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02 Übertherapie - Erbkrankheit der Intensivmedizin

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Leitartikel<br />

<strong>Übertherapie</strong>:<br />

<strong>Erbkrankheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Intensivmedizin</strong><br />

<strong>Übertherapie</strong> ist ein systeminhärentes<br />

Problem <strong>der</strong> Medizin, seit es Medizin<br />

gibt, ist in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Medizin<br />

mit ihrem umfassenden Angebot an<br />

Diagnose und Therapie und nicht zuletzt<br />

wegen ihrer zunehmenden Ökonomisierung<br />

und auch <strong>der</strong> Medikalisierung<br />

vieler Lebensbereiche zu einem<br />

universellen, auch gesundheitspolitisch<br />

schwerwiegenden Problem geworden.<br />

Die <strong>Intensivmedizin</strong> ist davon im Beson<strong>der</strong>en<br />

betroffen, durch ihre technischen<br />

Möglichkeiten, dem therapeutischen<br />

Imperativ, im Rahmen einer kritischen<br />

Erkrankung nichts unversucht zu<br />

lassen und insbeson<strong>der</strong>e auch am Ende<br />

des Lebens.<br />

<strong>Übertherapie</strong> und Überdiagnostik ist<br />

tägliche Realität auf den allermeisten<br />

Intensivstationen, nicht immer bewusst,<br />

meist jedem bekannt, <strong>der</strong> auf einer Intensivstation<br />

arbeitet (Palda VA; J Crit<br />

Care 2005; 20:207; Huynh TN; JAMA<br />

Intern Med 2012; 173:1887).<br />

<strong>Übertherapie</strong> betrifft alle Bereiche<br />

<strong>der</strong> <strong>Intensivmedizin</strong><br />

<strong>Übertherapie</strong> betrifft alle Aspekte <strong>der</strong><br />

<strong>Intensivmedizin</strong>, von (bzw. schon vor)<br />

<strong>der</strong> Aufnahme bis zur Entlassung und<br />

beson<strong>der</strong>s häufig auch das Lebensende.<br />

Hier soll die Breite des Problems beispielhaft<br />

skizziert werden.<br />

<strong>Übertherapie</strong> beginnt häufig schon in<br />

<strong>der</strong> prähospitalen Notfallmedizin. In<br />

manchen Län<strong>der</strong>n/Regionen werden<br />

alle Patienten nach Herz-Kreislaufstillstand<br />

ohne Rücksicht auf Alter,<br />

Grundkrankheit und individuelle Situation<br />

reanimiert. Ziel muss sein, Patienten<br />

mit therapeutischer Perspek tive<br />

zu identifizieren, um die „Produktion“<br />

von schwerbehin<strong>der</strong>ten Pflegefällen zu<br />

vermeiden (siehe auch Beitrag Arrich J;<br />

Seite 13).<br />

Ein ganz entscheiden<strong>der</strong> Punkt im Problemkreis<br />

„<strong>Übertherapie</strong>“ ist die Vermeidung<br />

von nicht gerechtfertigten<br />

Aufnahmen auf die Intensivstation.<br />

Fehlaufnahmen werden mit bis 50% aller<br />

Aufnahmen angegeben (Chang DW;<br />

JAMA Intern Med 2016; 176:1492); Intensivaufnahmen<br />

verbessern in vielen<br />

Situationen nicht die Prognose <strong>der</strong> Patienten<br />

(Valley T; Ann Am Thorac Soc<br />

2017; 14:943). Beispielsweise wird ein<br />

erschreckend hoher Prozentsatz von<br />

schwer dementen Patienten auf Intensivstationen<br />

aufgenommen und künstlich<br />

beatmet, ohne dass dies mit benefiziellen<br />

Effekten für den Patienten verbunden<br />

ist (Teno JM, JAMA Intern Med<br />

2016; 176:1809).<br />

Ein erstes Problem nach einer Aufnahme<br />

ist das Risiko <strong>der</strong> Überdiagnostik,<br />

was vor allem die Labordiagnostik und<br />

damit die Häufigkeit von Blutabnahmen<br />

betrifft. Die Anämie des kritisch Kranken<br />

wird ganz wesentlich durch diese<br />

Blutabnahmen mitbestimmt („<strong>Intensivmedizin</strong>ischer<br />

A<strong>der</strong>lass o<strong>der</strong> Vampirismus“)<br />

(Vincent JL; JAMA 20<strong>02</strong>; 288-<br />

1499). Nur ein Bruchteil <strong>der</strong> ermittelten<br />

Laborwerte ist tatsächlich diagnostisch/<br />

therapeutisch relevant („Wer viel misst,<br />

misst viel Mist“).<br />

Eine unangemessen invasive Therapie<br />

im Krankheitsverlauf kann mit unerwünschten<br />

Nebeneffekten und Komplikationen<br />

verbunden sein und den Erfolg<br />

<strong>der</strong> <strong>Intensivmedizin</strong> gefährden; <strong>Intensivmedizin</strong><br />

