soziologie heute Februar 2018
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tionierendes Gesundheitswesen<br />
gewährleistet sind. Ohne einen solchen<br />
unterstützenden infrastrukturellen<br />
und institutionellen Rahmen,<br />
könnten hohe Wiederausreiseraten<br />
die Erfolge der Reintegrationsbemühungen<br />
unterminieren. Neben<br />
diesen sicherlich eher mittelfristig<br />
zu erreichenden Zielen, sollte der<br />
Kosovo seine Anstrengungen kurzfristig<br />
darauf richten, Zielgruppen<br />
effektiver zu identifi zieren und anzusprechen,<br />
um die bislang eher<br />
verhaltene Nutzung von vorhandenen<br />
Reintegrationsmaßnahmen zu<br />
erhöhen und ihre Zielgenauigkeit<br />
zu verbessern. Die europäischen<br />
Zielländer, sollten durch Vereinbarungen<br />
über zirkuläre Migration,<br />
zum Beispiel für Saisonarbeit, dazu<br />
beitragen, den kosovarischen Arbeitsmarkt<br />
und gleichzeitig die Asylsysteme<br />
in den Zielländern zu entlasten.<br />
Auch die Information über<br />
legale Migrationsmöglichkeiten und<br />
die Voraussetzungen hierfür sollten<br />
verbessert und langwierige bürokratische<br />
Prozesse verkürzt werden.<br />
Berlins Wandel<br />
Jede Metropole braucht eine soziale Ordnung<br />
von Frank Wolfram Wagner<br />
Berlin 2006 Foto: Gryffi ndor (correction and framing LUCPOL), wikimedia commons<br />
Berlin besteht aus Bezirken, deren Einwohnerzahl jeweils die Größe anderer Städte in Deutschland haben, also<br />
dort jeweils einen eigenen Oberbürgermeister stellen würden.<br />
Ich fi nde das Bild, das die Soziologie oftmals vom gegenwärtigen Berlin zeichnet, zu unkritisch und setze dagegen:<br />
Berlin ist nicht mehr so preiswert wie im Jahr 2000, Berlins Armut ist <strong>heute</strong> an öffentlichen Plätzen deutlich<br />
sichtbarer als früher, Berlin beherbergt <strong>heute</strong>, mehr noch als um das Jahr 2000, eine gesellschaftliche Elite, für die<br />
Geld nur eine zu vernachlässigende Rolle spielt, Berlin hat <strong>heute</strong>, scheinbar mehr als früher, eine selbstbewusste<br />
Fahrradfahrerselbstverwirklichungsgemeinschaft auf den Straßen, die sich oftmals bei der Begegnung mit PKWs<br />
nicht unbedingt und immer an die gängigen Verkehrsregeln hält. Nicht zuletzt ist Berlin auf Mikroebene oftmals<br />
einem deutlichen Wandel auf Kiezebene unterzogen, der für die angestammte Bevölkerung meist negative Folgen<br />
hat, so dass diese sich verdrängt fühlt. Den Begriff Clankrimininalität, den kannte um das Jahr 2000 auch noch<br />
nicht jeder Berliner als ein existierendes soziales Problem.<br />
Meine These ist, dass der negative Wandel Berlins <strong>heute</strong> deutlicher ist als vor 18 Jahren, die Spaltung Berlins<br />
innerhalb der Gesellschaft und selbst innerhalb der Bezirke segregierender wirkt, so dass der Senat, selbst wenn<br />
er einen Masterplan für sozialen Zusammenhalt in Berlin entwerfen würde, diesen dann weder schnell noch umfassend<br />
durchsetzen könnte.<br />
Die Zeit der urbanen “Lust am Scheitern“ der 68er, später Hausbesetzerszene und <strong>heute</strong> nachhaltigen Wutbürgern<br />
mit Fahrrad scheint in Berlin nun endgültig vorbei, geblieben ist oftmals ein zwangsläufi g gescheitertes<br />
Prekariat, ein politisch korrektes Bürgertum und auch eine größere Gruppe sozial Exkludierter als noch vor Jahren.<br />
Die Konsequenz ist, dass offensichtliche Widersprüche nicht mehr richtig hinterfragt werden und ernsthafte Debatten<br />
fehlen, die auch dauerhafte Veränderung bewirken. Der Zeitgeist besteht dagegen in politischer Correctness,<br />
die konkret ein Leben in ökologisch - nachhaltigen Grundsatzen für alle Berliner einfordert. In seiner<br />
lebensweltlichen Auswirkung ist das für viele Menschen eher ein Leben mit angezogener Handbremse. Was das<br />
gegenwärtige Berlin stattdessen bräuchte, das ist ein frischer, optimistischer Gang seiner Bewohner, befördert<br />
durch städtische Strukturen, die Individualität fördern und dadurch zu frischem Optimismus und Innovation anstacheln.<br />
Mail: frawowa@web.de<br />
46 <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> <strong>Februar</strong> <strong>2018</strong>