Slavische Philologie - Archiv

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130 Kritischer Anzeiger. Alexandri oder Withaudi oder lithuanicus, z.B. (eine Stelle von vielen): universus regixs excrcitus Zindramo .. dirigente, lithuanicus vero solo duce magno Alexandro ordinante u.s.w. ; exerciiunm recjis et ducis Alexandri scheidet er immer. Wenn somit Dlugosz ausdrücklich angibt, daß das königliche Heer die Nationalhymne Bogarodzica sang, aber das litauische Heer früher angriff, so kann niemand zweifeln, daß es nur die Polen des Königs waren, die die Bogarodzica, ihr carmen patrium, sangen: hätten die Polen des Königs zusammen mit den Eussen (Litauern, Tataren) des Witowt die Bogurodzica) gesungen, so hätte Dlugosz gesagt: exercitus regius et lithuanicus carmen patrium etc.. was ihm nicht im Traume eingefallen ist; dem Dlugosz, vergesse man nicht, waren ja die Schismatiker und Heiden (Tataren) ein Gräuel, ihm, dem starrsten Römling des XV. Jahrh. in Polen. Schon am 9. Juli, als zum ersten Male die Fahnen auf preußischem Boden entfaltet wurden, hatte ja der universus exercitus patrium carnum Boga Jinihicza coepit voeiferari — auch hier ist unter universus exercitus das polnische zu verstehen, wie in dem Kapitel »von der Predigt des Plozker Bischofs an die Polen* es heißt: episcopus sermonem in rulgari jmlonico apud nnivcrsurn exercitum habuit; vom patrium carmen brauchte ja Dlugosz das in vulgari polonico nicht anzuführen, weil das Zitat Boga R. hinlänglich über die Sprache orientierte. Das ist somit der einzige Beweis des Dr. Szczurat dafür, daß nicht die Polen, sondern die Russen und Tataren und heidnischen Litauer, denn aus ihnen bestand ja das litauisch-russische Heer, die Bogarodzica als ihr patrium carmen angestimmt haben!! Er nahm einen erlogenen Bericht aus der Chronik des Bychowiec (2. Hälfte des XVL Jahrh.) hinzu, um zu beweisen, daß die Litauer früher angegriffen haben (aber das sagt ja schon Dlugosz ausdrücklich und es war nicht nötig, die Lügen des Bychowiec dafür aufzurühren!), folglich auch — gesungen haben; der König hörte ja die Messe, statt in den Kampf zu gehen u.s.w. Die ganze Mühe Szczurats mit Bychowiec war völlig unnütz, denn Bychowiec erzählt ja gar nichts von dem Liedsingen, worauf allein es ankäme ; er erzählt nur, daß die Litauer zuerst angegriffen haben (wie Dlugosz), und lügt dann auf eigene Faust weiter. Sollte sich jemand daran stoßen, daß ich so ungeniert von »Lügen« des Bychowiec spreche (russische Historiker sprechen bei ihm von »Entstellungen und Erfindungen« — mno^estwo legend iska^ennych wymyslami sammelte er, sagte Antonowicz), so kann ich vielleicht sogar den Grund angeben, warum »Bychowiec« die ganze Darstellung (Fortsetzung des Kampfberichtes) erlogen hat. Am Tage von Grunwald nämlich haben die Litauer-Russen schrecklich schlecht abgeschnitten : wohl griff zuerst ihr Flügel an, aber er wurde im ersten Anlauf so von dem Ordensflügel zersprengt, daß er in wildester Auflösung — nur 300 Smolensker schlugen sich zu den Polen durch — geflohen ist bis nach Litauen hinein ! Diese schmähliche Flucht der Russen an dem entscheidendsten Tage hat man in Polen nicht vergessen. Als nun eines schönen Tages, auf dem Reichsrat von 1563, der Wojewode von Wilno, Mikolaj Radziwil, ein grimmer Feind der Union, wie alle litauische Magnaten (schon weil sie den mittleren und kleinen Adel gegen sie aufkommen ließ), eine seiner hochtrabenden Reden hielt, die alte Waffengenossenschaft der Polen und Litauer

