Slavische Philologie - Archiv

23.02.2018 Aufrufe

136 KritiBcher Anzeiger. schichte der Zips lieferte (1885, 1887, 1895; und die Meinung vertrat, daß die Zipser Landschaft ursprünglich, das heißt vor der Ankunft der Magyaren, kirchlich und politisch zu Polen gehörte und daß dies noch zu Ende des XIII. Jahrh. von einem Teile der Zips gelte. Über die ältere Geschichte der weiteren östlichen Gespannschaften Saris, Zemplin u.s.w., liegen ähnliche Arbeiten nicht vor. Dieser Mangel an verläßlichen historischen Nachrichten ist deshalb fühlbar, weil die gegenwärtigen ethnographischen Verhältnisse sehr mannigfach sind. Doch haben wir bereits auf dem Boden der Zips alle Elemente, aus denen sich die Bevölkerung des ostslovakischen Gebietes zusammensetzt: Slovaken, Polen, Ruthenen, Deutsche und (in neuerer Zeit) auch Magyaren. Es ist augenscheinlich, daß hier im Laufe der Jahrhunderte eine vielfache Kolonisation stattgefunden hat. Eine genaue und aktenmäßig beglaubigte Geschichte dieser Kolonisation wäre höchst wünschenswert und böte auch für die Erkenntnis der dialektischen Entwicklung wichtige Anhaltspunkte. Indessen sind schon die bisher gewonnenen Resultate wichtig und können als Basis für das weitere Ostgebiet genommen werden. Bei einer kurzen Übersicht dürfte es sich empfehlen, bei dem jüngsten Elemente den Anfang zu machen. Und das sind wohl die Magyaren. Gegenwärtig gibt es auf dem ganzen ostslovakischen Sprachgebiet keine magyarische Ortschaft. Der Verfasser nimmt zwar an, daß es im XIII. Jahrh. in der Zips, im Saris und auch Abauj eine magyarische Einwohnerschaft gab; es ist jedoch zweifelhaft, ob Namen von Amtspersonen und Ortschaften, welche in öffentlichen Urkunden (aus dem XIII. Jahrh.) vorkommen, geeignet sind, das Vorhandensein einer kompakteren magyarischen Einwohnerschaft zu beweisen. Ich halte diese Beweise für unzureichend. Höchst wichtig war die deutsche Kolonisation, die von den ungarischen Königen im XII. Jahrh. eingeleitet und dann besonders im XIII. Jahrh. gefördert wurde. Die Nachkommen dieser deutschen Kolonisten haben sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Doch läßt sich nicht behaupten, daß ihre Sprache irgend einen Einfluß auf die einheimischen slavischen Dialekte ausgeübt hat. Von den Slaven der Zips scheinen die Kleinrussen die spätesten Ansiedler zu sein. Aus den sorgfältigen Beobachtungen St. Misiks ergibt sich, daß keine der kleinrussischen Gemeinden vor dem XIV. Jahrh. erwähnt wird. Und da diese Gemeinden noch heutzutage in den unzugänglichsten und unfruchtbarsten Gegenden der Zips liegen, so ist wohl an ihrer späteren Entstehung nicht zu zweifeln. Und ähnlich mag es auch in den südlichen und westlichen Teilen des Sariser Komitats der Fall sein. Im Norden und Nordosten des Sariser und Zempliner Komitats beginnt jedoch schon eine kompakte kleiurussische Bevölkerungsschichte, die mit Galizien zusammenhängt. Hier handelt es sich um eine Überflutung von Norden aus, über deren Anfang die Meinungen geteilt sind. Doch beschäftigt diese Frage den Verfasser nur nebenher. Viel mehr Aufmerksamkeit widmet er den beiden andern slavischen Volkselementen, dem polnischen und slovakischen, welche namentlich auf dem Boden der Zips als die ältesten Bewohner anzusehen sind. In bezug auf ihr gegenseitiges Verhältnis stellt der Verfasser den Satz auf, daß die ursprünglichen slavischen Bewohner des Gebietes bis zum Flusse Topla im Sariser Komitat — und das ist das Gebiet seines reinen