sollte nicht „zu intensiv“<br />

sein („less is more“; Kox M; JAMA Intern<br />

Med 2013; 173:1369). Nicht je<strong>der</strong><br />

Patient benötigt einen zentralen Venenkatheter,<br />

nicht je<strong>der</strong> eine invasive Blutdrucküberwachung.<br />

Viele Intubationen<br />

können durch die nicht-invasive Beatmung<br />

vermieden werden, die Dauer <strong>der</strong><br />

Beatmung ist vielfach zu lange, Patienten<br />

werden aus verschiedenen Gründen<br />

oft verspätet extubiert.<br />

Bestens dokumentiert sind die schwerwiegenden<br />

Folgen einer Übersedierung,<br />

was Häufigkeit und Dauer eines Delirs,<br />

die Verzögerung <strong>der</strong> Entwöhnung,<br />

Häufigkeit von Infektionen und auch<br />

Langzeitkomplikationen, wie Verstärkung<br />

<strong>der</strong> „Critically-Illness-Neuromyopathie“<br />

und die Prognose betrifft.<br />

Unnötige Transfusionen können schon<br />

durch die Limitierung <strong>der</strong> Blutabnahmen<br />

vermin<strong>der</strong>t werden, können vor allem<br />

durch Akzeptierung des empfohlenen<br />

Transfusionstriggers eingeschränkt<br />

werden, <strong>der</strong> vielfach zu hoch angesetzt<br />

wird. An<strong>der</strong>e Blutprodukte, wie Gerinnungsfaktoren<br />

o<strong>der</strong> Antithrombin-<br />

III werden oft nur „zur Befundnormalisierung“,<br />

als Laborkosmetik ohne relevanten<br />

therapeutischen Effekt eingesetzt.<br />

Trotz <strong>der</strong> wenigen gesicherten<br />

Indikationen für Albumin, für Immunglobuline<br />

und Frischplasma ist <strong>der</strong>en<br />

Verbrauch weiterhin erschreckend<br />

hoch (Stanworth SJ; Critical Care 2011;<br />

15:R108).<br />

An<strong>der</strong>e viel diskutierte Aspekte sind die<br />

überhöhten Blutdruckziele, was mit einer<br />

nebenwirkungsreichen Katecholaminzufuhr<br />

verbunden ist, die traditionell<br />

zu hoch angesetzten Ziele für die<br />

Sauerstoffsättigung, wobei die toxischen<br />

Effekte von Sauerstoff übersehen werden<br />

(Janssens U; Intensiv-News 6/2017),<br />

Nr. 1, 2018 5


<strong>Übertherapie</strong> in <strong>der</strong> <strong>Intensivmedizin</strong><br />

die überhöhte Ernährung insbeson<strong>der</strong>e<br />

in <strong>der</strong> instabilen Frühphase <strong>der</strong> Erkrankung,<br />

