Slavische Philologie - Archiv

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250 Stjepan Srkulj, Fassen wir alle diese Momente zusammen, so müssen wir den Angaben Jakobs, des »/tpeBH. KHxieBoJOAHMHpa«, resp. dem » /^peDHinmiß jiix. CBOAt« mehr Glauben schenken als der Chronik. Das Datum der ersteren ist präziser und zeugt, daß man es genau so aufgezeichnet gefunden hat. Den Kampf zwischen Vladimir und Jaropolk können wir schon als einen Vorkampf für die Religion betrachten, bei welchem Vladimir als Haupt der Anhänger des alten Glaubens auftrat. Vladimir war gezwungen, im Kampfe mit Jaropolk sich eine Partei zu schaffen, auf die er sich stützen konnte, da er schwerlich mit seinen Warägern und Novgorodern allein den Rachezug mit Erfolg hätte bewerkstelligen können, und diese Unterstützung konnte er nur seitens der Anhänger des alten Glaubens finden; hierin haben wir auch den Grund des Verrates zu suchen, den Blud an Jaropolk zugunsten Vladimirs begangen (jiix.TS^— 7622). Gewiß gab es schon zur Zeit Olgas Leute in Kijew, die das Christentum mit scheelen Augen betrachteten und zu denen gehörte möglicherweise auch Blud. In christlichem Glauben erzog Olga auch ihre Enkel, von denen Jaropolk als der älteste zur Zeit ihres Todes etwa 8—9 Jahre alt sein konnte (er dürfte um 960 geboren sein, da Svjatoslav 942 geboren wurde), Oleg und Vladimir dürften um 1 — 2 Jahre jünger gewesen sein. Während Jaropolk auch weiter in Kijew blieb, wo es genug Christen gab, wurde Vladimir früh durch die Übersiedelung nach Novgorod, wo die Zahl der Anhänger des christlichen Glaubens kaum nennenswert war, demselben entzogen. Und was vom Christentum an ihm haften geblieben war, das hat gewiß sein praktischer Onkel Dobrynja, der ihn nach Novgorod gebracht, ausgemerzt. Dobrynja hat gewiß auch das übrige Rußland für seinen Pflegling ins Auge gefaßt und für ihn bei den Anhängern des alten Glaubens Sympathien zu erwecken gesucht. Jaropolk blieb auch weiterhin den Christen gewogen, darum genießt er auch Sympathien der Christen, ja die Joachimsche Chronik charakterisiert ihn als einen Mann von sanftem Gemüt und allen gegenüber gnädig; er liebte die Christen, und wenn er selbst auch nicht das Christentum angenommen, so hinderte er andere nicht, es anzunehmen (TaTHii],eBi, Hex. I, 37). Sobald Vladimir in Kijew festen Fuß gefaßt hatte, trachtete er, die abgefallenen Völker wieder seiner Herrschaft zu unterwerfen. Als Anhänger des Heidentums förderte er dasselbe überall, wodurch er, ohne es eigentlich recht gewollt zu haben, den Weg der Organisation des Reiches betrat; die Religion wurde nun ein Band, das verschiedene Völker

Drei Fragen aus der Taufe des heiligen Vladimir. 251 enger aneinander geknüpft. Schwerlich hat Vladimir schon vor der Annahme des Christentums an die Organisation des Reiches überhaupt gedacht, denn er war zu sehr mit verschiedenen Kriegen beschäftigt; die eigentliche Organisation des Reiches tritt erst nach der Annahme des Christentums unter Beihilfe seiner Frau Anna, ihrer griechischen Umgebung und Dobrynjas in den Vordergrund. Vorläufig förderte er nur den alten Glauben durch Aufstellung neuer Götzenbilder, woran nicht zu zweifeln ist, da nach der eingehenden Untersuchung Roznieckys (Perun u. Thor, Archiv f. s. Ph. XXUI, SOG u. 507) jene Stellen der Chronik, die von der Aufstellung des Perun in Kijew und des neuen Götzen in Novgorod (jiiT. 7 7^^) handeln, im ursprünglichen Text standen und keine spätere Interpolation sind. Um dem alten Glauben ein größeres Ansehen zu geben, brachte Vladimir aus Schweden, wo gerade damals die Kunstschnitzerei in Blüte stand (Weinhold, x\ltnordisches Leben 422), einen neuen, fein ausgearbeiteten Perun mit silbernem Kopfe und goldenem Schnurrbart mit und stellte ihn an die Stelle des alten Bildes, das höchstwahrscheinlich durch einen einfachen Pfahl mit einem ausgeschnittenen Kopfe dargestellt war. Eben dieser Gegensatz zwischen dem alten und neuen Götzenbilde bestimmte auch die Beschreibung seines äußeren Habitus in der Chronik und ist kein späterer Zusatz, wie es Rozniecky glaubt. Und nun läßt plötzlich dieser Förderer des Heidentums dasselbe im Stiche, übt Verrat an der Partei, die ihm zur Herrschaft geholfen, wird zum ausgesprochenen Anhänger des Christentums, stürzt seinen Götzen Perun und läßt ihn weit über die Sti-omschnellen treiben. Vergebens werden wir nach den wahren Ursachen dieses unerwarteten Wechsels in den russischen und byzantinischen Quellen suchen. Die russische Chronik schreibt diesen Wechsel teils der Rede des griechischen Philosophen, teils wieder seinem Gelübde zu, daß er das Christentum annehmen werde, wenn es ihm gelingt Cherson einzunehmen {ä^t. 107 8-9). Alles, was in den russischen Quellen, namentlich in der Chronik, über die Taufe Vladimirs, von der Ankunft der Gesandtschaften im Jahre 9S6 gesagt wird, Avo sich auch die Rede des griechischen Philosophen befindet, wurde, wie dies Sachmatov zu erklären gesucht hat, höchstwahrscheinlich einer Vita des bulgarischen Fürsten Boris nachgeahmt (Oahht. iisoi hct.74). Diese vermutliche Vita Boris, die uns übrigens verloren gegangen ist, diente dem Kompilator der Taufe Vladimirs (wir weisen nur auf das Bild vom jüngsten Gerichte hin) als Vorlage, die er trotz der Anachronismen, die darin vorkommen, geradezu sklavisch nachgeahmt hat. Sachmatov

