06 Ularitid bei der akuten Herzinsuffizienz
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<strong>Ularitid</strong> <strong>bei</strong> <strong>Herzinsuffizienz</strong><br />
<strong>Ularitid</strong> <strong>bei</strong> akuter <strong>Herzinsuffizienz</strong>:<br />
Ein weiteres Desaster<br />
Effect of ularitide on cardiovascular mortality in acute heart failure.<br />
Packer M, O‘Connor C, McMurray JJ, Wittes J, Abraham WT, Anker SD, Dickstein K, Filippatos G, et al. N Engl J Med 2017; 376:1956-1964<br />
BACKGROUND: In patients with acute heart failure, early intervention<br />
with an intravenous vasodilator has been proposed as a therapeutic<br />
goal to reduce cardiac-wall stress and, potentially, myocardial<br />
injury, thereby favorably affecting patients’ long-term prognosis.<br />
METHODS: In this double-blind trial, we randomly assigned 2157<br />
patients with acute heart failure to receive a continuous intravenous<br />
infusion of either ularitide at a dose of 15 ng per kilogram of body<br />
weight per minute or matching placebo for 48 hours, in addition to<br />
accepted therapy. Treatment was initiated a median of 6 hours after<br />
the initial clinical evaluation. The coprimary outcomes were death<br />
from cardiovascular causes during a median follow-up of 15 months<br />
and a hierarchical composite end point that evaluated the initial<br />
48-hour clinical course.<br />
RESULTS: Death from cardiovascular causes occurred in 236 patients<br />
in the ularitide group and 225 patients in the placebo group<br />
(21.7% vs. 21.0%; hazard ratio, 1.03; 96% confidence interval, 0.85 to<br />
1.25; P=0.75). In the intention-to-treat analysis, there was no significant<br />
between-group difference with respect to the hierarchical composite<br />
outcome. The ularitide group had greater reductions in systolic<br />
blood pressure and in levels of N-terminal pro-brain natriuretic peptide<br />
than the placebo group. However, changes in cardiac troponin T levels<br />
during the infusion did not differ between the two groups in the 55%<br />
of patients with paired data.<br />
CONCLUSIONS: In patients with acute heart failure, ularitide<br />
exerted favorable physiological effects (without affecting cardiac<br />
troponin levels), but short-term treatment did not affect a clinical composite<br />
end point or reduce long-term cardiovascular mortality. (Funded<br />
by Cardiorentis; TRUE-AHF ClinicalTrials.gov number, NCT01661634).<br />
Laut dem aktuellen Deutschen Herzbericht<br />
2016 nimmt die Erkrankungshäufigkeit<br />
<strong>der</strong> <strong>Herzinsuffizienz</strong> seit<br />
Jahren zu und ist laut Statistischem<br />
Bundesamt die häufigste Einzeldiagnose<br />
von vollstationär behandelten<br />
Patienten. Die Fallzahlen <strong>der</strong> stationär<br />
versorgten Patienten mit <strong>Herzinsuffizienz</strong><br />
sind im Jahr 2015 im Bundesdurchschnitt<br />
mit 444.632 Fällen im<br />
Vergleich zum Jahr 2014 mit 432.893<br />
Fällen im Durchschnitt um 2,7% angestiegen<br />
(siehe www.herzstiftung.de/<br />
herzbericht).<br />
Die Krankenhaussterblichkeit <strong>bei</strong> Patienten<br />
mit akuter <strong>Herzinsuffizienz</strong> liegt<br />
mittlerweile über <strong>der</strong> Sterblichkeit von<br />
Patienten mit akutem Herzinfarkt und<br />
kann bis zu 20% betragen (Metra M;<br />
