Slavische Philologie - Archiv

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j 22 Kritischer Anzeiger. Nestorijewa jeres' stat. o Frjaziech 10) ; dazu fügt Gotubinskij die bezeichnenden Worte hinzu: >Sie heißt bei den Katholiken wirklich nicht Bogorodica, sondern heil. Maria; das unserem oder dem Otozö-Aog entsprechenden Bogorodica gibt es bei ihnen nicht und wenn sie es ausdrücken wollen, so sagen sie mater Dei«. So konnte auch diese Beschuldigung der Nestorianischen Häresie (Maria ist nur die Mutter des Menschen Christus) aufkommen; so entfernt sich die Bogurodzica als ein una'E. slnr^fiivou von dem katholischen Sprachgebrauch in Polen und man darf dagegen wieder ein einmaliges, gelegentliches Vorkommen im Altböhmischen nicht einwenden: das Anheben des ältesten, längere Zeit einzigen nationalen Kirchenliedes mit diesem Terminus gerade, fällt ganz anders ins Gewicht. Und bekanntlich gibt es auch andere «;r«| eiQTjjuira in diesem Liede. Das in seiner Urform nur aus zwei Strophen bestehende Lied ist erst spät überliefert, die älteste Aufzeichnung stammt von 1410, was natürlich nichts beweist; die älteste Aufzeichnung der polnischen Hauptgebete ist auch nicht älter und doch waren diese Texte schon zu Anfang des XI. Jahrh. vorhanden, betete sie ja doch Mieszka H. nach dem Zeugnis der Lothringerin (um 1028)! Die Predigtbände des XV. Jahrh. erwähnen das Lied öfters, leider begnügen sie sich mit dem ersten Worte, z. B. in einer Breslauer Handschr. vom J. 1450 heißt es in der Weihnachtspredigt: si aliquid volumus audire de dignitate istius diei et de nativitate filii Dei, dicamus hanc orationem devotis cordibus bogarodzyca etc. — gerade nur zur Weihnachtszeit wurde die Bogorodzica noch in vielen kujavischen Kirchen im J. 1598 (Visitation des Bischofs Rozrazewski) gesungen ; andere Zitate des XV. Jahrh. übergehe ich. Ebenso erwähnen die Urkunden nur das erste Wort (was freilich vollkommen genügte, es gab ja nirgends ein anderes Lied oder Gebet mit diesem Worte!), z.B. nach einem (echten!) Diplom für das kleinpolnische Städtchen Biecz vom J. 1 553 erhielt der Schulrektor antiquos proventus für das Singen der Bogarodzica (und Salve regina) in der Pfarrkirche. Desto zahlreicher sind bekanntlich Handschriften des XV. und Drucke des XVL und XVH. Jahrh., um von modernen zu schweigen; desto zahlreicher sind die Erwähnungen bei Historikern, Zeitgenossen (des XV. und XVI. Jahrh.l, apologetische und polemische Kommentare eines Matthäus von Koscian (1543), Herbest, Skarga, Wujek, Krainski u. a. Und desto zahlreicher sind Arbeiten der Modernen, von denen ja so manche, z. B. die von Nehring oder von Franko gerade das Archiv gebracht hat; desto größer ist unsere Verpflichtung, unsere Leser über den Stand der Forschung auch auf diesem Gebiete auf dem Laufenden zu erhalten. Mir, als dem Spezialreferenten für polonica, lag diese Pflicht besonders ob; ich habe sie Archiv XXVIII, 555 f nicht ganz erfüllt und trage versäumtes nach. Anknüpfend an die trefi"liche Deutung, die der lange völlig verkannte Anfangsvers der zweiten Strophe durch Dr. Franko im Archiv gefunden hatte, hatte ich in Bibl. Warsz. 1901, Okt., S. 81— 106, und in Llteratura religijua I. (Warschauer christliche Bibliothek, Juni 1902), S. 144— 178, eine neue Lösung des Problems gegeben, den Beichtvater der Krakauer Fürstin, der heil. Kinga, den Franziskanermöuch Boguchwal, in ihrem Kloster von Alt-

