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Slavische Philologie - Archiv

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Bogurodzica, angez. von Brückner. 121<br />

Bogurodzica.<br />

Uralte Denkmäler haben schier unwiderstehliche Anziehungskraft, bieten<br />

der Forschung stets neue Anhaltspunkte, beschäftigen die Phantasie sogar,<br />

reizen sie doch zu immer neuen Kombinationen, Deutungen, Folgerungen.<br />

Wie kurz ist z. B. der Text des Hospodi(ne) pomilyj ny, wie knapp seine<br />

lebende Geschichte, die fast schon im XV. Jahrh. erlischt, und doch, welch<br />

reiche Literatur, welche Fülle von Kontroversen, bis zu der letzten Erwähnung<br />

in <strong>Archiv</strong> XXVIII,61&: man kann ohne weiteres zugestehen, daß >die schöne<br />

Übersetzung des griechischen Rufes im Anfange« kirchenslavischen Ursprunges<br />

ist, nur ist damit noch kein Präjudiz für die folgenden Zeilen geschaflfen,<br />

die nichts Kirchenslavisches mehr verraten.<br />

Und noch interessanter ist die Bogurodzica, schon wegen ihres Umfanges;<br />

wegen ihrer Bedeutung als katechetisches Lied, das alle Grundwahrheiten<br />

des katholischen Glaubens enthält und darum im XVL Jahrh. von der<br />

gesamten polnischen Kirche hoch gehalten ward; wegen ihres Alters endlich.<br />

Heute wird sie nur noch im Gnesener Dome von den Vikarien an Sonn- und<br />

Feiertagen vor dem Hochamt gesungen ;<br />

nicht mehr hängt sie aureis literis<br />

descripta una cum notula in templo arcis Cracoviensis supra tumbam s. Stanislai<br />

in magna tabula, wie dies noch im J. 153U der Fall war; die Versuche,<br />

sie zu beleben, im Heere, beim Volke, in den Schulen, sind schließlich gescheitert,<br />

aber sie bleibt fernerhin das ehrwürdigste Zeugnis polnischer Vergangenheit,<br />

sie eröffnet die gesamte nationale Literatur und leiht ihr weihevollen<br />

Ausdruck: würdiger ist keine Literatur eingeläutet worden.<br />

Es ist ein Text mit sieben Siegeln — gleich über sein erstes Wort<br />

könnte man, nicht eine Abhandlung, sondern ein ganzes Buch schreiben.<br />

Denn wie Hospodine pomiluj ny nicht erst eine böhmische Übersetzung von<br />

Miserere Dominus ist, aus dem XII. Jahrh. etwa, sondern auf den kirchenslavischen<br />

(natürlich ritus romani, s. Kiewer Missal!) Text zurückgeht, so ist<br />

auch Bogurodzica [dziewica] nicht die Übersetzung erst von den Eingangsworten<br />

der Antiphone, Dei genetrix (virgo), sondern von Qeoxöxo; naq&ive<br />

;<br />

Dei genetrix hätte ja nur Boza rodziciel(k)o oder Boza rodziczko übersetzt werden<br />

können, dagegen ist Bogurodzica (warum nicht Bogorodzica, s. u.), das<br />

richtige Femininum zu xhsoxöy.og [*bogorod^), und ich habe mich schon lange<br />

im Stillen gewundert, warum die Verteidiger einer slavischen Liturgie in<br />

Polen sich nicht auch auf dieses so machtvoll einsetzende, kirchenslavische<br />

Man<br />

Bogorodica, ganz im Widerspruche zur katholischen Übung, berufen.<br />

wende ja nicht ein, daß man in den Tausenden lateinischer Marienlieder auch<br />

einmal ein deipara auftreiben kann, d. i. die Erfindung des betreffenden Dichters;<br />

in der katholischen Kirche ist dieser Ausdruck ebenso wenig üblich, wie<br />

er gerade in der griechisch-slavischen ständig ist, dogmatischen Charakter<br />

trägt. Das wußte man und beachtete diesen Gegensatz schon im XI.— XIII.<br />

Jahrh.: unter den Anschuldigungen des Metropoliten Nikephor gegen die<br />

Lateiner (und diese fehlt gerade in seiner Quelle, beim Metropoliten Georg),<br />

finden wir, ich zitiere nach Gohibinskij, preswiatyja vladycicy naseja Bogorodicy<br />

ne nazywajut' Bogorodiceju, no tolko swiatoju Marjeju, czto jest'

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