Slavische Philologie - Archiv
114 Bjritischer Anzeiger. Verf. angibt, vollständig. Es gab ja im Neutrum keine einzige y-Endung (instr. plur. ys)\ im fem. ebensowenig, denn woher weiß der Verf., daß das jedenfalls auf Formenübertragungen vom mask. her beruhende ryhy schon vor dem gen. plur. auf 7. aller Geschlechter da war ? Ja auch im mask. gab es nichts, denn der instr. plur. auf -y(«), die akk. -on[s) und -jen[s) waren vielleicht noch mit dem Auslaut des gen. plur. gleichzeitig, also kein Zusammenfall möglich. Ähnlich meint der Verf. S. 351, daß das s in dusiti geblieben ist, um es nicht mit duch-o zusammenfallen zu lassen, als ob sich die Sprache je an derartige Kautelen kehrte ! Das poln.-böhm. dusiti ist von einem neuen dus abgeleitet, mit dem man z. B. poln. dqsy Launen (zu di>in blasen), gnius u. a. vergleiche. Doch um zu jenem y des akk. plur. zurückzukehren, daß rahy-honjq, ryhy-dusq andere Endungen vertreten, als die westslav. und russ. rahy-konje, ryby-duse, vermag ich nicht zu glauben ; ja, wenn das Westslav.-Euss. ein konf^ hätte, dann würde ich wohl seinem duse Beweiskraft zuschreiben. Wiederum gegen jegliche Chronologie behauptet der Verf., daß slav. cbrky mit seinem y entlehnt wurde, als es noch im deutschen Auslaute ein -ö gab! aber cbrky ist viel zu jung, erst aus dem VIII. Jahrh. nach Chr., und wo gab es da ein deutsches -ö im Auslaute? Bis in späte Zeit dauerte dieselbe Behandlung der Fremdworte, raky, ja sogar noch *draty {dratew, dratvu Draht), ebenso stqgiew, marchetv U.S.W., ininy, rhd^ky u.s.w., die alle kein -ö mehr voraussetzen. Hier muß schärfer unterschieden werden zwischen einer uralten Entlehnung und den jüngeren, die sie nach sich gezogen hat. Endlich kann ich in einer Reihe von Fällen die Ansätze des Verf., wie er die lautlichen Veränderungen vor sich gehen läßt, nicht billigen, am wenigsten die Darstellung der ort olt, tort tolt, tert ("e/^- Gruppen (S. 294—313). Vondräk greift schließlich auf die Erklärungen von G eitler und Joh. Schmidt, mit denen sich auch die von Torbiörnsson im letzten Grunde berührt, zurück — mit einigen Modifikationen, die die Sache nicht besser machen. Und nichts fällt leichter, als den Verf. strikte zu widerlegen. Eine und dieselbe Form muß er nämlich grundverschieden, doppelt erklären, westslav.-russ. radio loketh ist nach ihm durch bloße Umstellung, aber südslav. ralo lakhtb aus *orolo *olok^fb entstanden ! und da es im Südslav. auch noch ein alkati aldija- gibt, so ist auch dieses noch aus *olokati *olodija- entstanden: in lakati hat die Dehnung des zweiten Vokals, in alkati die des ersten stattgefunden (in einer Art von Ersatzdehnung für den Schwund der Doppelsilbigkeit des oh) ! Nicht einmal das Russische mit seinem Volllaute kennt olo, oro, ere im Anlaut, und nun wird der dem Südslavischen im Inlaute fremde Volllaut auch noch dem Anlaut angedichtet! Ja, meint der Verf, es gibt solche Volllautformen, z.B. Jeloib, olovo. Hier widerlegt er sich ja selbst, denn wenn olovo Volllautform (aus *olvo) ist, so beweist die Erhaltung des olo (kein *lavo und kein *alvo), daß weder ein alkati noch ein lakati auf ein *olokati zurückgehen können, und ähnliche Deutungen, eines kattiy aus *okom5n, eines na aus *ono, eines oto u.s.w., weisen wir ebenso zurück. Nun die Erklärung des russischen Volllautes : weil die Russen kein trt dulden [pen-yj, gordyj etc.), 80 mußten sie auch ein tnrot vorziehen! Aber die Polen behandeln trt ebenso wie die Russen und doch haben sie anstandslos ein trot ! Im Inlaute (nicht im
