Slavische Philologie - Archiv

23.02.2018 Aufrufe

214 Jaroslav Sutnar, Zeit Erben's auch die dazumal in Böhmen fleißig studierten slavischen Schwestersprachen stark eingewirkt haben, deren Einfluß es nicht in letzter Reihe zuzuschreiben sein dürfte, wenn die Richtigkeit der mit andern slavischen Sprachen in Widerspruch stehenden Regeln Dobrovsky's bezweifelt wurde ^^). Aber den allergrößten Einfluß übte die Prosodie des all diese Bedenken scheinbar bestätigenden Volksliedes aus, welches damals nach Herder's Vorbild von den besten Dichtern Böhmens eifrig gesammeltes) und als einziges lebendiges Wort dieser Zeit in jeder Beziehung nachgeahmt wurde. Unter dem Dreigestirne der zweiten Dichterschule (Jan KoUär, Frantisek Ladislav Celakovsky, Karel Jaromir Erben) wirkten die angeblich zum großen Teile sehr alten Volkslieder mit ihrer — nach dem damaligen Urteil ofi'enbar ursprünglichen cechischen — Prosodie auch sehr stark — zum Unterschiede von KoUär's fast fehlerfreien Versen — auf Celakovsky's »Ohlas pisni ceskych« ein, wo man das jedoch einigermaßen entschuldigen kann, da diese Gedichte Celakovsky's größtenteils — als Lieder im Gegensatz zu den fast ausschließlich epischen Dichtungen Erben's — für den Gesang nach Volksliederart nicht ungeeignet waren ^^). 58) Der cechischen Betonung wendet sich zu vor allem Jos. Truhläi-'s Artikel »0 pnzvuku vubec, zvLäst' o ceskem« (C.M.k.C., 1872, 402—422) — neben den bereits genannten Arbeiten von Gebauer und Kräl. Der slavischen Betonung ist namentlich das Werk Roman Brandt's: »Nacertanie slavjanskoj akcentologii« . . . (Sanktpeterburg 1880. [Izvleceno iz V toma Izvestij Istoriko-filologiceskago Instituta knjazja Bezborodko v Nezine]) gewidmet: überdies der schon erwähnte Aufsatz von Jokl. — Die dreisilbigen und noch mehr die viersilbigen Wörter (mit Betonung auf der vorletzten Silbe) am Schlüsse der einzelnen Hälften daktylisch-trochäischer Verse scheinen gewissermaßen polnischen Einfluß zu verraten, sowie die vielen Unregelmäßigkeiten der damaligen cechischen Verse überhaupt stark an die regelrechte Anarchie der polnischen Verskunst erinnern. (S. Antoni Malecki's »Gramatyka j^zyka polskiego wieksza«. [Lwöw, 1863, 406—425]!) Interessant ist in dieser Hinsicht weiter eine Vergleichung des Originals Poklad mit der polnischen Übersetzung desselben Gedichtes von Adam Rosciszewski z Rosciszewa (: »Skarb zaczarowany« ... WPradze ... 1853) und der »illyrischen« von Stanko Vraz (: »Blago« ... [Dela. Cetvrti dio. (Razlike pjesme. Prevodi.) U Zagrebu, 1868, 21—41]). 59) Bezüglich dieser Volksliedersammlungen s. Cenek Zibrt's Werk: »Bibliograficky prehled ceskych närodnich pisni« ... (V Praze 1895. [Sbirka pramenuv ku poznäni literärniho zivota v Cechäch, na Morave a v Slezsku. Vydävä III. trida Ceskc Akademie cisare Frantiska Josefa pro vedy, slovesnost a umeni V Praze. Skupina treti. Präce bibliograficke. Cislo 1.])! 60j Kräl (L. f. Roc. 21. [1894] 425—427): Auch die Verse der Volkslieder

) — Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 215 Hinsichtlich der Herkunft des Metrums in unserm schon um das Jahr 1838 begonnenen und später stark umgearbeiteten Gedichte ^^j sagte schon »^olc in seiner Abhandlung (180-181), ein ähnlicher Vers mit vier Takten und freier Anzahl tonloser Silben und mit anapästischem Rhythmus — im Gegensatz zu dem daktylischen im Zähorovo loze — komme regelmäßig in den unter dem Namen der Bylinen bekannten Heldengesängen der Russen vor, welche bekanntlich Celakovsky in einigen Stücken seines berühmten »Ohlas pisni rnskych« (1829) nachahmte ^2j Diese Hypothese von der Einwirkung des Metrums der Bylinen auf unser Versmaß wäre ganz annehmbar umsomehr, als es bekannt ist, daß Erben schon als Student Celakovsky's «Slovanske närodni pisn^« und »Ohlas pisni ruskychtt sehr eifrig las ^3). Jedoch über solch ein ausschließliches Bylinen-Versmaß ist in den altern und auch in den neuesten diesbezüglichen russischen Arbeiten nirgend etwas Befriedigendes zu finden ^^), wenn man auch anderseits zugeben möchte, daß eine Anzahl bekommen einen strengen Rhythmus häufig erst durch die Melodie, da der Text allein wegen seiner nachlässigen Prosodie oft entweder keinen oder einen sehr unvollkommenen Rhythmus besitzt. Über die Prosodie des ceehischen Volksliedes s. 0. Hostinsky's »0 nasi svetske pisni lidove« (Cesky lid. I. [1892] 365—368)! 61) Brandl (15). Die erste Fassung ist nicht mehr aufzutreiben. 62) Den Einfluß der — in Böhmen schon durch eine Übersetzung Celakovsky's (Slovanske närodni pisne. V Praze 1822, I 1) und später durch vier Übersetzimgen Jaroslav Langer's (»Starozitne bäsne ruske«. [Casopis Ceskeho Museum, 1834, 138— 154, 373—393) bekannt gewordenen — Bylinen aus der Sammlung Kirsa Danilov's auf einen Teil von Celakovsky's »Ohlas pis. rus.« behandelt hauptsächlich J. Mächal's: »F. L. Celakovskeho Ohlas pisni ruskych. Kriticky rozbor vzhledem k närodni poesii ruske». (V Praze, 1899, 6— 15. [Otisk z Listu filologickych.] 63) Brandl (10). Bei dieser Hypothese läge auch die Vermutung nahe, daß Erben im Metrum der — für so altertümlich gehaltenen — Bylinen ein urslavisches episches Metrum erblickt haben mochte, indem er bei seiner Kenntnis des Russischen und bei seinem regen Verkehr besonders mit russischen Gelehrten (Brandl [21, 22 u.s.w.]) wahrscheinlich auch eine Kenntnis oder Ahnung von der urslavischen Betonung im Russischen hatte. 64) Vgl. hauptsächlich: Aleksandr Fedorovic Gil'ferding (» Onezskija byliny, zapisannyja . . . letom 1871 goda«. Izdanie vtoroe. Tom pervyj . . . Sanktpeterburg, 1894, 41 ff. [Sbornik Otdelenija [Russkago jazyka i slovesnosti Imperatorskoj Akademii Nauk. Tom pjat'desjat' devjatyj]) und auch F. Kors (»0 russkom narodnom stichoslozenii«. [Izvestija Otdelenija Russkago jazyka i slovesnosti Imperatorskoj Akademii Nauk. Tom. I. (1896) 1