Lancet 2017; e-pub). Auch die Langzeitsterblichkeit<br />
bleibt in diesem Kollektiv<br />
weiterhin hoch. In einem prospektiven<br />
Register von 1.810 Patienten<br />
mit akuter <strong>Herzinsuffizienz</strong> liegt die<br />
1-Jahres-Sterblichkeit zwischen 1985<br />
und 2008 <strong>bei</strong> 35% (van den Berge JC<br />
Int J Cardiol 2016; 224:456).<br />
Die Genese <strong>der</strong> (<strong>akuten</strong>) <strong>Herzinsuffizienz</strong><br />
ist außerordentlich heterogen, hat<br />
aber für die Differentialtherapie eine<br />
herausragende Bedeutung. Daher ist<br />
es verständlich, dass die Therapie <strong>der</strong><br />
(<strong>akuten</strong>) <strong>Herzinsuffizienz</strong> individualisiert<br />
und nur nach Klärung <strong>der</strong> zugrundeliegenden<br />
Pathophysiologie erfolgen<br />
darf.<br />
In <strong>der</strong> Regel präsentieren sich die Patienten<br />
mit einem normalen systolischen<br />
Blutdruck (SBD; 90-140 mmHg) o<strong>der</strong><br />
einem erhöhten SBD (>140 mmHg,<br />
hypertensiv bedingte akute <strong>Herzinsuffizienz</strong>).<br />
Nur 5 bis 8% <strong>der</strong> Patienten<br />
präsentieren sich mit einem SBD unter<br />
90 mmHg („hypotensive akute <strong>Herzinsuffizienz</strong>“).<br />
Die Prognose dieser Patienten<br />
ist außerordentlich schlecht, vor<br />
allem <strong>bei</strong> gleichzeitigem Vorliegen einer<br />
Hypoperfusion <strong>der</strong> Organe (Ponikowski<br />
P Eur Heart J 2016; 37:2129).<br />
Intravenöse Vasodilatatoren sollen <strong>bei</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>akuten</strong> <strong>Herzinsuffizienz</strong> zur Symptomverbesserung<br />
<strong>bei</strong> Patienten mit einem<br />
SBD > 90 mmHg eingesetzt werden<br />
(Empfehlungsgrad IIa B <strong>der</strong> Europäischen<br />
Gesellschaft für Kardiologie).<br />
Dennoch gibt es für diese Empfehlung<br />
keine robuste Evidenz.<br />
Nr. 1, 2018 21
<strong>Ularitid</strong> <strong>bei</strong> <strong>Herzinsuffizienz</strong><br />
Abb.: Darstellung <strong>der</strong> <strong>bei</strong>den koprimären Endpunkte kardiovaskuläre Sterblichkeit sowie klinischer Verlauf <strong>der</strong> Patienten während <strong>der</strong> ersten<br />
48 Stunden (modifiziert nach Packer M; N Engl J Med 2017; 376:1956-1964)<br />
22<br />
Unter den Vasodilatatoren kommt es<br />
zu einer Venodilatation sowie gleichzeitig<br />
zu einer arteriellen Vasodilatation.<br />
Die dadurch erreichbare Vorlastund<br />
Nachlastsenkung kann vor allem<br />
<strong>bei</strong> Patienten mit hypertensiv bedingter<br />
akuter <strong>Herzinsuffizienz</strong> therapeutisch<br />
sinnvoll sein.<br />
In <strong>der</strong> <strong>Ularitid</strong>e Efficacy and Safety in<br />
Acute Heart Failure (TRUE-AHF) Studie<br />
wurde nun untersucht, ob die Gabe<br />
des natriuretischen Peptids <strong>Ularitid</strong> sowohl<br />
zu einer symptomatischen Verbesserung<br />
in <strong>der</strong> Akutphase als auch<br />
zu einer Reduktion <strong>der</strong> kardiovaskulären<br />
Sterblichkeit im Langzeitverlauf<br />
führt (Packer M; N Engl J Med 2017;<br />
376:1956). <strong>Ularitid</strong> ist ein synthetisches<br />
Analogon des Vasodilatators Urodilatin.<br />
In vo rangegangenen randomisierten<br />
Studien konnten hämodynamische<br />
und klinische Vorteile dieser Substanz<br />
