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Slavische Philologie - Archiv

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144 Kritischer Anzeiger.<br />

Schlagworten festgehalten werden können. — Das Kapitel über die ragusanische<br />

Literatur bedarf wohl am meisten einer Umarbeitung. Vor allem ist<br />

jene abfällige Kritik über sie zu unterdrücken, denn sie rührt aus einer kroatischen<br />

Quelle her, die den Illyriern gegenüber in ein anderes Extrem umschlug<br />

und überall nur Stückarbeit und Imitation sehen wollte. Heute denkt<br />

man über die Ragusaner bereits günstiger. Die akademischen Abhandlungen<br />

Markovic' und die Autorität fremder Forscher wie Jensen, Creuzenach, Petrovskij<br />

verhalfen der ragusanischen Dichtung zu ihrem Eechte.<br />

Einer der besten<br />

Dramatiker des XVI. Jahrh. befindet sich unter den ragusanischen Schriftstellern,<br />

es ist dies Marin Drzic. Der Verf. muß ihn übersehen haben, denn er<br />

vermißt in der ragusanischen Dichtung die Prosa — und solche<br />

schrieb eben<br />

M. Drzic. — Und ein anderer, sogar bedeutender Dichter, I. Gjorgjic, blieb<br />

ebenfalls unerwähnt; er ist der reinste Vertreter des jesuitischen Barock in<br />

der Literatur und als solcher gehört er vor ein europäisches Publikum —<br />

*;.<br />

Auch die »slavonischen« Schriftsteller [in der ehem. österr. Militärgrenze]<br />

sind für einen deutschen Leser interessant, weil sie große europäische Strömungen<br />

und zwar gerade durch deutsche Vermittlung im Kleinen aufweisen.<br />

Ich finde, daß A. Kanizlic jenen schnörkelhaften und allegorischen Typus<br />

vertritt, der in Spees Lyrik und dem Jesuitendrama geprägt wurde, A. Eelkovid<br />

steht ihm dagegen so entschieden gegenüber, wie die Aufklärung dem<br />

Pietismus im XVIII. Jahrh. — Und die pseudoklassischen Manieren finde ich<br />

in feiner Weise durch P. Katancic (etwas auch durch J. Krmpotic) vertreten.<br />

Der Verf. übersah diese Gruppe, da ihr literarischer Charakter selbst der<br />

serbokroatischen Literaturgeschichte in diesem Zusammenhange bisher unkannt<br />

blieb.<br />

Über das Volkslied hat der Verf. gut gesprochen, der Weltruhm und das<br />

deutsche Interesse an dem serbischen Volksliede gab ihm schon eine Direktive<br />

in der Auffassung. Er behandelt es in einem Kapitel mit dem böhmischen<br />

und polnischen Volksliede, und ein Vergleich zur spezielleren Charakteristik<br />

dieser verschiedenen Volkspoesien wäre sehr naheliegend ; der Verf.<br />

ging aber darauf nicht ein. Ich finde, daß z. B. der Naturzustand des Menschen<br />

im südslavischen Volksliede mehr zum Ausdruck kommt, daß aber daher<br />

auch seinem Realismus mehr Poesie innewohnt als dem böhmischen, der<br />

vielfach bürgerliche und städtische Vorstellungen voraussetzt. Auch die Form<br />

ist im südslavischen mannigfaltiger und organischer, die des böhm. Liedes<br />

gemahnt an literarische Tradition und Schablone. Auch die sentimentale<br />

Pointe und die kühnen Concettis der südslavischen Lyrik stehen als etwas<br />

1) <strong>Archiv</strong> XXVIII, 52 in der Fußnote wird nach meiner Dissertation über<br />

I. Gjorgjic irrtümlich von einem französischen Einflüsse auf den Dichter<br />

Erft'ähnung getan. Die Sache ist bei mir umgekehrt so dargestellt, daß sich<br />

Gjorgjic als Marinist (Vertreter des Barockstiles) gegen den damals bereits<br />

in Italien und Frankreich aufkommenden raison-Stil und das Natürlichkeitsprinzip<br />

auflehnt. [Diese Abhandlung, wo ich Gj. besonders von der<br />

stilistischen Seite betrachte, wird seinerzeit die südlavische Akademie veröffentlichen.]

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