)<br />

—<br />

Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben etc. 215<br />

Hinsichtlich der Herkunft des Metrums in unserm schon um das<br />

Jahr 1838 begonnenen und später stark umgearbeiteten Gedichte ^^j<br />

sagte schon »^olc in seiner Abhandlung (180-181), ein ähnlicher Vers<br />

mit vier Takten und freier Anzahl tonloser Silben und mit anapästischem<br />

Rhythmus — im Gegensatz zu dem daktylischen im Zähorovo loze —<br />

komme regelmäßig in den unter dem Namen der Bylinen bekannten Heldengesängen<br />

der Russen vor, welche bekanntlich Celakovsky in einigen<br />

Stücken seines berühmten »Ohlas pisni rnskych« (1829) nachahmte ^2j<br />

Diese Hypothese von der Einwirkung des Metrums der Bylinen auf<br />

unser Versmaß wäre ganz annehmbar umsomehr, als es bekannt ist, daß<br />

Erben schon als Student Celakovsky's «Slovanske närodni pisn^« und<br />

»Ohlas pisni ruskychtt sehr eifrig las ^3). Jedoch über solch ein ausschließliches<br />

Bylinen-Versmaß ist in den altern und auch in den neuesten<br />

diesbezüglichen russischen Arbeiten nirgend etwas Befriedigendes zu<br />

finden ^^), wenn man auch anderseits zugeben möchte, daß eine Anzahl<br />

bekommen einen strengen Rhythmus häufig erst durch die Melodie, da der Text<br />

allein wegen seiner nachlässigen Prosodie oft entweder keinen oder einen<br />

sehr unvollkommenen Rhythmus besitzt. Über die Prosodie des ceehischen<br />

Volksliedes s. 0. Hostinsky's »0 nasi svetske pisni lidove« (Cesky lid. I.<br />

[1892] 365—368)!<br />

61) Brandl (15). Die erste Fassung ist nicht mehr aufzutreiben.<br />

62) Den Einfluß der — in Böhmen schon durch eine Übersetzung Celakovsky's<br />

(Slovanske närodni pisne. V Praze 1822, I 1) und später durch vier<br />

Übersetzimgen Jaroslav Langer's (»Starozitne bäsne ruske«. [Casopis Ceskeho<br />

Museum, 1834, 138— 154, 373—393) bekannt gewordenen — Bylinen aus der<br />

Sammlung Kirsa Danilov's auf einen Teil von Celakovsky's »Ohlas pis. rus.«<br />

behandelt hauptsächlich J. Mächal's: »F. L. Celakovskeho Ohlas pisni ruskych.<br />

Kriticky rozbor vzhledem k närodni poesii ruske». (V Praze, 1899, 6—<br />

15. [Otisk z Listu filologickych.]<br />

63) Brandl (10). Bei dieser Hypothese läge auch die Vermutung nahe, daß<br />

Erben im Metrum der — für so altertümlich gehaltenen — Bylinen ein urslavisches<br />

episches Metrum erblickt haben mochte, indem er bei seiner Kenntnis<br />

des Russischen und bei seinem regen Verkehr besonders mit russischen Gelehrten<br />

(Brandl [21, 22 u.s.w.]) wahrscheinlich auch eine Kenntnis oder Ahnung<br />

von der urslavischen Betonung im Russischen hatte.<br />

64) Vgl. hauptsächlich: Aleksandr Fedorovic Gil'ferding (» Onezskija<br />

byliny, zapisannyja . . . letom 1871 goda«. Izdanie vtoroe. Tom pervyj . . .<br />

Sanktpeterburg, 1894, 41 ff. [Sbornik Otdelenija [Russkago jazyka i slovesnosti<br />

Imperatorskoj Akademii Nauk. Tom pjat'desjat' devjatyj]) und auch<br />

F. Kors (»0 russkom narodnom stichoslozenii«. [Izvestija Otdelenija Russkago<br />

jazyka i slovesnosti Imperatorskoj Akademii Nauk. Tom. I. (1896) 1

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!