nachgewiesen werden (Mitrovic V Am<br />
Heart J 2005; 150:1239, Mitrovic V Eur<br />
Heart J 20<strong>06</strong>; 27:2823).<br />
Urodilatin ist ein Peptid mit 32 Aminosäuren<br />
<strong>der</strong> gleichen Sequenz und<br />
Struktur wie das atriale natriuretische<br />
Peptid (ANP) und wird in den distalen<br />
renalen Tubuluszellen sezerniert.<br />
In den Sammelrohren reguliert das<br />
Urodilatin die Natrium-und Wasserreabsorption.<br />
Neben diesen natriuretischen<br />
und diuretischen Eigenschaften<br />
führt die Substanz auch zu einer Vasodilatation<br />
und kommt aufgrund dieser<br />
pleiotropen Wirkungen für den Einsatz<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>akuten</strong> <strong>Herzinsuffizienz</strong> infrage<br />
(Greenberg B Circ J 2016; 80:1882).<br />
TRUE-AHF ist eine doppelblind randomisierte,<br />
placebokontrollierte Multicenterstudie.<br />
Die Einschlusskriterien<br />
waren<br />
1) die ungeplante Aufnahme in einer<br />
Notaufnahmestation o<strong>der</strong> Hospitalisierung<br />
wegen akuter <strong>Herzinsuffizienz</strong>,<br />
2) Ruhedyspnoe, die sich in <strong>der</strong> vorangegangenen<br />
Woche verschlechtert<br />
hatte,<br />
3) Hinweise für eine <strong>Herzinsuffizienz</strong><br />
im Röntgenthorax und<br />
4) BNP-Spiegel > 500 pg/ml o<strong>der</strong> NTproBNP-Spiegel<br />
> 2.000 pg/ml.<br />
Die Studienmedikation musste innerhalb<br />
von zwölf Stunden nach <strong>der</strong> initialen<br />
Untersuchung verabreicht werden.<br />
Patienten, die zwei Stunden nach<br />
i.v. Gabe von 40 mg Furosemid immer<br />
noch über Dyspnoe klagten und<br />
einen SBD zwischen 116 mmHg und<br />
180 mmHg hatten, konnten ebenfalls<br />
in die Studie eingeschlossen werden.<br />
Die Patienten erhielten entwe<strong>der</strong> eine<br />
kontinuierliche intravenöse Infu sion<br />
von <strong>Ularitid</strong> (15 ng/kg KG/min) o<strong>der</strong><br />
Placebo für 48 Stunden. Die Infusionsrate<br />
wurde reduziert o<strong>der</strong> die Infusion<br />
abgebrochen <strong>bei</strong> Auftreten einer<br />
symptomatischen Hypotonie o<strong>der</strong> einem<br />
Abfall des SBD unter 100 mmHg<br />
o<strong>der</strong> um mehr als 40 mmHg. Die Patienten<br />
wurden 6, 24 und 48 Stunden<br />
nach Beginn <strong>der</strong> Studienmedikation<br />
bezüglich ihres subjektiven Befindens<br />
befragt („global assessment“ mit einer<br />
Einschätzung zwischen „deutliche Verbesserung,<br />
unverän<strong>der</strong>ter Zustand und<br />
erhebliche Verschlechterung“).<br />
Es wurden zwei koprimäre<br />
Endpunkte festgelegt:<br />
1) <strong>der</strong> kardiovaskuläre Tod während<br />
<strong>der</strong> gesamten Studiendauer und<br />
2) <strong>der</strong> klinische Verlauf <strong>der</strong> Patienten<br />
Nr. 1, 2018
<strong>Ularitid</strong> <strong>bei</strong> <strong>Herzinsuffizienz</strong><br />
während <strong>der</strong> ersten 48 Stunden als<br />
sogenannter hierarchischer, klinisch<br />
kombinierte Endpunkt. Kurz gefasst<br />
wurde <strong>der</strong> Zustand als „verbessert“,<br />
„verschlechtert“ o<strong>der</strong> „unverän<strong>der</strong>t“<br />
eingeschätzt.<br />
Die insgesamt 2.157 Patienten waren<br />
im Mittel 68 Jahre alt, eine linksventrikuläre<br />
Ejektionsfraktion < 40% fand<br />