was ebenfalls mit schwerwiegenden<br />

Komplikationen verbunden ist.<br />

Eine grundsätzliche Abkehr von überkommenen<br />

Traditionen hat die Erkenntnis<br />

gebracht, dass die übliche<br />

Praxis <strong>der</strong> Infusionstherapie mit einer<br />

inadäquat hohen Volumenzufuhr verbunden<br />

ist. Eine Volumenüberladung<br />

hat multiple negative Auswirkungen auf<br />

den Patienten, verstärkt das Risiko für<br />

ein Multiorgan-Dysfunktionssyndrom,<br />

ein „Polykompartment-Syndrom“.<br />

Einen hohen Anteil dabei haben versteckte<br />

und unbewusste Infusionen, wie<br />

für das Offenhalten von Schläuchen<br />

und für die Medikamentengabe (van<br />

Regenmortel L; Intensive Care Med 2018;<br />

e-pub). Entscheidend dabei ist insbeson<strong>der</strong>e<br />

auch die überhöhte Natriumzufuhr.<br />

Ziel muss sein, das Infusionsvolumen<br />

und die Natriumzufuhr nach<br />

<strong>der</strong> initialen Kreislaufstabilisierung zu<br />

begrenzen.<br />

Eine nicht-indizierte, inadäquate o<strong>der</strong><br />

zu lang dauernde Antibiotikatherapie<br />

verursacht nicht nur Kosten, führt<br />

zur Ausbildung von (Multi-) Resistenzen<br />

und ist auch mit schwerwiegenden<br />

Komplikationen, wie von Clostridium<br />

difficile-Infektionen verbunden.<br />

Gerade bei technologisch aufwendigen<br />

und eingreifenden Verfahren müssen<br />

sich Ärzte fragen, welche Patienten<br />

tatsächlich von einem <strong>der</strong>artigen Verfahren<br />

profitieren können. Ein Beispiel<br />

dafür ist die dramatische Zunahme<br />

des Einsatzes von extrakorporalen<br />

Herz-Kreislauf- und Lungen-Unterstützungs-<br />

bzw. Ersatzverfahren, wie<br />

ECLS, ECMO o<strong>der</strong> auch die extrakorporale<br />

CO 2 -Elimination, obwohl<br />

für die meisten Indikationen bislang für<br />

diese Verfahren kein Überlebensvorteil<br />

nachgewiesen worden ist. Vielfach bilden<br />

diese Verfahren keine „bridge to<br />

recovery“, son<strong>der</strong>n eher eine „bridge to<br />

nowhere“.<br />

Der weitaus wichtigste Aspekt <strong>der</strong><br />

<strong>Übertherapie</strong> betrifft aber das Lebensende,<br />

wenn Therapien ohne therapeutische<br />

Perspektive und ohne weiter bestehende<br />

Indikation weitergeführt, das<br />

Leiden und Sterben eines Patienten<br />

prolongiert wird.<br />

Es kann und darf nicht das Ziel <strong>der</strong><br />

Notfall- und <strong>Intensivmedizin</strong> sein,<br />

schwerst-behin<strong>der</strong>te Patienten, wie<br />

apallische Syndrome o<strong>der</strong> Pflegefälle<br />

zu produzieren; o<strong>der</strong> wie Wischmayr<br />

sagt: „We should produce survivors not<br />

victims“ (Wischmeyer SJ; Critical Care<br />

2015; 19 Suppl 3:S6).<br />

Ursachen <strong>der</strong> <strong>Übertherapie</strong><br />

Die Ursachen <strong>der</strong> <strong>Übertherapie</strong> sind<br />

vielfältig. Sie betreffen die Psychologie<br />

des Machens, tun ist leichter als<br />

nichts tun, das liegt in <strong>der</strong> Natur des<br />

Menschen. Nichtstun wird oft als Hilflosigkeit,<br />

als Scheitern empfunden. Gerade<br />

bei apparativ aufwendigen Therapien<br />

unterliegen Ärzte oft einem therapeutischen<br />

und/o<strong>der</strong> technologischen<br />

Imperativ.<br />

<strong>Übertherapie</strong> hat aber auch etwas mit<br />

therapeutischer Unsicherheit zu tun,<br />

mit dem Festhalten an überkommenen<br />

Traditionen, Zeitmangel, Mangel<br />

an Information, dem Fehlen einer problembasierten<br />

Aus- und Weiterbildung<br />

und mit Unwissenheit. Man muss eben<br />

„viel wissen, um wenig zu tun“.<br />

<strong>Übertherapie</strong> ist oft auch eine „defensive“<br />

Medizin, eine Sicherheitsmedizin,<br />

aus Angst, etwas falsch zu machen<br />

und aus Angst vor dem Richter. Die von<br />

manchen Psychologen bei jüngeren Generationen<br />

beschriebene Abnahme <strong>der</strong><br />

Bereitschaft, Entscheidungen zu fällen,<br />

trägt zu dieser „Vorsichts kultur“ bei.<br />

Prognostische Unsicherheit, die oft<br />

schwierige Entscheidung, ob ein Therapieziel<br />

tatsächlich noch erreicht werden<br />

kann, die nicht immer klare Grenzlinie,<br />

ob eine Indikation noch weiter besteht,<br />

<strong>der</strong> Automatismus des Weitermachens<br />

(„wir können doch nicht aufhören, wir<br />

haben schon so viel getan“) tragen zur<br />

<strong>Übertherapie</strong> am Ende des Lebens bei.<br />

Wenn auch die ökonomischen Interessen<br />

als Ursache <strong>der</strong> <strong>Übertherapie</strong> nicht<br />

so dramatisch sind, wie in <strong>der</strong> sonstigen<br />

Medizin, wird dieser Aspekt auch<br />

in <strong>der</strong> <strong>Intensivmedizin</strong> immer bedeuten<strong>der</strong>.<br />

