Slavische Philologie - Archiv

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126 Kritischer Anzeiger. vom göttlichen iviecc, vom starosta pkiehty (genau wie die böhmischen Generaletarosten, die die Przemysliden in Polen nach 1300 einführten); vom hozy kmie6 (Adam, förmlich baro, weil er im tviece = coUoquium der Himmelsgroßen sitzt — nebenbei bemerkt, verteidigt und erläutert Matthäus von Koscian in seinem Kommentar zur Bogurodzica vom J. 1543 gerade die Nennung des Adam als eines Heiligen am ausführlichsten, man muß sich offenbar später daran gestoßen haben) ; von der djabla stroza [stmza war der Terminus technicus in Polen für das Servitut der custodia arcium). Dann will ich auch über Sinn und Bedeutung dieser Strophen, die von allen bisherigen Erklärern (Pilat, Heck u. a.) verkannt wird, mich hier äußern. Den Text dieses Osterliedes (Strophe 3— 13) gibt die zweite Krakauer Handschrift in einer Niederschrift von circa 1420— 1430 sehr genau wieder; Heck hat ihn sorgfältig abgedruckt, doch steht in der Handschrift przesz, mchi przc in Strophe 3 und odyal, nicht odyel; in Strophe 4 fwpomonal; charakteristisch ist die Schreibung moyczq, grzeyßne, peyczq (neben peczq). Und nun der Sinn : Strophe 3 ist klar, der Gottessohn ist auferstanden, hat durch seine Qual sein Volk dem Teufel entrissen. Strophe 4 : Przydal nam zdrowia wiecznego (in der Osterpraefatio heißt es : vitam reparavit), staroste skowal pkielnego (hat den Generalstarosten der Hölle gefesselt — nach dem evang. Nicodemi); das folgende smierr podjqt, hat den Tod erlitten, ist dagegen einfach unmöglich; wie kann ja der Heiland erst den Teufel fesseln und dann den Tod erleiden ; als er den Teufel fesselte, war ja sein Tod auf dem Kreuzesholze bereits längst vorüber und kann nicht darnach erst genannt werden; wir dürfen den mittelalterlichen Dichter, der seine Worte wohl abwog, nicht ohne weiteres eines logischen Widersinnes bezichtigen. Der Sinn verlangt und die Aufeinanderfolge der Tatsachen im evangel. Nicodemi beweist es evident: Christus fesselte den Teufel, besiegte (aber nicht: erlitt!) den Tod und gedachte des ersten Menschen; in der Osterpraefatio heißt es auch: Qui (Christus) mortem destruxit ; smierc podjql muß daher heißen : hob auf den Tod (oder pojqt fesselte ?). Die »Erwähnung des ersten Menschen« (an dessen Stelle nach dem evang. Nicodem. der Generalstarosta gefesselt wird), wird nun in Str. 5 ausgeführt: Welcher wahrlich Mühe litt, »in seiner Demut (::as»(2er«te) noch nicht ausgestritten hatte«, bis Gott selbst auferstand; an denselben wendet sich Str. 6 (Adam, du baro Gottes, sitzest beim Herrn im colloquium, schaffe deine Kinder dorthin, wo die Engel thronen, was Str. 7 als Bitte an Christus wiederholt: dasselbe schaffe uns Jesu), aber beide lose Strophen (6 und ') unterbrechen nur den Zusammenhang, denn es heißt in Str. 8, als Fortsetzung von 5: hyly radosci byly mUosci (ich vermutete, daß dies plur. tant. wären, wie kleinruss.radoszczy u.a., deliciae u.s.w.), bylo widzenie tioorca angielskie hezhonca, tue sie nam swidziaio (vgl. serbokroat. svidjati se ; spätere Texte haben zjawiio) djable potepienie. Gerade der Text dieser Strophe ist bisher falsch verstanden. So sagte z. B. Pilat (S. 68, Anm.): Liebe, Freude, endloses Sehen des Schöpfers durch Engel war da (vor Adams Sündenfall, also im Himmel), aber im Jammertal (auf Erden) erschien den Menschen (uns) die Verdammung des Teufels. Bei Heck (S. 27) heißt es sogar: Adam genoß die Freuden (des Paradieses) und Gottes Anblick, aber auf Erden die Men-