sich <strong>bei</strong> 64,5% (<strong>Ularitid</strong>) / 65,9% (Placebo),<br />
ein koronare Herzerkrankung als<br />
Ursache <strong>der</strong> <strong>Herzinsuffizienz</strong> <strong>bei</strong> 51,1%<br />
(<strong>Ularitid</strong>) / 51,4% (Placebo) <strong>der</strong> Patienten.<br />
<strong>Ularitid</strong> wurde <strong>bei</strong> 194 Patienten<br />
(18,1%) und Placebo <strong>bei</strong> 78 Patienten<br />
(7,4%) abgesetzt, die Dosis wurde <strong>bei</strong><br />
1<strong>06</strong> Patienten (9,9%) bzw. 55 Patienten<br />
(5,2%) reduziert, aber nicht abgesetzt<br />
(p < 0,001 für <strong>bei</strong>de Ereignisse).<br />
Der Hauptgrund für die Dosisreduktion<br />
bzw. Absetzen <strong>der</strong> Medikation war<br />
eine Hypotonie.<br />
Der koprimäre Endpunkt „Tod kardiovaskulärer<br />
Ursache“ trat <strong>bei</strong> 236 Patienten<br />
in <strong>der</strong> UG und <strong>bei</strong> 225 Patienten<br />
in <strong>der</strong> PG nach einem medianen<br />
Follow-up von 15 Monaten auf (21,7%<br />
versus 21,0%, HR 1,03; p = 0,75) (Abbildung).<br />
Auch <strong>der</strong> zweite koprimäre<br />
Endpunkt (klinischer Verlauf <strong>der</strong> Patienten<br />
während <strong>der</strong> ersten 48 Stunden)<br />
zeigte keinen signifikanten Unterschied<br />
zwischen <strong>bei</strong>den Gruppen<br />
(Abbildung).<br />
Auch in präspezifizierten Subgruppen<br />
zeigte sich kein Unterschied. Der NTproBNP-Spiegel<br />
nahm nach 48 Stunden<br />
in <strong>der</strong> UG deutlicher ab (-3816<br />
pg/ml versus -2595 pg/ml, p < 0,001),<br />
wohingegen sich keine signifikanten<br />
Unterschiede des kardialen Troponin-<br />
T-Spiegels zwischen <strong>bei</strong>den Gruppen<br />
fanden.<br />
Die Ergebnisse dieser Studie müssen<br />
als enttäuschend eingeschätzt werden.<br />
Gerade die Konzepte einer Vasodilatation<br />
mit Vorlast- und Nachlastsenkung<br />
sowie <strong>der</strong> Natriurese spielen unter pathophysiologischen<br />
Gesichtspunkten<br />
eine zentrale Rolle <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Therapie <strong>der</strong><br />
<strong>akuten</strong> <strong>Herzinsuffizienz</strong>.<br />
Die Studie ist insofern bemerkenswert,<br />
da das Studienprotokoll nach Einschluss<br />
von 40 Patienten als Folge <strong>der</strong><br />
Publikation <strong>der</strong> RELAX-AHF-Studie<br />
(Teerlink JR Lancet 2013; 381:29) geän<strong>der</strong>t<br />
und <strong>der</strong> Endpunkt „kardiovaskuläre<br />
Sterblichkeit“ hinzugefügt wurde.<br />
In <strong>der</strong> RELAX-AHF-Studie wurde<br />
das humane rekombinante Relaxin-2<br />
(Serelaxin) ebenfalls <strong>bei</strong> Patienten mit<br />
akuter <strong>Herzinsuffizienz</strong> gegenüber Placebo<br />
getestet. Relaxin induziert in Tierversuchen<br />
eine systemische und renale<br />
Vasodilatation, verbessert die arterielle<br />
Compliance und führt zu einer Zunahme<br />
des Herzzeitvolumens (Teichman<br />
SL Heart Fail Rev 2009; 14:321).<br />
Hintergrund des Addendums <strong>der</strong><br />
TRUE-AHF-Studie war die Tatsache,<br />
dass in <strong>der</strong> RELAX-AHF-Studie die<br />
kardiovaskuläre Sterblichkeit bis zum<br />
Tag 180 in <strong>der</strong> Serelaxingruppe signifikant<br />
reduziert war (RR 0,63 [95% CI<br />
0,41 - 0,96], p = 0,028, Number needed<br />
to treat 29) (Teerlink JR Lancet 2013;<br />
