soziologie heute Juni 2010
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20 <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2010</strong><br />
merkmal moderner Organisationen<br />
geworden, konstitutiv für deren Effizienz“<br />
(Müller-Jentsch 2003: 65), und<br />
Gruppenfähigkeit erscheint als neue<br />
Basiskompetenz der Arbeit.<br />
Risiken<br />
Als soziale Gruppen bilden Arbeitsgruppen<br />
informelle Verhaltensregeln,<br />
vor allem Leistungsstandards<br />
aus, was den Gruppenmitgliedern<br />
Orientierung bieten, aber auch Einzelne<br />
ausgrenzen kann. Eine Verbesserung<br />
der Arbeitsbedingungen für<br />
den Einzelnen ist daher nicht umstandslos<br />
zu erwarten. Tendenzen<br />
zur „Selbstausbeutung“ und Konkurrenz<br />
zwischen Teams beinhalten<br />
die Möglichkeit von zunehmendem<br />
Stress und psychischer Überbelastung.<br />
Gleichzeitig steigen die Erwartungen<br />
des Managements in Hinblick<br />
auf die Leistungen in Form von Loyalität,<br />
Engagement, Initiative, Kooperations-<br />
und Weiterbildungsbereitschaft.<br />
„Insgesamt betrachtet erhöht<br />
sich die Wahrscheinlichkeit einer<br />
gleichzeitigen Zunahme von Handlungsspielräumen<br />
und Leistungsverdichtung,<br />
eines generellen Anstiegs<br />
von Leistungsanforderungen und damit<br />
möglicherweise auch von Stress,<br />
Arbeitstempo und Hektik.“ (Jäger<br />
1999: 77-78)<br />
Verschärft wird diese Situation durch<br />
die Herstellung interner Marktbeziehungen<br />
im Zuge einer Ökonomisierung<br />
der unternehmensinternen Beziehungen:<br />
Der <strong>heute</strong> geforderte , „unternehmerische<br />
Angestellte”<br />
verfügt über eine hohe Wagnisbereitschaft,<br />
hohes Potenzial<br />
zur Identifi zierung<br />
strategischer Probleme, ausgeprägtes<br />
Durchsetzungsvermögen<br />
und ergebnisorientierte<br />
Arbeitsweise bei<br />
hoher Kundenorientierung.<br />
Foto: P. Kirchhoff, pixelio<br />
• Schaffung wertschöpfender „Unternehmen<br />
im Unternehmen“ (Profitcenter-Strukturen);<br />
• Übertragung des Marktprinzips<br />
auch auf nicht am externen Kunden<br />
arbeitende Unternehmensteile<br />
durch Umgestaltung der<br />
internen Kooperationen zu „Kunden-<br />
Lieferanten“-Beziehungen mit Marktpreisverrechnungen<br />
• Integration und Koordination<br />
durch Kontextsteuerung über kulturelle<br />
(Unternehmenskultur) und<br />
informationelle Integration und Zielvereinbarung<br />
(Jäger 1999).<br />
Dabei werden Entscheidungen, deren<br />
(Markt-)Parameter vom Einzelnen<br />
oder von der Arbeitsgruppe<br />
mangels unternehmerischer Freiheit<br />
kaum zu beeinflussen sind, in die<br />
Selbststeuerung verlagert. Oft uneingestandene<br />
Überlastsituationen entstehen;<br />
die funktionale Bedeutung<br />
von Organisationsgrenzen, die auch<br />
eine Schutzfunktion haben, tritt tendenziell<br />
außer Kraft. „Die Beschäftigten<br />
werden vielmehr unmittelbar<br />
mit den Risiken des Marktes konfrontiert,<br />
ohne allerdings auf ihn wie<br />
ein Unternehmer Einfluss nehmen<br />
zu können“. Für den Einzelnen kann<br />
dies einen Verlust von Maßstäben,<br />
Selbstverleugnung und Erschöpfung<br />
zur Folge haben, eine „Entfremdung<br />
des eigenen Wollens“. (Senghaas-<br />
Knobloch 2008: 49)<br />
Davon sind auch Führungsrollen<br />
betroffen. Der <strong>heute</strong> geforderte „unternehmerische<br />
Angestellte“ verfügt<br />
über eine hohe Wagnisbereitschaft,<br />
hohes Potenzial zur Identifizierung<br />
strategischer Probleme, ausgeprägtes<br />
Durchsetzungsvermögen und<br />
ergebnisorientierte Arbeitsweise<br />
bei hoher Kundenorientierung nach<br />
innen und außen – er verkörpert in<br />
reiner Form den „Arbeitskraftunternehmer“,<br />
der zunehmend die Existenzweise<br />
und teilweise sogar das<br />
Selbstverständnis der Heerscharen<br />
von freien Mitarbeitern, Alleinunternehmern,<br />
Selbständigen und Scheinselbstständigen<br />
prägt.<br />
Managerrollen im Umbruch<br />
Anders als im Schaubild wird ein neues<br />
Bild von Führung seit den 1990er Jahren,<br />
diesmal zu Recht, von der Beraterbranche<br />
unter dem Label „Leadership“<br />
propagiert. Der Vorgesetzte ist nicht<br />
mehr der Anweisende und Kontrollierende,<br />
der in einer klar strukturierten<br />
Linie (häufig als Einbahnstraße) agiert,<br />
sondern der Moderator von Kommunikationen<br />
und Prozessen, der Integrator<br />
diversifizierter Teams, Networker,<br />
Coach, Gestalter von Unternehmenskultur.<br />
Solche Kompetenzen, wie sie<br />
bislang dem Top-Management zugeschrieben<br />
wurden, müssen gelernt<br />
und können gelernt werden (wie der<br />
St. Galler Wirtschaftswissenschaftler<br />
und Berater F. Malik nicht müde wird<br />
zu wiederholen).<br />
Die produktive Verbindung von Autonomie<br />
und Kontrolle, Markt und Hi-<br />
„Mein Bild von Führung”<br />
Zeichnungen von TeilnehmerInnen in Führungsseminaren,<br />
eigene Wiedergabe.<br />
Das mittlere Bild stammt vom Personalleiter<br />
eines mittelgroßen technischen Dienstleisters