Czambel. Die slovakische Sprache, angez. von Pastrnek. 1 37 ostslovakischen Dialektes (iizemie vychodo-slovenskeho närecia samosvojho) — Polen waren (29). Danach müßte man annehmen, daß die heutigen Slovaken der Komitate Zips, Saris und Abauj-Torna eigentlich slovakisierte Polen seien und daß auf diese Weise ihr eigenartiger Dialekt entstanden sei. Doch wie ist es möglich, eine so umfangreiche Slovakisierung — es wäre dies der größte Teil der ostslovakischen Gemeinden und Ortschaften, deren Zahl der Verfasser mit 679 und einer Einwohnerschaft von 387.000 angibt (56) — ohne eine starke slovakische Stammbevölkerung, durch den bloßen Einfluß von oben (29) anzunehmen ? Und dabei nimmt der Verf an, daß sich die Sprache dieser östlichen Slovaken ganz abgesondert von ihren westlichen Stammesgenossen und durchaus selbständig entwickelt hat (50). Sätze sind eben nur Eeflexe Solche und ähnliche der wohlbekannten Tendenzen der ungarischen Regierung, welche diese östlichen Slovaken stets als etwas besonderes anzusehen pflegt und unter ihnen Schul- und Volksbücher, ja auch Zeitungen in ihrem Dialekte verbreiten läßt. Im Dienste der ungarischen Regierung steht bekanntlich auch der Verf. und seine der slovakischen Sprache gewidmeten Werke haben auch die Aufgabe, den Regierungstendenzen eine Art wissenschaftlichen Mantel umzuhängen. Von diesem Standpunkte sind die eben angeführten Sätze und viele andere, z. B. die auf S. 107— 109 ausgesprochenen, zu beurteilen. Von solchen Nebentendenzen, welche die sonst so verdienstvollen Leistungen des Verf verunzieren, wollen wir absehen und uns wieder demjenigen zuwenden, was als wertvoller Beitrag anzusehen ist. Das ist insbesondere die genaue Feststellung und namentliche Anführung der Ortschaften, welche von den einzelnen Volksstämraen bewohnt werden. Der Wert dieser neuen, zumeist an Ort und Stelle durchgeführten Feststellung erhellt am besten daraus, daß Prof Niederle seine im J. 1903 in Prag herausgegebene »Närodopisnä mapa uherskych Sloväku« darnach berichtigt und umgearbeitet hat. (Neue Aufl., Prag 19U().) Lehrreich ist feiner, was der Verf über den Einfluß der Kirche auf die Sprache der Slovaken anführt. Natürlich ist es überall die Magyarisation, die mit allen ]\Iitteln des Staates und der kirchlichen Hierarchie durchgeführt wird. Am schlimmsten ergeht es dem kleinen Häuflein der slovakischen Kalvinisten (ti Gemeinden mit mehr als 500/o, 24 mit wenigstens 20% slovakischen Einwohnern, denen die kirchliche Obrigkeit in Ungarn überhaupt keine Gesangsbücher in ihrer Sprache mehr herausgibt. Der Verf. findet keine Worte der Mißbilligung über dieses Vorgehen, sondern tröstet sich damit, daß die slovakischen Kalviner noch nicht so M'eit seien, wo sie ihre kirchliche Obrigkeit haben möchte, d. h. daß sie noch lange nicht magyarisiert seien. Nicht weniger beklagenswert sind die Verhältnisse in den andern kirchlichen Genossenschaften. Lutherische Gemeinden mit slovakischer Majorität gibt es 42, mit wenigstens 20% slov. Bevölkerung 61. Über die kirchliche Sprache derselben sagt der Verf.: »In welchen Kirchen beim Gottesdienste die slavische Sprache eingeführt war und noch ist, dort bedient man sich böhmischer Kirchenbücher. Von den Kanzeln herab predigt man in einem regellosen Sprachgemisch, welches sich nach dem Geschmack, der Gelehrsamkeit und den sprachlichen Kenntnissen des Predigers lichtet« (138). Am zahlreichsten sind auf dem ostslovakischen Gebiet die Römisch-Katholi-

136 KritiBcher Anzeiger.<br />

schichte der Zips lieferte (1885, 1887, 1895; und die Meinung vertrat, daß die<br />

Zipser Landschaft ursprünglich, das heißt vor der Ankunft der Magyaren,<br />

kirchlich und politisch zu Polen gehörte und daß dies noch zu Ende des XIII.<br />

