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soziologie heute Februar 2018

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Das Wort Krise geht auf<br />

den altgriechischen<br />

Begriff krisis (krinein =<br />

prüfen, sich entscheiden)<br />

zurück und bedeutet<br />

<strong>heute</strong> allgemein<br />

gesprochen eine problematische,<br />

mit einem<br />

Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation.<br />

Dies kann einzelne<br />

Menschen, Unternehmen, Regionen<br />

oder die ganze Welt betreffen. In<br />

diesen Situationen sind die Handlungsoptionen<br />

eingeschränkt und<br />

gleichzeitig müssen die Betroffenen<br />

handeln, um eine Bedrohung abzuwenden<br />

oder sich an einen großen<br />

Verlust anzupassen. Die populäre,<br />

umgangssprachliche Verwendung<br />

des Begriffs „Krise“ umfasst dabei<br />

Katastrophen, aber auch Veränderungen,<br />

die das Leben so mit sich<br />

bringt. Zur Krise gehört, dass sie<br />

eine Belastung darstellt, die über<br />

das Alltägliche hinausgeht. Der österreichische<br />

Dichter Ernst Jandl<br />

schreibt in einem seiner Gedichte:<br />

„Die Krise ist ein Riese, der in jedem<br />

Zwerg Platz hat, das ist für einen jeden<br />

sehr ärgerlich, wenn so ein Riese<br />

in ihm sitzt, er denkt tagein tagaus,<br />

wie bring ich den Riesen bloss<br />

hinaus, ja er denkt ununterbrochen<br />

an seine Krise, manchmal tut er es<br />

jahrelang.“<br />

Doch was hat das alles mit Gesundheit<br />

und der betrieblichen<br />

Arbeitswelt zu tun? Im Fehlzeiten-<br />

Report 2017 – einem seit 1999<br />

erscheinenden Standardwerk mit<br />

jährlich wechselnden Schwerpunkten<br />

– werden in 25 Kapiteln die<br />

verschiedenen Facetten von Krisen<br />

in Unternehmen, in Teams und bei<br />

Beschäftigten beschrieben. Egal ob<br />

Digitalisierung, Krisenbewältigung<br />

bei Einsatzkräften, Mobbing am Arbeitsplatz,<br />

Burnout, Betriebliches<br />

Eingliederungsmanagement, kritische<br />

Lebensereignisse bei Beschäftigten,<br />

betriebliche Qualifi zierungsprogramme<br />

für Gefl üchtete oder die<br />

Betreuung von Lokführern, die einen<br />

Schienensuizid erleben mussten:<br />

All diese Themen werden aktuell<br />

in Betrieben bewältigt und im Fehlzeiten-Report<br />

2017 beschrieben.<br />

Davon können viele Beschäftigte,<br />

Führungskräfte und Personalverantwortliche<br />

in den Betrieben profi<br />

tieren. Die Grundfrage, zu deren<br />

Beantwortung beigetragen werden<br />

soll: Wie kann es gelingen, Krisen<br />

zu meistern und vielleicht auch als<br />

Neubeginn im Sinne einer Chance<br />

zu nutzen? Dafür ist es notwendig,<br />

dass in der Unternehmenspraxis Krisen<br />

von Beschäftigten auch erkannt<br />

und Bewältigungsstrategien, z.B.<br />

durch unterstützende Maßnahmen,<br />

entwickelt werden.<br />

Fokussiert soll dies hier am Beispiel<br />

von kritischen Lebensereignissen<br />

bei Erwerbstätigen vorgestellt werden:<br />

In welchem Ausmaß sind die<br />

Beschäftigten von schweren Konfl<br />

ikten im privaten und betrieblichen<br />

Umfeld betroffen, wie sieht es mit<br />

schweren Erkrankungen in der Familie<br />

aus, mit Scheidung oder dem<br />

Tod des Partners? Welche Auswirkungen<br />

