23.02.2018 Aufrufe

Slavische Philologie - Archiv

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

1 28 Kritischer Anzeiger,<br />

heil. Kinga, die in entscheidenden Augenblicken ihres Lebens die Hilfe von<br />

Maria und dem Täufer erflehte und erhielt, die nötige Erklärung und gründete,<br />

unter anderem, auch darauf meine Kombination (oder, falls es jemand vorzieht,<br />

meinen Roman) von dem Beichtvater Boguchwal und der heil. Kinga.<br />

Die Verbindung von Maria und dem Täufer gewährt aber auch einen anderen<br />

Ausblick. Ich berufe mich auf die Ausführungen von Golubinskij I, '2, 195<br />

und 212: >die hauptsächlichste iind ursprünglichste ikona, ohne die die orthodoxe<br />

Kirche nicht denkbar ist, ist das zqiuöocfioy bei den Griechen, deisus bei<br />

den Russen, d. i. der Heiland zwischen Muttergottes und Täufer; der Name<br />

deisus ist vielleicht griech. äirjaig molenije, weil die Mutter Gottes und der<br />

Täufer auf der ikona w molitwiennom po otnoszeniju k spasitielu poloienii<br />

dargestellt werden«. Spiegelt sich nicht der deisus in dieser Zusammenstellung<br />

derBogurodzicastrophen wieder? Hierzukommt noch eines. Der Biograph der<br />

heil. Kinga berichtet von ihrer Gewohnheit, quod ob reverentiam resurrectionis<br />

dominicae semper die dominico primam sororem, quam sibi obviam habuit<br />

(im Sandezer Kloster), affabatur ei, dicens, Surrexit Christus vere, respondente<br />

sorore, Vere surrexit, et felix domina nimio gaudio respersa sorori osculum<br />

aflfectuose praebebat : wer erinnert sich da nicht des Osterkusses und des Vo<br />

istinu voskrese der Russen, mag es auch nicht jeden Sonntag, sondern nur<br />

am Ostersonntag Statt haben, mag auch Fijalek (S. 373) für ältere Zeiten<br />

auch in der römischen Kirche ähnlichen Brauch (auch nur für den Ostertag)<br />

belegen.<br />

Ich nenne dies alles russische Reminiszenzen oder Einflüsse oder Muster,<br />

für die in Kleinpolen und speziell im Klarissinenkloster zu Sandez es vollauf<br />

Gelegenheit gab, schon durch die engen Verwandtschaftsverhältnisse der<br />

polnischen und Haliczer Fürsten : die eigene Schwester der heil. Kinga war<br />

ja Gemahlin des Haliczer Lew (Sohn des Danilo);<br />

die Tochter dieses Lew ist<br />

ja als Klarissin im Kloster ihrer Tante gestorben (Swiatoslawa, gest. 1302;<br />

deren Geschwister, Jurij u. a., waren polnisch verheiratet, und Marja, die<br />

Tochter des Jurij, heiratete wieder einen masovischen Fürsten) : von einem<br />

Glaubenshaß kann keine Rede sein — nicht umsonst kam denn auch schließlich<br />

der Masovier, der Sohn der Marja, auf den Haliczer Fürstenstnhl. Also<br />

russische Vorbilder und Muster sind für Kinga und die Bogurodzica nicht undenkbar<br />

— aber ich will nicht streiten, vielleicht sind dies nur Irrlichter, haltlose<br />

Kombinationen.<br />

Auf diese, richtige oder unrichtige, jedenfalls ernste und gewissenhafte<br />

Studien folgte, wie auf die Tragödie das Satyrspiel, das Buch von Dr. W.<br />

Szczurat, Grunwaldska pisnia (Bogurodzica), pamiatka zapadnoruskoi literatury<br />

XIV w., Zowkwa 190G, .52 S. Sein Verfasser hatte den Gegenstand in<br />

einem Lemberger Vortrag behandelt; ein kurzer Zeitungsbericht (aus dem<br />

Dilo) kam mir zu Händen und darauf erstattete ich eine vorläufige Anzeige<br />

im <strong>Archiv</strong> XXVIII, 556; ich hatte angenommen, daß der Verf. in jenen Gedankenkreisen<br />

sich bewegen werde, die ich oben ausführte.<br />

Statt dessen behauptete<br />

er, der älteste Text der polnischen Bogurodzica wäre nur eine sklavisch<br />

genaue Transkription des originalen russischen; dieses Original entstamme<br />

dem XIV. Jahrh., weißrussischen gebildeten Kreisen (es wird auf

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!