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soziologie heute Februar 2018

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Public Observer<br />

Plutokraten und Populismus<br />

- Demokratie in der Zwickmühle<br />

von Bernhard Martin<br />

Politische Führung in verschiedenen Ländern<br />

und Kulturkreisen wird in sozialwissenschaftlicher<br />

Forschung zunehmend<br />

unter dem Begriff Populismus vergleichend<br />

diskutiert. Dabei wird politischer Populismus<br />

nach folgenden Ansätzen differenziert<br />

bzw. zusammengefasst: als Ideologie,<br />

als Strategie, als Stil oder als Gesamtheit<br />

dieser drei Elemente. In soziologischer<br />

Perspektive ist ein wesentlicher Aspekt zu<br />

betonen: Nämlich, dass aufgrund kapitalistischer<br />

Eigentümerinteressen der großen<br />

internationalen Medienkonzerne und<br />

-netzwerken die populistische Aufbereitung<br />

politischer Botschaften vor allem den Medienunternehmen<br />

selbst nützen. Politik<br />

und Gesellschaft bleiben auf der Strecke.<br />

Mediatisierte Botschaften und ihr vom<br />

Sender intendierter Sinn werden durch die<br />

polarisierende Aufmachung der meisten<br />

Medien-Formate von der Öffentlichkeit nur<br />

noch verzerrt wahrgenommen. Der politische<br />

Prozess in der „Mediendemokratie“<br />

wurde dadurch dysfunktional. Wahlergebnisse<br />

können durch die „Qualität“ einzelner<br />

Wahlkampf-Kampagnen von persönlichen<br />

Kandidaturen oder wahlwerbenden Parteien<br />

nicht mehr erklärt werden. Demoskopen<br />

fi schen im Trüben und/oder produzieren<br />

Forschungsergebnisse – meist im Auftrag<br />

von Medien oder Parteien – deren Aussagekraft<br />

angezweifelt wird. Es scheint, als ob<br />

nur noch ein strenges internationales Regulierungsregime<br />

Heil bringen könne.<br />

Keine politische Analyse kommt ohne den<br />

zumeist unscharf gebrauchten Begriff Populismus<br />

aus. Die Politik-Branche hat daran<br />

schuld. Und die Medien – Stichwort<br />

Lügenpresse bzw. Fake News bzw. Hetze<br />

in (un)sozialen Medien – gelten den Leuten<br />

sowieso als verkommen. Die Wirtschaft<br />

aber brumme, rechnen Ökonomen, und<br />

das wäre gut so, weil ja nur die Wirtschaft<br />

die Jobs schaffe. Soweit der breit kolportierte<br />

Statusbericht über die gesellschaftspolitische<br />

Dauerkrise in westlichen Demokratien.<br />

Das strukturelle Zusammenspiel<br />

zwischen den wesentlichen Spielern im<br />

demokratischen Prozess wird aber sozialwissenschaftlich<br />

nicht tiefgehend genug<br />

erforscht. Damit bleiben in der reformpolitischen<br />

Diskussion die wesentlichen<br />

Faktoren für gesellschaftlichen Fortschritt<br />

unbeleuchtet. Und die neoliberale Agenda<br />

verbreitet sich unbeirrt.<br />

Vielleicht ist alles zu kompliziert geworden,<br />

um deutend verstanden und ursächlich<br />

erklärt werden zu können? Zumal Max<br />

Webers Defi nition ja auf soziales Handeln<br />

bezogen war. Was aber ist mit unsozialem<br />

Handeln? Sind dafür nur die ökonomischen<br />

Erklärungsschemata mit ihren paradoxen<br />

Dilemmata prädestiniert?<br />

Zu befürchten ist, dass rationale Erklärung<br />

und auf Logik basierende Theorie – insbesondere<br />

im dysfunktionalen öffentlichen<br />

Diskurs, der von professioneller bis pathologischer<br />

Lügerei zersetzt wurde – ungehört<br />

verpufft und die dekonstruierten,<br />

staatlichen wie überstaatlichen Institutionen<br />

ohne überzeugenden Sinnzusammenhang<br />

in Selbsterhaltung erstarrt bleiben.<br />

Bad News Is Good News…<br />

Die uralte journalistische Weisheit, dass<br />

schlechte Nachrichten gut für die verbreitete<br />

