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Slavische Philologie - Archiv

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Kritischer Anzeiger.<br />

er sich darauf verlassen, daß die cyrillische Schrift der Urkunde aus dem<br />

Ende des XII. Jahrh. ist, was ihm vielleicht auch für die lateinische Schrift<br />

von kompetenter Seite bestätigt wurde; möglich, daß er auch auf den Umstand<br />

sich stützte, daß die beiden Texte wolil von verschiedener Hand, ganz<br />

gewiß aber mit verschiedener Tinte gescliriebcn wurden, während eine eventuelle<br />

Abschrift wahrscheinlich von einer Hand, jedenfalls aber in derselben<br />

Kanzlei, somit mit derselben Tinte geschrieben worden wäre. So ungefähr<br />

dürfte Ilj. argumentiert haben, denn, wie gesagt, er spricht nicht den geringsten<br />

Zweifel über die Originalität der Urkunde aus. Doch wie vorsichtig man<br />

sein muß, zeigt uns das ältere von den beiden Wiener Exemplaren der Urkunde:<br />

auch hier ist der lateinische Text höchst wahrscheinlich von anderer<br />

Hand, ganz bestimmt aber mit anderer, dunklerer Tinte geschrieben als der<br />

serbokroatische, trotzdem beide Stücke ganz gewiß jüngere Kopien sind, da<br />

sowohl die cyrillische als auch die lateinische Schrift für das XIII. ,<br />

ja sogar<br />

für die zweite Hälfte des XIII. Jahrh. sprechen. An tmd für sich könnte somit<br />

auch das Petersburger Exemplar, da es keinen Siegelabdruck und auch keine<br />

eigenhändige Unterschrift trägt, ebenfalls eine, meinetwegen gleichzeitige<br />

Kopie, immerhin aber eine Kopie sein !<br />

Ich wendete mich daher an Professor<br />

v. Ottenthai, der mit der größten Bereitwilligkeit, wofür ich ihm auch hier<br />

aufrichtig danke, mir alle gewünschten Auskünfte gab, speziell auch den lateinischen<br />

Text einer eingehenden Untersuchung in paläographisch-diplomatischer<br />

Beziehung unterwarf, aus der sich herausstellte , daß die lateinische<br />

Schrift<br />

einen durchaus gleichzeitigen Eindruck macht, ja vielfach, so speziell<br />

in Überresten der älteren Kursive,<br />

sogar einen etwas älteren, was sich daraus<br />

erklärt, daß sich derartige Überbleibsel in der italienischen Urkundenschrift<br />

vielfach gehalten haben.<br />

Die Form aber, in welcher die Urkunde ausgestellt<br />

wurde, ist die einer Notariatsurkunde, für welche zu dieser Zeit ein Siegelabdruck<br />

gar nicht notwendig war. da die vom Notar am Schlüsse hinzugefügte<br />

Beglaubigungsformel genügte, welcher in unserem Falle der vom Schreiber<br />

des Banus herrührende Zusatz entspricht. Alles dies würde aber noch nicht<br />

genügen, um das Petersburger Exemplar als ein Original zu bezeichnen;<br />

glücklicherweise befindet sich bei mir eine sehr schöne Photographie einer<br />

Ragusaner Urkunde aus dem Jahre 119ü (abgedruckt zuletzt bei Smiciklas,<br />

Codex diplomaticus II, Nr. 2.30 S. 245—2-17], die vom »diaconus Marinus et<br />

Ragusii communis notariiis plena in curia Eagusorum« geschrieben wurde.<br />

Mir fiel die große Ähnlichkeit dieser Schrift mit der lateinischen der Petersburger<br />

Urkunde auf, so daß ich sogleich daran dachte, daß dieser diaconus<br />

Marinus auch den lateinischen Text der Urkunde des Banus Kulin geschrieben<br />

haben könnte, was von Professor v. Ottenthai bestätigt wurde, der sich dabei<br />

besonders an das vollkommen gleich geformte Kreuz im Anfange der beiden<br />

Urkunden — das Notariatszeichen des diaconus Marinus — stützte.<br />

Diese Konstatierung ist von der größten Wichtigkeit, weil sie uns überhaupt<br />

die Entstehung der doppelsprachigeu Urkunde ziemlich deutlich erkennen<br />

läßt. Als die Ragusaner vom bosnischen Banus das Recht des freien<br />

Aufenthaltes und Handels in seinem Lande erwirken wollten, da ließen sie<br />

zunächst von ihrem »communis notarius«. eben dem diaconus Marinus. latei-

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