Bogurodzica, angez. von Brückner. 123 Sandez (gest. beide 1292}, für sie oder richtiger für ihre Nonnen, die Klarissinen vonAlt-Sandez, die Bogurodzica abfassen lassen. Meine Annahme wurde vielfach, oft mit geradezu kindischen Mitteln, bekämpft — was halte ich heute, nach Jahren, von ihr? Ich sprach es 1904 aus: Den Hauptteil halte ich völlig aufrecht und bin heute, noch mehr als 1901, von der Richtigkeit meiner Ausführungen überzeugt, aber diese gipfeln gar nicht in den Namen Boguchwal, Alt-Sandez, Kinga (obwohl ich auch diese Einzelnheiten vorläufig gar nicht preiszugeben gedenke!). Meine Hauptausführungen wandten sich ja gegen die späte Ansetzung des Liedes (nach 1350!), und gegen seine Herleitung aus Böhmen — alles andere mag man als romantisches Beiwerk bei Seite schieben, ich habe bewiesen, daß das Lied aus dem XIIL Jahrh. stammt und Original ist. So hat man z. B. die beiden Formen der ersten Strophe siaiviena, zicolena als Bohemismen bezeichnet und darin die Spur der böhmischen Vorlage erkannt. Leider kommt in dem ganzen Text kein weiterer Bohemismus vor; alles, die Nasale z. B., oder c, dz, oder lo, ro, oder g ist tadellos polnisch — es ist einfach undenkbar, daß der polnische Bearbeiter alles aufs beste änderte, g^osy, nahciecie, modlitivp u.s.w. sagte, aber ohne jeden Grund nur slawena swoletia unverändert beließ — die Erfahrung lehrt uns, daß, wo Bohemismen in einem polnischen Texte vorkommen, sie sich nie auf eine einzige lautliche Erscheinung beschränken (z. B. im Flor. Psalter, in der Dorotheenlegende, beim Przeworszczyk, in der Sophienbibel u.s.w.). Zudem, wo ist auch nur die geringste Spur eines solchen böhmischen Textes aufzutreiben? oder ist etwa dziela der zweiten Stiophe {delja, für dla), oder bozt/c (allerdings einmal im Böhmischen belegt, s. Gebauer), so besonders böhmisch? Den Beweis, daß das Lied dem XIIL Jahrh., nicht etwa nach 1350 gehört, erbrachte gleich derselbe Vers : iwego dziela krzciciela, hozyce >Um deines Täufers willen, Gottessohn!«, denn die nächste Strophe (eines später der eig. Bog. Rodz. angefügten Osterliedes des XIV. Jahrh.) beginnt: Nas dla wstat z martwych syn bozy, was ja in der Sprache der vorangehenden Strophe lauten müßte; Nas dziela icstat z martivych bozyc: so sehr entfernt sich das dem XIV. Jahrh. angehörende Osterlied von der eigentlichen Bogurodzica (d.i. von den beiden Anfangsstrophen). In Anbetracht dieser außerordentlichen Altertümlichkeit, die von der sonstigen Art der Kirchenlieder, die stets die neueste Sprache bieten, ganz abweicht, könnte ich das Alter der Bogurodzica eher noch höher hinaufrücken: ich hätte nichts dagegen, wenn man schon das krlesz jiojuszcze (von den Polen im J. 1 245, in der Wolhynischen Chronik) auf die Bogarodzica (wegen ihres krlesz-Eefrains) bezöge — auch in diesem Falle wäre sie ja noch immer ein Jahrhundert jünger, als Hospodine pomiluj, was zur Jugend der polnischen Literatur (gegenüber der böhmischen), wohl passen könnte. Daß sie auch ein Kriegslied werden konnte, beweist wieder ihr hohes Alter. An sich enthält sie ja auch nicht den geringsten Bezug auf Kriegen und Morden, ist nur ein frommes Kirchenlied, Gebet an den Heiland und nichts weiter, genau wie Hospodine pomiluj, das ja nur Bitten um Frieden und Fruchtbarkeit enthält; beide Lieder wurden auch zu Kriegsliedern, nur weil sie längere Zeit eben die einzigen Lieder waren, es keine anderen natio-

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Kritischer Anzeiger.<br />

Nestorijewa jeres' stat. o Frjaziech 10) ; dazu fügt Gotubinskij die bezeichnenden<br />