Bogurodzica, angez. von Brückner. 127 sehen lagen noch in ewiger Verdammnis, bis Christus auferstand: Heck scheint somit dem Dichter die dogmatische Unmöglichkeit zuzumuten, als ob Adam schon vor Christi Auferstehung im Paradiese hätte sein können — er war ja doch in der Hölle und litt da trudy !! Der Sinn der >>. Strophe bezieht sich nur auf die Vorhöllenszene : im evangel. Nicodemi sagt ja Christus zu den Heiligen: gehet alle zu mir, ihr habt gesehen den besiegten und verdammten Teufel — iud si^ nam zwidziaio djable pot{'pienie ! Es war somit eitel Jubel und Freude und endloses Betrachten des Herrn, den ja 11000 vom Ölberge her besangen und Engel umstanden, und gleichzeitig erschien des Teufels Verdammnis. Also Strophe 6 und 7 zerreißen den Zusammenhang von Strophe 5 und 8, die eng zusammengehören, dieselbe Situation (des triumphierenden Christus in der Vorhölle, oder nach dem Osterresponsorium : Cum rex gloriae Christus infernum debellaturus intraret etc.) ausmalen; aber daraus folgt noch durchaus nicht, daß man etwa ihre Stellen vertauschen müsse, daß auf Strophe 5 die 8. folgen solle : denn die Aufeinanderfolge dieser polnischen Tropen, die man sich zwischen den Zeilen der lateinischen Ostersequenz gesungen denken muß, war eine völlig lose ; das Lose des Zusammenhanges bezeugen dann die folgenden, völlig losen Strophen (9— 12) zur Genüge. Erst die spätere Zeit (Mitte des XV. Jahrh.) stieß sich an dieser Losigkeit: um einen ordentlichen Zusammenhang zu schaffen, änderte man das Byia-hyta von Strophe 8 zu Tarn- tarn und gewann einen sehr guten Gegensatz (schaffe uns Jesu ins Himmelreich — dort ist lauter Lust und Freude, hier — auf Erden — Teufels Verdammnis) ; noch später traf man eine viel einschneidendere Änderung, änderte Nas dla wstat z martwych von Strophe 4 zu Narodzii si§ dla nas. Wie eben erwähnt, die folgenden, ganz losen Strophen (9—12) bieten keinerlei Schwierigkeit mehr, dafür spricht man in Strophe 9 von einer Übersetzung aus dem Böhmischen, dai Bog przeMoc sohle rpce nodze obie na zhawienie tohie soll aus dem böhmischen dal pmkluti sohe ruce noze ohe na spaseine tobe entlehnt sein. Das ist grundfalsch, richtig hat Fijalek bewiesen, daß der polnische und böhmische Text unabhängig von einander auf die 2. Strophe des lateinischen Osterliedes Dens omnipotens zurückgehen: pedes manus latus dedit perforare volens nos salvare. Auf dasselbe lateinische Osterlied geht dann das älteste polnische und deutsche Osterlied [Chrystus zmartwych wslalje etc., Text schon von 1364 und >Christ ist erstanden«) zurück. In einer völlig anderen Richtung bewegten sich Kombinationen über Muster und Anstoß zur ältesten Bogurodzica, die ich in meinem Buche, Dzieje j^zyka polskiego (Lemberg 1906, S. 23), notierte, kurz und unvollständig, was ich hier ergänzend ausführe. Es fielen mir nämlich seit jeher »russische« Reminiszenzen in der Bogurodzica, mit Recht oder Unrecht, lasse ich es dahingestellt, auf. Eine, die Bogurodzica = Bogorodica der russischen Kirche, habe ich bereits oben erwähnt und zu ihrer Erklärung reicht mir nicht hin, daß die Krakauer Kirche noch bis ins XVI. Jahrh. die Mutter Gottes O-eoxöxos (mit diesem griechischen Ausdrucke, s. Fijaiek S. 186), mit Vorliebe bezeichnete. Hierzu kommt anderes. Wie bekannt, rufen die beiden Strophen des Liedes Maria und Johannes den Täufer als Fürbitter bei dem Heiland an. Mich frappierte nun gerade diese Verbindung ; ich fand für sie in der Legende von der