250 Stjepan Srkulj,<br />

Fassen wir alle diese Momente zusammen, so müssen wir den Angaben<br />

Jakobs, des »/tpeBH. KHxieBoJOAHMHpa«, resp. dem » /^peDHinmiß<br />

jiix. CBOAt« mehr Glauben schenken als der Chronik. Das Datum der<br />

ersteren ist präziser und zeugt, daß man es genau so aufgezeichnet gefunden<br />

hat.<br />

Den Kampf zwischen Vladimir<br />

und Jaropolk können wir schon als<br />

einen Vorkampf für die Religion betrachten, bei welchem Vladimir als<br />

Haupt der Anhänger des alten Glaubens auftrat. Vladimir war gezwungen,<br />

im Kampfe mit Jaropolk sich eine Partei zu schaffen, auf die er sich<br />

stützen konnte,<br />

da er schwerlich mit seinen Warägern und Novgorodern<br />

allein den Rachezug mit Erfolg hätte bewerkstelligen können, und diese<br />

Unterstützung konnte er nur seitens der Anhänger des alten Glaubens<br />

finden; hierin haben wir auch den Grund des Verrates zu suchen, den<br />

Blud an Jaropolk zugunsten Vladimirs begangen (jiix.TS^— 7622).<br />

Gewiß<br />

gab es schon zur Zeit Olgas Leute in Kijew, die das Christentum mit<br />

scheelen Augen betrachteten und zu denen gehörte möglicherweise auch<br />

Blud. In christlichem Glauben erzog Olga auch ihre Enkel, von denen<br />

Jaropolk als der älteste zur Zeit ihres Todes etwa 8—9 Jahre alt sein<br />

konnte (er dürfte um 960 geboren sein, da Svjatoslav 942 geboren wurde),<br />

Oleg und Vladimir dürften um 1 — 2 Jahre jünger gewesen sein. Während<br />

Jaropolk auch weiter in Kijew blieb, wo es genug Christen gab,<br />

wurde Vladimir früh durch die Übersiedelung nach Novgorod, wo die<br />

Zahl der Anhänger des christlichen Glaubens kaum nennenswert war,<br />

demselben entzogen. Und was vom Christentum an ihm haften geblieben<br />

war, das hat gewiß sein praktischer Onkel Dobrynja, der ihn nach Novgorod<br />

gebracht, ausgemerzt.<br />

Dobrynja hat gewiß auch das übrige Rußland<br />

für seinen Pflegling ins Auge gefaßt und für ihn bei den Anhängern<br />

des alten Glaubens Sympathien zu erwecken gesucht. Jaropolk blieb<br />

auch weiterhin den Christen gewogen, darum genießt er auch Sympathien<br />

der Christen, ja die Joachimsche Chronik charakterisiert ihn als<br />

einen Mann von sanftem Gemüt und allen gegenüber gnädig; er liebte<br />

die Christen, und wenn er selbst auch nicht das Christentum angenommen,<br />

so hinderte er andere nicht, es anzunehmen (TaTHii],eBi, Hex. I, 37).<br />

Sobald Vladimir in Kijew festen Fuß gefaßt hatte, trachtete er, die<br />

abgefallenen Völker wieder seiner Herrschaft zu unterwerfen.<br />

Als Anhänger<br />

des Heidentums förderte er dasselbe überall, wodurch er, ohne<br />

es eigentlich recht gewollt zu haben, den Weg der Organisation des<br />

Reiches betrat; die Religion wurde nun ein Band, das verschiedene Völker

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