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soziologie heute Juni 2010

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<strong>Juni</strong> <strong>2010</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 29<br />

Markt- und Meinungsforschung<br />

Klassische Werbung verliert an Bedeutung<br />

Umfangreichste Vergleichsstudie zur Wirkung von Werbung und PR-Beiträgen<br />

von Therese Bartusch-Ruhl M.A., Fachhochschule Mainz<br />

Öffentlichkeitsarbeit ist im direkten<br />

Vergleich meist wirkungsvoller als<br />

die klassische Werbeanzeige – jedenfalls<br />

wenn es um wichtige Kaufentscheidungen<br />

wie Autos, Kosmetik<br />

oder elektronische Geräte geht, denen<br />

der Interessent viel Aufmerksamkeit<br />

widmet.<br />

Das ist eines der Ergebnisse der bislang<br />

aufwendigsten Vergleichsstudie<br />

zur Wirkungskraft von Werbung und<br />

PR-Beiträgen, die in diesen Tagen von<br />

Lothar Rolke, Professor an der FH<br />

Mainz, und Marei Dost, Beraterin in einer<br />

namhaften Marketingberatung in<br />

Hamburg, veröffentlicht wird. Die Autoren<br />

haben dazu nicht nur über 50 internationale<br />

Studien ausgewertet, sondern<br />

auch ein eigenes Experiment mit<br />

über 1000 repräsentativ ausgewählten<br />

Personen durchgeführt.<br />

Im Ergebnis zeigt sich: Öffentlichkeitsarbeit<br />

überzeugt vor allem, wenn es<br />

um die Vermittlung von Wissen, wenn<br />

es um Fragen der Glaubwürdigkeit und<br />

der Überzeugungskraft von Argumenten<br />

geht. Klassische Werbung hingegen<br />

kann vor allem dort ihre Stärke<br />

entfalten, wo Produkte vermarktet<br />

werden, deren Kauf der Konsument<br />

weniger Aufmerksamkeit schenkt.<br />

Werbung bleibt zwar nach Einschätzung<br />

der Autoren auch künftig unverzichtbar,<br />

weil sie im Gegensatz zur<br />

Öffentlichkeitsarbeit vollständig kontrollierbar<br />

ist. Allerdings sei sie auch<br />

um das Acht- bis Zehnfache teurer. „Da<br />

die Frage der Effizienz in der Kommunikation<br />

für die Unternehmen sprunghaft<br />

an Bedeutung gewinnt, wird sich<br />

der Kommunikations-Mix deutlich verändern“<br />

erklärt Professor Rolke, der<br />

in Mainz BWL und Unternehmenskommunikation<br />

lehrt. Dieser Trend werde<br />

durch das Internet noch beschleunigt,<br />

weil es eher nach den Dialogprinzipien<br />

der Öffentlichkeitsarbeit funktioniere,<br />

als dass es den Aufmerksamkeitsregeln<br />

der Werbung folge. Deshalb sei<br />

damit zu rechnen, dass Marketer und<br />

Öffentlichkeitsarbeiter intensiver zusammenarbeiten<br />

würden. Schon <strong>heute</strong><br />

unterstützten 50 Prozent der PR-<br />

Fachleute die Produktkommunikation<br />

im Unternehmen. Streit wird es nach<br />

Ansicht Rolkes darüber geben, wer<br />

künftig in der Kommunikation die Führungsrolle<br />

übernimmt.<br />

„Die Herausforderung besteht darin<br />

zum Konsumenten durchzudringen<br />

und eine Kommunikation anzubieten,<br />

die für den Kunden Bedeutung hat“,<br />

erklärt Marei Dost. Die traditionelle<br />

Werbung müsse angesichts der Veränderungen<br />

im Umgang mit Medien<br />

und Informationen neu bewertet und<br />

ihre Wirkung gezielt auf die Ergänzung<br />

durch andere Kommunikationsformen<br />

hin überprüft werden.<br />

Am schwierigsten seien die traditionellen<br />

Werbeformate ins Internet zu<br />

übertragen. So zeigt die Studie: Es ist<br />

unter den Befragten zwar das Informationsmedium<br />

Nr. 1, hat aber auch die<br />