Worte hinzu: >Sie heißt bei den Katholiken wirklich nicht Bogorodica,<br />

sondern heil. Maria; das unserem oder dem Otozö-Aog entsprechenden Bogorodica<br />

gibt es bei ihnen nicht und wenn sie es ausdrücken wollen, so sagen<br />

sie mater Dei«. So konnte auch diese Beschuldigung der Nestorianischen<br />

Häresie (Maria ist nur die Mutter des Menschen Christus) aufkommen; so entfernt<br />

sich die Bogurodzica als ein una'E. slnr^fiivou von dem katholischen<br />

Sprachgebrauch in Polen und man darf dagegen wieder ein einmaliges, gelegentliches<br />

Vorkommen im Altböhmischen nicht einwenden: das Anheben<br />

des ältesten, längere Zeit einzigen nationalen Kirchenliedes mit diesem Terminus<br />

gerade, fällt ganz anders ins Gewicht. Und bekanntlich gibt es auch<br />

andere «;r«| eiQTjjuira in diesem Liede.<br />

Das in seiner Urform nur aus zwei Strophen bestehende Lied ist erst<br />

spät überliefert, die älteste Aufzeichnung stammt von 1410, was natürlich<br />

nichts beweist; die älteste Aufzeichnung der polnischen Hauptgebete ist auch<br />

nicht älter und doch waren diese Texte schon zu Anfang des XI. Jahrh. vorhanden,<br />

betete sie ja doch Mieszka H. nach dem Zeugnis der Lothringerin<br />

(um 1028)! Die Predigtbände des XV. Jahrh. erwähnen das Lied öfters, leider<br />

begnügen sie sich mit dem ersten Worte, z. B. in einer Breslauer Handschr.<br />

vom J. 1450 heißt es in der Weihnachtspredigt: si aliquid volumus audire de<br />

dignitate istius diei et de nativitate filii Dei, dicamus hanc orationem devotis<br />

cordibus bogarodzyca etc. — gerade nur zur Weihnachtszeit wurde die Bogorodzica<br />

noch in vielen kujavischen Kirchen im J. 1598 (Visitation des Bischofs<br />

Rozrazewski) gesungen ; andere Zitate des XV. Jahrh. übergehe ich. Ebenso<br />

erwähnen die Urkunden nur das erste Wort (was freilich vollkommen genügte,<br />

es gab ja nirgends ein anderes Lied oder Gebet mit diesem Worte!), z.B. nach<br />

einem (echten!) Diplom für das kleinpolnische Städtchen Biecz vom J. 1 553 erhielt<br />

der Schulrektor antiquos proventus für<br />

das Singen der Bogarodzica<br />

(und Salve regina) in der Pfarrkirche. Desto zahlreicher sind bekanntlich<br />

Handschriften des XV. und Drucke des XVL und XVH. Jahrh., um von modernen<br />

zu schweigen; desto zahlreicher sind die Erwähnungen bei Historikern,<br />

Zeitgenossen (des XV. und XVI. Jahrh.l, apologetische und polemische<br />

Kommentare eines Matthäus von Koscian (1543), Herbest, Skarga, Wujek,<br />

Krainski u. a.<br />

Und desto zahlreicher sind Arbeiten der Modernen, von denen ja so<br />

manche, z. B. die von Nehring oder von Franko gerade das <strong>Archiv</strong> gebracht<br />

hat; desto größer ist unsere Verpflichtung, unsere Leser über den<br />

Stand der Forschung auch auf diesem Gebiete auf dem Laufenden zu erhalten.<br />

Mir, als dem Spezialreferenten für polonica, lag diese Pflicht besonders<br />

ob; ich habe sie <strong>Archiv</strong> XXVIII, 555 f nicht ganz erfüllt und trage versäumtes<br />

nach. Anknüpfend an die trefi"liche Deutung, die der lange völlig verkannte<br />

Anfangsvers der zweiten Strophe durch Dr. Franko im <strong>Archiv</strong> gefunden<br />

hatte, hatte ich in Bibl. Warsz. 1901, Okt., S. 81— 106, und in Llteratura religijua<br />

I. (Warschauer christliche Bibliothek, Juni 1902), S. 144— 178, eine neue<br />

Lösung des Problems gegeben, den Beichtvater der Krakauer Fürstin, der<br />

heil. Kinga, den Franziskanermöuch Boguchwal, in ihrem Kloster von Alt-

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