holger zibler_ensemble kultopia ... - holger-zibler.de
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‚Dem Licht geben‘ und ‚gebären‘, so ist<br />
die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s spanischen Titels <strong>de</strong>r<br />
neuen MusikTanzTheater Produktion von <strong>holger</strong><br />
<strong>zibler</strong>_<strong>ensemble</strong> <strong>kultopia</strong> und <strong>de</strong>r<br />
UtaPüttmannProduktion.<br />
Die Versuche von Menschen, <strong>de</strong>n Schatten<br />
traumatischer Erfahrungen zu entfliehen,<br />
sind Themen <strong>de</strong>r vielschichtigen<br />
Inszenierung.<br />
Choreographie, Musikkomposition und Schauspiel<br />
erzeugen eine dichte Bildsprache -<br />
manchmal wild, manchmal böse, hart und<br />
zärtlich zugleich, aber immer poetisch,<br />
kraftvoll und voller Wucht.<br />
Frauen und Männer unternehmen<br />
absur<strong>de</strong>, verzweifelte<br />
und auch komische<br />
Versuche, ihrer eigenen<br />
Vergangenheit zu<br />
entrinnen. Dabei<br />
scheitern sie fortwährend.<br />
Sie hetzen<br />
und jagen, wer<strong>de</strong>n<br />
gezogen und getragen.<br />
Sie tasten<br />
sich vorwärts und –<br />
versuchen, sich zum<br />
Verschwin<strong>de</strong>n zu bringen.<br />
Eine andauern<strong>de</strong> Suche –<br />
nach einem Schlüssel für<br />
erträgliche Nähe und<br />
wirkliche Berührung.<br />
Und wenn man begreift,<br />
nicht mehr lebendig<br />
aus seinem Leib herauszukommen,<br />
dann streift einen <strong>de</strong>r Atem<br />
<strong>de</strong>r Existenz. ---<br />
Welch ein glückliches Entsetzen!<br />
‚Dar A Luz_Findlinge‘ ist die dritte gemeinsame Arbeit <strong>de</strong>s Theaterregisseurs<br />
und Autors Holger Zibler (Dortmund), <strong>de</strong>r Komponistin<br />
Dagmar Scholz (Köln), <strong>de</strong>r Choreographin Uta Püttmann (Bonn) und<br />
<strong>de</strong>s Schauspielers Angelo Enghausen Micaela (Dortmund).<br />
Erweitert um <strong>de</strong>n Bildhauer Andrés Ginestet (Barcelona) und die<br />
Performerin Janet Toro (Dortmund/Santiago <strong>de</strong> Chile), die vier<br />
Tänzerinnen Stephanié Bouillaud (Köln/Le Haillan), Barbara Schröer<br />
(Ancona/Hamburg), Axelle Sengissen (Köln/Romans), Anna Städler<br />
(Amsterdam/Berlin) und die MusikerInnen Barbara Kuklinski<br />
(Sopranstimme; Köln), Karola Pasquay (Flöte; Wuppertal), Hubert<br />
Poggel (Kontrabaß; Essen), Matthias Strucken (Marimba, Vibraphon,<br />
Schlagwerk; Köln), Dirk Tonding (Marimba,<br />
Vibraphon, Schlagwerk; Köln),<br />
verbin<strong>de</strong>t diese Produktion<br />
konsequent die unterschiedlichen<br />
Genres.<br />
Die Inszenierung thematisiert<br />
und reflektiert die gesellschaftlich<br />
zunehmen<strong>de</strong> Gewaltbereitschaft als Mittel von<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen und zeigt die I<strong>de</strong>ntitätssuche<br />
nach Gewalterfahrungen, die Versuche von Menschen,<br />
<strong>de</strong>n Schatten ihrer Vergangenheit zu entfliehen.<br />
Das Gedicht von Holger Zibler stellt ein<br />
Kernstück <strong>de</strong>s Projektes dar und war Anstoßgeber für<br />
weitere künstlerische Prozesse. Der internationale<br />
Charakter, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Text nahelegt, wird durch<br />
KünstlerInnen aus fünf unterschiedlichen kulturellen<br />
Lebensräumen weitergeführt.<br />
Die Komposition von Dagmar Scholz arbeitet<br />
als mo<strong>de</strong>rne E-Musik mit <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren<br />
Klangmöglichkeiten von Gesang (Sopran), Alt-,<br />
Piccolo-, Quer- und Bassflöte, Marimba, Vibraphon,<br />
Kontrabass und Schlagwerk und steht im intensiven<br />
Austausch mit <strong>de</strong>m lyrischen Text.<br />
Die Choreographie von Uta Püttmann erzählt in eindrucksvoller<br />
Tanz- und Bil<strong>de</strong>rsprache, kontrastreichen Szenenfolgen und<br />
wechseln<strong>de</strong>n Stimmungen über das Außen und Innen von Menschen<br />
und Räumen, das Sichtbarmachen von Körpererfahrungen,<br />
Seelenzustän<strong>de</strong>n und seelischen Verkrustungen - Versuche <strong>de</strong>s<br />
Weiterlebens, <strong>de</strong>s Zur-Sprache-kommens und <strong>de</strong>s<br />
Sich-habhaft-wer<strong>de</strong>ns.<br />
Schauspiel und Performance im gestalteten Bühnenraum<br />
zeigen <strong>de</strong>n künstlerischen Prozess, im industriell geprägten, urbanen<br />
Ballungsraum, kulturelle I<strong>de</strong>ntität immer wie<strong>de</strong>r neu zu <strong>de</strong>finieren.<br />
Alle beteiligten Kunstsparten wer<strong>de</strong>n phantasiereich und gefühlvoll<br />
miteinan<strong>de</strong>r verwoben.<br />
Eine radikale Suchbewegung zwischen Weltflucht und Weltsucht.<br />
Kann man vor seinem eigenen Trauma fliehen und wie erwachen wir?<br />
„Die Schattenvergangenheit ist aus all<strong>de</strong>m<br />
gemacht, was nie geschah. Unmerklich formt sie<br />
die Gegenwart wie Regen <strong>de</strong>n Karst. Eine<br />
Biographie <strong>de</strong>r Sehnsucht. Sie steuert uns wie<br />
ein Magnet, wie eine Antriebswelle <strong>de</strong>s Geistes.<br />
Deshalb trifft einen ein Duft so schwer, ein<br />
Wort, ein Ort, das Foto eines Berges von<br />
Schuhen. Eine Liebe, die <strong>de</strong>n Mund schließt,<br />
bevor sie einen Namen ruft.<br />
Von <strong>de</strong>n wichtigsten Ereignissen meines Lebens<br />
kann ich nicht zeugen. Ein Blin<strong>de</strong>r muss meine<br />
tiefste Geschichte erzählen, ein Gefangener <strong>de</strong>r<br />
Geräusche. Von <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite einer Mauer,<br />
von unter <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>.“<br />
Wo sind wir, wenn wir empfin<strong>de</strong>n?<br />
aus: Anne Michaels: Fluchtstücke, Berlin 1996