; Bogurodzica, angez. von Brückner. 131 pries und sich dafür auf die mittelalterliche »preußische Hymne c berief, wo es heiße, H^j Polanie z Bogiem na nie Bo nam Litwy nie dostanie (Hei Polen, mit Gott auf den Orden los, denn schon läßt uns Litauen im Stich), da warf ihm mit Recht der Krakauer Kastellan, Martin Zborowski, ein, Ba, Litivy nie dnstawa, ho hyla ucieklu\ Der schmählich blamierte Wojewode schimpfte nun weidlich auf die — verlogenen Historiker, auf den Kromer! aber seitdem hat er die »preußische Hymne« nie wieder zitiert. Das verschnupfte nun stark in Litauen, diese fatale Erinnerung an die schmähliche Flucht, und darum ist im »Bychowiec« das Blaue vom Himmel heruntergelogen worden: wie die Litauer allein gekämpft, die meisten Polen nur ganz untätig zugesehen hätten U.S.W. An diese Lügen des »Bychowiec« hat sich nun würdig die »Erfindung« des Dr. Szczurat angeschlossen. Ebenso schön wie sein historischer Beweis ist sein philologischer, nur kann ich mich hierbei kürzer fassen, weil hier die Verkehrtheit rascher zu greifen ist. Der polnische Text von 1410 ist nach ihm wörtlich aus dem russischen abgeschrieben, daher sein naplen (erfülle) aus russ. naplxui. — wie reimt sich damit, daß der ganze Text das reinste Altpolnisch bietet? naplen ist Schreibfehler für naiieln, wie es in diesem Texte auch noch andere Schreibfehler gibt, z. B. spivczi für spusci. Noch schöner ist der russische Text Szczurats : er bot neben einem starren kirchenslavischen naphnb (unmöglicher Imperativ, nebenbei gesagt) ein bogurodzica, womit der intelligente, d. h. kirchenslavisch geschulte Weißrusse das bogorodice ersetzt hat : sein akanje erklärt nämlich das a für e, sein dzekanje erklärt das dz für d, und das ukanje — den Terminus setze ich hinzu — das u für o ; es hat somit einen (intelligenten) Weißrussen im XIV. Jahrh. geben können, der statt des dogmatischen Bogorodice ein bogurodzica schreiben konnte! Genug des Unsinnes. Ich benütze die Gelegenheit, um etwas zur Sprache zu bringen, was der Bogurodzica fern liegt, aber fürs Archiv interessant ist. Der von Szczurat »erfundene« russische Text wimmelt nämlich trotz aller Präparierung von Polonismen gröbster Art iim XIV. Jahrb., in Polozk, wohin noch nichts polnisches damals gedrungen war !) und Szczurat ging auf die Suche nach einem russischen Text, der auch solche Polonismen [matko,przebyt Weilen u.a.) enthalten würde, ohne die sich seine »Erfindung« nicht halten könnte. Er fand wirklich einen solchen Text — die Dreikönigslegende, die »weißrussische« er verschwieg aber wohlweislich seinen unkritischen Lesern, daß diese Legende aus dem Anfange des XVI. (oder Ende des XV.) Jahrh. nur eine wörtliche Abschrift aus dem Polnischen darstellt, somit für einen Polozker Text des XIV. Jahrh. gar nicht verwendet werden darf Dazu will ich nun eine Bemerkung machen. Bekanntlich ist die »weißrussische« Handschrift (Petersburg, Öflf. Bibl., Slavisch Quarto I, Nr. 391) unlängst herausgegeben, ihre »Strasti Christowy« von Tupikow-Sobolewskij, 1901, ihre »Powiesf o trech korolach-wolchwach« von Peretc 1903 (Nr. 140 und 1.50 der Pamiatniki des OLDP); ihre Alexiuslegende , Schluß der Handschrift, hatte schon Wladimirow im ZMNP. 1887, Oktober, abgedruckt. Über die Sprache der Handschrift handelte E. Karakij in den Izwiestija etc. 1897 (II), 4, S. 964—1036; leider ist 9*