meisten Werbeablehner und -vermeider.<br />

Hier seien nach Auffassung der<br />

Beraterin Dost neue Formen der Markenkommunikation<br />

zu entwickeln.<br />

Kontakt:<br />

Prof. Dr. Lothar Rolke, FH Mainz – University of Applied<br />

Sciences. Mail: info@rolke.biz<br />

Zum Tode von Elisabeth Noelle von Alfred Fuhr und Wolfram Breger (BDS)<br />

Am Donnerstag 25.3. <strong>2010</strong> ist Frau Prof. Dr. Elisabeth Noelle, die mit dem von ihr gegründeten Allensbach-Institut die Demoskopie in<br />

Deutschland begründete, im Alter von 93 Jahren verstorben.<br />

Elisabeth Noelle studierte Geschichte und Zeitungswissenschaft. Sie war zunächst eine aufmüpfige Journalistin und wurde vom NS- Reichspropagandaministerium<br />

mit einem Berufsverbot belegt, dem sie sich mit der ihr eigenen Energie widersetzte. Nach dem Krieg war sie an der Seite des<br />

CDU Bundestagsabgeordneten Neumann eine der ersten, die, aus der Garage ihres Hauses am Bodensee heraus, das Feld der Jugendforschung mit<br />

der Meinungsforschung verband.<br />

Ihre ersten Aufträge erhielt sie, wie sie auf dem Jubiläumskongress des Berufsverbandes der Deutschen Markt- und Sozialforscher 2005 bei Entgegennahme<br />

des Ehrenpreises lebhaft schilderte, von den französischen Besatzungsbehörden. 1947 gründete sie das Institut für Demoskopie,<br />

Allensbach. Als Dreißigjährige erwarb sie schnell einen Beraterstatus für die „große Politik”, denn sie erforschte nicht nur die Meinungen der<br />

Deutschen, sondern verstand es ebenso, die Wirkungen, die Politiker und politische Meinung beim deutschen Volk hervorriefen, an die Politik zurückzuspiegeln<br />

und damit Erfolge und Niederlage zu kommunizieren und zu reflektieren. So war sie in der Lage, als Dienstleisterin für Medien und<br />

Politik den Ausgang von Bundestagswahlen annäherungsweise vorherzusagen; sie konnte sich empathisch in die WählerInnen hineinversetzen und<br />

deren individuelle Meinungen durch ihre im großen Team von Mitarbeitern gewonnenen Fragetechniken zu öffentlichen machen.<br />

Elisabeth Noelle, Wissenschaftlerin und erfolgreiche Unternehmerin in einer Person, entdeckte die „Schweigespirale”, ein Phänomen der Mediengesellschaft,<br />

das erklären kann, weshalb die öffentliche (veröffentlichte) Meinung nach einer bestimmten Zeit das Interesse an einem brisanten<br />

Thema verliert. Zweifellos hat sie unter anderem als Beraterin von Konrad Adenauer und Helmut Kohl das „Aussitzen” unliebsamer Themen als<br />

erfolgreiche Politikerverhaltensweise mit gefördert. Sie gestaltete „Meinung” und gab sie wieder, und das hat der „Pythia vom Bodensee” Gegner<br />

und Bewunderer gleichermaßen eingebracht.<br />

Als Wissenschaftlerin gründete sie eine regelrechte Kommunikationsschule, die sich stets auf ihren Namen beziehen konnte, und ermöglichte<br />

eine Verbreiterung der aus Nordamerika stammenden Kommunikationsbegriffe in die deutsche Medienlandschaft hinein. Die „Allensbacher Monatsberichte”<br />

gehören zu den Klassikern der internationalen Medienforschung und praktischen Kommunikationswissenschaft. Dort war sie noch<br />

lange als Autorin tätig, und obwohl sie bereits früh die Geschäftsführung an Renate Köcher übertragen hatte, gehörte sie bis zu ihrem Tod der Geschäftsführung<br />

an. Mit Elisabeth Noelle verstarb eine bedeutende Figur der Zeitgeschichte, die die angewandte Sozialwissenschaft in Deutschland<br />

polarisierte und gleichzeitig stark geprägt hat.

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