haben diese kritischen Lebensereignisse<br />

im betrieblichen<br />

Kontext und welche betrieblichen<br />

Hilfsangebote zur Unterstützung<br />

der betroffenen Beschäftigten sind<br />

vorhanden? Antworten können aus<br />

einer aktuellen repräsentativen Beschäftigtenbefragung<br />

gewonnen<br />

werden, deren Ergebnisse auch im<br />

Fehlzeiten-Report 2017 vorgestellt<br />

werden.<br />

Jeder zweite Beschäftigte hat<br />

Krisen erlebt<br />

Die Hälfte der Befragten (52 Prozent)<br />

berichtet über kritische Lebensereignisse.<br />

Während die Unterschiede<br />

zwischen Männern und<br />

Frauen gering sind, ist – wenig überraschend<br />

– der Einfl uss des Alters<br />

groß. Mit zunehmendem Alter steigt<br />

der Anteil der Betroffenen an: Etwas<br />

mehr als ein Drittel der Beschäftigten<br />

unter Dreißig (37,6 Prozent) berichtet<br />

über kritische Lebensereignisse<br />

aktuell oder in den letzten fünf<br />

Jahren, bei den 50- bis 65-Jährigen<br />

sind dies schon fast zwei Drittel<br />

(64,7 Prozent).<br />

Wird nach dem schlimmsten Ereignis<br />

gefragt, wird am häufi gsten über<br />

„schwere Erkrankungen in der Familie“,<br />

gefolgt von „belastenden Konfl<br />

ikten im privaten Umfeld“ berichtet,<br />

gefolgt von „Trennung“ oder „Tod<br />

eines Familienangehörigen“. Bereits<br />

auf Rang fünf steht mit „Mobbing<br />

oder Streit am Arbeitsplatz“ ein betriebsbezogenes<br />

kritisches Lebensereignis.<br />

Jüngere Erwerbstätige berichten<br />

neben privaten Konfl ikten<br />

eher über Streit oder Mobbing am<br />

Arbeitsplatz, während bei älteren Erwerbstätigen<br />

Krankheiten oder der<br />

Tod eines Familienangehörigen eine<br />

größere Rolle spielen.<br />

Krisen beeinträchtigen Gesundheit<br />

und Arbeitsfähigkeit<br />

Eine genauere Betrachtung der<br />

Befragungsergebnisse macht deutlich,<br />

dass die kritischen Ereignisse<br />

– auch die mit einer Entstehungsgeschichte<br />

im Privatleben – überwiegend<br />

großen Einfl uss auf Leben<br />

und Arbeit der Beschäftigten haben:<br />

So berichten vier von fünf betroffenen<br />

Beschäftigten über eine<br />

starke Beeinfl ussung des Lebens<br />

insgesamt sowie der seelischen<br />

und körperlichen Gesundheit. Aber<br />

auch die Berufstätigkeit wird bei<br />

zwei Dritteln der Betroffenen in<br />

Mitleidenschaft gezogen. Mehr als<br />

die Hälfte der Befragten fühlt sich<br />

durch die Krise in der eigenen Leistungsfähigkeit<br />

eingeschränkt und<br />

geht trotz einer Erkrankung in diesem<br />

Kontext zur Arbeit. Mehr als ein<br />

Drittel war aufgrund des kritischen<br />

Lebensereignisses unzufrieden mit<br />

der Arbeit oder hat sich häufi ger<br />

krank gemeldet.<br />

Betriebe bieten Unterstützung an<br />

Wenn also klar ist, dass persönliche<br />

Krisen einen hohen Einfl uss auf die<br />

Mehr als die Hälfte der Befragten<br />

fühlt sich durch die Krise in<br />

der eigenen Leistungsfähigkeit<br />

eingeschränkt und geht trotz<br />

einer Erkrankung in diesem<br />

Kontext zur Arbeit.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2018</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 11

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