Vondräk, Vergl. slav. Grammatik, angez. von Brückner. 115 Anlaute, s. o.), nimmt der Verf. überall ein oro u.s.w. an; was er dadurch gewinnt, ist nicht einzusehen, denn es bleibt doch dieselbe Dreifachheit der Behandlung, neben russ. torot ergibt sich südslav.-böhm. fmt trat und poln. (ohne Längung) frot trot: da fahre ich doch jedenfalls ungleich sicherer, wenn ich poln. tort ebenso zu trot werden lasse, durch bloße Umstellung, ohne irgendwelche Chikanen, wie der Verf. im Anlaute poln. rot aus ort, ohne Umschweife, durch bloße Umstellung, hat entstehen lassen; ebenso verfahre ich mit dem Südslav., das ort und fort zu art, tart gedehnt und teils unverändert gelassen [aJkati etc.), teils umstellt hat. Der Verf. fragt, warum die Dehnung? Ebensogut könnte man zurückfragen : warum ist den Slaven die so bequeme und schöne Aussprache tort, die ihre nächsten Brüder, die Litauer, gewahrt haben, die uns (mir wenigstens) bequemer erscheint als die Konsonantenhäufung im Anlaute, auf einmal unbequem geworden? Das Fragen nützt nichts, die Sache ist eben da, tort wurde torot öder trot oder trat — ohne jeden vernünftigen Grund, ebensogut hätte tort bleiben können. Aus allen den Schwierigkeiten findet der Verf. schließlich keinen Ausweg und appelliert an den großen Unbekannten, an den Einfluß fremder Sprachen ! Wenn wo die Slaven ihre eigenen Wege gegangen sind, so ist es sicherlich bei der Behandlung dieser Lautgruppen gewesen; hier fremden Einfluß anrufen, heißt nur, eigene Eat- und Hilflosigkeit eingestehen. Der ganze Prozeß ist viel zu jung, als daß er solche umständliche Zwischenstufen lakati ans olokati olkati u.s.w.) vertrüge. Im polabischen, kaschubischen, altpolnischen gard sehe ich dasselbe gard^, das der Südslave und Böhme zu grad^ umgestellt hat: gard (daraus grad) gord^ mußte um jeden Preis vermieden werden, durch oder grod oder gorod; bei gold gab es nur südslav.-böhm. ein gald (vgl. alkati u.s.w,), daraus glad; bei Polaben und Polen nur giod; ebenso bei ihnen nur ein hreg aus berg, neben russ. goiod, bereg, südslav.- böhm. breg^. Die Behandlung dieses Komplexes von Erscheinungen reizt nur zu Widerspruch. So soll z. B. die Form ciain aus clem entstanden sein, durch Einwirkung des weichen l auf e, was in Anbetracht schon des poln. czion aus *czoin eine Fabel ist; ebenso sind neben el- auch o^-Urformen anzusetzen für *zolh- (poln.::/oi?'), zold- (poln. z7o(7~) und hier hilft kein Sträuben des Verfassers; in der Umgebung von c, z und i konnte schon urslavisch e zu o werden, waren Doppelformen da; auch für clovekz könnte man eine Urform *colvek^ erschließen, mit einfacher Metathese, aber auch so bleibt das Wort dunkel. Jedenfalls kann clanz nicht aus clem entstanden sein, sondern es ist ihm gleichaltrig, gleichberechtigt, mag auch dem Verf. die Ansetzung eines urslav. CO, zo, die wir für *colm, *zolb^ ohne weiteres annehmen, wahnwitzig erscheinen. Es ist nun interessant zu sehen, wie jung noch diese ganze Metathese auftritt. So ist vredh Wert wahrscheinlich nur südslavisch, nicht urslavisch, entlehnt — Miklosich läßt es bekanntlich seine Wanderung von den Slovenen her durch Pannonien (lies Mähren) zu den Serben antreten. Noch jünger ist die Behandlung von »Kerbel«. Slovenisch wird es zu krebülja krebüljica, neben krivülja ; böhm. trebule, poln. trzebula sind vielleicht auf cerb- zurückzuführen,
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Vondräk, Vergl. slav. Grammatik, angez. von Brückner. 115<br />
Anlaute, s. o.), nimmt der Verf. überall ein oro u.s.w. an; was er dadurch gewinnt,<br />