381:29).<br />
Dieses Ergebnis war allerdings ausschließlich<br />
hypothesengenerierend, da<br />
dieses Ereignis we<strong>der</strong> als primärer noch<br />
als sekundärer Endpunkt im Protokoll<br />
festgelegt, son<strong>der</strong>n nur als weiterer<br />
Wirksamkeitsendpunkt definiert wurde.<br />
Diese vielversprechende Reduktion<br />
<strong>der</strong> Sterblichkeit konnte in <strong>der</strong> nachfolgenden<br />
RELAX-AHF-2 Studie nicht<br />
bestätigt werden, wie die Firma Novartis<br />
in einer Pressemitteilung vom 22.<br />
März 017 bekannt gab ( www.novartis.<br />
com/news/media-releases/novartisprovides-update-phase-iii-study-rlx030-<br />
serelaxin-patients-acute-heart).<br />
In dieser Studie wurden ca. 6600 Patienten<br />
mit akuter <strong>Herzinsuffizienz</strong> eingeschlossen.<br />
Das Studienmedikament<br />
Serelaxin reduzierte nicht die <strong>bei</strong>den<br />
koprimären Endpunkte kardiovaskulärer<br />
Tod bis Tag 180 o<strong>der</strong> Verschlechterung<br />
<strong>der</strong> <strong>Herzinsuffizienz</strong>. Die endgültige<br />
Publikation dieser Daten steht<br />
aber noch aus.<br />
Die Literatur <strong>der</strong> letzten 10 bis 15 Jahre<br />
ist mittlerweile gefüllt von Misserfolgen<br />
in <strong>der</strong> Therapie <strong>der</strong> <strong>akuten</strong> <strong>Herzinsuffizienz</strong>.<br />
Neben dem schon erwähnten<br />
Serelaxin konnte auch die Substanz<br />
Nesiritide die in sie gesetzten Erwartungen<br />
nicht erfüllen (O‘Connor CM N<br />
Engl J Med 2011; 365:32).<br />
Weitere vernünftige pathophysiologisch<br />
orientierte Therapieansätze<br />
mussten ebenfalls verworfen werden<br />
wie <strong>der</strong> Endothelin-Antagonist Tezosentan<br />
(McMurray JJ JAMA 2007;<br />
298:2009), <strong>der</strong> Vasopressin-(V2)Rezeptorantagonist<br />
Tolvaptan (Konstam<br />
MA JAMA 2007; 297:1319) o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Adenosin A1-Rezeptorantagonist Rolofyllin<br />
(Massie BM N Engl J Med 2010;<br />
363:1419).<br />
Welche Gründe können hierfür<br />
eine Rolle spielen?<br />
Die (akute) <strong>Herzinsuffizienz</strong> erscheint<br />
zunächst klinisch als relativ homogenes<br />
Krankheitsbild mit im Vor<strong>der</strong>grund<br />
stehen<strong>der</strong> Luftnot, Ödemen,<br />
Pleuraergüssen bis hin zum Aszites und<br />
schlimmstenfalls einer Hypoperfusion<br />
aller Organsysteme. Die dahinterliegenden<br />
Ursachen sind jedoch außerordentlich<br />
heterogen und überlappen teilweise.<br />
In den großen Studien werden<br />
die Patienten üblicherweise mit den<br />
Zeichen und Symptomen einer <strong>Herzinsuffizienz</strong><br />
eingeschlossen, eine weitergehende<br />
Differenzierung bezüglich<br />
<strong>der</strong> zugrundeliegenden Pathogenese erfolgt<br />
aber in <strong>der</strong> Regel nicht.<br />
So hatten auch in <strong>der</strong> vorliegenden<br />
TRUE-AHF 35,5% <strong>der</strong> eingeschlossenen<br />
Patienten eine noch erhaltene<br />
bzw. nur leicht eingeschränkte linksventrikuläre<br />
Pumpfunktion (EF > 40%).<br />
Patienten mit einer erhaltenen linksventrikulären<br />
Pumpfunktion und einer<br />
reduzierten linksventrikulären Pumpfunktion<br />
bedürfen aber sicherlich einer<br />
unterschiedlichen individuell angepassten<br />
Therapie, die zum jetzigen<br />