Jahrh. von einem Teile der Zips gelte. Über die ältere Geschichte der weiteren<br />

östlichen Gespannschaften Saris, Zemplin u.s.w., liegen ähnliche Arbeiten<br />

nicht vor.<br />

Dieser Mangel an verläßlichen historischen Nachrichten ist<br />

deshalb fühlbar, weil die gegenwärtigen ethnographischen Verhältnisse sehr<br />

mannigfach sind. Doch haben wir bereits auf dem Boden der Zips alle Elemente,<br />

aus denen sich die Bevölkerung des ostslovakischen Gebietes zusammensetzt:<br />

Slovaken, Polen, Ruthenen, Deutsche und (in neuerer Zeit) auch<br />

Magyaren. Es ist augenscheinlich, daß hier im Laufe der Jahrhunderte eine<br />

vielfache Kolonisation stattgefunden hat. Eine genaue und aktenmäßig beglaubigte<br />

Geschichte dieser Kolonisation wäre höchst wünschenswert und<br />

böte auch für die Erkenntnis der dialektischen Entwicklung wichtige Anhaltspunkte.<br />

Indessen sind schon die bisher gewonnenen Resultate wichtig<br />

und können als Basis für das weitere Ostgebiet genommen werden. Bei einer<br />

kurzen Übersicht dürfte es sich empfehlen, bei dem jüngsten Elemente den<br />

Anfang zu machen. Und das sind wohl die Magyaren. Gegenwärtig gibt es<br />

auf dem ganzen ostslovakischen Sprachgebiet keine magyarische Ortschaft.<br />

Der Verfasser nimmt zwar an, daß es im XIII. Jahrh. in der Zips, im Saris<br />

und auch Abauj eine magyarische Einwohnerschaft gab; es ist jedoch zweifelhaft,<br />

ob Namen von Amtspersonen und Ortschaften, welche in öffentlichen<br />

Urkunden (aus dem XIII. Jahrh.) vorkommen, geeignet sind, das Vorhandensein<br />

einer kompakteren magyarischen Einwohnerschaft zu beweisen. Ich<br />

halte diese Beweise für unzureichend. Höchst wichtig war die deutsche Kolonisation,<br />

die von den ungarischen Königen im XII. Jahrh. eingeleitet und dann<br />

besonders im XIII. Jahrh. gefördert wurde. Die Nachkommen dieser deutschen<br />

Kolonisten haben sich bis auf den heutigen Tag erhalten.<br />

Doch läßt<br />

sich nicht behaupten, daß ihre Sprache irgend einen Einfluß auf die einheimischen<br />

slavischen Dialekte ausgeübt hat. Von den Slaven der Zips scheinen<br />

die Kleinrussen die spätesten Ansiedler zu sein. Aus den sorgfältigen Beobachtungen<br />

St. Misiks ergibt sich, daß keine der kleinrussischen Gemeinden<br />

vor dem XIV. Jahrh. erwähnt wird. Und da diese Gemeinden noch heutzutage<br />

in den unzugänglichsten und unfruchtbarsten Gegenden der Zips liegen,<br />

so ist wohl an ihrer späteren Entstehung nicht zu zweifeln. Und ähnlich mag<br />

es auch in den südlichen und westlichen Teilen des Sariser Komitats der<br />

Fall sein. Im Norden und Nordosten des Sariser und Zempliner Komitats beginnt<br />

jedoch schon eine kompakte kleiurussische Bevölkerungsschichte, die<br />

mit Galizien zusammenhängt. Hier handelt es sich um eine Überflutung von<br />

Norden aus, über deren Anfang die Meinungen geteilt sind. Doch beschäftigt<br />

diese Frage den Verfasser nur nebenher. Viel mehr Aufmerksamkeit widmet<br />

er den beiden andern slavischen Volkselementen, dem polnischen und slovakischen,<br />

welche namentlich auf dem Boden der Zips als die ältesten Bewohner<br />

anzusehen sind. In bezug auf ihr gegenseitiges Verhältnis stellt der Verfasser<br />

den Satz auf, daß die ursprünglichen slavischen Bewohner des Gebietes bis<br />

zum Flusse Topla im Sariser Komitat — und das ist das Gebiet seines reinen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!