Invasive, technische Leistungen,<br />

wie Beatmung, Nierenersatzverfahren<br />

o<strong>der</strong> ECMO können attraktiv<br />

abgerechnet werden, sodass Kranken-<br />

Nr. 1, 2018 7


<strong>Übertherapie</strong> in <strong>der</strong> <strong>Intensivmedizin</strong><br />

hausträger an voll ausgelasteten, möglichst<br />

„aktiven“ Intensivabteilungen interessiert<br />

sind.<br />

<strong>Übertherapie</strong>:<br />

Ein grundsätzliches ethisches Problem<br />

<strong>Übertherapie</strong> missachtet alle Grundprinzipien<br />

<strong>der</strong> medizinischen Ethik.<br />

Sie verletzt die Autonomie und Würde<br />

des Patienten, indem ihm unangemessene<br />

Therapien zugemutet werden, den<br />

Grundsatz <strong>der</strong> „Benefizienz“, da definitionsgemäß<br />

eben nicht-indizierte Maßnahmen<br />

(„non-benficial therapy“) vorgenommen<br />

werden.<br />

Sinnlose Therapien verursachen Belastungen,<br />

Schmerzen und unnötige Komplikationen<br />

für den Patienten, was dem<br />

Grundsatz des „Nicht-Schadens“ wi<strong>der</strong>spricht,<br />

ist eine Missachtung <strong>der</strong><br />

Würde des Sterbens.<br />

<strong>Übertherapie</strong> schließlich schädigt das<br />

öffentliche Gesundheitssystem und die<br />

Gesellschaft insgesamt, wi<strong>der</strong>spricht<br />

<strong>der</strong> Verteilungsgerechtigkeit und stellt<br />

eine Vergeudung prinzipiell beschränkter<br />

Ressourcen dar.<br />

„Kollateralschäden“<br />

8<br />

Wenn auf einer Intensivstation häufig<br />

eine <strong>Übertherapie</strong> praktiziert wird,<br />

hat dies schwerwiegende Konsequenzen<br />

für das Behandlungsteam selbst.<br />

Eine <strong>Übertherapie</strong> führt bei den Mitarbeitern<br />

zum „Moral Distress“, zu einer<br />

emotionalen Belastung, Gewissensnot,<br />

zum Zweifel an <strong>der</strong> Sinnhaftigkeit<br />

des eigenen Tuns (Schwarzkopf D, Crit<br />

Care Med 2017; 45:e265; Intensiv-News<br />

2017; Heft 5). Folgen sind eine beeinträchtigte<br />

Patientenversorgung, eine<br />

Häufung von Burnout und erhöhte<br />

Fluktuation des Personals.<br />

Nicht zu vergessen ist das Leid <strong>der</strong> Angehörigen.<br />

Verschiedene Studien haben<br />

über einen erschreckend hohen<br />

Anteil von Angehörigen mit posttraumatischem<br />

Stress-Syndrom nach Intensivaufenthalt<br />

berichtet (Cameron JI; N<br />

Engl J Med 2016; 374:1831). Länge des<br />

Aufenthaltes, Schweregrad <strong>der</strong> Interventionen,<br />

mangelnde Kommunikation<br />

mit den Angehörigen, Abwälzung von<br />

Entscheidungen auf Familienangehörige<br />

verstärken diese negativen Folgen<br />

(Azoulay E, Am J Resp Crit Care Med<br />

2005; 151:987).<br />

„Choosing wisely“ –<br />

„Klug entscheiden“<br />

Das Problem <strong>Übertherapie</strong>/Überversorgung<br />

hat schon vor einigen Jahren in<br />

den USA zur Initiative „Choosing wisely“<br />

geführt, wobei von 70 verschiedenen<br />

Fachgesellschaften jeweils fünf<br />

Maßnahmen definiert wurden, wo eine<br />

Überversorgung vermieden werden soll<br />

(www.choosingwisely.com).<br />

Für die <strong>Intensivmedizin</strong> wurde folgendes<br />

definiert:<br />

1. die Reduktion <strong>der</strong> Labordiagnostik,<br />

2. die Beschränkung <strong>der</strong> Bluttransfusionen,<br />

3. <strong>der</strong> Verzicht auf eine parenterale Ernährung<br />

in den ersten sieben Tagen,<br />