Zeitpunkt aber noch nicht genauer definiert<br />
ist.<br />
Über eine valvuläre Beteiligung, eine<br />
begleitende pulmonalarterielle Hy-<br />
Nr. 1, 2018 23
<strong>Ularitid</strong> <strong>bei</strong> <strong>Herzinsuffizienz</strong><br />
pertonie o<strong>der</strong> eine sekundäre relevante<br />
Rechtsherzinsuffizienz werden ebenfalls<br />
keinerlei weiterführende Angaben<br />
gemacht.<br />
Die unterschiedlichen Phänotypen <strong>der</strong><br />
<strong>Herzinsuffizienz</strong> benötigen sicherlich<br />
divergierende therapeutische Interventionen<br />
und können nicht mit einer singulären,<br />
pathophysiologisch orientierten<br />
Therapie als „one size fits all“ Konzept<br />
behandelt werden.<br />
In Analogie zur Therapie <strong>der</strong> Sepsis,<br />
die auch immer wie<strong>der</strong> bis zum heutigen<br />
Tage erfolglos versucht hat, mit<br />
spezifischen Interventionen gegen<br />
z. B. bestimmte Zytokine dieses fulminante<br />
Krankheitsbild modifizierend<br />
zu beeinflussen, ist es denkbar, dass die<br />
Antagonisierung bestimmter Komponenten<br />
<strong>der</strong> neurohumoralen Achse o<strong>der</strong><br />
die Amplifizierung potenziell nützlicher<br />
Botenstoffe harte Endpunkte <strong>bei</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>akuten</strong> <strong>Herzinsuffizienz</strong> nicht beeinflussen<br />
können. Auch wenn die<br />
Symptomverbesserung aus Patientensicht<br />
sicherlich ein wertvolles Therapieziel<br />
darstellt, muss dennoch gefor<strong>der</strong>t<br />
werden, dass harte Endpunkte wie zum<br />
Beispiel kardiovaskuläre Sterblichkeit<br />
o<strong>der</strong> Gesamtsterblichkeit durch die<br />
Gabe <strong>der</strong> regelhaft sehr teuren Substanzen<br />
reduziert werden. Da<strong>bei</strong> sollten<br />
sicherlich nicht nur Ereignisse im<br />
Krankenhaus, son<strong>der</strong>n auch im Langzeitverlauf<br />
nach sechs Monaten o<strong>der</strong><br />
zwölf Monaten in den Blick genommen<br />
werden.<br />
Es ist außerordentlich bedauerlich, dass<br />
so vielversprechende Substanzen wie<br />
das <strong>Ularitid</strong> o<strong>der</strong> das Serelaxin durch<br />
die vorliegenden negativen Ergebnisse<br />
zukünftig we<strong>der</strong> für klinische Studien<br />
noch im klinischen Einsatz zur Verfügung<br />
stehen werden. Der Aufwand<br />
<strong>der</strong> durchgeführten Studien ist nicht<br />
nur unter finanziellen Gesichtspunkten<br />
gigantisch. Gerade deshalb sollte<br />
man sich fragen, ob die Einschlusskriterien<br />
und die Phänotypisierung <strong>der</strong><br />
Patienten in den Studien präzise genug<br />
waren, um einen Effekt <strong>der</strong> prinzipiell<br />
wirksamen Substanzen auf relevante<br />
harte klinische Endpunkte zu<br />
beweisen. Die Suche nach neuen effektiven<br />
Therapieverfahren bleibt also<br />
offen und stellt eine zunehmende Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
dar.<br />
„Die meisten Menschen spüren gelegentlich, dass<br />
sie in einem Netz von Illusionen hinleben. Wenige<br />
aber erkennen, wie weit diese Illusionen reichen.<br />
Von Illusionen sich nicht beherrschen lassen, ist ein<br />
unendlich naiver Glaube, aber es ist <strong>der</strong> intellektuelle<br />
Imperativ, das Gebot <strong>der</strong> Wissenschaft.“<br />
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