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Leseprobe Personalrat 01_2018

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Der <strong>Personalrat</strong> 1 | 2<strong>01</strong>8<br />

Orientierungssätze<br />

rechtsprechung<br />

arbeitsrecht<br />

arbeitsrecht<br />

Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG<br />

1. Die in einer Stellenausschreibung enthaltene Anforderung<br />

»Deutsch als Muttersprache« kann Personen wegen der ethnischen<br />

Herkunft in besonderer Weise benachteiligen i.S. v.<br />

§ 3 Abs. 2 AGG. Sie bewirkt, soweit es an einer Rechtfertigung<br />

i.S. v. § 3 Abs. 2 AGG fehlt, eine mittelbare Diskriminierung<br />

wegen der ethnischen Herkunft. Die erworbene Muttersprache<br />

ist typischerweise mittelbar mit der Herkunft und<br />

damit auch mit dem in § 1 AGG genannten Grund »ethnische<br />

Herkunft« verknüpft. Der Begriff »Muttersprache« betrifft<br />

den primären Spracherwerb. »Muttersprache« ist die Sprache,<br />

die man von Kind auf oder als Kind – typischerweise von den<br />

Eltern – gelernt hat. Darauf, ob der Begriff der muttersprachlichen<br />

Kenntnisse den Rückschluss auf eine bestimmte Ethnie<br />

zulässt, kommt es nicht an.<br />

2. Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach § 15<br />

Abs. 1 oder Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten<br />

schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien<br />

haben etwas anderes vereinbart, was hier<br />

nicht der Fall ist. Die Frist beginnt nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG<br />

im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs<br />

mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen<br />

einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die<br />

Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.<br />

3. Die Ablehnung eines Bewerbers ist keine rechtsgestaltende<br />

Willenserklärung, sondern eine rechtsgeschäftsähnliche<br />

Handlung. Da § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG für die Ablehnung keine<br />

bestimmte Form vorschreibt, muss die Ablehnung weder<br />

schriftlich noch sonst verkörpert erfolgen und kann deshalb<br />

auch mündlich erklärt werden.<br />

4. Eine »Ablehnung durch den Arbeitgeber« i.S. v. § 15 Abs. 4<br />

Satz 2 AGG setzt eine auf den Beschäftigten bezogene<br />

ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Arbeitgebers<br />

voraus, aus der sich für den Beschäftigten aus der Sicht eines<br />

objektiven Erklärungsempfängers eindeutig ergibt, dass seine<br />

Bewerbung keine Aussicht (mehr) auf Erfolg hat. Allerdings<br />

reicht ein Schweigen oder sonstiges Untätigbleiben des<br />

Arbeitgebers grundsätzlich nicht aus, um die Frist des § 15<br />

Abs. 4 AGG in Lauf zu setzen. Ebenso wenig reicht es aus,<br />

wenn der Bewerber nicht durch den Arbeitgeber, sondern auf<br />

andere Art und Weise erfährt, dass seine Bewerbung erfolglos<br />

geblieben ist. Die Ablehnung muss sich als Reaktion auf die<br />

konkrete Bewerbung darstellen.<br />

BAG, Urteil vom 29.6.2<strong>01</strong>7 – 8 AZR 402/15<br />

Außerordentliche Kündigung<br />

wegen Drohung<br />

1. Die ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren<br />

für Leib oder Leben des Arbeitgebers, von Vorgesetzten und/<br />

oder Arbeitskollegen, für die kein allgemeiner Rechtfertigungsgrund<br />

eingreift, stellt eine erhebliche Verletzung der<br />

Nebenpflicht des Arbeitnehmers aus § 241 Abs. 2 BGB dar, auf<br />

die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu<br />

nehmen. Eine solche Drohung kann eine fristlose Kündigung<br />

unabhängig davon rechtfertigen, ob der Arbeitnehmer den<br />

Arbeitgeber mittels ihrer zu einer bestimmten Handlung,<br />

Duldung oder Unterlassung bestimmen will. Allerdings kann<br />

eine solche Intention das Gewicht der Bedrohung weiter<br />

verstärken.<br />

2. Eine ernstliche Drohung liegt vor, wenn die Äußerung nach<br />

ihrem sorgfältig zu ermittelnden Erklärungsgehalt objektiv<br />

geeignet ist, bei einem »normal« empfindenden Menschen<br />

den Eindruck der Ernstlichkeit zu erwecken, und der Wille des<br />

Drohenden darauf gerichtet ist, dass der Adressat die Drohung<br />

ernst nimmt. Nicht entscheidend ist, ob der Drohende<br />

seine Ankündigung verwirklichen kann oder will.<br />

3. Hat der Arbeitnehmer ernstliche Drohungen bei der Durchführung<br />

eines betrieblichen Eingliederungsmanagements<br />

i.S. v. § 84 Abs. 2 SGB IX (bEM) ausgesprochen, schließt dies<br />

die Verwertung der betreffenden Erkenntnisse im Kündigungsschutzprozess<br />

nicht aus. Die Durchführung des bEM und<br />

die Zwecke dieses Suchprozesses gebieten es nicht, ernstlichen<br />

Drohungen seitens des Arbeitnehmers von vorneherein<br />

und losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls, ein<br />

geringeres Gewicht beizulegen.<br />

BAG, Urteil vom 29.6.2<strong>01</strong>7 – 2 AZR 47/16<br />

disziplinarrecht<br />

Besondere Verwerflichkeit<br />

Die Anzahl und der Inhalt kinderpornografischer Schriften<br />

können eine besondere Verwerflichkeit begründen, die die<br />

Höchstmaßnahme disziplinarrechtlicher Maßnahmebemessung<br />

rechtfertigen kann.<br />

BVerwG, Beschluss vom 16.3.2<strong>01</strong>7 – 2 B 42/16<br />

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