetan gewesen sei und ihn zur Annahme des Christentums auch politische Verhältnisse veranlaßt hätten, d. h. er habe sein Volk in die Reihe der europäischen zivilisierten Staaten durch das Christentum einfügen wollen (Hcxopia 151 u. 161). Dabei ignoriert er vollkommen die Entdeckungen des Baron Rosen, obwohl ihm diese, wie man aus einer Bemerkung (IGl, 2) sieht, bekannt waren. Die erste Behauptung steht im Widerspruch mit den Berichten des Chronisten über die Aufstellung der Götzenbilder und über das Opfern. Es ist wahr, daß Vladimir deswegen noch kein begeisterter Anhänger des Heidentums sein mußte, ja wir haben Gründe anzunehmen, daß er in religiösen Sachen vollkommen gleichgültig war, zur Erreichung seines Zieles. denn die Religion war ihm nur ein Zweck Eine Zuneigung zum christlichen Glauben bei ihm anzunehmen, würde ^ie Aufstellung der Götzenbilder und das Opfern nicht zulassen. Weiter steht der Behauptung Golubinskij's auch die Tradition entgegen, die Vladimir zu einem wahren Anhänger und Förderer des Heidentums gestempelt hat. An die Aufgabe, das Reich der Zivilisation zuzuführen, konnte er damals nicht denken, da er gerade bis zur Taufe fortwährend in verschiedene Kämpfe und Kriege verwickelt war. Um die religiöse Veranlagung Vladimirs kennen zu lernen, müssen wir einen Rückblick auf seine Jugend, auf die Umstände, unter denen er gelebt und auf die religiöse Überzeugung seiner Umgebung werfen. Wir wissen bereits, daß er die Kindheit bei seiner Großmutter Olga zugebracht, die ihn zugleich mit seinen Halbbrüdern gewiß im christlichen Glauben erzogen hat. Aber bevor noch diese christliche Erziehung in ihm tiefere Wurzeln hatte fassen können, starb Olga, und Vladimir kam aus dieser christlichen Atmosphäre in eine völlig heidnische, nach Novgorod, wo das Heidentum in voller Blüte stand. Wir dürfen nicht außer acht lassen, daß Novgorod ein Tummelplatz der skandinavischen Normannen war, die damals noch fast durchweg Heiden waren. In Novgorod wurde am meisten der slavisch-heidnische Glaube mit jenem der Skandinavier vermengt und es war zugleich am meisten dem christlichen Glauben

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262 Stjepan Srkulj,<br />

dennoch nicht sicher sein, daß man dies nicht erfahren würde und das<br />

wtii'de einen Aufruhr der Anhänger des alten Glaubens zur Folge gehabt<br />

haben. Aber auch seine persönliche Sicherheit ließ die Beteiligung an<br />

der Expedition nicht zu, denn wo hätte er eine Garantie dafür gehabt,<br />

daß Basilius nach der glücklichen Beendigung des Krieges nicht versuchen<br />

könnte sich seiner zu entledigen?<br />

Alles dies läßt Vladimirs Beteiligung nicht zu;<br />

er blieb in Rußland,<br />

wo er<br />

den Gang der Dinge abgewartet und dürfte höchstwahrscheinlich<br />

in Tmutarakan sich aufgehalten haben. Zu dieser Annahme berechtigt<br />

uns der unerwartete Angriff auf Cherson, denn ein solcher von Kijew<br />

aus hätte nicht geheim bleiben können und weiters erwartete er dort die<br />

Ankunft Annas. —<br />

Es kann kein Zweifel darüber herrschen,<br />

daß die Taufe Vladimirs<br />

eine Folge politischer Konstellation ist. Die Ereignisse der Jahre 986<br />

989 im Osten Europas, die für Rußland von großem Vorteile waren, erklären<br />

uns die Taufe. Wir müssen aber besonders betonen, daß ein anderer<br />

Fürst an Vladimirs Stelle, z. B. sein Vater Svjatoslav, in ganz anderer<br />

Weise die Situation ausgenützt hätte und daß es damals zur Taufe<br />

überhaupt nicht gekommen wäre.<br />

Es ist ein persönliches Verdienst Vladimirs,<br />

daß er die Ereignisse in solcher Weise ausgenützt hat, daß sie<br />

zur Annahme des Christentums geführt haben.<br />

Selbstverstäudlich finden<br />

wir diese politischen Ereignisse in den russischen Quellen nicht, da ihnen<br />

der ganze Hergang der Verhandlungen unbekannt geblieben war. Dennoch<br />

suchten jene Quellen, die über Vladimir und seine Taufe geschrieben,<br />

auf verschiedene Weise zu erklären, wie es dazu gekommen war, daß<br />

Vladimir, den die Tradition als einen verkörperten Anhänger der alten<br />

Religion darstellt, plötzlich für das Christentum gewonnen wurde.<br />

Metropolit<br />

Ilarion sagt in seinem »IIoxBajitHoe cjigbo«, daß Vladimir Christ<br />

wurde, ohne Apostel gehört und ohne Wunder gesehen zu haben, weil<br />

er durch seinen eigenen Verstand die Wahrheit erkannt habe (^xenia<br />

HecT. j., n. 56). Der Mönch Jakob schreibt diese Sinnesänderung der<br />

Gnade des heiligen Geistes und der Erinnerung an seine Großmutter<br />

Olga zu (rojiyÖHHCKiä, Hex. p. i^. 239). Nach dem Diakon Nestor<br />

wurde Vladimir durch die göttliche Offenbarung aufgefordert, das Christentum<br />

anzunehmen (CpesHeBCKiä, CKasanie o ob. BopHci h Tä'IÖ'I, 6),<br />

während ihn nach Banduri die Verschiedenheit und Zerfahrenheit in religiösen<br />

Dingen dazu bewogen hat (FojiyÖHiicKifi, Hex. p. u,., 248). Nach<br />

der Chronik war es die Tätigkeit des griechischen Philosophen einerseits

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