ist nicht einzusehen, denn es bleibt doch dieselbe Dreifachheit der<br />
Behandlung, neben russ. torot ergibt sich südslav.-böhm. fmt trat und poln.<br />
(ohne Längung) frot trot: da fahre ich doch jedenfalls ungleich sicherer, wenn<br />
ich poln. tort ebenso zu trot werden lasse, durch bloße Umstellung, ohne<br />
irgendwelche Chikanen, wie der Verf. im Anlaute poln. rot aus ort, ohne Umschweife,<br />
durch bloße Umstellung, hat entstehen lassen; ebenso verfahre ich<br />
mit dem Südslav., das ort und fort zu art, tart gedehnt und teils unverändert<br />
gelassen [aJkati etc.), teils umstellt hat. Der Verf. fragt, warum die Dehnung?<br />
Ebensogut könnte man zurückfragen : warum ist den Slaven die so bequeme<br />
und schöne Aussprache tort, die ihre nächsten Brüder, die Litauer, gewahrt<br />
haben, die uns (mir wenigstens) bequemer erscheint als die Konsonantenhäufung<br />
im Anlaute, auf einmal unbequem geworden? Das Fragen nützt<br />
nichts, die Sache ist eben da, tort wurde torot öder trot oder trat — ohne jeden<br />
vernünftigen Grund, ebensogut hätte tort bleiben können.<br />
Aus allen den Schwierigkeiten findet der Verf. schließlich keinen Ausweg<br />
und appelliert an den großen Unbekannten, an den Einfluß fremder<br />
Sprachen ! Wenn wo die Slaven ihre eigenen Wege gegangen sind, so ist es<br />
sicherlich bei der Behandlung dieser Lautgruppen gewesen; hier fremden<br />
Einfluß anrufen, heißt nur, eigene Eat- und Hilflosigkeit eingestehen. Der<br />
ganze Prozeß ist viel zu jung, als daß er solche umständliche Zwischenstufen<br />
lakati ans olokati olkati u.s.w.) vertrüge. Im polabischen, kaschubischen,<br />
altpolnischen gard sehe ich dasselbe gard^, das der Südslave und Böhme zu<br />
grad^ umgestellt hat:<br />
gard (daraus grad)<br />
gord^ mußte um jeden Preis vermieden werden, durch<br />
oder grod oder gorod; bei gold gab es nur südslav.-böhm.<br />
ein gald (vgl. alkati u.s.w,), daraus glad; bei Polaben und Polen nur giod;<br />
ebenso bei ihnen nur ein hreg aus berg, neben russ. goiod, bereg, südslav.-<br />
böhm. breg^.<br />
Die Behandlung dieses Komplexes von Erscheinungen reizt nur zu<br />
Widerspruch. So soll z. B. die Form ciain aus clem entstanden sein, durch<br />
Einwirkung des weichen l auf e, was in Anbetracht schon des poln. czion aus<br />
*czoin eine Fabel ist; ebenso sind neben el- auch o^-Urformen anzusetzen für<br />
*zolh- (poln.::/oi?'), zold- (poln. z7o(7~) und hier hilft kein Sträuben des Verfassers;<br />
in der Umgebung von c, z und i konnte schon urslavisch e zu o werden, waren<br />
Doppelformen da; auch für clovekz könnte man eine Urform *colvek^ erschließen,<br />
mit einfacher Metathese, aber auch so bleibt das Wort dunkel.<br />
Jedenfalls kann clanz nicht aus clem entstanden sein, sondern es ist ihm<br />
gleichaltrig, gleichberechtigt, mag auch dem Verf. die Ansetzung eines urslav.<br />
CO, zo, die wir für *colm, *zolb^ ohne weiteres annehmen, wahnwitzig erscheinen.<br />
Es ist nun interessant zu sehen, wie jung noch diese ganze Metathese<br />
auftritt. So ist vredh Wert wahrscheinlich nur südslavisch, nicht urslavisch,<br />
entlehnt — Miklosich läßt es bekanntlich seine Wanderung von den Slovenen<br />
her durch Pannonien (lies Mähren) zu den Serben antreten. Noch jünger ist<br />
die Behandlung von »Kerbel«. Slovenisch wird es zu krebülja krebüljica, neben<br />
krivülja ; böhm. trebule, poln. trzebula sind vielleicht auf cerb- zurückzuführen,