4. eine Reduktion <strong>der</strong> Sedierung und<br />

schließlich<br />

5. <strong>der</strong> Verzicht auf lebenserhaltende<br />

Maßnahmen bei Patienten mit<br />

hohem Risiko des Versterbens o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Gefahr <strong>der</strong> hochgradigen funktionellen<br />

Einschränkung (Halpern<br />

SD, Am J Resp Crit Care Med 2014;<br />

190:818).<br />

Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin<br />

hat sich dieser Initiative unter dem<br />

Titel „Klug entscheiden“ angelehnt, allerdings<br />

unter einer an<strong>der</strong>en Schwerpunktsetzung,<br />

die sich neben <strong>der</strong> <strong>Übertherapie</strong><br />

auch auf die Unterversorgung<br />

und auch allgemeine Therapieempfehlungen<br />

bezieht.<br />

Für die <strong>Intensivmedizin</strong> wurden neben<br />

fünf Positivempfehlungen fünf<br />

Negativ empfehlungen ausgesprochen,<br />

die die Reduktion von Transfusionen,<br />

die Beschränkung <strong>der</strong> Sedierung, den<br />

Verzicht auf den ZVD zur Steuerung<br />

<strong>der</strong> Volumentherapie, die Limitierung<br />

<strong>der</strong> Antibiotikatherapie und schließlich<br />

den Verzicht auf künstliche Kolloide<br />

beziehen (siehe Riessen R; Intensiv-News<br />

2017; Heft 5).<br />

Schlussbemerkungen<br />

<strong>Übertherapie</strong> ist ein universelles Problem<br />

<strong>der</strong> Medizin und auch <strong>der</strong> <strong>Intensivmedizin</strong>.<br />

<strong>Übertherapie</strong> ist kein Kavaliersdelikt,<br />

missachtet alle Grundprinzipien<br />

<strong>der</strong> Bioethik, ist ein Betrug<br />

an <strong>der</strong> Gesellschaft. <strong>Übertherapie</strong> am<br />

Ende des Lebens steigert Schmerz und<br />

das Leiden <strong>der</strong> Patienten, verlängert<br />

das Sterben, verletzt seine Individualität<br />

und die Würde des Todes. <strong>Übertherapie</strong><br />

hat schwerwiegende Folgen auch<br />

für die Angehörigen und auch das Behandlungsteam.<br />

Zunehmend wird <strong>Übertherapie</strong> auch<br />

von <strong>der</strong> Gesellschaft, den Patienten und<br />

Angehörigen nicht mehr akzeptiert.<br />

<strong>Übertherapie</strong> hat auch juridische Implikationen,<br />

erste Prozesse wegen Verursachung<br />

von Leid und ungerechtfertigter<br />

Leidensverlängerung sind anhängig<br />

geworden.<br />

<strong>Übertherapie</strong> hat auch die Wahrnehmung<br />

<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen <strong>Intensivmedizin</strong><br />

in <strong>der</strong> Öffentlichkeit massiv beschädigt,<br />

zu ihrem Ruf als rücksichtslose,<br />

auf den individuellen Patienten nicht<br />

eingeh ende, „seelenlose Apparatemedizin“<br />

beigetragen.<br />

Die Vermin<strong>der</strong>ung und Vermeidung<br />

von <strong>Übertherapie</strong> muss einen kontinuierlichen<br />

Prozess, ein wesentliches<br />

Element des Qualitätsmanagements<br />

darstellen. Dies erfor<strong>der</strong>t eine offene<br />

intra- und interprofessionelle Kommunikation,<br />

ist Ausdruck positiver „Stationskultur“.<br />

Wir alle sind gefor<strong>der</strong>t,<br />

permanent daran mitzuarbeiten.<br />

Interessenkonflikte: Habe auch <strong>Übertherapie</strong> begangen.<br />

Prof. Dr. Wilfred Druml<br />

Abteilung für Nephrologie<br />

Medizinische Universität<br />

Wien<br />

wilfred.druml@meduniwien.ac.at<br />

Nr. 1, 2018

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