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Bogurodzica, angez. von Brückner. 131<br />

pries und sich dafür auf die mittelalterliche »preußische Hymne c berief, wo<br />

es heiße, H^j Polanie z Bogiem na nie Bo nam Litwy nie dostanie (Hei Polen,<br />

mit Gott auf den Orden los, denn schon läßt uns Litauen im Stich), da warf<br />

ihm mit Recht der Krakauer Kastellan, Martin Zborowski, ein, Ba, Litivy nie<br />

dnstawa, ho hyla ucieklu\ Der schmählich blamierte Wojewode schimpfte nun<br />

weidlich auf die — verlogenen Historiker, auf den Kromer! aber seitdem hat<br />

er die »preußische Hymne« nie wieder zitiert. Das verschnupfte nun stark in<br />

Litauen, diese fatale Erinnerung an die schmähliche Flucht, und darum ist im<br />

»Bychowiec« das Blaue vom Himmel heruntergelogen worden: wie die Litauer<br />

allein gekämpft, die meisten Polen nur ganz untätig zugesehen hätten<br />

U.S.W. An diese Lügen des »Bychowiec« hat sich nun würdig die »Erfindung«<br />

des Dr. Szczurat angeschlossen.<br />

Ebenso schön wie sein historischer Beweis ist sein philologischer, nur<br />

kann ich mich hierbei kürzer fassen, weil hier die Verkehrtheit rascher zu<br />

greifen ist. Der polnische Text von 1410 ist nach ihm wörtlich aus dem russischen<br />

abgeschrieben, daher sein naplen (erfülle) aus russ. naplxui. — wie reimt<br />

sich damit, daß der ganze Text das reinste Altpolnisch bietet? naplen ist<br />

Schreibfehler für naiieln, wie es in diesem Texte auch noch andere Schreibfehler<br />

gibt, z. B. spivczi für spusci. Noch schöner ist der russische Text Szczurats<br />

: er bot neben einem starren kirchenslavischen naphnb (unmöglicher Imperativ,<br />

nebenbei gesagt) ein bogurodzica, womit der intelligente, d. h. kirchenslavisch<br />

geschulte Weißrusse das bogorodice ersetzt hat : sein akanje erklärt<br />

nämlich das a für e, sein dzekanje erklärt das dz für d, und das ukanje — den<br />

Terminus setze ich hinzu — das u für o ; es hat somit einen (intelligenten)<br />

Weißrussen im XIV. Jahrh. geben können, der statt des dogmatischen Bogorodice<br />

ein bogurodzica schreiben konnte! Genug des Unsinnes.<br />

Ich benütze die Gelegenheit, um etwas zur Sprache zu bringen, was der<br />

Bogurodzica fern liegt, aber fürs <strong>Archiv</strong> interessant ist. Der von Szczurat<br />

»erfundene« russische Text wimmelt nämlich trotz aller Präparierung von<br />

Polonismen gröbster Art iim XIV. Jahrb., in Polozk, wohin noch nichts polnisches<br />

damals gedrungen war !) und Szczurat ging auf die Suche nach einem<br />

russischen Text, der auch solche Polonismen [matko,przebyt Weilen u.a.) enthalten<br />

würde, ohne die sich seine »Erfindung« nicht halten könnte. Er fand<br />

wirklich einen solchen Text — die Dreikönigslegende, die »weißrussische«<br />

er verschwieg aber wohlweislich seinen unkritischen Lesern, daß diese Legende<br />

aus dem Anfange des XVI. (oder Ende des XV.) Jahrh. nur eine wörtliche<br />

Abschrift aus dem Polnischen darstellt, somit für einen Polozker Text<br />

des XIV. Jahrh. gar nicht verwendet werden darf Dazu will ich nun eine Bemerkung<br />

machen.<br />

Bekanntlich ist die »weißrussische« Handschrift (Petersburg, Öflf. Bibl.,<br />

Slavisch Quarto I, Nr. 391) unlängst herausgegeben, ihre »Strasti Christowy«<br />

von Tupikow-Sobolewskij, 1901, ihre »Powiesf o trech korolach-wolchwach«<br />

von Peretc 1903 (Nr. 140 und 1.50 der Pamiatniki des OLDP); ihre<br />

Alexiuslegende , Schluß der Handschrift, hatte schon Wladimirow im<br />

ZMNP. 1887, Oktober, abgedruckt. Über die Sprache der Handschrift handelte<br />

E. Karakij in den Izwiestija etc. 1897 (II), 4, S. 964—1036; leider ist<br />

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