Aufl age sind, mutierte in den Medien der<br />

Gegenwart längst ins Pathologische. Milliardäre<br />

leisten sich Medienkonzerne und so<br />

konnte ein Donald Trump zum Präsidenten<br />

der Vereinigten Staaten von Amerika werden.<br />

Trotzdem sein Verhalten und Handeln<br />

fast nur noch klinisch psychologisch erfasst<br />

wird, hält er sich bereits ein Jahr im Amt.<br />

Die Buchneuerscheinung „Fire and Fury<br />

– Inside the Trump White House“ aus der<br />

Feder des New Yorker Journalisten Michael<br />

Wolff und die Trump-Biografi e des USamerikanischen<br />

Dokumentarfi lmers Michael<br />

Kirk machen deutlich, mit welchen<br />

Mitteln und Methoden der amtierende US-<br />

Präsident seinen Weg gemacht hat. – Und<br />

welche Menschen ihn dabei beraten und<br />

geführt haben. Darunter erzkonservative<br />

Milliardäre und Medienmogule wie ein Robert<br />

Mercer und ein Rupert Murdoch. Zwar<br />

haben auch diese keine gute Meinung von<br />

„The Donald“, doch ist er für Milliardäre<br />

ein verlässlicher Partner, wenn es um die<br />

Umsetzung des sogenannten „Pluto-Populismus“<br />

geht. – Ein von Financial Times-<br />

Mitherausgeber und Chefkommentator<br />

Martin Wolf geprägter Terminus. Er meint,<br />

dass Plutokraten rechtspopulistische Täuschungsmanöver<br />

medial verbreiten ließen,<br />

den „einfachen Mann“ damit aufhetzen<br />

und diese irrational verblendeten Menschen<br />

würden dann auch noch für die Interessen<br />

des Kapitals abstimmen.<br />

…und die Politik in der Zwickmühle<br />

Natürlich sieht das journalistische Bodenpersonal<br />

seine Aufgabe und sein tagtägliches<br />

Schaffen mehrheitlich anders – quasi<br />

im Dienst von Demokratie und Gesellschaft.<br />

Leider zog qualitativer Journalismus gegenüber<br />

Quantität und Geschwindigkeit längst<br />

den Kürzeren. Eine demokratiepolitisch<br />

entscheidende Frage der Zukunft ist, wie<br />

Medienpolitik und nationale wie internationale<br />

Regulierung auf durch Skaleneffekte<br />

zu „Monopolen der Falschinformation“ mutierte<br />

Medienkonzerne reagieren soll. Am<br />

besten analog dazu wie die EU mit Finanzdienstleistern<br />

und ihren toxischen Papieren<br />

reagierte. Durch die Schaffung strenger<br />

Marktregulierung und einer entsprechenden<br />

Bankenunion.<br />

Vermutlich wird sich auch in Europa die Öffentlichkeit<br />

von der Vorstellung verabschieden<br />

müssen, dass gewisse Massenmedien<br />

als „Vierte Säule der Demokratie“ zu<br />

fördern wären – und andere Medien eben<br />

nicht. Vielmehr verfolgt die EU-Kommission<br />

mittelfristig das Ziel, mit Richtlinien den<br />

Medienmarkt zu regulieren – mit dem ersten<br />

Schritt einer einheitlichen Finanzierung<br />

für öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den<br />

EU-Mitgliedsstaaten. Es kann dies natürlich<br />

nur der Anfang sein, und müssen strenge<br />

Marktregulatoren eine in Wirklichkeit<br />

längst disqualifi zierte nationale Medienpolitik<br />

ablösen, deren Repräsentanten bloß<br />

an kurzfristigen Einfl ussnahmen zugunsten<br />

der eigenen Partei interessiert sind.<br />

Es versteht sich, dass eine Neuregulierung<br />

der internationalen Medienlandschaft nicht<br />

zur Gleichschaltung der Information führen<br />

dürfe, sondern dass jede Normierung in der<br />

Medienökonomie auf journalistische Qualität<br />

abzielen muss.<br />

Dr. Bernhard MARTIN<br />

ist freischaffender Mediensoziologe in Wien<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2018</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 27

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