Bogurodzica, angez. von Brückner. 127<br />

sehen lagen noch in ewiger Verdammnis, bis Christus auferstand: Heck<br />

scheint somit dem Dichter die dogmatische Unmöglichkeit zuzumuten, als ob<br />

Adam schon vor Christi Auferstehung im Paradiese hätte sein können — er<br />

war ja doch in der Hölle und litt da trudy !! Der Sinn der >>. Strophe bezieht<br />

sich nur auf die Vorhöllenszene : im evangel. Nicodemi sagt ja Christus zu<br />

den Heiligen: gehet alle zu mir, ihr habt gesehen den besiegten und verdammten<br />

Teufel — iud si^ nam zwidziaio djable pot{'pienie ! Es war somit eitel Jubel<br />

und Freude und endloses Betrachten des Herrn, den ja 11000 vom Ölberge<br />

her besangen und Engel umstanden, und gleichzeitig erschien des Teufels<br />

Verdammnis. Also Strophe 6 und 7 zerreißen den Zusammenhang von Strophe<br />

5 und 8, die eng zusammengehören, dieselbe Situation (des triumphierenden<br />

Christus in der Vorhölle, oder nach dem Osterresponsorium : Cum rex gloriae<br />

Christus infernum debellaturus intraret etc.) ausmalen; aber daraus folgt<br />

noch durchaus nicht, daß man etwa ihre Stellen vertauschen müsse, daß auf<br />

Strophe 5 die 8. folgen solle : denn die Aufeinanderfolge dieser polnischen<br />

Tropen, die man sich zwischen den Zeilen der lateinischen Ostersequenz gesungen<br />

denken muß, war eine völlig lose ; das Lose des Zusammenhanges bezeugen<br />

dann die folgenden, völlig losen Strophen (9— 12) zur Genüge. Erst<br />

die spätere Zeit (Mitte des XV. Jahrh.) stieß sich an dieser Losigkeit: um<br />

einen ordentlichen Zusammenhang zu schaffen, änderte man das Byia-hyta<br />

von Strophe 8 zu Tarn- tarn und gewann einen sehr guten Gegensatz (schaffe<br />

uns Jesu ins Himmelreich — dort ist lauter Lust und Freude, hier — auf Erden<br />

— Teufels Verdammnis) ; noch später traf man eine viel einschneidendere<br />

Änderung, änderte Nas dla wstat z martwych von Strophe 4 zu Narodzii si§<br />

dla nas. Wie eben erwähnt, die folgenden, ganz losen Strophen (9—12) bieten<br />

keinerlei Schwierigkeit mehr, dafür spricht man in Strophe 9 von einer Übersetzung<br />

aus dem Böhmischen, dai Bog przeMoc sohle rpce nodze obie na zhawienie<br />

tohie soll aus dem böhmischen dal pmkluti sohe ruce noze ohe na spaseine<br />

tobe entlehnt sein. Das ist grundfalsch, richtig hat Fijalek bewiesen, daß<br />

der polnische und böhmische Text unabhängig von einander auf die 2. Strophe<br />

des lateinischen Osterliedes Dens omnipotens zurückgehen: pedes manus latus<br />

dedit perforare volens nos salvare. Auf dasselbe lateinische Osterlied<br />

geht dann das älteste polnische und deutsche Osterlied [Chrystus zmartwych<br />

wslalje etc., Text schon von 1364 und >Christ ist erstanden«) zurück.<br />

In einer völlig anderen Richtung bewegten sich Kombinationen über<br />

Muster und Anstoß zur ältesten Bogurodzica, die ich in meinem Buche, Dzieje<br />

j^zyka polskiego (Lemberg 1906, S. 23), notierte, kurz und unvollständig, was<br />

ich hier ergänzend ausführe. Es fielen mir nämlich seit jeher »russische« Reminiszenzen<br />

in der Bogurodzica, mit Recht oder Unrecht, lasse ich es dahingestellt,<br />

auf.<br />

Eine, die Bogurodzica = Bogorodica der russischen Kirche, habe<br />

ich bereits oben erwähnt und zu ihrer Erklärung reicht mir nicht hin, daß die<br />

Krakauer Kirche noch bis ins XVI. Jahrh. die Mutter Gottes O-eoxöxos (mit<br />

diesem griechischen Ausdrucke, s. Fijaiek S. 186), mit Vorliebe bezeichnete.<br />

Hierzu kommt anderes. Wie bekannt, rufen die beiden Strophen des Liedes<br />

Maria und Johannes den Täufer als Fürbitter bei dem Heiland an. Mich frappierte<br />

nun gerade diese Verbindung ; ich fand für sie in der Legende von der

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